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(Aus der Universitgts-Hautklinik Freiburg i. Br. -- Direktor : Prof. Dr. G. A. Rost.) Zur Kenntnis der exsudativen Diathese. Die Stigmata des Status exsudativus. Von Dr. Alfred Miiller~ Assistent der Klinik. (Eingegangeu am 26, Juni 1929.) Das Ziel der Forschungen der letzten Jahre war darauf gorichtet, eine klare und eindeutige Abgrenzung auf dem Gebiete der Allergie zu erreichen. Wir verstehen heute unter Allergie nicht mehr allgemein eine veranderte Reaktionsf~higkeit des Organismus nach Krankheiten oder entsprechender Vorbehandlung, sondern lassen diese Bezeichnung nur noch fiir einen ganz bestimmten engen Kreis yon Erseheinungen gelten (Doesr, Kiimmerer). Offenbar gibt es eine besondore Disposition, die ffir das Auftreten allergischer Manifestationen Vorbedingung ist. Wir werden yon einer allergischen Disposition dann sprechen kSnnen, wenn wir unter Allergie die andersartige Reaktion der Haut auf Sub- stanzen verstehen, die an sich nicht toxiseh wirken und bei Normalen keine Erscheinungen hervorrufen, tterkSmmlich rechnet man zu den allergischen Krankheitsbildern Asthma, Urticaria, Heufieber, Ekzem, Quinckesches ()dem. Es ist uns aufgefallen, dab es Individuen gibt, die offenbar in diesem Sinne allergisch sind, bei denen aber bestimmte Merkmale vorhanden sind, die sie innerhalb der grol3en Zahl yon Allergikern als besondere Gruppe yon Kranken kenntlish machen. Da es sich hierbei nicht um Symptome einer voriibergehenden Krankheit, sondern um Merkmale einer bestimmten Disposition handelt, so wahlen wir hierfiir die Be- zeichnung ,,Stigmata". Die Zusammenfassung dieser Stigmata ]a/~t einen Dauerzustand erkennen, der als Status bezeichnet wird. Bei der Aufstellung dieser Gruppe ging JRost zuni~chst yon engen Zusammen- hangen aus, die sich bei erwachsenen Kranken mit besonderen Haut- erscheinungen mit der exsuda~iven Diathese ergaben (s. Rost [2]). Rost kam daher zu der Auffassung, da[J auf dem Boden der exsudativen Diathese nicht nur im Kindesalter krankhafte Erscheinungen an der Haut und anderen yore Ektoderm stammenden Organen auftreten kSnnon, sondern auch beim Erwachsenen. Man kann heute sagen,

Zur Kenntnis der exsudativen Diathese

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( A u s der U n i v e r s i t g t s - H a u t k l i n i k F re i bu rg i. Br. - - Di rek tor : Prof . Dr. G. A. Rost.)

Zur Kenntnis der exsudativen Diathese. Die Stigmata des Status exsudativus.

Von

Dr. Alfred Miiller~ Assistent der Klinik.

(Eingegangeu am 26, Juni 1929.)

Das Ziel der Forschungen der letzten Jahre war darauf gorichtet, eine klare und eindeutige Abgrenzung auf dem Gebiete der Allergie zu erreichen. Wir verstehen heute unter Allergie nicht mehr allgemein eine veranderte Reaktionsf~higkeit des Organismus nach Krankheiten oder entsprechender Vorbehandlung, sondern lassen diese Bezeichnung nur noch fiir einen ganz bestimmten engen Kreis yon Erseheinungen gelten (Doesr, Kiimmerer). Offenbar gibt es eine besondore Disposition, die ffir das Auftreten allergischer Manifestationen Vorbedingung ist. Wir werden yon einer allergischen Disposition dann sprechen kSnnen, wenn wir unter Allergie die andersartige Reaktion der Haut auf Sub- stanzen verstehen, die an sich nicht toxiseh wirken und bei Normalen keine Erscheinungen hervorrufen, tterkSmmlich rechnet man zu den allergischen Krankheitsbildern Asthma, Urticaria, Heufieber, Ekzem, Quinckesches ()dem.

Es ist uns aufgefallen, dab es Individuen gibt, die offenbar in diesem Sinne allergisch sind, bei denen aber bestimmte Merkmale vorhanden sind, die sie innerhalb der grol3en Zahl yon Allergikern als besondere Gruppe yon Kranken kenntlish machen. Da es sich hierbei nicht um Symptome einer voriibergehenden Krankheit , sondern um Merkmale einer bestimmten Disposition handelt, so wahlen wir hierfiir die Be- zeichnung ,,Stigmata". Die Zusammenfassung dieser Stigmata ]a/~t einen Dauerzustand erkennen, der als Status bezeichnet wird. Bei der Aufstellung dieser Gruppe ging JRost zuni~chst yon engen Zusammen- hangen aus, die sich bei erwachsenen Kranken mit besonderen Haut- erscheinungen mit der exsuda~iven Diathese ergaben (s. Rost [2]). Rost kam daher zu der Auffassung, da[J auf dem Boden der exsudativen Diathese nicht nur im Kindesalter krankhafte Erscheinungen an der Haut und anderen yore Ektoderm stammenden Organen auftreten kSnnon, sondern auch beim Erwachsenen. Man kann heute sagen,

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26 A. Miiller:

dab sie sieh beim Mensehen in zwei Perioden offenbart; der Beginn der Sp~tperiode fg]lt vorwiegend mit der Pubert~tszeit zusammen. Die t tauterscheinungen der Frilhperiode werden yon Rost als ,,ex- sudatives Ekzematoid", diej~nigen der Spgtperiode als ,,spdtexsuda- rives Ekzematoid" bezeichnet. Weitere Beobaehtungen ergaben sehr bald, besonders dureh das gehgufte Vorkommen yon Asthma bei diesen Kranken selbst oder in ihrer Familie, dal~ enge Beziehungen zum Status allergicus bestanden. Das Ergebnis der experimentellen Forschungen an unserer Klinik berechtigt uns nunmehr zu der Auffassung, dab der Status exsudativus als eine besondere Gruppe zu dem fibergeordneten, weiteren Begriff des Status allergicus zu reehnen ist.

Wir befinden uns mR unseren Beobaehtungen betreffs einer Sp~tperiode des Status exsudativus nieht allein. Naeh Str,f~mpell k6nnen die Manifestationen der exsudativen Diathese an der Haut (Urticaria, Ekzem) in das sp/~tere Alter yon manehen tibernommen werden. Dektcer erklgrt sich die Entstehung der exsudativen Diathese im sp~teren Alter dureh Uberftitterung mit eiweil~haltigen Nahrungs- mitteln. Mayr und Moncorps beriehten yon Hauterkrankungen, die unter den Begriff der exsudativ-eosinophilen Diathese fallen; es h~ndelt sich um sehr hart- n~ckige, mit Asthma kombinierte ehronische Ekzeme, die anamnestiseh zum Teil bis in die Kindheit zuriickzuverfolgen waren. Naeh Spietho]/]aBt sich bei gewissen Ekzemen die konstitutionelle Gebundenheit h~ufig his zur frtihesten Kindheit zuriickverfolgen (neuropathiseher Ekzemtyp Brills). P/aundler reehnet zu den Folgeerseheinungen der exsudativen Diathese auch das Asthma.

Aus einer Zusammenstellung der '~namnestisehen St igmata des Status exsudativus (s. unten) wird ersiehtlieh sein, dab die Kombinat ion mit anderen ,,allergisehen" Erscheinungen ziemlieh gering ist. Die Frage, o b diese Erscheinungsformen streng genommen zum Status allergicus geh6ren, bezieht sieh vor allem auf Urticaria und Idiosyn- krasie. Nach Wol//-Eisner (eit. Samson) fal len aueh Asthma und Urti- caria sehr selten zusammen. Rost reehnet in seinen , , t tautkrank- heiten" beide Erkrankungen nieht zur Allergie, sondern zur Dermatit is toxica. Der Hauptgrund fiir diese Ansehauung liegt darin, dab weder bei der Urticaria noeh bei der Idi0synkrasie Stigmata des Status allergicus regelmgl3ig anzutreffen sind. Die Here inbez iehungbeider Krankheitsbilder zum Status allergicus widerspricht auch der ein- gangs hervorgehobenen Bedeutung der Disposition. Wir denken hier ~n die Forsehungen yon Br. Bloch und Steiner-Wourlisch, die bei opti- malem Vorgehen in 100% der F~lle eine Primelidiosynkrasie erzeugen konnten.

Unser Untersuehungsmateriai bezieht sieh auf rand 200 F~tle beider Perioclen des Status exsudativus. Es wird im Iolgenden unsere Aufgabe sein, die bisher bekannten Stigmata des Status exsudativus zusammenstellen. Wir wollen daraus seine ZugehSrigkeit zum Status allergicus ableiten. Wit wollen ferner beweisen, dab der Status ex- sudativus in zwei Perioden verl/~uft, und dal~ die Frfihperiode naeh

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Zur Kenntnis der exsudativen Diathese. 27

Ablauf des ersten Lebensjahrfi infts allmi~hlich in die Spgtperiode iibergeht.

Zu unserem Thema gehSrt also nicht die Therapie, ferner nieht die Besehreibung des klinischen Bildes; wit verweisen hier auf die Aus- ffihrungen von Rost. Es wird lediglich zum besseren Verst/~ndnis n6tig sein, das Krankhei tsbi ld des sp~ttexsudativen Ekzematoids in Be- ziehung zu tells ~thnliehen, teils identischen Krankhei tsbi ldern der Li tera tur zu setzen. Die klinisehe Beschreibung linden wir u . a . bei Jadassohn (1902), Bayet (1904), Sabouraud (Asthmaprurigo, 1913). Wi t f inden ferner die Bezeichnung call6ses Ekzem (Unna), allergisches Ekzem, diffuse Neurodermitis , Ekzema flexur~rum, Prurigo Besnier. Einige Autoren begnfigen sieh mit der Diagnose Ekzem. Die Uber- e ins t immung vieler St igmata des neuropathisehen Ekzemtypns Brills legt die Annahme einer Ident i t~ t nahe. SchlieBlieh scheint noch der

. , Lichen ehromeus Vidal, ferner die Prurigo hierher gerechnet zu werden.

Anamnestische Stigmata. Bei systematischer Registr ierung der anamnest ischen Angaben an

H a n d eines yon uns entworfenen Formblat tes ergaben sich interessante Aufschliisse, die wir unter den Begriff der anamnest ischen St igmata des Status exsudat ivus zusammenfassen wollen. Eine Ubersicht gibt Tab. 1. Wir verweisen ferner auf die Ahnentafe ln you Rost [2], ferner yon Kgmmerer [2].

Tabelle 1. 2tnamnestische Angaben der Kranken der Fri~,h- und Spiitperiode des Status exsudativus. (Angabe in Prozentzahlen.)

Art der Erkrankung

Asthm~ . . . . . . . . . . . . Exsudative Hauterscheinungen . . I Heufieber . . . . . . . . . . . . ~: Idiosynkrasie . . . . . . . . . . I Urticaria . . . . . . . . . . . . Bronchitis . . . . . . . . . . . . Chron. Katarrhe der Luftwege . . Chron. Schnupfen . . . . . . . . . Pferdesehnupfen . . . . . . . . . Rhinitis vasomotorica . . . . . .

Erwaehsene. I Kinder. Sp~itexsuda~ives Exsudatives

Ekzematoid Ekzematoid eigene I Familie

2 8 26 671 23 2,6 5 1,3 2,6 2 0,6 2 0,6 0,6 0,6 1,3 0,6 - - 0,6

eigene Familie

3 39 - - 25 - - 3

- - 3

- - 3

2,8

Allgemein ist zu dieser Aufstellung zu sagen, dab die Zahlen in Wirklichkeit etwas h6her liegen werden aus folgenden Griinden: Die Pat ienten k6nnen sehr oft fiber ihre FamilienangehSrigen, sobald man

1 In der eigenen Kindheit.

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28 A. Mtiller:

fiber Eltern and Gesehwis~er hinausgeht, nu t noeh unvollkommen a u s s a g e n ; es fallen ferner mehr vorfibergehende Erkrankungen oft der Vergessenheit anheim.

Wir entnehmen aus der Tabelle, dab vet ahem das A s t h m a verh~lt- nismgl~ig Mufig sowohl bei den Kranken selbst, Ms auch bei ihren Familienangeh6rigen angetroffen wird. Wir gelangen zu dem Ergebnis, dab in 54%, also in fund der H~lfte der Falle yon spgtexsudativem Ekzematoid, Asthma entweder in der Familie oder bei dem Patienten selbst vorkommt. Hierunter befinden sich 9 Fglle----6%, we Asthma in der eigenen und in der FamiHenanamnese gemeinsam vorhanden war. I t inzu kommen vielMcht noch einige Fglle yon Asthma, die unter dem Bilde chronischer Katarrhe (s. Tabelle) verlaufen w~ren.

q5 - - - -

~0

] 3s .

i ~2s ~ 2 0

qo I -

O 5 10 f5 20 g5 30 35 r ~ 55 A/ /er

Abb. 1. Erster Beginn der ttauterseheinungen.

qD

3O

i i o 5 qo 15 20 ~53o35 ~o ~sso / l ler

Abb. 2. Wiederbeginn der l-lauterscheinungen.

Die kleinen Zahlen bei unseren exsudativen Kindern sind dadnreh zu erklgren, dab die Asthmaanfglle in ihrem zeitlichen Verhalten zu den Hauterscheinungen meist sio~ter einsetzen (s. auch P e s h k i n ) .

Auf d~s Zusammenf~llen yon Asthma und Ekzem bzw. auf das .Alternieren beider Erkrankungen ist ~uch in der Litera~ur wiederholt verwiesen worden (Drake, Peshkin u. a., weitere Literatur bei K~mmerer [2]). More betrachtet das Sguglings- ekzem und dus Asthma als Re~ktionsformen derselben Diathese.

Die Tabelle zeigt ferner die Hgufigkeit exsuda t i ve r H a u t e r s c h e i n u n g e n

in der Anamnese. Der Zus~mmenhang zwischen Friih- und Spgtperiode des Status exsudativus wird besonders augenfgllig dureh die Tatsache, dab in 2/3 der Fglle yon spgtexsudativem Ekzematoid. exsudative Hauterscheinungen im S&uglings- und Kleinkindalter vorhanden waren. In der Familie finden wir exsudative Hauterseheinungen etwa in gleicher H6he, ngmlieh bei einem Viertel der Fglle. Die l%egelmgtligkei~ dieser Befdnde erlaubt uns, auf dieses Moment, ~hnlieh wie beim Asthma, groges Gewieht zu legen und als Stiitze ftir unsere B eh$uptungen heranzuziehen.

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Zur Kenntnis der exsudativen Diathese. 29

Beginn und Verlau/ der Erkrankung wollen wir an Hand der fol- genden Kurven erl/iutern. Die Zahlen beziehen sich auf unsere an sp/itexsudativem Ekzematoid Erkrankten, es ]assen sieh naturgem/iB nur bei diesen Patienten beide Perioden des Status exsudativus demon- strieren. Abb. 1 zeigt den erstmaligen Beginn der Erkrankung, der in 52% der F/ille im ersten Lebensjahfftinft, in weiteren 15% im zweiten Lebensjahrfiinft liegt. Der erst- malige Beginn der Hautersehei-~ nungen wird dann bis zur Pu- bert/it bin immer seltener ; sehlieBfieh bleib~ nur 1/5 aller F/ille fibrig, die naeh der Pu- bert/it erstmalig beginnen.

Veffolgen wir die Kranken, bei denen exsudative Haut- erscheinungen in der Kindheit zu verzeiehnen waren, kata- '~ �9 "~

mnestisch weiter, indem wir den Zeitpunkt der Wiedererkrankung bestimmen (Abb. 2), so ergeben sieh sehon jetzt anBerordentlieh wichtige Beziehungen zur Pu- bert/it: Die Wiedererkrankung exsudativer Kinder f/illt zum grSBten Tell, zu rund 70 %, in die Pubert/itsjahre. Diese beiden aus Abb. 1 und 2 ersichtliehen Gipfelpunkte im Verlauf der Er- krankung ergeben sieh lerner aus einer kurvenm/iBigen Dar- stellung des Zugangsalters (s. Rost[2]). Auf die gleiehen Verh/iltnisse weist Brill hin, aueh er erh/ilt eine ,,zweizipflige" Kurve im S/iuglings- und Pubert/itsalter.

Parallelgehend zu der aus Abb. 1 ersiehtliehen geringeren Be- teiligung der spgteren Lebensjahre sind die ]~eziehungen, die sieh aus der Bereehnung des erreichten Alters unserer spiitexsudativen Patienten ergeben. Abb. 3 zeigt, dab die Zahl der Patienten mit fort- schreitendem Lebensalter auBerordentlieh sehnell abnimmt, und dab yon ursprfinglich--100 Individuen nut ein Drittel /~lter als 30 Jahre ist, Andererseits sind gerade diese F/ille der sp/iteren Lebenszeit auBer~ ordentlich hartn/iekig und langwierig.

Die dutch die Anamnese, aufgedeekten Beziehungen der beiden Perioden des Status exsudativus zueinander offenbaren sieh weiter

0 5 /8 IS 20 25 38 35 ~t9 g5 $8 55 60 6S A / /gp

Abb. 8. " :Riickblick auf das bisher erreiehte Alter, un te rsucht bei 155 Ind iv iduen tier Sp~tperiode des

Status exsudativus.

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30 A. Miiller-

dadureh, dab sieh die Hauterseheinungen bei unseren Spatexsudativen anamnestiseh zum Teit bis in die Sauglingszeit zuriiekverfolgen lassen. Hierauf ist aueh in der Literatur wiederholt verwiesen worden. Die Mlmahliehe Abnahme dieser im ersten Lebensjahrf/inft aufgetretenen Erscheinungen und die prozentuMe Beteiligung der einzelnen Lebens- absehnitte hieran wird durch Abb. 4 veransehaulieht. Es handelt sieh hier Mso nur um die F~lle mit unmittelbarem Ubergang der Mani- festationen beider Perioden ineinander.

Zu den anamnestisehen Stigmata laBt sieh in gewissem Sinne die Abhangigkeit der Erkrankung yon Umweltsein/li~ssen, insbesondere

55

g5 i " \ ~ 3 5

.~ 30

2 0 - -

70

5

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o 5 /o 75 20253035r ~55055 6'g65 Al/e/',

Abb. 4. Die Zaht der seit dem 1.Lebensjahrfiinft un- unterbrochen Erkrankten in Beziehung zur Gesamt- zahl. Prozentuale Beteiligung der einzelnen Lebens-

abschnitte.

yon den Jahreszeiten rechnen. Moro land beim ,,konstitu- tionellen Sauglingsekzem" - - unserem exsudativen Ekzema- toid - - , dM~ die Mehrzahl der Falle in den Monaten Januar bis M~rz in Zugang kamen. Die Zahlen nehmen in den Sommermonaten ab, um dann wieder im Herbst anzusteigen. Wir kSnnen diese Beobaeh- tungen bei 36 Fallen yon ex- sudativem Ekzematoid im gro- l~en und ganzen bestatigen. Die prozentuMe Durchsehnittszahl der Zugange pro Monat betrug bei uns in der Zeit J a n u a r - -

Februar 22 %, Marz--August 4%, September~Dezember 8%.

Wiechmann und Paal (zit. Zondek) bringen das gehaufte Auftreten der Asthmaanfalle im Januar mit der im biologisehen l~riihjahr ver mehrten AlkMose des Blutes in Zusammenhang. Bettmann stellte beim Prurigo simplex (Brocq) - - worunter ein Teil unseres spatexsudativen Ekzematoids zu reehnen ist - - Haufung im Frfihjahr lest. Die Zug~nge bei unserem Material verteilen sioh auf die einzelnen Vierteljahre wie folgt: I. Vierteljahr 33%, II . Vierteljahr 20%, III . Vierteljahr 21%, IV. Vierteljahr 26%. Wir bekommen ahnliehe, wenn auch nicht so ausgesprochene Verhaltnisse, wie sis Moro (s. o.) land.

Abhangigkeit yon den Jahreszeiten zeigte sieh ferner im Verlauf. Eine Versehlechterung der Erkrankung war bei fiber einem Drittel von Kranken feststellbar, und zwar hiervon: im Friihjahr und Herbst 44%, ira 8ommer 17%, im Winter 39%. Wir hoffen, durch die Unter- suchung der Alkalireserve des Blutes entsprechend den Befunden yon

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Zur Kermtnis der exsudativen Di~these. 31

Wiechmann und Paal eine stoffliche Unterlage ffir diese Sehwankungen bringen zu kSnnen (s. auch den n/ichsten Abschnibt).

Umweltseinflfisse, wie Sonne, Kglte, Witterungswechsel, ferner die erh6hte Empfindliehkeit gegen ~eize, wie Wasser, Seife, SMben, spielert nur ei~e sekundgre R, olle und sind daher Ms Stigmata des Status ex- sudativus nieht zu verwerten. Mehr Weft ist woht auf die Abh/ingigkeit yore Ortswechsel zu legen; hier ergeben sieh wiederum Parallelen zum Asthma (Klimaallergene, Storm van Leeuwen). Wit kommen bei der Bespreehung der allergenfreien Kammer hierauf zurtiek.

Blut und Sto[[wechsel.

Ein seit langem bekanntes, Ms eharakteristisch gewertetes ,,Sym- ptom" der exsudativen Diathese des Kindesalters ist die Vermehrung der eosinophilen Zellen. Trotz dem aul3erordentlieh regelm~Ngen Vor- kommen dieser Formbestandteile des Blutes bei gewisse~ Erkrankungen, trotz der umfangreiehen Literatur fiber diesen Gegenstand ist uns die Bedeutung der Eosinophilen naeh wie vor noeh unklar. Naeh L. R. Miiller ist die 13]utbildveranderung (Eosinophilie, Lymphoeytose) naeh Erregung des vegetativen Nervensystems nicht sieher; wahr- seheinlieh ist eine nervSs-innersekretorisehe Beeinflussung der ]31ut- bildungsst/itten, ttiera~f weisen aueh die Forsehungen yon Mayr und Moncorps him Sie erreiehten ngmlieh, yon der Annahme aus- gehend, dal3 ein Antagonismus zwisehen Milz und Eosinophihe be- st~nde, dutch Milzsaftinjektionen besonders bei Erkrankungen, die naeh ihrer Besehreibung Ms Sl0gtexsudatives Ekzematoid aufzufassen sind, Heilung bei gleiehzeitiger Senkung der Eosinophilie.

Bei unseren Spgtexsudativen war die prozentuMe Verteilung der Eosinophilen :

0-- 2% Eosinophile bei 19% der Kr~nken 3-- 5,5% ,, ,, 33% . . . . 6--10 % . . . . 33% . . . .

11--20% . . . . 8% . . . . fiber 20% . . . . 7% . . . .

Die Zusammenfassung der Zahlen von 6% und darfiber ergibt, dab bei der tI~lfte unserer Kranken eine Eosinophilie besteht. ]3ei dem kMneren Material der Friihperiode finder sieh sogar eine Eosino- philie in 70% der F~lle. Die Zahl der Eosinophilen ist unabhgngig vom Verlauf der Erkrankung, wie ffir die exsudativen Erscheinungen des KindesMters yon Rosenstern und Karnitzki, ffir das Asthma yon Storm van Leeuwen und van Niekerk festgestellt wurde.

Die weitere Untersuchung der Formbestandteile des Blutes ergab bei den Sp/itexsudativen in 39% der Fglle eine Lymphocytose.

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32 A. Miiller:

Die prozentuale Verteilung war: unter 20 % Lymphoeyten bei 6 % der Kranken

20--29% . . . . 56% ',, ,, 30% and dariiber , , ,, 39% . . . .

Die Bedeutung dieses Stigma ist uns noch unklar. Nach den Untersuehungen yon Harvey and Waldstein geht die Erregnng des parasympathischen Systems mit Lymphocytose einher; andere Autoren (Pechler u. a.) konnten diese Angaben nicht best~tigen (zitiert L. R. M4~ller).

Die chemisehe Untersuehung des Blutes ergab ein weiteres Stigma, das bereits du tch die Untersuehungen yon Storm van Leeuwen und Drzimal beim As thma als ein Kennzeichen des Status allergicus be- kann t geworden ist. Diese Forscher zeigten, dab das Blut allergischer Pa t ien ten in geringerem MaBe Salieylsiiur e zu binden vermag, als das normale Blur. Die gleiehen Verh•ltnisse sind in unserer Klinik dureh Ph. Keller und Marchionini fiir das sp~texsudative Ekzemato id ex- perimentell bewiesen worden.

Wit werden noch sehen, dab beim Status exsudat ivus eine Sehw~che des Adrenal insystems wahrseheinlich ist. So berichtet auch Sack, unter Berficksiehtigung der gemeinsamen allergischen Basis yon Ekzem und Asthma, fiber Erfolge mi t Ephe ton in bei diesen ] ,Ekzemen". Unsere Annahm e finder eine Stfitze in der beim Status exsudat ivus regelm~Gig vorhandenen Hypoglykdmie, die ffir das sp~texsudative Ekzemato id erstmalig yon M. Loeb in unserer Klinik festgestellt a n d Yon A. Miiller bestgt igt werden konnte. Die Durehschni t tswerte be- t rugen 85,5 rag% :~. 2,8 bzw. 88,3 rag% ~ 4,4.

~hnliehe Untersuchungen hat Kylin beim Asthma angestellt, er iand Werte yon 77--90 rag%. Eine variationsstatistisehe Verwertung dieser Zahlen, wie wir sie bei den unseren vorgenommen haben, vcfirde wahrseheinlieh eine ttypoglyk~mie noch Idarer erseheinen lassen. Kylin betont, dag Diabetes hie mit Asthma.kombi- niert zu sein seheint, was aueh Ifir unser ItautmateriM zutrifft.

Beim Asthma ist ferner yon Kylin und yon Billigheimer eing ErhShung des K/Ca-Quotienten gelunden worden. Entspreehend diesen Befnnden fand Burgess beim Prurigo Besnier - : unserem sp~texsadativen Ekzematoid - - eine relative Verringerung des Calciums.

Unser auf das Verhalten des Mineralsto//weehsels untersuehte Material ist noeh klein, wir fanden bisher bei 16 F~llen eine absolute Ca-Vermehrung und eine Erniedr igung des Quotienten. Die I)ureh- schnit tswerte waren : K ~ 21,65 ; Ca ~ 12,1; der Quotient K/Ca ~ 1,85.

Unsere Befunde stimmen iiberein mit den yon Perutz bei allergisehen Itaut- erkrankungen festgestellten. Perutz weist auf die verschiedenen Verhiiltnisse im Serum and Gewebe him Bei Reizzust/~nden des ParasymIoathieus besteht ,ira Gewebe eine relative KMiumvermehrung und absolute Caleiumverminderung, im Serum dagegen das Spiegelbild dieses Befundes, eine absolute Calciumanreiehe- rung bei relativer Kaliumverringerung".

Es wfirde sich wohl empfehlen, zur weiteren Kli~rung die Unter- suehung des Gewebes se]bst (Urbaeh u .a . ) mit heranzuziehen. Da

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Zur Kenntnis der exsud~tiven Diathese. 33

der Caleiumgehalt nach Adrenalininjektion sinkt, nach Pilocarpin steigt (Billighei~ner), so schein~ dig yon uns gefundene Calciumver- mehrung fiir einen Mangel an Adrenalin zu sprechen.

Nach Kraus und Zondek wird dig Ionenkonzen~ration durch Vagus und Sympathicus gesteuert. Da beim Status exsndativus der Tonus des Par&sympathicus nicht immer erh6ht zu sein braueht, so werden die Werte far Kalium und Calcium Schw~nkungen unterworfen sein kSnnen. Uberhaupt fiihren die Beziehungen des Mineralstoffwechsels zum vege- tst iven Nervensystem zur Frage, ob beim Status exsnd~tivus eine Fa- gotonie vorliegt. Die Befunde der Literatur spreehen fiir diese Annahme.

Brill glaubt durch pharmakodynamische Prtifung des vegetativen Nerves- systems bei seinem neuropathischen Typus des Ekzems eine Vagotonie im Sinne yon Eppinqer-Hess nachgewiesen zu haben. Nach Frank (zitiert Pulvermacher) ,,scheinen aus dem Tdberwiegen der sympathicusl/thmenden Substanzcn bei Fehlen der sympathieusreizenden diejenigen typischen Gestaltungen zu resulticren, die man als eosinophile bzw. exsudative Diathese bezeichnet". Mayr und Moncorps berichten fiber Eosinophilie naeh Yagusreizung. Alle diese Beobachtungen, wie auch zahlleiche analoge beim Asthma, lassen an ~hnliehe Verh~ltnisse beim Status exsudativus denkcn. Die M6glichkeit einer scharfen Trcnnung zwischen Vagotonie und Sympathicotonie auf Grund der pharmakologischen Priffusg ist jedoch in den ]etzten Jahren zweife]h&ft geworden. Nach Szondi wird dutch die pharmako- dynamisehe Prtifung nicht der Tonus des zentralen vegetativcn Nervensystems, sondern nur die Reizbarkeit des peripheren Endapparates festgestellt, nur auf diesen wirken die Gifte elektiv. ~hnliche Anschauungen vertritt Danielopolu.

Da es jedoeh weniger auf den Tonus des einen oder des anderen Nervensystems, sondern auf dig Tonusveriinderung ankommt, so wird kS wohl riehtiger sein, nur yon einer gesteigerten Erregbarkeit des vegetativen Systems oder yon einer St6rung des sympathiseh-para- sympathisehen Gleiehgewiehts zu sprechen. Wir bezweifeln nicht, dal3 eine solche beim Status exsudativus vorliegt, experimentelle Grund- lagen sind jedoeh erst naeh Schaffung exakter Methoden mSglich.

Die Regulation des Mineralstoffweehsels steht ferner in enger Be- ziehung zum Siiure-Basengleichgewicht (Kraus und Zonde/c). Bei StSrung des S~ure-Basengleiehgewiehts im Blu~e erfolgt ein kompensatorisch wirkender Ionenaustauseh zwischen ]31ut und Gewebe.

Analog den Befunden yon Perutz betreffend Kalium und Calcium in Gewebe und Blur ist zu bemerken, dal~ auch die Bestimmung des S~ure-Basengleichgewichts ffir Blur und Gewebe versehiedene Reaktionen er~bt. Ftir die Frfihperiode des Status exsudativus ist dutch Wiederhold (zitiert Otlenstein) eine Alkalose nach- gewiesen worden. Seine Befunde geben somit die Ertdgrung ftir die Erfolge der Sguretherapie (Scheer).

$ Anamnestlsehe Angaben tiber Magen-DarmstSrungen bei unseren

Spgtexsudativen lagen nur g~nz vereinzelt vor, so dab wir diese nicht a]s Stigmata gewertet hatten.

Kiimmerer, ferner I!o]bauer wiesen auf die MSgliehkeit der Entstehung yon Schoekgiften im Darm durch bakterielle T~tigkeit bin, besonders dann, wenn die

Archiv f. Dermatologie u. Syphilis. Bd. 159. 3

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34 A. Miiller:

entgif~ende Funktion der Leber vermindert ist. Nach den Untersuchungen yon Manwaring (zitiert Kd~nmerer [2]) spiel~ besonders das Histamin eine wichtige Rolle beim Zustandekommen des unaphylak~ischen Sehocks (s. aueh Lewis). Da naeh unserer Ansicht Beziehungen des Status exsudgtivus zum anaphylaktisehen Schoek nieht vorh~nden sind, so erwarten wir auch bei unseren Patienten keine oder eine negative l~olle des ttistamins. Dieses is~ nach den Untersuehungen yon Hauke und K6ssler (zir K~mmerer [2]) bereits normalerweise im menschliehen Darm vorhgnden. Es entsteht hauptsgchlich aus Histidirl durch die deearboxylierende Wirkung des Bacterium Coli.

Unsere Annahme, dab das Histamin be im Status exsudativus keine vermehrte Rolle spielt, wird durch folgende Uberlegungen ge- stiitzt. Nissle bestimmte durch ein besonderes Verfahren den Coli- index und hatte Erfolge dureh seine Mutaflorbehandlung. Er beriehtet aueh, dab Dangschat mit Mutaflor Heilung bei hartngekigem ,,Milch- sehorf ' der Kinder erzielte. Die Untersuchungen des Darminhaltes unserer sp~texsudativen P~tienten im hiesigen Hygienischen Inst i tut erbraehte fast durehweg den Nachweis einer aul~erordentlichen Minder- wertigkeit der Coliflora. Vermehrte Histaminbildung kann demnach nicht stattfinden. Lewis konnte zeigen, dal~ fiir die ]okMe Vasodilatation bei Dermographismus u .a . bei der normMen und Urticariahaut das Freiwerden einer histamin~hnlichen Substanz verantwortlich zu machen ist. Wir werden noch sehen, dM~ bei Sp~texsudativen der Dermo- graphismus Abweichungen zeigt, die an S10asmen der Hautcapillaren denken lassen. Ferner fallt bei diesen Kranken bei Allergenloroben das Fehlen eines roten I-Iofes auf, der jedoch bei Extrakten, die Histamin enthalten (Stormextrakt, Witte-Pepton, tierische E10idermisl0rodukte), vorh~nden ist. I-Iistamin wirkt ferner fSrdernd auf die Magensekretion, besonders s~ureerhShend (Rothlin und Grundlach, zit. K~immerer [2]; ferner KaIIc). In Ubereinstimmung mit Brill fanden wir jedoch bei unseren Spatexsudativen Subaciditat. Nach den Untersuchungen yon Kellaway und CoweU (zit. Kdmmerer [2]) bewirkt Histamin AdrenMin- ausschfittung; wit mSchten jedoch beim StatUs exsudativus eher eine

Schw~che des Adrenalinsystems annehmen. Aus der Summe aller dieser Beobachtungen kann wohl der SchluB gezogen werden, dai~ beim Status exsndativus mit groi~er Wahrseheinlichkeit eine Vermin- derung des Histamins vorliegt.

Ge/~i[3system.

Das Gef~i~system spielt bei der allergischen l~eaktion eine grol~e Rolle. Es liegt jedoch nicht im Rahrnen unserer Aufgabe, auf die Einwirkung der Allergene auf die Gef~Bzellen bzw. auf die Theorie0 dab die Antigen-Antik5rperreaktion sich an den Gef~Bendothelien ab- spielt, einzugehen. Wit wollen lediglich feststellen, ob beim Status exsudativus ein besonderer Zustand der Gef~e , insbesondere der

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Zur Kennt, nis der exsuda~iven Di~these. 35

t tautgefi~e vorliegt, der unabh/~ngig vom Krankheitsbilde, als Stigm~ zu verwerten ist. Es wurde bereits die Frage des Dermographismus gestreift. Die Priifung unserer Kranken der SpKtperiode ergab in der fiberwiegenden Mehrzahl einen wei/3en Dermographismus. Die pro- zentuale Bereehnung ergab bisher: weil3er Dermographismus in 74%, blauroter, verz6gerter Dermographismns in 21%, roter Dermographis- mus in 6%. Der weiBe Dermographismus finder sich nicht nut an den erkrankten, sondern anch an den gesunden t tautpartien.

Auch in der Frfihperiode der exsudativen Diathese ist der weil~e Dermogr~phis- mus ein regelms Stigma, worauf bereits So]~olow hingew~esen hs,t. Brill f~,nd bei seinen F&llen von Erwachsenen, besonders bei !<ranken rait ,,Neuroderr;A~s" weiI~en Dermogr~phismus am h&ufigsten.

Wohl im Zusammenhange mit den dem weil~en Dermographismus zugrunde liegenden Vorgi~ngen steht das Ausbleiben des roten Holes bei Intracutaninjektionen mit Allergenextrakten. Wit wiesen oben schon darauf hin, daS der Mangel einer ehemischen histamin~hnliehe~l Substanz zu diesem eigentfimlichen Verhalten fiihrt (Lewis), zumal nach Injekti0n mit verdiinnter HistaminlSsung ein intensiv roter Hof auftritt. Diese Verh~ltnisse kSnnen jedoeh hSehstens ein Ausbleiben des roten Dermographismus erkl~ren, nieht dagegen das Auftreten des weil]en. Da die kleinsten Gel&lie nach Lewis contractile Eigensehaft besitzen, so mttssen wir mit diesem Autor annehmen, ,,dal~ die Ken- traktion der kleinsten Gei&l~e, die auf Spannungs&ndernng nach kurzer Latenzzeit auftritt , eine direkte Folge der Reizung der GefgSwSnde zu sein scheint".

Das Gef&l~system bietet noch ein weiteres Stigma des Status ex- sudativus, soweit die Sp&tperiode in Frage kommt. Es ist das eine fiir das Leiden beinahe typisch zu nennende, charakteristische graue Haut]arbe, besonders im Gesicht. Da die Hautfarbe - - abgesehen yore Pigmentgehalt - - im wesentlichen yon der mehr oder weniger starken Fiillung des subpapill&ren Gef&i~plexus abh&ngig ist (Lewis), so werden wir einen besonders starken Tonus in diesem Gef&Bgebie~ vermuten miissen. Die graue Hautfarbe mag dann welter yon bestimmten Pig- mentverh&ltnissen abh&ngig sein. L. 1~. Miiller glaubt auf Grund der Beobachtungen in der Literatur an dem EinfluB des vegetativen Nerven- systems auf die Pigmentation nicht zweffeln zu diirfen (Addison, Sklerodermie, tIemiathrophia faeialis, Morbus Reeklinghausen u, a.). Lewis nimmt in anderem Zusammenhange an, dal3 die Gef~Be dureh tIistamin oder dureh die ~quiv~lente Substanz erweitert gehalten werden; also aueh hier wiederum ein Hinweis auf die Verminderung dieser Substanz.

Beziehungen zum vegetativen Nervensystem bzw. zu einer Schw~che des Adrenalinsystems lassen sieh vielleicht aus dem Verhalten des

3*

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Blutdrucks folgern. Im groi~en und ganzen linden wit bei unserem Material yon SpEtexsudativen bei der Mehrzahl einen verhEltnisms niedrigen Blutdruek; einzelne FElle zeigen abet aueh entgegengesetztes Verhalten. Bei der AbhEngigkeit veto Alter mfissen wit uns jedoeh auf gr61~ere Zahlenreihen stiitzen k6nnen, um die Verhaltnisse bei den einzelnen Altersklassen mit denen bei Normalen vergleichen zu kSnnen. Eine besondere Labilitat, wie sic Brill, ferner Kylin beim Asthma naehwiesen, glauben anch wir ~esfstellen zu kSnnen.

Endokrines System. Du wit nut in wenigen Fgllen in der Lage sind, die ver~nderte

Funktion der endokrinen Drfisen experimentell festzulegen, so lassen sich zun~ehst Beziehungen des Status exsudativus zum endokrinen System nur vermutungsweise ~u[~ern. Noeh schwieriger ist es natiir- rich, die Hyper- oder Hypofunktion einer einzelnen innersekretorischen Drfise verantwortlieh maehen zu wollen. Wesentlich ist, da~ wi re s mit einem Gesamtsystem zu tun haben, das sich normalerweise mit seinen Wechselbeziehungen in der Gleichgewichtslage befindet, die schon dureh den Ausfall einer uns weniger wichtig erscheinenden Driise gestSrt werden kann (s. aueh Pulvermacher). Die folgenden Ans- Ifihrungen weisen an Hand yon eigenen ]~eobach~ungen und Berichten aus der Literatur auf Beziehungen des Status exsudativus zu Funk- tionsst6rungen einzelner endokriner Driisen hin.

Am augenf~lligsten sind die Beziehnngen zu den Keimdriisen, worauf Rest wiederholt hingewiesen h~t. Wit erw~hnen noeh einmal die aul~erordentrich hohe Zahl der Wiedererkrankungen um das Puber- t~tsalter herum und das Erl6schen im Klimakterium. Bei den weib- lichen Patien~en war ferner in 23% der :F~lle eine Verschlimmerung des Leidens vor oder wEhrend der Menses festzustellen; bei einzelnen K_ranken verschwand das Leiden wEhrend der Graviditi~t und kehrte nach Ablauf der Stillperiode wieder. Die Relic des Gesehlechts seheint weniger yon Einflul~ zu sein. In der Spatperiode w~r das Verhaltnis 1:1, in der Friihperiode bestand st~rkere Beteiligung des weiblichen Geschlechts, das Verh~ltnis war jedoch bei More gerade umgekehrt.

Beziehungen zur Milz sind dutch die Forsehungen yon Mayr und Moncor~gs festgelegt worden. Es gelang ihnen, sowohl dureh Milz- saftinjektion (Nodunon), wie auch dureh t~Sntgenreizbestrahlungen der Milz die Zahl der Eosinophilen herabzudriieken und gleichzeitig Heilung bei den Krankheitsfa]len, die nach ihrer Sehilderung mit unserem sp~t- exsudativen Ekzematoid identiseh sind, herbeizufiihren.

Ein Tell tier Stigmata des Status exsudativus is~ woht dutch Adrena- linmangel erkl~rbar (Blutdrucksenkung, Hypogtykamie, Spasmen der Bronehialmuskulatur'und vielleieht ira subpapillaren Plexus). Wit

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erwi~hnten ferner _~nderung des Caleiumspiegels nach Adrenalin- injektion und sehliel31ieh Adrenalinausschiittung dureh Histamin. Alle diese Befunde maehen eine Sehwitehe des Adrenalinsystems wahr- seheinlich. :Die Erfolge Sacks (s. o.) linden hierdureh ihre Erklgrung.

Wiedal und Abrami (zit. Ki~mmerer [2]) wiesen auf die h/iufige Ko- inzidenz yon Asthma und Basedowerkrankungen hin. Nach IYothaas ist die Latenzzeit des Dermographismus bei Hyperfunktion der Schilcl- driise verl/tngert. Sehilddrfisenex~rakte steigern den Tonus der Bron- ehialmuskulatur, die nerv6se Erregbarkeit der Gef/~13muskulatur wird erh6ht. Als Begleitsymptom der gesteiger~en Sehilddriisenfunktion ist, eine Lymphoey~ose anzusehen.

Letztere wird aueh beim Status thymieus beobachtet. Eine blut- druekerniecMgende Wirkung der Thymusextrakte ist wahrscheinlieh. :Da die Thymusdrfise zur Zeit der Pubertiit ihre hSehste l{ntwieklungs- stufe erreieht, so mag eine gewisse Bedeutung ftir den Status exsudativus wahrseheinlieh sein.

~berfunktion der Epithel1~Orperchen fiihrt zu erhShter Erregbar- keit des vegetativen Nervensystems, besonders der vasomotorisehen Nerven. Collip land ErhShung des Bhitealeiumspiegels naeh Neben- sehilddriisenhormon.

Anhangsweise sei bier noeh erwghnt, dab die grol3e Mehrzahl der Kranken der Sp/~tperiode einen asthenischen Habitus haben. Aueh Spietho/J land ,,bei Ekzematikern mit rezidivierendem Ekzem seit frfihester Kinder- oder Sguglingszeit" den asthenischen Habitus domi- nierend.

Die Allergene. Unter diesem Abschnitt wollen wit zusammenfassen: 1. Art der

Allergene, 2. Eintrittsloforte, 3. Untersuehung der tIautiiberempfind- liehkeit beim Status exsuda~ivus mit Allergenextrakten, 4. Verhalten der Kranken in der allergenfreien Kammer, 5. Untersuchung auf Nah- rungsmittelMlergene (Di/itprobe).

Als Allergene kommen fiir die Sp~tperiode des Status exsudativus in Betraeht: Nahrnngsmittel, Produkte der tierischen t{aut, bakterielle Produkte und Luftallergene; fiir die Friihperiode fast ansschliefllieh Nahrungsmitte], besonders Milch und Eier. Es gelingt daher sehr hiiufig, beim exsudativen Ekzematoid dutch Weglassung yon Eiern und Einsehr/~nkung der Milch die Heilung zu besehleunigen und Rfick- fNlen vorzubeugen. In der Sp~tperiode des Status exsudativus sind analog den Befunden von Storm van Leeuwen beim Asthma haupt- s~chlieh Luftallergene als ursgchhche Faktoren anzusehen. Wir werden diese Verhi~ltnisse noeh dutch den Erfolg der allergenfreien Kammer demonstrieren. Storm van Leeuwcn unterscheidet Klima- und ttaus- allergene. Bei einem kleineren Tell unserer K_ranken sloielen sieherlich

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Klimaallergene eine Rolle, wir hatten schon oben auf Abh~ngigkeit yon Ortswechsel hingeweisen. Besonders seheinen feuehte Niederungen ungfinstig zu wirken; andererseits sahen wir ausgezeichnete Erfolge in grSBeren HShen (besonders in der Sehweiz), worauf sehon Storm van Leeuwen beim Asthma hingewiesen hatte. Die Mehrzahl unserer Kranken reagiert jedoeh auf Hausallergene (Staub, Sehimmel, Fe- dern u.a.). Auf Grund unserer klinisehen Erfahrungen miissen wit annehmen, dab oft nieht ein einziges Allergen, sondern mehrere Aller- gene oder Allergengrulopen als ausl6sende Faktoren in Frage kommen. Aus diesem Grunde ist es ttir uns sehwierig, festzustellen, ob fiir unsere Kranken auch bakterielle Allergene yon Bedeutung sind. Einzelne F~lle mit Asthma oder ehronischer Bronchitis m6gen zum Tell hierher ge- h6ren.

Als Eint~ittsp[orte der Allergene kommen in Frage die Sehleimh~tute der oberen Luftwege und die des Darmes. Storm van Leeuwen nimmt anch Eintritt dureh die Haut an, was jedoeh ,on Rest auf Grund des anatomisehen Baues der tIaut bezweifelt wird. Da die Art des Erfolgs- ol-ganes keinen giickschlng auf die Eintrittspforte des Allergens zu- 1/~Bt, so waren wir bisher zm" Feststellung dieser Frage nur auf Ver- mu~ungen und klinische Beobachtungen angewiesen. Es ist jetzt jedoeh dutch die Filtermaskenapparatur naeh _Fr~inckel und Levy eine experimentelle L6sung der Frage m6glieh. Die Antoren konnten z. B. bei einem Fall yon Asthma naehweisen, dab das Allergen nur dureh die Augenbindehaut und Nasenschleimhaut eintrat, w~hrend die Ein- atmung des Allergens dureh den Mund keine Erseheinungen maehte. Ein anderer Patient ,,mit Ekzem und Asthma" heilte in der Storm- sehen allergenffeien Kammer ab, wghrend die Mleinige Maskenbehand- lung nieht zum Erfolge gefiihrt hatte. Frgnclcel und Levy sehlieBen hieraus, daft die I-Iaut selbst Eintrittspforte des Allergens war. Die Sehleimhaut des Darmes spielt in der Spgtperiode des Status exsuda- tivus eine geringere I~olle. Vielleicht geh6ren hierher einzelne F~lle, die mit Obstipation einhergingen. Anders liegen die Verh~l~nisse in der Friihperiode des Status exsudativus, ttier deu~et sehon, die Tat- saehe, dab Nahrungsmittelallergene eine Rolle spielen, auf eine erhShte Durehl~ssigkeit der Darmsehleimhaut hin.

Die besonders yon amerikanisehen Autoren geiibte Untersuehung Mlergiseher Patienten in bezug auf Hautreaktionen mit Allergenextrakten hatte die Aufdeekung des fiir die Erkrankung urs/iehlichen Allergens zum Ziele. Es zeigte sieh jedoeh, dab unspezifisehe Reaktionen vor- kamen, und dab Hautproben mit als Ursache bekanntem Allergen negativ ausfallen konnten. Die Untersuehungsmethode ist in den letzten Jahren etwas in MiBkredit gekommen (Noeggerath und Reichle u.a., s. aueh Kgnbmerer [2]). Wir wollen auf dieses auBerordentlich viel

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bearbeitete und bekannte Thema nieht allzu sehr eingehen. Wir haben die Untersuchungen mit Allergenextrakten beim Status exsudativus angewandt, tells deshalb, weil immer wieder vereinzelten Autoren bei allergisehen Erkrankungen mit dieser Methode die spezifische Diagnose gelang, tells weft diesbez/igliehe Untersuchungen bisher nicht mit der uns n6tig erseheinenden exakten Begriffsumgrenzung der Manifesta- tionen des Status exsudativus einhergegangen waren.

Ph. Keller hatte bereits 1924 beim sp~texsudativen Ekzematoid an unserer Klinik Untersuehungen mit Allergenextrakten vorgenommen. Bei bekannten Allergenen fielen allerdings die Reaktionen mit diesen Extrakten auffallend stark aus, doeh zeigte sich auBerdem immer Uberempfindlichkeit gegenfber anderen Extrakten. Die Reaktion auI Nahrungsmittelextrakte fiel meist negativ aus, am h~ufigsten waren positive Reaktionen auf tierisehe Epidermisprodukte. Diese Unter- sehiede hebt aueh Kiimmerer als immer wieder auffallend hervor. Haxthausen best/ttigte dureh Untersuchungen beim Prurigo Besnier die Befunde Kellers; die beiden Xrankheitsbi]der sind nach Haxt- hausen identisch. Er g]aubte ferner dureh h~ufige positive Reaktionen beim Ekzem im Kindesalter enge Beziehungen zum Prurigo Besnier gefunden zu haben. Exsudative Sguglinge reagierten besonders auf Eiweig und Eigelb.

Wb: haben uns seit ]gngerer Zeit in groB angelegten Untersuchungs- reihen der Aufgabe unterzogen, die Bedeutung der ttautreaktionen beim Status exsudativus und bei anderen Hauterkrankungen endgiiltig Iestzulegen. •ber die vor dem Abschlul3 stehenden Untersuchungen werden wir sparer ausfiihrlich beriehten. Naeh den bisherigen Ergeb- nissen werden wir zu dem Schlul~ kommen miissen, dab die tIaut- reaktionen mit Allergenextrakten wohl imstande sind, die Sonderstel- lung des Status exsudativus hervorzuheben bzw. ihn erkennen zu lassen, dal3 abet andererseits - - yon einzelnen Ausnahmen abgesehen - - unspezifisehe Reaktionen sowie Fehlen der Reaktion bei kliniseh sieher naehgewiesenen Allergen hgufig vorzukommen pflegen.

Naeh Ki~mmerer und Apaza-Fuentes ist die AnslSsung der Asthma- anfi~lle mit der Zeit nicht mehr auf ein einziges Allergen zurtickzufiihren, dg die lgeflexbahnen allmghlieh so ~usgefahren sind, dal3 alle mSgliehen Haut- und Schleimhan~reize auslSsend wirken, Wit werden wohl nieht lehlgehen, wenn wit diese Anschauungen aueh fiir die Hauterschei- nungen der Spgtperiode des Status exsudativus als zu l~echt bestehend annehmen - - analoge Verh/iltnisse haben Mr beim Ekzem --, woraus sieh zwanglos die H/~ufigkeit tier positiven Ausf~lle bei Allergenproben erkliiren I~Bt. Vielleieht wirkt auch die Erregung des parasympathi- sehen Systems verschgrfend auf intraeutane Reaktionen (Skileru). Im Gegensatz zum Ausfall der Allergenproben steht das Ergebnis der

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funktionellen Hautprfifung mit ehemischen Substanzen (Bloch); diese Proben fielen beim sp~texsudativen Ekz~matoid bisher immer nega- t iv aus.

Storm van Leeuwen hat nun eine im Gegensatz zu der Untersuchung mit Allergenextrakten wesentlich einfachere Methode angegeben, die als zuverl~ssiges Diagnostikum fiir das Vorhandensein eines allergisehen Status angesehen werden mull : Die Rea.ktion auf intracutane Injektion eines Menschenhautschuppenextraktes, yon uns kurz ,S torm" genannt. Die Re~ktion ist aul3erordentlieh einfach und eindeutig; neben der exakten teehnisehen Herstellung liegt ]edoch eine I-Iauptschwierig- Keit in der riehtigen Einstellung (s. Storn~ van Leeuwen). Naeh Storm van Leeuwen ist die Reaktion bei etwa 90% der AHergiker pos~tiv. Diese l~esultate sind fiir das Asthma vieZfaeh best~tigt worden. Ab- weiehende Ergebnisse z. ]~. bei Klewitz and Wiegand, sind nut dureh Differenz in der Methodik erkl&rbar.

Die innigen Beziehungen des Asthma zu den Hauterscheinungen des Status exsudativus werden dureh den Ausfall der Stormsehen Reaktion sehr betont. PA. Keller land 1924 an unserer Klinik be1 21 Sp&texsudativen die Stormsehe Reaktion 100proz. positiv. Die Vermehrung des Materials braehte, wie auch variationsstatistisch zu erwarten war (Poll), eine m&l~ige Abweichung yon diesem Ergebnis; yon 117 gepriiften Patienten hatten 103-----88% positiven Storm.

Naeh Kgmmerer [2] scheint in den tierisehen Epidermisprodukten, also aueh in den Mensehenhautschuppen, eine histamin~hnliehe Sub- stanz Vorhanden zu sein, die stark reizend auf den neurovaseul~ren Apparat der H~ut einwirkt; die Stormsche geaktion zeige also nut an, wie die Erregbarkeit des cutanen neurovaseul~ren Apparates sei. Storm van Leeuwen selbst fordert feshMb Entfernung bzw. Absehws ehung des in den Extrakten vorhandenen dyalisablen Histamins. Die Ansicht Kgmmerers wird dutch Untersuehnngen yon Ramirez (zit. K4mmerer [2] gestiitzt, der bei Asthmatikern st~rkeres Anspreehen auf verdiinnte I-Iistamininjektionen Ms bei Normalen land. Wit beobach- teten bei Injektionen yon Histamin in der Verdiinnung 1:150000 bei Normalen und Sp~texsudativen nur geringe Untersehiede zngunsten der letzteren.

Die Stormsche Reaktion ist, wie sehon friiher Keller zeigte, ab- hgngig vom Lebensalter ; die l~eaktion fgllt bei Kindern unter 14 Jahren fast immer negativ aus. Die Ausfiihrungen v. Pirquets fiber die Allergie des Lebensalters lassen uns eine l%e~ktions~Lnderung durch eine im Organismus spontan vorgegangene Umstellung, die vie]leicht im endokrinen System begriindet ist, annehmen. Aueh asthmakranke Kinder reagieren naeh Storm van Leeuwen, De Vries Robles negativ. Vielleieht spielen quantitative Verh~ltnisse eine l~olle, naeh unseren

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Zur Kenntnis der exsudativen Diathese. ~1

neueren Untersuehungen mit konzentriertem Stormextrakt ergeben sich vorl~ufig nur bei exsudativen, dagegen nicht bei normalen Kindern positive Reaktionen.

Die Untersuehnngen Storm van Leeuwens fiber den EinfluB der Luftallergene ffir die Entstehung des Asthma haben, wie unsere Unter- suchungen in der allergen/reien Kammer beweisen, ebenfalls ffir die Hauterscheinungen des Status exsudativus Bedeutung (Rost). Bei der groBen Zahl und Verschiedenartigkeit der iiberhaupt in Betraeht kommenden Allergene kSnnen wir natiirlieh nicht in allen F~llen einen EinfluB der Kammer erwarten. F/~lle, bei denen Hausallergene als urs/~chlicher Faktor nicht in Frage kommen, werden in unserer Kammer, die yon Hausallergenen frei ist, unbeeinfluBt bleiben mfissen. Daneben gibt es nat/irlich auch Mischfglle, wo die Plurivalenz der Reize trotz Aussehaltung der urs/~chlichen Faktoren Besserung in der Kammer nicht zul~Bt. Diesen Verhgltnissen entsprechen bei unseren Kranken mit sp~texsudativem Ekzematoid die Erfolge in der allergenfreien Kammer: v61lige Heilung in 13% der F~lle, Besserung in 53%, keine Xnderung in 19%, Versehlechterung in 16%.

Naeh unseren bisherigen Erfahrungen ist mindestens ein 8tggiger Kammeraufenthalt zu fordern, ehe ein vorl~ufiges Urteil fiber den Erfolg abgegeben werden kann. Wenn aueh der qu/~lende Juckreiz sehr bald, naeh 1--3 Tagen, naehl~Bt, so k6nnen wir jedoeh nicht erwarten, dab die anschlieBenden Heilungsvorggnge bei einer seit Jahren bestehenden, oft mit starker Infiltration einhergehenden Er- krankmxg in wenigen Tagen l~iickgang dieser Erscheinungen verursachen. Die soziale Lage mancher Patienten zwingt uns abet, den Kammer- versuch vor erfolgter Heilung abzubrechen. Wir ersehen daraus, dab der prozentuale Anteil der ,,Heilungen" nieht oder nur nur zum kleinen Teile yon dem EinfluB der Kammer selbst, sondern auch yon ~uBeren Umst/~nden abh~ngig ist. Wir legen deshalb nieht das Hauptgewieht darauf, durch die allergenfreie Kammer mSglichst viele vollstgndige Heilungen zu erzielen, sondern wir betrachten den Kammerversueh als auBerordentlich wiehtiges Mittel zur Erkennung der nrs/iehlichen Faktoren bei der Mehrzah] aller Falle. Ffir das sp~ttere Wohlbefinden der in der Kammer geheilten bzw. gebesserten Patienten ist naeh unseren bisherigen Erfahrungen die Sanierung der Unterbringung (Rost) sehr oft ausreiehend. Auch bei dem kleineren Teil der Patienten, dis nieht auf die Kammerbehandlung ansprechen, ist dureh diese Einengung des Ursachenkomplexes die weitere Untersuchung wesent- lieh erleiehtert.

Versuehe, "die allergenfreie Kammer durch andere Apparaturen zu ersetzen (K~immerer 3, Fri~nckel und Levy), sind hauptsgehlieh durch wirtsehaftliehe bzw finanzielle Grfinde bedingt. Da es uns hier nur

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auf die grundsgtzliehe Bedeutung allergenfreier Luft ankommt, so begnfigen wit uns damit, auch im Hinblick auf mangelnde Erfahrung, auf diese Modifikationen nut hinzuweisen.

Bei den Hauterseheinungen der Friihperiode haben wit bisher keinen Erfolg der Kammerbehandlung gesehen. Es ist das sehr wohl verstgndHch, da naoh unseren Untersuchnngen nnd naeh den ErfM~run- gen der meisten Autoren beim Sgugling und Klehlkind mehr die Nah- rungsmittel Ms Allergene in Frage kommen.

In der Spgtperiode des Status exsudativus seheinen Nahrungs- mittel eine geringere Rolle zu spielen. Auch diese Untersuehung, die Digtprobe, ist mit Schwierigkeiten verkniipft, tells aus denselben schon bei der Kammerprobe erwghnten Griinden. Der AusfM1 der intra- cutanen Extraktproben ist fiir die Digtpriifung leider nieht immer als riehtunggebendes Moment zu verwerten; wir wiesen bereits daranf hin, dab bei unseren und den Untersuchungen anderer Autoren tIaut- reaktionen auf Nahrungsmittel relativ selten sind. Immerhin ist es uns mit der Digtprobe gelnngen, in einzelnen Fgllen die urs~chlichen Faktoren aufzudeeken.

Zusammen/assung.

Anamnestisehe Angaben einer durch ein bestimmtes klinisches Bild ausgezeichneten Gruppe yon Kranken (sps Ekzematoid) haben nns veranlagt, seine Beziehungen zur exsudativen Diathese zu erforschen. Die Untersuchungen haben innige Zusammenh~nge er- geben, die sieh nur dureh die Annahme eines gemeinsamen Status erk]gren lussen. Der Status exsudativus manifestiert sieh demnach in zwei Perioden: Die Fri~hperiode mit dem Gipfe]punkt der Er- krankungen im 1. und 2. Lebensjahr und die Spgtperiode mit dem Gipfelpunkt der Erkrankungen in der Pubert~tszeit. Die Haut- erseheinungen der Spgtperiode lassen sieh zum Teil bis in die Smug- lingszeit zurfickverfolgen - - kontinuierlieher ~bergang der Friih- periode in die Spgtperiode --, zum Tell nehmen sie ihren Wiederbeginn in der Pubertgtszeit. Rost bezeichnet die Hauterscheinungen der Friihperiode des Status exsudativus Ms exsudatives Ekzematoid, die- jenigen der Spgtperiode Ms sp~texsudatives Ekzematoid. Die weitere Untersuehnng beider Perioden des Status exsudativus hut eine Anzahl yon MerkmMen ergeben, die Ms eharakteristisehe Stigmata des Status exsudativus angesehen werden und unabhi~ngig vom Krankheits- verlauf nachzuweisen sind. Die allergische Natur dieser Stigmata und der Manifestationen bei der Perioden ffihrte zur Einordnung des Status exsudativus in den iibergeordneten Status Mlergicus.

Der Status exsudativus ist nach den bisherigen Untersuchungen durch folgendes Untersuehungen ausgezeiehnet:

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Zur Kenn~nis der exsuda~iven Diathese. A~ 3

1. Es besteht eine besondere Disposition auf erblieher Grundlage. In der Blutsverwandtschaft sind Asthma und gleiche Hauterscheinungen in der Hglfte der Fgtle nachweisbar.

2. Der Status exsudativus manifestiert sich in 2 Perioden, deren Gipfelpunkte in die S~uglings- und Pubert~tszeit fallen. Beendigung mit dem Klimakterium. Bei einem Tell der Fglle besteht kontinuier- ]icher Verlauf und ~Ibergang der Friihperiode direkt in die Spgtperiode.

3. Bei beiden Perioden des Status exsudativus kommt die Kombina- tion mit Asthma gehguft vor.

4. Der Verlauf der Erkrankung ist abh~ngig yon den Jahreszeiten; Versehlimmerung besonders im Friihjahr und Herbst.

5. Die Untersuchung dos Blutes ergibt als sichere Stigmata: Eosino- philie, verminderte Salicylbindungs/i~hig/ceit, Hypoglyk~imie. Nach den bisherigen Untersuchungen sind Lymphocytose und Erniedrigung des .K/Ua-Quotienten als wahrseheinliche Stigmata anzusehen.

6. Das Ge/~ifisystem spielt eine besondere Rolle. Es besteht ein erhShter Tonus des subpapill~iren Gef~Bplexus, als dessen Manifesta- tionen wei/3er Dermographismus, graue Haut]arbe und ~ehlen des roten Holes nach intraeutanen Allergenextrakten anzusehen sind. Es besteht Neigung zu niedrigem Blutdruck.

7. Der Status exsudativus ist dureh eine erhdhte Reaktionsbe~'eit- scha/t der Haut au] intracutane In]e]~tionen mit Allergenextra/cten aus- gezeiehnet. Die spezifisehe Diagnose ist mit diesen Reaktionen, ebenso wie beira Asthma, nur in Einzelf~llen mSglich.

8. Die Reaktion ~uf intraeutane Injektion mit Mensehenhaut- sehuppenextrakt (Storm) f~llt in der Spgtperiode des Status exsudativus in etwa 90 % der Fglle positiv aus. In der Frtihperiode ist der Storm bei der bisherigen Methodik negativ.

9. In der Sp/itperiode sind vor allem Hausallerqene als urs/~chliche Faktoren anzusehen. Die allergen]reie Kammer ergibt daher in ~/3 tier F~]le Heilung bzw. Besserung. In einigen F~llen besteht Abhgngigkei~ vom Ortsweehsel (Klimaallergene). Wahrseheinlieh sind auch bakterielle Allergene beteiligt (ehronische Bronchitis, Obstipation).

10. Die ursgchliehe Bedeutung eines einzelnen Allergens ist selten; wahrseheinlieh sind mehrere Allergene oder Allergengruppen beteiligt.

l l. In der Friihperiode des Status exsudativus spielen Nahrungs- mittelallergene die Hauptrolle. Die Behandlung mit allergenfreier Luf~ bringt daher keinen Erfolg.

12. Als Eintrittsp/orte der Allergene ist bei der Friihperiode vor- wiegend die Schleimhaut des Darmes, bei der Spgtperiode vorwiegend diejenige der oberen Luftwege anzusehen.

13. Hautproben mit chemischen Substanzen ergeben beim Status exsudativus keinen Unterschied gegeniiber Normalen.

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14, ]3ez iehungen des S t a t u s e x s u d a t i v u s z u m endokrinen System s ind a n z u n e h m e n . Die H ~ u f u n g der W i e d e r e r k r a n k u n g e n in der P u b e r -

t~ t sze i t , das Ve r l6 schen i m K l i m a k t e r i u m , A b h ~ n g i g k e i t y o n Menses

u n d G r a v i d i t ~ t , sp r echen fi ir B e z i e h u n g e n zu d e n Keimdri~sen. E s

b e s t e h t e ine S e h w g c h e des Nebennieren~ystems. Die U n t e r s u c h m { g e n

y o n Mayr u n d Moncorps sp rechen ffir die B e d e u t u n g de r Milz. 15. D ie G e s ~ m t h e i t de r S t i g m a t a des S t a t u s e x s u d a t i v u s sp rechen

ffir e ine St6rung des sympathiko-parasympathischen Gleichgewichls bzw.

f i i r e ine erh6hte Erregbarkeit des vegetativen Nervensystems. 16. B e i m S t a t u s e x s u d a t i v u s i s t die Verminderung einer histamin-

iihnlichen Substanz Ms w a h r s c h e i n l i c h anzusehen .

17. I n de r Sp~ tpe r iode des S t a t u s e x s u d ~ t i v u s b e s t e h e n Magen- DarmstSrungen: M i n d e r w e r t i g k e i t de r Col i f lora , Subac id i t~ t , O b s t i p a t i o n

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Page 21: Zur Kenntnis der exsudativen Diathese

Zur Kenn tn i s der exsudativen Diathese. 45

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