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J. Meyer u. €2. Backa. Zur Kenntnis des dreiwertigen Vanadins. I. 177 Zur Kenntnis des dreiwertigen Vanadins. 1. Von JULIUS MEYEB und ROBERT BACKA. Die Verbindungen des dreiwertigen Vanadins weieen bekannt- lich recht weitgehende Ahnlichkeiten mit den entsprechenden Salzen anderer dreiwertiger Metalle auf. So kann man die Verbindungen V203, Cr,O,, Fe203, Mn,O, und A120, wegen der groBen Uberein- stimmung ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften zu einer Gruppe zusammenfassen, und ganz entsprechend ist es an- gebracht, die Verbindungen V(OH),, Cr(OH),, Fe(OH),, Mn(OH),, Al(OH), oder VCI,, CrCI,, FeCl,, AlCl,, oder VN, CrN, A1N als zu- sammengehorend LU betrachten. Nun weichen die verschiedenen, hier genannten Metalle in ihren Verbindungen mehr oder weniger voneinander ab, und es fragt sich, mit welchem von diesen Ele- menten das Vanadin am nachsten verwandt ist. Im natiirlichen System der chemischen Elemente steht das Vanadin zwischen Titan und Chrom, dem sich d a m das Mangan, Eisen und Kobalt anschlieSt, und man sollte meinen, daB daher die Ubereinstimmung zwischen Vanadin und Chrom am weitesten gehen wurde, um uber Mangan und Eisen nach dem Kobalt hin abzunehmen. In den einfachsten Verbindungen scheint dies auch tatsachlich der Fall zu sein. Hin- gegen ist uber die Ahnlichkeit der komplexen Verbindungen des Vanadins und der anderen Metalle bisher nur sehr wenig bekannt, da komplexe Salze des dreiwertigen Vanadins nur in geringer Anzahl dargestellt morden sind. Das Vanadinatom vermag nach unseren bisherigen Beobachtungen sowohl in komplexe Kationen wie auch Anionen einzutreten, und meistens zeigt es hierbei die Koordinations- zahl 6, so daB es auch hierin mit den anderen dreiwertigen Metallen ubereinstimmt. Ebenso nun, wie A. WERNER und andere Forscher die Komplexsalze deg dreiwertigen Cr, Co, Fe, Mn und anderer Ele- mente auf Grund der Koordinationslehre systematisch ordnen und klassifizieren konnten, mussen sich auch die komplexen Vanadin- salze entspreohend zusammenfassev lassen. Indessen treffen wir Z. aoorg. u. allg. Gbem. Rd. 1.56. 12

Zur Kenntnis des dreiwertigen Vanadins. I

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Page 1: Zur Kenntnis des dreiwertigen Vanadins. I

J . Meyer u. €2. Backa. Zur Kenntnis des dreiwertigen Vanadins. I. 177

Zur Kenntnis des dreiwertigen Vanadins. 1. Von JULIUS MEYEB und ROBERT BACKA.

Die Verbindungen des dreiwertigen Vanadins weieen bekannt- lich recht weitgehende Ahnlichkeiten mit den entsprechenden Salzen anderer dreiwertiger Metalle auf. So kann man die Verbindungen V203, Cr,O,, Fe203, Mn,O, und A120, wegen der groBen Uberein- stimmung ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften zu einer Gruppe zusammenfassen, und ganz entsprechend ist es an- gebracht, die Verbindungen V(OH),, Cr(OH),, Fe(OH),, Mn(OH),, Al(OH), oder VCI,, CrCI,, FeCl,, AlCl,, oder VN, CrN, A1N als zu- sammengehorend LU betrachten. Nun weichen die verschiedenen, hier genannten Metalle in ihren Verbindungen mehr oder weniger voneinander ab, und es fragt sich, mit welchem von diesen Ele- menten das Vanadin am nachsten verwandt ist. Im natiirlichen System der chemischen Elemente steht das Vanadin zwischen Titan und Chrom, dem sich d a m das Mangan, Eisen und Kobalt anschlieSt, und man sollte meinen, daB daher die Ubereinstimmung zwischen Vanadin und Chrom am weitesten gehen wurde, um uber Mangan und Eisen nach dem Kobalt hin abzunehmen. In den einfachsten Verbindungen scheint dies auch tatsachlich der Fall zu sein. Hin- gegen ist uber die Ahnlichkeit der komplexen Verbindungen des Vanadins und der anderen Metalle bisher nur sehr wenig bekannt, da komplexe Salze des dreiwert igen Vanadins nur in geringer Anzahl dargestellt morden sind. Das Vanadinatom vermag nach unseren bisherigen Beobachtungen sowohl in komplexe Kationen wie auch Anionen einzutreten, und meistens zeigt es hierbei die Koordinations- zahl 6, so daB es auch hierin mit den anderen dreiwertigen Metallen ubereinstimmt. Ebenso nun, wie A. WERNER und andere Forscher die Komplexsalze deg dreiwertigen Cr, Co, Fe, Mn und anderer Ele- mente auf Grund der Koordinationslehre systematisch ordnen und klassifizieren konnten, mussen sich auch die komplexen Vanadin- salze entspreohend zusammenfassev lassen. Indessen treffen wir

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bei den Vanadikomplexen noch recht erhebliche Lucken auf, wie folgende Zusammenstellung der bisher aufgefundenen komplexen Salze des dreiwertigen Vanadins zeigt.

1. Halogenosalze : [VF61(NH4)3; [V(CN)61K3; [V(scN)61K3 ’ 4 H 2 0 ;

[V(SCN),](NHA,. 4H20; [V(SCN),JNa3. 12H,O; [VC14]K. 2. Aquosalze :

[V(H20)61C13; [V(HZo)GlBr3 ; [V(H20)61 J3; [V(H,0)~](S04)(S04H) und das entsprechende NH4- und Rb-Salz; [V(H402)6](so4)( S04H) und das entsprechende K-, Na-, NH4-, Rb-,

Cs- und T1-Salz. 8. Aquohalogenosalze :

[VFdH2O)1(N&h ; [VFd%O)2I(NH4) ; [VFdH&%I ; [VFr@20)1&; [VF,(H20)][Zn(H2O),] ; und die entsprechenden Cd-, Co-, Ni- und

Fe-Salze. 4. Aquooxalatosalze:

[V(H20)3(C20&3]K3 und das entsprechende NH,-Salz. 5. Acetylacetonate :

[V(CH,COCHCOCH,),]. Vergleicht man diese kleine Zusammenstellung mit der sehr

vie1 grol3eren Anzahl komplexer Salze des dreiwertigen Chroma oder gar des Kobalts, so erkennt man sofort, wie luckenhaft die Komplex- chemie der Vanadisalze noch ist: Die Ammoniakate und die davon abgeleiteten Acidosalze und ahnliche Verbindungen fehlen noch voll- standig. Ebenso ist von den komplexen Verbindungen zwischen dreiwertigem Vanadin und Schwefel- oder Selensiiure - ein Gebiet, das beim Chrom schon sehr umfangreich geworden ist - hier nur sebr wenig bekannt. Somit trat uns als erste Aufgabe die Auf- findung neuer Komplexsalze des dreiwertigen Vanadins entgegen, und wir haben versucht , sowohl Vanadi -Ammoniakverbindungen oder Vanadiake darzustellen, als auch die Verbindungen zwischen dreiwertigem Vanadin und Schwefelsiiure aufzukliiren.

Die oben eusammengestellten Vanadikomplexe erlauben bisher nicht eu entscheiden, ob das Vanadin in diesen Salzen mehr dem Chrom oder einem der anderen dreiwertigen Metalle iihnlich ist. Wahrend z. B. dreiwertiges Vanadin und Schwefelsiiure nach noch nicht veroffentlichten Beobachtungen von E. MARKOWICZ ebenso wie Chrom und Gchwefelsaure zahlreiche komplexe Vanadischwefel- siiuren und Vanadisulfate bilden, zeigt das Vanadin in den Alaunen

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mehr Ahnlichkeit mit dem Eisen, indem der Ammoniumvanadin- alaun in zwei verschieden gefarbten, aber chemisch und physikalisch sonst identischen Formen auftritt, wie ja auch der Eisenalaun nicht nur schwach amethystfarben, sondern auch gelblich gefarbt erscheint. Es ist ferner durchaus moglich, daB das dreiwertige Vanadin sehr geringe Neigung zur Bildung von Ammoniakaten besitzt und auch dadurch dem Eisen erheblich ngher a10 dem Chrom steht.

Zur Kliirung der hier angedeuteten Widerspruche haben wir uns daher der Untersuchung der Ammoniakate zugewendet und in erster Linie die Vanadinhalogenide auf ihre Fghigkeit der Am- moniakaufnahme untersucht. Uber die Ergebnisse der Untersuchung des Systems Vanadihydroxyd - SchwefelsBure werden wir spBter be- richten.

Wasserfreies Vanadintrichlorid hat man bisher nur aus dem Tetrachlorid VCI, hergestellt , wiihrend das VBr, durch Bromieren von VN oder durch Einwirkung von Brom auf ein Gemisch von V,O, und Kohlenstoff in der Hitze gewonnen wird. Wasserfreies Vanadinjodid ist bisher nicht bekannt, wghrend wasserfreies Vanadin- trifluorid nur unter Zuhilfenahme von elementarein Fluor zu ge- winnen ist.

1. Darretellung von Vanadintrichlorid. Die bisherigen Verfahren zur Dnrs tellung von VCI, sind insofern

recht umstandlich, als man zuerst metallisches Vanadin, daraus das Tetrachlorid und hieraus endlich das VC1, gewinnt. Beim Durch- arbeiten der meietens empfohlenen Verfahren glauben wir einige Verbesserungen gefunden zu haben, die wir im folgenden be- schreiben wollen.

Da sich das TetrachIorid des Vanadins von anderen Chloriden und Oxychloriden leicht durch Destillation reinigen la&, so kam es uns auf die Gewinnung von sehr reinem metallischen Vanadin aIs Ausgangsmaterial nicht an, und wir haben das alurninothermische Verfahren mit den verschiedenen kleinen Abanderungen von TAM- M A N N ~ ) , von PRANDTL~) und von RUFF^) benutzt. Am sichersten reagierten Gemische von 100 g V20, mit 20 g Cap, und 50-60 g Al. Bei Anwendung von 50 g A1 enthielt der Vanadinregulus 9S,5°/0 V, und die Ausbeute betrug 80,30/,,, berechnet auf die angewendete Menge V,O,. Bei Anwendung von 60g A1 wurde ein Regulus voni

1) G. TAMMANN u. R. VOGEL, 2. anorg. Chem. 64 (1909), 226. 8) W. PRANDTL u. B. BLEYER, 2 unorg. Chem. 64 (1909), 217; 79 (1912), 209. a) 0. Rum u. MARTIN, 2. anorg. CRem. 80 (1912), 59.

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Gewichte 52 g rnit 89O{, V erhalten, so daB die Ausbeute 93°/0 betrug.

Reduktionsversuche mit Silicium lieferten uns kein metallisches Vanadin, sondern Vanadinsilicide. Die Einwirkung von Si auf V,O, ist bereits von MOISSAN und HOLT untemucht worden, die ebenfalls Silicide erhielten. Wenn wir ein Gemisch von 50g V,05 mit 2Og Silicium und 3 g CaF,, rnit etwas Ziindmischung iiberschichtet, im Kohleofen erhitzten, trat eine heftige Reaktion ein. Die Reaktions- masse hatte metallahnliches Aussehen, war auBerordentlich hart, so daS man rnit scharfkantigen Stiicken Glas ritzen konnte, und loste sich in SSiuren, selbst in Konigswasser nicht merklich auf. Nur in verdiinnter FluBsaure wurde es zersetzt und hinterlieB beim Ein- dampfen V,05, so daB der Vanadingehalt auf diesem Wege bestimmt werden konnte. Der Siliciumgehalt wurde bestimmt, indem das Produkt rnit schmelzendem Kaliumhydroxyd aufgeschlossen und die Kieselsaure in der iiblichen Weise durch Salzsilnre gefallt wurde.

0,0995 g Substanz ergaben 0,0846 g V,05 = 47,6O/, V, und 0,0944 g Substanz ergaben 0,1033 g SiO, = 51,1°/, Si. Das Silicid VSi, enthalt 52,2°/0 Si und 47,8% V. Demnach haben wir es mit dem Silicid VSi, zu tun, das man bisher auf umstandlichere Weise durch Behandeln von V,Si rnit schmelzendem Si oder durch Zusammen- schmelzen von V,O, mit Si im elektrischen Ofen erhalten hatte.l)

Die Verwendung des Vanadinsilicicls zur Gewinnung de8 VCI, kommt nicht in Frage, daB sich dabei sehr reichliche Mengen von SiCl, bilden, die von dem ebenfalls fliissigen VCl, erst durch mehr- fache fraktionierte Destillation getrennt werden mussen.

Die Reaktionsfahigkeit des VSi, gegen Halogene nimmt rnit steigendem Atomgewicht der Halogene rasch ab. Von Sauerstoff, Schwefel, Schwefelwasserstoff wird es auch in der Hitze nur sehr langsam angegriffen. Gegen w8;Sriges Alkali, Ammoniak und gegen $&men ist es sehr widerstandsfahig. Nur von FluBsaure wird es selbst bei grol3er Verdiinnung gelost. Mit Chlorwasserstoff reagiert es in der Gliihhitze und bildet neben Silicochloroform Vanadindi- und trichlorid. Durch schmelzendes Alkalihydroxyd wird VSi, zu Alkali- silikat und Vanadat zersetzt.

Durch Chlorieren des mehr oder weniger verunreinigten metalli- schen Vanadins in der Hitze entsteht bekanntlich das Vanadin- tetrachlorid, das oberhalb 600° stabil, bei Zimmertemperatur aber labil ist und sich daher unter Chlorabgabe in das Trichlorid zer-

l) Vgl. mch H. GIEBELHAUSEN, 2. anorg. Chew 91 (1916), 251.

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setzt. Wir versuchten nun, das Trichlorid durch Einwirkung ver- diinnten Chlorgases auf Vanadin unmittelbar zu erhalten. Zu diesem Zwecke haben wir das Chlor mit Kohlendioxyd, und zwar mit bie zu 4 Teilen CO,, verdiinnt. Perner haben wir Stoffe einwirken lassen, die leicht Chlor abspalten, wie SOCl,, SO,Cl,, S,Cl,. Auch Phosgen kam xur Anwendung, das wir aus dem ,,Perstoff", dem Trichlor- methylester der Chlorameisensaure, ClCOOCCl, in sehr einfacher Weise erhielten, indem wir den Perstoff in einem Destillierkolben auf erhitzte Tonscherben tropfen lieBen. Man erhiilt so nach der Gleichung ClCOOCCl, = 2 COCl, einen sehr regelmiiSigen Phosgen- gasstrom.

Bei allen diesen Versuchen wurde der Gasstrom uber das fein- gepulverte Vanadin oder Vanadinsilicid geleitet, das in einem Por- xellanschiffchen im Verbrennungsrohr auf 600-700° erhitzt wurde. In allen Fallen bildete sich Vanadintetrachlorid, das ale rotbraune, schwere Flussigkeit abdestillierte. Bei der Chlorierung mit SOC1, und S,Cl, trat auBerdem noch Schwefel auf, der nach den Glei- chungen

2SOC1, + V = Vcl, + so, + s , 2SZCI, + v = VCl, + 4s

frei wird, wahrend Sulfurylchlorid und Phosgen nach den Glei- chungen

2 SO,Cl, + V = VCl, + 2 SO,, 2coc1, + V = VCI, + 2 c o

einwir ken, Bemerkenswert ist, daB sich beim Chlorieren des Vanadins im

Schiffchen ein schwarzer Riickstand bildete, der an der Luft bei stiirkerem Erhitzen vollstiindig verbrannte. Es lag amorpher Kohlen- stoff vor. Man muB wohl annehmen, daB die Einwirkung des Phosgens unter Kohlenoxydabspaltung erfolgt und daB sich das Kohlenmonoxyd entsprechend der Versuchstemperatur dann unter Kohlenstoffabspaltung teilweise in Kohlendioxyd verwandelt. Diem Reaktion 2CO = CO, + C scheint nun durch das Vanadin kata- lytisch sehr stark beschleunigt zu werden; denn die ersten Spuren schwarzen Kohlenstoffs zeigen sich schon nach wenigen Augen- blicken der Phosgeneinwirkung. DaIS sich tatsiichlich CO, bildet, kann in dem abziehenden Gase durch Bariumhydroxyd nachgewiesen werden. Die katalytische Wirkung des Vanadine in diesem Falle kann mit seiner groDen Neigung zur Bildung von Carbiden in Zu-

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sammenhang gebracht werden. Dafur sprechen auch die Ergebnisse vonVersuchen, die mit Kohlenmonoxyd und Vanadin angestellt wurden. Es wurde CO bei 500° und bei 8000 uber feingepulvertes metallisches Vanadin geleitet. Es trat nach kurzer Zeit Abscheidung von schwarzem Kohlenstoff auf dem Vanadin ein. Das Vanadin selbst hatte sich etwas verandert, indem es Kohlenstoff unter Bildung von Carbiden aufgenommen hatte. Dies wurde festgestellt, indem der Inhalt des Schiffchens in konzentrierter Salpetersiiure aufgelost wurde, wodurch alles bis auf den amorphen Kohlenstoff in Losung ging. Der ungeloste Teil wurde als C festgestellt und zur WBgung gebracht. Im Filtrate wnrde das Vanadin bestimmt und auBerdem wurde in einer anderen Probe durch Verbrennung der gesamte Kohlenstoff bestimmt. So wurden in einer Probe, die bei 500° mit CO behandelt worden war, 14,9OJO freier Kohlenstoff und 8Io/, Vanadin, ferner durch Verbrennung 18,l o/o Gesamtkohlenstoff ge- messen. Demnach lagen 3,2% C in gebundener Form, wahrschein- lich als Vanadincarbid vor. Bei einer Probe, die bei 8000 karburiert worden war, wurden neben 3 O t 0 freiem Kohlenstoff 65,4OJO Vanadin nnd 34,2% Gesamtkohlenstoff festgestellt, so daB nioht weniger als 31,2O/,, C in gcbundener Form vorlagen. DaB bei der Einwirkung von Phosgen nur Kohlenstoff, aber kein vanadinhaltiger Ruckstand bleibt, ist darauf zuruckzufuhren, daB auch das entstandene Vanadin- carbid vom Phosgen oder vom Chlor angegriffen und in VC1, uber- gefiihrt wird.

DaJ3 Vanadin die Einstellung des Gleichgewichtes zwischen CO und CO, katalytisch zu beschleunigen vermag, zeigte sich auch bei der Einwirkung der Gemische von CO, und C1 auf Vanadin, da auch hierbei Riickstande von amorphem Kohlenstoff beobachtet wurden. Wurde ferner CO, allein bei 50Q600° uber feingepulvertes Vanadin geleitet, so gluhte dieses auf und farbte sich dann allmahlich schwarz. Ferner wurde die Bildung eines Gases festgestellt, das sich iiber Natronlauge auffangen lieB und sich dann als Sauerstoff erwies. Im Schiffchen blieb kohlenstoffhaltiges Vanadin zuruck, das also wohl Vanadincarbid enthielt. Eine derartige Probe enthielt 72,2% V und 26,S0J0 gebundenen C.

DaI3 das Vanadin am dem Kohlendioxyd den Kohlenstoff heraus- nimmt und so den Sauerstoff freiwerden lafit, ist wenig wahrschein- lich, wenn man an die groBe Neigung des V zur Bildung von V,O, und anderen Osyden denkt. Wahrscheinlich ist die Annahme, daB die Reaktion 2C02 = 2CO + 0, durch das Vanadin liatalytisch be-

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schleunigt wird, und daB dann das Kohlenmonoxyd karburierend einwirkt. Aber zweifellos ist die Affinitat des Vanadins zum Kohlen- stoff ungewohnlich groB.

Bisher war es erforderlich gewesen, da13 man bei der Gewinnung des Vanadintetrachlorides vom metallischen Vanadin ausging, das erst auf umstiindlichen Wege gewonnen werden muBte. Wir haben uns nach einem bequemeren Ausgangsmaterial umgesehen und dies im Ferrovanadin gefunden, das in der Eisenindustrie als Des- oxydationsmittel und zur Herstellung von Spezialstiihlen verwendet wird. Es wurde uns in fein gepulvertem Zustande mit einem Ge- hake von ungefiihr 40% V geliefert.

In einem Verbrennungsrohr, das in einem Rohrenofen auf dunkle Rotglut erhitzt wurde, wurde Chlor uber Ferrovanadin ge- leitet. Es bildete sich Ferrichlorid, das sich im kiilteren Teile des Verbrennungsrohres kondensierte, wahrend das flussige Vanadin- tetrachlorid in ein vorgelegtes Rohr abfloB, aber durch etwas mit- gerissenes FeC1, verunreinigt war. Zur weiteren Reinigung wurde dieses VCI, noch einmal fraktioniert destilliert, wobei ein Ubergehen von FeCI,, das bekanntlich leicht fluchtig ist, durch einen ein- geschobenen Bausch Glaswolle verhindert wurde. Die Auibeuten waren recht befriedigend. Es ergaben z. B. !3 g Ferrovanadin mit 40°/, V S,6 g VCI, gleich SOO/O Ausbeute.

Da Ferrovanadin heute im Handel zu bekommen ist, so konnen wir diesen Stoff als Ausgangsmaterial zur Darstellung von Vanadin- tetrachlorid sehr empfehlen. Je hoher prozentig das Ferrovanadin an Vanadin ist, desto besser eignet es sich fur das Verfahren, da mit abnehmendem Eisengehalt die Gefahr einer Verstopfung der Rohren durch Eisenchlorid immer geringer wird.

Die Verwendung von Ferrolegierungen zur Darstellung von Chloriden seltenerer Metalle ist schon fruher einmal von VOSMAER~) versucht worden. Er hatte Ferrochrom mit Erfolg zu Ferri- und Chromichlorid verarbeitet, hatte aber beim Ferrowolfram nur teil- weisen ErEolg zu verzeichnen, da statt des gewiinschten Wolfram- hexachlorids nur ein Gemenge von Wolframoxytetrachlorid und Wolframdioxydichlorid entstand. Da Wolframhexachlorid nur bei AusschluB von Luft und Feuchtigkeit durch Chlorierung von Wolfram zu erhalten ist, lag die Vermutung nahe, daB das von VOSMAER verwendete Chlor feucht oder lufthaltig gewesen war. In der Tat lieferten Versuche, bei denen die Anwesenheit von Luft und von

l) VOSMAER, 2. analyt. Chem. 28 (ISSD), 324.

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Feuchtigkeit vermieden wurde, auch aus Ferrowolfram das Hexa- chlorid WCl,.

Herr cand. phil. GULBINS, der sich auf unsere Veranlassung mit der Chlorierung von Ferrowolfram beschaftigt hat, ging von einem kohlenstoffhaltigen Ferrowolfram von etwa SOo/,, Wolfram und 15°/0 Eisen aus, dams als feines Pulver vorlag und sich in einem Porzellanschiffchen in einer Verbrennungsrohre befand, die in einem Rohrenofen auf Rotglut erhitzt werden konnte. Das verwendete Bornbenchlor wurde durch konzentrierte Schwefelsaure und Phos- phorpentoxyd scharf getrocknet. Die Luft in der Apparatur wurde zuerst durch troches CO, und dieses dann durch C1, verdrangt. D ~ B Eindringen von Feuchtiglreit wurde durch eine vorgelegte Waschflasche mit konz. H,SO, verhindert. Es erwies sich als zweck- miiBig, zuniichst nur wenig zu erhitzen, um so die Hauptmenge des Ferrichlorids, das bereits bei looo zu sublimieren beginnt, zu ver- fliichtigen. Die Bildung von Wolframhexachlorid vollzieht sich dann bei hoherer Temperatur, die schliefilich bis zur Rotglut des Glases gesteigert wurde. Eine quantitative Trennung des Ferri- und Wolframchlorids gelang allerdings auf diese einfache Weise nicht. Immerhin sind die im WCI, enthaltenen FeCI,-Mengen nur gering und konnen durch eine nochmalige fraktionierte Sublimation ent- fernt werden. Der ini Ferrowolfram enthaltene Kohlenstoff blieb als schwarzes Pulver im Schiffchen zuriick. Sauerstoffhaltige Wolframchloride wurden nur bei einem Versuche, und zwar in ganz geringer Menge beobachtet. Auch die niederen Wolframchloride machten sich nicht bemerkbar. Die orhaltenen Wolframhexachlorid- kristalle waren von braunvioletter Farbe und besal3en metallischen Schimmer. Sie lijsten sich in wenig Schwefelkohlenstoff mit dunkel- rotbrauner Farbe, die beim Verdiinnen mit mehr CS, langsam, beim Erwamen sofort in braunrot und schliefilich in gelb iiberging. Dio Losung der WC1,-Kristalle in Benzol war schwarzviolett und zeigte gleiches Verhalten wie die CS,-Losung. Versuche, das Wolframhexa- chlorid aus CS, oder C,H, umzukristallisieren, verliefen erfolglos. Auch Versuche, an WC1, Pyridin anzulagern, hatten kein Ergebnis. Sowohl das Wolframhexachlorid ale auch die daraus hergestellten Losungen sind gegen Luft und Feuchtigkeit wenig bestiindig. Diese Zersetzungen, die auch im verschlossenen PrGparatenglase vor sich gehen, scheinen rnit dem geringen Gehalte an FeCl, in Verbindung eu stehen, der erst durch mehrmaliges Umsublimieren vollstandig zu entfernen ist. Wir haben nicht entscheiden konnen, ob die

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Chlorierung von Ferrowolfram irgendwelche erheblichen Vorziige gegenuber der Chlorierung von metallischem Wolfram besitzt, das man 1;. B. nach der Vorschrift von H. und W. BILTZ~) gewinnt.

Das so aus metallischern Vanadin oder aus Ferrovanadin ge- wonnene Vanadintetrachlorid wurde nun in das Trichlorid uber- gefuhrt. Nach den Untersuchungen von RUFF^) ist das Tetrachlorid nur bei Temperaturen uber 650° bestandig, spaltet aber bei tieferen Temperaturen freiwillig Chlor ab und geht in Trichlorid uber. Wahrend nun die Tendenz zur ChIorabspaltung mit falIender Tern- peratur groljer wird, nimmt die Abspaltungsgeschwindigkeit ab. Es handelt sich also schlieljlich darum, unter Berucksichtigung dieser beiden entgegengesetzt wirkenden Faktoren die optimale Temperatur zu finden, bei der die Bildung des Vanadintrichlorids am schnellsten vor sich geht. Es war ferner die Konzentration des abgespaltenen Chlors dauernd moglichst klein und die Konzentration des vor- handenen Tetrachlorids moglichst groB zu halten. Die erste Be- dingung wurde dadurch erreicht, daB das entwickelte Chlor durch einen indifferenten Gasstrom fortgefuhrt wurde. Die zweite Be- dingung 1ieB sich am besten dadurch erfullen, daf3 das Tetrachlorid noch im flussigen Zustande verwendet wurde. Aus allen diesen Griinden haben wir das Vanadintetrachlorid in einem langlichen Kolben am Ruckfluljkuhler im Ulbade erhitzt, wahrend ein lang- samer Strom von Kohlendioxyd zur Entfernung des Chlors hindurch- geleitet wurde. Die Temperatur wurde zuerst auf 140-1500 ge- halten, um ein Entweichen des VCl, nach Moglichkeit zu verhindern. Erst wenn sich nach Verlauf von einigen Stunden reichlich festes VCl, gebildet hatte, wurde die Temperatur bis zum langsamen Sieden gesteigert. Hat sich das gesamte Tetrachlorid in festes Tri- chlorid vemandelt, so wird der C0,-Strom, der selbstverstiindlich sehr gut getrocknet sein muB, verstarkt und das VCI, darin ge- trocknet .

Zur Priifung der Reinheit des so erhaltenen VCI, wurde das- selbe analysiert, indem eine abgewogene Menge in verdunnter Schwefelsaure gelost, rnit H202 zu Vanadinsaure oxydiert und dime dann durch SO2 zu vierwertigem Vanadinsalz reduziert wurde. Die uberschussige schweflige Saure wurde durch Kochen im C0,-Strom entfernt, worauf mit Permanganatlosung zu Vanadinsaure titriert wurde. Das Chlor wurde als Silberchlorid bestimmt.

1) H. u. W. BILTZ, ubungsbeispiele, 4. Aufl. S. 220. 2) 0. RUFF u. L. FRIEDRICH, 2. unurg. C h . 89 (1914), 279.

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Es verbrauchten 0,2678 g Substanz 16,2 ccm 0,l n-KMnO, gleich 32,40°/, V, und 0,2106 g Substanz 12,8 ccm 0,l n-KMnO, gleich 32,430/, V. Zugleich ergaben 0,2678 g Substanz 0,7571 g AgCl gleich 67,280/, C1 und 0,2106 g Substanz 0,5769 g AgCl gleich 67,40°/, C1. In guter Ubereinstimmung damit berechnet sich fur VC1, 32,49% V und 67,510/, C1. Unser Produkt konnte deninach als genugend rein betrachtet werden.

Auch die Ausbeute war befriedigend, da wir z. B. aus 5 g metallischem Vanadin 12 g VCl, gleich 78% Ausbeute erhielten.

RUFF und LICKFETT~) haben sich schon fruher rnit der Zer- setzung der Vanadinchloride durch Hitze beschaftigt und einen Zer- fall des Trichlorids bei Rotglut in Di- und Tetrachlorid festgestellt. Da das Tetrachlorid bei tieferen Temperaturen unbestandig ist und wieder in Trichlorid ubergeht, so mu13 sich durch Erhitzen auf ge- nugend hohe Temperatur das gesamte Trichlorid in Dichlorid ver- wandeln lassen. Ein Versuch scheint diese Annahme auch zu be- statigen. In ein langeres, unten abgeschmolzenes Rohr wurde etwas VCl, gegeben und in einer CO,-Atmosphiire durch ein Olbad auf 2800 erhitzt. Nach einigen Stunden war die Farbe griin geworden, so daI3 die Bildung von VCl, wahrscheinlich geworden war. Dafur sprach dann auch das Ergebnis der Analyse, die, ebenso wie vorhin ausgefuhrt, 41,2 und 42,0°/, V und 57,8 und 57,6O/,, C1 lieferte, wiihrend VCl, 41,8O/, V und 58,2O/, C1 verlangt.

Bei unseren Versuchen, aus Vanadin oder Ferrovanadin un- mittelbar Vanadintrichlorid darzustellen, verwendeten wir als Chlo- rierungsmittel an Stelle des Chlors auch Chlorwasserstoff, der ja hiiufig chloriirmere Produkte als Chlor selbst liefert. So erhalt man aus Eisen mit Chlorwasserstoff Ferrochlorid, a m Silicium Silico- chloroform usw. Die Aussicht auf Gewinnung eines chlorarmeren Vanadinchlorids erschien uns um so giinstiger, als der Chlorwasser- stoff nicht nur weniger stark chlorierend, sondern der dabei ent- wiokelte Wasserstoff noch weiterhin reduzierend einwirkt. Es kann 80 das primar entstandene Tetrachlorid, oder beide konnen noch zu Dichlorid reduziert werden, und Dichlorid gibt durch Anlagerung an das Tetrachlorid dann V[VCl,] = 2VC1,.

Bei der Einwirkung von scharf getrocknetem Chlorwasserstoff auf metallisches, fein gepulvertes, schwach aluminiumhaltiges Vanadin erhielten wir auch tatsachlich Vanadintrichlorid. Die Reinigung vom Alnminiumchlorid erfolgt leicht durch Sublimation, da AICl,

l) 0. RUFF u. LICKFETT, Berl. Ber. 44 (1910), 506.

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sehr vie1 leichter fluchtig ist als VCI,. Die Temperatur im Muffel- ofen betrug 300-400°. Etwas schwierig ist die Entfernung des so gewonnenen Trichlorids aus dem Verbrennungsrohre. Wir erhielten aus 5 g metallischem Vanadin 13,9 g VCl,, also eine bessere Ausbeute als bei der unmittelbaren Chlorierung mit Chlor zu Tetrachlorid und Uberfuhrung dieses Produktes in das Trichlorid.

Etwas andere Ergebnisse erhielten wir bei der Einwirkung von Chlorwasserstoff auf Ferrovanadin unter denselben Bedingungen wie bei den soeben besprochenen Versuchen. Nach der Reaktion zeigte es sich, da13 das Schiffchen mit Ferrochlorid angefullt war, das auBerdem in den kalteren Teil des Verbrennungsrohres hinuber- sublimiert war und sich in fast farblosen Blattchen abgeschieden hatte. Im kalteren Teil des Rohres hatte sich auBerdem ein hell- gruner Beschlag gebildet, dessen Farbe anf Vanadochlorid hin- deutete und der sich in Wasser mit violetter Farbe loste, was eben- falls auf VCl, hinweist. Die Analyse dieses Produktes ergab 41,2 und 42,00/, V und 57,4 und 58,00/,, C1, wiihrend dem VC1, 41,8O/,, V und 58,2°/0 C1 zukommen.

Die Ursache dafiir, dal3 sich bei der Einwirkung von Chlor- wasserstoff auf Vanadin VCI,, auf Ferrovanadin aber hauptsachlich VC1, bildet, ist wohl darin zu suchen, daI3 sich im letzteren Falle erheblich mehr freier Wasserstoff bildet, der dann infolge seiner hoheren Konzentration auch erheblich energischer reduzierend wirken kann. Aus alledem ergibt sich, daB sich Vanadintrichlorid durch Behandlung von Ferrovanadin mi t Chlorwassers t of f nicht darstellen laat.

2. Darstellnng von Vanadintribromid. Die Affinitat zwischen Vanadin und Brom ist etwas geringer

als die zwischen Vanadin und Chlor. Es war daher zu erwarten, da13 bei der unmittelbaren Einwirkung von Br auf metallisches V sich kein Tetrabromid, sondern Vanadintribromid bilden wurde. Zur Verwendung gelangte wasserfreies Brom, das mehrere Male uber Phoe- phorpentoxyd destilliert wordcn war. Das Vanadin lag wiederum in fein gepulverter Form vor. In einem kleinen Erlenmeyerkolben wurde das Vanadin mit iiberschussigem Brom ubergossen. Geringes Anwarmen genugte, urn die Reaktion in Gang zu bringen. Es trat stnrke Warmeentwicklung ein und das uberschussige Brom wurde heftig aus dem Kolben herausgestoBen. Der Ruckstand zeigte die schwarzgrune Farbe des Vanadintribromids und auoh seine ubrigen

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Eigenschaften. So gab er an der Luft schon bei gewohnlicher Tem- peratur Brom ab und zerflol3 zu einer dunklen Flussigkeit. Im Wasser loste er sich mit gruner Farbe auf. Eine schwefelsaure Losung wurde rnit Schwefelkohlenstoff ansgeschiittelt. Lctztere blieb aber farblos und farbte sich erst nach Zusatz von Chlorwasser zu der Losung durch Brom gelbbraun. Demnach war das Vanadintribromid nicht durch freies Brom verunreinigt.

Bei der Analyse ergaben 0,3628g Substanz 0,7055g AgBr gleich 82,7% Br und 0,4210 g Substanz ergaben 0,8211 g AgBr gleich 82,0'J/0 Br. Titrimetrisch wurden 16,4 und 17,1°/0 V fest- gestellt , wiihrend der Verbindung VBr, 17,56% V und 82,44% Br zu kommen .

Um den Verlus t des uberschussigen Broms zu verhindern, wurde rler Erlenmeyerkolben mit einem absteigenden Kuhler versehen und tlas feingepulverte Vanadin mit den1 uberschiissigen Brom auf dem Wasserbade erwarmt. Die Reaktion begann bei 40° und nach einiger Zeit konnte das zuruckbleibende Vanadintribromid vollig trocken aus dem Kolben in ein Praparatenglas geschuttet werden.

Lost man das so erhaItene VBr, moglichst unter LuftausschluS in Wasser und dampft clann auf dem Wasserbade ein, so erhalt man beim Stehenlassen im Exsikkator eine sehr hygroskopische Masse, deren Analyse wegen der Hygroskopizitiit und des Autoxydations- bestrebens etwas schwierig ist. Bei der Titration ergab die Sub- stanz 12,l und 13,0°/o V. Ferner ergaben 0,5212 g Substanz 0,7276 g AgBr gleich 59,4O/, Br und 0,4890 g Substanz 0,6872 g AgBr gleich 59,8% Br. In guter Ubereinstiinmung damit enthalt das Hexaquo- vanadintribromid [V(H,O),]Br, 12,78% V und 60,15O/,, Br.

Auch das Ferrovanadin eignet sich zur Darstellung des Vanadin- hibromide. In einem Porzellanschiffchen, das sich in einem Ver- brennungsrohr in einem Muffelofen befand, wurde das feingepulverte Ferrovanadin von 40°/, V-Gehalt auf dunkle Rotglut erhitzt, wiihrend ein trockner Bromstrom daruber geleitet wurde. Der Bromstrom wurde dadurch erzeugt, daB Brom in einem Destillierkolben auf Tonscherben tropfte, die auf einem Wasserbade erhitzt wurden. Das Eisenbromid ist schwerer fluchtig als Vanadinbromid und ver- dichtet sich daher zuerst, wahrend sich VBr, erst in den kalteren TeiIen des Verbrennungsrohres niederschlagt. Bleibt die Temperatur im Muffelofen konstant, so erhalt man auch die beiden Schichten der Bromide genugend voneinander getrennt. Es ergaben 5 g Ferro- vanadin 9,8 g VBr, gleich 86°/0 Ausbeute. Allerdings ist dieses

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Zur Kennlnis des dreiwertigen Vanadins. I. 189

Produkt durch geringe Mengen Eisen verunreinigt, die aber bei unseren spateren Versuchen nicht weiter storend waren.

3. Vanadintrijodid. Wasserfreies Vanadintrijodid konnte bisher nicht erhalten werden.

Auch wir haben vergeblich versucht, trocknes oder gelostes Jod mit feingepulvertem Vanadin oder Ferrovanadin umzusetzen. In keinem Falle erhielten wir ein Vanadinjodid.

4. Eexamminvanadintriohlorid [V(NE,),]Cl,. An Eisen- und Aluminiumchlorid lagert sich bereits gasformiges

Ammoniak unter Bildung von Ammoniakaten an. Bei der Einwirkung auf Vanadintrichlorid bildet sich aber Vanadinnitrid VN und Am- moniumchlorid. Wir haben deshalb flussiges Ammoniak auf wasser- freies VC1, einwirken lassen. Kuhlt man VC1, durch ein Gemisch von festem Kohlendioxyd und Alkohol ab und kondensiert darauf gasformiges Ammoniak, so erhiilt man allerdings auch Vanadin- nitrid und Chlorammonium. UbergieBt man aber Vanadintrichlorid niit flussigem Ammoniak, so findet eine Vereinigung der beiden Kom- ponenten statt, und nach dem Fortsieden des uberschussigen Am- moniaks bleibt ein rotlichbraun gefarbtes Salz zuruck. Schon dieee Farbe erinnert an die Hexamminsalze des Kobalts und des Chroms. Die Ausbeute war quantitativ. Bei der Analyse verbrauchten 0,2476 g Substanz nach der Uberfuhrung des dreiwertigen Vanadins in die vierwertige Oxydationsstufe 9,24 ccm 0,l n-KMnO, gleich 20,0°/, V, 0,3120 g Substanz 11,89 corn 0,l n-KMnO, gleich 20,3°/0 V. Ferner ergaben 0,2476 g Substanz 0,9988 g AgCl gleich !39,4O/,, C1, und 0,3120 g Substanz 0,5205 g AgCl gleich 40,6O/, C1. Die durch Kochen mit NaOH aus 0,1620 g Substanz ausgetriebene Ammoniak- menge verbrauchte zur Neutralisation 40,55 ccm 0,l n-H,SO, gleich 41,2O/, NH,, und 0,2566 g Substanz verbrauchten 60,5 ccm 0,1n-H&30, gleich 38,8'/,3 NH,. In guter Ubereinstimmung damit enthiblt das Hexamminvanadintrichlorid [V(NH&]Cl, 19,69O/,, V, 4O,92OI0 C1 und 39,38O/, NH,.

Bemerkenswert ist, daB die Ammoniakmolekiile in diesem Salse bei weitem nicht so feat gebunden sind wie in den Luteoselzen dee Kobalts oder des Chroms. Sie lamen sich leicht durch Natronlauge freimachen und qualitativ nachweisen. Durch diese Unbestiindig- keit des komplexen Kations niihert sich das Vaaadintrichlorid dem Ferriohlorid, dessen Hexamminsalz ebenfaUs leicht zersetzlich ist.

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Auch in der Verbindung [Fe(NH,),]Cl, ist das Ammoniak nur lose gebunden. Die Ahnlichkeit zwischen dem Ferri- und dem Vanadin- komplexe tritt noch mehr hervor, wenn man das Verhalten beider Salze gegen Wasser vergleicht. In den beiden Fiillen tritt allmahlich Hydrolyse unter Bildung von Ferri- und Vanadinhydroxyd ein, wbhrend Ammoniak und Salmiak in Losung geht:

[V(NH3),]C1, + SH,O = V(OH), + SNH, + 3NH,CI.

An trockner Luft wird das Hexamminvanadintrichlorid all- miihlich weis, indem Sauerstoff aufgenommen und Ammonium- vanadat und Salmiak gebildet wird:

[V(NH3),]C1, + 0 + 2H,O = NH,VO, + SNH,Cl + 2NH,.

An feuchter Luft tritt GrunfSirbung ein, indem sich wohl das Hexaquovanadintrichlorid bildet.

Hexamminvanadintrichlorid iat in kaltem Wasser, in Alkohol und in Ather unloslich. In heiBem Wasser tritt rasch Hydrolyaa und Autoxydation ein. Beim Kochen entweicht Ammoniak, leicht am GerucE wahrnehmbar. In verdiinnter Salzsilure lost sich das Salz mit der charakteristischen grunen Farbe der Vanadisalze auf. Nach kurzer Zeit geht die Farbe in blau uber, entsprechend der Farbe der Salze des vierwertigen Vanadins.

Dampft man Hexamminvanadintrichlorid a d dem Wasserbade mit einigen Tropfen konzentrierter Salpetersaure, so hinterbleibt ein dunkelroter Ruckstand, der sich als Hexamminvanadinnitrat erwies. Beim UbergieSen mit Natronlauge entweicht reichlich Am- moniak. Salzsiiure laBt sich nicht mehr nachweisen, wohl aber Sal- petersliure mit Hilfe von Ferrosulfat.

Bei der quantitativen Analyse wurde Vanadin und Ammoniak titrimetrisch bestimmt. Die Salpetersaure wurde durch Kochen mit Eisenpulver und Schwefelsiiure zu Ammoniak reduziert und nach der Titration des Gesamtammoniaks als Differenz be- rechne t.

0,8203 g Substanz verbrauchten 2!3,74 ccm 0,l n-KMnO, gleich 15,6O/, V, und 0,7266 g Substanz verbrauchten 22,27 ccm 0,l n-KMnO, gleich 15,7O/,, V. Ferner verbrauchten 0,4270 g Subatanz 75,25 corn 8,l n-H,SO, gleich 29,0°/o NH,, und 0,6124 g Substanz 109,60 ccm 0,l n-€€,SO, gleich 29,5% NH,. Die zu NH, reduzierte Salpetersliure verbauchte bei Anwendung von 0,3208g Substanz 97,4ccm 0,l n-H,SO,

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Zzlr Kemtnis d.s dyeiwertigerc Vanadins. I. 191

gleich 54,1% NO9, von 0,4760 g Substanz 145,O ccm 0,l n-H,SO, gleich 54,6O/, NO,. In befriedigender Ubereinstimmung mit diesen Werten enthiilt das Hexamminvanadinnitrat [V(NH,),](NO,), 15,04°/0 V, SO,lOo/,, NH, und 54,86% NO8.

Die Nitratausbeute beim Abdampfen dea Cblorids mit Salpeter- saure war fast quantitativ.

6. Hexamminvanadintribromid [V(IPH,),]Br,. In derselben Weise wie das Vanadintrichlorid wurde auch das

Tribromid der Einwirkung von flussigem Ammoniak ausgesetzt. Die Umsetzung wird beschleunigt, wenn man das Ammoniak im Sieden erhglt, was durch sehr gelindes Erwarmen des Erlenmeyerkolbens auf einem schwach angeheizten Wasserbade erreioht wird. Das Ergebnis der Umsetzung ist ein hellbrauner Stoff, der der Farbe nach dem Hex- amminvanadintrichlorid iihnlich ist. Bei der qnalitativen Unter- suchung konnte Vanadin nachgewiesen werden. AuBerdem riecht die Verbindung nach Ammoniak, und durch Chlorwasser wird Brom in Freiheit gesetzt.

Bei der quantitativen Analyse verbrauchten 0,6260 g Substanz 14,52 ccm 0,l n-KMnO, gleich 12,4O/, V und ergaben 0,8874 g AgBr gleich 60,!30/, Br. Ferner verbrauchten 0,3200 g Substanz 7,52 ccm 0,l n-KMnO, gleich l2,6% V und ergaben 0,4554 g AgBr gleich 60,6°/0 Br. Der Ammoniakgehalt wurde nach dem Abdeetillieren mit NaOH titrimetrisch zu 25,O und 25,40/, NH, bestimmt. Diem Werte stehen in guter Ubereinstimmung mit den Zahlen, die fur ein Hexamminvanadintribromid [V(NH,),]Br, berechnet werden, nam- lich lS,OOO/o V, 26,08°/, NH, und 60,97O/, Br.

Das chemische Verhalten dieses Hexamminsalzes ist dasselbe wie das des Chlorides. In kaltem Wasser ist es schwer loslioh, in heiDem Waaser tritt Hydrolyse ein. An der Luft wird es zersetzt. Beim Abdampfen mit konzentrierter Salpetersaure bleibt das Hex- amminvanadinnitrat zuruck.

6. Hexemminvanadinnitrat [V(NHS),](NO3),. Dieses Salz wurde durch Abdampfen des Trichlorids oder des

Tribromids mit konzentrierter Salpeterssure auf dem Wasserbede erhalten. Die Frage ist dunkelrot. Das Verhalten dea komplexen Kations ist das gleiche wie bei dem entsprechenden Chlorid und Bromid.

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7. Yergleioh der Hexamminvanadinealxe mit anaern Hexamminsalzen.

Auf Grund ihres Verhaltens mussen wir die Hexamminvanadin- salze zwischen die Hexamminsalze des Eisens und Aluminium8 einerseits und des Chroms und Kobalts andererseits einreihen. Ebensowenig wie die Ammoniakate der beiden ersten Metalle sind sie in wiiiBriger Losung darstellbar. Die Ammoniakmolekiile werden in allen drei Fallen leicht durch Wassermolekule verdrlingt und sind daher ip Wasser nicht haltbar. Wiihrend aber Ferri- und Aluminium- chlorid selbst gasformiges Ammoniak zu absorbieren vermag, ist dies beim Vanadin-, Chrom- und Kobaltchlorid nicht der Fall. Hier mussen wir vielmehr fliissiges Ammoniak verwenden. Man kann allgemein sagen, dal3 sich die Hexamminvanadinsalze wohl darstellen lassen, da13 sie aber an Bestandigkeit weit hinter den Luteosalzen des Chroma und Kobalts zuruckstehen. In dieser Beziehung schliel3t sich das dreiwertige Vanadin mehr dem Eisen und dem Alu- minium an.

Zusammenfaerung. Durch Zusammenschmelzen von Vanadinpentoxyd mit Silicium

im Kohleofen entsteht ein Vanadiumsilicid VSi,. Durch Einwirkung von Chlor, Sulfurylchlorid, Thionylchlorid,

Chlorschwefel und von Phosgen auf metallisches Vanadin und von Chlor auf Ferrovanadin entsteht stets zuerst Vanadintetrachlorid.

Durch Einwirkung von Chlorwasserstoff auf rnetallisches Vanadin bei hoheren Temperaturen erhalt man Vanadintrichlorid.

Bei der Einwirkung von Chlorwasserstoff auf Ferrovanadin bei hoheren Temperaturen bildet sich infolge der reduzierenden Wirkung des freiwerdenden Wasserstoffes Vanadindichlorid.

Vanadin besitzt groBe Neigung, sich mit Kohlenstoff zu verI binden. Darauf ist die katalytische Wirkung des Vanadins bei der Einstellung der Gleichgewichte zwischen C, CO und CO, zuriick- zuf iihren .

Vanadintribromid laBt sich unmittelbar durch Synthese aus den Elementen gewinnen. Etwas weniger einfach ist die Gewinnung des VBr, durch Einwirkung von Brom auf Ferrovanadin, da das gleichzeitig sich bildende Fernbromid durch vorsichtige Sublimation vom VBr, getrennt werden muB.

Vanadintrijodid konnts im wasserireien Zustande nicht er- ha1 ten w erden.

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f i r Kenntnis des dveiwertigm Vandim. 1. 193

Vanadintriohlorid und -tribromid addieren beim Siedepunkte dee Ammoniakb sechs Molekule NH, und bilden Hexamminvanadin- trihalogenide, die beim Abdampfen mit konzentrierter Salpeterabure in Hexamminvanadi nni tra t u bergehen.

Die Hexammimalee des dreiwertigen Vanadins stehen den ent- sprechenden Verbindungen dee Eisens und Aluminiume niiher als denen dee Chrome und des Kobalte.

B redau., Anwganische Abteilung des Chmischen Iwtituuk dep. Univewitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 10.Miarz 1924.

8. anorg. n. allg. Chem. Bd. 136. 13