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Medikations-Check up 60+ Einfluss auf die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) Ferdinand M. Gerlach, Christiane Muth, Martin Beyer

Medikations-Check up 60+ - Einfluss auf die Arzneimitteltherapiesicherheit

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Medikations-Check up 60+ Einfluss auf die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)

Ferdinand M. Gerlach, Christiane Muth, Martin Beyer

Klinische Entscheidungsunterstützung

AMTS: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

- Bei 6,5% aller Krankenhauseinweisungen, davon 2% tödlich; Kosten für D: 400 Mio. € / Jahr1,2

- Ältere (≥ 70 J.) 5 x so häufig betroffen wie Jüngere (≤3 0 J.)2; Verdopplung von 1995 bis 2005 (USA)3

- Etwa 50% der Fälle vermeidbar2,4, davon:~60% Fehler beim Verschreiben, ~20% mangelnde Adhärenz5,6

- Weitere potentiell negative Folgen für Betroffene:- ↓ : Lebensqualität, kognitive und physische Funktionalität, Aktivität

und Teilhabe- ↑ : Stürze, Heimunterbringung

[1] Davies EC et al. (2009) PLoS One; 4 (2): e4439; [2] Schneeweiss S et al. (2002) Eur J ClinPharmacol; 58 (4): 285-291; [3] Bourgeois FT et al. (2010) Pharmacoepidemiol Drug Saf; 19:901–910 ; [4] Pirmohamed M et al. (2004) BMJ; 329 (7456): 15-19; [5] Gurwitz JH, et al. (2005) Am J Med; 118 (3): 251-258; [6] Col N et al. (1990) Arch Intern Med; 150 (4): 841-845

Klinische Entscheidungsunterstützung

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Uijen & van de LisdonkBritt et al.van den Akker et al.

Multimorbidität und Multimedikation

DDD

DD

D

Präv

. (%

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Alter (J.)

Prävalenzstudien

Eigene Darstellung, Daten aus: Fortin et al; Ann Fam Med 2012 Mar;10(2):142-51;GKV-Verordnungsreport, 2011

Klinische Entscheidungsunterstützung

Problemanalyse in der Hausarztpraxis:Fehler beim Verschreiben

Querschnittstudie: 18 Praxen, N=169 PatientenØ 74 Jahre, Ø 8 (5 bis 16) Medikamente1

1. Arzneimittelinteraktionen: 25% der Patienten2. Unangemessene Dosierungen: 23% der Patienten3. Gegenanzeigen nicht beachtet: 15% der Patienten4. Potentiell unangemessene Verordnungen

(PIMs, nach „Beers-Liste“): 21% der Patienten

[1] Muth et al. (2008) Z Allg Med;84:15

Klinische Entscheidungsunterstützung

1. Verordnet, aber nicht eingenommen: 64% Pat. (1 – 9 VO/ Pat.)2. Dosierung gesenkt: 43% (1 – 4 VO/Patient)3. Dosierung erhöht: 39% (1 – 5 VO/Patient)4. Dosierungsintervalle verändert: 43% (1 – 5)5. Einnahmen ohne Wissen des Hausarztes: 48% (1 – 17)Σ 96% Patienten mind. 1 Abweichung, Ø 5 Abw./ Patient (max. 25)

Unter den „Top 10“: Kardiaka inkl. Antiarrhythmika, Analgetika, Sympathomimetika,Antidiabetika, Psychopharmaka (z.B. Antidepressiva)

Problemanalyse in der Hausarztpraxis:Adhärenz

[1] Muth et al. (2008) Z Allg Med;84:15

Klinische Entscheidungsunterstützung

♀, 79 Jahre,5 Erkrankungen, Therapie nach zutreffenden Leitlinien

9 Arzneimittel-Wechselwirkungen 5 Gegenanzeigen 8 Interaktionen

mit Nahrungs-mitteln

Boyd et al. JAMA 2005;294:716-724

Klinische Entscheidungsunterstützung

Arzneimittel-Wechselwirkungen Gegenanzeigen

Eigene systematische Untersuchung an 48 Leitlinien zu chronischer Herzinsuffizienz und 18 häufigsten Komorbiditäten:Interaktions-Matrix

Muth et al. J Clin Epidemiol 2014; 67:1242-1250.

Klinische Entscheidungsunterstützung

Daten aus Muth et al. J Clin Epidemiol 2014; 67:1242-1250

Matrix: 195 klinisch relevante Interaktionen

Klinische Entscheidungsunterstützung

Weitere internationale Partner: Prof. Paul P Glasziou (Bond University, AUS), Prof. André Knottnerus(Maastricht University, NL), Prof. Rafael Perera (Oxford University, UK), Prof. Jose Valderas Martinez (University of Exeter, UK) sowie weitere in den Niederlanden, Irland, Spanien und Italien

Klinische Entscheidungsunterstützung

Wirksamkeit von Interventionen

Patterson et al. (2014) Interventions to improve the appropriateuse of polypharmacy for older people. 12 Studien eingeschlossen, (11/12 komplexe Interventionen); keine signifikanten Effekte auf klinisch relevante Endpunkte1

Positive Effekte auf Prozessparameter:- Brown Bag Review Ausgangssituation, Adhärenz1-4

- Computerized Decision Support Systems Verschreibungsqualität5-8

- Vorbereitende Gespräche durch medizinisches Assistenzpersonal Adhärenz9

- [Einbeziehung von Apothekern: positive Effekte bei etablierter Beziehung zwischen Arzt und Apotheker] 1,10-11

[1-11] Literatur auf Anfrage

Klinische Entscheidungsunterstützung

Die *-Strategie

*PRIorisierung von MUltimedikation bei Multimorbidität

Medikationsanamnese durch MFA:• Medikationsbezogene Probleme anhand

Checkliste (MedikationsMonitoringListe)• Vom Patienten eingenommene Medikamente

(brown bag review)

Priorisierung und Optimierung des Medikationsplans:

• Computerassistierte (AID) Überprüfung der Medikation durch den Hausarzt

• Abstimmung des neuen Medikationsplans in der Arzt-Patient-Konsultation

Klinische Entscheidungsunterstützung

Evidenzbasiert Beruht auf der

Grundlage von Schlüsselprinzipien zur Versorgung multimorbider Patienten (Ariadne)1

[1] Muth et al. BMC Med 2014; 12:223

Die *-Strategie

Klinische Entscheidungsunterstützung

Evidenzbasiert Beruht auf der

Grundlage von Schlüsselprinzipien zur Versorgung multimorbider Patienten (Ariadne)1

Adressiert den gesamten Medikationsprozess1

PatientenkontaktBestandsaufnahme

Stadium 2: Kommunikation

Stadium 3:Ausgabe

Stadium 4:Einnahme

Stadium 5:Monitoring

Stadium 1: Verschreiben

MediMoLBrown bag review

AiD+

Vorgespräch der MFAArzt-Patient-Konsult.

AiD+

MediMoL

(Wiederholte Intervention)

[1] mod. nach Bain KT et al. (2008) J Am Geriatr Soc 56:1946–1952

Die *-Strategie

Klinische Entscheidungsunterstützung

Klinische Entscheidungsunterstützung

Pilotstudie (N=20 Praxen, N=100 Pat.): Intervention ist machbar, positive Erfahrungen bei Hausärzten, Patienten, MFA; Barrieren:- Zeitaufwand: Hausärzte Ø-lich 35 min./Pat., MFA Ø-lich 45 min./Pat. - Fehlende Integration von AiD in Praxis-Software

Hauptstudie (Cluster-RCT in 72 Praxen, N=505 Pat., Zufallsstichprobe), Alter: Median 72 (IQR: 67-77) [max. 97] Jahre; Anzahl VO/Pat.: Median 8 (IQR 6-9) [max. 19] primärer Endpunkt: Angemessenheit der Verschreibung –Differenz im Medication Appropriateness Index (MAI) 6 Monate zur Baseline (T1-T0) zu wenige „interventionsbedürftige“ Patienten!

Zentrale -Ergebnisse

Klinische Entscheidungsunterstützung

Klinische Entscheidungsunterstützung

„Medikations-Check up 60+“ – Ziele und Vorgehen

Population Patienten in

Hausarztpraxis

Ältere Patienten mit Multimorbidität & Multimedikation

Ältere Patienten mit

Multimorbidität &

Multimedikation unter Risiko

1. Targeting: Identifikation von Pat. mit Multimorbidität unter Risiko für negative gesundheitliche Outcomesdurch unange-messeneMultimedikation: multivariate prognostische Modelle an Primärdaten (PRIMUM) und Sekundärdaten (TK-Versichertendaten)

2. Prospektive Barrierenanalyse für zielgerichtete Intervention Prozessevaluation PRIMUM Fokusgruppendiskussion

Klinische Entscheidungsunterstützung

Aus Vorprojekten gelernt

1. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht: Maßnahmen zur Verbesserung der AMTS bei Multimedikation sind nicht trivial.

2. Komplexität der Patienten/Entscheidungen erfordert Maßnahmenbündel (komplexe Intervention) mit Adressierung des gesamten Medikationsprozesses(zeit- und ressourcenaufwändig!)

3. Praxistaugliche Maßnahmen zur Ver-besserung der AMTS müssen systematisch entwickelt, evaluiert und gezielt bei Risikopatienten eingesetzt werden.

Klinische Entscheidungsunterstützung

1. Prüfung von Wirksamkeit/Kosteneffektivität der komplexen Intervention in kontrolliertem Design

2. Implementierung in die Regelversorgung mit begleitender Evaluation

Nächste Schritte