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Zur Theorie der Reflexion und Brechung Von Clem,ens Schaefer .und Conrad v. Fragstein Ma x v. La u e zum TO. Geburtstug geun’dmet Inhaltsiibersicht Der Vorgang der Reflexion und Brechung wird entgegen den ublichen theore- tischen Darstellungen nicht fur eine unendlich ausgedehnte sondern - wie es tatsac,hlich den experimentellen Verhaltnissen iinmer entspricht - fur eine seit- lich begrenzte Welle bebrachtet. Dabei ergibt, sich der Vorgang der Strahlver- setzung als ein allgeineine~, nicht auf die Totalreflexion beschranktes Phano- men, das auBer bei der Reflexion an durchsichtigen Medien immer auftritt,. Aller- dings ist die Strahlverset,zung ini allgenieinen sehr vie1 kleiner als die bei Tot,& reflexion in der Nahe des Grenzwiukels. Zwischen der in alleu Lehrbuchern der theoretischen Physik ublichen Darstel- lung des Vorgangs der Reflexion und Brechung einerseits und den Bedurfnissen des Experimentalphysikers anderseits besteht eine auffillige Diskrepanz, die selten genug herrorgehoben wird. Bei der ublichen theoretischen Behandlung werden Reflexion und Brechung I nendlich ausgedehnter Wellen behaudelt, was zur Folge hat, da13 in1 ersten Mecliuni eiii einheitliches Feld esistiert, das durch ifberlagerung der einfallenden Welle Q, und der reflektieiten Welle Q, entsteht, narnlich Q, + Q,, die niiteinander interferieren und an keiner Stelle des ersten Mediums getrennt. sind - ini Gegensatz zum Bedurfnis des messenden Physikers, der z. B. das Reflexionsvermogen bestininlen will. Seinen Wunschen wurde es entsprechen, wenn quer zur Fortpflanzuligsrichtung begrenzte Wellen zugrunde gelegt wurden, aber solche sind keine Losungen der Max- wellschen Gleichunge~imehr. Der einzige Fall, in dem man theoretisch eiue begrenzte Welle betrachtet hat, ist der der Totalreflexion; hier ist dies eine Notwendigkeit, da man sonst nicht versteht, wieso im zw-eiten Medium ein Energiestrom langs der Trennungsflache auftreten kann, obwohl die gesanite Energie der einfallenden Relle sich in der reflektierten Welle wiederfindet. Man kann eine begrenzte Welle dadurch herstellen, daB man unendlich viele unbegrenzte Wellen verschiedener Richtung uberlagert, so daB sie sich ruit Aus- nahme eiries bestininiten Rinkelbereiches durch Interferenz zerstoren: Auf den Fall der Totalreflexion hat Jo h. Pic h t1) diese Methode nrigeweridet; sie erfordert aber ziexulich erhebliche Rechnung. Rlan kann aber auch, wie es zuerst CI. Schae- fer und Ruth Pich2) bei den1 gleichen Problern getan haben, direkt seitlich be- 1) Joh. Picht, Ann. Physik (5) 3, 433 (1929). 2) el. Schaefer u. R. Pich, Ann. Physik (5) 30, 215 (1937).

Zur Theorie der Reflexion und Brechung

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Page 1: Zur Theorie der Reflexion und Brechung

Zur Theorie der Reflexion und Brechung Von Clem,ens Schaefer .und Conrad v. Fragstein

M a x v. L a u e zum TO. Geburtstug geun’dmet

Inhaltsiibersicht Der Vorgang der Reflexion und Brechung wird entgegen den ublichen theore-

tischen Darstellungen nicht fur eine unendlich ausgedehnte sondern - wie es tatsac,hlich den experimentellen Verhaltnissen iinmer entspricht - fur eine seit- lich begrenzte Welle bebrachtet. Dabei ergibt, sich der Vorgang der Strahlver- setzung als ein allgeineine~, nicht auf die Totalreflexion beschranktes Phano- men, das auBer bei der Reflexion an durchsichtigen Medien immer auftritt,. Aller- dings ist die Strahlverset,zung ini allgenieinen sehr vie1 kleiner als die bei Tot,& reflexion in der Nahe des Grenzwiukels.

Zwischen der in alleu Lehrbuchern der theoretischen Physik ublichen Darstel- lung des Vorgangs der Reflexion und Brechung einerseits und den Bedurfnissen des Experimentalphysikers anderseits besteht eine auffillige Diskrepanz, die selten genug herrorgehoben wird. Bei der ublichen theoretischen Behandlung werden Reflexion und Brechung I nend l i ch a u s g e d e h n t e r Wellen behaudelt, was zur Folge hat, da13 in1 ersten Mecliuni eiii e inhe i t l i ches Feld esistiert, das durch ifberlagerung der einfallenden Welle Q, und der reflektieiten Welle Q, entsteht, narnlich Q, + Q,, die niiteinander interferieren und an keiner Stelle des ersten Mediums getrennt. sind - ini Gegensatz zum Bedurfnis des messenden Physikers, der z. B. das Reflexionsvermogen bestininlen will. Seinen Wunschen wurde es entsprechen, wenn q u e r zur F o r t p f l a n z u l i g s r i c h t u n g b e g r e n z t e Wellen zugrunde gelegt wurden, aber solche sind keine Losungen der Max- wellschen Gleichunge~i mehr. Der einzige Fall, in dem man theoretisch eiue begrenzte Welle betrachtet hat, ist der der Totalreflexion; hier ist dies eine N o t w e n d i g k e i t , da man sonst nicht versteht, wieso im zw-eiten Medium ein Energiestrom langs der Trennungsflache auftreten kann, obwohl die gesanite Energie der einfallenden Relle sich in der reflektierten Welle wiederfindet.

Man kann eine begrenzte Welle dadurch herstellen, daB man unendlich viele unbegrenzte Wellen verschiedener Richtung uberlagert, so daB sie sich ruit Aus- nahme eiries bestininiten Rinkelbereiches durch Interferenz zerstoren: Auf den Fall der Totalreflexion hat J o h . P i c h t1) diese Methode nrigeweridet; sie erfordert aber ziexulich erhebliche Rechnung. Rlan kann aber auch, wie es zuerst CI. Schae - f e r und R u t h Pich2) bei den1 gleichen Problern getan haben, direkt seitlich be-

1) Joh. P i c h t , Ann. Physik ( 5 ) 3, 433 (1929). 2) el. Schaefer u. R. P ich , Ann. Physik ( 5 ) 30, 215 (1937).

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grenzte Wellen verwenden, die zwar keine strengen Losungen cler Maxwellschen Gleiahungen niehr sind, wohl aber in beliebiger Niherung.

Noch aus einern anderen Grunde ist, die Beriutzung seitlich begrenzber Wellen bei der Totalreflexion eine No twend igke i t . Goos' und Hanchen3) haben namlich, ausgehend von der anschaulichen, aber doch wohl zu primitiven An- schauung, da13 Lei der Totalreflexion die Welle iiicht i n der Trenriungsfliiche selbst, sondern ein Stuck h i n t e r ihr reflektiert werde, ein neues Phanomen gefunden, nanilich eine seit,liche Verset,zung des totalreflektierten Strahles, verglichen niit der Reflexion an einer Silberschicht. Dies Ergebiiis folgt in der Tat sofort aus den in der Arbeit von S c h a e f e r und P i c h entwickelten Formeln, wie der eine V O I ~

uns (v. Frags t e in ) in diesen ,,Annalen"c) kiirzlich gezeigt hat. Das Ergebnis komnit einfacli durch eine Intensitatsverschieburig in der reflekt,ierten Relle zustande, da auf der einen Seite der begrenzten Welle die Reflexion nicht voll- koninien total, auf der anrlereii Seit,e nber mehr als total ist. Bereits vorher hatte A r t m a n n 5 ) das Goos-Hiiiichenschc Ergebnis nach der anderen Methode abge- leitet. F r a g s t e i n s Resultat stimnit auch da, wo es iiber den experimentellen Befund hinausgeht, vollkoninien niit deni von A r t m a n n erhaltenen uberein. In den beiden Fallen, in denen der el( ktrische bzw. der niagnetische Vektor parallel oder senkrecht zur Einfallsebene schwingt, fiihrt die Theorie fur die Verschiebung D zuin Ergebnis :

(7i1 und n, die Brechungsquotienten der beiden hledien ; A, Wellenlange im ersten Medium; p1 Einfallswinkel, pg Grenzwiiikel).

Goos und H a n c h e n habeii keine Differenz zwischen DaL und Do1 d. h. Unabhangigkeit der St,rahIverset.zung von der Polarisationsrichtung gefunden; worauf diese Diskrepanz zuriickzufiihren ist, ist zur Zeit nicht aufgeklart.

Die Beschaftigung niit der Goos-Hiinchenschen Beobachtung veranlaBte uns, riach der von Schae fe r und P i c h angegebenen Methode ganz allgeniein das Problem der Reflexion und Brechung durchzufuhren - mit Ausnahme der bereits in der genannten Arbeit c, arigegebenen Rechnung fur die Totalreflexion ; vor allem verniutet,en wir ~ 0 1 1 vornherein, da13 das Phanonien der ,, St,rahlver- setzung" nicht auf die Totalreflexion besclirankt, sei, sondern zum mindest,en bei der Metallreflexion auftreten iniiBt,e - ini Gegensatz zu Goos und H a n c h e n , die ja die Versetzung des totnlreflektkxten Strahles gegen eineii an Silber reflek- t ierkn Strahl bestimniteii; wir glnubten sognr eine Zeitlang, dn13 die oben erwahnte Diskrepanz zwischen der Theorie urid dern Goos-Hanchenschen Befund sich durch eine Versetzung des an Silber reflektierten St,rahls erklaren konnte. Dies ist freilich nicht der Fall, wohl a b e r e r g i b t s ich g a n z a l lgemein e ine S t r a h l - v e r s e t z un g d e s a n a b s o r b i e r e n d e n S u b s t,a n z e n ref 1 e k t i e r t e n S t r a h 1 e s , d ie a u c h von d e r Po la r i sa t io i i s r i c l i t ung a b h a n g i g ist,; aber sie ist zu klein,

F. G o o s u. H. Hiinchen, Ann. Ph&k (6) 1, 333 (1947). 4, c'. v. Fragstein, Ann. Physik (6) 4, 271 (1949). &) K: i l r tmann, Ann. Physik (6) 2, 87 (1948). 6 , Die ubrigens sowolil G O O S und Hiinchen, wie auch Artniann offenbar unbe-

kannt geblieben ist.

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C. Schaejer u. C. c. Fragstein: Zur Theorie der Rejlexim und Brechung 41

iini die genaniite Bbweichung zu erklaren. Bei Reflexion an durchsichtigen Sub- starizen ergibt sich keine Strahlversetzung.

Indem wir uns eine genauere Darlegung vorbehalten, be.chrankeri wir uns irn Folgeiiden auf die Mitteilung der Resultate, iiidem wir uns auf die Ergebnisse der Schaefer-Pichsche Arbeit stutzen. -4us ihr geht hemor, daB man fur den Fall, daB der elektrische Vektor senkrecht zur Einfallsebene (zz-Ebene) liegt, fur die einfallende, reflektierte und gebrochene Relle folgende Naherungslosunger1 der M a x ~ e l l e c h e n Gleichuiigen anzusetzen hat:

6; = E, A (Be) e iee

8,. = el * Q,cospl - i sin p1 1/; *al E, e i 8 a

@: = 1,';. E: sinp, + i cosp., 1/; -al E, - -. e108

(1) e 1- e dd

a-4 . (N

Dabei bedeuten die 6, E , [, #3 folgende Bbkiirzungen:

6 = - - - l . t = ;r ;:(;: c ) , ,, xsinpl-zcoupl; ce=zcospl+zsinp1; ~,=$-(~a,

; E , = xsinp; -2 cosp;; [, = xc0sp.I + zsinp;; ,!?, = ?.[,a; " n

(4) 1.1

; 10=xsinp2-zcosp,; [8=xcosp2+zs inp2; ~ , = ? c I, , g n 2 .

pl ist der Einfallswinkel, p; der Reflexionswinkel, g., der Brechungsw-iiikel ; cyl, a; az sind Konstanten, die sehr kleiii gegen 1 sind. Der Ainplitudenfnktor A ist in allen drei Wellen Funktion vor1 c, der Querdiineiisioii der Wellen; aus Be- quemlichkeitsgruriden bei der Rechnullg wird er als Funktion der mit, ( propor- tionalen GroBe betrachtet :

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zz ist die Einfallsebene, zy die Grenzflache zwischen den beiden Medien. Urn von einer seitlichen Begrenzung der Welle sprechen zu konnen, sei die Funktion A etwa folgenderniaBen gewahlt: Es sei 5, > Ci > 0 uiid ti >> 5, - Ti>> 1; dann habe fur I 5 [ < ci die Amplitu-le eiiien koiistanteii Wert A, =# 0; fur j 5 I > 5, hingegen sei A = 0, uiid fur 5, > I 5 1 > ci gehe A vom Werte A, allmahlich in Null uber; diese Begrenzung verlauft symmetrisch zur Ebene ( = 0; der Abfall von A gegen Null muB so geschehen, daB

ist, d. h. da13 auf einer Strecke R die raumliche h d e r u n g der Amplitude klein gegen die Amplitude selbst sein muB, wegen der genaueren Begrundung dieser Behauptung vergleiche man die zitierte Arbeit von Schae fe r und Pich .

Aus den Grenzbedingungen fur z = 0 folgt zunachst die Gultigkeit des Re- flexions- und Brechungs-Gesetzes

feriier folgen fur R, urid Go die bekannten Fresnelschen Formeln:

wahrend die GroBen r,, und go, d i e d i e K o r r e k t u r e n d e r F resne l schen F o r - me ln i m Gcbiebe v a r i a b l e r A n i p l i t u d e n a n g e b e n , die Werte haben:

r, = R, 2 t gP2 ; go = - R * 2 tgrpl. (5 b)

Damit ist im Grunde schon alles erledigt. Fur durchsichtige Medien ist in (5a) und (5b) alles reell, und inan sieht durch eirie Betrachtung, wie sie v. F r a g - s t e i n 1. c. ausgefuhrt hat, daB in dieseni Falle keine Seitenversetzung des reflek- tierten Strahles erfolgt.

Den Fall der Totalreflexion schlieaen wir hier aus, da er ausfuhrlich in der Ar- beit von Schaefer und P i c h diskutiert ist.

Der Fall der Met,allreflexiori geht einfach aus den bisherigen Gleichungen hervor, indem man n und v2 komplex nimmt. Die Rechnung ist, wie imrner bei der Metall- optik, etwits muhsam; wir geben riur das Resultat an.

Hierbei bedeuten p1 den Einfallswinkel, p2 den (komplexen) Brechungswinkel, n = 11, (1 - i x,,) ist der komplexe Brechungsquotient, wobei insbesondere fol- gende Beziehung gilt: n cos tp2 = a - i h, aus der sich die Abkurzungen a und b herleiten. Diese Abkurzungen sind die gleichen, die z. B. in dem Handbuch-

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C. Schaefer u. C. 2'. Fragstein: Zlrr Thearie der Reflexion und Brechung 43

artikcl von Koen ig (Handbuch von Geiger-Scheel, Band XX, S. 242) bei der Darstellung der Metallreflexion gebraucht werdeu :

b2 = 4 I/[nS (1 - xi) - sin' pl]' + 4 71.", z?, - ni (1 - xg) + sin' p,

a b = nf xo.

1 cos2 p, - n2 cos2 p2 (n cos p2 n2 coss p1 - cos2 p!

Im --. wegen seiner Umstandlichkeit nicht explizit angefuhrt wird.

-) bedeutet den Imaginarteil des Ausdruckes, der

-Es besteht also bei der MetallreflexFon in gleicher Weise wie bei der Total- reflexion eine Polarisationsabhangigkeit der Strahlversetzung. Der Absolutbetrag der Verschiebung ist alle dings so gering, daB er sich wohl dem experimentellen Nachweis eutziehen durfte. Rechnet nian die Strahlversetzung fur D a , fur die Reflexion an Silber (no = 0,18, x,, 20, 1, =; 589 rnp) aus, dann ergibt sich ein Wert con - mp. Die Strahlversetzung ist also mehr als lOOOrnal kleiner als die von Goos und H a n c h e n bei Totalreflexion in der Nahe des Grenzwirikels ge- fundene.

Die Allgemeinheit der Erscheinung der Strahlversetzung bei der Reflexion an allen Medieri auBer den isolierenden macht es zweifelhaft, ob man tatsachlich die Strahlversetzung als Beweis fur die Existenz eines Energiestromes im zweiten Medium bei der Totalreflexion ansehen darf. Jedenfalls ware eine erneute Diskussion uber diesen Gegenstand wohl wunschenswert.

Ko ln , 11. Physikalisches Institut der Universitat.

(Bei der Redaktion eingegmgen am 5. hfai 1919.)