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Zurück zum Ursprung des Evangeliums Siegfried F. Weber

Zurück zum Ursprung des Evangeliums - …sung zeigen können (Schisma 1054)? Konnte es also nicht mehrere Konfessionen geben, bei denen man zum Glauben kommen konnte wie z.B. in der

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Zurück zum Ursprung des Evangeliums

Siegfried F. Weber

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gewidmet

Meinen Dozenten für Kirchengeschichte

Prof. Dr. Dr. Eberhard Grossmann und

Prof. Dr. Armin Sierszyn

sowie meiner Mutter Dorothea Weber, geb. Ulrichs,

die die Kirchengeschichte von Kurt Dietrich Schmidt noch kurz vor ihrem Heimgang gele-

sen hat.

„Hüte dich, je einmal nach solcher Makellosigkeit zu trachten, dass du vor dir selbst kein

Sünder mehr sein willst. Denn Christus wohnt nur unter Sündern.“ Martin Luther.

„Bist du eine Lilie oder Rose Christi, so wisse dass dein Wandel unter Dornen ist.“ Martin

Luther.

„Wer in der Theologie studieren und etwas erreichen will, der sei ein Tor, und er wird ein

Theologe sein.

Die höchste Kunst eines künftigen Theologen ist, dass er sehr sorgfältig zwischen der

Klugheit der Vernunft und des Wortes, d.h. der Weisheit Gottes unterscheide.

Denn die das vermengen, vermischen den Himmel mit der Erde.“ (ML: WA 2146)

© by Siegfried F. Weber, Großheide, 2011.

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Inhaltsverzeichnis Teil I Ursachen der Reformation .......................................................................................... 5 Teil II Martin Luther ............................................................................................ 7

I. Herkunft, Kindheit, Schule ............................................................................................. 8 II. Universitätsstudium in Erfurt ........................................................................................ 9 III. Erste Klosterzeit ................................................................................................... 10

IV. Luthers eigentlicher Wirkungsbereich: Wittenberg ................................................... 15 Die Schutzherren Luthers ............................................................................................. 15 Drei Kurfürsten zu Sachsen .......................................................................................... 15 Luthers Stüblein zu Wittenberg .................................................................................... 18

V. Erste Erneuerungen in Predigt und Lehre ................................................................ 19

VI. Die doppelte Wende ................................................................................................... 21

1. Vom Ablass .............................................................................................................. 21 2. Luthers Beurteilung des Ablasses vor dem Ausbruch des eigentlichen Konfliktes . 23

3. Die 95 Thesen (31.Okt. 1517) ................................................................................ 24 4. Erste Reaktionen ....................................................................................................... 28 5. Die reformatorische Entdeckung .............................................................................. 29

6. Der Begriff Gerechtigkeit ......................................................................................... 30 VII. Die ersten Phasen des kirchlichen Prozesses ............................................................ 32

1. Das Gutachten Prierias (Sommer 1518) ................................................................... 32

2. Das Verhör vor Cajetan in Augsburg Herbst 1518 ................................................ 32 3. Die Mission des päpstlichen Kammerjunkers Karl von Miltitz (1519) .................. 33

VIII. Der Bund mit dem Humanismus ............................................................................. 34 IX. Die Leipziger Disputation 1519 ................................................................................. 35 X. Die drei reformatorischen Hauptschriften 1520 .......................................................... 36

1. An den christlichen Adel deutscher Nation von des christl. Standes Besserung ..... 36

2. Das „Vorspiel von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ ........................ 37 3. Von der Freiheit eines Christenmenschen ................................................................ 37

XI. Der Bann (1520) ......................................................................................................... 38

XII. Luther und der Wormser Reichstag von 1521 .......................................................... 39

TEIL III ORDNUNG UND ABGRENZUNG DER REFORMATION ............................ 43 1. Die Wartburgzeit (Mai 1521 – März 1522) ............................................................... 43 2. Die Wittenberger Unruhen während Luthers Abwesenheit ......................................... 44 3. Das bewegte Jahr 1525 ................................................................................................. 46

3.1. Von 1522 – 1525 ................................................................................................... 46

3.2. Das Jahr 1525 ........................................................................................................ 46 3.2.1. Friedrich der Weise .................................................................................. 46 3.2.2. Karlstadt trennt sich von Luther ............................................................... 46

3.2.3. Thomas Münzer ........................................................................................ 49 3.2.4. Der Bauernaufstand .................................................................................. 50 3.2.5. Luthers Heirat ........................................................................................... 53 3.2.6. Luthers Schrift „über den versklavten Willen“ ........................................ 55

4. Von der Protestation bis zur Confessio Augustana ...................................................... 59 4.1. Organisation der lutherischen Landeskirchen ...................................................... 59 4.2. Katechismus 1529 ................................................................................................. 60 4.3. Die Protestation zu Speyer 1529 ........................................................................... 60 4.4. Das Marburger Religionsgespräch 1529 ............................................................... 60 4.5. Die Confessio Augustana 1530 ............................................................................. 62 4.6. Bibelübersetzung 1534 .......................................................................................... 64

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5. Tod Luthers .................................................................................................................. 66 5.1. Beurteilung des Reformators Martin Luther ......................................................... 67

6. Vom Schmalkaldischen Bund bis zum Augsburger Religionsfrieden ......................... 73

6.1. Der Schmalkaldische Bund 1531 .......................................................................... 73 6.2. Der Schmalkaldische Krieg 1546/47 ..................................................................... 73 6.3. Der Augsburger Religionsfriede 1555 .................................................................. 73 6.4. Martin Bucer .......................................................................................................... 74

7. Die Ausbreitung der Reformation in Europa ............................................................... 75

7.1. Frankreich .............................................................................................................. 75 7.2. Niederlande ........................................................................................................... 76 7.3. Schottland .............................................................................................................. 76 7.4. England .................................................................................................................. 76 7.5. Die Skandinavischen Länder ................................................................................. 77

7.6. Die östlichen Länder ............................................................................................. 77

7.7. Die südromanischen Länder .................................................................................. 78 8. Nebenströmungen der Reformation ............................................................................. 78

Teil IV Gegenreformation ................................................................................................ 81 1. Die Gesellschaft Jesu .................................................................................................... 81 2. Das Tridentinum ........................................................................................................... 83 3. Der Dreißigjährige Krieg (1618-48) ............................................................................. 85

Literatur ............................................................................................................................ 87

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Teil I Ursachen der Reformation

A. Begriff1 : „re – formes“ (lat.) = bedeutet hier „in die Form der Urkirche zurück.“

Die Reformation brachte nichts Neues. Sie hat das Alte wieder entdeckt: Das Evangelium.

K.D Schmidt nennt den Quell Ort und das Zentrum der Reformation - die Wiederentde-

ckung des Evangeliums.

B. Ort : Deutschland : Luther

Schweiz : Zwingli / Calvin

„ Mehrere hundert Jahre lang war der Ruf nach einer Reform der Kirche an Haupt und

Gliedern erschollen.“ ( K. D. Schmidt, KG, 1984, S.271).

Worin liegen die Ursachen?

C. Die allgemeinen Ursachen der Reformation Wie konnte ein kleiner Mönch namens Martin Luther aus dem unscheinbaren Ort Witten-

berg eine europäische Massen-Bewegung wie die Reformation auslösen? Hierfür gibt es

mehrere Gründe.2

1. Der Sturz der päpstlichen Weltherrschaft

Die deutschen Fürsten bekamen gegenüber Kaiser und Papst immer mehr Macht. Der Kai-

ser war kein Absolutist mehr. Die Fürsten bestimmten die Politik mit. Sie hatten den Mut,

in einem Notfall, auch gegen Papst und Kaiser zu agitieren, so z.B. Friedrich der Weise.

2. Die große Kirchenspaltung ( Byzanz / Rom) und das Doppelpapsttum , die den

Glauben an das Papsttum schwer erschütterten. Hatte Rom das Glaubensmonopol? Warum

sollte die byzantinische Kirche (die griechisch- orthodoxe) nicht ebenso den Weg der Erlö-

sung zeigen können (Schisma 1054)? Konnte es also nicht mehrere Konfessionen geben,

bei denen man zum Glauben kommen konnte wie z.B. in der böhmischen „Kirche“?

Wie steht es mit dem Doppelpapsttum? Von 1378-1415 gab es zwei Päpste gleichzeitig, zu

Avignon und zu Rom. Waren beide Stellvertreter Christi? Waren beide unfehlbar? Das

konnte nicht sein. Diese Fragen bewegte die Menschheit schon lange.

3. Die Ergebnislosigkeit der Konzilen

Unmöglich konnte es auf die Dauer ohne Folgen bleiben, dass die Reform der Kirche

gefordert, aber nie verwirklicht worden war; der Ruf nach einer „Reform der Kirche an

Haupt und Gliedern“, das Schlagwort aus der Zeit des großen Schismas, war keineswegs

verhallt.

4. Der Humanismus

Der Humanismus war eine geisteswissenschaftliche Richtung, die sich mehr und mehr

durchsetzte. Reuchlin und dessen Großneffe Melanchthon, sowie Erasmus von Rotterdam

und Ulrich von Hutten waren bekannte Humanisten. Das Programm der Humanisten laute-

te: ad fontes (zurück zu den Quellen). Die Kirche sollte wieder neu die griechischen und

1 Die Reformation und die Gegenreformation gehören zum Teilgebiet der Kirchengeschichte: KG III. 2 Zur Vertiefung: Hauschild: Lehrbuch, Bd. 2, §11, S. 10-32.

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hebräischen Urschriften, ja die Bibel selbst studieren. Das animierte Luther zum sorgfäl-

tigen Schriftstudium.

6. Wyclif und Huß

Bereits Wyclif (1328-1384) betonte in England die Norm der Heiligen Schrift, und er

bezeichnete den Papst als Antichristen. Johannes Huß versuchte in Prag eine Reformation

durchzuführen. Er wurde am 6. Juli 1415 verbrannt. Beide Reformprogramme setzten sich

nur lokal durch, aber im Großen und Ganzen scheiterten sie.

7. Die Sittenlosigkeit des Klerus

Weit stärkere Kritik als dies alles erregten die sittlichen Zustände. Da gab es das aus-

schweifende Leben unzähliger Priester und Mönche. Nicht wenige Kleriker lebten ganz

offen im Konkubinat, was skandalöse Zustände zur Folge hatte. Manche Bischöfe dulde-

ten das Übel, wenn die Konkubinarier eine Geldstrafe zahlten! Besonders schlimm waren

die Zustände in vielen Klöstern, am Bedenklichsten in nicht wenigen Nonnenklöstern. Der

Papst Innocenz VIII. (1484-1492) hatte selbst Kinder. Für sie und seine Enkel gab er sogar

Hochzeitsfeiern im Vatikan.

Bei einem Fest während des Kölner Reichstages von 1505 eröffnete der Erzbischof mit

einer Äbtissin den Tanz.

8. Das aufsteigende Bürgertum

hatte ein starkes Verlangen nach Teilnahme am Geistesleben. Bisher wurden die Laien im

theologischen Denken ausgeschlossen. Luthers Schriften wurden in die deutsche Sprache

publiziert, so dass jedermann zu ihnen Zugang hatte und sie auch lesen konnte (üblich war

es sonst in lat. Schrift zu schreiben)

9. Buchdruckerkunst ( 1455)

Das erste gedruckte Buch – die Bibel – lag im Jahre 1455 vor. Zunächst wurden fast nur

Bibeln gedruckt, die wiederum das städtische Bürgertum in die Hand bekam. Das war vor-

her nicht möglich. Die Menschen wollten sich nichts mehr vorgaukeln lassen. Endlich

konnten sie in deutscher Sprache die Quellen selbst studieren. Das beröische Schriftprinzip

drang durch. Die Buchdruckerkunst wurde die Voraussetzung für die schnelle Verbreitung

des reformatorischen Gedankenguts.

azit: Die Reformgedanken Luthers sind sämtlich schon vor ihm ausgesprochen

worden. Dass sie erst durch Martin Luther zu voller Wirkung kamen, liegt nicht

bloß an dessen geniale Persönlichkeit (Luther war ein Kämpfertyp wie Paulus von

Gott auserkoren Apg. 9,15) sondern auch daran, dass die Zeit inzwischen für diese

Ideen reif geworden war.

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Teil II Martin Luther

Martin Luther (10.Nov. 1483 – 18.2. 1546)

Sein Weg zur Reformation Hinweis: Diese Ausarbeitung beschäftigt sich hauptsächlich mit der Reformation

Martin Luthers.

Die Luther-Biographie:

1) Martin Brecht, M. Luther, Bd. 1 (Sein Weg zur Reformation 1483-1521),

Calwer Verlag , Stuttgart, 19832

2) Martin Brecht, Martin Luther, Bd. 2 (Ordnung und Abgrenzung der Reformation, 1521-1532),

Calwer Verlag, Stuttgart, 1986.

3) Martin Brecht, Martin Luther, Bd. 3 (Die Erhaltung der Kirche, 1532 – 1546), Calwer Verlag,

Stuttgart, 1987.

In meiner Darstellung über das Leben Luthers halte ich mich vor allem an die Biographie von Mar-

tin Brecht.

Weitere Sekundärliteratur:

1) Kurt Aland, Geschichte der Christenheit, Bd. II, Von der Reformation bis zur Gegenwart,

Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, Gütersloh, 1982.

2) Kurt Dietrich Schmidt, Kirchengeschichte, V & R, Göttingen, 81984: Schmidt gibt eine aus-

gezeichnete klar verständliche Zusammenfassung der Theologie Luthers (§ 35: Luthers theo-

logisches Denken), die es ja so nicht gibt. Luther hat nie eine zusammenhängende Dogmatik

geschrieben.3

3) Theodor Brandt, Kirche im Wandel der Zeit, Teil I, Von Paulus bis Luther, Brockhaus, Wup-

pertal, 1977 (heute neu aufgelegt unter dem Titel „Basiswissen Kirchengeschichte“).

4) Armin Sierszyn, 2000 Jahre Kirchengeschichte, Bd. 3, Reformation und Gegenreformation,

hänssler Theologie, hänssler Verlag, Holzgerlingen, 2000 (Sierszyn befasst sich mit dem Leben

Luthers und mit seiner Reformation auf 150 Seiten. Außerdem beschäftigt er sich ausführlich

mit Zwingli und mit der Täuferbewegung).

5) Kurt Aland, die Reformatoren, GTB Siebenstern, Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, Gü-

tersloh, 19833, ISBN 3-579-03964-4 (Aland bietet auf 130 Seiten Kurzbiographien von den

wichtigsten Reformatoren wie Luther, Calvin, Zwingli, Melanchthon u.a.m.).

6) Alfred Adam, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. 2, Mittelalter und Reformation, Güterslo-

her Verlagshaus Gerd Mohn, Gütersloh, 19814 (Alfred Adam stellt die Theologie und die

Dogmatik der Reformatoren dar).

7) Wolf-Dieter Hauschild: Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 2: Reformation

und Neuzeit, Gütersloh, 32005 (996 S.). Das Standart- und Nachschlagewerk für KG.

8) Matthias Gretzschel u. Toma Babovic: Auf Martin Luthers Spuren. Eine Bilderreise, Hamburg, 81996.

Primärliteratur

Martin Luther, Ausgewählte Schriften, hrsg. v. Karin Bornkamm u. Gerhard Ebeling, 6 Bde., Insel

Verlag, Frankfurt am Main, 1983.

Kurz zusammengefasste Luther-Werke erscheinen immer wieder unter günstigen Preisen. Die ge-

samte Lutherausgabe findet sich in der Weimarer Ausgabe [WA, 1883 ff.; Nachdruck 1964 ff. bis-

her 1 – 16 in 71 Teilbänden]. Die Erlanger Ausgabe hrsg. v. E.L. Enders (1826 – 57) umfasst allein

67 Bände.

Weitere Literatur im Literaturverzeichnis.

3 Meine Mutter las noch kurz vor ihrem Heimgang diese Kirchengeschichte mit viel Fleiß.

Martin Luther

(www.luther.de)

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I. Herkunft, Kindheit, Schule

Wer war Martin Luther? „Ein Genie von maßloser Heftigkeit“, so fasste später Johannes

Calvin die Biographie Martin Luthers zusammen4. Sicherlich, Martin Luther war eine be-

sondere Persönlichkeit, ein Mensch ein Christ mit seinen Stärken und Schwächen, zugleich

aber auch ein Diener des Evangeliums und der Reformator in Deutschland.

Eisleben5 (Abb. Brecht, I, 32, Tafel I), der Hauptort der Grafschaft Mansfeld6, war am En-

de des 15. Jh. eine aufstrebende Stadt mit mehr als 4000 Einwohnern, wachsenden Vorstäd-

ten und mehreren Kirchen. Hier begann und endete das Leben Martin Luthers. Geboren

wurde Luther in einem Bürgerhaus (Abb. BR, 16/17) 7 in der langen Gasse, der heutigen

Dr. Lutherstraße, im Brückenviertel, der südöstlichen Vorstadt.

Das Geburtshaus ist nach einem späten Brand nicht mehr im alten Zustand erhalten. Als

Geburtsdatum gibt man vor allem auf Grund einer Angabe Melanchthons den 10. Novem-

ber 1483 kurz vor Mitternacht an. Allerdings waren sich später weder Luther selbst noch

seine Mutter über das Geburtsjahr ganz sicher. Solche Daten hat man damals nicht immer

festgehalten. Gelegentlich werden auch die Jahre 1484 oder 1482 genannt. Während 1484

als Geburtsjahr mit Bestimmtheit ausscheidet, würden sich durch eine Datierung auf 1482

bestimmte Schwierigkeiten in der Chronologie von Luthers Jugend, wie die schwer unter-

zubringende vierjährige Schulzeit in Eisenach oder das Magisterium mit 22 Jahren Anfang

1505, erheben.

Schon wegen der Unsicherheit seines Geburtsdatums hat Luther später von Astrologie und

Horoskop wenig gehalten. Am Tag nach der Geburt, dem 11. November ist Luther in St.

Peter und Paul, der Pfarrkirche des Brückenviertels, wohl von dem Pfr. Bartholomäus Ren-

nebecher auf den Namen des Heiligen des Tages, Martin, getauft worden. Die Taufe wur-

de damals durch Untertauchen (Immersion) vollzogen, nicht durch Besprengung (Aspersi-

on).8

Die Mutter Margarete war wohl eine geborene Ziegler. Sie heiratete Hans Luther, eigent-

lich Luder – wohl von dem Vornamen Lothar herzuleiten (Abb. Brecht, I, 32, Tafel II-

III). Die Vorfahren waren Bauern gewesen. Weil aber Hans Luther seinen Platz in der

Landwirtschaft nicht finden konnte, wandte er sich dem Kupferbergbau zu. Er war Hütten-

meister und als solcher hatte er von dem Grafen eine Grube gepachtet.

Martin L. hatte drei Schwestern, die in die gleiche Gruppe hinein heirateten. Sein jüngerer

Bruder Jakob ergriff den Beruf seines Vaters.

Bereits 1484 waren die Eltern nach Mansfeld (Abb. BR 20-21. Brecht, I, 32, Tafel IV)

umgezogen. M.L. hat an drei Orten die Schule besucht:

Zuerst in Mansfeld, dann Magdeburg (Abb. BR 22-23) und schließlich in Eisenach . M.L.

ist wohl mit sieben Jahren am 12.März 1491 in die Schule gekommen. Er lernte sofort La-

tein. Die Grausamkeit mancher Lehrer ist Luther haften geblieben. Schuldlos sei er einmal

an einem Vormittag 15mal mit der Rute gestrichen worden, weil er konjugieren und dekli-

nieren sollte, was er noch nicht gelernt hatte. In der Schule selbst wurden die Schüler über-

4 Imbart de la Tour: Calvin. Der Mensch, die Kirche, die Zeit, München, 1836, S. 44. 5 Abbildungen: Martin Brecht: Martin Luther, Bd. 1-3. Abkürzung: Brecht, I-III. 6 Putzger, Historischer Weltatlas, S. 66. Siehe auch: Tim Dowley, Atlas – Bibel und Geschichte der Christen-

heit, S. 102 – 103. Ferner: Die Stätten der Wirksamkeit Luthers in idea-spektrum, 1995. 7 Abbildungen in: Matthias Gretzschel / Toma Babovic: Auf den Spuren Luthers – eine Bilderreise, 81996.

Abkürzung im Manuskript: BR (Bilderreise). 8 Sierszyn, 2000 Jahre Kirchengeschichte, Bd. 3, S. 22

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wacht. Einer der Schüler, „der Wolf“, führte im Auftrag des Lehrers den Wolfszettel, auf

dem vermerkt wurde, wer deutsch redete, sich schlecht benahm oder fluchte.

Am Ende der Woche wurden diese Vergehen dann bestraft. Dem letzten in der Klasse wur-

de der hölzerne Esel umgehängt. Er durfte ihn an den weitergeben, der deutsch sprach (statt

lat.)

In seinem 14. Lebensjahr, im Frühjahr 1497, vielleicht auch schon 1496 wurde Martin von

seinen Eltern nach Magdeburg, ein Jahr später nach Eisenach geschickt.9

Die begrenzten Bildungsmöglichkeiten an der kleinen Mansfelder Schule könnten einen

Wechsel empfohlen haben.

Luther berichtet, er sei in Magdeburg „zu den Nullbrüdern“, also den Brüdern vom gemein-

samen Leben, die ihren Namen von der kapuzenartigen Nolle hatten, in die Schule gegan-

gen. Die Brüder waren eine mönchsähnliche Gemeinschaft, entstanden in den Niederlanden

am Ende des 14.Jh. Ihr Ideal war die schlichte apostolische Nachfolge. Sie wollten arm

sein, aber nicht vom Betteln leben, sondern ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie widmeten

sich vielfach dem Abschreiben von Büchern, vor allem von frommer Literatur.

Im Jahre 1498 kam M.L. nach Eisenach (Abb. Lutherhaus: BR 24/25). Dort hat er als

„Partekenhengst“ vor den Häusern ums Brot gesungen und sich so mindestens zum Teil

seinen Lebensunterhalt verschafft. (Daher heute noch das Martini-Singen der kleinen Kin-

der, die von Haus zu Haus ziehen, und zwar jeweils am 10.November, dem Geburtstag von

Martin). Eisenach hatte 3 Kirchen und 7 Klöster. Luther nannte die Stadt „Pfaffenstadt“,

aber auch „meine liebe Stadt“.

II. Universitätsstudium in Erfurt

Im Sommersemester 1501 wurde M.L. an der Universität, Erfurt immatrikuliert.10

Erfurt hatte 20.000 Einwohner, 36 Klöster und 90 Kirchen (Abb. BR 28/29). Erfurt war die

meist besuchte Universität der drei Universitäten auf deutschem Gebiet. Die ersten Huma-

nisten tauchten an der Universität auf. Sie legten mehr Wert auf Sprachen und Rhetorik.

Für alle Studienanfänger begann das Studium in der Fakultät der freien Kunst. Erst

wenn sie erfolgreich durchlaufen war, konnte sich ein Student einer der drei höheren Fakul-

täten Theologie, Jurisprudenz oder Medizin zuwenden. Vorlesungen in Grammatik und

Logik wurden gehört. Dazu kamen in der Naturphilosophie die Physik und Psychologie des

Aristoteles und die Astronomie und die Rhetorik.

Im Jahre 1502 (nach drei Semestern, also Winter) bestand M.L. die Bakkalaureats

Prüfung. Das nächste Ziel war der Erwerb des Magistergrades, mit dem das philosophische

Studium abgeschlossen werden konnte. Im Dezember 1504 ging er in die Prüfung und be-

stand sie. Als Magister durfte er nun selbst Vorlesungen halten.

Wie sah der Tagesablauf aus? Um 4 Uhr morgens stand man auf, und um acht Uhr abends

ging man zu Bett. Es gab zwei Mahlzeiten am Tag und viermal in der Woche Fleisch. Die

Übungen begannen um sechs Uhr morgens, dann fanden die Vorlesungen statt. Um 10 Uhr

9 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 27 10 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 33

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gab es das Frühmahl, danach gab es bis 5 Uhr Vorlesungen und Übungen. In fünfzehn Ta-

gen war der Psalter zu lesen. Hierbei könnte M.L. erstmals intensiver mit diesem für ihn

alsbald so wichtigen biblischen Buch bekannt geworden sein.

M.L. besaß in Erfurt „ einst von Anfang an“ ein hebräisches Lexikon. In Luthers früheren

Randbemerkungen von 1509 begegnen gelegentlich griechische Buchstaben und Wörter.

1505 begann Martin Luther zusammen mit Spalatin sein Rechtsstudium.11 Martin Luther

hat nur wenige Wochen studiert, bis es ihn aus seiner vorgezeichneten Bahn trug und er

dieses Studium abbrach, sie Corpus Juris verkaufte und ins Kloster ging. An sich war der

Übertritt eines Magisters in ein Kloster nicht ganz ungewöhnlich. Gerade das Erfurter Au-

gustinereremitenkloster erhielt durch solche „Konvertiten“ eine Reihe seiner besten Mit-

glieder. Dennoch kam gerade Luthers Eintritt ins Kloster für seine Umgebung überraschend

und erregte Aufsehen. Wie kam es dazu?

Das Stotternheimer Erlebnis

Mitten im Semester, Ende Juni 1505, reiste Martin nach Mansfeld zu seinen Eltern.12 Am

Mittwoch, den 2. Juli, dem Tag Visitatio Mariä, befand sich Luther auf der Rückreise von

Mansfeld. Etwa sechs Kilometer von Erfurt entfernt, wo die Straße an dem Höhenzug

Stollberg in der Nähe des Dorfes Stotternheim vorbei führte, geriet er in ein Gewitter. Ein

Blitzschlag in der Nähe, der ihn vielleicht zu Boden warf und am Bein verletzte, versetzte

ihn in Todesschrecken und presste ihn das Gelübde ab:

„Hilf du, S. Anna, ich will ein Monch werden.“

Dass L. nicht wie in den früheren Fällen Maria, sondern die Heilige Anna anrief, und das an

einem Marienfesttag, kann verschiedene Gründe gehabt haben. Spätestens seit der Eisena-

cher Zeit war Luther mit der Verehrung dieser „neuen“ und damals modischen Heiligen

vertraut. „St. Anna war mein Abgott“, sagte er. Sie galt als Helferin in Gewitternot.

Am 16. Juli sagte er seinen Freunden, die ihn zurückhalten wollten, Lebewohl. „ Heute seht

ihr mich und Nimmermehr!“, hatte er zu ihnen gesagt. Er hatte einen Strich unter seine

bisherige weltliche Vergangenheit gezogen.

Mit Tränen gaben ihm die Freunde das Geleit. Martin bleibt in Erfurt, aber er geht ins Klos-

ter, wird Mönch und studiert von jetzt an Theologie.

III. Erste Klosterzeit

Es gab verschiedene Orden wie zum Beispiel die Franziskaner oder die Do-

minikaner. Es war wohl die stets gegebene Konkurrenz unter Bettelorden, die

Luther später abschätzig von den Franziskanern als den Läusen, die der Teu-

fel in Adams Pelz gesetzt hat, reden ließ, während er die Dominikaner als

Flöhe bezeichnete, die sich ewig gegenseitig beißen. M. entschied sich für den

Orden der Augustinereremiten zu Erfurt (Abb. BR 30/31). Auf Befehl des

Papstes Alexander IV. schlossen sich zunächst in Italien mehrere Gruppen

11 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 53 12 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 57

Luther als

Mönch (www.luther.de)

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von einsiedlerisch lebenden Gemeinschaften zum Orden der Eremiten St. Augustin zusam-

men. Den Namen des Kirchenvaters Augustinus trugen sie, weil sie unter seinem Namen

umlaufende Ordensregel angenommen hatten.

In Deutschland hatten sich 27 Konvente der Augustinereremiten zusammengeschlossen.

Im Jahre 1503 wurde Johann von Staupitz ihr neuer Generalvikar. Er war damit auch

Luthers Ordensoberer (Abb. Brecht, I, 32, Tafel IX).

Staupitz wurde von Friedrich dem Weisen zur Gründung der Universität Wittenberg heran-

gezogen. Als Staupitz 1512 seine Professur in Wittenberg niederlegte, wurde L. sein Nach-

folger. Außerdem war Staupitz Luthers Seelsorger.

Prior des Erfurter Klosters war Winand von Diedenhofen.

Luther musste ihm wie einem Vater mit Ehrfurcht und Verehrung gehorchen. Vor ihm hat

er wohl seine erste Generalbeichte abgelegt.

M. trat am 17. Juli 1505 in das Erfurter Augustinereremitenkloster ein.

Er wurde zunächst als Novize aufgenommen.

Insgesamt dauerte das Noviziat ein Jahr und einen Tag. Ausdrücklich war auch bestimmt,

dass die Hl. Schrift begierig gelesen, fromm gehört und brennend sich angeeignet werden

sollte.

Nach dem Noviziat legte Luther die Novizenkleider ab und zog die Mönchskleider an.

Luther studiert jetzt in Erfurt Theologie, aber 1508 weiter in Wittenberg.

Wie sah das Mönchsleben aus? Die Kleidung der Augustinereremiten war streng vorgeschrieben. Kapuze und Skapulier

wurden auch beim Schlafen nicht abgelegt. Ein Skapulier bestand aus zwei weißen Tuch-

streifen.

Ein zentrales Element des klösterlichen Lebens waren die Stundengebete; sie begannen

mitten in der Nacht mit der Matutin (lat. Matutinus = „morgendlich“ = Frühmesse).

Um sechs Uhr morgens wurde die Prim, um neun Uhr die Terz und um 12.00 Uhr die

Sext gebetet. Nach dem Mittagsmahl wurde eine Ruhestunde eingehalten, danach die Non

und die Vesper gefeiert. Die „Komplet“ (= Abschluss) nach dem Abendessen schloss den

Tag ab. Nach ihr hatte im Kloster Schweigen zu herrschen. Am Schluss jeder Hore (Std.)

wurde kniend das Salve Regina und Ave Maria gesprochen.

Luther konnte zwar den Psalter auswendig, und doch meinte er später, weder ihn noch das

Vaterunser richtig, d.h. mit dem Herzen gebetet zu haben.

Einmal, wohl am 9. Sept. 1515, war der Mönch wegen mehrerer Doktorpromotionen seiner

Studenten in Wittenberg nicht zum Beten der Horen gekommen. Da gab es in der Nacht ein

Gewitter. Luther fürchtete die Strafe für sein Versäumnis, stand auf und holte die Gebete

nach. Eine letzte Anstrengung, seine Gebetsverpflichtungen nachzukommen, hatte eine

schwere Erschöpfung mit Schlaflosigkeit und Sehstörungen zur Folge.

Am Freitag bekannte jeder seine Schuld. Dabei warfen sich alle zu Boden.13 Der Prior stell-

te die Frage: “Was sagt ihr?“ Die Brüder antworteten: „Meine Schuld“ (mea culpa). Von

den Ältesten angefangen bekannte dann jeder seine Verstöße gegen die Klosterordnung.

Der Prior setzte die Strafen fest. Schon das Zuspätkommen wurde als leichte Schuld ge-

rechnet, ferner die Augen schweifen lassen, das Zerbrechen von Gegenständen. Als Strafe

für diese Vergehen musste ein Psalm oder mehr gebetet werden.

Die Mahlzeiten wurden im Refektorium eingenommen. Die Mönche hatten die Hände zu

waschen und sich vor dem Refektorium zu versammeln. Der Prior gab das Zeichen zum

Eintritt.

13 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 72 f.

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Am Tisch hatte Schweigen zu herrschen. Das Fasten diente dazu, damit die Sünden getilgt

wurden und man die Gnade im Himmel wiedererlangte.

Luther hat von der Beichte reichlichen Gebrauch gemacht: „ Ich habe einmal sechs Stunden

gebeichtet.“ Er legte bei seinem Eintritt ins Kloster eine Generalbeichte ab – vor dem Prior

– über alles, was er von Jugend auf getan hatte. Es kam auf die vollständige Erinnerung

aller Sünden an. (vgl. dagegen Ps. 19,13). „Wir machten die Beichtväter müde.“ Und oft

blieben nur die Zweifel: „Wer weiß, ob mir Gott meine Sünde vergibt?“ Das Schwerge-

wicht lag nicht bei der zugesprochenen Vergebung, sondern beim Bekennen der Sünde und

dem Starren auf sie.

Johann Staupitz bezeichnete Luthers Sünden als Humpelwerke und Puppensünden.

An M.L. wurde die Einseitigkeit und Unzulänglichkeit einer jahrhundertealten Frömmig-

keitskonzeption offenbar.

Der Mönch Martin schreibt: „Wir wollten die Frömmsten sein. Wenn je ein Mönch mit sei-

nen Anstrengungen ans Ziel gekommen ist, dann hätte das auch bei mir der Fall sein müs-

sen.“ Er bemühte sich sündlos zu sein und geriet darüber in Verzweiflung.

Dazu kam außerdem jener ständig wachzuhaltende Zweifel, ob die eigenen Werke Gott

angenehm seien.

Martin Luther als Priester

Am 3. April 1507 wurde Martin zum Priester geweiht. Bei der Einweihung wollte er vor

dem Altar weglaufen, weil er sich als einen unwürdigen Sünder fühlte.

Bei der Abhandlung der Messe hatte M. seine Schwierigkeiten, z.B. beim Abendmahl: Bei

den Einsetzungsworten zu stocken oder zu stammeln war eine schwere Sünde. Eben dies

löste bei gewissenhaften Priestern Angst und Schrecken aus, wodurch es dann umso leich-

ter zu Fehlern und Ablenkungen kam.

Sogar Staupitz hatte Schwierigkeit bei der Abhandlung der Messe. Weil es bei der Messe

wesentlich auf die eigene Heiligkeit und Reinheit mit ankam, war auch sie alsbald wie-

der den Zweifeln ausgesetzt. Schon beim Ausziehen des Messgewandes war sich Luther

nicht mehr sicher, ob es wohl oder übel getan war und ging als Zweifler an sich selbst weg.

Die Anfechtungen – der richtende Christus und die Zweifel an

der Erwählung

Die Gerichtsvorstellung und die Gerichtsangst finden sich anfangs in den Predigten Lu-

thers.14 Der Mönch sah in Christus den furchtbaren Richter. Darum wandte man sich an die

Heiligen als Vermittler. Es ist eigentümlich, dass hier der Zweifler Thomas als Lieblings-

heiliger Luthers auftaucht. Vor allem durch Maria und dann durch die Vielzahl der anderen

Heiligen sollte der qualitative Abstand zwischen Gott und Mensch überbrückt werden. Man

habe Maria mehr als dem Sohn vertraut, meinte Martin.

Der Priester Luther lebte in der Vorstellung, dass die Vergebung durch eigene Werke zu

verdienen sei. Erst Staupitz lehrte Luther, Christus auf eine neue Weise anzusehen, nämlich

als den Leidenden, der mit uns solidarisch ist.

Aber noch um 1515 machte ihm die alte Christusvorstellung schwer zu schaffen. Manchmal

dachte der Mönch, ob er nicht von der Gnade Gottes verlassen sei. Viele Mönche nannten

solche Melancholie oder Depressionen das Bad Satans. Erst in Wittenberg machte er die

Erfahrung dieser letzten Anfechtung.

14 Brecht: Martin Luther, S. 82

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Für ihn selber handelte es sich nicht um einen psychischen defekt, sondern um den Umgang

des lebendigen Gottes mit ihm. Im Grunde handelte es sich in den Anfechtungen der Gott-

verlassenheit um das Problem der Erwählung oder Verwerfung durch Gott.

Die Bibel

An den Universitäten wurde die Bibel nicht gelesen. Als Andreas Bodenstein (Karlstadt)

zum Dr. theol. promovierte, besaß dieser (gemeint ist Karlstadt) noch keine Bibel und auch

hernach noch nicht. Mit 20 Jahren will Luther keine Bibel je gesehen haben, bis er, und

zwar als Magister, in der Erfurter Uni – Bibliothek auf eine Bibel stieß und als erstes die

Samuelgeschichte las. In dem Kloster erhielt der Mönch Martin dann selbst eine Bibel. Im

Blick auf das Ende seines Theologiestudiums kann Luther sagen: “Ich liebte die Bibel.“

Das Bibelverständnis zur Zeit Luthers

Nach der gängigen Methode nahm man an, dass den biblischen Texten ein vierfacher Sinn

zugrunde liege:

1) Der buchstäbliche Sinn: Z. B. die wörtliche Bedeutung für Israel

2) Der tropologische Sinn: Bedeutung des Textes für den Menschen (Bedeutung für uns)

3) Der allegorische Sinn: Man bezog den Text auf die Kirche

4) Der anagogische Sinn: Die endzeitliche Bedeutung des Textes

Von der Römerbriefvorlesung an tritt das Schema vom vierfachen Schriftsinn mehr und

mehr zurück. Der buchstäbliche Sinn gewinnt an Raum.

Luthers Parole: ad fontes (zurück zu den Quellen), das hatte er von den Humanisten ge-

lernt.

Wir halten zunächst fest: Der Mönch Luther brachte die Fragen, die ihn umtrieben, an die

Schrift heran in Erwartung einer Antwort. Dieses Hören brachte neue Erkenntnisse und

Einsichten, die nicht nur seine Theologie, sondern auch sein Leben veränderten.

Nach der Priesterweihe im Sommersemester 1507 hatte Luther das Theologiestudium auf-

genommen. Luther brachte es innerhalb der kurzen Frist von fünfeinhalb Jahren Studium

bereits zum Doktor der Theologie (1512).

Nach drei Semestern ging er nach Wittenberg.

Die Augustinereremiten hatten an der Uni Wittenberg zwei Lehrkräfte zu stellen. Staupitz

gab theologische Vorlesungen und M L philosophische. L war ja Magister. Mit dem Wech-

sel bekam er auch den Titel eines Bakkalaureus biblicus.

Luthers Romreise

Die Klöster sollten in Bezug auf ihre Lebensregel modernisiert werden. Doch einige Klös-

ter darunter - auch Erfurt – stellten sich quer. Sie wollten an der konservativen, strengen

Ordnung festhalten. Luther selbst nahm die Regel seines Ordens sehr ernst.

Die verbündeten Klöster sandten zwei Mann nach Rom, damit diese sich für die konserva-

tive Richtung einsetzten. Sie erhofften, dass der Vatikan sich umstimmen ließ. Zu der Zwei

– Mann Delegation gehörte M L.

Wer sein Begleiter war, ist unbekannt. Jedenfalls nicht Staupitz, da dieser sich für einen

Kompromiss-Vorschlag gewinnen ließ.15

15 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 104

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Dies zeigt uns, dass M. bereits ein größeres Ansehen und theologische Autorität bei mehre-

ren Klöstern besaß.

Es war die weiteste Reise, die Luther in seinem Leben unternommen hatte. Beim ersten

Anblick Roms warf er sich mit den Worten zu Boden: „Sei gegrüßt, du heiliges Rom,

wahrhaft heilig von den heiligen Märtyrern, von deren Blut es trieft.“

Der Aufenthalt in der Stadt dauerte etwa vier Wochen. Dort erreichte der Mönch nichts.

Im Register des Generals heißt es zum Januar 1511 knapp: “Den Deutschen wird aufgrund

der Gesetze verboten zu appellieren.“

Luther sah die Missstände in Rom. Er musste feststellen, dass die römischen Priester litur-

gisch wenig gebildet waren und, schlimmer noch, dass es mit der Achtung vor dem Sakra-

ment nicht weit her war.

Wie abstoßend das alles auf ihn gewirkt haben muss, kann man erst voll erfassen, wenn

man sich vergegenwärtigt, wie tief ernst er es selbst mit Messe und Beichte hielt.

Luther sah den Luxus der Kardinalpaläste und hörte einiges von der herrschenden Sittenlo-

sigkeit. Nicht zuletzt von dem schlechten Ruf Alexanders VI. dem Vorgänger des jetzigen

Papstes Julius II.

Luther auf der Heiligen Treppe des Laterans

Luther besuchte natürlich auch den Lateran, bisher offizieller Sitz der Päpste. Von 1512-

1517 fand hier das letzte Laterankonzil statt.

Zur Papst-Kapelle Sancta Sanctorum („die Allerheiligste“) führt die Heilige Treppe hinauf

(die scala santa), die angeblich aus dem Palast von Pontius Pilatus stammt und die Jesus bei

seinem Prozess betreten haben soll.

Luther rutschte die Heilige Treppe (scala santa) auf den Knien hinauf, wobei auf jeder Stufe

ein Vaterunser gesprochen wurde. Auch mit dieser frommen Leistung konnte man eine See-

le aus dem Fegefeuer erlösen.

Die Heilige Treppe heute

Die römische Kirche gewährt jedem Pilger, der die Stufen auf den Knien erklimmt und auf

jeder Stufe ein Vaterunser betet, einmal pro Jahr beziehungsweise zu bestimmten Feierta-

gen einen Generalablass. Ein Teilablass ist täglich möglich. Auf einer Tafel vor der Heili-

gen Treppe (scala santa) heißt es:

„Vollkommener Ablass an jedem Freitag der Fastenzeit, am Karfreitag und einmal im Jahr

nach eigner Wahl. Teilablass an allen anderen Tagen des Jahres, vorausgesetzt, dass man

vollkommene Reue empfindet.“16

1616 Foto der Tafel: A. Seibel im Dezember 2016.

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IV. Luthers eigentlicher Wirkungsbereich: Wittenberg

Stadt und Universität in Kursachsen (Abb. BR 38/39, Schlosskirche 40/41. Reformatorischer Altar

von Lukas Cranach d. Ä. von 1547: BR 44-45).

Die Universität wurde erst zur Zeit Luthers gegründet, und zwar von dem Kurfürsten Fried-

rich dem Weisen (* 1463 †1525).

Die Schutzherren Luthers Die Reformation wäre wohl nie ohne den Schutz der Landesherren zum Erfolg gekommen.

Wittenberg gehörte zum Kurfürstentum Sachsens. Der Kurfürst Friedrich der Weise stellte

sich in jeder Hinsicht auf die Seite des Reformators. Und auch die Nachfolger Johann der

Beständige (1525-1532) sowie Johann Friedrich der Großmütige (1532-1547 ) unterstützten

die Ausbreitung der Reformation.

Drei Kurfürsten zu Sachsen

1) Kurfürst Friedrich der Weise (1486 – 1525)

2) Johann der Beständige (1525-1532): Bruder von 1)

3) Johann Friedrich der Großmütige (1532 - 1547 ): Sohn von 2)

1) Kurfürst Friedrich der Weise (1486 – 1525)

FRIEDRICH der Weise17 wurde am 17.1. 1463 in Torgau geboren und war von 1486 bis

1525 Kurfürst von Sachsen18. Er versäumte als frommer Katholik keinen Tag die Messe

und beteiligte sich 1493 auch an einer Wallfahrt nach Israel. Vor allem war er für die neue

Bildungsbewegung aufgeschlossen. Von Erasmus von Rotterdam ließ er sich beraten. Fr. d.

Weise – wie schon der Name besagt- war diplomatisch geschickt. Seine Stimme wurde

gehört, sogar vom Papst und vom Kaiser.

Er bemühte sich eifrig um die Vermehrung seiner Reliquiensamm-

lung, die 1509 5005 und 1520 bereits 19013 Partikeln zählte. Die

Reliquien bestehen aus den Überresten heilig gesprochener Men-

schen oder besonderen Autoritäten der Kirche, aus ihren Kleidern

oder Gebrauchsgegenständen oder Teilen von Gegenständen, die für

ihr Leben bedeutsam waren. Sie waren nicht einfach Gegenstand

frommer Schaulust. Mit ihrer andächtigen Betrachtung konnte man

Ablass erwerben. Hatte man alle Reliquien in Wittenberg betrachtet,

so bekam man 1,9 Millionen Tage Ablass, das heißt man konnte 1,9

Mill. Tage weniger im Fegefeuer (dem Ort der Reinigung) zubrin-

gen.

Friedrich d. W. (Abb. Brecht, I, 32, Tafel VII) hat mit Luther wohl

nie ein Wort gesprochen, vermittelte aber in dessen Konflikt mit Rom, als Leo X. am

23.8.1518 von ihm die Auslieferung des "Sohnes der Bosheit" verlangte. Durch persönliche

Verhandlung mit dem Kardinal Thomas Cajetan im Fuggerhaus in Augsburg erreichte der

Kurfürst, dass Luther im Auftrag des Papstes vom 12. bis 14.10.1518 in Augsburg durch

den zum Reichstag entsandten Cajetan verhört wurde. Friedrich lehnte Cajetans Antrag

vom 25.10.1518, den "schwäbischen Bettelmönch" nach Rom auszuliefern, ab und gab

auch nicht nach, als der päpstliche Kurtisan Karl von Miltitz im Januar 1519 auf dem

Schloss Altenstein versuchte, ihn zur Auslieferung Luthers dadurch zu bewegen, dass er

17 BBKL: Band II (1990)Spalten 128-129 Autor: Friedrich Wilhelm Bautz: „Friedrich der Weise“.

http://www.bautz.de/ 18 Putzger, Historischer Weltatlas: Gebiet von Kursachsen, S. 66-67.

Friedrich d. Weise

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Spalatin

ihm die "g o ld ene Tug end ros e ", die höchste Auszeichnung des Papstes, überbrachte

und seine beiden unehelichen Kinder der Anna von Molsdorf von den rechtlichen Nachtei-

len ihrer Geburt befreite. Friedrich wurde 1519 nach dem Tod Maximilians I. Reichsvikar,

lenkte aber die Kaiserwahl von sich auf Karl V. Seinem Einfluss in der Kurfürsten- und

Fürstenkurie war es zu verdanken, dass der Reichstag in Worms am 19.2. 1521 den Kaiser

ersuchte, Luther nach Worms zu laden und dort von sachverständigen Gelehrten verhören

zu lassen, womit sich Karl V. einverstanden erklärte.

Friedrich d. W., Luthers Schutz- und Landesherr, hat bei persönlicher Zurückhaltung durch

kluge Diplomatie die Reformation begünstigt.

Vermittler zwischen Luther und Friedrich d. W. war dessen Hofkaplan Georg Spalatin, von

dem sich der Kurfürst auf dem Sterbebett das Abendmahl unter beiderlei Gestalt reichen

ließ, wodurch er sich öffentlich zum evangelischen Glauben bekannte.

Spalatin Georg Spalatin (Abb. Brecht, I, 117) wurde am 17.1.1484 zu Spalt bei Nürnberg gebo-

ren. Er war Humanist, Theologe, Jurist und Fürstenberater. 1499 Baccalaureus zu

Erfurt und 1502 erhielt er in Wittenberg die Magisterwürde. Ab dem Wintersemester

1504/05 studierte er Jura in Erfurt. 1505 wurde er außerdem zum Priester geweiht.

1511 siedelte Spalatin nach Wittenberg über. Er wurde zum Geheimsekretär, zum

geistlichen Berater und zum Hofprediger Friedrich d. W. berufen. Somit wurde Spala-

tin der Vermittler zwischen Luther und dem Kurfürsten. Zwischen Spalatin und Luther

entwickelten sich seit 1514 freundschaftliche Beziehungen. Aus Friedrichs Lebenszeit

besitzen wir 303 Briefe Luthers an Spalatin, dessen Schreiben an Luther aber nicht

erhalten sind. Luther und Kurfürst Friedrich hatten keinen unmittelbaren Kontakt, standen aber durch Spalatin

laufend in Verbindung.

Ferner wurde Spalatin zur Übersetzung der politischen Korrespondenz herangezogen. So übertrug er Luthers

Schriften für den Fürsten ins Deutsche.

Als Vertrauter der Kurfürsten nahm Spalatin an allen Reichstagen teil.

Nach dem Tod Friedrichs d. W. ging dieser als Pfarrer nach Altenburg, wobei er auch den Nachfolgern Fried-

richs d. W. als Berater diente. Spalatin starb am 16.1.1545 in Altenburg.19

2) Johann der Beständige (1525-1532) JOHANN I., der Beständige, Kurfürst von Sachsen, * 30.6. 1468 in

Meißen als vierter von fünf Söhnen des Kurfürsten Ernst, gest. 16.8.

1532 in Schweinitz. - Der bereits mit 18 Jahren 1486 gemeinsam mit

seinem Bruder Friedrich dem Weisen, nach dem Tod des Vaters

zum Kurfürsten ernannte Johann, hatte seine Erziehung am bedeu-

tendsten weltlichen Fürstenhof seiner Zeit, am Hof Kaiser Friedrichs

III. genossen und seine militärische Schulung bei Feldzügen Kaiser

Maximilians gegen die Ungarn und Venezianer erworben.

Nach dem Tod seines Bruders und Mitregenten Friedrich dem Wei-

sen, mit dem er immer in Eintracht geherrscht hat, trat Johann 1525

die Alleinherrschaft an. Gleich zu Beginn wurde er mit dem Bau-

ernkrieg konfrontiert, den er nach dem Scheitern sämtlicher Vermitt-

lungsversuche niederschlug. Noch im selben Jahr erklärte er sich im

Unterschied zu seinem Bruder Friedrich, der nur stiller Dulder der

Reformation und Schützer Luthers aus Gewissensgründen gewesen

war, mit allem Nachdruck für die Reformation. So ermahnte er im

August 1525 in Weimar den Klerus des Landes, das lautere, reine

Evangelium ohne menschlichen Zusatz zu predigen. Damit trat er gleichzeitig allen Versuchen

seines Vetters Herzog Georgs entgegen, der die Reformation rückgängig machen wollte. Auf

dem erste Reichstag zu Speyer, auf dem Kaiser Karl V. den Ständen die Freiheit gewährte, sich

der Reformation anzuschließen, stellte sich Johann auf die Seite der Reformation, was eine Er-

19 Karl Dienst: „Spalatin“ in: BBKL, Bd. 10 (1995), Sp. 865-868. http://www.bautz.de/

Kurfürst Johann der

Beständige

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weiterung seiner Bündnispolitik mit dem Herzogtum Preußen zur Folge hatte. 1526-29 konnte

sich mit Hilfe der Visitationen die lutherische Kirchenordnung in Sachsen durchsetzen. Johann

kam dabei die Aufgabe zu, Beamte für die Visitationen zu ernennen und in seiner Rolle als

Notbischof Aufsicht über die Kirchengemeinden zu üben. Sachsen wurde zum Vorbild der

Landeskirchenregimente in evangelischen Territorien. Nachdem 1528 die Packschen Händel20

Johann fast zum Präventivkrieg veranlasst hätten, konnte ihn Luther noch rechtzeitig von der

Fälschung überzeugen. 1531 wurde er zusammen mit Philipp von Hessen Haupt des neu ge-

gründeten Schmalkaldischen Bundes, einem Verteidigungsbündnis gegen die verschärft anti-

protestantische Politik Karls V. Der Nürnberger Religionsfriede im darauf folgenden Jahr ließ

Johann zum letzten Mal politisch handelnd auftreten. Die Bedeutung Johanns für die Reforma-

tion kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Bei den wichtigsten Ereignissen stand er an

der Spitze der evangelischen Bewegung und er hatte ein freundschaftliches Verhältnis zu Lu-

ther, der ihn in seiner Grabrede als frommen, milden und redlichen Mann bezeichnete.21

3) Johann Friedrich der Großmütige (1532 - 1547) Johann Friedrich von Sachsen wurde am 30.5. 1503 in Torgau geboren. Da er

von Georg Spalatin erzogen wurde, kann man sich denken, dass er schon früh

Interesse für die evangelische Theologie zeigte.

Zu Martin Luther entstand schon früh ein persönlicher Kontakt. Für den mit

der Bannbulle bedrohten Luther setzte sich Johann Friedrich 1520 bei seinem

Onkel ein, wofür ihm Luther mit der Widmung seiner Schrift »Das Magnificat

(Lobgesang der Maria) verdeutscht und ausgelegt« dankte. Das sich daraufhin

ausbildende Vertrauensverhältnis Johann des Großmütigen zu seinem »gayst-

lichen Vater« durchzieht die ganze Regierungszeit des Kurfürsten in vielerlei

Belangen.

Während des zweiten Reichstags zu Speyer 1529 führte er in Weimar für seinen Vater die Re-

gierungsgeschäfte, verfolgte aber auch von dort aus interessiert die Verhandlungen des Reichs-

tages und begrüßte die Protestation. Im gleichen Jahr förderte er bei seinem Vater die Teilnah-

me von Wittenberger Theologen am Marburger Religionsgespräch. Mit seinem Vater nahm Jo-

hann Friedrich 1530 am Augsburger Reichstag teil und vertrat im Vierzehnerausschuss enga-

giert die Sache der Reformation.

An der Gründung und dem Ausbau des Schmalkaldischen Bundes war Johann der Großmütige

maßgeblich beteiligt.

Er betrieb mit Nachdruck die Verhandlungen mit dem Kaiser, in deren Folge es Ende Juli 1532

zum Nürnberger Anstand kam, der den protestantischen Territorien auf Zeit Sicherheit vor mi-

litärischen Auseinandersetzungen in Glaubensfragen und die Einstellung der Religionsprozesse

am Reichskammergericht verschaffte. - Nach dem Tode Kurfürst Johanns des Beständigen

(gest. 16.8. 1532) übernahm J.F. der Großmütige Regierung und Kurwürde von Sachsen.

Er setzte sich für die kirchliche Neuordnung ein. So begann er 1540 mit dem Verkauf des Klos-

terbesitzes; Verwaltung und Einkünfte der Kloster- und Stiftsgüter wurden in immer stärkerem

Maße der landesherrlichen Gewalt zugewiesen. Nach mehreren Briefen Luthers veranlasste der

Kurfürst die finanzielle Versorgung der Pfarrer.

In dem S c h m a l k a l d i s c h e n K r i e g (1546 – 1547) geriet Johann der Großmütige auf der

Lochauer Heide bei Mühlberg am 24.4.1547 in kaiserliche Gefangenschaft. In der Wittenberger

Kapitulation musste er sich unterwerfen und die Kurwürde an Herzog Moritz abgeben, den die

protestantische Publizistik alsbald als »Judas von Meißen« geißelte. Die Jahre 1547-1552

musste J.F. in kaiserlicher Gefangenschaft zubringen. Der Briefwechsel mit seinen Kindern in

diesen Jahren und seine standhafte Ablehnung des Augsburger Interims (1548) zeichnen das

Bild des »Märtyrers des Protestantismus«.

20 Otto von Pack unterbreitete Johann dem Beständigen ein gefälschtes Dokument, worin angeblich geschrie-

ben stand, dass sich mehrere katholische Kurfürsten zu einem Bündnis zusammen geschlossen hätten, um die

Evangelischen zu vernichten. 21 BBKL: Band III (1992) Spalten 174-175 Autor: Gunda Wittich: „Johann I. der Beständige“.

http://www.bautz.de/

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J.F. erhielt 1552 seine Freiheit wieder und zog in einer triumphalen Reise nach Sachsen zurück.

Eine Führerrolle im Protestantismus konnte er von seinem Sitz in Weimar aus nicht mehr über-

nehmen.

Im selben Jahr veranlasste Johann der Großmütige die Gesamtausgabe der Werke Luthers von

Jena aus („Jenaer Ausgabe“). Johann Friedrich starb am 3.3.1554. In seinem Testament warnte

er seine Söhne davor, sich in ein Bündnis einzulassen, da in den Bündnissen doch weder Glau-

be noch Treue sei.22

Luthers Stüblein zu Wittenberg

Staupitz gab die Bibelprofessur wegen Überbelastung an Arbeit bald ab. Sein Nachfolger

wurde 1512 Martin Luther. Luthers heizbares Stüblein, das ihm als Professor im Kloster der

Universität Wittenberg zugewiesen worden war und aus dem er das Papsttum gestürmt hat,

befand sich dort im ausgebauten Turm (Abb. BR 46/47; Brecht, I, 32, Tafel VIII). Hier fand

das sogenannte Turmerlebnis statt, die Bekehrung des Dozenten Luthers. Im selben Jahr

(1512) promovierte der Augustinereremiten-Mönch zum Doktor der Theologie.

Als der neue Professor sein Amt in Wittenberg antrat, sah er auch hier das Übel der rö-

misch-katholischen Kirche wie zum Beispiel die ausgedehnte Reliquiensammlung.

22 BBKL, Band III (1992) Spalten 147-157 Autor: Heiko Wulfert: „Johann Friedrich der Großmütige“.

http://www.bautz.de/

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V. Erste Erneuerungen in Predigt und Lehre

Luthers Römerbrief-Vorlesung

Im Sommer 1515 gab ML die Römer-Vorlesung.23 Der Röm.-Br. war es auch gewesen,

der aus dem Priester einen neuen Menschen gemacht hat (Rö.6).

In der „Vorrede auf die Epistel S. Pauli an die Römer“ heißt es: „Diese Epistel ist das rechte Hauptstück des Neuen Testaments und das allerlauterste Evangelium, welche wohl würdig und wert ist, dass sie ein Christenmensch nicht allein von Wort zu Wort auswendig wisse, sondern täglich damit umgehe, als mit Brot der Seelen, denn sie nimmer kann zu viel und zu wohl gelesen oder betrachtet werden. Und je mehr sie gehandelt wird, je köstlicher sie wird und baß (besser) schmecket.“24

In den Eingangssätzen zu Kp. 1,1 der Römerbriefvorlesung heißt es:

„Die Summe dieses Briefes ist: zu zerstören, auszurotten und zu vernichten alle

Weisheit und Gerechtigkeit des Fleisches, wie groß sie auch in den Augen der Men-

schen, auch bei uns selbst, sein mag und so sehr sie auch aus aufrichtigem Geist ge-

tan werden mag, und einzupflanzen, auszurichten und großzumachen die Sünde, wie

sehr man auch der Meinung sei, dass es sie nicht gebe.“25

Als Exeget entdeckte der suchende Priester, dass der Mensch nicht aus Gesetzeswerten vor

Gott gerecht wird (Rö.1, 17). Die Exegese von Röm. 1,17 brachte die Wende im Leben des

Mönches.

Zu Röm. 1,17 schreibt Luther: „Einzig im Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart, nämlich allein durch den Glauben, mit dem man dem Worte Gottes glaubt... Aber bei Gott geht sie (die Gerechtig-keit) den Werken voran und die Werke entspringen aus ihr.“26

Der Mensch steht vor Gott als Sünder dar (Rö. 3,23). Gottes Gnade (sola gratia) ist es, die

den Menschen das Heil zuspricht. Und allein der Glaube (sola fide) an Jesus Christus kann

ihn erretten – und nicht der Glaube an den Papst oder an die Ablassbriefe.

Das ist also die reformatorische Entdeckung.

„Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Röm. 3,23.24 (ML).

Wörtlich heißt es in Röm. 3,24 „sie werden gerechtfertigt durch seine Gnade als ein Ge-

schenk“ (vgl. Schlachter-Übersetzung: umsonst). Die Rechtfertigung des Sünders ist also

ein Gnadenakt Gottes, den er umsonst durchführt. Rechtfertigung und Erlösung in Christus

sind ein Geschenk Gottes! Der Mensch muss seinerseits nichts dazu beitragen, weder durch

geistliche Übungen (wie in den Klöstern durch die Stundengebete gehandhabt), noch durch

fromme Werke (Almosen geben) noch durch Ablassbriefe. Auf Röm. 3,24 gründet Luther

also sein „sola gratia“ (allein durch die Gnade). Dieses Wort „allein“ steht zwar nicht im

23 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 131 ff. 24 Neues Testament und Psalter von 1545, Friedrich Wittig Verlag, Hamburg, 1982, S. 282. 25 Martin Luther: Vorlesung über den Römerbrief, S. 9 26 ML: Vorlesung über den Römerbrief, S. 27 f.

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Griechischen Text, aber vom rechten Verständnis der Erlösungslehre darf man es getrost

hinzufügen.

Tatsächlich fügt der Reformator dieses „sola“ (allein) in Römer 3,28 im biblischen Text

hinzu:

LUT Romans 3:28 „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Ge-setzes Werke, allein durch den Glauben.“

Der Bibeltext ist eindeutig: Ohne die Werke des Gesetzes wird der Mensch durch Glauben

gerechtfertigt27. Folglich steht neben dem Glauben kein anderer Verdienst, das zur Recht-

fertigung beiträgt. Von daher steht der Glaube allein. Es unterstreicht nur die soteriologi-

sche (heilsumfassende) Aussage des Wortes Gottes, wenn Luther dem Griechischen Text

das Wort „allein“ hinzufügt. Dieses „sola“ (allein) soll verhindern, dass sich nicht andere

heilsbringende Werke oder fromme Selbstanstrengungen neben dem Wort „Glauben“ stel-

len.

„Das ist aber die Art unsrer deutschen Sprache, wenn sie von zwei Dingen redet, deren

man eines bejaht und das ander verneinet, so braucht man des Worts solum „allein“ neben

dem Wort „nicht“ oder „kein“.28

Im Römerbrief geht es dem Verfasser um die Wiedergeburt (Thema von Röm. 6). Es geht

zunächst noch nicht um das Leben als Christ in der täglichen Nachfolge.

Dass zum Leben des Christen dann die guten Werke dazu gehören, davon schreibt Jakobus

in seinem Brief.

Die Wiedergeburt ist allein ein Akt Gottes. Dazu kann der Mensch nichts beitragen.

Nach der Wiedergeburt beginnt die Nachfolge, die gute Werke hervorbringen soll. Das hat

auch Luther bereits in Röm. 1,17 erkannt und auch später immer wieder betont:

„Rechtfertigender Glaube ist Vertrauen gegenüber dem Wort des Evangeliums. Der Mensch wird allein aus Gottes Barmherzigkeit gerecht. Aus ihr folgen notwendig die gerechten Werke, die in diesem Leben freilich immer unvollkommen bleiben.“29

Reformation der Predigt

Der Römerbrief und die 10 Gebote riefen bei Luther eine Reformation der Predigt hervor

(Abb. Kanzel: Brecht, I, 32, Tafel XI). Wenn Luther predigte, füllte sich die Kirche. Seine

Predigt war zeitbezogen. In einer moralisierenden Form greift er die Sünden der damaligen

Zeit beim Schopf. Grundlage der Predigt war immer das Wort Gottes und nicht seine per-

sönliche Meinung. Er predigt nicht, das was die Leute gerne hören wollen. Der Reformator

macht sich frei von den Menschen, von Fürsten und von den Klerikern (geistliche Obrigkei-

ten).

Reformation der theologischen Vorlesungen

Der Professor distanzierte sich von der Scholastik, die bis dahin die Universitäten be-

herrschte.30 Die Scholastiker beriefen sich gerne auf die Philosophie (Aristoteles, Scotus

u.a.), auf Thomas von Aquin (Theologie) und auf den Papst. Diese bildeten die Grundlage

für die Lehre, für die Disputation und für das Leben. Die Hl. Schrift kannte man kaum.

Martin Luther kehrte zurück zu der Hl. Schrift und zu Augustin, der sich ebenfalls auf die

27 Vergleiche auch den Hinweis von Calvin auf 1.Kor. 4,7. 28 M. Luther: Sendbrief vom Dolmetschen. Quelle: http://www.sochorek.cz/archiv/werke/luther.htm vom

10.3.2011. 29 Martin Brecht: Martin Luther, Bd. 3, S. 151 30 Vgl. Hauschild: Lehrbuch § 11, Kap. 7.2, S. 34-36.

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Schrift berief. Den Anstoß bekam der Dozent von den Humanisten (Reuchlin, Erasmus und

Melanchthon).

Ihre Parole lautete: zurück zu den Quellen (ad fontes), das heißt studiere die Urquellen, also

die Bibel, sowie die griechischen und hebräischen Schriften. Somit lernte Luther Griechisch

und Hebräisch. Der Reformator vertrieb die Philosophie aus Wittenberg und konzentrierte

sich auf Theologie. Er schreibt: „Unsere Theologie und Augustin schreiten glücklich fort und regieren an unserer Universi-

tät durch Gottes Wirken. Aristoteles ist im Abstieg begriffen und wird bald für immer zu ei-

ner Ruine zerfallen.“ 31

In Bezug auf die Scholastik bekennt Luther: „Ich habe dort Christus verloren, nun habe ich

ihn in Paulus wiedergefunden.“

VI. Die doppelte Wende

Der Angriff auf den Ablass und die reformatorische Entdeckung

(Herbst 1517- Sommer 1518)

1. Vom Ablass Mit dem Ablassstreit wurde Luther aus dem stillen Winkel ins volle Rampenlicht der Öf-

fentlichkeit versetzt und begann erstmals Geschichte zu machen. Er wurde dadurch in ein

Ereignisgeflecht verwickelt, das weit über Kursachsen, Erfurt und Nürnberg, seinen bishe-

rigen Beziehungsraum, hinausreichte, das sich auf das ganze Römische Reich deutscher

Nation, ja auf Europa, Rom und die Weltkirche erstreckte. Nicht nur der Orden oder die

Theologen oder die Gelehrten, auch die Laien, die ganze Gesellschaft wurden davon er-

fasst, schreibt Martin Brecht in seiner dreibändigen Lutherbiographie.32

Als Prediger, nicht als Theologe, ist ML auf die Handhabung der Bußdisziplin gestoßen. Da

traf er auf eine Praxis der Kirche, die es zu erlauben schien, mit Gott ins Geschäft zu kom-

men.

Bei dem Ablass geht es nicht um die Vergebung von Sünden. Vergebung der Sünden und

der Erlass von ewigen Sündenstrafen werden dem Büßenden gewährt. Die Erteilung eines

Ablasses setzt sogar die Buße voraus. Worum geht es dann beim Ablass?

Die Sünde wird zwar vergeben, aber von der Strafe der Sünde ist der Büßende nicht befreit.

Die Strafe hat mit der Gerechtigkeit Gottes zu tun.

Beim Ablass geht es nun um den Erlass von zeitlichen Sündenstrafen (hier auf der Erde

oder im Purgatorium, dem Läuterungsgort). Die Tat fordert eine Genugtuung (Satisfaktion).

Der Ablass oder die Milde, wie man das lateinische Wort „indulgentia“ übersetzen kann,

bedeutet die Umwandlung oder Ermäßigung von Bußleistungen und zeitlichen Sündenstra-

fen durch die Kirche.

In dem Wort Buße steckt das deutsche Wort „abbüssen“ und so verstanden es die katholi-

schen Kirchengesetze: Der Mensch muss seine Sündenstrafen abbüßen.

31 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 150 ff. 32 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 173 ff.

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Voraussetzung für die Gewinnung des Ablasses war jedenfalls die bußfertige Gesinnung

und eine Eigenleistung des Betroffenen, die in Gebeten, Wallfahrten, Almosen und Zah-

lungen bestehen konnte. Auch die Kreuzzüge dienten dazu. Thomas von Aquin sprach dem

Papst die Ablassvollmacht zu.

Ebenfalls hatte Thomas die Möglichkeit bejaht, dass der Ablass auch

den Verstorbenen im Fegefeuer zugewendet werden kann durch die

Leistungen eines Lebenden, dessen bußfertige Gesinnung es dazu nicht

bedurfte.

Kirchliche Bauten wurden häufig mit Ablässen finanziert, ebenso die

Kreuzzüge. Am 31.März 1515 gab Papst Leo X. einen Ablass heraus,

womit der Neubau der Peterskirche in Rom finanziert werden sollte.

Dieser Ablass sollte acht Jahre lang in den Kirchenprovinzen Mainz, Magdeburg und in

Brandenburg vertrieben werden. Zugunsten der Ablasspredigt waren andere Predigten zu

unterlassen. Der Ablasskommissar war Johannes Tetzel, ein Freund und später ein Gegner

Luthers.

In der Kirche musste das Ablasskreuz aufgestellt werden. Wenigstens dreimal wöchentlich

sollte der Ablass gepredigt werden. Gegen die Behinderung des Ablasses waren Strafen

angedroht. In den Predigten sollten die vier Hauptgnaden des Ablasses herausgestellt wer-

den:

1) Der Erlass aller Sünden (Plenar-Ablass oder völliger Ablass); dazu der Erlass der Sün-

den und Fegefeuerstrafen. Dazu musste man 7 Kirchen besuchen und Geld geben.

2) Die zweite Hauptgnade bestand in der Möglichkeit, einen Beichtbrief zu erwerben.

3) Die dritte Hauptgnade, die ebenfalls durch den Erwerb eines Beichtbriefes erworben

werden konnte, versprach den Käufern und ihren verstorbenen Angehörigen die Teil-

habe an allen zukünftigen Gütern der Kirchen, ohne eine Beichte abzugeben.

4) Die vierte Hauptgnade bestand im Erlass der Sündenstrafen von Seelen im Fegefeuer

mittels der Fürbitte des Papstes aufgrund der Zahlung für diese Seelen.

Von daher kam der volkstümliche Vers:

„Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.“

Johann Tetzel, der eine volkstümliche Rednergabe besaß und die Ablasspropaganda be-

herrschte predigte überall:

„Hier ist Rom........ erbarmt euch eurer verstorbenen Eltern .....Wer den Ablass hat,

hat das Heil, etwas anderes hilft nicht.“

Tetzel / www.luther.de

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2. Luthers Beurteilung des Ablasses vor dem Ausbruch des eigentlichen Konfliktes

Die Beichte

Als die Wittenberger33 um Ostern 1517 wie verrückt nach Zerbst und dem magdeburgi-

schen Jüterbog ausliefen, um Ablassbriefe zu erwerben, und aufgrund dieser ohne Reue und

Besserung von Luther absolviert (Zuspruch der Vergebung) werden wollten, versuchte er

zunächst in Predigten, die Dinge zurechtzurücken. Wie manch anderer auch hatte Luther

qualvoll unter den vielen und unerträglichen Beichtvorschriften gelitten.

Wie eine Himmelsstimme traf ihn da der Hinweis von seinem Seelsorger Staupitz, dass die

wahre Buße mit der Liebe zur Gerechtigkeit und Gott beginnen muss, was herkömmlicher-

weise erst das Ergebnis des Bussprosses ausgegeben wurde.

Eine weitere Anregung für sein Bußverständnis erhielt Luther dann erstaunlicherweise

1516 durch die Anmerkungen des Erasmus von Rotterdam zum Neuen Testament, die ihm

die Bedeutung des griechischen Wortes für Buße (metanoia) erschlossen. Das griechische

Wort „metanoia“ bedeutet: „Reue empfinden, seine ganzen Sinne ändern, umkehren.“

Umkehren von seinem Weg, den alten Adam in den Tod geben, verbunden mit einer echten

wahren Reue, das gab es in den herkömmlichen Beichten und in der Bußpraxis der katholi-

schen Kirche nicht. Nach Luther war Buße nun Leid über begangene Sünde aufgrund der

Liebe zu Gott.

Das neue Verständnis Luthers von Buße war eine Synthese aus den Erkenntnissen von

Staupitz (der seelsorgerliche Aspekt) und von Erasmus (der biblisch - philologische As-

pekt): Buße ist Reue und Umkehr, und zwar aus Liebe zu Gott. Absolution (Vergebungszu-

spruch) und Satisfaction (Genugtuung) und auch die justificatio (Rechtfertigung) geschehen

sola gratia.

Da die Ablasstheorie auf schwachen Füßen stand, ging Luther alsbald zum Angriff über.

Am 4. Januar 1517 tadelt er die Vorliebe der Ablassprediger für Fabeln, Legenden und Ab-

lässe anstelle der Predigt des Evangeliums. Die Ablässe lehren das Volk allein die Strafe

fürchten, aber nicht die Sünde. Sie schaffen eine falsche Sicherheit. Da niemand von sich

sagen kann, ob er würdig und vollkommen gebeichtet hat, ist es vermessen zu behaupten,

die Seele komme sogleich nach der Erlangung der Ablässe in den Himmel oder aus dem

Fegefeuer. Der Ablass ist eben belanglos.

33 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 181; vgl. auch Hauschild: Lehrbuch § 11, Kap. 7.3, 36-38.

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3. Die 95 Thesen (31.Okt. 1517) Am 31. Okt. 1517 schlug M L die 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche

zu Wittenberg.34 Damit wollte er zu einer öffentlichen Disputation über den

Ablass aufrufen. Damals gab es noch keine Medien, wenn man eine Sache

publik machen wollte. Es gab auch keine Zeitungen. Dazu wurden an der

Tür eines Rathauses oder einer Kirche Thesen angeschlagen, die öffentlich

disputiert werden sollten. Zur raschen Verbreitung der reformatorischen

Schriften kam es dennoch, weil zu der Zeit die Buchdruckerkunst erfunden

worden war. Nach dem Anschlag der 95 Thesen kam es zwar zunächst nicht

zu einer Disputation. Aber die Thesen verbreiteten sich rasch in immer neue

Auflagen in Deutschland und darüber hinaus und erweckten stürmischen

Beifall aber auch den Widerspruch.

„Mit einem Schlage war der unbekannte Mönch und Professor im abgelege-

nen Wittenberg in aller Munde“, schreibt Karin Bornkamm zum Vorwort der 95 Thesen.35

Mit dem Anschlag der 95 Thesen brach die Reformation aus!

Die Thesen beginnen mit einem kurzen Vorwort des Reformators: „Aus Liebe zur Wahrheit und in dem Verlangen, sie ans Licht zu bringen, soll in Wittenberg über

die folgenden Sätze disputiert werden, unter dem Vorsitz des ehrwürdigen Paters Martinus Luther,

dort Magister der freien Künste sowie der heiligen Theologie, dazu der ordentliche Professor. Da-

her bittet er die, die nicht anwesend sein und sich mündlich mit uns unterreden können, dies in Ab-

wesenheit schriftlich zu tun. Im Namen unsers Herrn Jesus Christus, Amen.“36

Luther wollte am Anfang die Kirche stehen lassen.

In der ersten These heißt es:

„Da der Herr und Meister Jesus Christus spricht: ‚Tut Buße’ usw. (Matth. 4,17), hat er

gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sei.“37

Luther wendet sich gegen die damalige Bußpraxis. Bei dem Peters Ablass zum Neubau der

Peterskirche in Rom zum Beispiel wurden alle Sünden erlassen, und zwar durch Zahlung

eines bestimmten Betrages. ML aber sieht den Menschen als Sünder Zeit seines Lebens.

Täglich muss der Christ aus der Vergebung leben.

Die 95 Thesen werden auch „Ablassthesen“ genannt, da die meisten Sätze auf den Ablass

und die Bußpraxis eingehen. In den Thesen 8-13 erklärt der Theologe, dass die Bußbe-

stimmungen nur für die Lebenden gelten, nicht aber für die Toten.

These 36:

„Jeder Christ, der wahre Reue empfindet, hat vollkommenen Nachlaß von Strafe und

Schuld, auch ohne Ablassbriefe.“

These 45:

„Man muß die Christen lehren: Wenn sie nicht Geld im Überfluß haben, sind sie verpflich-

tet, das für ihr Hauswesen Notwendige zu behalten und keinesfalls für Ablaß zu vergeu-

den.“

34 Heute ist der Thesenanschlag umstritten. Auf jeden Fall hat Luther seine Thesen geschrieben und auch

verschickt. Der Thesenanschlag geht auf den Bericht von Philipp Melanchthon zurück (Brecht: Martin Luther,

Bd. 1, S. 196). Cf. Heussi, Kompendium der KG, § 75 h – i; dann Wolf-Dieter Hauschild: Lehrbuch der Kir-

chen- und Dogmengeschichte, Bd. 2, 20012, § 11, 7.3 (Thesenanschlag ist nicht gesichert); Sierszyn, 2000

Jahre KG, Bd. 3, S. 54-55 Fußnoten 69 u. 70. 35 Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling: Luthers ausgewählte Schriften, Bd. I, S.26. 36 Aus : Bornkamm/Ebeling: M L, Ausgewählte Schriften, Bd. I, S. 28 37 Bornkamm/Ebeling: ML, ausgewählte Schriften, Bd. I., ebd., S. 28

Thesenanschlag www.luther.de

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In der These 50 heißt es: “Man muss die Christen lehren: Wenn der Papst wüsste, wie die Ablassprediger das Geld eintrei-

ben, ließ er lieber die Peterskirche zu Asche verfallen, als sie mit Haut, Fleisch und Knochen seiner

Schafe aufzubauen.“

These: 79:

„Die Behauptung, das hoch aufgerichtete Ablasskreuz, versehen mit dem Wappen des Papstes, be-

sitze die gleiche Kraft wie das Kreuz Christi, ist Gotteslästerung.“

Auch das Fegefeuer und die Totenmesse (Thesen 82-83) kritisiert der Theologieprofessor.

These 82:

„...Warum räumt der Papst das Fegefeuer nicht aus heiligster Liebe und um der höchsten

Not der Seelen willen leer, also aus dem allertriftigsten Grunde, wenn er doch unzählige

Seelen erlöst um des unseligen Geldes willen, das für den Bau der Peterskirche gegeben

wird, also aus dem allerunwichtigsten Grunde?“

In der 86.These geht der Mönch auf den Reichtum der Kirche ein: “Weiter: Warum baut der Papst, dessen Reichtum heute größer ist als der des reichsten Krösus38,

nicht wenigstens die eine Peterskirche lieber von seinem eigenen Geld als von dem der armen

Gläubigen?“

Luther schaute das Schauspiel der Kirche mit den Seelen. Er konnte nicht länger schwei-

gen, auch wenn es ihm seinen Kopf kosten sollte. Der Mönch brachte einen Stein ins Rol-

len, der den Unrat der katholischen Kirche mit sich zog und den niemand mehr aufhalten

konnte.

Luther wollte zunächst eigentlich gar nicht das Papsttum oder den Ablass abschaffen (1517

noch nicht, erst nach der Leipziger Disputation 1519); er schrieb nur gegen den Missbrauch

des Ablasses. Das bekundete der Reformator noch 1541.

Ablass heute Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) wollte man zwar die Ablasspraxis re-

formieren, kam aber aus zeitlichen Gründen nicht dazu.

1967 gab Papst Paul VI. eine Neuordnung des Ablasswesens, die Indulgentiarum doctrina

(Doktrin über das Ablasswesen), heraus.39

Gleich im ersten Artikel beruft der Papst sich in Bezug auf die Ablasslehre auf göttliche

Offenbarung: (Art. 1) Ablasslehre und -praxis gelten seit vielen Jahrhunderten in der Kirche. Sie gründen wie auf einem festen Fundament auf der göttlichen Offenbarung, die, von den Aposteln überliefert, unter dem Beistand des Heiligen Geistes in der Kirche fortschreitet. (Art. 2) Nach der Lehre der göttlichen Offenbarung folgen aus den Sünden von Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit auferlegte Strafen. Sie müssen in dieser Welt durch Leiden, Not und Mühsal des Lebens und besonders durch den Tod, oder in der künftigen Welt durch Feuer und Qual oder Reinigungsstrafen abgebüßt werden. (Art. 8) Wer gewährt Nachlass? Wenn nämlich die Kirche beim Ablass von ihrer Gewalt als Dienerin am Erlösungswerk Christi, des Herrn, Gebrauch macht, so betet sie nicht nur,

38 gemeint ist der König Krösus von Lydien (560 – 546 v. C.), der durch Tribut und Bodenschätze unermessli-

chen Reichtum erlangte. 39 Quelle: http://www.kathpedia.com/index.php?title=Indulgentiarum_doctrina_(Wortlaut)#Die_F.C3.BCrbitten_

der_Heiligen_im_Himmel - abgerufen am 15.05.2017. Vgl. dazu auch den Katechismus der

katholischen Kirche, Nr. 1471-1484.

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sondern teilt dem recht bereiteten Christgläubigen autoritativ den Schatz der Genugtuun-gen Christi und der Heiligen zum Nachlass der zeitlichen Strafen zu.

Teilablass und vollkommener Ablass (Norm 2) Der Ablass ist Teil-Ablass oder vollkommener Ablass, je nachdem er von der zeitlichen Sündenstrafe teilweise oder ganz freimacht.

Jubiläumsablass

Ein Jubeljahr (hebr. schenat hajobel, lat. annus iubilaeus) oder Heiliges Jahr (annus

sanctus) ist ein besonderes Jubiläumsjahr in der römisch-katholischen Kirche, in dem der

Papst den Gläubigen bei Erfüllung bestimmter Bedingungen einen vollständigen Ablass

gewährt. Bonifatius VIII. rief 1300 erstmals ein solches Jahr für Pilger aus, die nach Rom

kamen.

Das kirchliche Jubeljahr knüpfte indirekt an das biblische Erlassjahr an: einen alle 50 Jahre

gebotenen Schuldenerlass und Besitzausgleich für alle Israeliten (Lev 25,8-55). Die Be-

zeichnung „Jubeljahr“ oder „Jobeljahr“ stammt vom hebräischen Wort jobel, das ursprüng-

lich „Widder“ bedeutete. Aus Widderhörnern wurde das Blasinstrument Schofar gebaut,

das zur Eröffnung eines Erlassjahrs geblasen werden sollte. Daher wurde der Aus-

druck jobel auf das Instrument und das damit eröffnete Erlassjahr übertragen.

Die Vulgata übersetzte das hebräische schenat hajobel mit annus iubilæus. Daher stammen

„Jubel“, „Jubeljahr“ und das Fremdwort Jubiläum.40

Papst Johannes Paul der II. rief im Jahr 2000 ein großes Jubeljahr aus. Eigens zum Jubel-

jahr 2000 hat die Apostolische Pönitentiarie (Apostolische Bußdisziplin), das ist die zu-

ständige Behörde für die Bußdisziplin im Vatikan, eine praktische Erklärung zum Ablauf

des Ablasswesens herausgegeben. Der Ablass ist also in der katholischen Kirche noch all-

gegenwärtig.41

Unabhängig von den offiziellen Jubeljahren verkündeten einige Päpste aus anderen Anläs-

sen auch außerordentliche Jubiläen mit der Verheißung eines vollständigen Ablasses aller

Sündenstrafen.

Keine Heilsgewissheit

Die Ablasspraxis verhindert eine Heilsgewissheit. Das hatte schon Martin Luther so gese-

hen. Denn der Büßende weiß nie so recht, ob er seine guten Werke, die von ihm zur Erlan-

gung des Ablasses gefordert werden, ausreichen und ob er sie zufriedenstellend verübt hat.

Und außerdem sündigt der Mensch, nachdem er einen Ablass mühevoll erworben hat, wie-

der und immer wieder. Es ist ein Kreislauf, aus dem er nicht mehr herauskommt.

Die Bibel über Vergebung und Straferlass

Manch begangene Tat hat ihre Folgen. Wir können wohl in gewisser Hinsicht die materiel-

len Schäden wiedergutmachen, indem wir Gestohlenes wieder zurückgeben. Hier geschieht

eine Wiedergutmachung in einem sozialen Umfeld. Aber selbst das ist nicht immer mög-

lich, wenn zum Beispiel die Opfer längst gestorben sind.

Und wie steht es um die Beziehung zu Gott?

40 https://de.wikipedia.org/wiki/Jubeljahr - abgerufen am 15.05.2017. Vgl. auch Th. Schirrmacher: Der Ab-

lass, 2005, S. 80f. 41 Vgl. Th. Schirrmacher: Der Ablass, 2005, S. 140ff.

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Der Sold (so das alte Lutherwort), also die Strafe der Sünde, und zwar für jede Sündentat,

ist der Tod (Röm 6,23). Welcher Mensch kann alle diese Strafen tragen und wiedergutma-

chen?

Und an dieser Stelle tritt nun Jesus für uns stellvertretend ein. Er, der vollkommene Mensch

und Gott, hat stellvertretend unsere Sünde und unsere Strafe getragen. Wer dieses Gesche-

hen am Kreuz von Golgatha für sich persönlich im Glauben annimmt, ist frei von der Sünde

und von aller Strafe.

Jesaja 53,5 (LU 84)

„Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen.

Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir ge-

heilt.“

1.Petrus 3,18

„Der Gerechte starb für die Ungerechten.“

Jesus ist stellvertretend für meine Ungerechtigkeit gestorben. Er hat meine Ungerechtigkeit

getragen. Ich muss sie nicht selbst vor Gott ausbügeln, was ich auch niemals könnte.

1.Kor. 1, 30

„Christus ist uns gemacht zur Gerechtigkeit.“

Durch den Glauben an Jesus und durch meine bewusste Bekehrung zu ihm schenkt er mir

seine Gerechtigkeit. In Jesus bekomme ich einen Stand der Gerechtigkeit vor Gott.

„Christi Blut und Gerechtigkeit ist mein Schmuck und Ehrenkleid“, schrieb einst Nikolaus

Ludwig Graf von Zinzendorf.

Keine Verdammnis für die, die in Christus sind:

Römer 8,1 (LU 84)

„So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.“

„ER ist die Sühnung für unsere Sünden.“ (1.Joh 2,2)

Jesus vertritt uns:

Römer 8,34 (LU 84)

“ Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auf-

erweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt.“

Sein Blut macht rein von aller Sünde:

1. Johannes 1,7 (LU 84)

„Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft unterei-

nander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.“

Alle Wiedergutmachungsbestrebungen seitens des Menschen durch einen Ablass und gute

Werke entwürdigen das vollkommene und hingebungsvolle Opfer Jesu am Kreuz von Gol-

gatha. Das Opfer des Lammes Gottes für alle Sünde und für alle Sündenstrafen reicht voll-

kommen aus. Jesus allein genügt. Solus Christus, Christus allein!

Christus allein – der wahre Schatz

Im 13. Jahrhundert entstand die Lehre vom Kirchenschatz. Zum Kirchenschatz gehören

die „überschüssigen Werke Christi“, „Christus selbst“, die „guten Werke der Märtyrer

und Heiligen“ sowie die „guten Werke der seligen Jungfrau Maria“. Nach der römisch-

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katholischen Lehrauffassung werden zwar dem Büßenden (dem Pönitenten) die Sünden

vergeben, nicht aber die Strafe erlassen. Für den Nachlass der Strafe durch den Ablass

muss es einen Ausgleich geben. Diesen Ausgleich gibt es durch den Kirchenschatz.42

Luther lehnt selbstverständlich den Kirchenschatz ab und in der These 62 spricht er

von dem wahren Schatz der Gläubigen:

„Der wahre Schatz der Kirche ist das hocheilige Evangelium von der Herrlichkeit und

Gnade Gottes.“

4. Erste Reaktionen auf Luthers Thesenanschlag In 14 Tagen haben die Thesen ganz Deutschland durchlaufen43; dazu verhalf das neue Me-

dium der Druckerpresse. Die Reaktionen kamen langsam. Auf die deutschen Thesen hin

sandte der Maler Albrecht Dürer Luther ein Geschenk und interessierte sich von da an

für Luthers deutsche Schriften.44 Erasmus von Rotterdam verschickte sie nach England.

Der zuständige Erzbischof Albrecht von Mainz (der als 24-jähriger Fürst ohne Theologie-

studium Erzbischof wurde) bat am 1. 11. 1517 die Mainzer Universität um ein Gutachten.

Diese winkte jedoch ab (Abb. Brecht, I, 32, Tafel X). Albrecht wandte sich daraufhin an

den Papst.

ALBRECHT von Mainz, Markgraf von Brandenburg, mächtiger Kirchenfürst der Reformationszeit, * 28.6. 1490 als Sohn des Kurfürsten Johann Cicero von Brandenburg und Bruder des späteren Kur-fürsten Joachim I. von Brandenburg, † 24.9. 1545 zu Mainz. - A. wurde 1508 Domherr in Mainz, 1513 Erzbischof von Magdeburg und Administrator des Bistums Halberstadt und 1514 Erzbischof und Kurfürst von Mainz. Er musste die Bestätigung und Erlaubnis zur widerkanonischen Vereini-gung der drei Bistümer in einer Hand mit etwa 1/2 Million Mark dem Papst abkaufen und sich darum bei dem Bankhaus Fugger in Augsburg in große Schulden stürzen, so dass er den Vertrieb des Plenarablasses, den Julius II. 1506 ausgeschrieben und Leo X. 1514 erneuert hatte, in seinen Kir-chenprovinzen und in den brandenburgischen Ländern gern übernahm, womit ihn der Papst April 1515 beauftragte. Die Einnahmen sollten nach der offiziellen Angabe für den Neubau der Peterskir-che in Rom verwendet werden, fielen aber nach vorheriger geheimer Abmachung halb an A. Bereits Dezember 1517 reichte A. in Rom eine Beschwerde über Luther wegen Verbreitung neuer Lehren ein. Er hatte keinerlei Verständnis für Luthers reformatorisches Auftreten, da er viel zu sehr Renais-sancemensch, Kunstmäzen und Humanistenfreund war. Der luth. Bewegung gegenüber nahm A. vorläufig eine abwartende Haltung ein auf Rat der Humanisten Erasmus von Rotterdam und Ulrich von Hutten und des Dompredigers Wolfgang Capito. Während des Reichstags zu Augsburg 1518 wurde er von der Kurie zum Kardinal erhoben. A. war noch auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 friedlich gesinnt und bemühte sich auch um das Zustandekommen des Nürnberger Friedens von 1532, wurde aber ein erbitterter Gegner der Reformation, als sich diese auch in seinem Bistum immer mehr ausbreitete. Er verließ 1540 für immer Halle, in das Justus Jonas 1541 einzog, der unter kursächsischem Schutz die Reformation durchführte. A. forderte 1541 in Regensburg Karl V. auf, gegen die Protestanten die Waffen zu ergreifen, und ließ 1542 den »ersten Jesuiten in Deutschland«, Peter Faber, nach Mainz kommen.45

Im März 1518 gab der Reformator eine Erklärung (Sermon, lat. „sermo“ = Vortrag, Rede)

zu den 95 Thesen heraus. Der Ablasskommissar Tetzel veröffentlichte daraufhin eine Wi-

derlegung von Luthers Sermon, die er aber nicht einmal selber verfasst hat. Für Luther galt

42 Thomas Schirrmacher: Der Ablass. Ablass und Fegefeuer in Geschichte und Gegenwart. Eine evangelische

Kritik. Nürnburg (VTR) und Hamburg (RVB), 2005, S. 75,126 u. 134f. Siehe auch den Kath. Weltkatechis-

mus Nr. 1476f. 43 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 198 ff. 44 Bekannte Luther-Bilder stammen auch von Lukas Cranach. 45 BBKL: Band I (1990)Spalten 92-93 Autor: Friedrich Wilhelm Bautz: „Albrecht von Mainz“.

http://www.bautz.de/

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die Widerlegung Tetzels als ein Zeugnis von dessen außerordentlicher Unwissenheit. Lu-

ther berief sich auf die Schrift (hier zum ersten Mal).

Im Frühjahr 1518 schaltete sich auch der Theologe Johann Eck in Ingolstadt ein. Er mein-

te, dass man den Papst nicht in Frage stellen dürfte. Luther erwiderte: Der Papst ist ein

Mensch und kann irren, die Wahrheit (die Bibel) nicht.

Am 26.April 1518 fand die erste Disputation zu Heidelberg statt. Der Wittenberger machte

dabei einen guten Eindruck vor allem bei den Theologiestudenten. Hier wurden die Theo-

logiestudenten Martin Bucer46, Johannes Brenz47 und Erhard Schnepf für die Reformation

gewonnen. Bucer wurde wenige Jahre später der einflussreiche Führer der Straßburger Re-

formation.

Brenz wurde ein angesehener Reformator von Schwäbisch Hall und Württemberg.

Erhard Schnepf wurde der Reformator in Hessen und Württemberg.

Im Sommer 1518 befand sich ML an einem Punkt, an dem sich sein Verhältnis zu seiner

Kirche entscheiden musste. Noch war alles offen. Rom hatte noch nicht gesprochen. Luther

war mitten auf die Bühne gestellt worden. Nun begann ein neuer Akt.

5. Die reformatorische Entdeckung

Die reformatorische Entdeckung beginnt mit der Bekehrung des Theologieprofessors. Die

Bekehrung Luthers und zugleich die reformatorische Entdeckung findet im Turm48 des

Klosters zu Wittenberg statt, wo er sein Arbeitszimmer hatte. Wir sprechen vom sogenann-

ten Turmerlebnis. Wann fand aber dieses Turmerlebnis, also die Bekehrung, Luthers statt?

Hier gibt es in der Luther-Forschung eine geteilte Meinung.

Nach Karl Heussi49, der durch das Kompendium der Kirchengeschichte berühmt geworden

ist, fand das Turmerlebnis 1511/12 statt, und zwar zu der Zeit, als Luther über die Exegese

von Rö. 1, 17 nachdachte. Tatsächlich war Rö. 1, 17 für die Wiederentdeckung des Evange-

liums und somit für die Bekehrung des Theologen ausschlaggebend.

Theodor Brandt setzt das Erlebnis in das Jahr 1513 als Luther die Vorlesung über den

31.Psalm gab. Dort heißt es:

„In deiner Gerechtigkeit befreie mich.“

Luther schreibt dazu: „Ich hasste nämlich das Wort Gerechtigkeit Gottes, weil ich es nach dem Sinn der Doktoren

und Philosophen verstand: Gerechtigkeit, wodurch Gott gerecht ist und die Sünde und die

Ungerechten straft .... Ich ......klopfte dann erst an dieser Stelle bei Paulus an .... Da begann

ich zu verstehen, dass hier die Gerechtigkeit Gottes gemeint sei, wodurch der Gerechte

durch das Geschenk Gottes lebt, nämlich aus dem Glauben - eine Gerechtigkeit, wodurch

46 Bucer wurde der Reformator von Straßburg. Siehe Punkt 6.4. 47 Brenz schuf in Württemberg eine vorbildliche ev. Kirchenordnung, die von anderen Gebieten übernommen

wurde. Er war an der Abfassung der Confessio Virtembergica (1551) maßgeblich beteiligt. In seiner Theolo-

gie vertrat er die Lehre Luthers. Bis zu seinem Tod war er um die Einigung des Luthertums bemüht. Brenz hat

ein reiches Schrifttum hinterlassen. Die meisten seiner 517 Druckwerke sind Predigten und Kommentare zu

fast allen biblischen Büchern (Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 3, 1987, S. 668. 48 Der Turm steht heute nicht mehr. 49 Karl Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte, § 75 c / d.

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uns der barmherzige Gott durch den Glauben gerecht macht. Da habe ich gefühlt, dass ich

von neuem geboren sei.“50

Zu Ps. 31 (1513) findet sich eine Glosse Luthers: „per Christum iustificati in fide“ (durch

Christum werde ich gerechtfertigt durch Glauben).51

Kurt Dietrich Schmidt selbst jedoch legt die Wiederentdeckung des Evangeliums ins Jahr

1514 fest, als ML über Ps. 71 las.

Im Frühjahr 1516 schreibt Martin an den Augustiner Georg Spenlein nach Memmingen:

„Im Übrigen begehre ich zu wissen, wie es um deine Seele bestellt ist, ob sie nicht endlich lernt, in Christi Gerechtigkeit Ruhe zu finden...Du lebtest bei uns auch in diesem Glauben, vielmehr in diesem Irrtum. Ich war auch darin befangen, doch jetzt kämpfe ich gegen diesen Irrtum; allein mein Kampf ist noch nicht zu Ende. Darum, mein lieber Bruder, lerne Christus kennen, und zwar den Gekreuzig-ten. Lerne ... zu ihm zu sprechen: ‚Du, Herr Jesus, bist meine Gerechtigkeit, ich aber bin deine Sün-de’... Hüte dich, je einmal nach solcher Makellosigkeit zu trachten, daß Du vor Dir selbst kein Sünder mehr sein willst. Denn Christus wohnt nur unter Sündern...Bist Du eine Lilie oder Rose Christi, so wis-se, daß dein Wandel unter Dornen sein wird.“52

Im Jahre 1518 schreibt der Mönch und Dozent: „Da hatte ich das Empfinden, ich sei geradezu von neuem geboren und durch geöffnete Tore in das Paradies selbst eingetreten. Da zeigt mir sofort die ganze Schrift ein anderes Gesicht...Wie sehr ich die Vokabel ‚Gerechtigkeit Gottes’ gehasst hatte, so pries ich sie nun mit entsprechend großer Liebe als das mir süßeste Wort...Durch solche Erwägungen besser gerüstet, begann ich den Psalter zum zweiten Mal auszulegen...“53

Nach dem Kirchenhistoriker und dem Herausgeber des Novum Testamentum Graece (grie-

chisches Neues Testament) Kurt Aland zu Münster fand die reformatorische Entdeckung im

Jahr 1518 – nach dem Thesenanschlag - statt54

Hier schließt sich auch Martin Brecht an.55

Die zeitliche Einordnung der Bekehrung Luthers findet ein breites Spektrum: 1511- 1518.

Den genauen Zeitpunkt kann die Wissenschaft wohl nicht mehr feststellen. Das ist auch

nicht von größter Bedeutung. Viel wichtiger ist das Faktum, dass es eine Bekehrung Lu-

thers gab. Die reformatorische Entdeckung (Brecht) liegt in der Wiederentdeckung des

Evangeliums (K.D. Schmidt). Bei dieser Entdeckung durch Römer 1,17 kam ML zur Be-

kehrung.

Luthers Theologie des Kreuzes gründet sich auf diese Entdeckung: Die Rechtfertigung er-

folgt allein durch Glauben an Christus und allein durch Gottes Gnade.

6. Der Begriff Gerechtigkeit Vor der Bekehrung stellte Luther die Frage: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?

Gott war in Luthers Augen ein Gerichtsgott.

Nach seiner Bekehrung konnte er sagen: Gott ist gnädig. Gnade ist ein Geschenk, kein Ver-

dienst. Gnade geschieht sola fide (allein durch Glauben). Zu dieser Erkenntnis kam ML

durch die Schriftexegese. Dabei stieß der Exeget auf den Begriff „Gerechtigkeit“.

Nach Ambrosius ist die Gerechtigkeit die Treue Gottes.

50 Aus: W.A. 54, 179 (Weimarer Ausgabe der reformatorischen Texte von Martin Luther) in: Theodor Brandt,

Kirche im Wandel der Zeit, Bd. 1, S. 227 51 WA 3, 173, 22ff. in Kurt Dietrich Schmidt, Kirchengeschichte, S. 281. 52 Sierszyn, 2000 Jahre KG, Bd. 3, S. 42 53 Sierszyn, 2000 Jahre, KG, Bd. 3, S. 42 -43 54 Kurt Aland, Geschichte der Christenheit, Bd. 2, S. 46. 55 Martin Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S.216.

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Augustin spricht von der geschenkten Gerechtigkeit.

Pelagius spricht nur von der Strafgerechtigkeit. Zur Zeit Luthers gab es nur die Strafge-

rechtigkeit.

Von der forensischen Werkgerechtigkeit hin zur Glaubensgerechtigkeit:

Das Wort Gerechtigkeit wurde juristisch erklärt: Der Schuldige wird für gerecht erklärt

(Gerichtsakt, lat. actus forensis: Ein Verurteilter muss seine Schuld abbüßen). Von dem

juristischen Verständnis des Wortes „Gerechtigkeit“ hat sich Luther gelöst: Wenn Gott

mich für gerecht erklärt, muss ich nicht mehr die Schuld abbüßen (damit werden auch die

Ablässe überflüssig). Das hat Christus getan! Dazu kam, dass man sich die Rechtfertigung

(= ich bin gerecht und kann im Gericht Gottes bestehen) verdienen konnte. Hier nun stieß

Luther auf Augustin. Die Rechtfertigung (justificatio) ist ein Geschenk. Ich werde ohne

Verdienst gerecht (Röm. 3, 23). Bei der Gerechtsprechung handelt es sich nicht bloß um

einen Gerichtsakt, sondern um eine wirkliche Neuschöpfung. Das durfte ML erleben.

Zusammenfassung:

Die Gerechtigkeit vor Gott erlange ich nicht durch eigene Werke, sondern allein durch den

Glauben an Christus und allein durch die Gnade Gottes. Das ist Wiederentdeckung des

Evangeliums.

Deshalb liegt die reformatorische Entdeckung auch in dem Begriff Gerechtigkeit.

Theologie des Kreuzes

ML unterscheidet zwischen der Theologie der Herrlichkeit und der Theologie des Kreuzes.

Der vom Sichtbaren ausgehende Theologe der Herrlichkeit tritt für den Erlass und die Lö-

sung der Strafen aus dem Kirchenschatz ein und lässt sich dafür bezahlen. Der Theologe

des Kreuzes dagegen bekennt: „Das Kreuz allein ist unsere Theologie.“

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VII. Die ersten Phasen des kirchlichen Prozesses

1. Das Gutachten Prierias (Sommer 1518)

Im Sommer 1518 wurde in Rom offiziell der Prozess gegen Luther eröffnet. Zunächst wur-

de Prierias beauftragt, über den Priester und Dozenten aus Wittenberg ein theologisches

Gutachten zu erstellen.

Ermittelt wurde wegen Verdacht auf Häresie (= Abweichung von Grundlehren der Katholi-

schen Kirche – also Ketzerei56).

Prierias rühmte sich, sehr schnell, nämlich binnen drei Tagen, mit der Aufgabe fertig ge-

worden zu sein. Bemerkenswert ist vor allem der Eingangsteil des Dialogs, in dem Prierias

seine vier Grundsätze angibt57:

1) Die Kirche hat ihr Haupt und Zentrum im Papst.

2) Dieser ist in seinen Aussagen über Glauben und Sitte unfehlbar.

3) Wer nicht den Lehren der röm. Kirche und des Papstes von unfehlbarer Glaubensregel,

durch die auch die Schrift autorisiert wird (!), anhängt, ist ein Ketzer. Wer über die

Kirche schlecht denkt ist ein Ketzer.

4) Wer etwas gegen die Ablasspraxis der Kirche sagt, ist ein Ketzer.

Prierias setzte sich kaum mit Luthers Thesen auseinander. Er nahm sich nicht einmal die

Zeit zur Widerlegung. An manchen Stellen redete er an Luther vorbei. Meistens berief er

sich auf Thomas von Aquin. Die Kirche stand für ihn über der Schrift. Er bezeichnete ML

sogar als Ketzerfürst.

Luther reagierte kaum. Er ließ den Dialog einfach nachdrucken und veröffentlichte diesen

mit einigen Glossen. Dieses bemerkenswerte Verfahren, die Gegenseite einfach für sich

sprechen zu lassen, hat Luther auch später mehrfach geübt. Das zeugt von erstaunlicher

Sicherheit. Der Reformator antwortete binnen zwei Tagen. Er betonte die Norm des Evan-

geliums. Er brachte Augustin vor, der allein den biblischen Büchern unfehlbare Autorität

zukommen ließ. Noch im Juni 1519 meinte Prierias, dass der Papst keinen Richter über sich

habe.58

2. Das Verhör vor Cajetan in Augsburg Herbst 1518

Cajetan war päpstlicher Legat für Deutschland und einer der gebildetsten Theologen im

damaligen Rom.

Gegen ML wurde jetzt nicht mehr nur der Verdacht auf Ketzerei erhoben, sondern bereits

seine notorische, offenkundige Ketzerei festgestellt. Der Dozent sollte in Augsburg vor

Cajetan die 95 Thesen widerrufen. Dann würde der Mönch wieder in den Schoß der Kirche

aufgenommen werden. Wie die Reise nach Heidelberg, so auch diese Reise nach Augsburg

bezahlte der Kurfürst Fr. d. Weise für Luther. Cajetan forderte dreierlei59:

56 Heussi, Kompendium der KG, § 14 a 57 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S.234 58 Martin Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 330 59 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 244

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1) Luther sollte in den Schoß der Kirche zurückkehren.

2) Er sollte seine Irrtümer widerrufen

3) Er sollte in Zukunft davon absehen, die Kirchen zu verwirren.

Nun war Luther der Meinung, dass er wegen eines bloßen Widerrufs nicht nach Augsburg

hätte zu kommen brauchen. Er bestand auf eine Disputation. Er hielt dem Legaten vor: Da

selbst Petrus irren konnte (Gal. 2), ist das auch beim Papst nicht auszuschließen. Viele

Papstgesetze mussten schon korrigiert werden.

Der Papst ist auch nicht die oberste Autorität in der Kirche. Er steht unter der Schrift.

Cajetan kam bei der Disputation ins Schreien, und die Augsburger Verhandlungen mussten

daraufhin abgebrochen werden. Der Seelsorger Staupitz, der ebenfalls bei der Disputation

dabei gewesen ist, ermutigte seinen Zögling mit den Worten:

„Du sollst eingedenk sein, Bruder, dass du dieses im Namen unseres Herrn Jesus

Christus begonnen hast.“60

Luther hat diesen Zuspruch nie mehr vergessen.

Am Abend des 22. Okt. 1518 verließ der Disputant fluchtartig Augsburg. Jesus Christus

konnte am Anfang seiner Wirksamkeit nicht gefangen genommen werden. Seine Zeit war

noch nicht da. Ebenso versuchte man Paulus in Damaskus gefangen zunehmen. Doch sollte

das nicht gelingen, da er ein Heidenapostel werden sollte. So durfte auch niemand Luther

fassen, weil er für die Reformation von Gott gebraucht wurde. Cajetan ging nach Rom. Der

Peters-Ablass wurde nun durch ein Dekret verfestigt, was bisher noch nicht geschehen war:

Dem Papst steht die Ablassvollmacht zu, die sich auch auf die Toten im Fegefeuer er-

streckt. Zugleich erging an Friedrich dem Weisen der Appell Luther auszuliefern. Das tat

der Kurfürst jedoch nicht, weil er in dem Dozenten keinen Ketzer vor sich sah.

Fazit: Theologisch hatte Luther in den Auseinandersetzungen mit Prierias und Cajetan die

alleingültige Autorität des Papstes in der Kirche aufgrund des Schriftprinzips hinterfragt.

Daran sind die Augsburger Verhandlungen gescheitert. Luther war nicht zur Revocation

(Widerruf) gebracht worden.

3. Die Mission des päpstlichen Kammerjunkers Karl von Miltitz (1519)

Miltitz61 war nicht sonderlich gebildet. Rom gebrauchte ihn in der Luthersache dennoch,

weil er ein besonderes Verhältnis zu Friedrich d. Weise hatte. Er überbrachte dem Kurfürs-

ten vom Papst die goldene Tugendrose.

Vom 4.-6. Januar 1519 traf Luther mit Miltitz in Altenburg zusammen.

Es kam schließlich zu den sog. Altenburger Abmachungen, die besagten: Wenn die Gegner

Luthers zukünftig schweigen sollten, so wollte der Reformator auch hinfort schweigen.

Am 6. Januar lud Miltitz Luther zum Abendessen ein und verabschiedete sich rührselig von

ihm mit einem Kuss und Tränen. Martin sprach später von dem Judaskuss und den Kroko-

dilstränen.

Die Altenburger Abmachungen brachten für Rom keinen Erfolg. Rom wollte doch mehr:

Man wollte Luther zum Widerruf der 95 Thesen zwingen. Doch das tat Luther nicht.

60 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 248 61 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 255 ff.

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VIII. Der Bund mit dem Humanismus

Philipp Melanchthon Unterdessen lief der Unterricht in Wittenberg fort. Man holte den jungen Hu-

manisten Melanchthon62, der ein enger Freund Luthers werden sollte. Der

Großonkel Melanchthons war Reuchlin, der Humanist.

Philipp Schwarzert, mit seinem humanistischen Namen Melanchthon (der

Schwarze) wurde am 16. Febr. 1497 zu Bretten in der Pfalz geboren. Bereits

mit 16 Jahren wurde er in Tübingen Magister der (sieben) freien Künste. Im

Jahre 1518 wechselte er mit 21 Jahren nach Wittenberg und wurde Professor

für die Fächer Hebräisch und Griechisch. Die Studenten waren von ihm be-

geistert. Seine Vorlesungen waren besser besucht als die Luthers. Er führte eine Studienre-

form durch, die sich viele Universitäten zum Vorbild nahmen (Bildungsreformen). Er ent-

wirft neue Ordnungen für Schulen und Hochschulen. Für das Kurfürstentum führte Melan-

chthon eine umfassende Schulorganisation durch. Er versuchte Pädagogik und Theologie

miteinander zu verknüpfen, so dass er mehrere Katechismen veröffentlichte.

Schon bald wandte sich Melanchthon der Reformation zu. Bereits 1519 begleitet er Luther

zur Leipziger Disputation. Beide Männer wurden enge Freunde.

M.L. sagte selber über Melanchthon, dass dieser gebildeter sei als er.

Luther hat sich einmal mit Melanchthon verglichen und schreibt:

„Ich bin dazu geboren, daß ich mit den Rotten und Teufeln muß kriegen und zu Feld liegen,

darum meiner Bücher viel stürmisch und kriegisch sind. Ich muß die Klötze und Stämme ausrotten, Dornen und Hecken weghauen, die Pfützen ausfüllen und bin der grobe Wald-rechter (Holzfäller), der die Bahn brechen und zurichten muß. Aber Magister Philipps fährt säuberlich still daher, baut und pflanzt, sät und begießt mit Lust, nach dem Gott ihm hat

gegeben seine Gaben reichlich.“63

Im Jahre 1521 gab Melanchthon seine Loci communes heraus (= Hauptbegriffe zum allge-

meinen Nutzen), eine Darstellung der Theologie Luthers. Luther selbst hat nie eine Dogma-

tik geschrieben. Diese aber ist uns durch Melanchthon überliefert.

Auf einigen Reichstagen (Speyer, Augsburg) vertritt Melanchthon die evangelische Sache

und auch an Religionsgesprächen (Marburg, Regensburg und Worms) nimmt er teil.

Melanchthon ist ebenfalls der Verfasser der confessio augustana (Abk. CA: Augsburgische

Bekenntnis), worauf sich noch heute die Evangelischen berufen (wie auch der Apologie der

Augsburgischen Konfession).

Im Jahre 1533 unterstützte Melanchthon den Straßburger Martin Bucer in seinen Bemü-

hungen für eine Konkordia, das heißt in den Bemühungen für eine Vereinigung der Refor-

matoren aus Deutschland und der Schweiz. Beide erwähnten sogar die Institutionalisierung

einer einzigen Kirche. Doch scheiterten wiederum einmal alle Bemühungen an der Auffas-

sung vom Abendmahl, wovon Luther nicht abrücken wollte.64

Im Jahre 1540 war Melanchthon schwer erkrankt, so dass er sogar ans Sterben dachte. Als

Luther den Todkranken besuchte, rief er aus: „Behüte Gott, wie hat mir der Teufel dieses

62 Kurzbiographie bei Kurt Aland, Die Reformatoren, S. 48 f. 63 Brecht: Martin Luther, Bd. 2, S. 239. 64 Brecht: Martin Luther, Bd. 3, 51-57.

Melanchthon www.luther.de

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Organon geschändet.“ Luther betete gegen den Trauergeist Melanchthons. Als er wieder

ins Leben zurückkehrte, ermutigte er den Kranken zu essen, obwohl dieser noch nicht woll-

te. Da setzte Luther Melanchthon unter Druck: „Du musst mir essen, oder ich tue dich in

Bann.“ Melanchthon wurde wieder gesund, so dass Luther voller Freudentränen an Käthe

schrieb: „Ich fresse wie ein Böhme und saufe wie ein Deutscher, das sei Gott gedankt,

Amen.“65

Melanchthon erhielt am Ende eines arbeitsreichen Lebens den Titel „Praeceptor Germa-

niae“ (das Haupt oder der Fürst der Germanen).

Er starb am 19. April 1560. Auf dem Sterbebett wurde Melanchthon gefragt, ob er noch

etwas wünsche. Seine Antwort darauf und sein letztes Wort waren:

„Nichts als den Himmel; darum, fragt mich nicht mehr.“66

IX. Die Leipziger Disputation 1519

Der Theologieprofessor aus Ingolstadt67 und Domherr zu Eichstätt Johann Eck68

(1486- 1543) lud zu einer Disputation nach Leipzig ein. Zunächst wehrte sich die Uni-

versität dagegen. Doch auf Betreiben Herzog Georgs sollte hier die Disputation statt-

finden. Eigentlich sollte es zu einer Auseinandersetzung zwischen Eck und Karlstadt

kommen. Der Theologe Karlstadt aus Wittenberg, Luthers Gefolgsmann, hatte Eck

angegriffen. Luther selbst war zunächst zu dieser Disputation gar nicht geladen. L.

durfte dann doch erscheinen. Eck war ein hervorragender Disputator. Er hatte schon

viele Siege errungen. Die Diskussion dauerte vom 27.Juni bis zum 16.Juli. Zunächst

trafen Eck und Karlstadt aufeinander. Danach war Luther an der Reihe.

Der Reformator aus Wittenberg lehnte die Schlüsselgewalt des Papstes ab. Nach

Mt. 16,18 f. gehören die Schlüssel der Gemeinde. Noch einmal bestritt der Dozent die

Irrtumslosigkeit der Päpste und ihr Monopol der rechten Schriftauslegung. Auch Kon-

zile können irren, so z.B. das Konstanzer Konzil (1414-1418) in der Verurteilung von

Huß. Dieser wäre in seinen Aussagen schon echt evangelisch gewesen. Für Eck war

Luther damit ein Ketzer.

Die Verurteilung des Huß und die Irrtumslosigkeit der Konzile waren dann auch das

Hauptthema der Leipziger Disputation.

Die epochale Bedeutung der Leipziger Disputation lag darin, dass Luther das päpstli-

che Primat angriff und sogar ablehnte.

Zwar betrachtete sich Eck nach der Disputation als Sieger, doch den wahren Sieg trug

die Reformation davon.

Der historische Rang der Leipziger Disputation wird nicht zuletzt darin sichtbar, dass

sie außerhalb der Universitäten zum Vorbild wurde für die zahlreichen Disputationen

der folgenden Jahre, in denen vor allem in den Städten die Entscheidung zwischen Re-

formation und hergebrachtem Glauben gesucht wurde. Als stärkste Waffe erwies sich

dabei die Bibel.

65 Brecht: Martin Luther, Bd. 3, 209-210. 66 Kurt Aland: Die Reformatoren, S. 69. 67 Ingolstadt hatte 1472 die erste bayrische Universität bekommen. Hier ließen sich die Jesuiten nieder. Die

Stadt wurde später zum Zentrum der Gegenreformation. 68 Johann Eck führte die Leipziger Diskussion. Er ist nicht zu verwechseln mit Johann van der Eck, auf dem

Wormser Reichstag 1521 als kaiserlicher Orator diente.

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Luther wollte Kirche und Papsttum zunächst erhalten. Deshalb wurde er nicht gleich

wie Huß als Ketzer verbrannt. Die Zeit war somit auf Luthers Seite, weil das reforma-

torische Gedankengut unters Volk kam. Kurz nach der Leipziger Disputation begann

so mancher Pfarrer mit der Reformation seiner Kirchengemeinde. Nun taucht auch zum

ersten Mal, und zwar im Juli 1519, der Begriff „Lutheraner“ auf. So wurden die

Anhänger der Reformationsbewegung genannt.

Luther schreibt über die „Lutheraner“:

„Man wolle meines Namens geschweigen und sich nicht lutherisch, sondern Christen

heißen. Was ist Luther? Ist doch die Lehre nicht mein. So bin ich auch für niemand ge-kreuzigt... Wie käme denn ich armer stinkender Madensack dazu, daß man die Kinder

Christi sollte mit meinem heillosen Namen nennen.“69

X. Die drei reformatorischen Hauptschriften 1520

Luther entwarf für seine Schriften selbst ein Siegel: Eine weiße Blume, darin

ein rotes Herz mit einem schwarzen Kreuz. Diese sog. Lutherrose sollte seine

Schriften gegen Fälscher und Pseudonyme schützen.

1. An den christlichen Adel deutscher Nation von des christl. Standes Besserung

Der Professor von Wittenberg ruft den Kaiser, die Fürsten und den übrigen Adel zu

einer durchgreifenden Reform auf.70

Der Reformator zeigt zunächst, wie die „drei Mauern der Romanisten“ jede Reform der

Kirche unmöglich machen.

1. Mauer: Die Lehre. Die geistliche Gewalt steht über der weltlichen.

2. Mauer: Der Papst sei der unfehlbare Ausleger der Hl. Schrift.

3. Mauer: Allein der Papst könne ein Konzil einberufen.

Darauf entwickelt Luther ein ausführliches Reformprogramm:

1. Reform des Papsttums

2. Unabhängigkeit des Kaisers und der dt. Fürsten von Rom

3. Reform des christlichen und weltlichen Lebens:

a) Es sollten keine Bettelklöster mehr gegründet werden (die Möncherei ist zur

Abgötterei geworden)

b) Freigabe des Zöllibats

c) Unterbindung des Bettelns: Jede Stadt soll für seine Armen sorgen.

d) Die Theologen sollten anstatt scholastischen Sentenzen die Bibel studieren.

Hier zeigt Luther sich von der pragmatischen Seite. Viele haben sogleich seine Vor-

schläge in die Tat umgesetzt.

69 Brecht: Martin Luther, Bd. 2, S. 41 70 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 352 ff. und Karl Heussi, Kompendium der KG, § 75 u.

Lutherrose www.luther.de

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2. Das „Vorspiel von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ (Okt. 1520)71

Inhalt: Die Sakramente

Das lat. Wort „sacramentum“ bedeutet Weihe. Die Sakramente sind Zeichenhandlun-

gen, die für den Glaubenden heilsam seien und Gnade Gottes vermitteln. Jesus Christus

soll selbst sieben Sakramente eingesetzt haben.

Die 7 Sakramente: Taufe, Kommunion, Eucharistie (Abendmahl), Buße, letzte

Ölung, Priesterweihe, Ehe.

Luthers Schrift gibt eine scharfe Kritik der sieben Sakramente in der römischen Kirche

wieder.

Luther lehnte diese Handlungen als Sakramente ab. Nur zwei, allerhöchstens drei Sak-

ramente konnte er anerkennen: Taufe, Abendmahl und Buße.

Die Priesterweihe lehnte der Wittenberger ab, weil er nun vom allgemeinen Priester-

tum sprach.

Den Seelenmessen zugunsten der Gestorbenen war die Basis entzogen, denn die Ver-

heißung des Sakraments konnte nur persönlich im Glauben empfangen, hingegen nicht

für andere geopfert werden. Auch die Firmung und die Ehe sind aus der Schrift nicht

als Sakramente zu begründen.

Die Sakramente sind durch Rom gefangen. Bei der Eucharistie z.B. wird den Laien der

Kelch vorenthalten. (Nur der Priester trank aus dem Kelch).

Luther setzte sich für ein Abendmahl in beiderlei Gestalt ein, d.h. Kelch und Brot für

die Gemeinde. Ebenso lehnte Martin die Transsubstantiationslehre ab, die besagt, dass

sich bei den Einsetzungsworten des Priesters Brot und Wein in Leib und Blut Christi

verwandeln. Luther hält dagegen: Leib Christi ist aus der Kraft des Wortes im Abend-

mahl da. In Bezug auf die Taufe änderte Luther wenig (siehe: Beurteilung des Reformators Martin

Luther). In der Beichte forderte er ebenfalls eine Reform: Er lehnte die menschlichen

Leistungen (Satisfaktionen) ab.

3. Von der Freiheit eines Christenmenschen72

Die berühmte These - anknüpfend an 1.Kor. 9,19 - lautetet:

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein

Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

Luther beruft sich auf die paulinische Anthropologie, welche den inneren und äußeren

Menschen kennt. Den inneren Menschen, der identisch mit dem Gerechtfertigten ist,

macht kein äußeres Ding frei, noch bindet es ihn. Die Obrigkeit – selbst Papst noch

Kaiser – kann ihn nicht am Glauben hindern.

Der zweite Teil der paradoxen Doppelthese von der Dienstbarkeit des Christenmen-

schen bezieht sich auf den äußeren Menschen, der noch im Fleisch steckt und sichert

die Konzeption gegen das Missverständnis des Libertinismus ab.

Der äußere Mensch bedarf noch der Bezähmung des eigenen Leibes. Die Dienstbarkeit

gehört ferner zum Verhältnis zum Mitmenschen. Deshalb braucht es die Ordnung im

Staat.

71 Brecht, Martin Luther, Bd. 1, S. 362 ff. und Karl Heussi, Kompendium, § 62 und 75 r. 72 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 386 ff.

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Ihren berühmten Höhepunkt erreicht die Freiheitsschrift mit der Beschreibung des

Verhältnisses von Christus und der Seele als dem zwischen Bräutigam und Braut, de-

ren Brautring der Glaube ist, die alle ihre Güter in einer „fröhlichen Wirtschaft“ aus-

tauschen: Christus schenkt seine Gerechtigkeit und Seligkeit, und das „arme Hürlein“

gibt seine Sünde hin.

XI. Der Bann (1520)

Zunächst wurde in Rom eine Kommission gebildet (9. Jan. 1520) mit Cajetan an der

Spitze, die gegen Luther bestimmte Maßnahmen ergreifen sollte. Dies missglückte. Am

25. März 1520 wurde mit Eck eine zweite Kommission gebildet. Am 2. Mai referierte

Eck dem Papst den Entwurf der Bulle auf dem Jagdschloß Magliana, wo dieser sich

wegen der Wildschweinjagd aufhielt. Zwar fehlte dann die Unterschrift von Papst Leo

X. auf der Bannandrohungsbulle – zum Entsetzen Ecks - aber dennoch hatte sie ihre

Gültigkeit. Die Bannandrohungsbulle bekam ihren Namen aus Ps. 74, 22 „Exurge

Domine“, d.h. „Erhebe dich Herr und führe deine Sache“.

In der Bulle werden alle Schriften und Äußerungen Luthers verdammt, sie dürfen nicht

gelesen, verbreitet oder aufbewahrt werden. Universitäten sollen bei Zuwiderhandlung

ihre Privilegien verlieren. Luther darf nicht mehr predigen.

Der Mönch soll an Rom ausgeliefert werden. Ein Ort, an dem er sich aufhält, verfällt

nach drei Tagen dem Interdikt (Verbot gewisser heiliger Handlungen). Binnen 60 Ta-

gen – nach Anschlag der Bulle – besteht für Luther noch die Möglichkeit der Revocati-

on.

Eck ließ die Bulle, wie vorgeschrieben, zunächst am 21. Sept. 1520 in Meißen, am 25.

in Merseburg und am 29. in Brandenburg anschlagen. Damit war sie formal rechts-

wirksam und auch für Kursachsen verbindlich. Eck getraute sich selbst nicht, kursäch-

sisches Gebiet zu betreten. Deshalb ließ er durch eine Kurie die Bulle nach Wittenberg

bringen.

Die Bulle sollte Luther exkommunizieren. Ex – Kommu-

nikation heißt, dass die Kirche keine Gemeinschaft mehr

mit Luther hat. Der Mönch aus Wittenberg reagiert gelas-

sen. Er sagte: “Wie sie mich exkommunizieren nach ihrer gottesläster-

lichen Häresie, so exkommuniziere ich sie nach der hei-

ligen Wahrheit Gottes. Christus wird als der Richter se-

hen, welche Exkommunikation bei ihm gilt.“73

In Erfurt wurde die Bannandrohungsbulle sogar ins Was-

ser geworfen. In Köln und Mainz dagegen kam es zur

Verbrennung von Luthers Schriften. Aber in Leipzig wiederum wurde die Bulle be-

schmutzt (Leipzig war bei der Disputation noch gegen Luther gewesen).

Am 10. Dez. 1520, genau 60 Tage nach dem die Bulle nach Wittenberg übermittelt

worden war, lud Melanchthon durch einen Anschlag an der Stadtkirche alle diejenigen

ein, denen es um die evangelische Wahrheit ging, sich um 9 Uhr bei der außerhalb des

Elstertors gelegenen Heiligkreuzkapelle einzufinden. Hier nun sollte die Bannandro-

73 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 392.

Verbrennung der Bannandru-

hungsbulle www.luther.de

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hungsbulle verbrannt werden. Die Verbrennungsaktion wurde von Johann Agricula74

geleitet.

Bei dieser Gelegenheit wurden auch mehrere Ausgaben des kanonischen Rechts ver-

brannt. Diese Akten stellten das gesamte kirchliche Rechtssystem dar.

Schließlich trat Luther selbst „zitternd und betend“, wie später Staupitz berichtete, an

das Feuer heran und warf die Bannandrohungsbulle hinein. Die Kunde hiervon versetz-

te die gesamte Nation in Erregung. Am 3. Jan. 1521 wurde in Rom die eigentliche

Bannbulle erstellt. Doch sie fand wenig Beachtung.

XII. Luther und der Wormser Reichstag von 1521

In der geschichtlichen Erinnerung hat sich der Wormser Reichstag fest mit Luthers

größtem historischem Auftritt, seinem Erscheinen vor Kaiser und Reich, verbunden.

An sich stand der „Fall Luther“ gar nicht auf der Tagesordnung des Reichstages. Fr. d.

Weise setzte sich dennoch dafür ein, dass Luther gehört werde. Der päpstliche Beauf-

tragte Aleander am kaiserlichen Hof verlangte dagegen, dass der Kaiser dem Bann ge-

gen Luther die Reichsacht folgen ließ, so wie es bisher stets gehandhabt worden war.

Der päpstlichen Bannbulle folgte von der politischen Seite automatisch die Reichs-

acht.75 Dieses Gesetz wurde jetzt gebrochen und Luther wurde vernommen.

Hieronymus Aleander

ALEANDER, Hieronymus (Girolamo Aleandro), italienischer Humanist und päpstlicher Diplomat, * 13.2. 1480 in Motta bei Treviso in der venezianischen Provinz Friaul als Sohn eines Arztes, † 31.1. 1542 in Rom. - A. studierte in Venedig und Padua und wirkte seit 1499 in Venedig als Lehrer der alten und orientalischen Sprachen. A. ließ sich 1508 in Paris als Lehrer der alten Sprachen nieder und führte in Frankreich das methodische Studium des Griechischen ein. 1516 wurde A. in Rom Geheimschreiber des Kardinals Giulio de Medici. Juli 1519 ernannte ihn Leo X. zum Bibliothekar der Palatina und sandte ihn September 1520 als Nuntius an den Hof Karls V., um Kaiser und Reich gegen den Wittenberger Ketzer mobil zu machen auf Grund der Bulle »Exsurge Domine« vom 15.6. 1520. Als Nuntius spielte A. eine wichtige Rolle auf dem Reichstag zu Worms. In seiner berühmten Aschermittwochsrede vom 13.2. 1521 verlangte er, an Martin Luther ohne Verhör den Kirchenbann zu vollziehen, konnte aber seine Forderung nicht durchsetzen, so dass Luther geladen wurde. Mit allem Eifer arbeitete A. darauf hin, dass der Kaiser 25.5. 1521 das Wormser Edikt, des-sen erster Entwurf von ihm stammt, unterzeichnete. Clemens VII. ernannte 1524 A. zum Erzbischof von Brindisi und zugleich zum Nuntius bei Franz I. von Frankreich, mit dem er 24.2. 1525 bei Pavia in Gefangenschaft geriet. 1531/32 war A. zum zweiten Mal Nuntius bei Karl V. und verwaltete 1533-35 die Nuntiatur in Venedig. Er wurde März 1538 Kardinal und ging einige Wochen später als Kon-zilslegat nach Vicenza und Spätsommer 1538 an den Hof Ferdinands I. als Vertreter des Papstes, gewann aber keinen Einfluss auf die Ausgleichsverhandlungen der religiösen Parteien Deutsch-lands. Darum kehrte er Ende 1539 nach Rom zurück. - A.s Depeschen vom Reichstag zu Worms und sein Tagebuch sind wichtige Quellen für die Reformationsgeschichte.76

74 Johann Agricola, eigtl. J. Schneider oder Schnitter war ein Schüler Luthers, seit 1525 Pfr. und Leiter der

Lateinschule in Eisleben. Hier schuf er die erste ev. Schulordnung; 1536-40 Prof. in Wittenberg, seit 1540 in

Berlin Hofprediger, Generalsuperintendent und Visitator des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg. Ag-

ricola gab die erste hochdt. Sprichwortsammlung heraus. (Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 1, 1986, S. 230). 75 Hauschild: Lehrbuch § 11, Kap. 8.3, S. 45f. 76 BBKL: Band I (1990)Spalte 98 Autor: Friedrich Wilhelm Bautz: „Aleander“. http://www.bautz.de/

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Am 8. Febr. 1521 beschrieb Aleander die für Rom ungünstige Stimmung sehr düster:

„Ganz Deutschland ist in hellem Aufruhr; neun Zehntel erheben das Feldgeschrei ´Luther`, und für das übrige Zehntel, falls ihm Luther gleichgültig ist, lautet die Losung wenigstens ´Tod dem römischen Hof´, alle aber haben die Forderung eines Konzils auf ihre Fahnen geschrieben, das in Deutschland abgehalten werden soll.“77

Luther bekam vom Kaiser ein Geleitgesuch (den kaiserlichen Schutz. Bei Johannes

Huß gab es Geleitbruch. Deshalb stellten auch Fr. d. Weise und Herzog Georg von

Sachsen Luther Geleitsbriefe aus). Seinen Begleitern legte Luther auf der Reise das

Buch Josua als Abbild des Evangeliums aus. Einige rieten dem Mönch, nicht nach

Worms zu ziehen, woraufhin der Wittenberger antwortete:

„Aber Christus lebt und wir werden nach Worms einziehen gegen den Willen

aller Pforten der Hölle und Mächte der Luft.“78

Luther war fest entschlossen, nach Worms zu kommen, „wenn gleich so viel Teufel

drinnen wären als immer Ziegel da wären.“ Luther erhielt einen triumphalen Einzug in

Worms.

Kaiser Karl V. und sein Reich König79 Karl V. (1500-1558) von Aragonien (1516, d. i. Spanien) und nach dem Tod seines

Großvaters Maximilian I. (1519) auch Erbe der habsburgischen Krone wurde am 28. Juni 1519

zum Kaiser des Heiligen-römischen Reiches Deutscher Nation gewählt. Die Kaiserkrönung

erfolgte offiziell 1520 im Kaiserdom zu Aachen. Zu seinem Reich gehörten Germanien, Nie-

derlande, Teile von Spanien (Navarra, Aragon, Granada und Kastilien), Teile von Italien (Nea-

pel), Sizilien, Sardinien, Burgund, Österreich, Böhmen, Ungarn und Dalmatien. Der Kaiser

pflegte zu sagen, dass in seinem Imperium die Sonne nie untergehe, weil auch überseeische

Kolonien zu seinem Reich gehörten. Auseinandersetzungen gab es vor allem mit Franz I. von

Frankreich (1515-1547) im Krieg um Norditalien und Burgund (1521-1526). Kaiserliche Söld-

nertruppen plünderten 1527 Rom (Sacco di Roma), weil Papst Klemens VII. (1523-1534) sich

auf die Seite Frankreichs geschlagen hatte. Erst 1529 kam es durch die Vermittlung der Mütter

von Karl V. und Franz I. zum sogenannten „Damenfrieden“ von Cambrai. Karl V. hat Deutsch-

land kaum besucht, nur auf den Reichstagen betrat er deutschen Boden. Nach dem Wormser

Reichstag 1521, wo er eine Revokation (eine Widerrufung) von Martin Luther forderte und die

Reichsacht über ihn verhängte, kam er erst wieder 1529 zum Reichstag von Speyer nach

Deutschland. Er versuchte die Reichsacht durchzusetzen, stieß aber auf heftigen Protest von

fünf evangelischen Fürsten und vierzehn Reichsständen (Protestation zu Speyer = Protestan-

ten). Nun wurde die Reichsacht bis zu einem allgemeinen Konzil ausgesetzt. Nach dem Frie-

den mit Franz I. von Frankreich und Papst Klemens VII. wurde Karl V. 1530 in Bologna vom

Papst zum römischen Kaiser gekrönt (die letzte Krönung eines deutschen Kaisers durch den

Papst). Im gleichen Jahr erschien Karl V. auf dem Reichstag zu Augsburg, wo die Evangeli-

schen ihre „confessio augustana“ (das Augsburgische Bekenntnis) durch Philipp Melanchthon

proklamierten. Eine Einigung konnte nicht erwirkt werden und weitere Differenzen sollten auf

einem Konzil besprochen werden. 1532 kam es zum „Nürnberger Religionsfrieden“ („Nürn-

berger Anstand“: Aufhebung der Reichsacht) zwischen den Evangelischen und Karl V., weil

das habsburgische Reich durch die Türken hart bedrängt wurde (1529 stand die osmanische

77 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 419. 78 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 428. 79 Meyers Illustrierte Weltgeschichte, Bd. 14 „die Reformation im Westen, neue Reiche im Osten“, Mann-

heim, Wien, Zürich, 1980, 8-27. Ferner: BBKL Band III (1992) Spalten 1140-1151 Autor: Urs Leu: „Karl V.“

http://www.bautz.de/

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Streitmacht mit 120.000 Mann vor den Toren Wiens). Als aber in den kommenden Jahren wie-

der Ruhe im Kaiserreich eingekehrt war, wandte sich Karl V. gegen die Evangelischen. Es kam

zu einem Krieg. 1447 besiegte das kaiserliche Heer das evangelische Bündnis von Schmalkal-

den. Die daraus entstehenden Vorteile konnte der Kaiser allerdings nicht nutzen, denn auf dem

Augsburger Reichstag von 1548 erschien er mit einer bewaffneten spanischen Garnison („ge-

harnischter Reichstag“), so dass sich die deutschen Fürsten „wider die viehische spanische

Servitut“ einmütig erhoben. 1552 musste der Kaiser sogar eine Niederlage einstecken und wur-

de von Moritz von Sachsen, der sich auf die Seite der Evangelischen geschlagen hatte, aus dem

Reich verdrängt, so dass er nach Kärnten fliehen musste. Es kam schließlich zum Augsburger

Religionsfrieden 1555. Die Augsburger Verhandlungen hatte Karl V. bereits seinem Bruder

Ferdinand übergeben, denn zuvor dankte er ab.

Luther vor Kaiser und Reich

Der Kaiser war kein Absolutist mehr. Der Reichstag gab jeweils zu den Beschlüssen

seine Zustimmung. Der Reichstag bestand aus Kurfürsten (nur sie durften einen Kaiser

wählen), aus den Reichsständen und den Städten.

Am 17. April 1521 sollte Martin um 16°° Uhr vor dem Reichstag erscheinen. Er fühlte

sich schwach und konnte kaum etwas sagen. Als kleiner Mönch fühlte er sich zu gering

vor dem Kaiser. Er erbat sich Bedenkzeit. Am 18. April 1521 erschien Luther erneut

zur gleichen Zeit vor dem Kaiser und dem Reich.

Diesmal war er gewappnet (Mt. 10, 18). Luther begründete mit lauten Worten, weshalb

er nicht widerrufen könne. Er griff das Papsttum und die Kirchengesetze an und sprach

von der Tyrannei der Gläubigen.

Unter Berufung auf den Prozess Christi vor dem Hohen Rat forderte er vom Kaiser,

den Ständen und jedermann, durch Beweise widerlegt zu werden. Gelten sollte das

Zeugnis der hl. Schrift. Luther erklärte sich sofort bereit, jeden Irrtum zu widerrufen,

nachdem er bekehrt worden sei, und als erster seine Bücher selbst zu verbrennen.

Vor dem Kaiser bekannte der Reformator: „Gott muss man fürchten.“ Die Gegenseite

hielt Luther vor, er würde die Schrift nach seinem Kopf auslegen. Ferner hielt der

päpstliche Legat krampfhaft an die Kirchengesetze fest. Darüber dürfte man nicht dis-

kutieren. Zum Schluss forderte man den Widerruf von dem Mönch. Darauf folgt Lu-

thers berühmt gewordene abschließende einfache Antwort:

„Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift oder einsichtige Vernunftgründe widerlegt werde – denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilen allein, da es feststeht, dass sie öfter girrt und sich widerspro-chen haben - , bin ich durch die von mir angeführten Schriftworte bezwungen. Und solange mein Gewis-sen in Gottes Worten gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es unsicher ist und die Selig-keit bedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“80

Die Wendung „Ich kann nicht anders, hier stehe ich“ findet sich erst in einem späten

Druck.

Luther konnte gegen das Wort, das ihm die Seligkeit verhieß, nicht verstoßen. Sola

scriptura (allein die Bindung an die Schrift), das war sein Lebensmotto.

Luther wusste, was ihm blühen würde: Die Reichsacht, die Auslieferung an den Kaiser

und Papst, ohne dass jemand ihn schützen würde.

Folgen der Reichsacht81:

1) Als verurteilter Ketzer war Luther vogelfrei und durfte von niemandem aufge-

nommen werden. Er muss an den Kaiser ausgeliefert werden.

2) Seine Anhänger werden mit Gefängnis oder Güterkonfiskation bedroht.

80 Brecht: Martin Luther, Bd. 1, S. 438 f. Auch bei Hauschild: Lehrbuch § 11, Kap. 8.3.3, S. 47. 81 Hauschild: Lehrbuch § 11, Kap. 8.3.4, S. 47.

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3) Seine Schriften wurden verboten. Sie durften nicht mehr gelesen werden.

4) Im ganzen Reich sollte der Buchdruck der bischöflichen Zensur unterliegen.

Da unternahm Friedrich der Weise bereits die ersten Gegenmaßnahmen. Er wollte den

Wittenberger von der Bildfläche verschwinden lassen.

Auf der Rückreise predigte der Reformator trotz Predigtverbots, weil Gottes Wort nicht

gebunden ist! Als Martin sich am 4. Mai auf der Rückreise befand, wurde die Reisege-

sellschaft bei der Burg Altenstein (Eisenach) überfallen.

Sein Begleiter Amsdorf82 floh. Luther wurde dann abends um 23°° Uhr auf die Wart-

burg gebracht. Hier war Luther in Sicherheit. Niemand konnte ihn antasten.

Am 26. Mai erfolgte das Wormser Edikt. Der Kaiser verlangte, dass alle Reichstände

zustimmten; doch das geschah nicht. Außerdem waren einige Fürsten bereits abgereist.

Deshalb wurde das Edikt auf den 8. Mai zurückdatiert, als alle Fürsten noch da waren,

um den Anschein der Einmütigkeit zu erwecken.83 Fr. d. Weise bat den Kaiser Karl V.,

ihn mit der Zustellung des Edikts zu verschonen, was auch de facto geschah.

Der sächsische Kurfürst konnte jahrelang so tun, als existiere das Wormser Edikt für

ihn nicht.

82 Nikolaus Amsdorf war vertrauter Freund und enger Mitarbeiter Luthers. Prof. der Theol. in Wittenberg, an

Luthers Bibelübersetzung beteiligt. 1524 wurde er von Luther in Naumburg zum ersten ev. Bischof ordiniert.

In den adiaphoristischen Streitigkeiten kämpfte er als strenger Lutheraner gegen das Leipziger Interim. Ams-

dorf war Mitbegründer der Universität Jena und wirkte an der Jenaer Lutherausgabe mit. (Brockhaus Enzyk-

lopädie, Bd. 1, 1986, S. 514). 83 K. D. Schmidt, KG, 1984, S. 332.

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TEIL III ORDNUNG UND ABGRENZUNG DER

REFORMATION

1. Die Wartburgzeit (Mai 1521 – März 1522)

(4. Mai 1521 – 1. März 1522 )

Nach dem Wormser Reichstag wurde Martin Luther von Friedrich dem Weisen auf der

Wartburg versteckt. Dort blieb Luther 10 Monate vom 4. Mai 1521 bis 1. März 1522,

wobei das Datum 1. März unsicher ist.

Hier weilte der Reformator als Junker Jörg auf seinem Patmos. Vor allem entstand auf

der Wartburg Luthers deutsche Übersetzung des Neuen Testamentes.

Er begann die Übersetzung Dez. 1521 und brachte sie in 2 ½ Monaten zum Abschluss,

zugrunde liegen die Vulgata (lat.) und die lateinische Übersetzung des Erasmus, der

griechische Text ist nur gelegentlich berücksichtigt. Die Arbeit erschien mit bedeutsa-

men Vorreden, Sept. 1522. Deshalb heißt diese erste Ausgabe auch die „Septemberbi-

bel“.84

Die ganze Bibel in Luthers Übersetzung erschien 1534. Auf der Wartburg entstanden

noch andere Schriften: Zum Beispiel das „Büchlein von der Beichte“, eine Sammlung

von Predigten. Luther war ein wenig vom Sturm der Zeit entrissen worden.

Er hatte bis hierher viel leiden müssen. Nach der Wiederentdeckung des Evangeliums

und dessen Verteidigung konnte er nun endlich das Evangelium allen Menschen zu-

gänglich machen. Es gab nur lateinische und niederdeutsche Ausgaben, die manuell

kopiert werden mussten. Nur der Klerus besaß diese Ausgaben. Die Übersetzung Lu-

thers wurde so populär, dass der sächsische Sprachdialekt Luthers sich zur hochdeut-

schen Sprache entwickelte und durchsetzte.

Das Volk, das kein Latein verstand, hatte keine Bibel. Nun konnte dieser Hunger nach

dem Wort Gottes, nach der Wahrheit, endlich gestillt werden. Das Volk konnte mit der

Methode von Apg. 17, 11 die röm. - kath. Lehre überprüfen. Die Buchdruckerkunst

ermöglichte eine rasche Verbreitung.

Trotz der Bannbulle und der Reichsacht konnte das reformatorische Feuer nicht ge-

löscht werden. Das lag zum einem daran, dass Papst Leo X. im Jahre 1521 starb.

Kaiser Karl V. (1519 – 1558) konnte sich ebenfalls nicht mehr um die Durchsetzung

der Reichsakt bemühen, da dieser außerhalb Deutschlands genug mit seiner Politik zu

tun hatte. Er hatte mit Frankreich zu kämpfen, das immer mehr erstarkte (1521 –1526

Krieg mit Frankreich). Überhaupt waren England, Frankreich und Spanien geschieden.

Das bedeutete auch eine Aufspaltung der katholischen Welt und zugleich deren

Schwächung.

Im Osten erfolgten die Angriffe der Türken, die 1529 schon vor Wien standen. In

Deutschland selbst erstarkte das Nationalfürstentum, das dem Kaiser immer mehr

Macht nahm (Teppich - Deutschland). Somit wurde das Wormser Edikt kaum noch

beachtet. Das reformatorische Gedankengut konnte sich ungehindert verbreiten, so zum

Beispiel in Wittenberg; wie es um diese Stadt steht, das wollen wir im nächsten Ab-

schnitt betrachten.

84 Martin Brecht: Martin Luther , Bd. 2 (Ordnung und Abgrenzung der Reformation), S. 53 ff.

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2. Die Wittenberger Unruhen während Luthers Abwesenheit

( Mai 1521 – 6. März. 1522)85

Während Luther auf der Wartburg weilte, schritten seine Anhänger in Wittenberg zu

praktischen Reformen. Der führende Kopf der Erneuerungsbewegung war Karlstadt

(Prof. zu Wittenberg, bekannt durch die Leipziger Disputation).

Die Neuerungen begannen damit, dass im Frühjahr 1521 einige Priester in den Ehe-

stand traten, wozu Luther in der Schrift an den Adel geraten hatte. Karlstadt dehnte

diese Forderung sogar auf die Mönche und Nonnen aus.

Luther hatte bereits anhand von Römer 14, 23 (was nicht aus Glauben geschieht, ist

Sünde) auf die Nichtigkeit der Klostergelübde hingewiesen. Im November traten dann

de facto von den 40 Augustinermönchen zu Wittenberg 15 aus (darunter Zwilling, der

die Reformbewegung zu Wittenberg noch beschleunigte). Die Mönche verbrannten

ihre „ Abgötter“, d.h. die Bilder in der Klosterkirche und das für die letzte Ölung (unc-

tio extrema) bestimmte Öl.

Am 6. Januar 1522 treffen sich unter dem Vorsitz des Generalvikars Link die Augusti-

nermönche in Wittenberg. Auf sein Betreiben löste sich die deutsche Augustiner Kon-

gregation tatsächlich auf.

Auch im Gottesdienstlichen Leben gab es Reformen. Zunächst nahm Melanchthon mit

seinen Schülern das Abendmahl unter beiderlei Gestalt (sub utraque) ein, das heißt die

Abendmahlsteilnehmer erhielten auch den Kelch, der ihnen bis dahin vorenthalten

wurde.

Weihnachten 1521 hielt Karlstadt in der Stadtkirche86 mit 2000 Teilnehmern eine

Abendmahlsfeier (sub utraque), ohne Messgewänder, ohne Messkanon, ohne vorange-

hende Beichte. Dabei wurde der Gottesdienst in deutscher Sprache gehalten.

Zu den Wittenberger Reformen trugen auch die aus Zwickau kommenden Tuchmacher

Nikolaus Storch und Thomas Drechsel bei. Sie betonten vor allem die Geistesleitung,

wodurch es zu Visionen und prophetischen Aussagen kam. Außerdem lehnten sie die

Kindertaufe ab. Sie forderten die Abschaffung aller römisch-katholischen Traditionen.

Diese Spiritualisten aus Zwickau wurden von Luther „Zwickauer Propheten“ genannt.

Sie zogen weiter, nachdem Luther aus seinem „Exil“ zurückgekehrt war.87

Schließlich kommt es dann am 6. Febr. 1522 zum Wittenberger Bildersturm. Karlstadt

hatte zuvor eine Flugschrift unter dem Titel „Von Abtuhung der Bylder“ veröffentlicht,

die auf große Resonanz stieß.88 Nun wurden die Bilder aus allen Kirchen zu Witten-

berg entfernt. Das erregte in ganz Deutschland großes Aufsehen.

85 Heussi, Kompendium der KG, § 76 c-g; Kurt Aland, Geschichte der Christenheit, II, S. 89 ff.; Martin

Brecht: Martin Luther, Bd. 2, Ordnung und Abgrenzung der Reformation, S. 64 ff. 86 Diese Gottesdienstfeier wurde auch in der Schlosskirche wiederholt. Hauschild: Lehrbuch § 11, Kap. 9.2.2,

S. 52. 87 Hauschild: Lehrbuch § 11, Kap. 9.2.3, S. 52. Karlstadt lehnte auch auf einmal (vielleicht unter Einfluss der

Zwickauer?) jegliche höhere Bildung ab, woraufhin die städtische Lateinschule geschlossen wurde und viele

Studenten die Universität verließen, um ein Handwerk auszuüben. Ders., ebd., S. 53. 88 Hauschild: Lehrbuch § 11, Kap. 9.2.3, S. 53.

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Es kam auch zu einigen Tumulten. Es fehlte eine starke Führungskraft. Deshalb sollte

Luther zurückkehren.

Tatsächlich ging Martin gegen den Willen des Kurfürsten am 6. März 1522 nach Wit-

tenberg zurück. Durch seine Invocavitpredigten (in der Woche nach dem Sonntag Invocavit

jeden Tag gehaltenen Predigten vom 9. bis zum 16. März)89 stellte er die Ruhe in Wittenberg

wieder her. Sein Hauptvorwurf gegen die Wittenberger ist der, dass sie bei allen richti-

gen Erkenntnissen das Entscheidende haben vermissen lassen, nämlich die Liebe, die

Rücksichtnahme auf die Schwachen.

Reformen in der Kirche dürften niemals von oben nach unten durchgeführt werden,

sondern müssten immer von unten nach oben wachsen. Erst müsse man das Gewissen

der Gemeindemitglieder überzeugen, dann würden das Alte und die Missbräuche von

allein hinfallen. Luther beseitigt, was theologisch nicht tragbar ist, und führt wieder

ein, was er von früh an unter die „Adiaphora“90 gerechnet hat, das, was für den Glau-

ben keine entscheidende Bedeutung hat, und zwar so lange, bis die Gemeinde ganz für

das Neue reif ist. Wiedereingeführt wurde die lateinische Sprache der Messe. Erst 1525

wurde die deutsche Messe (Gottesdienst in deutscher Sprache) endgültig eingeführt.

Thomas Münzer tat das in Allstedt bereits 1523.

Neben der herkömmlichen Eucharistiefeier (communio sub una, unter einer Gestalt)

ließ Luther nun auch das Abendmahl unter beiderlei Gestalt feiern. Dennoch schaffte er

die Messgewänder wieder herbei. Dazu auch die Elevation der Hostie (Hin- und Her-

schwenken des Brotes), die erst 1543 abgeschafft wurde.

Der Bildersturm wurde trotz der missbräuchlichen Bilder- und Heiligenverehrung

scharf verworfen. Die Priesterehe und der Austritt aus den Klöstern wurden freigege-

ben.

Lediglich Karlstadt gab sich nicht zufrieden und beharrte auf einer Durchsetzung der

schriftgemäßen Reformen ohne Rücksicht auf die Anhänger des Alten. Aber er war

weitgehend isoliert, und das Predigen, für das er eigentlich keinen Auftrag hatte, wurde

ihm untersagt. Karlstadt übte aber weiter seine Lehrtätigkeit aus und war seit dem

Sommer 1522 Dekan der theologischen Fakultät. Sofern er sich ruhig verhielt, war man

bereit, ihn zu ertragen.

Mit diesen sparsamen Reformen seit dem Frühjahr 1522 setzte sich die Reformations-

bewegung in ganz Deutschland langsam durch.

89 siehe auch www.luther-predigt.de 90 griech.: nicht Unterschiedenes. Alles, was (sittlich) neutral ist.

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3. Das bewegte Jahr 1525

3.1. Von 1522 – 1525 Die folgenden Reichstage91 1522 und 1524 in Nürnberg brachten für die katholische

Front keine Erfolge. Im Gegenteil, viele Städte und Reichsfürsten lehnten rigoros die

Durchführung des Wormser Edikts ab. Eine konfessionelle Spaltung Deutschlands war

unaufhaltsam. Manche katholischen Städte schlossen sich zum Dessauer Bund (1525) zusammen, um der evangelischen Gefahr entgegenzutreten. Daraufhin gründeten die

Evangelischen einen Gegenbund den Gotha – Torgauer.

3.2. Das Jahr 1525 3.2.1. Friedrich der Weise

In diesem Jahr stirbt der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise.92 Das war dennoch

kein Schlag ins Gesicht gegen die Evangelischen. Denn auch die Nachfolger Ku r-

f ü rs t J oha nn , d e r Bes t än d i ge (1525 – 1532: Begründer des Schmalkaldischen

Bundes)93 und dessen Sohn J oha nn Fr i ed r ich , d e r G ro ßm üt i ge (1532 –

1547)94, trugen zur Durchführung der Reformation bei.

Vor dem Tod nimmt Friedrich d. Weise das Abendmahl unter beiderlei Gestalt.95

3.2.2. Karlstadt trennt sich von Luther

Die Trennung erfolgte innerlich eigentlich schon früher.

Die Trennung erfolgt auf Grund von mehreren Gründen:

a) Karlstadt führte nach Luthers Aufsicht die Reformen zu rigoros durch. Er nehme

keine Rücksicht auf die Schwachen. Karlstadt hatte den Empfang allein des Brotes

in der Kommunion zur Sünde erklärt96

b) Karlstadts Abendmahlslehre: Leugnung der Realpräsenz. Die Formel „dies ist“ der

Einsetzungsworte Jesu aus Mt. 26,26.28 beziehe sich nach Karlstadt auf den

menschlichen Leib Jesu (und nicht auf das Brot). Auf seinen Leib hätte Jesus mit

der Hand gezeigt (er habe nicht auf das Brot gezeigt). Luther hielt dagegen: Wie

Jesus überall auf der Welt gegenwärtig ist, so ist er auch im Abendmahl, ja im Brot

und im Wein gegenwärtig (Ubiquität Christi).97

91 Heussi, Kompendium, § 76 n; K.D.Schmidt, Kirchengeschichte, S. 339 d. 92 Heussi, Kompendium, § 76 93 Abb. bei M. Brecht: Martin Luther, Bd. II, S. 236 94 Johann Friedrich, der Großmütige, war ab 1532 Kurfürst von Sachsen. Zusammen mit Philipp v. Hessen

wurde er der Führer des Schmalkaldischen Bundes. 1547 wurde er von den vereinigten kaiserlichen Truppen

bei Mühlberg / Elbe geschlagen, gefangengenommen, von einem kaiserlichen Gericht zum (Schein-)Tode

verurteilt und begnadigt. Im Wittenberger Vertrag (19.5.1547) verlor J. seine Kurwürde und bis auf den thü-

ring. Besitz den größten Teil seines Landes. 1552 wurde er aus der Haft Karls V. entlassen, in der er jedes

Zugeständnis in Glaubensfragen verweigert hatte. Nach dem Verlust Wittenbergs veranlasste er die Gründung

der Univ. Jena (1548). 95 Brecht: Martin Luther, Bd. II, S. 182. 96 Brecht: Martin Luther, Bd. II, S. 35. 97 M. Brecht: Martin Luther, Bd. 2, Ordnung und Abgrenzung der Reformation, S. 158 ff.

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c) Karlstadts Offenheit für die „Schwärmer“

Die Zwickauer Propheten kamen nach Wittenberg und stifteten dort große Verwir-

rung.98 Sie lehnten die Säuglingstaufe ab, weshalb sie auch „Wie-

dertäufer“ genannt wurden. Sie legten zudem viel Wert auf unmit-

telbare Offenbarungen und Erleuchtungen. Zukunftsvisionen wur-

den verbreitet. Die Zwickauer Propheten wurden alsbald aus Wit-

tenberg vertrieben. Dennoch breiteten sie sich aus. Wohl auch zu

Unrecht hat M. Luther sich gegen die Zwickauer Propheten ausge-

sprochen.

Fazit: Karlstadt verließ Wittenberg und führte fortan ein unruhiges

Wanderleben. Aus Kursachsen wurde er nämlich vertrieben. Er wirkte

in Straßburg und Rothenburg ob der Taube, wo er wiederum verjagt

wurde und daraufhin als „verlorener reuiger Sohn“ für 8 Wochen im

Hause Luthers Zuflucht fand. Später wirkte er in Holstein und Ostfriesland (1529).

Karlstadt starb 1541 als Geistlicher und Professor in Basel.

Kleiner Exkurs über die Reformation in Ostfriesland99 Schon Graf Edzard I,., der Beherrscher des Landes (1491 – 1528) las in der

Muße des Alters gern Luthers Schriften. Der Rat und Vertrauter des Grafen, Ul-

rich von Dornum, bekam die Herrlichkeit Oldersum (bei Emden). Dieser setzte

sich alsbald an die Spitze der Reformationsbewegung. Die ersten reformatori-

schen Prediger tauchen bereits ab ca. 1524 in Ostfriesland auf. Georgius

Aportanus100 (Jürgen vam Dare) aus Wildeshausen (Erzieher der drei Söhne

Edzards) predigt mit vollem Eifer in Emden reformatorisch (1524). Als er ein-

mal von der Gegenseite aus Emden ausgestoßen wird und im Freien reforma-

torisch predigt, da holt ihn Edzard I. kurzerhand wieder zurück. Zur gleichen

Zeit beginnen auch in den anderen ostfriesischen Städten die reformatorischen

Erneuerungen. In Aurich predigt ein gewisser Hinrich Brun reformatorisch, in

Oldersum Hinrich Arnoldi, in Leer Lübbert Cansen (1525) und in Norden Jo-

hann Stevens und der Niederländer Hinne Rode. Die Erfindung der Buchdru-

ckerei trug dazu bei, dass Luthers Schriften in großer Auflage verbreitet wer-

den konnten, so dass sie kurz nach dem Ausbruch der Reformation in Witten-

berg auch das abgelegene Land an der friesischen Küste erreichten. 1526 lädt

Ulrich von Dornum zum Oldersumer Religionsgespräch ein. Die Katholiken

wollten in Latein disputieren. Hauptredner auf evangelischer Seite war Aporta-

nus. Er referierte und disputierte in deutscher Sprache, damit auch das Volk

die Theologie der Rechtfertigung versteht.

Schon bald wurden viele reformatorische Prediger durch die Schriften

Karlstadts und Zwinglis beeinflusst. Das Abendmahl wurde symbolisch gedeu-

98 Heussi, Kompendium, § 85. Hauschild: Lehrbuch § 11, Kap. 9.2.2, S. 52. 99 Menno Smid, Ostfriesische Kirchengeschichte, S. 116 – 140. 100 BBKL, Band I (Hamm, 1990), Spalte 201, Autor: Friedrich Wilhelm Bautz: „Aportanus“.

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Karlstadt = Andreas v. Bodenstein

www.luther.de

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tet (gegen Luther). Aportanus veröffentlichte 1526 eine Abendmahlsschrift.101

Darin heißt es: „das brot bedütet minen lychnam...Das tranck bedütet min blut.“

1527 ruft der Dominikanermönch Hinrich Reese aus dem Dominikaner-

kloster Norden zu einer Disputation auf. Mit Mönchskutte steigt er auf die

Kanzel und zieht sie während des Vortrages aus, um somit den Bruch mit dem

„Altglauben“ anzuzeigen. Die herkömmliche Messe tituliert er als Gottesläste-

rung und die geistlichen Orden als Sekten. Teile des Dominikanerklosters wur-

den 2004 bei Bauarbeiten auf dem Gelände des Ulrichsgymnasiums in Norden

ausgegraben.

1528 kommt es zum Bekenntnis ostfriesischer Predikanten. In der

Abendmahlslehre richten sie sich nach Karlstadt. Gottesdienst, Predigt, Taufe

und Abendmahl seien nur äußerliche Werke. Das klingt spiritualistisch. Die in-

nere Stimme des Geistes verdrängt das Wort Gottes.

1528 wird der 23-jährige Enno II. Graf von Ostfriesland. Seine erste reformato-

rische Tat besteht darin, einige Klöster aufzulösen. Das Dominikanerkloster in

Norden wird Ennos Regierungssitz.

1529 kommt Melchior Hofmann nach Ostfriesland. Durch ihn wird das Täu-

fertum hier heimisch. Aufgrund seiner spiritualistischen und eschatologischen

(vgl. den Fall zu Münster) Ansichten wird er von Enno II. vertrieben.

Ebenfalls kam Karlstadt 1529 für ein knappes Jahr zu den Ostfriesen. Unter-

kunft fand er bei Ulrich von Dornum in Oldersum.102 Hier proklamierte er ein-

dringlich seine Abendmahlsauffassungen. Denn er deutete gegen Luther das

Abendmahl rein symbolisch.

Nun kam es zu immer heftigeren Auseinandersetzungen zwischen Lutheranern

und Zwinglianern / Karlstädtern. Ein Schlussstrich musste endlich gezogen

werden.

1529 kam es dann zur Durchführung der Bremer Kirchenordnung. Graf Enno

II. holte zwei lutherische Theologen nach Ostfriesland (Johann Timman und

Johann Pelt). Sie inspizierten die Gottesdienste, kehrten nach Bremen zurück

und verfassten für Ostfriesland eine Kirchenordnung. Ein Superintendent sollte

eingesetzt werden, der Lehre und Verkündigung überwachte. 1530 zitierte Graf

Enno II. alle Prädikanten nach Emden und legte die neue Kirchenordung vor.

Einige Anhänger Karlstadts wurden abgesetzt, z.B. Reese und Rode aus Nor-

den. Karlstadt ging nach Basel und wurde Prof. daselbst.

Die Wiedertaufe wurde in Ostfriesland verboten. Den Wiedertäufern drohte

Todesstrafe und Vermögensentzug. Sie sollten das Land verlassen.

101 Die Abendmahlsschrift von Aportanus: „Hovet articelen des hylligen Sacramentes brodes vunde vlesches

Jesu Christi“ (1526). 102 Hermann Barge: „Andreas Bodenstein von Karlstadt“, II.Teil: Karlstadt als Vorkämpfer des laienchristli-

chen Puritanismus, Friedrich Brandstetter Verlag, Leipzig, 1905, S. 394 – 415 (Kopie aus der Basler Universi-

tätsbibliothek).

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Dennoch traute sich Melchior Hofmann 1530 noch einmal nach Ostfriesland.

Er predigte öffentlich von der Wiedertaufe. In Emden wurden 300 Menschen

getauft. Fluchtartig musste er Emden verlassen und ging nach Straßburg, wo

er gefangen genommen wurde und bis zum Tode im Gefängnis blieb. Das Täu-

fertum konnte trotz Verbots in Ostfriesland Fuß fassen.

Menno Simons besuchte mehrmals Ostfriesland. Er wurde 1492 in Wietmar-

sum geboren, wurde 1524 in Utrecht zum Priester geweiht, ließ sich aber 1535

wiedertaufen und trat aus der katholischen Kirche aus. 1537 wurde er Bischof

und Ältester der Täufer. Mit den Wiedertäufern in Münster wollte er nichts zu

tun haben, da sie mit Gewalt das Tausendjährige Reich aufrichten wollten. In

Ostfriesland beschäftigte sich der eben eingesetzte Superintendent Johannes a

Lasco mit Menno Simons. Es kam auch zu persönlichen Gesprächen. A Lasco

grenzte sich von Menno Simons ab, lehnte aber eine grundsätzliche Vertrei-

bung aller Mennoniten aus Ostfriesland ab. Dennoch schritt Gräfin Anna gegen

die Mennoniten ein, und auch Menno Simons verließ das Land. Er starb am

31.Januar 1561 in Holstein. Exkurs Ende

3.2.3. Thomas Münzer

Geboren wurde Thomas Münzer (Müntzer) 1490 in Stollberg / Harz.103

Er ließ sich sehr schnell und leicht von dem reformatorischen Gedanken-

gut Luthers inspirieren. Thomas Münzer war ein Pragmatiker und viel

radikaler als Karlstadt.

Münzer war 1520 Pfarrer in Zwickau. Wen wundert es, dass er das Ge-

dankengut der Zwickauer Propheten mit dem reformatorischen vermisch-

te. Seine Lehre: Der zum Glauben Kommende muss seelische Höllenqua-

len erleiden. Er beruft sich auf Erleuchtung und Visionen. 1521 wurde

Münzer aus Zwickau vertrieben.

Er wirkte ab 1523 als Pfarrer in Allstedt. Hier führte

der Kämpfer sogleich die deutsche Messe ein, das heißt

die Durchführung des Gottesdienstes in deutscher

Sprache (Liturgien und Lesungen in deutscher Spra-

che). In Allstedt bildete die Schar der Auserwählten um

Münzer einen Bund, um so mit Gottes Hilfe die Wahr-

heit gegen die Angriffe der Gottlosen zu verteidigen.

Als Münzers Bund die Führung der Stadt übernahm,

um eine Theokratie der Auserwählten zu praktizieren,

ordnete Herzog Johann dessen Auflösung. 1524 wurde

der eifernde Münzer aus Sachsen vertrieben. Grund: Er

hatte die Marienkapelle niedergebrannt, um der Mari-

enverehrung ein Ende zu setzen.

Dann war er mit Unterbrechungen Pfarrer in Mühlhau-

sen / Thüringen. Thomas veröffentlichte eine Schrift:

„Wider das geistlose sanftlebende Fleisch in Witten-

berg.“

103 Heussi, Kompendium, § 76 r. Martin Brecht: Martin Luther, Bd. II, S. 148 ff. Hauschild: Lehrbuch § 11,

Kap. 13, S. 76-80. BBKL: Band VI (Herzberg 1993)Spalten 329-345 Autor: Daniel Heinz: Thomas Müntzer

(Münzer): http://www.bautz.de/

Thomas Münzer www.luther.de

Denkmal an Thomas Müntzer (vor-

ne), im Hintergrund Martin Luther

verdeckt, weil er angeblich seine

Augen für das Proletariat verschloss.

Stolberg im Harz.

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Münzer104 verband sich mit der Bauernrevolution von 1524 – 25 und wurde in ihre

Katastrophe verwickelt. Mit heißen Predigten (u. a. in seiner „Fürstenpredigt“ vom

13. Juli 1524 über Dan. 2) fordert er die Bauern zur Revolution auf. Die Gottlosigkeit

durfte nicht geduldet werden. Die Gottlosen haben kein Recht zu leben. Auf das

Schwert darf jetzt nicht mehr verzichtet werden. Münzer wird der geistige Führer der

Bauern. Die Fürstenpredigt war Münzers theologisches Programm samt seinen erhebli-

chen politischen Konsequenzen.

Nach der Niederwerfung des Bauernaufstandes wird Münzer gefangengenommen und

hingerichtet (1525).

3.2.4. Der Bauernaufstand

Luther nahm Stellung zum Bauernaufstand.105

Allgemein spricht man vom Bauernkrieg von 1524 – 1525. Schwerpunkte der friedli-

chen Protestaktionen wie auch von gewaltsamen Aufständen waren am Oberrhein, im

Schwarzwald, in Schwaben, Franken, Tirol und Thüringen. Die Bauern forderten eine

Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation. Der Protest richtete sich gegen

die Feudalherrschaft durch den Adel, gleichzeitig aber auch gegen die Grundherrschaft

der Bistümer, Stifte und Klöster (Abgabe des kleinen Zehnt) und gegen die hohen Pri-

vilegien des hohen Klerus (Steuerfreiheit). Darum bestand eines ihrer Forderungen

darin, die Klöster in Hospitäler und Schulen umzuwandeln. Sie beriefen sich unter an-

derem auf die evangelische Predigt, also auf die Bibel, dass alle Menschen vor Gott

gleich und frei sind. Leibeigenschaft ist durch die Erlösung Christi aufgehoben! Leider

kam es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen (Plünderung und Zerstö-

rung von Klöstern, Angriff auf Schlössern). Der Bauernaufstand wurde am 15. Mai

1525 bei Frankenhausen in Thüringen niedergeschlagen.

A. Die geistige Auseinandersetzung

1.) Ursache:

Verarmung des Bauernstandes.

Die Emanzipation des Menschen auf Grund des Humanismus und der Re-

formation.

2.) Die zwölf Artikel der Bauern

Die Bauern berufen sich auf die Hl. Schrift. Hier ist der Einfluss Luthers zu

spüren. Aus der heutigen Sicht sind die Argumente / Vorwürfe wohl zu

Recht vorgebracht. Nun einige Artikel in Auswahl106:

(1) Sie wollen ihren Pfarrer selbst wählen.

(2) Mit dem Zehnten wollen sie den Pfarrer finanzieren und Bedürftige un-

terhalten.

104 Abb.: http://www.messerschmidt-bildhauer.de/Muentzer.jpg vom 10.3.2011. 105 Heussi, Kompendium, § 76 u / v. Martin Brecht: Martin Luther, Bd. II, S. 172 ff. Joist Grolle, Menschen

in ihrer Zeit, Bd. 4, S. 21 – 24. Günther Stemberger: 2000 Jahre Christentum, S. 406 ff. Armin Sierszyn,

2000 Jahre Kirchengeschichte, a.a.O., S. 92. Hauschild: Lehrbuch § 11, Kap. 16, S. 92-98. 106 Joist Grolle, Menschen in ihrer Zeit, Bd. 4, a.a.O., S. 21.

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(3) Sie wollen nicht mehr Lehnknechte sein, sondern frei. Die Obrigkeit

soll gewählt werden.

(4) Jeder soll auf die Jagd gehen können.

(5) Der Wald soll der Gemeinde gehören. Und auch die Bauern sollen ihr

Holz holen dürfen.

3.) Luthers erste Reaktion

Im Mai 1525 publiziert der Reformator die Schrift „Ermahnung zum Frieden auf die

zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben.“107

Im ersten Teil dieser Schrift wendet ML sich an die Obrigkeit. Er stellt sie auf die An-

klagebank. Sie saugen die Armen aus und sind deshalb schuld an dem Aufstand. Der

Vorwurf der Altgläubigen Gegenseite, das Evangelium habe den Aufruhr ausgelöst,

galt ihm als Lästerung. L. distanziert sich von den Mordpropheten wie Münzer und

Karlstadt.

Im 2. Teil geht der Wittenberger auf die Bauern ein. Ein Teil der Artikel war billig und

recht, sagt Luther. Aber er warnt vor den Rotten und Mordgeistern. Der Reformator

verbot den Widerstand gegen die Obrigkeit (antagonistisch zu Münzer). Unrecht konn-

te nicht durch weiteres aufgehoben werden. Das Recht des Christen im Unrecht besteht

einzig im Leiden. Das Evangelium konnte nicht mit Gewalt durchgesetzt werden, und

daran hatte Luther selbst sich gehalten.

Faktisch hatten die Bauern die Sache selbstmächtig in ihre Hände genommen.

Der Schluss der Schrift wandte sich an Obrigkeit und Bauern zugleich. Beide waren im

Unrecht und darum von Gottes Zorn bedroht.

Fazit : In der Anfangsphase der Auseinandersetzung darf man dem Reformator nicht

vorwerfen, dass er gegen die Bauern eingestellt war.

Er ermahnte sowohl die Obrigkeit, als auch die Bauern, eben zum Frieden.

Luther distanziert sich von jeglicher Gewalt. Er teilt die 2 Reiche auf und trennt sie

voneinander: Das Reich Gottes und das weltliche Reich.

B. Die Zuspitzung und der Aufstand selbst

Es kam dann doch zu einem Aufstand der Bauern. Er begann im Schwabenland, ergriff

ganz Württemberg und zog sich hin nach Kursachsen.108 Es kam zu Plündereien und

zum Blutvergießen.

Aufgestachelt wurden die Bauern durch die Predigten von Thomas Münzer.

(1) Der Einfluss von Thomas Münzer

Er hetzte regelrecht die Bauern auf, etwa mit den Schlagworten: „Lasset euer Schwert

nicht kalt werden vom Blut! Es ist nicht euer, sondern des Herrn Streit!“109

Münzer wollte mit ihnen das Gottesreich auf Erden aufrichten, in dem es Gleichheit für

alle geben sollte (erinnert uns an die Befreiungstheologie).

Auch für die Bergleute nahm Münzer Partei: Er schreibt an den Herrn, den Grafen Alb-

recht von Mansfeld: „Dass du auch wissest, dass wir geraden Befehl von Gott haben,

107 Martin Brecht: Martin Luther, Bd. II, S. 174 108 Vgl. Putzger, Historischer Weltatlas, S. 64, Tafel 2). 109 Joist Grolle, Menschen in ihrer Zeit, IV, a.a.O., S. 22

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sage ich: der ewige lebendige Gott hat es geheißen, und gegeben, dich vom Stuhle mit

Gewalt zu stoßen. Denn du bist der Christenheit zu nichts nütze.“110

Beurteilung: Münzer hat ein revolutionäres Evangelium.

Man könnte ihn als den Vater der Befreiungstheologie bezeichnen.

Das Reich Gottes lässt sich nicht mit Gewalt auf Erden aufrichten. Jedenfalls ist das

nicht unsere Aufgabe.

(2) Luthers zweite Schrift: „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der

Bauern.“

Man versteht nun zu gut Luthers Reaktion. Uns ist nun klar, weshalb er das Reich Got-

tes von dem weltlichen Reich teilen will. Der Reformator grenzt sich von einem revo-

lutionären Evangelium ab.

Beachten wir auch die Zielgruppe der zweiten Schrift: Er richtet sich an die gewalttäti-

gen Bauern und nicht an die friedfertigen.

Der Aufruhr geschah im Namen des Evangeliums, eine Sünde von endzeitlicher Per-

versität. ML warf ihnen Treubruch (gegenüber ihren Landesherren), Aufruhr und

Missbrauch des evangelischen Namens vor.

Die christliche Obrigkeit (!) sollte nochmals Verhandlungen anbieten. Würde das

nichts nützen, sollte sie eingreifen und den Aufstand beenden.

(3) Der Ausklang

Bereits am 15. Mai wurden die thüringischen Bauern durch Philipp von Hessen, Georg

von Sachsen, Heinrich von Braunschweig sowie die Grafen Albrecht und Ernst von

Mansfeld bei Frankenhausen vernichtend geschlagen. Tausende kamen dabei um;

Thomas Münzer wurde gefangen genommen. Seine Hinrichtung erfolgte am 27. Mai

durch Enthauptung.

(4) Die katholische Anklage

Die katholische Kirche konnte es nicht lassen, nun M. Luther die Schuld für den Auf-

ruhr in die Schuhe zu schieben, und zwar bis heute. Der kath. Hofprediger des sächsi-

schen Herzogs Georgs, Johannes Cochläus veröffentlichte Ende Juli 1525 eine Erwide-

rung auf Luthers Bauern-Schrift, die bis ins 19. Jh. hinein das katholische Lutherbild

prägte.111

110 Joist Grolle, ebd., S. 22 111 Günther Stemberger, 2000 Jahre Christentum, S. 410 f.

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Katharina v. Bora www.luther.de

3.2.5. Luthers Heirat

Katherina von Bora112 wurde als Tochter eines Edelmannes 1499 geboren. Schon als

sechsjähriges Mädchen wird sie in das Benediktinerinnenkloster Brehna bei Bitterfeld

gegeben und fünf Jahre später in die Klosterschule Nimbschen bei Grimma. 1523 flieht

sie mit elf weiteren Nonnen in der Osternacht aus dem Zisterzienserkloster.113 Sie lebte

nun in dem großen Haushalt von Lukas Cranach in Wittenberg. Lukas Cranach, d. Ä.

(1472 – 1533) aus Kronach (daher der Name) ist Kirchenrechtler

und Stadtrat in Wittenberg. Der Freund Luthers gilt als der Maler

der Reformation.114 Luther versucht, die geflohenen Nonnen

unter die Haube zu bekommen (Heirat). Das gelang ihm mehr-

mals, aber leider nicht bei Katherina. Sie blieb übrig und Luther

nahm sich der Verlassenen an.

Als Martin sein Vorhaben bekannt gab, reagierten seine Freunde

einmütig negativ: „Nicht jene, sondern eine andere!“ Denn Kat-

herina war eine willensstarke und selbstbewusste Frau.

Später bekundet Luther einmal ironischer Weise: „Wenn ich

noch eine freien sollte, so wollte ich mir ein gehorsam Weib aus einem Stein hauen;

sonst hab ich verzweifelt an aller Weiber Gehorsam.“115

Am 13. Juni verlobte sich der Reformator. Die Trauung schloss sich sogleich am 27.

Juni an. Der Wittenberger Stadtpfarrer Bugenhagen segnet ihre Ehe ein. Als Trauzeu-

gen sind geladen: Justus Jonas (Propst an der Schlosskirche), Lukas Cranach und des-

sen Ehefrau. Sogar der Fürst und Erzbischof Albrecht von Mainz ließ Käthe 20 Gulden

zur Hochzeit überreichen. Wittenberg gehörte zum Erzbistum Mainz. Albrecht war

fundamentaler Katholik und Gegner Luthers. Die Schenkung verwundert nicht nur ein

wenig. Die Ehe bezeichnet Luther als die Pflanzstätte der Kirche!

Käthe schenkte Luther 6 Kinder: drei Söhne: Hans (auch Johann genannt *1526, späte-

rer Beruf: Kanzler des Herzogs Albrecht von Preußen), Martin (*1531, Theologe), Paul

(*1533, kursächsischer Leibarzt) und drei Töchter: Elisabeth (*1527 †1528), Magdale-

na (*1529 †1542 verstarb sie in Luthers Armen), und Margarete (*1534).116 Unterrich-

tet wurden die Kinder privat durch ältere Studenten. Hans wurde schon mit sieben Jah-

ren 1533 an der Universität inskribiert und 1539 mit 13 Jahren zum Baccalaureus pro-

moviert.

Leben kehrt ins stille Kloster ein, das sich im Zuge der Reformation aufgelöst hatte und

durch kurfürstliche Schenkung ab 1532 offiziell Eigentum Luthers wurde. Im Hause

Luther geht es fröhlich zu.

Die Schwermut ist die Badewanne des Teufels, sagt Martin. Zwar kann man nicht ver-

hindern, dass die bösen Gedanken über unseren Köpfen schwirren, aber man kann ver-

hindern, dass sie Nester bauen.117

112 Brecht: Martin Luther, Bd. II, S. 194 113 Sierszyn, 2000 Jahre KG, III, S. 112 (Fußnote 165). 114 Sierszyn, 2000 Jahre KG, III, S. 112 (Fußnote 166). 115 Luthers Deutsche Briefe …, hrsg. v. T. Klein, S. 261. 116 Elisabeth stirbt schon sehr früh, 1528 in der Pestzeit. Auch Magdalena stirbt 13jährig, 1542. Siehe Brock-

haus Enzyklopädie, Bd. 13, 1990, S. 631. Vgl. auch: Sierszyn, 2000 Jahre KG, III, S. 114 f. und Martin

Brecht: Martin Luther, II, S. 202. 117 Luthers Deutsche Briefe…, hrsg. v. T. Klein, S. 269.

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Gäste sind im Hause Luthers immer willkommen, und nicht selten beherbergt Fam.

Luther vertriebene Pfarrer, Bettler und Durchreisende. Seit 1529 wohnten die sechs

Kinder seiner wohl verstorbenen Schwester bei ihm. Gelegentlich waren Luthers Eltern

aus Mansfeld zu Gast. Zur Großfamilie gehörte auch Käthes Tante, Magdalena von

Bora. Somit gibt es einen großen Hausstand, vor dem Martin nicht selten seine Tisch-

reden hielt.

Wegen Käthes leitender Rolle im Hause bezeichnete Luther sie gelegentlich als seinen

„Herrn“ (als Herr Käthe) oder „Mose“. Martin adressierte oder unterschrieb viele sei-

ner Briefe an Käthe mit „meinem Liebchen“ oder „dein Hertzliebchen“.118 Auch be-

zeichnete er sie als „Doktorin Lutherin“.119

Im Hause Luthers wird auch viel gesungen. „Wenn man mit Fleiß singt, so sitzt das

Seelchen im Leibe.“120

Auf die „Frau Musica“ hält er eine Lobrede:

„Der schönsten und herrlichsten Gaben Gottes eine ist - die Musica. Der ist der Satan

sehr feind, damit man viele Anfechtungen und böse Gedanken vertreibt. Der Teufel

erharret ihr nicht. … Musicam habe ich allezeit lieb gehabt. Wer diese Kunst kann, der

ist guter Art, zu allem geschickt. Man muss Musicam von Not wegen in Schulen behal-

ten. Ein Schulmeister muss singen können, sonst sehe ich ihn nicht an. Man soll auch

junge Gesellen zum Predigtamt nicht verordnen, sie haben sich denn in der Schule

wohl versucht und geübt… Die Musica ist eine schöne herrliche Gabe Gottes, und nahe

der Theologie. Ich wollte mich meiner geringen Musica nicht um was Großes verzei-

hen. Die Jugend soll man stets zu dieser Kunst gewöhnen, denn sie macht seine ge-

schickte Leute.“121

Käthe kümmert sich um den Klostergarten. Da wachsen Erfurter Riesenrettiche, Gur-

ken und Melonen, aber auch Lilien und Rosen. Martin hilft nun bei der Gartenarbeit

mit. Käthe betrieb auch eine Imkerei.

Luther verglich den Bienenstaat mit biblischen Wahrheiten: Die Königin gleicht

JESUS Christus: Nimmt man die Königin aus dem Bienenstaat heraus, löst sich alle

Ordnung auf.

Der Vater tollt mit den Kindern im Klosterhof. Auch eine Drechslerwerkstatt legt der

Reformator sich zu, wo er mit Herzenslust bastelt. Manchmal aber schließt er sich für

mehrere Tage in sein Zimmer ein, um intensiv zu studieren und zu schreiben. Da lebt

er nur von Brot und Fischlake. Durch das Klopfen und Rufen der Kinder lässt er sich

nicht aus der Ruhe bringen.122

Nach seinem Tode sollte Käthe alles ererben, seine Kinder sollten seine Bücher be-

kommen.

118 M. Brecht: Martin Luther, III, 235. 119 Luthers Deutsche Briefe …, hrsg. v. T. Klein, S. 240. 120 M. Brecht: Martin Luther, III, 247. 121 Luthers Deutsche Briefe…, hrsg. v. T. Klein, S. 267f. 122 Sierszyn, 2000 Jahre KG, III, S. 113

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3.2.6. Luthers Schrift „über den versklavten Willen“

Es handelt sich um eine Antwortschrift auf Erasmus.

Wer war Erasmus?

Erasmus Desiderius von Rotterdam wurde 1466 in derselben Stadt

geboren. Er starb in Basel 1536. Er war ein bedeutender Humanist und

Philologe. Der illegitime Priestersohn verlor mit 14 Jahren seine Eltern

und lebte von da an in dem Augustinerkloster. Nach der Priesterweihe

(1492) erfolgte ein Studium der Theologie in Paris (1495-99). Nach

der Promotion in Italien (1506) ging er nach England, wo er mit dem

Grundtext der Bibel konfrontiert wurde. 1516 gab Erasmus in Basel die

erste Druckausgabe des Griechischen NT heraus. Er verhielt sich kri-

tisch gegenüber der Katholischen Kirche aber auch gegenüber der Re-

formation durch Martin Luther, weil dessen Vorgehen zu tumultuarisch vonstattenging.

Erasmus von Rotterdam, der Humanist, hatte 1524 die D i a t r ib e 123 „über den freien

Willen“ („de libero arbitrio124“) veröffentlicht.

Nun antwortete Luther 1525 mit der Gegenschrift „d e s ervo a rb i t r io “ (von der

geknechteten Bestimmung / vom geknechteten Willen).125

Die Frage lautet? Ist der Wille des Menschen frei oder geknechtet?126

Wir lassen nun an dieser Stelle Martin Luther selber sprechen. Die Zitate stammen

direkt aus seiner Schrift „Vom geknechteten Willen“, hrsg. v. Kurt Aland: Martin Lu-

ther, die Hauptschriften (Die Seitenzahlen in Klammern beziehen sich auf die „Hauptschriften“.

Weitere Angaben: siehe Fußnote):

Einleitung

In der Einleitung würdigt der Wittenberger zunächst den Gelehrten von Rotterdam als

einen glänzenden Rhetoriker und scharfsinnigen Denker. Luther würde ihm gerne eine

Palme als Anerkennung überreichen. Er wäre Luther durch Beredsamkeit und Geist

weit überlegen. Erasmus verteidige seine Lehre wie ein Makkabäer. Allerdings, was

die Sache anbelangt, ist die Diatribe gegenüber Melanchthons „Theologischen Haupt-

punkten“ (loci communes) weit unterlegen. „Wenn ich dein Büchlein damit verglich, er-

schien es mir so elend und wertlos, dass ich mit dir ein lebhaftes Mitleid empfand, dass du deinen herrlichen und geistreichen Vortrag mit solchem Schmutz besudelst, und ich mich über

den unwürdigen Gegenstand empören musste, den deine Beredsamkeit mit so köstlichem

Schmuck darbot, gleich als ob man Kehricht und Dreck in Schüsseln von Gold und Silber auf-

trüge“ (S. 146 f.).

Der Reformator ordnet das Thema den „dunklen Stellen“ in der Hl. Schrift zu:

„Das ist natürlich richtig, dass es in der Bibel viele dunkle und unverständliche Stellen gibt,

aber nicht weil die Dinge zu hoch wären, sondern weil wir die Worte und die Grammatik nicht

kennen, was indessen keineswegs hindert, alles in der Schrift wohl zu verstehen“ (S. 152).

Sachgegenstand

Zunächst stellt der Wittenberger fest, dass es bei diesem Thema nicht um den freien

Willen bei täglichen Entscheidungen geht. Es geht um das Heil. In Bezug auf die Er-

123 Diatribe stellt ein popular-philosophisches Gespräch in schriftlicher Form dar. 124 Arbitrium (lat.): freies Ermessen; freie Bestimmung. 125 Aland/Campenhausen: Martin Luther: Die Hauptschriften, S. 146 – 207. (Hervorhebungen von SFWe-

ber). Vgl. auch Martin Brecht: Martin Luther, Bd. II, S. 210 ff. 126 Siehe auch Armin Sierszyn, 2000 Jahre Kirchengeschichte, III, S. 106 – 112.

Erasmus www.luther.de

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langung des Heils gibt es für Luther keinen freien Willen, weil allein Gott Rettung,

Gnade, Glauben, Geist und Wiedergeburt schenkt. Der Mensch kann dem Heil nichts

hinzufügen, denn ansonsten landet man bei der Werkgerechtigkeit.

„Es ist also nicht unfromm, vorwitzig und überflüssig, sondern für einen Christen vor allem

andern heilsnotwendig zu wissen, ob der Wille dort, wo es um das e wi g e He i l geht, etwas

oder gar nichts vermag. Ja, damit du es weißt: hier ist der eigentliche Angelpunkt unserer

Auseinandersetzung“ (S. 154).

Des Erasmus Begriffsbestimmung (d. h. Luther führt zunächst die Gedanken von

Erasmus an):

„So dann urteilen wir, dass der freie Wille die Fähigkeit des menschlichen Willens sei, durch

die sich der Mensch dem, was zum ewigen Heil führt, zuwendet oder durch die er sich davon

abwenden kann“ (S. 174).

Luther: „Du bist ein glänzender Redner. Aber du verstehst gar nichts von dem, was du sagst“

(S. 158).

„Es ist für einen Christen nötig und vor allem anderen heilsnotwendig zu wissen, dass Gott

nichts bloß zufällig voraussieht, sondern dass er alle Dinge nach seinem unwandelbaren, ewi-

gen und unfehlbaren Willen voraussieht und beschließt und vollbringt. Dieser Blitzschlag trifft und zerschmettert den freien Willen gänzlich! ... Alles, was wir tun, alles, was geschieht, mag

uns veränderlich und zufällig erscheinen, in Wirklichkeit geschieht es aber, von Gottes Willen

her gesehen, mit Notwendigkeit und unabänderlich“ (S. 155).

Denken wir einmal an dieser Stelle an die Dekrete Gottes (vgl. Ps. 33,11; 135,6; Jes.

46,10; Eph. 1,11; Phil. 2,13).

Hören wir weiter auf Luthers Argumente:

„ .....und es ist nicht möglich, seinen (Gottes) Willen zu widerstehen noch ihn zu ändern oder

aufzuhalten“ (S. 156). Gott ist allmächtig. Wenn Gott also allmächtig ist und alles be-

stimmt, wie kann dann der Mensch frei entscheiden? Denken wir hierbei einmal an die

Weltreiche im Buch Daniel. Gott allein bestimmt ihr Emporkommen und ihren Nieder-

gang. Wo ist da der freie Wille. Gott legt die Geschichte fest und bringt sie gemäß sei-

nem Plan zu Ende.

Der Christ wird durch den Geist Gottes bestimmt: „Es gibt also auch in diesem Fall nicht

die geringste Freiheit oder freie Wahl, eine andere Richtung einzuschlagen oder etwas anderes

zu wollen, solange der Geist und die Gnade Gottes in einem Menschen noch da sind“ (S. 164).

Der Mensch ist immer geknechtet: Entweder ist er ein Knecht der Sünde oder aber er

ein Knecht Christi (Röm. 6,16).

Luther vergleicht den Menschen nach Psalm 73, 22 mit einem Reittier: „... setzt sich

Gott darauf, so will und geht es dorthin, wo Gott will......- setzt sich der Satan darauf, so will

und geht es dorthin, wo Satan will. Es hat auch keine Wahl, zu dem einen oder andern Reiter

hinzulaufen, den einen oder andern zu wählen; sondern die Reiter selbst kämpfen darum, wer

es gewinnen und behalten soll“ (S. 165).

Man könnte auch nach dieser Aussage wiederum an Daniels Weltreiche denken

und dem Wittenberger folgen, doch wenn es hier um den einzelnen Menschen

geht, dann tun wir uns schwer damit.

Das Primat des freien Willens steht allein Gott zu. „Es ergibt sich also, dass der freie

Wille ein schlechthin göttlicher Titel ist, der niemand zukommt als allein der göttlichen Majes-

tät“ (S. 166).

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Luther führt auch Augustin an: Der freie Wille kann von sich aus, aus eigener Kraft,

nur fallen und ist nur dazu im Stande, zu sündigen (S. 177).

Der Mensch kann aus sich heraus die „Heiligung“ nicht bewirken. Der Wille ist zu

schwach, dass der Mensch sich bessern könnte. Gebessert werden die Auserwählten

und die Frommen; die andern werden ungebessert zugrunde gehen.

Der Reformator stützt sich zudem auf Römer 7, wo es heißt, dass der Mensch aus sich

heraus das Gute nicht vollbringen kann; er neigt eher zum Bösen. Das gesteht auch

Erasmus ein.

„So findet man in deinem freien Willen Ja und Nein zugleich, so dass du uns zustimmst und

ablehnst in ein und demselben Lehrstück und Artikel... Du gibst zu, dass der Mensch ohne besondere Gnade das Gute nicht wollen kann... Du gibst also zu, dass der freie Wille Gutes

nicht wollen könne, das heißt aber nichts anderes, als dass er sich eben nicht den Dingen des

ewigen Heils zuwenden kann, wie deine Bestimmung lautet. Ja, du sagst kurz vorher, der menschliche Wille sei nach dem Sündenfall so verdorben, dass er auf Grund des Verlustes der

Freiheit der Sünde dienen müsse und sich nicht zu einem besseren Leben bekehren könne... Ich glaube, schon hier steht dem Proteus127 kein Weg zur Flucht mehr offen; er ist mit deutli-

chen Worten gefangen, nämlich darin, dass der Wille nach Verlust seiner Freiheit zwangsweise

in der Knechtschaft der Sünde gehalten werde. Was für ein großartiger freier Wille, der, weil er

seine Freiheit verlor, von Erasmus selbst als Knecht der Sünde bezeichnet wird“ (S. 179).

Eine verlorene Freiheit kann Luther keine Freiheit mehr nennen.

Reich der Natur und Reich Gottes

Im Reich der Natur gesteht der Wittenberger dem Menschen eine freie Entscheidungs-

möglichkeit zu. Im Reich der Natur gab Adam den Tieren Namen wie er wollte. In dem

Reich der Natur ist der Mensch seinem eigenen Rat und Willen überlassen, nämlich in

Dingen, die unter ihm stehen (S. 182). Wir herrschen über die Dinge und gebrauchen

sie wie wir wollen.

In dem anderen Reich (dem Reich Gottes) ist der Mensch nicht der Hand seines eige-

nen Willens überlassen, sondern dem Willen und Rat Gottes zur Führung übergeben

ohne die Möglichkeit eigener Entscheidung.

Der unfreie Wille und der verborgene Gott

Auf den Vorwurf der Diatribe, dass Gott doch nicht den Tod des Sünders wolle, ant-

wortet Luther: „So will er den Tod des Sünders nicht, d. h. eben nach seinem Wort, er will

ihn aber nach jenem unausforschlichen Willen“ (S. 190). Vgl. Jes. 28,21; 45,15; Ps. 18,12.

Luther denkt wie so oft an den d eus ab s cond i tu s und den d eus rev e l a tus ,

den verborgenen Gott und den sich offenbarenden Gott. Der sich offenbarende Gott

will nicht den Tod des Sünders. Aber der verborgene Gott erwählt, bestimmt, rettet und

verdammt. Der Mensch hat in Bezug auf die Erwählung und Prädestination keinen

freien Willen. Er kann nicht mitbestimmen. In diesem Handeln Gottes ist und bleibt

Gott uns verborgen. Das Thema vom geknechteten Willen ist das Thema des verborge-

nen Gottes und da können wir nicht mitreden. Wir sollen es auch gar nicht, sondern wir

sollen das Thema stehen lassen. „Wir sagen wie auch schon früher, dass man diesen ge-

heimen Willen der Majestät nicht eingehender behandeln wollen darf“ (S. 193). Vgl. Rö. 11,

33-36.

127 Proteus ist eine Meeresgottheit in der griechischen Mythologie. Proteus gab nur Orakel, wenn man ihn

festhielt.

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Natürlich führen die Diatribe neutestamentliche Stellen wie Mt. 11,28 „kommt her zu

mir alle, die ihr mühselig und beladen seid“ an und dazu auch Mt. 19,21; 23,37 u.a., wo

doch vom freien Willen die Rede sei.

Diese Stellen bezieht der Reformator auf den sich offenbarenden Gott. Der fleischge-

wordene Gott in Christus bietet natürlich das Heil an und er weint und klagt über die

Gottlosen (S. 193). Aber der verborgene Gott erwählt und prädestiniert. Auch wenn in

den neutestamentlichen Stellen an den Willen des Menschen appelliert wird, so kann

dieser doch nicht von sich aus das Heil in Christus annehmen. Er benötigt dazu die

Kraft Gottes (S. 195). Vgl. Eph. 2,8 „denn aus Gnade seid ihr gerettet worden durch

den Glauben und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es.“

„Wenn du willst, wenn du wollen wirst, d. h. wenn du bei Gott ein solcher bist, dass er dich

des Willens, die Gebote zu halten, würdigt, dann wirst du gerettet werden“ (S. 195).

In diesem Sinne versucht Luther nun zum Schluss beide Auffassungen vom „freien“

und „geknechteten“ Willen zusammenzubringen:

„Bei diesem Verständnis wäre beides darin enthalten, eben, dass wir

nichts zu tun vermögen und wenn wir etwas tun, dass das dann Gott in uns wirkt“ (S. 195).

„Denn Gott ist es, der in euch beides wirkt, das Wollen und das Vollbringen zu seinem

Wohlgefallen“ (Phil. 2,13).

Schlusswort

Luther bedankt sich bei Erasmus für das Thema. Bisher sei Luther immer wieder mit

langweiligen und belanglosen Themen wie Papsttum, Ablass und Fegefeuer usw. kon-

frontiert worden. Jetzt ging es endlich einmal um ein richtiges dogmatisches Thema,

wo sich alle Arbeit und Mühe lohnt. Und dazu habe Erasmus einen guten Anstoß gege-

ben. Allerdings solle sich Erasmus zukünftig mit der Wissenschaft und den Sprachen

beschäftigen, denn auf diesem Gebiet habe Luther ihm viel zu verdanken. Doch solle

der Rotterdamer sich nicht mehr mit dogmatischen Themen beschäftigen, weil er da-

von nichts versteht und er ist dem auch nicht gewachsen.

Aufgabe:

Nimm Stellung zum Willen des Menschen. Ist er frei oder geknechtet? Gibt es beim

Menschen eine Entscheidung in Bezug auf das Heil? Wenn der Wille des Menschen

geknechtet ist und der Mensch keine Wahl in Bezug auf die Erlösung hat, bzw. wenn

nur Gott den Menschen bekehrt und er solange passiv darauf warten muss, bis Gott das

tut, welche seelsorgerlichen Probleme können dann auftauchen?

Müssen wir nicht auch zwischen der determinierten (festgelegten) Heilsgeschichte und

des Menschen Verantwortung unterscheiden?

Die Gnade der Erlösung darf man nicht mit der fortdauernden Heiligung vermischen.

Untersuche auch folgende Bibelstellen: Röm. 7,15. Röm. 6, 11-13. Mt. 16,24; Mt. 22,

1-10. Eph. 2, 2-3. Röm. 9,16.

-

Luthers Überzeugung vom unfreien Willen hängt zusammen mit Gottes Allmacht. Der

Mensch ist in Gottes Hand wie der Ton in der Hand des Töpfers. Selbst der Teufel ist

unter Gottes Gewalt. Gott ist freilich nicht der Verursacher des Bösen, aber er hat den

Teufel quasi an der Leine, er wirkt durch ihn. Gott ist heilig und der Mensch ist für sein

Tun verantwortlich, denn psychologisch hat der Mensch Wahlfreiheit. Luther weiß

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natürlich um den Gegensatz zwischen Gottes Allmacht und des Menschen Verantwor-

tung (Schuld). Diese Antinomie gilt indessen nur für unser Denken. Sie ist ein Stopp-

signal. Wer diese Antinomie forschend zu durchdringen versucht, dessen Denken muss

erblinden – wie unser Auge, wenn es zu lange in die Sonne schaut.128

Benjamin B. Warfield (1851-1921) nennt Luthers Schrift vom „Versklavten Willen“

ein didaktisches und polemisches Meisterwerk.

James Innell Packer (*1926) bezeichnet diese Schrift Luthers als das großartigste

theologische Werk, das je aus der Feder Luthers kam.

Luther denkt mehr theologisch, von der Souveränität Gottes her, von seiner

Prädestination, von seiner Vorherbestimmung der Geschichte und von seiner

Gerechtigkeit.

Zudem ist die ganze Theologie Luthers von der Rechtfertigung her bestimmt.

Allein der Glaube rettet. Der Reformator hat Angst davor, dass die Diatribe

wieder in den Synergismus (griech. „syn-ergon“: mit den Werken) hineingera-

ten, dass der Mensch also zum Heil etwas beitragen müsse.

Erasmus denkt mehr anthropologisch, sieht im Menschen die Verantwortung,

denkt an die vielen Ermahnungen in der Schrift, die doch an den Willen des

Menschen appellieren.

Das sind die unterschiedlichen Denkansätze beider Disputanten, die so weit

voneinander entfernt liegen wie Himmel und Erde und die darum nie zusam-

mentreffen und sich finden, wenn nicht jeder bereit ist, auf der Basis der Hl.

Schrift dem anderen entgegenzukommen.

4. Von der Protestation bis zur Confessio Augustana

4.1. Organisation der lutherischen Landeskirchen

Immer mehr Kirchen reformierten sich.129 Die äußere Gestalt änderte sich, so zum Bei-

spiel im Gottesdienstlichen Leben (deutsche Messe) und in der Kirchenführung (ev.

Pfarrer). Nun bedurfte es einer äußeren Organisation. Schon fast ganz Kursachsen und

Hessen waren reformiert.

Von 1526-30 wurde durch die kursächsische Kirchen- und Schulvisitation die sächsi-

sche Landeskirche organisiert. Durch die Visitation, das heißt durch den Besuch eines

evangelischen Superintendenten, erhielten die Gemeinden eine äußerliche Unterstüt-

zung, die Reformen im evangelischen Sinne durchzuführen.

1533 brachte Luther die Schrift „Von der Winkelmesse und Pfaffenweihe“ heraus.

Bischöfe hielt Luther nicht mehr für notwendig:

128 Sierszyn, 2000 J. KG, III, 110 f. Vgl. auch James G. McCarthy: Fiat Lux, Hünfeld, 2006, 71f.: Es liegt eine

Antinomie vor: Zwei sich anscheinend widersprechende Aussagen lassen nur einen logischen Schluss zu, sind

aber beide war. Bild: zwei Eisenbahngleise, die parallel zueinander laufen und anscheinend nichts miteinan-

der zu tun haben, treffen sich in der Ewigkeit. 129 Heussi, Kompendium, § 78 e. Hauschild § 12, Kap. 2, 107-112.

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„Wo aber Gottes Wort rein und gewiß ist, da muss es alles sein, Gottes Reich, Christus

Reich, Heiliger Geist, Taufe, Sakrament (Abendmahl), Pfarramt, Predigtamt, Glaube,

Liebe, Kreuz, Leben und Seligkeit, und alles, was die Kirche haben soll.“130

Das klingt schon ganz freikirchlich. Luther hatte ja auch an anderer Stelle für das all-

gemeine Priestertum aller Gläubigen plädiert. Praktisch wurde das allgemeine Priester-

tum nicht durchgesetzt. Zwar hielt der Reformator Bischöfe nicht mehr für erforder-

lich, da jeder Pfarrer der Bischof seiner Gemeinde sei, hielt aber an der Superinten-

dentur und der Ordination fest, damit die Gemeinden sich nicht verselbstständigten

(Gefahr des Schwärmertums und Spiritualismus).

Dennoch sollen vor allem Christus und sein Wort Vorrang vor dem Amt haben!

Die Visitation geschah unter der Obhut der Landesfürsten. Dazu hat M. Luther selber

geraten. Das trug Gefahren mit sich. Denn je nachdem, wie der Landesfürst christlich

gesinnt war, hatten die Kirchen mehr oder weniger Freiheit zu wirken.

Die Verknüpfung von Kirche und Staat könnte man in gewissen Zeiten auch positiv

bewerten, denn die ev. Kirche genoss den Schutz eines ev. Landesfürsten. Es bewährte

sich, als die Katholiken zum Gegenangriff übergingen (Gegenreformation).

Die negativen Auswüchse zeigen sich bei den Herrnhutern: August der Starke vertrieb

1732 Zinsendorf aus Sachsen.

4.2. Katechismus 1529 Die innerliche Zurüstung bekamen die ev. Kirchen und Schulen durch Luthers Kate-

chismus. 1529 kleiner und großer Katechismus. Der Katechismus stellt kurz die evan-

gelisch-lutherische Lehre dar. Er war besonders für den Unterricht von großem Nutzen.

1527 gründete Philipp von Hessen die erste evangelische Universität zu Marburg.

Von 1524 - 41 war Nikolaus von Amsdorf Superintendent in Marburg (1541 weihte ihn

Luther zum ersten evangelischen Bischof von Naumburg ein; 1552 Generalsuperinten-

dent in Eisenach).

Spalatin war Superintendent in Altenburg.

4.3. Die Protestation zu Speyer 1529 Der Kaiser und der Papst fanden immer mehr zusammen. Die katholische Gegenseite

erstarkte.

Auf dem Reichstag zu Speyer 1529 einten sich die kath. Stände zum tatkräftigen Vor-

gehen gegen die Evangelischen. Das Wormser Edikt sollte nun endlich durchgeführt

werden. Die Länder sollten sich aller Neuerungen enthalten. Dagegen protestierte na-

türlich die evangelische Minderheit. In der Protestation vom 19. April 1529 vereinig-

ten sich im ganzen 6 Fürsten und 14 Oberdeutsche Städte.

Seitdem werden die Evangelischen auch die Protestanten genannt.

4.4. Das Marburger Religionsgespräch 1529 Bisher gingen die schweizerischen Reformierten (Zwingli und Calvin) und die Lutheri-

schen getrennte Wege.131 Philipp von Hessen hatte schon immer auf Einigung ge-

drängt, von einer größeren Einheitsfront gegen die Kath. Kirche geträumt. Bisher wa-

130 M. Brecht, III, 84. 131 Wenn wir heute von den Reformierten sprechen, so meinen wir damit die Anhänger Calvins (Calvinisten)

und nicht alle Anhänger der Reformation. Wir unterscheiden also zwischen Reformierten (Calvinisten) und

Lutheranern. In manchen Gegenden gibt es unierte Kirchen, d. h. die Reformierten und die Lutheraner haben

sich zu einer Kirche vereinigt. Das ist aber nicht überall der Fall. In Ostfriesland gibt es noch immer diesen

Unterschied. Und auch in Holland und in der Schweiz gibt es ausschließlich reformierten Kirchen, die sich

auf die Theologie Calvins berufen und nicht auf Luther.

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ren die Wittenberger nicht an einer Einigung mit den Schweizern interessiert. Doch

nach der Protestaktion zu Speyer waren nun auch die Wittenberger Theologen zu ei-

nem Gespräch mit den Schweizern bereit.

Zu diesem sog. Religionsgespräch trafen sich zu Marburg 1529 Luther, Melanchthon,

Jonas (Reformator von Halle), Brenz (Schwäbisch Hall; Württemberg) und Osiander

(Nürnberg). Aus dem reformierten Lager kamen Zwingli (Zürich/Schweiz), Oekolam-

pad (Basel), Bucer (Straßburg).

Man verabschiedete 15 Artikel.132

In 14 Artikeln erklärten beide Gruppen ihre Übereinstimmung.

Nur im 15.Artikel gab es einen scharfen Antagonismus (Gegensatz).

Über das Abendmahl konnte man sich nicht nämlich nicht einigen133:

Zwingli und mit ihm Oekolampad und Bucer - also die Reformierten – traten für eine

symbolische Auffassung des Abendmahls ein (so auch Karlstadt, der am liebsten von Ostfries-

land aus herbeigeeilt wäre, um die reformierte Seite zu unterstützen. Doch hatte Philipp von Hessen ihm

abgeraten, weil Luther über die Anwesenheit Karlstadts sich vehement entrüstet hätte). Die refor-

mierte Seite argumentierte folgendermaßen: Das „dies ist“ in den Einsetzungsworten

beim Herrenmahl („dies ist mein Leib...dies ist mein Blut) sei nicht wörtlich zu verste-

hen, als wären Leib und Blut Christus selbst, sondern es habe nur einen symbolischen

Charakter (lat. „est = „ significat“ = „dies ist“ = bedeutet nur, symbolisiert etwas).134

Außerdem wäre Christus leibhaftig zum Himmel gefahren, so dass sein Leib im Him-

mel ist und nicht auf Erden (im Abendmahl).

Luther mit seinen Anhängern trat dagegen für die Realpräsenz ein. Das „dies ist“ (lat.

‚hoc est’ = dies ist [mein Leib]), sei real zu verstehen. Luther verwirft zwar die Ver-

wandlung (Transsubstantiation), aber er hält an der realen Gegenwart des Leibes und

Blutes Christi im Sakrament fest. Er begründet dies mit der Ubiquität (Allgegenwart)

Jesu.

Die ‚Realpräsenz’ wurde im lutherischen Bekenntnis übernommen. In der CA von

1530 (Confessio Augustana = Augsburger Bekenntnis) heißt es (I,10): „Von dem Abendmahl des Herrn wird also gelehrt, daß wahrer Leib und Blut Christi wahrhaftig unter der Gestalt des Brotes und Weines im Abendmahl gegenwärtig sei

und da ausgeteilt und genommen werde. Deshalb wird auch die Gegenlehre verwor-fen.“135

132 Abb. von den Unterzeichnern in: Brecht: M. Luther, II, 323. 133 Vgl. die gute Tabelle als Resümee der verschiedenen Abendmahlsauffassungen in: Sierszyn, 2000 J. KG,

III, S. 133. 134 Diese Abendmahlsauffassung hat sich im Heidelberger Katechismus niedergeschlagen. In der Frage 78

heißt es:

„Wird denn aus Brot und Wein der wesentliche Leib und das Blut Christi? Nein; sondern wie das

Wasser in der Taufe nicht in das Blut Christi verwandelt oder die Abwaschung der Sünden selbst

wird, deren es allein ein göttlich Wahrzeichen und Versicherung ist: also wird auch das heilige Brot

im Abendmahl nicht der Leib Christi selbst, wiewohl es nach Art und Brauch der Sakramente der

Leib Christi genannt wird.“ (Hans Steubing, Bekenntnisse der Kirche, S.146.

Und auch im Westminster Bekenntnis heißt es (Kap. 29,5):

„Die äußeren Elemente in diesem Sakrament haben, wenn sie gehörig zu dem von Christus verordne-

ten Gebrauch ausgesondert sind, eine solche Beziehung zu ihm als dem Gekreuzigten, daß sie wahr-

haftig doch nur sakramental bisweilen mit den Bezeichnungen der Dinge, die sie vorstellen, nämlich

des Leibes und Blutes Christi, benannt werden, obwohl sie nach Substanz und Wesen weiterhin

wahrhaftig und allein Brot und Wein bleiben, wie sie es zuvor gewesen sind.“ (Steubing, a.a.O., S.

234).

Die meisten Freikirchen haben das reformierte Abendmahlsbekenntnis übernommen. 135 Steubing, Bekenntnisse, a.a.O., S. 42 f.

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4.5. Die Confessio Augustana 1530 Nach neunjähriger Abwesenheit kehrte Karl V. nach Deutschland zurück. Er beruft

1530 den Reichstag zu Augsburg ein und will zum Angriff auf die Evangelischen

übergehen. Die evangelische Gegenseite überreicht dem Kaiser eine Schrift, in der ihre

Lehre dogmatisch begründet wird, die Confessio Augustana (Abk. CA = das Augsbur-

gische Bekenntnis von 1530).136

Der Verfasser ist Melanchthon.

Martin Luther hält sich während des Reichstages auf der Festung Coburg auf (Anreise

am 23.4.1530). Coburg befindet sich auf dem Gebiet des evangelischen Kurfürsten

Johann d. Beständigen. Hier war Luther sicher, da ja über ihn die Reichsacht verhängt

worden war. Von hier aus verständigte Luther sich durch Kuriere mit Melanchthon.

Briefe tragen die Überschrift „Aus dem Reich der Dohlen“ (gemeint ist die Burganlage

mit ihren vielen Dohlen Nestern).137 So nannte Luther die Versammlung in Augsburg

den „Dohlenreichstag“.

Als der Kaiser am 15. Juni nach Augsburg kommt, verhängt er zunächst ein Predigt-

verbot für alle Konfessionen. Die Evangelischen sollen an der Fronleichnamsprozessi-

on teilnehmen. Das lehnten die Evangelischen aber vehement ab.

Fegefeuer, Heiligenverehrung, Papsttum werden in dem evangelischen Bekenntnis gar

nicht mehr erwähnt. Melanchthon wollte auch nicht die katholische Seite mit diesen

Themen reizen. Er wollte im Vermittlungsausschuss Frieden. Luther aber ging es in

erster Linie um die Wahrheit. Der Papst und Martin Luther seien so wenig vereinbar

wie Belial und Christus.

Schließlich scheiterten am 7. Sept. 1530 die Verhandlungen. Der Ruf nach einem Kon-

zil wurde immer lauter.

Das Bekenntnis bildet heute noch die Grundlage der evangelisch-lutherischen Kirche.

Hier nun einige Kostproben aus der CA 1530 in Auswahl138:

I. Artikel des Glaubens und der Lehre

2. Von der Erbsünde

Weiter wird gelehrt, dass nach Adams Fall alle Menschen, die natürlich geboren wer-den, in Sünden empfangen und geboren werden, das heißt, dass sie alle von Mutterleib an voll

böser Lust und Neigung sind und keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott von Natur aus haben können; dass dieselbe angeborenen Seuche und Erbsünde auch wahrhaf-

tig Sünde sei und alle die unter ewigen Gotteszorn verdamme, die nicht durch die Taufe und

den Heiligen Geist wiederum neu geboren werden. 3. Von dem Sohn Gottes

Ferner, es wird gelehrt, dass Gott der Sohn Mensch geworden sei, geboren aus der reinen Jungfrau Maria, und dass die zwei Naturen, die göttliche und die menschliche, in einer

Person also unzertrennlich vereinigt, ein Christus sind, welcher wahrer Gott und wahrer Mensch ist, wahrhaftig geboren, gelitten, gekreuzigt, gestorben und begraben, dass er ein

Opfer wäre nicht allein für die Erbsünde, sondern auch für alle anderen Sünden, und Got-

tes Zorn versöhnte; ferner, dass derselbe Christus abgestiegen sei zur Hölle, wahrhaftig am dritten Tage von den Toten auferstanden, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur Rech-

ten Gottes, dass er ewig herrsche über alle Kreaturen und regiere... 9. Von der Taufe

Von der Taufe wird gelehrt, dass sie nötig sei, und dass dadurch Gnade angeboren werde;

dass man auch die Kinder taufen soll, welche durch solche Taufe Gott überantwortet und

136 Vgl. Heussi, Kompendium d. KG, § 78 q – s. 137 M. Brecht: Martin Luther, II, 356 – 395. 138 Steubing, Bekenntnisse, a.a.O., S. 40 ff. Vgl. auch Brecht, a.a.O., II, 379.

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gefällig leben. Deshalb werden die Wiedertäufer verworfen, welche lehren, dass die Kinder-

taufe nicht recht sei. 10. Vom Abendmahl (siehe 4.3.)

17. Von der Wiederkunft Christi zum Gericht Auch wird gelehrt, dass unser Herr Jesus Christus am jüngsten Tage kommen wird, zu

richten und alle Toten aufzuerwecken, den Gläubigen und auserwählten ewiges Leben und ewige Freude geben, die gottlosen Menschen aber und die Teufel in die Hölle und

ewige Strafe verdammen wird.

Deshalb werden die Wiedertäufer verworfen, die lehren, dass die Teufel und verdammten Menschen nicht ewige Pein und Qual haben werden. Ferner werden hier auch etliche jüdi-

sche Lehren verworfen, die sich auch jetzt eräugen, dass vor der Auferstehung der Toten eitel Heilige, Fromme ein weltliches Reich haben und alle Gottlosen vertilgen werden.

Aufgabe:

Welche dogmatischen Themen werden in diesen Artikeln behandelt. Nimm auch dazu

Stellung.

Wegen dem 10. Artikel der CA (Abendmahl) konnten nicht alle evangelischen Städte

unterschreiben, so Straßburg, Konstanz, Memmingen, Lindau, die der symbolischen

Auffassung folgten. Sie reichten beim Kaiser ein eigenes Bekenntnis ein (confessio

tetrapolitana = das Bekenntnis der vier Städte, verfasst von Martin Bucer und Wolf-

gang Capito).

Auch Luther selbst hielt die CA für ein schwaches Dokument.

Kaiser Karl ließ die CA durch die katholischen Theologen Eck, Faber und Cochläus

widerlegen, durch die sogenannte Confutatio (Widerlegung).

Melanchthon legte dem Kaiser daraufhin eine Apologie der CA vor. Doch wies Karl

sie zurück.

Im Jahre 1540 gab Melanchthon die CA variata heraus. Er änderte den 10. Artikel vom

Abendmahl. Das Abendmahl wird symbolisch ausgelegt. Melanchthon entpuppt sich

als Cryptocalvinist.

1561 kehren alle Lutheraner um der Einheit willen zur CA von 1530 zurück (CA in-

variata).

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4.6. Bibelübersetzung 1534 Nachdem im Jahre 1521 das Neue Testament ins Deutsche übersetzt worden war, gab Lu-

ther während der Übersetzungsarbeit des Alten Testamentes den „Sendbrief vom Dolmet-

schen“ (1530) heraus. Hier nennt er seine Prinzipien für die Übersetzungsarbeit:

„Man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man soll deutsch

reden, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen

Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen aufs Maul sehen, wie sie reden, und

danach dolmetschen, so verstehen sie es denn und merken, dass man deutsch mit ihnen re-

det.“139

Aus diesem Zitat darf man nun nicht schließen, dass Luther sich einseitig für eine total freie

Übersetzung in der „Gossensprache“ entschieden hätte. Das sei ferne. Kraftausdrücke und

Gassenjargon hat Luther aus seiner Bibel bewusst ferngehalten, so gern er sich ihrer in sei-

nen Streitschriften bedient hat. Luthers Übersetzungsprinzip könnte lauten: sinngemäße

Übersetzung, das heißt der Ausgangstext ist der hebräische und griechische Grundtext. Es

wird versucht die biblischen Aussagen sinngemäß im Deutschen wiederzugeben, aber nicht

einfach frei zu übertragen, so dass Aussagen des Originaltextes einfach übergangen werden.

„Wer deutsch reden will, der muss nicht der hebräi-

schen Wort Weise führen, sondern muss darauf sehen,

wenn er den hebräischen Mann verstehet, dass er den

Sinn fasse und denke also: Lieber, wie redet der deut-

sche Mann in solchem Fall? Wenn er nu die deutschen

Wort hat, die hierzu dienen, so lasse er die hebräischen

Wort fahren und sprech frei den Sinn heraus aufs Beste

Deutsch, so er kann.“140

Im Jahre 1524 übersetzte Luther Psalm 63,6 mit den

Worten: „Lass meine Seele voll werden wie mit

Schmalz und Fettem, dass mein Mund mit fröhlichen

Lippen rühme.“

In der revidierten Fassung von 1531 heißt es dann

sinngemäß: „Das wäre meines Herzens Freude und

Wonne, wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben

sollte.“

Für Luther hat der Grundsatz „Sinn geht vor Wort“

eine Grenze, wo ihm der originale biblische Wortlaut

unersetzbar erscheint: „Doch hab ich wiederum nicht

allzu frei die Buchstaben lassen fahren, sondern mit

großer Sorgfalt samt meinen Gehülfen drauf gesehen,

dass, wo etwa an einem Ort gelegen ist, hab ich’s nach den Buchstaben behalten und bin

nicht so frei davon gegangen. Ah, es ist Dolmetschen ja nicht eines jeglichen Kunst. Es

gehöret dazu ein recht, fromm, treu, fleißig, furchtsam, christlich, gelehret, erfahren, geübet

Herz.“141

Luther hält also nicht an der starren Regel „wörtlich, sinngemäß oder frei“ fest, sondern

entscheidet von Fall zu Fall.

139 M.: Sendbrief vom Dolmetschen (1530). Quelle: http://www.sochorek.cz/archiv/werke/luther.htm vom

10.3.2011. 140 M. Luther: Summarien über die Psalmen und Ursachen des Dolmetschens. Quelle: Luther Testament,

Neues Testament und Psalmen mit Sonderseiten, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, 1995. 141 M. Luther: Sendbrief vom Dolmetschen.

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Im Jahre 1534 wurde auch die Übersetzung des Alten Testaments fertig gestellt, so dass

nun die ganze Bibel in deutscher Übersetzung vorlag.

Besonders schwierig war das Buch Hiob zu übersetzen. Martin Luther übersetzte den Hiob

mit Hilfe Melanchthons und des Hebraisten Aurogallus. Er sagt in seinem Sendbrief vom

Dolmetschen, dass sie in vier Tagen zuweilen kaum drei Zeilen fertigen konnten. An Spala-

tin schrieb er während der Übersetzungsarbeit in seiner naiven derben Weise, dass Hiob

seine Übersetzung noch weniger zu leiden scheine, als den Trost seiner Freunde und lieber

im Mist sitzen bleiben wolle. Das Hebräische des Buches Hiob ist ein sehr schwieriges

Hebräisch, nicht allein auf Grund der poetischen Sprache. Vielleicht rührt das daher, weil

Hiob und seine Freunde wohl im nördlichen Arabien gelebt haben und teilweise arabisch

sprachen. 110 der hebräischen Wörter, die im Buch Hiob vorkommen, werden sonst nir-

gendwo mehr im AT verwendet.142

Zwar übersetzte Luther auch einige Apokryphen, aber sie hatten nicht denselben Stellen-

wert wie die kanonischen Schriften. Schon im Inhaltsverzeichnis des Alten Testaments von

1523 waren sie nicht mitgezählt worden. 1534 erhielten sie den bekannten Namen: „Apoc-

rypha. Das sind Bücher, so nicht der Heiligen Schrift gleichgehalten und doch nützlich und

gut zu lesen sind.“143

Der Bibelausgabe von 1534 waren 117 Holzschnitte aus der Cranachwerkstatt beigegeben.

Luthers Beigabe waren selbstverständlich die Vorreden und Randglossen.144

142 S.F.Weber: Einführung in das Buch Hiob, BMO, Selbstverlag, Großheide, 22009, 7. 143 M. Brecht: Martin Luther, III, 104. 144 Abb.: http://enominepatris.com/biblia/bilder/biblia1534.jpg vom 10.3.2011.

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5. Tod Luthers

Bevor wir zum Schmalkaldischen Krieg und zum Fortgang der Reformation übergehen,

müssen wir den Tod Luthers einfügen und somit noch einmal kurz sein Leben konkludie-

ren. Luther starb am 18. Febr. 1546 in Eisleben.

Luther reiste im Januar 1546 nach Eisleben, um sich für seinen Bruder Jakob einzusetzen,

der im Kupferbergbau eine Hütte betrieb und nun an den Grafen Albrecht mehr Abgaben

zahlen sollte, so dass seine Existenz gefährdet war. Am 25. Januar überquerte er die Saale

bei Halle, die er als eine große „Wiedertäuferin“ titulierte. Am 26. Januar predigte Luther in

Halle. Schließlich kam Luther nach Eisleben, wo er im Haus des Stadtschreibers neben der

Andreaskirche wohnte. Er predigte in der Andreaskirche in Eisleben noch viermal, nämlich

am 31. Januar, am 2. und am 7. sowie am 14. Februar. Seine letzte Predigt war über Mt. 11,

25-30. Er warnte noch einmal vor der falschen Weisheit und vor dem falschen Umgang mit

Gottes Wort. Er schloss mit dem Aufruf, sich an Christi Wort zu halten: „Du bist allein

mein lieber Herr und Meister, ich bin dein Schüler. Das und viel mehr wäre von diesem

Evangelio zu sagen, aber ich bin zu schwach. Wir wollen’s hierbei bleiben lassen.“145

Luther kam sich mit seinen 63 Jahren als recht alter Mann vor und fast prophetisch wünsch-

te er sich: „Wenn ich wieder heim gen Wittenberg komme, so will ich mich alsdann in Sarg

legen und den Maden einen feisten Doctor zu essen geben.“146

Über die Bibel sagte Luther noch einmal: „Die Heilige Schrift glaube niemand genug ver-

schmeckt zu haben, wenn er nicht hundert Jahre mit den Propheten die Gemeinden geleitet

hat.“147

Am 17. Februar ging es ihm nicht gut und bereits gegen 10.00 Uhr befahl er mit den Wor-

ten von Psalm 31,6 seine Seele Gott an: „In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast

mich erlöst HERR, du treuer Gott.“ Auch sagte er: „Wir sind Bettler, das ist wahr.“

Den ganzen Tag über plagten ihn heftige Schmerzen. Er zitierte Psalm 68,21 „wir haben

einen Gott, der da hilft, und den HERRN, der vom Tode errettet.“ Im Anschluss an

Lk. 2,29 sagte Luther: „Ich fahr dahin in Fried und Freud. Amen.“ Dreimal wiederholte er

noch Psalm 31,6 bis er schließlich am frühen Morgen des 18. Februar entschlief.

In den letzten Todesstunden fehlten alle sakramentalen Elemente, selbstverständlich entfiel

auch die letzte Ölung. Auch legte er keine Beichte mehr ab und er verzichtete auf die letzte

Kommunion. Allein verließ Luther sich in den letzten Atemzügen auf Gottes Wort und auf

die darin ewig gültigen Zusagen Gottes und JESU Christi.

Gestorben ist der Wagenlenker Israels

Sogleich informierte der anwesende Justus Jonas Kurfürst Friedrich und die Wittenberger

Theologen. Luthers Leichnam sollte nach Wittenberg überführt und in der Schlosskirche in

einem Zinssarg bestattet werden. Noch in Eisleben hielt Justus Jonas in der Andreaskirche

eine Gedenkstunde. Der Maler Lukas Fortennagel erhielt den Auftrag, den toten Luther zu

malen.

Als Melanchthon vom Tod Luthers erfuhr, rief er vor seinen Studenten aus: „Es ist gestor-

ben der Wagenlenker Israels (2.Kö. 2,12), der die Kirche in dieser letzten Zeit der Welt

geleitet hat.“148

Am 22. Februar kam der Leichenzug in Wittenberg an. Die Grabstätte Luthers sollte unter

der Kanzel liegen, einer der wichtigsten Wirkungsstätten des Reformators. Die Predigt hielt

145 M. Brecht: Martin Luther, III, 365. 146 Ders., ebd. 147 M. Brecht: Martin Luther, III, 367. 148 Ders., a.a.O., 371.

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Bugenhagen über 1. Thess. 4,13ff. Die anschließende Gedenkrede hielt Melanchthon. Er

fasste noch einmal die wichtigsten theologischen Erkenntnisse Luthers zusammen.

5.1. Beurteilung des Reformators Martin Luther Die guten Früchte der Reformation149:

1) ad fontes: zurück zu den Quellen, so lautete das Schlagwort der Humanisten. Das ani-

mierte auch Martin Luther, sich intensiver mit der eigentlichen Quelle der Theologie

zu beschäftigen, nämlich mit der Bibel. Das führte zur Wiederentdeckung des Evange-

liums.

2) Übersetzung der Bibel. Das Wort Gottes ist die Nahrungszufuhr der Christenheit.

3) sola scriptura (allein die Hl. Schrift). Die Bibel ist bindend. Sie steht über alle

Konzils- und Papstbeschlüsse. Luther wendet sich gegen den absolutistischen An-

spruch des Papstes.

4) Papst und Konzilen können irren, die Hl. Schrift nicht.

5) sola fide (allein durch den Glauben). Nur der Glaube an Jesus Christus rettet und

nicht die Werke allein.

6) Abschaffung des Ablasses, des Fegefeuers, des Zölibats und der Reliquien.

7) Reformen: Kirche, Gottesdienst (Einführung von Predigt u. Gemeindegesang. Von

Luther selbst stammen 27 Lieder), Schule (alle Kinder sollten zur Schule gehen).

Der junge Luther:

Eigentlich müsste man den jungen Luther von dem alten Luther unterscheiden. Denn

die ersten Reformen, die der junge Luther durchführte, entsprechen dem heutigen frei-

kirchlichen Denken.

a) Zunächst machte der Reformator wieder völlig Ernst mit dem allgemeinen Priester-

tum der Gläubigen. Die Schrift „An den christlichen Adel“ war ein Aufruf zur Frei-

heit aus der Bevormundung durch die Priesterschaft. Aller Welt sollte klar werden:

„Die Bibel kennt keine Priesterkaste, die euch knechten darf! Geknechtet wurdet ihr

tausend Jahre lang, stehet auf, werdet frei!“150

b) In der Schrift von der „Deutschen Messe und Ordnung des Gottesdienstes“ (1525)

fordert Luther, dass alle, die mit Ernst Christen wären und sich mit Hand und Mund

zum Evangelium bekennen, mit Namen in ein Register eingetragen werden. Hier

wird also schon an eine Mitgliedschaft bekennender Christen gedacht.

c) Auch dachte der junge Reformator bereits an Hauskreise: „Aus ihrer Mitte soll der

glaubenslosen Masse das Evangelium in den öffentlichen Versammlungsstätten

verkündigt werden und nur diejenigen sollen sich den Hausversammlungen an-

schließen, in denen ein lebendiger Glaube wach geworden ist.“151

d) Selbst mit den böhmischen Brüdern wollte Luther sich vereinigen. Aber dazu kam

es nie.

149 Heussi, Kompendium der KG, § 81 150 Samuel Henri Geiser, die Reformation in Deutschland – aus der Sicht der taufgesinnten Gemeinden in der

Schweiz in: Bibel und Gemeinde, Zeitschrift des Bibelbundes, 3 / 1983, S. 263 – 276. 151 S. H. Geiser, die Reformation in Deutschland, a.a.O., S. 267.

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e) Noch 1525 hatte Luther in dem „Sendbrief vom dem harten Büchlein wider die

Bauern“ geschrieben, dass das Gottesreich nicht mit dem weltlichen Reich ver-

mischt werden könne. Es wären Gegensätze wie Frost und Hitze. Doch später kam

es zur Vermischung der beiden Reiche: Staatskirchentum.

f) In einer Predigt zum 3.Sonntag nach Epiphanias über Matth. 8, 1 ff. wandte sich der

Theologieprofessor gegen die Kindertaufe. Denn auch für Luther stand fest: die

Taufe ist von dem persönlichen Glauben an den auferstandenen Christus nicht zu

trennen.

Der ältere Luther (nach 1525):

Irgendwie kam es nicht zu einem freikirchlichen Durchbruch und zu einer Erweckung

im pietistischen Sinne. An seinem Lebensabend beklagt der Reformator: „Sie lernen

wohl die Worte reden wie ein Papagei, der Menschenworte nachredet, aber ihr Herz

erfährt es nicht, sie bleiben, wo sie sind.“152

Bereits nach der Wartburg-Zeit (1522) drosselt der Mönch die Reformbestrebungen,

die Karlstadt während der Abwesenheit Luthers durchgeführt hatte (Bildersturm;

Abendmahlfeier in beiderlei Gestalt). Luther selbst nahm den Wind aus den Segeln der

Reformer. Er blieb bei der Episkopalkirche stehen und wurde somit zum Gegner der

Taufgesinnten. Das ist die Tragödie der Reformation!

a) Staatskirche

Mit Hilfe des weltlichen Arms sollten demnach die kirchlichen Verhältnisse geord-

net werden. Dieser Schritt der Reformatoren führte zum Episkopal-System, wonach

die bischöfliche Macht auf die evangelischen Landesherren übertragen und diese zu

Oberhäuptern ihrer Landeskirche erklärt wurden. So entstand die erste protestanti-

sche Staatskirche. Auch die Lehrgestaltung wurde eine Angelegenheit des Staates,

somit auch die theologische Ausbildung.

b) Das Territorialprinzip

Die neue Verweltlichung der Kirche führte zum Territorialprinzip, nach welchem

der oberste Herr des Landes der eigentliche Regent der Kirche war. Nach diesem

Prinzip hatten die staatlichen Instanzen zu entscheiden, welcher Religion und Kir-

che die Untertanen anzugehören hatten. Der Glaube des Landesfürsten wurde zur

Staatsverordnung. Wie der Fürst glaubte, so sollten auch seine Untertanen glauben.

c) Speyer 1529

Auf der einen Seite beanspruchten die Protestanten auf dem Reichstag zu Speyer

1529 für sich die Glaubensfreiheit. Auf der anderen Seite beschlossen die lutheri-

schen und katholischen Fürsten und Ständen gemeinsam (!) die Unterdrückung der

„Sekten“ und „Ketzer“. Damit begann die Verfolgung der Wiedertäufer.

d) Die Doppelehe vom Landgrafen Philipp von Hessen

Philipp von Hessen, ein Freund und Förderer der Reformation, hatte im März 1540

unter Einwilligung seiner Gemahlin, Christina von Sachsen, mit einem Hoffräulein

insgeheim eine zweite Ehe geschlossen.153 Um die Zustimmung der Mutter der

Braut zu gewinnen, hatte er vorher Luther und Melanchthon den Beichtrat vom

152 S. H. Geiser, die Reformation in Deutschland, a.a.O., S. 270. 153 Heussi, Kompendium der KG, § 79 g.

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10.Dez. 1539 entlockt, worin sie als Beichtväter dem Landgrafen Dispens154 erteil-

ten, insgeheim eine zweite Ehe zu schließen. Es war der dies ater (der schwarze Tag)

der deutschen Reformationsgeschichte. Die Stellung des AT zur Bigamie blieb für

Luther ungeklärt. Luthers christologisches Auslegungsprinzip hatte wohl einmal

versagt. Was dem Volk verwehrt wird, wird den Grafen erlaubt. Die Reformations-

bewegung verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit.

e) Das unglückliche Fazit des Bauernkrieges

Vgl. unsere Ausführungen oben (3.2.4.).

f) Predigtamt

Luther wich dann auch vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen ab. In seiner

Schrift von den Schleicher- und Winkelpredigern warnt er geradezu vor der Wie-

derherstellung des Laiendienstes. „Wie man es gern nicht zulässt, dass einer unbe-

rufen sich in den Rat drängt, so ist es noch viel weniger zu leiden, dass in einem

geistlichen Rat, das ist ins Predigtamt, ein fremder Schleicher sich eindringe oder

ein Laie unberufen sich des Predigens unterwinde in seiner Pfarrkirche. Es soll den

Propheten befohlen sein und bleiben.“155 Das hatte weitreichende Folgen. Alle frei-

kirchlichen Bestrebungen wurden im Keime erstickt. Der Staat hat das sogar ge-

setzlich verabschiedet. Wir nennen ein Beispiel aus Bremen. 1694 kam es dort zu

einem Edikt, welches die Predigt und religiöse Handlungen außerhalb von Kir-

chenmauern verbot. Das galt vor allem den nichtordinierten Predigern. 1826 predigt

der 26jährige „Laie“ J. G. Oncken in der Nähe von Bremen und verteilt Traktate.

Oncken wurde der Mitbegründer des Baptismus in Norddeutschland. Schon bald

wurde Oncken polizeilich gesucht. Nur mit großer Mühe konnte sich der Baptismus

allmählich durchsetzen.156

g) Von der Taufe

In seiner Predigt über Mt. 8, 1-13 am dritten Sonntag nach Epiphanias geht Luther

auf die Kindertaufe ein.157 Für den Reformator steht fest, dass der persönliche

Glaube von der Taufe nicht zu trennen ist: „Denn der Glaube muß vor oder je in

der Taufe da sein.“ Ohne eigenen Glauben sei niemand zu taufen. So hat es schon

Augustin bekannt: „Non sacramentum justificat, sed fides sacramenti“ (das Sakra-

ment macht nicht gerecht, sondern der Glaube des Sakraments). Durch die Taufe al-

lein gibt es kein ewiges Leben und Vergebung der Sünden. Dennoch hält der Wit-

tenberger an der Kindertaufe fest. Er macht die Taufe vom persönlichen Glauben

abhängig. Fehlt der persönliche Glaube, dann sollte man nicht taufen. Sofort stellt

sich die Frage, ob denn Kleinkinder einen persönlichen Glauben hätten. Und genau

das bejaht der Theologieprofessor.

154 Aufhebung einer Verpflichtung. Ausnahmebewilligung. 155 S. H. Geiser, Die Reformation in Deutschland, a.a.O., S. 273. 156 Margarete Jelten, Unter Gottes Dachziegel, Anfänge des Baptismus in Nordwestdeutschland, Oncken

Verlag, Kassel, 1984, S. 17 – 26. 157 WA, Bd. XI, 655 – 681. Die entsprechende Internetseite unter www.luther-predigt.de ist unvollständig.

Entweder ist die Perikope über die Taufe bewusst weggelassen worden oder aber es handelt sich um eine

Epiphaniaspredigt aus einem anderen Jahr, ebenfalls über denselben Text.

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„Wo wir nun nicht besser können auf diese Frage antworten, und beweisen, daß die jungen Kin-der selbst glauben und eigenen Glauben haben, da ist es mein treuer Rath und Urtheil, daß man stracks abstehe, je eher je besser, und taufe nimmermehr kein Kind, daß wir nicht die hochge-lobte Majestät Gottes mit solchem Alfanzen und Gaukelwerk, da nichts hinter ist, spotten und lästern. Darum sagen wir hier also zu und schließen: daß die Kinder in der Taufe selbst glauben und eigenen Glauben haben, denselben Gott in ihnen wirkt durch das Fürbitten und Herzubrin-gen der Pathen im Glauben der christlichen Kirche; und das heißen wir die Kraft des fremden Glaubens: nicht daß jemand durch denselben möge selig werden; sondern daß er dadurch, als durch seine Fürbitte und Hülfe, möge von Gott selbst einen eigenen Glauben erlangen, dadurch er selig werde....Also sagen wir auch hier, daß die Kinder nicht werden im Glauben der Pathen oder Kirche getauft; sondern der Pathen und der Christenheit Glaube bittet und erwirbt ihnen den eigenen Glauben, in welchem sie getauft werden und für sich selbst glauben.“

Luther befürwortet nur dann die Kindertaufe, wenn die Kinder selbst glauben. Dies

muss er nun noch beweisen. Und das tut er mit Mt. 19, 13-15 (Par.). Wenn Jesus

sagt „lasst die Kinder zu mir kommen...“, dann gelte das auch für die Taufe.

„Wer will dawider so kühn sein und die Kindlein nicht zur Taufe kommen lassen, oder nicht

glauben, daß er sie segne, wenn sie dahin kommen?“

Durch das Sakrament der Taufe verleihe der Priester dem Kinde den persönlichen

Glauben:

„Also sagen wir auch hier, daß die Kindlein zur Taufe gebracht werden wohl durch fremden

Glauben und Werk; aber wenn sie dahin kommen sind und der Priester oder Täufer mit ihnen handelt an Christi statt, so segnet er sie und gibt ihnen den Glauben und das Himmelreich; denn

des Priesters Wort und That sind Christi selbst Wort und Werk.“

Aber wie verhält es sich mit Röm. 10,17? „Der Glaube kommt durch das Hören –

das Hören aber kommt durch das Wort Gottes.“ Kleinkinder könnten mit ihrem

Verstand einer Bekehrungspredigt noch nicht folgen.

„Item, sage mir, was hatten die Kindlein für eine Vernunft, die Christus herzte und segnete, und dem Himmel zutheilte? Waren sie nicht auch noch ohne Vernunft? Warum heißt er sie denn zu sich bringen und segnet sie? Wo haben sie solchen Glauben her, der sie zu Kindern des Himmel-reichs macht?“

Für manche ist ein Bekenntnis die Voraussetzung für eine Taufe. Doch auch in die-

sem Fall kontert der Reformator: Auch Erwachsene könnten ein Scheinbekenntnis

ablegen.

„Sollte eine Taufe gewiss sein, so sei der Kinder Taufe die allergewisseste...“

„Summa, der Kinder Taufe und Trost steht in dem Wort: ‚Lasst die Kindlein zu mir

kommen und wehret ihnen nicht; denn solcher ist das Reich Gottes’“

Die Argumente, die Luther für den Glauben der Kinder anführt, sind ein guter Be-

leg für die Kinderevangelisation. Auch Kinder können hören, glauben und beken-

nen! (Über das Alter eines Kindes müsste man sich ja noch unterhalten, also, ab welches Alter der persönliche

Glaube kommt.) Doch kann man keine Tauftheologie mit Mt. 19, 13-15 belegen. Dazu fehlen die

exegetischen Grundlagen. Ganz eindeutig steht die Tauftheologie in Römer 6.

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h) Von den Wiedertäufern

Wenn wir soeben festgestellt haben, dass Luther an der Kindertaufe festhielt, dann

ist selbstverständlich davon auszugehen, dass er die „Wiedertaufe“158 ablehnt. „Von

der Wiedertaufe“ blieb Luthers einzige größere Schrift gegen die Täufer.159 Die im

Januar 1528 durch kaiserliches Gesetz angeordnete Hinrichtung der Täufer lehnte

Luther ab, sofern es sich nicht um Aufruhr handelte. Im April 1529 hatte Luther

den aus Steyr in Oberösterreich stammenden Täufer Hans Sturm, der in Zwickau

gefasst worden war, zu verhören. Für ihn war Christi Tod lediglich ein Exempel,

und damit schien die Kraft und Frucht des Leidens Christi geleugnet. Die Witten-

berger Theologen und Juristen verurteilten Sturm darauf zu lebenslanger Haft, da-

mit er seine Irrlehre nicht verbreiten konnte, im Gegensatz zu einem Leipziger Ge-

richt jedoch nicht zum Feuertod, weil man einer etwaigen Sinnesänderung nicht

vorgreifen wollte.

Von Hessen her breiteten sich die Täufer auch im westlichen Thüringen aus. Im Ja-

nuar 1530 wurden in Reinhardsbrunn sechs rückfällige Täufer hingerichtet. Da Lu-

ther die Thüringer Täufer zugleich für Aufrührer hielt, hatte er keine Vorbehalte

gegen die Anwendung der Todesstrafe. Vgl. dazu „das Reich Christi in Münster“,

wo einige Täufer das tausendjährige Reich aufrichten wollten.

Neben der theologischen Kritik ging es Luther sichtlich darum, die Illegalität der

Täufer zu betonen. Ihnen fehle die Berufung und die Ordination!

In Nürnberg wurden allerdings mehrere Konfessionen nebeneinander geduldet. Der

Wittenberger war gegen das geduldete Nebeneinander mehrerer Glaubensgemein-

schaften in einem Gemeinwesen. Heimliche Winkelpredigt ohne ordentliche Beru-

fung war nicht zu erlauben. 1531 stimmte er, wenn auch mit Bedenken, sogar der

von Melanchthon vorgeschlagenen Todesstrafe gegen Anführer der Täufer zu.

i) Von den Juden160

Zunächst veröffentlichte Luther 1523 die Schrift „dass Jesus Christus ein geborener

Jude sei.“ Er weiß um die Verstockung der Juden. Der Reformator attackiert des-

halb die Juden, weil sie den Gekreuzigten verschmähen. Das ist der Grund für die

Angriffe. Die Auslegung von Ps. 24 aus dem Jahre 1530 bestritt sowohl den Juden

als auch dem Papst, zum Volk Gottes zu gehören. 1532 wendet sich Luther gegen

Amsdorf, der einen Juden taufen wollte, denn „es sind Schälke“. Auf der anderen

Seite wurde der getaufte Jude Bernhard (Jakob Gipher) von dem Reformator unter-

stützt. Als er 1531 wegen Schulden seine Familie verlassen hatte, nahmen Luther

und Melanchthon je eines seiner Kinder auf. In der Römerbrief-Vorlesung bekennt

sich Luther noch 1515/1516 zu der Zukunft Israels: „Sie werden nicht ewiglich

draußen bleiben, sondern sie werden sich bekehren zu ihrer Zeit.“161 Weiter

schreibt er zu Röm. 11,26: „Christus ist also noch nicht zu den Juden gekommen,

aber er wird kommen, nämlich in der letzten Zeit, wie die oben angeführten Schrift-

stellen zeigen.“162

Später jedoch stellt sich der Wittenberger vehement gegen eine Eschatologie Isra-

els. Bei der Bibelrevision von 1544 wird zu Röm. 11 erneut notiert: „Es gibt immer

einige Juden, die gerettet werden.“

158 Ob es sich um Wiedertaufe handelt, wäre konfessionell zu klären. 159 Martin Brecht: Martin Luther, Bd. 2, S. 325 – 328. 160 Martin Brecht: Martin Luther, Bd. 3, S. 328 – 345. 161 Martin Luther, Vorlesung über den Römerbrief 1515/16 in: Ausgewählte Werke, hrsg. v. H.H.Borcherdt u.

G.Merz, Ergänzungsreihe, 2.Bd., Chr. Kaiser Verlag, München, 19653, S. 362. 162 Martin Luther, Vorlesung über den Römerbrief, ebd., S. 363.

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Das AT habe man vom NT her auszulegen. So habe sich Jer. 31 bereits gemäß

Hebr. 8 in der Gemeinde Jesu erfüllt.163 Luther geht über zur christologischen Aus-

legung. Überall im AT ist Christus zu finden. Ihn muss man suchen, nicht das Volk

Israel. Das stimmt. Doch darf das christologische Prinzip nicht die wörtliche Aus-

legung völlig ersetzen. Wenn bestimmte Textpassagen von dem Volk Israel spre-

chen, dann kann man das nicht einfach ignorieren. Die wörtliche Auslegung wird

zur Seite gedrängt. Damit verlieren die Verheißungen für Israel ihre Bedeutung.

Nach Luther habe sich der Bund Gottes mit David (also Israel) in Christus (bei sei-

nem ersten Kommen) erfüllt. Und darum kann die Geschichte des jüdischen Volkes

nicht mehr weitergehen. Von einer Bekehrung Israels zu Christus ist explizit nicht

die Rede. Die Beschneidung verstand er nicht als universales Gebot. Der Gesetzes-

bund galt nur bis zur Ankunft des Messias. Die Weissagung Jesu von der Zerstö-

rung des Tempels bewies ihm das Ende des jüdischen Gottesdienstes und Reiches,

das die Juden nicht wahrhaben wollten.

Auch in der neuen Vorrede auf den Propheten Hesekiel von 1541 wendet sich der

Reformator gegen die Zukunft Israels. Die Landverheißungen an Israel seien hinfäl-

lig und die Hoffnung der Juden auf eine Rückkehr nichtig. Die wahren Israeliten

waren nunmehr die Christen. Faktisch ist diese Vorrede eine völlige Bestreitung der

jüdischen Hoffnungen.

Im Jahre 1542 erschien dann die diffamierende Schrift „von den Juden und ihren

Lügen“. Im ersten und zweiten Teil der Schrift verwendet Luther wiederum die

christologische Auslegung. Der dritte Teil hat traurige Berühmtheit erlangt und

steht im Zusammenhang mit dem Antisemitismus. Luther wurde wohl auch durch

Schriften beeinflusst, worin Juden schikaniert und mit Lügen behaftet wurden. Nun

waren für Luther die Juden Faulpelze und ein Übel wie eine Krankheit. An eine

Bekehrung sei nicht mehr zu denken. Luther legte ein Sieben-Punkte-Programm

vor, wie man mit Juden verfahren sollte:

(1) Die Synagogen sollten verbrannt werden, weil in ihnen Christus und die Chris-

ten gelästert wurden.

(2) Ihnen sollten keine Kirchen zur Verfügung gestellt werden.

(3) Die Häuser der Juden solle man zerstören.

(4) Der Talmud und die Gebetbücher sollten konfisziert und die Rabbiner mit

Lehrverbot belegt werden.

(5) Ihnen sollte der Geleitschutz verweigert werden.

(6) Der Wucher wird ihnen untersagt und ihr Vermögen an Geld und Edelmetall

wird konfisziert.

(7) Ihren Lebensunterhalt sollten sie in einer Art Zwangsarbeit bei den Christen

verdienen oder man solle sie ganz und gar vertreiben.

Das scharfe kursächsische Judenmandat vom 6.Mai 1543, das den Juden jeglichen

Aufenthalt und Durchzug verbot sowie die Konfiskation ihres Besitzes anordnete,

berief sich ausdrücklich auf die Schrift Luthers. Und welche Folgen Luthers Ab-

handlung „von den Juden und ihren Lügen“ im 20.Jh. gehabt hat, ist wohl kaum zu

leugnen.

163 Hierbei vergisst Luther den Kontext von Jer. 31, wo es nicht nur um die geistliche Wiederherstellung Isra-

els geht, sondern auch um die Wiederherstellung des Landes. Das kann wiederum nur durch eine geistliche

Auslegung geleugnet werden.

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6. Vom Schmalkaldischen Bund bis zum Augsburger Religions-frieden

6.1. Der Schmalkaldische Bund 1531 Aufgrund der Confutatio (siehe 4.4.) schlossen sich in Schmalkalden (südlich von Ei-

senach) mehrere evangelische Städte (Lübeck, Magdeburg, Bremen, Straßburg u. a.) zu

einem Bund zusammen, 1531, ein Kriegsbündnis zum Schutz gegen die Durchführung

des Reichstags Beschlusses. An der Spitze des Bündnisses stand Philipp von Hessen.164

Jener Schmalkaldische Bund sowie die Türkengefahr nötigten den Kaiser zum Einlen-

ken. Im Nürnberger Anstand (Waffenstillstand) 1532 wurde den Evangelischen zum

ersten Male – wenn auch nur auf begrenzte Zeit – Duldung zugestanden.

6.2. Der Schmalkaldische Krieg 1546/47 Nachdem die Türken-Gefahr gebannt und ein Bündnis mit dem Papst geschlossen wor-

den war, drohte der Kaiser mit einem Krieg. Sein Ziel war es, die Reformation zu be-

seitigen und das Landesfürstentum aufzuheben.

Zunächst entbrannte der Streit in Süddeutschland 1546 und dann in Norddeutschland.

Luther erlebte ihn nicht mehr.

Am 24. April 1547 wurden die Schmalkaldener geschlagen. Kurfürst Johann Friedrich

von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen kamen in Haft.

Im Mai 1548 wurde auf dem Reichstag zu Augsburg das Augsburger Interim (Zwi-

schenzeit, Vorläufige Regelung) herausgegeben.

Inhalt: Den Protestanten wurde nur der Laienkelch und die Priesterehe zugestanden,

aber nur bis zum nächsten Konzil.

Im Übrigen schrieb es in Lehre und Brauch die kath. Auffassung vor.

Die süddt. Städte unterwarfen sich dem Interim. Im manchen Städten trat man sogar

wieder zum kath. Glauben über.

Die norddt. Städte jedoch widersetzten sich vehement (vor allem Magdeburg).

6.3. Der Augsburger Religionsfriede 1555 Die Dinge nahmen plötzlich eine unerwartete Wendung. Der Kaiser war erneut durch

die Spanier und Türkengefahr geschwächt.

Und da wurde Moritz von Sachsen der Retter des Protestantismus!

Moritz von Sachsen wechselte plötzlich die Konfession, schloss sich den Evangeli-

schen an und wurde ihr Führer. Er überlistete in höchst verschlagener Politik (indem er

zunächst noch am 4. Nov. 1551 im Auftrage des Kaisers die Reichsakt an Magdeburg

ausübte) den Kaiser und vernichtete mit einem Schlage alle Erfolge, die der Kaiser in

den letzten Jahren errungen hatte. Im Frühjahr 1552 überrumpelte er den Kaiser in In-

nsbruck. Karl rettete sich mit knapper Not nach Villoch in Kärnten (das Konzil von

Trient löste sich auf).

Nun waren die protestantischen Stände die Herren der Lage. Philipp von Hessen (der

Schwiegervater von Moritz) wurde freigelassen. Johann Friedrich war schon vorher

freigelassen worden.

Am 25. Sept. 1555 (ein kirchenhistorisches Datum) wurde auf dem von Karl V. beru-

fenen Reichstag zu Augsburg der Augsburger Religionsfriede beschlossen!

164 Heussi, Kompendium d. KG § 78 t / u / w

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Er besiegelte:

1.) Die konfessionelle Spaltung Deutschlands

Kein Reichstand sollte künftig wegen seiner Zugehörigkeit zur CA oder zur „alten Re-

ligion“ mit Krieg überzogen werden. Was in Ostfriesland z.B. evangelisch geworden

war, sollte evangelisch bleiben. Alle übrigen Konfessionen (Taufgesinnte u.s.w.) wur-

den vom Frieden ausgeschlossen.

2.) Wessen Region – dessen Religion (cuius regio, eius religio)

Der Augsburger Religionsfriede proklamierte nicht „Religionsfreiheit“ in unserem

Sinne (jeder kann die Konfession selbst wählen), sondern gewährte nur den Landesher-

ren die Freiheit (Fürsten, Kurfürsten), sich für die eine oder die andere der beiden Kon-

fessionen zu entscheiden.

Die Untertanen hatten dem Bekenntnis des Landesherrn zu folgen.

War der Fürst von Bayern katholisch, so blieb Bayern katholisch. Wechselte ein Fürst

die Konfession, so folglich auch das ganze Volk. Deshalb sind gar einzelne Landstri-

che ganz ev. oder andere wiederum kath. Wollte jemand die Konfession wechseln,

musste er das Land wechseln. Diese Regelung wurde erst am 9. Nov. 1918 aufgeho-

ben, nachdem das Fürstentum abgeschafft worden war und der Kaiser Wilhelm II. ab-

gedankt hatte (Weimarer Republik).165

3.) Wurde ein kath. Fürst evangelisch, dann verlor er seine geistliche Würde und alle

damit verbundenen Territorialbesitzungen (z.B. Kirchgebäude und Land, welches der

Kath. Kirche gehörte) und Einkünfte (die er durch die kath. Kirche zusätzlich erhalten

hatte).

4.) Das Reichskammergericht sollte mit Vertretern beider Konfessionen besetzt wer-

den (ein Reichsgericht, das über ganz Deutschland entschied).

6.4. Martin Bucer Wir wollen an dieser Stelle kurz das Leben von Martin Bucer streifen, der um die Ein-

heit der lutherischen und reformierten Bewegung bemüht war.

Martin Bucer166 (eigentlich „Butzer“, 1491 – 1551) wurde in Schlettstadt im Elsaß ge-

boren. Dort besuchte er die Lateinschule. Die Schlettstädter Dominikaner überredeten

den 15jährigen, ihrem Orden beizutreten, um bei den Studien zu bleiben. Dazu bemerk-

te Bucer später: „Es ist an mir das Sprichwort wahr geworden: ‚die Verzweiflung

macht einen Münch.’“ Das bedeutet: Eigentlich wollte Bucer gar nicht ein Mönch wer-

den, aber die schulische Laufbahn zwang ihn dazu, weil es keine anderen Schulen gab.

Erst 10 Jahre später durfte er in den Heidelberger Konvent übersiedeln und die Univer-

sität besuchen. Griechisch lernte er bei Brenz.

Die Begegnung mit Luther bei der Heidelberger Disputation (April 1518) gewann ihn

für die neue Theologie. Obwohl er zunächst noch zum Priester ordiniert wurde, trat er

doch bald auf die Seite der Reformation. Er heiratete 1522 die Nonne Elisabeth Silbe-

reisen.

Er kam nach Straßburg, wo er sogleich mit der evangelischen Predigt begann. Er be-

kam immer mehr Einfluss, so dass er auch im Münster predigen durfte. Es dauerte

nicht lange, da wurde Straßburg eine evangelische Stadt. Um auch die junge Generati-

on für die Reformation zu gewinnen, führte Bucer die Konfirmation ein. Auf dem

165 Heussi, Kompendium, 133 a 166 R. Stupperich in: RGG3, Bd. 1, Sp. 1453 – 1457.

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Marburger Religionsgespräch war er anwesend, doch wurde er von den Differenzen in

Bezug auf das Abendmahl der Lutheraner und der Reformierten enttäuscht.

Fortan widmete er sein Leben der unermüdlichen Einigungsarbeit. Bucer konnte so-

wohl die spiritualistische (symbolische) Abendmahlsauffassung eines Zwingli vertreten

als auch die Realpräsenz von Luther. Landgraf Philipp von Hessen holte Bucer nach

Kassel, wo er zusammen mit Melanchthon über Verständigungsmöglichkeiten verhan-

delte. Ohne Unterbrechung bemühte sich Bucer um die Gewinnung der Schweizer.

Doch scheiterten letztendlich alle weiteren Einigungsbestrebungen an Heinrich Bullin-

ger aus Zürich (Nachfolger Zwinglis).

Erzbischof Hermann von Wied holte Bucer 1542 nach Bonn, um von dort aus die Re-

formation in Köln durchzuführen. Die politische Lage ließ es aber zu keinem Erfolg

mehr kommen: Von Geldern aus schlug Kaiser Karl V. zu und machte die Reformation

des Erzstiftes zunichte.

Immer wieder wandten sich Staatsmänner und Vertreter der Kirchen an Bucer um Rat.

Einige seiner Schriften wurden ins Englische, andere ins Tschechische übersetzt.

Als der Ausgang des Schmalkaldischen Krieges eine neue Lage geschaffen hatte,

musste auch Straßburg sich dem Kaiser unterwerfen. Das war das Ende der Reformati-

on in Straßburg. Bucer ging nach England. Als königlicher Lektor der Hl. Schrift er-

hielt Bucer in Cambridge eine einflussreiche Stellung. Dort starb er 1551. Mit großen

Ehren wurde er beigesetzt. Unter der blutigen Maria (Rekatholisierung) wurde ihm der

Ketzerprozess gemacht. Seine Gebeine und Schriften wurden 1556 auf dem Scheiter-

haufen verbrannt. Erst im Zeitalter Elisabeths ist sein Ansehen wieder hergestellt wor-

den.

Bucers Schriften sind geprägt von dem Geist Luthers und Erasmus’. Aufs Ganze gese-

hen prägt sich aber in seinen Kommentaren (z. B. Römerbrief) der reformatorische Zug

(Zwingli / Calvin) deutlich aus.

7. Die Ausbreitung der Reformation in Europa

7.1. Frankreich Schon sehr früh wurden Luthers Schriften verbreitet. Die Reformation gewann dort

einige Anhänger. Doch konnte es nie zu einem Durchbruch kommen, da Frankreich

zentralistisch regiert wurde. Es gab kein Landesfürstentum, das solche Macht besaß

wie in Deutschland und der Staat zudem reiche Einkünfte aus der Kirche bezog.

Franz I. (1515 – 1547) verfolgte die französischen „Lutheraner“ mit Inquisition und

Scheiterhaufen. Anderseits war er den deutschen Protestanten gegenüber aufgeschlos-

sen. Mit Bucer in Straßburg verhandelte er.

Heinrich II. (1547 – 1559) verschärfte die Maßnahmen. Jetzt vollzog sich der Über-

gang zum Calvinismus (Calvins Aufenthalt in Frankreich). Auch tauchte der Name

„Hugenotten“ auf und verdrängte die ältere Bezeichnung „Lutheraner“, er ist vielleicht

eine Entstellung aus Iguenots = Eidgenossen. Auch später wurden die Hugenotten

schwer verfolgt.167 Vergleiche das Lebensbild von Marie Durand. Diese französische

Hugenottin wurde als 15jährige verhaftet (1730). 38 Jahre lang verbrachte sie als Ge-

fangene die Zeit in dem Turm der Constance. Durch sie wurden viele Frauen im Ge-

167 Literatur: Joseph Chambon: Der französische Protestantismus. Sein Weg bis zur französischen Revolution,

CLV, Bielefeld, 2004 (Nachdruck der 1938 im Chr. Kaiser Verlag München erschienenen Ausgabe). Siehe

auch: Wolf-Dieter Hauschild: Lehrbuch der Dogmengeschichte, II, § 13, Kap. 4 „Der Calvinismus in Frank-

reich.“

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fängnis im Glauben gestärkt. An der Mauer des Gefängnisses ritzte sie mit ihren Fin-

gernägeln das Wort „resisté“: Widersteht! Viele Hugenotten flohen nach Deutsch-

land.168

7.2. Niederlande Auch hier drang zunächst das Luthertum ein. Zusätzlich entstand hier das Täufertum

durch Menno Simons (1496 – 1561). Er war katholischer Priester gewesen. Menno

begründete zwar nicht das Täufertum, wurde aber bald sein führender Kopf. Daher der

Name „Mennoniten“.

Sie erkannten das reformierte Bekenntnis an, aber verwarfen die Kindertaufe. Nach

schweren Verfolgungen gelangten die Mennoniten 1572 nach Emden, Hamburg, Dan-

zig, Elbing und in die Pfalz.169

Später drang von Nordfrankreich her der Calvinismus ein, so dass das Luthertum ver-

drängt wurde.170 Doch bevor die Niederlande calvinistisch wurde, gab es auch hier

schwere Verfolgungen. Karl I (V.) (1519-1556) ließ die Bulle „exurge domine“ und

das Wormser Edikt durchführen. Mehrere tausend Ketzer (meist Taufgesinnte) kamen

ums Leben.

Doch schließlich konnte der Calvinismus siegen, so dass heute ganz Holland calvinis-

tisch ist.

7.3. Schottland Auch hier starb der erste Protestant1528. Doch konnte sich die Reformation auch hier

durchsetzen. Allerdings wurde Schottland ebenfalls wie Holland calvinistisch.

1560 errichtete das schottische Parlament die reformatorische schottische Staatskirche,

in der die Grundsätze Calvins in klassischer Form verwirklicht wurden.

Der Führer der schottischen Calvinisten wurde John Knox.

Nachdem er 2 Jahre lang auf den französischen Galeeren verband gewesen war, kehrte

er 1559 nach Schottland zurück. Knox war bereit zum aktiven Widerstand (Lehre Cal-

vins). Er vertrieb die Königin Maria Stuart und führte die Reformation durch.171

7.4. England Das Königtum führte eine einseitige Reformation durch. Heinrich VIII. (1509-1547)

löste sich von der Katholischen Kirche, damit seine Ehe geschieden werden konnte.

1534 veröffentlichte das Parlament die Suprematsakte, die den König als „supreme

head in earth of the Church of England“ anerkennt. Damit hatte Heinrich VIII. freie

Hand.

Die Klöster wurden aufgehoben. Das Papsttum wurde verworfen. Er errichtete die ang-

likanische Staatskirche. Die anglikanische Staatskirche stellt eine Vermischung ev. und

kath. Lehren dar!

Hatte Heinrich VIII. Klöster und Papsttum abgeschafft, so hielt er im „Blutigen Statut“

von 1539 rigoros an der kath. Lehre fest. Ev. Regungen wurden blutig verfolgt.

Erst sein Nachfolger Eduard VI. führte mehr die reformatorischen Elemente ein. 1549

erschien das „Book of common prayer“, das vom Parlament erlassen worden war. Es

168 Tim Dowley, Atlas, S. 123. 169 Heussi, Kompendium der KG, § 85 k-n. 170 Tim Dowley, Atlas, S. 124. 171 Heussi, Kompendium der KG, § 89 r.

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verarbeitet das gottesdienstliche Handeln und neben röm. kath. Stücken auch reforma-

torische.

Die „42 Artikel“ (ein Glaubensbekenntnis) von 1552 beinhaltet die evangelische

Rechtfertigungslehre und die calvinistische Abendmahlslehre. Wichtig ist, dass der

lutherische Einfluss seit 1547 durch Einwirkung Calvins abgelöst wurde.

Unter Maria Tudor (1553- 1558) fand eine Rekatholisierung statt. Sie wird auch die

„blutige Maria“ genannt. 288 protestantische Märtyrer fanden den Tod.172

Elisabeth I. (1558-1603) führte jedoch die anglikanische Staatskirche wieder ein. 1563

wurden die 39 Artikel publiziert (Überarbeitung der 42 Artikel: Milderung der calv.

Abendmahlslehre).

Irland: Eduard VI. und Elisabeth I. versuchten hier Reformen durchzuführen. Anglika-

nischer Klerus wurde gezwungen. Doch blieben Volk und irischer Klerus streng katho-

lisch.

Heute: Katholisch

Nordirland: katholisch – anglikanische Kämpfe.

7.5. Die Skandinavischen Länder173 Dänemark

1520 war Karlstadt 3 Wochen in Dänemark. Seitdem wurde die Reformation durchge-

führt. Auf dem Reichstag zu Odensee 1527 kam es zur Duldung der Lutheraner. Die

Reformation wurde von den Fürsten durchgeführt (nicht vom Volk).

Bugenhagen (Wittenberg) verfasste die dän. Kirchenordnung.

Norwegen: Die Reformation ging von Dänemark aus.

Island: Auch hier gelang die Reformation.

Schweden: Auf dem Reichstag zu Westerås 1527 wurde die evangelische Predigt

freigegeben. Die Reformation ging vom Königshaus aus.

7.6. Die östlichen Länder 1525 wird Preußen evangelisch.

Ostseeprovinzen

Bereits 1539 wurde in Riga (Livland) der erste evangelische Erzbischof gewählt. Von

hier aus drang das Luthertum auch nach Estland und Kurland.

Polen- Litauen

Das Land der blühenden Konfessionen:

Juden

römische Katholiken

Russische Orthodoxe

Luthertum seit 1523 (Danzig)

Calvinismus

Die böhmisch-mährischen Brüder, die nach dem schmalkaldischen Krieg aus ih-

rer Heimat vertrieben worden waren.

Antitrinitarismus, der in Polen zur Kirchenbildung gelangte.

172 Literatur: J. C. Ryle: Fünf Märtyrer. Treu bis in den Tod, CLV, Bielefeld, 1995. 173 Tim Dowley, Atlas, S. 125.

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Böhmen und Mähren und Slovakai

Auch hier drang das Luthertum ein (vor allem im Norden, wo Deutsche lebten).

Ungarn

Große Verbreitung erlangte der Protestantismus in Ungarn. Nicht nur die Oberungari-

schen Städte (Deutsche) sondern auch im türkischen Ungarn wurde die ev. Lehre ver-

breitet. Zu einer Gesamtorganisation der ev. Kirche Ungarns ist es nie gekommen.

Siebenbürgen

Hier erlangte der Protestantismus das Übergewicht. Auch die Siebenbürgener Sachsen

erhielten eine protestantische Nationalkirche lutherischen Gepräges (1545)

Slovenen

Von 1561-1599 evangelisch (dann kam die Gegenreformation). Durch die Übersetzung

kirchlicher Schriften (Katechismus, NT, Ps., Lieder) ins Slovenische wurde die slove-

nische Literatur begründet.

7.7. Die südromanischen Länder Italien blieb katholisch. Seit 1542 wurden Evangelische hingerichtet.

Schweiz blieb durch die Alpen (St. Gottehard-Pass; St. Bernadino-Pass) konfessio-

nell getrennt. Tessin blieb somit katholisch. Die Nordschweiz sowie Genf wurden

reformiert.

In Spanien wurde schon 1521 die Verbreitung ev. Schriften unter die schwersten

Strafen gestellt.

8. Nebenströmungen der Reformation

8.1.Thomas Münzer und die Zwickauer Propheten

-Visionen

-Reich Gottes (Millennium) auf Erden gewaltsam aufrichten.

8.2. Mennoniten

Verwerfung der Kindertaufe

8.3. Melchior Hoffmann (†1543) aus Schwäbisch- Hall

- wirkte in Livland, Schweden, Ostfriesland u. Straßburg

- Weltende 1533

- Verkündigte die bevorstehende Aufrichtung des himmlischen Jerusalem auf

dieser Erde.

- starb in Straßburg im Gefängnis

8.4. Lehre des Täufertums174

Die folgenden Punkte können nicht pauschal betrachtet werden. Es gibt lokale

Differenzen.

- Misstrauen gegen den Staat und jegliches Staatskirchentum.

- Aufstellung einer gesetzlichen Sittlichkeit besonders aufgrund der Bergpredigt.

174 Ausführlicher bei Armin Sierszyn, 2000 J. KG, III, § 25 Die Täufer (S. 302 ff.).

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- Das geduldige, demütige Ertragen allen Unrechts und aller Gewalt, besonders

von der Obrigkeit.

- Die mystische Lehre vom „inneren Licht“ wurde vertreten, d. i. die Berufung

auf eigene prophetische Erleuchtung (gegen das sola scriptura).

- Der Anspruch, Gemeinden von tatsächlich Heiligen zu bilden.

- Die Forderung der Spättaufe.

8.5. Das Reich Christi in Münster (Westf). 1535

Das Täufertum war von Ostfriesland, wo Melchior Hoffmann gewirkt hatte, nach

den Niederlanden gelangt und hatte in Amsterdam in Jan Matthys einen Führer ge-

funden.

Matthys hielt sich für den Propheten Henoch.

Die von ihm ausgesandten „Apostel“ verbreiteten die wiedertäuferische Bewegung

binnen kurzem über ganz Holland.

Von Holland aus verpflanzte sich der täuferische Enthusiasmus der Melchioriten

nach Münster in Westfalen.

1533 hatte in Münster zunächst die Reformation gesiegt.

1534 hatten bereits die Melchioriten die Mehrheit im Rat.

Nun wurden die täuferischen Ideen in die Praxis umgesetzt („Kommunismus“, ge-

setzliche Wiedertaufe).

In Münster sollte das „Königreich Zion“ errichtet werden. Jan von Leiden wurde

der „König“.

Durchführung der Polygamie und brutale Niederhaltung der Andersdenkenden.

Am 25. Juni 1535 wurde Münster erstürmt. Die Schwärmer wurden brutal bestraft.

Der Katholizismus wird wieder hergestellt (bis heute!).

Fazit: Die Katastrophe des Wiedertäuferischen in Münster gab das Zeichen zu erbar-

mungslosen Verfolgungen, die unterschiedslos über die wenigen revolutionären, sondern

auch über die große, friedlich gesinnte Masse (Mennoniten).

Mit unvergleichlichem Heldenmut ertrugen Tausende das Martyrium.

8.6. Jakob Huter (†1536)

Huter organisierte in Mähren „kommunistische“ („Kommune“ = gemeinschaftli-

ches Leben) Gemeinden.

Seit 1535 wurden sie grausam verfolgt.

Jakob Huter aus Tirol wurde 1536 in Innsbruck unter grauenvollen Qualen hinge-

richtet.

1554-1592 lange Periode der Duldung, in der die Gemeinden gediehen.

1622 fegte die Katholische Reaktion die Huterer aus Mähren hinweg: Ausreise

nach Amerika.

Noch heute gibt es huterische Gemeinschaften, die nach dem Koinonia-Prinzip le-

ben (Güterteilung, kein Privateigentum, gemeinschaftliches Wohnen).

8.7. Sebastian Franck (1499-1542/ 43)

- Führer der Spiritualisten

- Zunächst Priester

- Dann Lutheraner

- Zuletzt Spiritualist: Das „innere Licht“, das mich führt - steht über der Hl.

Schrift

- Trinität abgelehnt.

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8.8. Kaspar Schwenkfeld (1489-1561 ) †in Ulm

- Lutheraner, Reformator der schlesischen Herzogtümer.175

- Klares Bibelbekenntnis. Ablehnung aber der „sola scriptura“, da auch der Hl.

Geist in und durch die Gläubigen redet.

- Spiritualist: Der Hl. Geist redet in der Gemeinde. Charismatisch betonte Got-

tesdienste (keine Organisation der Gottesdienste). Geistestaufe.

- Ablehnung der Prädestination.

- Betonung des freien Willens.

- Großtaufe.

- Abendmahl nur für Mitglieder.

- Förderung von Hausgemeinden (ecclesia invisibilis). Keine Ältesten.

- Predigt: Der Hl. Geist allein legitimiert und befähigt die Prediger (Allgemei-

nes Priestertum).

- Gemeinde der Schwenkfeldianer in Schwaben bis 17. Jh.

- in Schlesien bis 18 Jh.

- heute Gemeinde in Pennsylvania.

8.9. Michael Servet176

- Michael Servet ist Spanier, Entdecker des kleinen Blutkreislaufs und in Vienne

der Leibarzt des Erzbischofs.

- Die Trinität lehnt er völlig ab. Es sei Vielgötterei, eine Verehrung eines „drei-

köpfigen Zerberus“ (Höllenhund). Jesus sei nicht der ewige Gottessohn; er wird

als Mensch geboren und nach und nach ein Teil der göttlichen Substanz.

- Eine gewisse Zeit weilte er bei Oekolampad in Basel, wurde aber ausgewiesen

- ebenso erging es ihm in Straßburg

- auf der Flucht nach Italien wurde er auf Betreiben Calvins festgehalten; das Ge-

richt verurteilte ihn zu Feuertode, obwohl sich die evangelischen Prediger zu-

letzt für eine mildere Todesart aussprachen. Calvin war für Enthauptung.

- am 27. Okt. 1553 wurde Servet in Genf lebendig verbrannt.

8.10. Fausto Sozzini begründete als Antitrinitarier (1539-1604) die Kirche der Sozzianer, die in Polen gedul-

det wurde.

8.11. Täufertum in der Schweiz

Sierszyn: 2000 Jahre Kirchengeschichte, III, 295-338

Factum 5/07, S. 10-16.

175 Literatur: Karl Ecke: Kaspar von Schweckfeld. Schau einer apostolischen Reformation, Memmingen,

1965. 176 vgl. A. Sierszyn, 2000 Jahre KG, III, S. 262 (§ 17 Calvinprobleme).

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Teil IV Gegenreformation

1. Die Gesellschaft Jesu

Gründer dieses katholischen Ordens ist Ignatius von Loyola.

Die Societas Jesu wurde 1540 durch Papst Paul III. bestätigt. In ihr erhielt der neube-

lebte Katholizismus für den Kampf mit der Reformation seine schlagfertigste Truppe.

1.1. Ordensgründung

Ignatius kommt aus Spanien (*1491 in Loyola, † 31. Juli 1556 in Rom).177

Nach einer schweren Verletzung und der eifrigen Lektüre von Heiligenlegenden ent-

schloss er sich, seine ganze Kraft in den Dienst der Kirche zu stellen.

Er weihte 1522 seine Waffen der Maria, der er fortan als geistlicher Ritter dienen woll-

te

In dem Spital zu Manresa betrieb er Askese. Er bekam Visionen, woraufhin die soge-

nannten „Geistlichen Übungen“ (Exercitia spiritualia) entstanden, die spätere Ordens-

regel (Gebete, Betrachtungen usw.).

1523 Pilgerte er nach Israel.

1524 Gründliches Studium (als 33jähriger auf der Schulbank).

1534 legten Ignatius und seine Freunde auf dem Montmatre bei Paris das gemeinsame

Gelübde ab, in Israel für die Kirche zu wirken oder sich vom Papst zu beliebigen Zwe-

cken verwenden zu lassen. Das Letztere traf ein.

1540 erfolgte durch Papst Paul III. die Bestätigung der Gruppe als Orden.

1541 wird Ignatius General des Ordens. General wurde man auf Lebenszeit. Das Gene-

ralkonsulat befand sich zu Rom.

1545 erhielten die Jesuiten das Privileg, überall ohne Erlaubnis des Diözesanbischofs

und des Pfarrers zu predigen und das Bußsakrament zu spenden.

1.2. Verfassung

a) Hierarchie

General (monarchische Gewalt)

Provinzialen (Leiter der Ordensprovinzen)

Rektoren (Vorsteher der Ordenshäuser )

b) Beitritt

Dem Eintritt in den Orden ging ein 2-jähriges Noviziat voraus.

Darauf folgte:

- Ablegung der drei Mönchsgelübde (Armut, Keuschheit, Gehorsam) und die

Aufnahme in der Klasse der Scholastiker (Studium der Philosophie und Theo-

logie).

- Priesterweihe nach 15 Jahren.

- Professi (Leitung, Unterricht ) = eigentlicher Kern des Ordens. Zusätzliches

Gelübde. Unbedingter Gehorsam gegen den Papst.

- Die weniger befähigten Novizen wurden überhaupt nicht zum Eintritt in die

geistliche Laufbahn zugelassen. Sie waren Sekretäre in der Verwaltung.

177 Heussi, Kompendium der KG, „ 87. Siehe auch A. Sierszyn, 2000 J. KG, III, S. 361 ff.

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c) Gehorsam

Durch ein eigenartiges Überwachungssystem, das sich auf alle Ordensglieder (ein-

schließlich General) ausdehnte, wurde die bedingungslose Unterwerfung der einzelnen

gesichert: „perinde ac si cadaver essent“ = wenn sie auch gleich Leichname wären (ein

altmönchisches Sprichwort der Legionäre; daher „Kadavergehorsam“).

1.3. Religiosität

- Die “exercitia spiritualia” (die geistl. Üb.) werden alljährlich 4 Wochen hindurch

abgehalten. Die Übungen sollen zu religiöser Hingabe und lebendiger Mitarbeit am

Reiche Christi erzielen.

- Das neue an den altmönchischen Regeln: Völlige Auslieferung der Seele an den

Exerzitienmeister!

- Ignatius empfahl häufige Beichte, Kommunion, eifrigen Besuch der Messe, Vereh-

rung der Reliquien, Wallfahrten usw. (was M. Luther gerade abgeschafft hatte, wurde in

verstärkter Weise neu belebt).

- Verzicht auf Mönchsgewand.

1.4 Politischer Zweck

Ziel: Herstellung der Alleinherrschaft der Katholischen Kirche durch Bekehrung der

Ketzer und Heiden (sogar durch Hinterlist und Inquisition).

1.5. Wirksamkeit

- An den Fürstenhöfen als Beichträte und Prinzenerzieher.

- Beichtstuhl

- Lehrer und Dozenten

- Missionare

Ihre Haupterfolge blühten ihnen, nachdem eine neue Generation in den Schulen groß

geworden war (deshalb plädierte schon zu seiner Zeit M. Luther für den ev. Unterricht

in den Schulen, damit andere Ideologien sogleich im Keim erstickt würden: Religions-

unterricht).

1.6. Ausbreitung

- Schnelle Ausbreitung in Italien, Spanien, Portugal u. Südamerika (kath. Län-

der). In Dt. u. Niederlande nur teilweise (reformierte Länder). In Frankreich

erst 1561 Zulassung.

- Überseeische Mission wurde stark durch die Jesuiten durchgeführt.

- Im Laufe seiner Geschichte ist der Jesuitenorden ungefähr 40mal aus verschie-

denen Ländern vertrieben worden (zu rigoros).

- Bis 1947: 26 Generäle (11 Italiener, 5 Spanier, 4 Belgier, 2 Deutsche, 1 Tsche-

che, 1 Holländer, 1 Schweizer, 1 Pole).

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2. Das Tridentinum

Zunächst ein kleiner Steckbrief178:

Ort : Trient (Trento in Südtirol)

Name: Trient (so der dt. Name) = In Latein heißt der Ort Tridentum.

Sache: Ein Konzil, das die konfessionelle Frage klären sollte. Im Klartext: Die Stel-

lung der römisch-katholischen Kirche gegenüber den Protestanten musste

geklärt werden.

Einberufung: erfolgte durch Kaiser Karl V.

Zeit : 1545 – 1563 Einteilung in drei Perioden.

Lage : Karl V. beabsichtigte eine formelle Anerkennung des Protestantismus.

Dieselbe Stellung nahm dessen Nachfolger Ferdinand I. dem Konzil gegen-

über ein. Papst Paul III., der das Konzil bestimmend beherrschte, wollte na-

türlich eine Auslöschung der Protestanten erreichen. Das Konzil war von

vornherein schroff protestantenfeindlich bestimmt. Stimmberechtigt waren

nur noch Bischöfe & Ordensgeneräle. Es erfolgt nicht mehr eine Abstim-

mung nach den Ländern.

Ergebnis: Das Tidentinum wurde ein Bekenntnis der römisch-katholischen Kirche, dass

jeder Priester fortan beschwören musste.179

( K. D. Schmidt, KG, S. 384 ).

Im Einzelnen:

2.1. Erste Periode : 1545 – 1549

Schon immer hatte Karl V. ein Konzil verlangt, das die protestantische Frage klären sollte.

Nun endlich war die Zeit reif. Papst Paul III. hatte es auf den 1. Dez. 1542 nach Trient

(Tridentum) berufen. Doch verzögerten dessen Legaten die Einberufung, so dass die Sit-

zung erst am 13. Dez. 1545 feierlich eröffnet werden konnte.

Beschlüsse:

(1) Einige Apokryphen des Alten Testamentes werden für kanonisch erklärt (Zusätze Da-

niel und Esther, Baruch, Brief Jeremias, Makkabäer, Judit, Tobias, Sirach, Weisheit Sa-

lomos, 3. u. 4. Esra).

(2) Es gibt zwei Offenbarungsquellen: Schrift + Tradition (nach Th. v. Aquin).

(3) Die Vulgata ist eine authentische Übersetzung (antagonistisch zu Luthers Übersetzung).

Die authentische Ausgabe der Vulgata wurde 1590 durch Papst Sixtus V. für fehlerlos

erklärt. Tatsächlich enthielt sie 2000 Fehler. Deshalb wurde sie durch Clemens VIII.

1592 revidiert. Dennoch erreichte sie den Stand der Fehlerlosigkeit nicht.

(4) Die Kirche ist allein die maßgebende Auslegerin der Hl. Schrift. (gegen M. L.: Jeder,

der den Hl. Geist hat, darf die Schrift auslegen). Im Zweiten Vatikanischen Konzil von

Dei Verbum 2,9 heißt es: „Die Aufgabe aber das geschriebene oder überlieferte Wort

Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut,

dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi geübt wird.“

(5) Rechtfertigung geschieht unter Einfluss der Werke und nicht sola fide (allein durch den

Glauben).180

178 Heussi, Kompendium der KG, § 88; Sierszyn, 2000 Jahre KG, III, S. 353 ff. 179 K. D. Schmidt, KG, S. 384. 180 Vgl. „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung Augsburg 1999. Ferner: Aber die evangelische Christenheit

wird durch „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche vom 10.07.2007“

durch die römisch-katholische Glaubenskongregation gar nicht als Schwesterkirche akzeptiert, denn wegen Fehlens

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(6) Heilsgewissheit wird abgelehnt.181

Die Fortsetzung: Das Konzil wurde 1547 nach Bologna verlegt, um es dem Einfluss des

Kaisers (Trient = Boden des Kaisers) zu entziehen. 1549 suspendierte Paul III. das Konzil,

worauf er starb.

2.2. Zweite Periode : 1550 – 1552 zu Trient

Der neue Papst Julius III. (vorher Konzilsleiter) berief erneut unter dem Druck des Kaisers

das Konzil nach Trient ein. Frankreich lehnte das Konzil ab. Dagegen hatte der Kaiser Karl

V. (1519 – 1556) den Erfolg, dass einige ev. Stände das Konzil beschickten.

Beschlüsse:

Eucharistie: Transsubstantiationslehre wird beibehalten.

Buße: Ablass durch Geldzahlung wird abgeschafft.182

Unterbrechung des Konzils:

Am 28. April 1552 wurde das Konzil wegen des Anmarsches des Kurfürsten Moritz um

zwei Jahre vertagt.

Aus den 2 Jahren wurden tatsächlich 10 Jahre.

2.3. Dritte Periode (1562 – 1563 ) zu Trient

Einberufen durch Pius IV. Die Jesuiten beherrschten die Versammlung.

Kaiser Ferdinand I. forderte

a) Abstellung zahlreicher Missstände (Fiskalismus, Kultus, Leben der Kleriker u. Mönche)

b) Zulassung von Laienkelch und Priesterehe; Fastenerleichterung. Doch konnte der Kaiser

sich nicht durchsetzen.

Beschlüsse:

- Ehe: Ungültigkeit der „ geheimen“ Ehe!

- Wer sagt, der Ehestand sei dem Zölibat vorzuziehen, der sei im Banne.183

Das Ende:

Papst Pius IV. bestätigte mit der Bulle „benedictus deus“ (= gepriesen sei Gott) am 26.Jan.

1564 die Konzilsbeschlüsse.

Diese fanden nur in Österreich, Portugal, Polen u. Italien Anerkennung. Die übrigen Staaten

machten Schwierigkeiten. Dennoch konnte sich das Tridentinum durchsetzen.

2.4. Der Ertrag

Die römisch-katholische Kirche hatte sich in der Tradition verhärtet.

Der Protestantismus wurde offiziell abgewiesen.

Das Tridentinum wurde ein Bekenntnis, worauf die ordinierten Priester schwören mussten.

der „apostolischen Sukzession“, des „sakramentalen Priestertums“ und des „eucharistischen Mysteriums“ ist sie

keine Kirche im eigentlichen Sinn. 181 Th. Brandt, Kirche im Wandel der Zeit, II, S. 56. 182 Th. Brandt, Kirche im Wandel der Zeit, II, S. 57. 183 G. Stemberger, 2000 Jahre Christentum, S. 452.

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3. Der Dreißigjährige Krieg (1618-48)

Die Gegenreformation in Österreich und Bayern In Österreich184 bleiben die Habsburger (das kaiserliche Geschlecht) rigoros katholisch.

1551 eröffnen die Jesuiten in Wien ein Gymnasium mit 500 Schülern. Diese werden streng

katholisch erzogen. Die junge Generation wächst heran und übernimmt bald führende Stel-

lungen. Evangelische Beamte, Pfarrer und Lehrer werden nun vertrieben, evangelische Lite-

ratur wird fuderweise verbrannt. Zum Universitätsstudium werden nur Katholiken zugelas-

sen.

In Bayern versucht Herzog Maximilian (1595-1651) mit Hilfe der Jesuiten einen katholi-

schen Musterstaat mit strenger Zucht und Ordnung zu errichten. 150.000 Evangelische

wandern aus.

Böhmen und der Ausbruch des Krieges In Böhmen sind die Hussiten und die Böhmischen Brüder stark vertreten. Durch die Refor-

mation kommen die Lutheraner noch dazu. Nur ein Achtel der Bevölkerung bleibt katho-

lisch. 1556 eröffnen die Jesuiten in Prag ein Gymnasium, eine Schule für junge Adlige und

eine Universität. Da sie für die Interessen Habsburgs und gegen die tschechischen National-

interessen arbeiten, hält sich der Erfolg in Grenzen. Ein Bruderzwist im Hause Habsburg

ermöglicht den Ständen den Majestätsbrief (1608): den Lutheranern wird gestattet, Kirchen

und Schulen zu bauen. Doch schon bald wird der Majestätsbrief verletzt und protestantische

Kirchen werden geschlossen. 1618 erheben sich die Böhmen gegen den Habsburger Kaiser

und werfen in Prag zwei kaiserliche Statthalter aus dem Fenster (Prager Fenstersturz als

Auslöser des Dreißigjährigen Krieges). Die Jesuiten werden aus dem Land gejagt. Auch

der Erzbischof muss fliehen. Die Böhmen ernennen ihren eigenen König. Doch dann kom-

men die Habsburger mit einem großen Heer. In der Schlacht am Weißen Berg (1620) wer-

den die Böhmen durch den Feldherrn Tilly vernichtend geschlagen, das Land rekatholisiert.

27 böhmische Führer werden enthauptet und ihre Köpfe zehn Jahre lang zur Schau gestellt.

Der Protestantismus wird in jedem Dorf ausgelöscht. Kaiserliche Offiziere wie Wallenstein

erwerben für ein Spottgeld herrenlosen Grundbesitz. Die Jesuiten kehren nach Böhmen zu-

rück. 150 Jahre lang ist der Katholizismus der allein gültige Glaube. Wer ein nichtkatholi-

sches Bekenntnis ablegt, wird mit dem Tode bestraft. Viele Böhmische Brüder fliehen, u. a.

nach Sachsen, wo sie 1725 Ludwig Graf von Zinsendorf unter ihre Obhut nimmt.

Kehren wir zurück zum Dreißigjährigen Krieg. Die gewaltsame Rekatholisierung bleibt auf

Böhmen nicht beschränkt. Nun greifen spanische und bayrische Truppen unter Tilly die

Pfalz an. Heidelberg wird besetzt und die evangelische Bibliothek wird dem Papst ge-

schenkt. Die Spanier besetzen das ganze linke Rheinufer. Vergeblich versucht der König

von Dänemark, seinen Glaubensgenossen wenigstens in Norddeutschland zu helfen. Er wird

in sein Land zurückgeschlagen. Die kaiserlichen Truppen besetzen Holstein, Brandenburg

und Pommern. Wallenstein nimmt Stralsund. Sein Massenheer von 100.000 Söldnern lebt

von Plünderungen nach dem Motto: „Der Krieg ernährt den Krieg.“

Gustav Adolf greift ein Die zweite Phase des Krieges (1630-32) nimmt eine positive Wende für die Evangelischen.

Am 26.Juni 1630 landet der protestantische Schwedenkönig Gustav Adolf in Pommern, um

die Habsburger nach 36 Siegen aus Norddeutschland zu vertreiben und die schwedische

184 Karten zu den einzelnen Gebieten: Siehe: Tim Dowley, Atlas, S. 122 und 125. Zum Inhalt vgl. A. Sierszyn, 2000

Jahre KG, III, s. 387 ff.

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Vorherrschaft an der Ostsee zu sichern. Den Evangelischen kommt es gelegen, dass die

katholische Welt sich spaltet. Die Schweden können nun mit den Sympathien Frankreichs

rechnen. Bei Leipzig wird das Heer Tillys vernichtend geschlagen.

Der dritte Abschnitt des Dreißigjährigen Krieges (1632 – 1648) wird zum rein politischen

Krieg ohne religiöse Vorzeichen. Es geht um die Vorherrschaft in Europa. Auf die Seite

Schwedens und der deutschen Protestanten stellt sich Frankreich. Auf der andern Seite steht

der Kaiser und Spanien. 1534 fällt Wallenstein einem kaiserlichen Meuchelmord zum Op-

fer. Frankreich annektiert Lothringen.

Der Westfälische Friede (1648) Der Dreißigjährige Krieg erlischt allmählich wie ein Feuer, dem die Nahrung fehlt. Etwa

40 % der Menschen in Deutschland fallen dem Krieg und den Seuchen zum Opfer. Die

Pfalz zählt bloß noch 2 % ihres Bestandes.

Das Jahr 1648 bringt endlich den ersehnten Frieden. Er wird am 24.Oktober 1648 in Müns-

ter (Westfalen) und Osnabrück unterzeichnet. Frankreich erhält das Ober- und Unterelsass

und gewinnt den Rhein als Grenze. Schweden bekommt Vorpommern, die Insel Rügen und

Gebiete um Bremen. Die Niederlande und die Schweiz scheiden aus dem Deutschen Reich

aus. Die Machtstellung der Habsburger in Deutschland ist für immer vernichtet.

Die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555 gelten nun auch für die

Reformierten, nicht für die Täufer. Fürsten dürfen katholisch, lutherisch oder reformiert

sein und haben sich gegenseitig anzuerkennen. Die Untertanen aber müssen sich in Glau-

benssachen nach ihnen richten oder auswandern.

So kommt es, dass es bis heute Gebiete mit überwiegender katholischer Bevölkerung gibt

(Münster in Westf. oder Bayern oder Köln) oder mit evangelischer (Osnabrück, Nord-

deutschland).

Gott führt seine kleine Herde – bestehend aus wiedergeborenen

Christen – durch alle Höhen und Tiefen der Kirchengeschichte hin-

durch zu seinem Ziel, nämlich sie zuzurüsten als die Braut Christi,

damit sein Name in der ganzen Welt verherrlicht wird.

« …et lux in tenebris lucet. »

Joh. 1,5

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Literatur

1. Alfred Adam: Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. 2, Mittelalter und Reformation, Güters-

loher Verlagshaus Gerd Mohn, Gütersloh, 19814 (Alfred Adam stellt die Theologie und die Dogmatik

der Reformatoren dar).

2. Kurt Aland: Geschichte der Christenheit, Bd. II, Von der Reformation bis zur Gegenwart,

Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, Gütersloh, 1982.

3. Kurt Aland: Die Reformatoren, GTB Siebenstern, Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, Gü-

tersloh, 19833 (Aland bietet auf 130 Seiten Kurzbiographien von den wichtigsten Reformatoren wie Luther,

Calvin, Zwingli, Melanchthon u.a.m.).

4. Kurt Aland / Hans von Campenhausen: Martin Luther – die Hauptschriften, Christlicher

Zeitschriftenverlag, Berlin (ohne Datumsangabe).

5. Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL), Bd. 1-32 (Bd. I-II herausgegeben

von Friedrich-Wilhelm Bautz † ab Bd. III herausgegeben von Friedrich-Wilhelm Bautz †,

fortgeführt von Traugott Bautz), Verlag Traugott Bautz, Nordhausen, 1990-2011.

http://www.bautz.de/

6. Karin Bornkamm u. Gerhard Ebeling, Hrsg.: Martin Luther, Ausgewählte Schriften, 6 Bde.,

Insel Verlag, Frankfurt am Main, 1983.

7. Theodor Brandt: Kirche im Wandel der Zeit, Teil I, Von Paulus bis Luther, Brockhaus,

Wuppertal, 1977 (heute neu aufgelegt unter dem Titel „Basiswissen Kirchengeschichte“).

8. Martin Brecht: Martin Luther, Bd. 1 - 3 (Sein Weg zur Reformation 1483-1521), Calwer

Verlag , Stuttgart, 19832, 1986, 1987.

9. Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bde., F.A. Brockhaus, Mannheim, 1986 ff.

10. Tim Dowley: Altals – Bibel und Geschichte des Christentums, Brockhaus, Wuppertal, 1997.

11. Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, hrsg. v. H. Burkhardt u. U. Swarat u.a.,

3 Bde., R. Brockhaus Verlag, Wuppertal, 19982.

12. Samuel Henri Geiser: Die Reformation in Deutschland – aus der Sicht der taufgesinnten

Gemeinden in der Schweiz, in: Bibel und Gemeinde, Zeitschrift des Bibelbundes, 1983.

13. Matthias Gretzschel u. Toma Babovic: Auf Martin Luthers Spuren. Eine Bilderreise, Ham-

burg, 81996.

14. Joist Grolle: Menschen in ihrer Zeit, Bd. 4, Klett Verlag, Stuttgart, 1970.

15. Wolf-Dieter Hauschild: Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 2: Reformation

und Neuzeit, Gütersloh, 32005 (996 S.).

16. Karl Heussi: Kompendium der Kirchengeschichte16, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen,

1981.

17. Margarete Jelten: Unter Gottes Dachziegel, Anfänge des Baptismus in Norddeutschland,

Oncken Verlag, Kassel, 1984 .

18. Martin Luther: Vorlesung über den Römerbrief 1515/16 in: Ausgewählte Werke, hrsg. v. H.

H. Borcherdt u. G. Merz, Ergänzungsreihe, 2. Bd., Chr. Kaiser Verlag, München, 19653.

19. Luthers Deutsche Briefe, Schriften, Lieder und Tischreden, hrsg. v. Tim Klein, München,

Ebenhausen, Leipzig, 1917.

Page 88: Zurück zum Ursprung des Evangeliums - …sung zeigen können (Schisma 1054)? Konnte es also nicht mehrere Konfessionen geben, bei denen man zum Glauben kommen konnte wie z.B. in der

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20. Meyers Illustrierte Weltgeschichte in 20 Bänden, Bd. 14 „Die Reformation im Westen, neue

Reiche im Osten, Mannheim, Wien, Zürich, 1980.

21. Neues Testament und Psalter nach dem Wortlaut der Lutherbibel von 1545, Friedrich Wittig

Verlag, Hamburg, 1982.

22. F. W. Putzger: Historischer Weltatlas, Cornelsen-Velhagen & Klasing, Berlin, 1978.

23. Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG3), hrsg. v. Kurt Galling, ungekürzte Studien-

ausgabe in 7 Bde., 1986, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen.

24. Kurt Dietrich Schmidt: Kirchengeschichte, V & R, Göttingen, 81984. Schmidt gibt eine ausge-

zeichnete klar verständliche Zusammenfassung der Theologie Luthers (§ 35: Luthers theologisches Denken),

die es ja so nicht gibt. Luther hat nie eine zusammenhängende Dogmatik geschrieben.

25. Armin Sierszyn: 2000 Jahre Kirchengeschichte, Bd. 3, Reformation und Gegenreformation,

hänssler Theologie, hänssler Verlag, Holzgerlingen, 2000 (Sierszyn befasst sich mit dem Leben Lu-

thers und mit seiner Reformation auf 150 Seiten. Außerdem beschäftigt er sich ausführlich mit Zwingli und mit

der Täuferbewegung).

26. Menno Smid: Ostfriesische Kirchengeschichte, Ostfriesland im Schutz des Deiches, Bd. VI,

Deichacht Krummhörn, Pewsum, 1974.

27. Günther Stemberger: 2000 Jahre Christentum, Manfred Pawlak Verlagsgesellschaft, Herr-

sching, 1983. (Diese Kirchengeschichte in Bildern und Quellentexte habe ich von meinen Neffen Daniel,

Johann und Matthias Erdmann geschenkt bekommen).

28. Hans Steubing, Hrsg.: Bekenntnisse der Kirche, Brockhaus Verlag, Wuppertal, 1985.

29. Internetadresse: www.luther.de

30. Luthers Werke im Netz – Weimarer Ausgabe: www.luther.chadwyck.co.uk.deutsch