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Dr. Frank Burmei-ster, Fraunhofer In-stitut für Werkstoff-mechanik, Wöhler-str. 11-13, D-79108Freiburg; Priv.-Doz.Dr. Johannes Bone-berg, Prof. Dr. PaulLeiderer, Fach-bereich Physik, Uni-versität Konstanz,78457 Konstanz

Nanostrukturen sind zurzeit in al-ler Munde, da man von ihnenneuartige physikalische und che-mische Eigenschaften erwartet.Zur Erzeugung solcher Strukturenmit Größen von wenigen hundertNanometern und darunter werdenganz unterschiedliche Lithogra-phieverfahren eingesetzt. Dabeisind meist aufwändige Apparatu-ren notwendig, um größere nano-strukturierte Bereiche zu erhalten.Im Folgenden stellen wir einenalternativen, technisch einfachenAnsatz vor, bei dem ein durch Ka-pillarkräfte induzierter, selbstorga-nisierter Prozess für die Herstel-lung von Nanostrukturen ausge-nutzt wird.

Schon in den Physik-Grund-kursvorlesungen lernt man,den Anstieg einer Flüssigkeits-

säule innerhalb einer gut benetzba-ren Kapillare als Folge der Ober-flächenspannung zu verstehen. We-niger bekannt sind dagegen dieAuswirkungen dieser Kapillarkräfteauf bewegliche mikroskopische Sy-steme, wie sie z. B. innerhalb einerwässrigen Dispersion kleiner, kugel-förmiger Polystyrolpartikel vorlie-gen. Diese üblicherweise als „Kollo-id“ bezeichnete Dispersion lässtsich mit chemischen Methoden ein-fach herstellen. Monodisperse Par-tikel (d. h. Partikel mit einer schar-fen Größenverteilung) sind in denGrößen von einigen 10 nm bis zueinigen 10 mm verfügbar. Sie bildendie Grundlage für einen ebenso ein-fachen wie raffinierten Nanostruk-turierungsprozess, der zuerst vonFischer et al. [1] und von Deckmanet al. [2] vorgestellt wurde.

Zunächst muss man das Kolloidauf ein geeignetes Substrat aufbrin-gen, sodass sich ein dünner Flüssig-keitsfilm ausbilden kann. Beim Ver-dunsten der Flüssigkeit nimmt dieFilmdicke immer mehr ab, bisschließlich die auf dem Substrataufsitzenden Partikel aus der Was-seroberfläche herausragen (Abb. 1).Die damit einhergehende Deforma-tion bzw. Krümmung der Wasser-oberfläche „kostet“ aufgrund derOberflächenspannung Energie. Das

Gesamtsystem kann nun seineEnergie dadurch minimieren, dassbenachbarte Partikel zusammen-rücken. Mit anderen Worten: Be-nachbarte Partikel erfahren eineattraktive Kraft, deren Größe sichdurch Integration der Laplace-Glei-chung berechnen lässt [3]. Inner-halb bestimmter Näherungen ergibtsich eine 1/R-Abhängigkeit der als„lateral capillary forces“ bezeichne-ten Kapillarkraft, wobei R den Ab-stand der Partikel angibt. Geradebei sehr kleinen Partikeln (Durch-messer < 1 mm) dominiert dieseKraft die Wechselwirkung zwischenden Partikeln und ist deutlich grö-ßer als die ebenfalls vorhandenenvan-der-Waals- und elektrostati-schen Kräfte. Die Gravitationskraftspielt auf dieser Größenskala keineRolle.

Diese attraktive Wechselwirkungführt nun zu hexagonal geordnetenKeimen. Die für ein nachfolgendesWachstum des zweidimensionalenKristalls notwendige Partikelzufuhrwird wiederum durch Kapillaritätverursacht: Einerseits wirkt derzwischen jeweils drei Partikeln be-findliche Hohlraum effektiv wie ei-ne sehr enge Kapillare und führt zueinem Anstieg des mittleren Flüssig-keitsspiegels innerhalb eines bereitsexistierenden Keimes. Andererseitsfindet man im Bereich der Partikeleine erhöhte Verdunstungsrate. Dasfür beide Effekte notwendige Was-ser muss aus der Umgebung desKeimes nachströmen und führt da-bei weitere Partikel an diesen her-an. Diese Partikel lagern sich nunan den bestehenden Keim an undtragen so zu dessen Wachstum bei(Abb. 2).

Eine einfache experimentelleRealisierung dieses Prozesses wurdez. B. von Micheletto et al. beschrie-ben [4]. Nach einer gründlichenVorreinigung der Substrate werdendiese leicht geneigt auf eine heiz-bare Unterlage montiert und miteinem Kolloid benetzt. Das Disper-sionsmedium verdunstet nun kon-trolliert über einen Zeitraum vonmehreren Stunden innerhalb einesgeschlossenen Volumens. Die Nei-gung des Substrats um wenige Grad

bewirkt dabei, dass der Disper-sionstropfen am oberen Ende dün-ner ist und dort zuerst verdunstet,worauf ein gerichtetes Kristall-wachstum einsetzt. Auf diese Weisekönnen im Idealfall bis zu cm2-große, zweidimensionale Kristalleentstehen [5]. In unseren Experi-menten lassen sich mit Partikeln bis

zu 110 nm Durchmesser Maskenmit größeren geordneten Bereichenerstellen.

Dieser für sich schon interessan-te Prozess der selbstorganisiertenStrukturbildung kann nun ausge-nutzt werden, um von den 2D-Kris-

Mit Kapillarkräften zu NanostrukturenWie man die Selbstorganisation von Kolloidkügelchen für die Submikrometer-Lithographie nutzen kann

Frank Burmeister, Johannes Boneberg, Paul Leiderer

Physikalische Blätter56 (2000) Nr. 40031-9279/00/0404-49$17.50+50/0© WILEY-VCH Verlag GmbH,D-69451 Weinheim, 2000

Abb. 1:Kleine Kügelchen in einer wässrigen Dispersion ziehen sich an,wenn Kapillarkräfte eine attraktive Kraft bewirken. Die Krafthängt vom Kontaktwinkel Wasser/Partikel aa, der Oberflächen-spannung gg und dem Abstand der Partikel R ab. So entsteht ei-ne geordnete Monolage aus Kolloidpartikeln, die sich als Maskefür die Nanolithographie nutzen lässt.

Abb. 2:2D-Kristallwachstum von Kolloidparti-keln. Oben: Mikroskop-Aufnahme von1,7 mmm großen Partikeln während der An-lagerung an einen bestehenden Kristall.Unten ist das Prinzip skizziert.

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tallen ausgehend kleine Strukturenauf Oberflächen herzustellen. DieGröße der so erzeugten Strukturenhängt dabei im Wesentlichen nurvon der Größe der Ausgangsparti-kel ab und kann durch Variationder Partikelgröße von einigen mmbis in den nm-Bereich variiert wer-den. Dazu verwendet man den 2D-Kristall als Maske für nachfolgendeProzesse, wie z. B. Vakuumdeposi-tion diverser Materialien oder Io-nenätzen. Bei der Vakuumdepositi-on gelangt z. B. das Aufdampfmate-rial nur unterhalb der Öffnungendes Kristalls auf das Substrat, wäh-rend es in den restlichen Bereichenauf die Maske, also die Partikel de-poniert wird. Nach Entfernen derMaske entstehen auf diese Weisedie in Abb. 3 skizzierten, dreieck-förmigen Strukturen, die in einemregelmäßigen Bienenwabenmusterangeordnet sind.

Derartige Strukturen lassen sichaus nahezu beliebigen Materialienauf beliebigen Substraten erzeugen.Die Freiheit in der Wahl des Sub-strates scheint zunächst verwunder-lich, weil zur Erzeugung einer Kol-loidmonolage ein gut benetzbaresSubstrat verwendet werden muss.Man kann diese Masken aber durcheine Umkehrung der „Langmuir-Blodgett-Technik“ auch auf hydro-phobe Substrate übertragen [6]:Dazu wird die auf einem Glassub-strat hergestellte Maske langsam ineine Flüssigkeit eingetaucht. Wie-derum sind Kapillarkräfte dafürverantwortlich, dass die Maske vonder Glasoberfläche abgehoben wird

und frei auf der Flüssigkeitsober-fläche schwimmt. Von dort kann siemit beliebigen anderen Substratenaufgenommen werden.

Die Größe der Dreieckstruktu-ren wird vom Radius r der Partikelbestimmt und kann demnach bishinunter zu wenigen zehn Nano-metern verändert werden. Abbil-dung 4a zeigt ein mit einem Raster-kraftmikroskop aufgenommenesBild einer so hergestellten Struktur.Ihre Höhe lässt sich von einigenAtomlagen bis zum Partikelradiusvariieren, sodass auch Strukturenmit einem Aspektverhältnis größerals 1 erzeugt werden können, wiein Abb. 4b am Beispiel einer Elek-tronenmikroskop-Aufnahme vonAg-Spitzen gezeigt. Damit ist dieerzielbare Vielfalt an Strukturenaber noch nicht ausgeschöpft. Dadie zur Strukturierung verwendetenEngstellen in der Maske einen Ab-stand r zur Substratoberfläche ha-ben, kann man einen weiteren Frei-heitsgrad, nämlich den Aufdampf-winkel, ausnutzen. Dazu wird dieProbe bezüglich der Achse Auf-dampfquelle-Substrat verkippt und

das Substrat während des Auf-dampfens rotiert. Für den hier ge-wählten Winkel von 40 Grad erge-ben sich Ringstrukturen, die durchdünne Stege miteinander verbun-den sind (Abb. 4c). Eine andere Artvon Modifikation erreicht mandurch Tempern der zunächst drei-eckigen Strukturen. So erhält manauf einem mit Metall schlecht be-netzbaren Substrat (z. B. Au aufGraphit) nach einem Temperpro-zess im Ofen aus jedem Dreieck ei-nen facettierten Kristallit [5, 7]. Al-ternativ kann man das Metall miteinem Nanosekunden-Laserpulskurzzeitig verflüssigen. Durch denablaufenden Entnetzungsprozessentsteht aus jedem Metalldreieckzunächst eine flüssige Metallkugel,die dann aufgrund der mit Nano-sekundenpulsen verbundenen ho-hen Abkühlrate „eingefroren“ wird(Abb. 4d).

Wie vergleicht sich die Kolloid-monolagen-Lithographie mit ande-ren Nanostrukturierungstechniken,mit denen man in den Bereich deut-lich unter hundert Nanometer vor-dringen kann? Der Hauptvorteil ist

Abb. 3:Prinzipskizze zurLithographie mitkolloidalen Mono-lagen: Nach demAufpipettieren desKolloids (oben)wird die getrock-nete Partikelmono-lage bedampft(Mitte). Nach demEntfernen der Par-tikel bleiben regel-mäßige, in einemBienenwabenmus-ter angeordnete,dreieckförmigeStrukturen aufdem Substratzurück (unten).

Abb. 4:�� a) Rasterkraftmikroskop-Aufnahmevon dreieckigen Au-Nanostrukturen aufeinem Glassubstrat, erzeugt mit 300 nmgroßen Kolloidpartikeln.�� b) Elektronenmikroskop-Aufnahmevon Silberspitzen auf Silizium unterschrägem Betrachtungswinkel. Der Parti-keldurchmesser betrug 800 nm.

�� c) Rasterkraftmikroskop-Aufnahmevon Goldstrukturen, erzeugt durch schrä-ges Bedampfen einer Kolloidmaske untereinem Winkel von 40°. Der Partikel-durchmesser betrug 1,7 mmm.�� d) Elektronenmikroskop-Aufnahmevon Goldkugeln auf Graphit, die durchns-Laserannealing erzeugt wurden.

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der durch die Selbstorganisation ge-gebene geringe technische Aufwandund damit auch die geringen Kos-ten. Dieser Vorteil wird allerdingsdurch eine im Vergleich zu anderenTechniken (wie z. B. Elektronen-strahllithographie) schlechtereFernordnung erkauft. Durch die anmehreren Orten einsetzende Nu-kleation wachsen verschiedene Kri-stallite gleichzeitig und es entstehenKorngrenzen. Im weiteren Ein-trocknungsprozess bilden sichSpannungsrisse. Aufgrund dieserDefekte wird die langreichweitigeOrdnung der kleinen Strukturen ge-stört. Man wird diese Technik da-her einerseits vor allem dort einset-zen, wo einzelne Nanostrukturenzu untersuchen sind (wie in derRastersondenmikroskopie), ande-rerseits aber auch für großflächigeNanostrukturen, bei denen die Ei-genschaften von den kleinen Struk-turen und deren Nahordnung domi-niert sind und die Fernordnung kei-ne entscheidende Rolle spielt. ZweiBeispiele seien herausgegriffen: � Der Ferromagnetismus von klei-nen Partikeln verschwindet mitschrumpfender Teilchengröße, dieStrukturen werden superparama-gnetisch und sind damit nicht mehrin gewohnter Weise als Bits für dieSpeicherung nutzbar. Mit den hier

beschriebenen Nanostrukturen wirdzurzeit untersucht, wie dieser Über-gang von Größe und Gestalt derNanopartikel abhängt, und wie sichkooperative Phänomene wie diemagnetische Kopplung der Bits un-tereinander auswirken. � Auch die optischen Eigenschaf-ten von Nanostrukturen sind be-merkenswert, und zwar sowohl voneinzelnen Partikeln (z. B. Plasmon-resonanzen kleiner metallischerTeilchen, die zu intensiven Farbenführen) als auch von regelmäßig an-geordneten Strukturen, wie sie inder diffraktiven Optik Einsatz fin-den und auch bei einigen buntenSchmetterlingsflügeln in der Naturbekannt sind. Auch hierzu laufenExperimente mit Nanostrukturen,die mit kolloidalen Masken herge-stellt wurden.

Mikrochips wird man deshalbmit der hier vorgestellten Struktu-rierungsmethode in absehbarer Zeitnicht bauen, aber als einfache, viel-seitige und schnell umsetzbareLithographietechnik für die Nano-wissenschaften stellt sie, ähnlichwie die im Dezemberheft der Physi-kalischen Blätter vorgestellte Nano-lithographie [8], eine interessanteAlternative zu herkömmlichen Ver-fahren dar.

Literatur[1] U. Ch. Fischer, H. P. Zingsheim,

J. Vac. Sci. Technol. 19, 881 (1981)[2] H. W. Deckman, J. H. Dunsmuir,

Appl. Phys. Lett. 41, 377 (1982)[3] P. A. Kralchevsky, K. Nagayama,

Langmuir 10, 23 (1994)[4] R. Micheletto, H. Fukuda, M. Oht-

su, Langmuir 11, 3333 (1995)[5] F. Burmeister, W. Badowsky, T.

Braun, S. Wieprich, J. Boneberg, P.Leiderer, Appl. Surf. Sci. 144-145,461 (1999)

[6] F. Burmeister, C. Schäfle, T. Mat-thes, M. Böhmisch, J. Boneberg, P.Leiderer, Langmuir 13, 2983 (1997)

[7] L. F. Chi, T. Drechsler, S. Höp-pener, S. Rakers, Ch. Röthig, T.Schwaack, F. Starrberg, H. Fuchs, J. Surf. Anal. 3, 168 (1998)

[8] J. P. Spatz, M. Möller, P. Ziemann,Phys. Bl., Dezember 1999, S. 49


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