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Roncalli steht seit 40 Jahren für die Verzauberung in der Manege. Was damals als Wiederbelebung eines schon totgesagten Genres begann, ist noch immer ein Erfolgsprogramm. Vom 25. August bis 1. Oktober gastiert der Circus Roncalli auf seiner Jubiläumstournee „Reise zum Regenbogen“ in Hannover. 80 historische Wagen, 120 Artisten, Musiker, Künstler und andere Zirkusmitarbeiter verwandeln den Waterlooplatz in ein Traumland.

Schließlich ist es dieBegegnung mit dem damalssehr erfolgreichen Kabaret-tisten Emil Steinberger, dieden Stein ins Rollen bringt.Paul kann den Schweizer mitseiner Vision mitreißen,Steinberger unterstützt ihnkünstlerisch und finanziell.Die Wiedergeburt des CircusRoncalli ist gesichert. Am 4.Juni 1980 nimmt der Zirkusseine Besucher erstmals mitauf „Die Reise zum Regenbo-

gen“. Statt drei Wochen läuftdas Gastspiel drei Monate.Mit dem Circus Roncalli be-ginnt die Wiedergeburt einesvon manchen schon totge-sagten Unterhaltungs-genres.

Das kommt nicht von un-gefähr. Denn Paul setzt nichtauf kalte Artistik, sondernbeschwört den Zauber derManege. Die poetischeMagie wird verstärkt durchdie fantastischen Kostüme

und das nostalgische Am-biente. Meterhohe Kopfput-ze erinnern an Fabelwesen,Perlen und kostbareSchmucksteine lassen dieAtmosphäre des ausgehen-den 19. Jahrhunderts aufle-ben. Die bleigefassten Ju-gendstilfenster der Zirkus-wagen, blattgoldverzierteEmbleme und säulenge-schmückte Veranden entfüh-ren nach Kaukanien, denJahren der auslaufenden

Der Circus kommt!

LICHTERGLANZ: Die Zeltlandschaft wird inder Abenddämmerungvon 10 000 Glühbirnenerleuchtet, im Zelt finden1499 Besucher Platz.Fotos: RoncalliTöne und Sounds entlockt und

das Publikum mitmachen lässt.„Das Programm enthält vie-

le Überraschungen“, so Paul.Eine davon ist der Clown PaoloCasanova, der eine Seifenbla-senmaschine gebaut hat, die soviele Seifenblasen erzeugt,dass man nichts mehr sieht.„Da flippen die Kinder aus, undauch die Erwachsenen“, ist sichPaul sicher.

Während das weltweite Zir-kussterben erst im Mai, als beiRingling, Barnum & Bailey nach150 Jahren der letzte Vorhangfiel, einen Tiefpunkt erreichte,sind bei Roncalli noch immerbeide Vorstellungen täglichausverkauft. Keine Selbstver-

ständlichkeit. „Man muss sichnur bewegen“, mahnt Paul zuKurskorrekturen. Roncalli seibis auf die Pferde ein tierfreierZirkus, werde ab kommendemJahr auch vegane und vegetari-

HANNOVER. Der Zirkuskommt – und bringt „Freudeund Entspannung in die Stadt“,verspricht Roncalli-Chef Bern-hard Paul. Seit 40 Jahren ist derAusnahmezirkus unterwegsauf seiner „Reise zum Regen-bogen“ und kommt auf derJubiläumstournee natürlichauch nach Hannover: Vom 25.August bis zum 1. Oktober istder Circus Roncalli zum 14. Malin der Stadt und zum 13. Malauf dem Waterlooplatz.

Eine Verlängerung sei dies-mal ausgeschlossen, bedauer-te Paul gestern bei der Vorstel-lung des Programms im Rat-

VON ANDREAS KRASSELT

„Reise zum Regenbogen“ dauert 40 Jahre – 14. Gastspiel in HannoverAm Anfang war ein Traum.Ein Traum aus Seifenblasenvielleicht, denn kaum ein Bildhat sich beim Denken an denCircus Roncalli so einge-brannt wie die flirrendschwebenden Schaumgebil-de, die jeden Besucher schonin den ersten Tagen zurück inseine Kindheit entführten.Doch die Seifenblase desBernhard Paul platzte nicht –obwohl es in den frühen Jah-ren beinahe so aussah.

Der Startschuss zu dempoetischen Zirkusabenteuerfällt 1975 in Wien. Gemein-sam mit dem MultikünstlerAndré Heller will BernhardPaul den „Zirkus als Gesamt-kunstwerk“ inszenieren. DiePremiere dieser ersten Pro-duktion ist dann aber nichtwie geplant in Österreich,sondern am 18. Mai 1976 inBonn. Die Tournee endet am16. August in München. Paulund Heller zerstreiten sichüber die Rechte und das Kon-zept. Ein Streit, der mehrereJahre dauert. Die Seifenbla-se des gelernten Grafikersund leidenschaftlichenClowns droht zu platzen.

Doch was ein wahrer Träu-mer ist, der lässt von seinerVision nicht ab. BernhardPaul wagt den Neustart inKöln. Dort kommt er 1978 an,mit leeren Taschen. Mit Gele-genheitsauftritten als Clownetwa in Warenhäusern hält ersich über Wasser. Er erwirbteinige historische Zirkuswa-gen, die er im Stollwerkge-lände mit Hilfe befreundeterKünstler und Artisten restau-riert – Keimzelle der heuteim Roncalli-Winterquartier inKöln-Mülheim untergebrach-ten Werkstatt, die im Laufeder Jahrzehnte hundertenostalgische Traum-Karos-sen aus dem Dornröschen-schlaf erweckt.

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über die Hotline 0221-96 49 42 60 und ab 25. Augustan der Circus-Kasse.

AKROBATIK PUR: Das Trio Bellisimo – AnastasiiaPermiakova, Nadia Kotliarund Anna Liapunova – zeigteine perfekte Symbiose ausKörperbeherrschung,Anmut und Eleganz.

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Was folgt, ist eine bei-spiellose und bis heute an-dauernde Erfolgsgeschichte.1984 gastiert Roncalli vierMonate am Berliner Funk-turm, 1993 schlägt der Zir-kus erstmals wieder sein Zeltin Wien auf, direkt auf demRathausplatz. Schon 1986entsteht die sechsteiligeARD-Fernsehserie „Roncalli“in enger Zusammenarbeitmit Paul und seinen Artisten.Immer wieder wird die Mane-ge Schauplatz auch andererkultureller Events, etwa 1993einer Benefiz-Gala in Mün-chen mit internationalenRockstars wie den Scor-pions, Bee Gees und BAP.1998 inszeniert Paul gemein-sam mit George TaboriMozarts „Zauberflöte“ imZirkuszelt, 2012 folgt Leon-cavallos „Der Bajazzo“,inszeniert mit Peter Lot-schak.

Aus dem Seifenblasen-traum ist ein riesiges Unter-nehmen geworden, dassallein auf der Tour 120 Artis-ten, Musiker, Künstler und

andere Mitarbeiter beschäf-tigt. Unter der Marke „Ron-calli“ gibt es in Düsseldorfseit 20 Jahren das Apollo-Va-rieté, Roncalli bespielt Jahr-märkte und Ausstellungen,Dinner-Shows im histori-schen Spiegelzelt und inHamburg ein nostalgischesCafé. Als Playmobil kannman sich den Circus sogarnach Hause holen.

Der Circus Roncallitourt seit 40 Jahren –und ist nun zum 14. Malin Hannover. DirektorPaul hat allerdings nocheine andere, persönliche-re Beziehung zur Leine-metropole: Vor seinerHeirat 1990 mit der italie-nischen Artistin ElianaLarible war er von 1985 bis87 mit Hannovers Rockröh-re Anca Graterol zusam-men. Weshalb Ancas BandMoulin Rouge, damalsHannovers Top-Show-Band um Sän-ger DeteKuhl-mann, auch inder Ron-calli-Manege in Hanno-ver spielendurfte.

kra

1980: Paul mit Kulturde- zernent Harald Böhlmannvor dem Rathaus.

1985: Im Kommunalen Kino mit dessen damaligem Leiter Sigurd Hermes. Dort lief passend Fellinis „La Strada – das Lied der Straße“, ein Melodram aus dem Artistenmilieu.

1997: Der Zirkusdirektor in der Manege in seinerRolle als Clown Zippo.

2005: Der 58-Jährige im Interview mit der NeuenPresse.

2010: Ein Kreis schließt sich: Bernhard Paul – die Haare nun etwas lichter – nach 30 Jahren wieder an einem derPortallöwen vor dem Neuen Rathaus.

haus. Anschlussverpflichtungin München. Der Vorverkauf hatjetzt begonnen. Ein Best-of aus40 Jahren kann es schon ausAltersgründen der Artisten vondamals nicht geben. „Aber ichhabe versucht, lauter außerge-wöhnliche Nummern zusam-menzustellen“, so der

Zirkusdirektor, der vor allemstolz auf seine beiden TöchterLili und Vivi ist, die beide in derManege ihr Können zeigen. Lilibereitet sich parallel noch aufihr Abitur vor.

Mit Robert Wicke ist sogarein waschechter Hannoveranerdabei, der bei diesem Gast-

spiel mal wieder Heimat-luft schnuppern und sei-ne Familie besuchenkann. Wicke ist ein soge-nannter Beatboxer, derseinem Körper und ver-

schiede-nen All-

tagsgegen-ständen

ungeahnte

2017: Roncalli-Gründer, Direktor, Clown und ArtistenvaterBernhard Paul.Foto: dpa

Hannover 15Neue PresseNr. 180 Freitag, 4. August 2017

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