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Heimatheft 11

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Für herausragendes Engagement mit „Josef Gessner Preis“ ausgezeichnet

— Manfred Boßmann Preisträger 2010 —

Der anläßlich des 50 jährigen Bestehens der CDU 2005 in Saar-louis für herausragendes bürgerschaftliches Engagement ausgelob-te „Josef Gessner Preis“ ist dieses Jahr Manfred Boßmann aus Lis-dorf verliehen worden. Er erhielt den Ehrenpreis für sein jahrzehn-telanges herausragendes Engagement als Vorsitzender des Orgel-baufördervereins und des Fördervereins„Klingende Kirche“ in Lisdorf, der seit Jah-ren Kirchenmusik auf höchstem internatio-nalen Niveau in der Lisdorfer Barock–Pfarrkirche betreibt. Manfred Boßmann istdie 5. Persönlichkeit, die bisher mit diesemPreis geehrt wurde. Im Jahre 2007 erhieltKlemens Port als 1. Lisdorfer diesen Preisfür sein mehr als 50 jähriges herausragen-

de vielfältige Engagement im Chorgesang,und in Vereinen, Sport, Kom-munalpolitik und Kirche. Beide Preisträger gehören selbstverständlichauch dem Heimatkundeverein an.

Impressum:

Herausgeber: Verein für Heimatkunde Lisdorf e. V. (VHL)Am Ginsterberg 13, 66740 Saarlouis–LisdorfTel.: 06831/41694, Fax: 06831/128753

Redaktion: Heiner Groß (verantwortlich)Georg Groß (PC–Bearbeitung), Agnes Groß, Manfred Nebelung

Druck: Druckerei und Verlag Heinz Klein GmbH, Auf der Wies 7, 66740 Saarlouis–LisdorfBankverbindungen: Kreissparkasse Saarlouis (BLZ 593 501 10), Kto.Nr.: 74–30088–0

Volksbank Saarlouis (BLZ 593 901 00), Kto.Nr.: 1401217629Bezugspreis: 3 Euro je Heft, Vereinsmitglieder erhalten es kostenlosNamentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt der Redaktion wieder.

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ....................................................................................................................................................... 3Lisdorfer Mundartabend am 20.11.2009 ...................................................................................................... 3Leidvolle Kriegserlebnisse der Ensdorfer Klosterfrauen .................................................................................... 4Weiße Frau erfleht Hilfe für Ensdorfer im Stollen ........................................................................................... 12Beiträge zur Lisdorfer Mundart ..................................................................................................................... 14Lisdorfer Heimatkundler in Beruf und Studium besonders erfolgreich! .............................................................. 15Bilder aus der Hochzeitsbilder–Ausstellung in der Lisdorfer Heimatstube .......................................................... 161.000 Kreaturen in unterirdischem Verlies entdeckt ! ..................................................................................... 18Der Kampf um den Westwall im Raum Lisdorf / Ensdorf im Winter 1944 ......................................................... 20Aus dem Archiv unseres VHL – Vorstandsmitglieds Günter Mang ..................................................................... 21Heimatkundeverein Lisdorf ausgezeichnet .................................................................................................... 22Kuriositäten aus alter Zeit: Die Hochzeitstränen von Lisdorf ............................................................................. 22Ein alter Brauch: Mariä Himmelfahrt und der Kräuterwesch ............................................................................ 238. Lisdorfer Grünkohlessen wieder ein voller Erfolg! ...................................................................................... 24Weltjugendtagsgäste wieder in Lisdorf ........................................................................................................... 27Saarländer sind deutsche Dialekt-Meister ...................................................................................................... 29Nachruf ..................................................................................................................................................... 30Wir gratulieren ........................................................................................................................................... 31

Manfred Boßmann

Klemens Port

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Lisdorfer Mundartabend am

20.11.2009

mit 5 Mundartdichter

Marianne Faust Josef Rupp

Theo Speicher Erwin Faust

Heiner Groß dankt Karin Peter

Verehrte Leserinnen und Leser,zu Beginn des neuen Jahres können wir Ihnen wieder ein Heimatblatt vorstellen.Diese Ausgabe befasst sich schwerpunktmäßig mit den nun 65 Jahre zurücklie-genden schrecklichen Geschehnissen und Kämpfen am Westwall in Lisdorf undEnsdorf einige Monate vor Ende des 2. Weltkrieges. Die amerikanischenKriegsberichtserstatter bezeichneten das Saartal mit den Westwall-Anlagen aufder rechten Saarseite als „Tal des Todes“. Einige dieser Berichte aus dem Zeitraum1944/45 haben wir nach Übersetzung ins Deutsche mit Anmerkungen abge-druckt. Sie wurden uns von Helmut Schmidt aus Berus, einem profunden Ken-ner der Kriegsereignisse in unserem Raum, kurz vor seinem plötzlichen Tod imFrühherbst des vergangenen Jahres zur Verfügung gestellt; ebenso detaillierteAufzeichnungen der Schwester Oberin aus dem Ensdorfer Kloster. Obwohl siedas Schicksal der Menschen im Ensdorfer Grubenstollen betreffen, haben wirwegen der Authentizität und dem vermuteten Interesse über Ortsgrenzen hin-

weg uns entschlossen, diese Aufzeichnungen lange nach dem Ableben der handelnden Personen wohl erst-mals zu veröffentlichen. Mit der Veröffentlichung dieses und der anderen Beiträge zum Kriegsgeschehen inunserem Raum wollen wir dazu beitragen, dass dieses furchtbare Geschehen nicht in Vergessenheit gerät.Im übrigen bringen wir auch in dieser Ausgabe wieder eine breite Palette von unterschiedlichen historischenund aktuellen Berichten in Wort und Bild, von denen wir hoffen, dass sie Ihr Interesse finden.Meinen Mitarbeitern an dieser Ausgabe: Georg Groß für die Fertigung der druckfertigen Vorlage, Agnes Großfür die Bereitstellung der Bilder aus dem VHL-Bildarchiv und eines Beitrags, Marianne Faust für ihre Mundart-beiträge, Maria Scholly für die Personendaten, Günter Mang für die historischen Textlieferungen, Manfred Ne-belung und Gabi Feld für das Lektorat und schließlich Georg Groß, Harald Weiler und Berthold Nagel fürihre Fotoaufnahmen danke ich ganz herzlich.Ich wünsche auch dieser Ausgabe eine große Leserschaft und allen Leserinnen und Lesern ein friedvolles undgutes Jahr 2010.

Ihr Heiner Groß

Vorsitzender des Vereins für Heimatkunde Lisdorf e.V.

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Anlässlich unserer Vorarbeiten für das LisdorferKriegsstollenbuch, das wir am 12. Juni 2002 inder Buchhandlung Pieper am Großen Markt inSaarlouis vor großer Kulisse der Öffentlichkeitvorstellen konnten und das danach landeswei-te Beachtung und Verbreitung gefunden hat, er-hielten wir zahlreiche Informationen vonEnsdorfer Bürgern über das dortige Kriegsge-schehen und die Leiden der Zivilbevölkerung indem Ensdorfer Felsenstollen und dem großenGrubenstollen zwischen Ensdorf und Schwal-bach. Immer wieder wurde uns von ehemaligenEnsdorfer Stolleninsassen berichtet über das se-gensreiche Wirken des damaligen EnsdorferPastors und der Nonnen des Ensdorfer Klosters(Waldbreitbacher Franziskanerinnen). Auch vonder sogenannten Weißen Frau aus dem Gru-benstollen Ensdorf wurde erzählt, die mit einerweißen Fahne in der Hand über die Saar nachLisdorf zu den Amerikanern kam und diese fle-hentlich bat, den mit 5.000 Insassen belegtenEnsdorfer Grubenstollen nicht anzugreifen, dasonst zu befürchten sei, dass der Stollen von denDeutschen gesprengt würde.

Im Rahmen unserer weiteren Bemühungen, dasEnsdorfer Stollendrama etwas aufzuhellen, ha-ben wir von dem am 7. Oktober 2009 nach kur-zer schwerer Krankheit plötzlich verstorbenenHelmut Schmidt aus Berus, einem sehr gutenFreund des Lisdorfer Heimatkundevereins undeifrigen Leser des Lisdorfer Heimatblattes, eineKopie der Aufzeichnungen der Oberin des Ens-dorfer Klosters während des Kriegsgeschehens1944 in Ensdorf erhalten, um sie in unseremHeimatblatt zu veröffentlichen.

Von den handschriftlichen Aufzeichnungen derSchwester Oberin M. Wilfhilde aus dem Jahr1944 wurde am 16.4.1946 – drei Tage nach ih-rem Tod und einen Tag vor ihrer Beerdigung aufdem Ensdorfer Friedhof – eine maschinenge-schriebene Abschrift gefertigt.

Die uns von Helmut Schmidt zur Verfügung ge-stellte Kopie trägt das Datum vom 25.1.1987und das Zeichen PAM 1987.

Schwester Oberin M. Wilfhilde fasste ihre Auf-zeichnungen zusammen unter der Überschrift:

„Haus-Chronik der Filiale Ensdorf

im Jahre 1944“

Die Waldbreitbacher Franziskanerinnen haben61 Jahre lang – von 1903 bis 1964 – im Ens-dorfer Kloster segensreich gewirkt. Im Einzelnenkann das in den Festschriften zur Hundertjahrfei-er im Jahr 1968 bzw. 125-Jahrfeier im Jahr1993 der Pfarrkirche und Pfarrgemeinde Ens-dorf nachgelesen werden.

Die zweifelsohne härteste Bewährungprobe hat-ten die Schwestern in den Kriegsjahren 1944/45zu bestehen. Darüber berichtet die damaligeSchwester Oberin M. Wilfhilde, die mit bürgerli-chem Namen Elisabeth Meiser hieß. Sie war1883 geboren und ist am 13.4.1946 im Altervon 63 Jahren im Kloster Ensdorf gestorben. Am17.4.1946 wurde sie unter großer Anteilnahmeder Bevölkerung auf dem Ensdorfer Friedhof bei-gesetzt. 1959 – zu Allerheiligen – wurde sie indas neue Schwesterngrab in der Nähe des Prie-stergrabes umgebettet. Schwester M. Wilfhildewar, wie uns wiederholt berichtet wurde, sehr be-liebt in Ensdorf und insbesondere während derschweren Kriegszeit eine tapfere und unerschrok-kene Ordensfrau.

Mit der letztmaligen Umbettung in das Priester-grab auf dem Ensdorfer Friedhof wurde ihr se-gensreiches Wirken in Ensdorf, wozu insbesonde-re die schwere Zeit in den Kriegsjahren 1944/45und der Stollenaufenthalt mit all seinen Strapa-zen gehören, entsprechend gewürdigt.

Da die geschilderten Kriegsereignisse sich teil-weise auch auf Lisdorf erstrecken und wir zahlrei-che Mitglieder, Leser und Freunde in Ensdorf ha-ben, drucken wir die Aufzeichnungen von Schwe-ster M. Wilfhilde aus dem Jahr 1944 in dieserAusgabe ungekürzt ab. Lediglich einige Namenkönnen aus bestimmten Gründen nur abgekürztwiedergegeben werden.

Leidvolle Kriegserlebnisse der Ensdorfer Klosterfrauen

Schwester Oberin M. Wilfhilde trotzte den NazisMit Anmerkungen von Heiner Groß

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Schwester Oberin M. Wilfhilde schrieb:

Mit großem Gottvertrauen wollen wir dem neu-en Jahre entgegengehen und alles von der lie-bevollen Hand Gottes annehmen, soweit es vonEwigkeit im Ratsbeschluss Gottes liegt. Dennauch in diesem Jahre wird der liebe Gott vielLeid auf die Erde schicken um die Menschen zuläutern und bereit zu machen für ihr Endziel, dieEwigkeit – die Freuden des Himmels. Glücklichdie Menschen, welche es verstehen, die schwereKriegszeit auszunützen für die Ewigkeit, die Lei-den, Prüfungen, und Schicksalsschläge in Ge-duld von Gottes Vaterhand entgegennehmenund so als geläuterte und starke Menschendurchs Leben hindurchgehen.

Was man nicht für möglich gehalten hätte istWirklichkeit, dass wir uns im 6. Kriegsjahr befin-den. Die Menschen, denen die Macht von Gottgegeben wurde und in deren Händen es liegt,Frieden zu schaffen, sind liebeleer geworden,und die Völker finden sich nicht, um die Handzum Frieden zu reichen. Der Gott des Friedensgab ihnen freien Willen, aber wehe ihnen, wennder gerechte Richter einst Rechenschaft von ihrerrachedürstigen und alles an sich ziehenden Ver-waltung verlangt.

Im Monat Januar 1944 mussten wir mancheNacht im Keller zubringen, weil feindliche Flie-ger uns umkreisten mit furchtbarem Getöse unddonnerähnlichem Dröhnen.

Am 7. Januar 1944, war es über Tag so schlimm,dass man jede Minute damit rechnen musste, vonden Bomben getötet zu werden.

Anfang Januar 1944 wurde Herr Zimmer, Orga-nist und Küster von Ensdorf, ein Mann von 52Jahren zum Militärdienst einberufen. Herr PastorPeter Hoffmann bat uns, die Küsterdienste zuübernehmen. Wir kamen dem Wunsche unseresHerrn Pastor gerne nach. Manches trugen wir zurVerschönerung des Gottesdienstes bei, indemwir die Kirche an Feiertagen in herrlichen Blu-men – und Kerzenschmuck legten.

Am heiligen Fronleichnamsfeste durfte die Pro-zession nicht durch die Straßen gehen wegen derFliegergefahr! Sie wurde deshalb in der Kirchegehalten. Die Kirche war in frisches Grün geklei-det! Wir schmückten 5 Altäre fein und ge-schmackvoll! Es war ein herrlicher Anblick, dieKirche in ihrem Schmuck zu schauen. Herr Pastor

sagte: „Sie ist würdig eines Gottes!“ Die Ens-dorfer Leutchen kamen nicht aus dem Staunenheraus, denn in solchem Schmuck, sagten die-selben, hätten sie die Kirche noch nie geschautund nur Schwesternhände könnten so etwas zu-stande bringen. Wir freuten uns, beitragen zudürfen zur Verherrlichung Gottes und auch zuhelfen, die Menschen dazu anzuspornen. Dieguten Frauen brachten die schönsten Blumenzum Schmücken der Altäre. Eine wollte die ande-re übertreffen in ihrem Geben.

Wir hatten sonntags in den Abendstunden eineheilige Messe, weil die Leute sonntags kriegs-wichtige Arbeiten verrichten mussten und ihnenso Gelegenheit gegeben wurde, ihrer Sonntags-pflicht nachzukommen.

Der Monat Februar 1944 ließ uns nicht zur Ruhekommen, denn viele Tage und Nächte brachtenwir in den Kellerräumen zu. Desgleichen auch imMonat März 1944. Im Monat April und Mai wa-ren wir die meiste Zeit im Keller bei Tag undNacht. Die erste heilige Messe war oft um 1 Uhrnachmittags! Und so ging es Tag für Tag!

Es wurde nur das Allernotwendigste gearbeitet.Die Menschen wurden körperlich mürbe undschlaff und seelisch niedergeschlagen und trau-rig. Dazu kamen Krankheiten aller Art, weil dieLeutchen den Strapazen nicht mehr gewachsenwaren. Auch die notwendigen Lebensmittel zurErhaltung der Kräfte fehlten. Die Bunker warenkalt und feucht und viele Menschen starben, de-nen die notwendigen Arzneien nicht mehr ge-reicht werden konnten, weil dieselben nicht mehrhergestellt werden können. Der Krieg machtesich in allem immer mehr bemerkbar.

Was sollen wir nun von den Sommermonatenberichten. Bei Tag und Nacht kamen feindlicheFlieger, es waren Tage, wo sieben Mal Hoch-alarm war und wir sechs Stunden bei Nacht imKeller zubrachten. Man konnte kaum das Klosterverlassen um die Kranken zu pflegen oder dienotwendigsten Einkäufe zu erledigen wegen derBordwaffengefahr.

Mit Bordwaffen wurde die Tochter des Bahn-assistenten Heinrich JUNG, ein 16 jähriges Mäd-chen getötet durch einen Kopfschuss und eineTochter schwer verletzt durch Lungenschüsse. Eswar kein großer Angriff im Laufe des Sommersauf Ensdorf gewesen! Wohl auf Saarbrücken undUmgegend, welches sich bei uns sehr bemerk-

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bar machte durch starken Luftdruck, Erschütte-rung der Gebäude und Fensterklirren. Wir sahenoft Tausende von feindlichen Fliegern überflie-gen, nachdem sie ihr Zerstörungswerk vollbrachthatten und sich auf der Heimreise befanden. Ein-mal sonntags, um 12 ½ Uhr – wenn ja nichtKrieg und alles so traurig und bitter wäre, dannhätte man dieses Bild festhalten mögen, es warein sonnenklarer Tag und der ganze Himmelblau. Die Flieger zogen geordnet, langsam undruhig am Firmament vorbei, gleich silbernen Tau-ben – ein herrliches Bild!

Viel Leid ist in die Familien eingezogen, da fasttäglich die eine oder andere Familie Bescheiderhält, ihre Lieben seien in Gefangenschaft ge-kommen, vermisst, verwundet oder gefallen. Esist ein großer Schmerz in den Herzen der Men-schen, weil so viel Leben in der Blüte gebrochenwird. Manche Eltern haben schon 2 Söhne verlo-ren, andere noch mehr. Und noch ist an keinKriegsende zu denken, im Gegenteil, alles deu-tet hin auf einen langen Krieg.

Der Herbst ist nun da. Die Menschen werden im-mer unruhiger, da es heißt, das Saargebiet müs-se geräumt werden, weil hier Operationsgebietwürde. Es wurden nun alle Menschen (Männerund Frauen) vom 15. bis 60. Lebensjahr verpflich-tet, Schanzgräben auszuwerfen. Die Schanzgrä-ben waren 4 m breit und 3 m tief und sollten einHindernis sein für den Feind. Dieselben liefendurch bebaute und unbebaute Felder, sodass al-les zerstört und vernichtet wurde. Die Kartoffelern-te wurde zum größten Teil vernichtet und die Fel-der konnten und wurden nicht eingesät.

Im Monat November 1944 wurde den EnsdorferEinwohnern von der Partei nahe gelegt, Ensdorfzu verlassen und sich in der Fremde ein Heim zusuchen. Es war dies kein Zwang! Nur wenigeLeutchen verließen Ensdorf, es waren alte undkranken Leutchen und Mütter mit kleinen Kin-dern. Alle anderen weigerten sich, ihre Heimat zuverlassen, hatten sie sich noch nicht erholt vondem Schrecken beim Auszug am 1. Septemberim Jahre 1939.

Es hieß nun, der Grubenstollen hinter dem Exer-zitienhaus würde freigegeben für die Bevölke-rung. Herr Direktor Schwartz ließ denselben inOrdnung bringen und mit Licht versehen. Es warauch eine gute Quelle darin mit gutem Wasser.Der Grubenstollen war 3 m breit, 2 m hoch und4 km lang, eine Stunde Weg. Ende November

1944 waren feindliche Flieger Tag und Nachtüber uns, auch feindliche Geschosse schlugenein, denn der Feind kam immer näher. Am 28.11.1944 brachte die Wehrmacht unsere Para-mente und Wäsche nach St. Wendel, auch unsereMonstranz.

Am 30.11.1944 war es nicht mehr möglich inden Wohnungen zu bleiben, denn die Granatenbegannen ihr Zerstörungswerk. Alle zurückgeblie-benen Einwohner flüchteten in den Grubenstollen.Dieselben nahmen Lebensmittel für einige Tagemit, auch Wäsche und Kleider. Auf kleine Hand-wagen legten sie Stühle – Bänke – Sessel – Ma-tratzen und Decken um sich ein Lager herzurich-ten. Denn sie glaubten, dies alles sei nur für ei-nige Tage. „Der Feind ist schnell durch“, sagtendie Leutchen, „dann gehen wir wieder zurück inunsere Wohnungen“! Leider kam es ganz anders.In Gottes Hand liegen die Schicksale der Men-schen und Gottes Absichten stimmen selten mitden unsrigen überein, weil der Mensch von Kreuzund Leid wenig wissen will und sucht dasselbe zuumgehen. Aber nur durch Prüfungen und gerech-ten Kampf werden wir starke Menschen.

Am 30.11.1944 brachten auch wir unsere Sa-chen in den Grubenstollen. Jede Schwester einenKoffer mit der Direktoriumswäsche – die Kassen-bücher – alle Papiere – Unterlagen – Lebensmit-tel – Decken – Kissen und was zum Leben not-wendig war.

Und dann begeben wir uns dorthin:

Schwester M. WILFHILDE Oberin

S.M. ELECTA, Vikarin

S.M. SCHOLASTIKA, Handarbeitsschwester

S.M. REGALATA, Krankenschwester

S.M. INGONA, Krankenschwester

Maria GERSTLE, aus Schaffhausen, ein Mädchenvon 26 Jahren, welches schon 10 Jahre lang beiuns Schwestern in Ensdorf war.

Am 1. 12. 1944 , – Herz Jesu Freitag – begabenHerr Pastor Peter Hoffmann und Herr KaplanStrohe sich in die Pfarrkirche, um die heilige Mes-se zu lesen. Wir Schwestern gingen mit, um derheiligen Messe beizuwohnen. Nach derselbensetzten die feindlichen sowie die deutschen Ge-

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schosse so stark ein, dass wir sofort in den Stol-len eilen mussten unter Lebensgefahr.

Am 2.12. 1944 konnten wir den Stollen nicht ver-lassen wegen Granatbeschuss.

3. 12. 1944 –––––––––

Am 4. 12. 1944 versuchten wir nach Hause zukommen, um das Allerheiligste aus der Pfarrkir-che und dem Kloster zu holen. Herr PastorHoffmann, Herr Kaplan Strohe und Herr PaterHerzmanm, S. M. Regalata, S. M. Ingona und ich(Oberin) begaben uns nach Hause. Es war einTodesgang. Um uns herum schlugen immerfortdie Granaten ein, oft mussten wir uns in die Gra-nattrichter werfen, um Schutz zu finden. Welchein Blick bot sich unserem Auge, als wir nachHause kamen.

Ein Volltreffer hatte die Kapelle und Sakristeivollständig vernichtet und ein Volltreffer die Gie-belwand von der Nähschule. S. M. Regalata undich (Oberin) gingen in die Nähschule und Kin-dergarten um nachzusehen. Als wir über den Hofzurückgingen, platzte ein Geschoss in der Luft,die Eisenteile rieselten über das Dach und fielenzur Erde nieder. Nachdem es einige Sekundenstill war, fand S. M. Regalata ein glühendes StückEisen. Es war ein großer Splitter, der vom Dachauf meinen Kopf gefallen war. Er federte auf demSchleiersteif und fiel zur Erde nieder. Sie sagte:„Schwester Oberin, hier ist der Splitter, der siegetroffen hat.“ Wir zeigten denselben Herrn Pa-stor. Dieser sagte: „Schwester Oberin wenn die-ser Splitter den Kopf getroffen hätte anstatt dengestärkten Teil des Schleiers wären sie gespaltenworden. Ihr Schutzengel hat sie treu behütet.“Wir gingen in die Küche um eine Suppe herzu-richten für unsere Schwestern und Maria im Stol-len. Unten angekommen kamen feindliche Flie-ger, umkreisten unser Klösterlein, die Mauern zit-terten. Wir drei begaben uns in den Keller, knie-ten nieder und beteten unsere Sterbegebete.Nachdem die Flieger sich entfernt hatten, verlie-ßen wir unser Klösterlein ohne die Suppe mitzu-holen und gingen ins Pfarrhaus. Dort angekom-men schlug eine Granate in das Schlafzimmervon Herrn Pastor und wir mussten das Haus ver-lassen und eilten zum Grubenstollen.

Einige Tage waren wir im Stollen – 5 000 Men-schen–. Dieselben waren zufrieden, halfen sichgegenseitig und waren ein Herz und eine Seele!Denn die Not und das große Leid hatte sie

aneinandergekettet. Es wurde viel gebetet, dennder große Gott wohnte unter uns in Brotsgestalt,eingeschlossen im Koffer. Er sah unsere Not undgab uns Kraft und Mut um auszuharren in denBedrängnissen, die unserer noch harrten. Dennder böse Feind gönnte den Menschen im Gru-benstollen keine Ruhe.

5.12.1944 –––––––––

6.12.1944, es kam eine Gesandtschaft von 10Personen, darunter Ortsgruppenleiter J. ausEnsdorf, Studienrat M. aus Saarlouis (Saarlau-tern), Ortsgruppenleiter B. aus Dillingen und SSund verlangten, alle Menschen sollten den Gru-benstollen verlassen. Selbstverständlich weiger-ten sich alle dies zu tun! Denn bei dem starkenGranatenbeschuss war es unmöglich, waren wirdoch im Stollen sicher, hörten und sahen nichts,denn der Stollen hatte in der Mitte eine Tiefe von92 m unter der Erde.

Die Ruhe war nun dahin, und eine große Unru-he befiel die Menschen. Da die Gesandtschaftbei den Leutchen nichts ausrichtete, wandte HerrJ. sich an mich (Oberin). Derselbe verlangte vonmir, ich möchte als Erste mit meinen Schwesternden Grubenstollen verlassen! Denn, wenn dieSchwestern gingen, würden alle anderen mitge-hen. Ich sagte Herrn Ortsgruppenleiter J. ausEnsdorf, dass dies nicht möglich sei bei dem star-ken Beschuss! Sagte demselben, dass ich beina-he getötet worden wäre und unser Klösterlein ei-ner Ruine gleiche. Da gab er mir zur Antwort: –auch sein Haus sei ganz zerstört, aber dies sei nurein zeitlicher Schaden –. Dieser Parteimensch,der von Gott und seiner Kirche nichts wissenwollte, sondern bekämpfte, wollte sich ergebenzeigen im Ertragen. Er bestürmte mich mit Bittenund als dieses nicht half, drohte er mir. Da kamer aber an, denn die Frauen und Männer hattensich, soviel es ging, an uns herangedrängt undverteidigten mich.

Dann trat an mich heran Herr Studienrat M. ausSaarlouis (Saarlautern). Derselbe sagte: „Schwe-ster Oberin, ich möchte sie bitten, den Stollen zuverlassen mit ihren Schwestern, denn sie sindeine Persönlichkeit und ihre Mütterlichkeit wirdalle nach sich ziehen und ihrer Autorität werdensich alle gerne fügen.“ Auch ihm legte ich mei-ne Gründe dar, denn durch seine Schmeichelei-en ließ ich mich nicht betören. Dann trat er mitStrenge auf! Ich erklärte ihm, dass ich langegern gesehen hätte, wenn man Kranke, alte

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Leutchen, Kinder und Mütter mit kleinen Kinderngut untergebracht hätte! Aber leider sei schlechtdafür gesorgt worden. Und nun sollte ich, wie ersagte, meine Autorität geltend machen und5000 Menschen aus dem Grubenstollen in dasFrontgebiet treiben und dem sicheren Tod preis-geben, nie und nimmer. Es war eine harte Aus-einandersetzung und Herr M. musste still sein,denn die Frauen und Männer nahmen mich inSchutz und Herr M. musste froh sein, dass er mitheiler Haut davon kam.

Herr Pastor Hoffmann war neben mir. Derselbesagte später zu Herrn Pater Herzmann: „Schwe-ster Oberin hat den beiden Herren gut gedient.“Nachdem dieselben bei mir nichts ausrichtenkonnten, wagten sie sich an Herrn Pastor heran.Ihm legten sie zur Last, dass er die Schuld trage,weil die Ensdorfer Leutchen in den Grubenstollengegangen sind. Herr Pastor sagte ihm, dass je-der Einwohner von Ensdorf aus freiem Antrieb imStollen Schutz gesucht und keiner den anderendazu veranlasst habe. Es ging hart auf hart. Siesagten zum Herrn Pastor: „Sie sind kein guterHirte.“ Aber da kamen sie den Ensdorfer Leut-chen an! Sie lobten ihren Herrn Pastor als wah-ren guten Hirten der seine Pfarrkinder nicht ver-lassen habe, sondern mitten unter ihnen weileund sie würden für denselben durchs Feuer ge-hen, und die Abordnung solle es nur nicht wa-gen, ihn anzutasten. Sie zogen, nachdem sie dieUnruhe heraufbeschworen hatten, mit Groll –und hasserfülltem Herzen ab.

Einer der 10 Herren, ein Herr mit Glotzaugen,sagte: „Heute noch muss der Schwarze fallen, ichwerde ihn erschießen.“ Er meinte damit unserenHerrn Pastor. Schon nach einer Stunde kam Be-scheid, dass der SS – Mann mit den Glotzaugenam Eingang von Schwalbach durch eine Grana-te getötet worden sei.

Und weshalb wurde die Unruhe verursacht füralle Leutchen im Stollen? Die Partei – SS – SAwussten, dass der Krieg für uns verloren ist – weilderselbe ohne Gott geführt wurde – ja, Gott undseine heilige Kirche von ihnen verfolgt wurde.Und nun wollten sie nicht haben, dass der Ame-rikaner, der schon in Ensdorf war, das Elend se-hen sollte, welchem die Leutchen im Stollen aus-gesetzt waren und dasselbe über die Erde ver-breitet würde, was ja doch später geschehen ist.

7.12.1944 es kam die Gesandtschaft wieder mitdem gleichen Gerede, nur noch dreister und zu-

dringlicher. Zuerst wurde ich wieder herangeholt,zuerst mit Bitten, dann mit Drohungen. Und wie-der die Frauen und Männer auf meiner Seite.Dann werden dieselben gegen unseren HerrnPastor dreist und zeigen sich eines Mannes un-würdig. Die Ensdorfer Leutchen verteidigen ihrenSeelsorger bis aufs Äußerste und es fehlte wenig,dass dieselben die Gesandtschaft durchgeprü-gelt hätten. Ihr Hass wurde immer größer, undsie suchten einen Ausweg, Herrn Pastor aus demWeg zu räumen. In der nächstfolgenden Nacht(7./8.12.1944) kam ein Herr und sagte: „HerrPastor sind sie vorsichtig, man sucht sie mit Listaus dem Stollen zu locken, aber sie werden niewieder zurückkommen!“

8.12.1944 es kam Herr J., Ortsgruppenleitervon Ensdorf, und zwei Herren von der GeheimenStaatspolizei mit je einer Maschinenpistole umHerrn Pastor und mich zu peinigen. Natürlichwaren die Ensdorfer Leutchen den Herren ge-folgt, um uns zu schützen. Mit einer Rohheit, wel-che eher einem Wilden, als einem deutschenManne passte, wollten dieselben mich zwingen,mit den Schwestern den Stollen zu verlassen. Mitaller Entschiedenheit verbat ich mir den Ton undließ mich nicht zwingen. Die Leutchen verteidig-ten mich und da sie sich geschlagen fühlten, –ließen dieselben von mir ab. Wenn aber Blik-ke töten könnten, dann hätte sich dies an mirbewahrheitet.

Nun traten die 3 Herren vor unseren Herrn Pastorhin. Ortsgruppenleiter J. machte eine Verbeu-gung, reichte Herrn Pastor die Hand und sagte:„Herr Pastor, auf der Schmelz ist eine Sitzung we-gen der Ernährung der Leute im Stollen.Man wünscht, dass sie daran teilnehmen sollen,auch Herr Landrat Schmitt lässt bitten.“ Herr Pa-stor stellte die Frage: „Werde ich heute wiederhierher zurückkommen?“ Da zuckte Herr J. zu-sammen, gleichwie Judas erschrocken sein magals Jesus zu ihm sagte: „Freund, wozu bist du ge-kommen. Judas mit einem Kusse verräts du denMenschensohn.“ – – – Und Herr J. konnte keineAntwort geben. Dann sagte Herr Pastor: „Vergan-gene Nacht wurde mir gesagt: „Herr Pastor sindsie vorsichtig, man sucht sie mit List aus demStollen zu locken, aber sie werden nie mehr wie-derkehren!“ Da sagte einer der drei Herren:„Welch ein Verrat!“

Es war bestimmt, — Herr Pastor sollte am8.12.1944 im Schwarzenholzer Wald erschossenwerden. Sie wollten nun Herr Pastor zwingen mit-

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zugehen. Sie behandelten denselben mit einerteuflischen Bosheit. Einer derselben nahm HerrnPastor am Arm um ihn in die Höhe zu zerren undmit Gewalt fortzuführen. Ich sprang auf, stelltemich neben Herrn Pastor und sprach zu den Her-ren: „Lassen sie ab von einem Priester der Ka-tholischen Kirche, ihnen wird es in ihrem Lebennicht gut gehen, und wenn die Tage der Trübsalüber sie kommen werden, dann denken sie dar-an, dass sie einen Priester angetastet haben !“Nun kamen Augenblicke, welche man ein zwei-tes Mal nicht mehr durchkosten möchte. Mit sata-nischer Bosheit wollten dieselben unseren HerrnPastor mit sich fortreißen, um ihn zu töten.

Ich hatte die ganze Lage durchschaut, habe demlieben Gott mein Leben angeboten für unserenHerrn Pastor. Dann legte ich meine Hände über-einander und sprach zu den drei Herren: „Hiersind meine Hände, fesseln sie mich, lassen sieunseren Herrn Pastor bei seinen Pfarrkindern !“Dann stand auch Herr Pastor auf und sagte:„Auch meine Hände reiche ich dar zur Fessel aberich weiche nur der Gewalt !“ Da sagte einer derdrei Herren mit einer donnerähnlichen Stimme:„Schade, wir haben keine Fesseln bei uns !“

Nun entstand ein Tumult unter den EnsdorferLeutchen, man musste wehren, sonst hätten siedie drei Herren getötet. Dieselben zogen nun abmit racheerfülltem Herzen, weil ihnen ihr Planmissglückt war.

Die SS – Leute zogen ständig an uns vorbei, im-mer sprechend: „Heil Hitler – – Der Sieg ist un-ser – – Großdeutschland wir siegen.“ Die SS hät-te besser getan an die Front zu gehen, um unserVaterland zu verteidigen, als wehrlose armeMenschen zu peinigen. Herr Pastor und ich (Obe-rin) mussten stets bereit sein zur Flucht. Im Stol-len befanden sich 4 Spione, welche uns unter derLupe hatten.

Damit man uns nicht in der Nacht fortführenkonnte, wenn die Leutchen schliefen, wurde eineWache aufgestellt am Eingang (Stolleneingang)Schwalbach, denn von da kamen die SS in denStollen. Sobald die SS den Stollen betraten,wurde das Stichwort – THEODOR – weitergege-ben. Sämtliche Männer von Ensdorf und HerrPastor und ich (Oberin) haben dann sofort dieFlucht ergriffen und eilten zum Ausgang vonEnsdorf (Stollenausgang, Ensdorfer Seite). Dortbefand sich die Wehrmacht, welche uns in ihrenSchutz nahm. Die SS ging an unseren Platz, und

wenn sie uns nicht sah, ging sie wieder zurücknach Schwalbach, dann kam das Stichwort –OTTO – und alles ging zurück an seinen Platz.Unser Weg war 700 m lang, schlecht beleuchtet,über Steine und durch Wasser. In einer Nachtmussten wir den Weg 4 mal zurücklegen, um 12Uhr und um 4 Uhr. Alle Menschen im Gruben-stollen wurden dann wach, die Zurückgebliebe-nen fingen an zu weinen, und beteten den Rosen-kranz. Als die Unruhe zu groß wurde, verließenHerr Pastor und ich den Grubenstollen und be-gaben uns in den Felsenkeller, drei Tage und zweiNächte. Dort weilten mehrere hundert Men-schen, dieselben nahmen uns mit Freuden aufund sorgten für uns, auch stellten sie eine Wacheauf, dass kein Unberufener den Felsenkeller be-treten konnte. Die Männer sagten zu mir: „Soll-te die SS es wagen, Herrn Pastor und Sie (Obe-rin) anzutasten, werden dieselben den Felsenkel-ler nicht mehr verlassen. Die SS hat Unglückgenug in Deutschland heraufbeschworen“. (9. +10.12.1994)

11.12.1944 Aus dem Felsenkeller begaben wiruns beide ins Pfarrhaus, unter starkem Gra-natbeschuss, befanden wir uns doch auf demKampfplatz. Dort angekommen, mussten wir so-fort in den Luftschutzraum, denn die deutschenund feindlichen Geschosse schwirrten über unsher, schlugen ein, zertrümmerten Mauerwerk undmachten Häuser einem Schutthaufen gleich. Andem Nachmittag wurde auch der Kirchturm nie-dergelegt durch Granaten in drei Absätzen. Eswar furchtbar dies anzuhören, es gab ein Kra-chen und Dröhnen, die Steine rieselten zur Erdenieder – minutenlang – es war einfach furchtbar,unwillkürlich hielt man den Atem an und dasHerz stockte. In der Nacht waren Straßenkämp-fe, denn die Amerikaner waren vorgedrungen bisin die Nähe der Kirche. Wir mussten das allesmitanhören und durchkosten, rechneten jedenAugenblick damit, dass man ins Pfarrhaus ein-dringen oder eine Granate uns töten würde.

23 Stunden befanden wir uns in Todesgefahr. Ent-weder durch Geschosse getötet oder durch SSentdeckt zu werden, dann war der Tod uns sicher.Aber die liebevolle Vaterhand Gottes beschütz-te uns und führte uns durch die gefahrvollenKlippen hindurch. Er stärkte uns, denn noch soll-ten wir manche schwere Stunde durchleben unddafür braucht man Kraft von oben.

Nach 23 Stunden verließen wir das Pfarrhaus ohneetwas gegessen zu haben als nur einen Apfel.

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12.12.1944 Wir begaben uns wieder zum Gru-benstollen unter starkem Granatbeschuss. Feind-liche Flieger umkreisten uns und zwei EnsdorferMänner riefen uns zu, wir möchten doch schnellDeckung suchen. Im Grubenstollen angekom-men, fingen die SS wieder an uns zu peinigen.

Nun hieß es, der Grubenstollen würde gesprengtwerden und alle müssten denselben verlassen.Herr Pastor und ich (Oberin) trafen in der folgen-den Nacht am Eingang von Ensdorf (Stollenein-gang – Ensdorfer Seite) den Sprengmeister. Der-selbe sagte uns: „Ich bin beauftragt, den Stollenzu sprengen. Es wurde mir gesagt: es sind noch20 Personen im Stollen, holen sie dieselben her-aus und dann sprengen sie den Stollen, und nunbefinden sich 5 000 Personen darin, daran kannman sehen, wie wir in den letzten Jahren belogenwurden. Den Grubenstollen werde ich nichtsprengen, aber 10 Jahre bin ich in dieser Nachtälter geworden. So etwas Furchtbares, 5 000Menschen töten, nur weil diese der SS nicht zuWillen waren.“ Wir trafen dann drei Männer vonder Wehrmacht: „Heute wurden wir vereidigt undin dieser Nacht sollen wir dem Sprengmeisterhelfen den Stollen zu sprengen. Uns wurde ge-sagt: es seien noch 200 Menschen hier, dieselbensollen wir heraus holen und dann sprengen undnun sind noch 5 000 Menschen hier.“

Ich sagte zu den drei Soldaten: „Gute Jungens,was werdet ihr nun tun ?“ „ Schwester, sagten siezu mir, wir werden nicht helfen den Stollen zusprengen. Wenn unser Vorhaben bekannt wird,werden wir erschossen. Es ist besser, drei Manngeben ihr Leben dahin, als 5 000 unschuldigeMenschen dahinsterben sollen.“ Ich sagte ihnen:„Der gerechte Gott wird euer Vorhaben segnenund euch schützen, dass ihr keinen Schaden lei-det.“ Der Grubenstollen wurde in der bestimm-ten Nacht nicht gesprengt. Später wurde dersel-be in der Mitte gesprengt nachdem die Leutchendenselben verlassen hatten.

13.12.1944 Nachdem das Gerücht von derSprengung des Stollens sich verbreitet hatte, wur-den die Leutchen unruhig und viele zogen es vor,den Stollen zu verlassen. Es begann nun einewahre Völkerwanderung. Die SS drängte dieLeutchen nur so aus dem Stollen heraus. Kinderweinten, Frauen jammerten, alte Leutchen konn-ten es nicht begreifen, dass sie noch so viel mit-machen mussten unter der Fuchtel der SS, diegar keine Rücksicht nahm auf das Alter. Sowashatte die Weltgeschichte noch nicht aufzuweisen.

Wie Sklaven wurden wir behandelt und diese ro-hen Menschen wollten ein neues Reich errichten,Großdeutschland genannt, ein Reich ohne Gottund Glauben. Aber der liebe Gott lässt die Bäu-me nicht in den Himmel wachsen Er nahm ihnendas Zepter aus der Hand und vernichtete sie.

13.12.1944 Auch wir verließen an diesem Tagden Stollen Richtung Ensdorf und begaben uns indie Kronenstraße, Haus Ney.

Fräulein Schwinn, ihre Tante, Familie Schmitt,Familie Schuh, Herr Hoffmann, Pastor, FräuleinMüller, wir fünf Schwestern, Maria Gerstle (Klos-termaria) Es waren 19 Personen.

Unsere Maria lief eilends, als der Granatbe-schuss stark einsetzte in den Felsenkeller und sowaren wir getrennt und da wurde unsere guteMaria am 26. Februar 1945 durch eine Grana-te getötet.

Maria Gerstle, geboren am 22.7.1919 in Schaff-hausen, Saar war vom 1. Juni 1934 bis zum 1.Dezember 1944 bei uns Schwestern, bis wir in denStollen gingen. Maria war ein gutes Kind, frommund in Gott gesammelt. In der Küchenarbeit undHausarbeit war sie geschickt und tüchtig und ar-beitete immer zuverlässig mit viel Interesse undpflichtbewusst. Eine große Liebe zeigte Maria zuden Kleinen im Kindergarten, worin sie mehrereJahre tätig war. Für dieselben hatte Maria ein fei-nes Verständnis und viel Geschick. Sie gewannsich schnell die Liebe des Kindes, war stets freund-lich und mütterlich zu ihnen. Sie hatte eine ausge-sprochene pädagogische Begabung und zeigtegroßes Verständnis für jedes einzelne Kind.

Der Tod unserer guten Maria bereitete uns vielLeid und großen Schmerz. Und nur der Gedan-ke, dass Maria zu schade war für diese Erde, wieHerr Kaplan Greff bei ihrem Tode sagte und derliebe Gott sie zu sich nahm, gab uns Trost in un-serem Schmerz. Und nun ruht Maria auf demEnsdorfer Friedhof, wir schmücken ihr Grab mitfrischen Blumen und halten dasselbe in Ord-nung. Aber Maria fehlt uns überall und hat einegroße Lücke gelassen. Möge der liebe Gott dasgute Kind bald in den schönen Himmel nehmen.

Zwei Stunden waren wir in der Kronenstraße, alsdie Haustür zertrümmert wurde und unser Militärdas Haus in Beschlag nahm, ungefähr 20 Mann.Dies war für uns eine neue Gefahr, denn wenndie Amerikaner das deutsche Militär ein – und

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ausgehen sehen würden, würde das Haus unterBeschuss genommen und wir wären verloren. Die-selben Gedanken tat ich den Soldaten kund. Die-selben sagten: „Sie haben Recht, Schwester.“ Ichbat, sie möchten doch so gut sein und sich in einanderes Haus zurückziehen, was sie auch nach 2Tagen taten. (am 15.12.1944) Wir kochten ihnenMittag– und Abendessen und nachts machten wirheißen Kaffee zurecht, denn es war sehr kalt.

19.12.1944 morgens um 10 Uhr, wurde dasHaus von den Amerikanern unter Beschuss ge-nommen. Die Kugeln durchschlugen die Mau-ern, Wände und Türen, schlugen in den Kellerein, worin wir uns befanden. Es waren furchtba-re Minuten, jeden Augenblick damit rechnendvon einem Geschoss getötet zu werden.

Während einer Pause von einer Minute liefen Fräu-lein Müller und Fräulein Schwinn auf den Speicherund winkten mit einem weißen Tuch. Die Amerika-ner sahen das weiße Tuch und in dem Momenthörte der Beschuss auf und es ward stiller. Nach 10Minuten wurde es unruhig und wir hörten, dass dieAmerikaner das Haus betraten. Wer tritt nun zuerstdem Feind entgegen, war die Frage, und nie-mand (denn Keiner) wollte sein Leben aufs Spielsetzen. Es gab aber kein Zögern mehr. Wir gingennun die Treppe hinauf, zuerst Herr Schmitt dannFrl. Müller dann ich Schwester Oberin.

Es war ein aufregender Moment, an der Keller-tür stand ein Amerikaner in Angstschweiß geba-det, an jedem Kopfhaar hing ein Schweißtrop-fen, wild dreinschauend, das Gewehr schuss-bereit in den Händen. Ich dachte, schlimmerkann kein Wilder aus dem Urwald dreinschauen.Als er die Schwestern erblickte lächelte er. Nunkam auch Herr Pastor aus dem Keller. Die Ame-rikaner begrüßten denselben freundlich.

Es wurden nun die Personen gezählt, die im Kel-ler waren. In einigen Minuten waren 20 Amerika-ner bei uns, wir waren nun Gefangene. Wir wur-den gut behandelt. Im Laufe des Tages ( 19.12.1944 ) brachte man einen verwundeten Ameri-kaner zu uns. Derselbe hatte einen Bauchschuss.Herr Pastor Hoffmann spendete ihm die heiligeÖlung. Derselbe, ein junger Mann von 20 Jah-ren, starb am gleichen Tage immer rufend:„Mutter, liebe Mutter komm hilf mir“. Er wurdebegraben in Neys Garten.

19.12.1944 Im Laufe des Tages sprengten dieAmerikaner die Giebelmauern aller Häuser in

der Kronenstraße. Abends um 7 Uhr sagten dieAmerikaner zu uns: „Wir werden sie sofort in Si-cherheit bringen, aber niemand von ihnen darfGepäck mitnehmen!“ Wir mussten alles da las-sen, unsere ganze Direk toriumswäsche, Schuhe,sämtliche Kassenbücher, alle Papiere, Unterla-gen, es war ein bitterer Moment für alle Keller-bewohner. Wir mussten nun in finsterer Nachtdurch die gesprengten Giebellöcher hindurchohne zu wissen, wo man den Fuß hinsetzen soll-te, über Balken, Steine und Geröll. Auf einmalstand ich in einem durchgeschlagenen Korbses-sel, und wusste nicht mehr herauszukommen.Herr Schuh kam mir zu Hilfe und befreite michaus der ungemütlichen Lage. Nachdem wir dieHäuserreihe durch hatten, mit Händen und Fü-ßen hatten wir uns durch getastet, sprechen durf-ten wir nicht, auch kein Lichtlein anzünden, ka-men wir an die Kirche.

Wir dachten, die Amerikaner brächten uns insPfarrhaus oder Kloster. Wir gingen an der Kircheund Kloster vorbei durch die Saarstraße, Stöcker-weg und bogen ein in die Wiese, Richtung Lis-dorf. Es war ein sehr bitterer Gang. Rechts undlinks um uns herum schlugen die Granaten ein,der Himmel stand voller Leuchtkugeln, die Häu-ser brannten, wir mussten immer weiter, musstendurchs Wasser waten. Dann kamen wir an einenbreiten Graben, welcher mit Wasser angefülltwar. Alle wurden herüber gehoben, aber wie !Die Füße kamen ins Wasser und wir wurden nassbis an die Knie, Schuhe, Strümpfe, Kleider unddann die große Kälte ! Wir erreichten die Saar.

Hier standen wir nun 2 Stunden, jede Minute mitdem Tode rechnend. An der gleichen Stelle wur-den 2 Nächte vorher ( 17./18. 12. 1944) 60 Per-sonen verwundet durch Granaten.

Und dann ein Zwischenfall: Als ein Amerikaner zuuns in den Keller kam, brachte er einen deut-schen Gefangenen mit, einen Mann von 50 Jah-ren aus Düsseldorf. Als wir abends fortgebrachtwurden, schloss derselbe sich uns an, ohne dar-an zu denken, dass er Kriegsgefangener ist undnicht mit durfte. An der Saar angelangt, wurde erentdeckt. Man wollte ihn sofort erschießen. Wirhörten wie derselbe weinte wie ein Kind und hör-ten ihn sagen: „ Ich hab doch gar nichts ge-macht und nun will man mich erschießen.“

Er wand sich auf der Erde wie ein Wurm vor Wehund Angst, aber man hörte keinen Schuss fallen.Dann sah ich, wie derselbe über einen schmalen

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Steg, welcher über die Saar gebaut war nach Lis-dorf gehetzt wurde, sich überschlug, wieder auf-raffte und weiter sprang und in Lisdorf landete.Dann hörte man nichts mehr von ihm, aber die-se Szene wird man nie vergessen, sie wird imGedächtnis immer eingeprägt bleiben.

19./20.12.1944, Nacht. Wir wurden nun mitSchlauchkähnen übergesetzt und nach Lisdorf ge-bracht. Am Ufer angelangt, entstiegen wir demKahn. Ich sah an den Kähnen vorbei einen hellenStreifen und meinte, es sei ein neues Brett, umdarüber zu gehen. Wir stiegen aus und ich setzteden Fuß auf das vermeintliche Brett. Ein Amerika-ner war uns behilflich beim Aussteigen. Ich setzteden anderen Fuß nach und – oh Schrecken – ichsank ein im Wasser. Das vermeintliche Brett warein Wasserstreifen.

Ich merkte wie ich unterging in der Saar, bis überdie Knie war ich schon im Wasser und der Kör-per ging langsam in die Tiefe. Niemand merk-te was davon, bis zwei Amerikaner mich an denArmen fassten und unter Kraftausdrücken michaus der Saar fischten. Dieselben waren an dieDunkelheit gewöhnt und sahen das Unglück,welchem ich entgegen ging und retteten mich.Sonst hatte niemand den Vorfall bemerkt. Dergute Gott möge ihnen die gute Tat belohnen.Dieselben ließen mich nicht mehr aus den Au-

gen, wenn ich nicht mehr weiter kam, halfen siemir. Meine Schuhe waren angefüllt mit Wasser,der Habit so schwer von Wasser und Schmutz, biswir in Lisdorf im Stollen angekommen waren. Eswar nachts um 12 Uhr.

Man brachte uns drei Schwestern: SchwesterElecta, Schwester Scholastika und mich (Schwe-ster Oberin) in den Raum, wo die Schwestern vonLisdorf waren. Ein kalter Raum mit Zementboden.Und so saß ich die ganze Nacht auf einem Stuhl,das Wasser lief von den Kleidern auf die Erde,vor Kälte zitternd, hungrig bis es Tag wurde.

20.12.1944 Wir bekamen eine heiße Bohnen-suppe und so wurde der Körper durchwärmt. Am20.12.1944 brachten uns die Amerikaner nachSaarlouis (Saarlautern).

Wir freuten uns, dass wir bei unseren Schwesternwaren. Weihnachten feierten wir in Saarlouis(Saarlautern). Es waren trübe Weihnachten, dasHerz voller Leid, Sorgen und Not. Auch hier wares kalt, die Heizung konnte nicht in Betrieb ge-setzt werden, weil kein Wasser da war und sowaren wir den ganzen Winter hindurch bei 17° CKälte ohne Feuer, überall kalt.

Hier enden leider die Aufzeichnungen derSchwester Oberin aus Ensdorf.

Heiner Groß

Anfang Dezember 1944 war die US–Army biszur Saar vorgedrungen. Die Brücken über dieSaar zwischen Lisdorf und Ensdorf waren zuvorgesprengt worden: bereits am 3. September1939 die Kleinbahnbrücke, am 27. November1944 die Notbrücke und am 2. Dezember1944 die Kreisbrücke.

Am 3. Dezember frühmorgens greifen US-Infan-teristen Lisdorf an und können ohne größerenWiderstand die Holzmühle, danach das Rosen-thal mit der Felsenstollenanlage sowie denObstgarten besetzen. Im Kern von Lisdorf liefernsich deutsche und US–Infanteristen erbitterteStraßen- und Häuserkämpfe. Am 4. Dezemberziehen sich die Deutschen unter dem Befehl ei-nes Hauptmanns Bulmahn rund um die Lis-dorfer Kirche zusammen und setzen nachmit-tags vom Friedhof aus mit Booten über dieSaar nach Ensdorf über.

Jetzt ist der erwartete Kampf um den Westwallrichtig entbrannt. Ensdorf ist nun Hauptkampf-gebiet. Unter den Insassen im großen EnsdorferGrubenstollen, der sich von Ensdorf über fast 4km bis nach Schwalbach erstreckt, verbreitet sichzunehmend Unruhe und Angst.

Bis zu 5.000 Personen, überwiegend aus Ensdorfund Schwalbach, sitzen im Stollen, die nicht nachMittelfranken evakuiert waren. Seit dem 21. Sep-tember 1944 wurden nämlich auch die Einwoh-ner von Ensdorf und Schwalbach von der NS–Führung wiederholt aufgefordert, ihre Heimatvorübergehend zu verlassen. Doch diese Auffor-derungen und Befehle wurden im Gegensatz zur1. Evakuierung 1939 vielfach ignoriert.

Unter den Insassen waren auch etwa 75 Volks-sturm-Angehörige, die sich weigerten, einensinnlosen Kampf weiterzuführen. Desweiteren

Weiße Frau erfleht Hilfe für Ensdorfer im Stollen

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zählte die Ensdorfer Geistlichkeit mit Pastor, Ka-plan und einem weiteren Priester sowie den Fran-ziskaner–Schwestern aus dem Ensdorfer Klosterzu den Insassen.

Alle befürchteten einen gezielten Großangriff derAmerikaner auf den Grubenstollen, was dann zurFolge gehabt hätte, dass die verbliebenen deut-schen Verteidiger (Wehrmacht und SS) den Stol-len – wie angekündigt – gesprengt hätten.

Aufgrund der permanenten Luftangriffe und desständigen Raketenbeschusses an jenen Tagenwagte sich fast niemand aus dem relativ siche-ren Stollen heraus. Entsprechende Aufforderun-gen und Anordnungen von NS-Stellen und SS-Oberen wurden von der Mehrheit der Stollen-insassen einfach nicht befolgt.

Als die Situation immer brenzliger wurde, wag-ten sich eine Frau mit ihrem Sohn und ein weite-rer Stolleninsasse, den Stollen zu verlassen undzu den Amerikanern hinüberzulaufen. Zu ihremSchutz schwenkten sie eine weiße Fahne, dieKleidung der Frau soll auffallend hell gewesensein. Später sprachen die Amerikaner von derWeißen Frau aus Ensdorf. Sie flehten die Ameri-kaner an, den Ensdorfer Stollen mit seinen harm-losen Insassen nicht anzugreifen, da es sonst zueiner Katastrophe käme.

Bei der sogenannten Weißen Frau handelte essich um die damals 46jährige Helene Schmitt ausEnsdorf (* 1898 – † 1986) mit ihrem 23 jährigenkörperbehinderten Sohn Josef (*1921–† 1969)sowie den 50jährigen Johann Bernard aus Ens-dorf, genannt „Schooße Schang“.

Der US-Kriegsberichterstatter Ivan H. Peterman –Inquirer War Correspondent – berichtete im De-zember 1944 in „The Philadelphia Inquirer“ un-ter der reißerischen Überschrift

U.S. Aids Nazi RefugeesHiding in Mine Tunnels

(U.S. helfen in einem Grubenstollen verborgenenNazi-Flüchtlingen.)

darüber wie folgt:

Saarlautern, 13. Dezember 1944

Eine deutsche Hausfrau, sich darauf berufend,vom deutschen Kommandeur jenseits Saarlau-tern beauftragt zu sein, erschien mit ihrem Sohnund einem unterwürfigen Herrenvolk–Männchen

bei dem Hauptmann (Captain) der 95. DivisonJohn A. Reilly aus Phoenix, Ariz., während einesgestrigen Angriffs auf die Westwallstellungen.

Sie bat die Amerikaner, nicht den Durchgang durcheinen 3,5 km langen Grubenstollen zu versuchen,welcher von Ensdorf nach Schwalbach führt.

Sie sagt folgendes: Falls Ihre Truppen versuchen,in den Stollen einzudringen, will unser Komman-deur den Stollen sprengen und uns lebendig be-graben. In dem Stollen befinden sich etwa5.500 Personen, davon 3.500 aus Ensdorf und2.000 aus Schwalbach. Etwa 75 sind Angehöri-ge des Volkssturms, welche nicht mehr längerkämpfen wollen.

Dann, unter der weißen Waffenstillstands-Fahnegingen sie und ihre seltsame Gruppe zum Gru-benstollen nach Ensdorf zurück, und der Kampfwurde wieder aufgenommen.

Derart waren die ersten Meldungen, welcheamerikanische Einheiten von einer anderen gro-ßen Gruppe Zivilisten hatten, die sich wie Scha-fe zusammengepfercht in einer alarmierendenVerfassung befinden.

Dies war die späte soziale Aufgabe für BefreierReilly.

Bis diese deutsche Frau über die 5.000 Personenberichtete, hatte sich Captain Reilly bisher nurmit 1.000 notleidenden Krauts zu befassen. Er isteiner der fünf Mann zählenden Militärregier-ungsgruppe, abkommandiert zu der sich hartschlagenden 95. Division des GeneralmajorsHarry L. Twaddle, welche ihre Zähne am mäch-tigen Metz gezeigt hat und nach Eroberung die-ser Festung über die Saar gestürmt und tief inden Westwall eingedrungen ist.

Ihre Geschichte bereitet der 3. Armee Kopf-schmerzen bei der Eroberung des Volksentschei-dungs-Tales (=Saar–Tal mit Westwallanlagen).Anmerkung:Am 4. Dezember 1944 berichtete US-Corres-pondent I. H. Petermann mit einem gewissenMitgefühl über die 1.000 notleidenden und ver-zweifelten Menschen im Stollen Lisdorf, wenn-gleich diese an ihrer beklagenswerten Lageselbst schuld seien (vgl. Artikel „US-Captain JohnA. Reilly vor 65 Jahren“ auf S. 18 ff). Am 13. De-zember 1944 spricht er von 5.500 Nazi-Flücht-lingen im Stollen Ensdorf.

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Beiträge zur Lisdorfer Mundart

Marianne Faust

Angehörige einer alt-eingesessenen LisdorferFamilie.Beschäftigt sichschon seit ihrer Jugendmit dem „LeischtrowwerPlatt“. Als Interpretinund Autorin ist sie imLisdorfer Heimatkunde-

verein aktiv.

Marianne Faust

Ett Gewidda

Iwwa da Saa steht amHimmel enn schenaRejenboren. Dea schillatenn allen Farwen. EttGewidda es jiz remm. Ettess nua noch ennbißelchin am reenen, ettfällen nua noch enn paaTräppcha. Emm Moogen-loch gefft ett schon nom-moll hell, onn de Sonnblinselt zaat durch de Wol-ken. Vora Schdonn hott ettsich enn äm Deiwelsesammen gebraut. Iwwada Holzmill onn iwwa

Enschdrow ess ett kollrawenschwarz word. DeLofft ess wiedich gang onn hatt de Äscht vann deBääm ball bis off de Boddem gedreckt. Dannhatt ett off zwoo Seihden gebletzt onn emmselwen gedimmelt.

Ma hann an de Himmel gelout onn hanngesaat:“Oh weh, datt lo senn ah zwaai, onn sesenn direkt iwwa us.“ Ja die Gewiddan vann daEnschdrowa Seit senn däck schlemm. Die kom-men nett gutt iwwa de Saa, weil ett Wassaahnzeeit.

Onn die brengen ach offt Sturm onn Schloßen.Dann senn ma all dabba dommeldich ent Hausgelaf onn hann Fenschdann onn Dieren zougemach.

Do ess ett loss gang. Ett hatt geschutt wie mettÄmann, awwa kän Schloßen woren dabei. DeReen hamma jo nedich meßden hann. Daalangwoa ett jo gleeidich heiß onn drohgen. Ett essawwa doch nett so greilich schlemm ausgefallwie ma gemännt hann. Ma hodden Gott seiDank ald nommoll Gleck gehatt.

Wie alles remm woa hann eich ma so meinGedanken gemach. Bei jedem Gewidda ess ettemma ett sellwich. Ma hatt Angschd wie all seiLewen, ess muxmeisjesstill onn gäff amleeifschen end Mausloch grawweln.

De Wirtsfraa aus da Stadt

Saarloui woa freeija nett nua enn Feschdungs-stadt,ma wäsen als Garnison hott de Stadt ach Kaser-nen gehatt.Domols de Soldaden hodden ett nett so scheen,die durften nett änfach hämm schlofen gehn.Se hann, egal wie, bei da Häad meßden blei-wen,awwa owens hann se nadialich proweeiat sich deZeit se vadreiwen.Enn da Kasern hodden se meh wie ämol deFlämm,onn emm Wirtshaus bei da Tante Kätchin worense dahämm.De Saarlouija Wirtsfraa konnt sich emmadohdrenn sonnen,de Soldaden, datt es woa, datt senn meinbeschd Konnen.Bei ia woren se meh wie ämol gutt droff,on hann doh de Sold vafräß onn vasoff.Off sein Dreißija woa ett Kätchin stolz,die woren aus guddem Holz.Ett woa an Fronleichnam, de Prozession woa offTua,de Wirtsfra woa ach doh, enn feina Mondua.Andächdich onn würdich ess se gang enn da Rei,onn se woa, wie ett de Anschein gefft, mett allenSinnen dabei.De Musigg hatt gebloßt onn se hann gesongscheen emm Choa,awwa beim beeden kommt ett de Leit bißinnanascht voa.Watt ett Kätchin beed heat sich komisch an,käna ess se keein foh äbbes se saan.Bei jedem gepriesen sei das Altarssakrament,beed de Wirtsfraa:“Gepriesen sei ett dreißijaRegiment.“Ett Lies gleich newendran,konnt ett off ämol nemmä hann.Ett hatt zaat gefroot:“ Watt bedschd dau dann lohdu Hoschbes, beschd dau nemmä richdich?“Do saat ett Kätchin :“ Watt eich loo beeden essmia greilich wichdich!Onn dau sei staad onn hall ett Maul, beed daufoh Deinen,onn eich machen watt eich well onn beeden fohMeinen.“Gätt freeija woren de Leit ganett so domm,egal foh watt se gebeed hann, se senn awwakomm.

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Lisdorfer Heimatkundler in Beruf und Studium

besonders erfolgreich!Wir können mit Freude zweilangjährige Mitglieder desHeimatkundevereins Lisdorf(VHL), die in ihrem an-spruchsvollen Beruf bzw.ihrem Universitätsstudiumaußergewöhnlich erfolg-reich sind, hier ehrend undwürdigend vorstellen.Leitender Vermessungsdi-rektor Dr. Ing. Dieter Bohraus Lisdorf, Chef des Ver-

messungs– und des Tiefbauamtes der hessischen Lan-deshauptstadt Wiesbaden wurde von der Mainzer Lan-desregierung zum Honorarprofessor an der Fachhoch-schule Mainz ernannt. Neben seiner Tätigkeit als Amts-leiter in Wiesbaden ist Dieter Bohr seit dem Jahr 2000Lehrbeauftragter für Orts–, Regional–, und Landespla-nung im Bereich Geoinformatik und Vermessung derFachhochschule Mainz. Mit der Ernennung zum Hono-rarprofessor wurde Dr. Bohr für sein herausragendesEngagement für Lehre und Studium an der Fachhoch-schule und in diversen bundesweit tätigen Gremien ge-ehrt und gewürdigt. Neben der Amtsleitung in Wiesba-den und der Lehrtätigkeit in Mainz ist Dieter Bohr nochVorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstücks-werte in Wiesbaden, Mitglied im Oberprüfungsrat fürden höheren vermessungstechnischen Dienst in Frankfurtsowie Vorsitzender des Deutschen Vereins für Vermes-sungswesen.Dieter Bohr, der seit der VHL–Gründung diesem ange-hört, wurde 1948 als ältestes von 2 Kindern der EheleuteWilli Bohr und Clementine geb. Nobel in Lisdorf gebo-ren. Nach dem Abitur in Saarlouis studierte er Geodä-sie an der Universität Bonn und schloss mit der Promo-tion zum Dr. Ing. ab. Es folgten 2 Jahre Referendariat imSaarland und das 2. Staatsexamen. Anschließend war erzunächst Leiter des städtischen Vermessungsamtes inVölklingen und dann in Saarlouis, bis er im Jahre 2000zum Leiter des Vermessungsamtes bei der Stadt Wiesba-den avancierte. 2006 ist ihm dort auch die Leitung desTiefbauamtes übertragen worden.Dieter Bohr ist seit vielen Jahren mit einer Winzerstochteraus Nittel/ Mosel verheiratet mit der er inzwischen 3 er-wachsene Kinder hat. Das Jüngste, Tochter Katharina,schloss dieses Jahr ihre Schulzeit mit einem Einser–Ab-itur am RSG in Saarlouis ab, wo die Mutter seit vielenJahren die Fächer Mathematik und Geographie lehrt.Seinen Hauptwohnsitz hat Dieter Bohr auch nach sei-nem beruflichen Wechsel nach Wiesbaden vor 10 Jah-ren in seiner Heimat behalten. Heimatkundler sind ebenheimatverbunden!Wir gratulieren Dr. Dieter Bohr sehr herzlich zu seinerehrenvollen Ernennung zum Professor und wünschenihm weiterhin viel Erfolg. (hg)

Dr. Ing. Dieter Bohr

Diplom–Kaufmann Dr. SteffenFreichel aus Lisdorf, der als 19jähriger dem Heimatkundever-ein Lisdorf beigetreten ist, hat inaußergewöhnlich kurzer Zeitsowohl seine Schulzeit bis zumAbitur als auch sein Universi-tätsstudium mit dem Diplomund anschließender Doktorar-beit sehr erfolgreich abge-schlossen. Steffen wurde imJahre 1980 als jüngster von 3

Söhnen der Eheleute Ludwig und Doris Freichel gebo-ren. Ludwig Freichel führte bis zu seinem Tode im Jah-re 2007 im Alter von 70 Jahren in Lisdorf eine Schrei-nerei und eine Bestattungsfirma, die jetzt von seinerEhefrau Doris fortgeführt wird. Er war Mitbegründer desVHL und bis zu seinem allzu frühen Tode aktives Vor-standsmitglied. Deshalb war es nicht verwunderlich,dass sein Sohn Steffen bereits als junger Student denWeg zum VHL gefunden hat.Im Alter von 18 Jahren machte Steffen bereits sein Ab-itur am Max–Plank–Gymnasium in Saarlouis. Anschlie-ßend studierte er an der Universität des Saarlandes Be-triebswirtschaft und schloss dieses im Alter von 23 Jah-ren mit einer Diplomarbeit zum Stadtmarketing sehr er-folgreich ab. Unmittelbar danach zog es ihn zu einer Fir-ma nach Düsseldorf, wo er knapp ein Jahr im BereichManagement tätig war. 2005 wechselte Steffen als wis-senschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an den Lehr-stuhl für Marketing und Innovation der Universität Trier,wo er 2008 im Alter von 28 Jahren zum Doktor derWirtschafts– und Sozialwissenschaften (Dr.rer.pol.) pro-movierte. Seit Herbst 2008 ist Dr. Steffen Freichel beider Villeroy und Boch AG in Mettlach im Bereich Pro-duktmanagement tätig.Neben dem VHL gehört Steffen auch dem SC Saar-gold Lisdorf an und ist ein begeisterter Anhänger derHandballer.Wir gratulieren Diplom–Kaufmann Dr. Steffen Freichelsehr herzlich zu seinem bisherigen Werdegang und wün-schen ihm weiterhin viel Erfolg sowie Spaß, Freude undErfüllung im Beruf. (hg)

Dr. Steffen Freichel

Zitat zur Sache:

„Zum Erfolg gibt es keinen Lift.Man muss die Treppe benützen.“

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Mitte 2009 hat uns Helmut Schmidt aus Berus,Heimatforscher, Militärhistoriker und Privat–Ar-chivar mit Schwerpunkt 2. Weltkrieg interessan-te amerikanische Unterlagen über die letzenKriegstage in Lisdorf zur Verfügung gestellt.

Bereits bei unseren mehrjährigen Recherchen fürdas von uns im Jahre 2002 herausgegebeneBuch über die Endzeit des 2. Weltkrieges in Lis-dorf in den Jahren 1944/45 unter dem Titel:„Letzte Zufluchtsstätte – der Felsenstollen Rosen-thal“ bekamen wir von ihm Informationen undbegehrte, seltene Fotoaufnahmen.

Helmut Schmidt, Jahrgang 1935, hat den 2.Weltkrieg als Kind in Hülzweiler erlebt und erlit-ten. Nach Schulzeit, Dienst bei der Bundeswehrund danach bei der Kreissparkasse Saarlouissowie aktiver Zeit als Handballer in Fraulautern,Tennissportler und Aktiver in weiteren Sportartenwidmete er sich mit großer Akribie einem weite-ren Hobby: der Heimat- und Kriegsforschungmit Aufbau eines entsprechenden Archivs.

Als Helmut Schmidt erfuhr, dass das LisdorferHeimatblatt nach längerer Pause wieder heraus-gegeben werden soll, forschte er in seinem um-fangreichen Kriegsarchiv und wurde fündig. Erstellte uns mehrere, im Dezember 1944 von US-Kriegsberichterstattern für US-Zeitungen verfassteBerichte über das Kriegsgeschehen in Lisdorf zurVerfügung. Die betreffenden Berichte wurden inder US-Zeitung „The Philadelphia Inquirer“ ver-öffentlicht. Die Tochter von Helmut Schmidt be-sorgte für uns die Übersetzung ins Deutsche.

Im September 2009 informierte mich HelmutSchmidt, dass er sich zu einer Untersuchung indie Uni–Klinik nach Homburg begeben müsse.Gleichwohl war er aber zuversichtlich und woll-te sich nach seiner Genesung noch stärker für dieHeimatforschung engagieren. Mit Bestürzungmussten wir kurze Zeit danach zur Kenntnis neh-men, dass unser Freund Helmut Schmidt am 7.Oktober seinem Leiden erlegen ist.

Die Redaktion des Lisdorfer Heimatblattes hatsich entschlossen, einige dieser Berichte überdie wohl schlimmste Zeit in unserer Geschich-

te als Ergänzung zu unserem obenerwähntenStollenbuch in dieser und in einer der nächstenAusgaben abzudrucken. Damit wollen wir auchdazu beitragen, die schrecklichen Ereignissedes 2. Weltkrieges in unserer Heimat nicht inVergessenheit geraten zu lassen.

Der nachfolgende Artikel des Kriegsberichterstat-ters Ivan H. (Cv) Petermann – Inquirer War Cor-respondent – unter der englischen Überschrift:

Third Army HeadacheU.S. Aids German RefugeesCowering in Mine Tunnels

(Aus „The Philadelphia Inquirer“, Dez. 1944)

berichtet über die Entdeckung des mit etwa1000 Menschen total überfüllten Felsenstollensim Rosenthal in Lisdorf am 3./4. Dezember1944 durch die zum Westwall auf der rechtenSaarseite vorrückenden US-Soldaten, insbeson-dere durch Captain Reilly von der AMG-Kom-panie der 95. US-Division unter dem Befehl vonGeneral H. Twaddle.

Captain John A. Reilly war nach der Einnahmedes Stollens bis zu dessen Räumung Mitte Janu-ar 1945 der verantwortliche US–Offizier (Stol-len–Kommandant). Er stammte aus Phoenix imUS-Bundesstaat Arizona. In seinem Zivilberuf warer Kaufmann in der Werbebranche und Mitinha-ber eines auf Zisternenbau spezialisierten Fam-ilienunternehmens. Seine Frau war Major in ei-nem weiblichen Hilfskorps und Ende 1944 in Er-füllung ihrer Pflicht bereits gefallen. Sein einzigerSohn, ebenfalls beim Militär, kämpfte zu dieserZeit in einer Panzerjägereinheit an der Westfront.

„Am 4. Dezember, als die Amerikaner die Hun-nen aus Saarlautern vertrieben, entdeckte Cap-tain Reilly 1.000 verzweifelte Menschen in einembergseitigen Bunker, der für die Aufnahme von600 Personen ausgelegt ist.

Nun ist es nichts Neues oder besonders herzzer-reißend, dass sich unsere zivilen Feinde selbst indieser beklagenswerten Lage befinden, stürzensie doch die anderen Europäer alle 25 Jahre indie gleiche Situation. Aber es war lange bevor

1.000 Kreaturen in unterirdischem Verlies entdeckt !

Heiner GroßU.S. Captain John A. Reilly vor 65 Jahren:

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Captain Reilly und seine AMG-Kameraden Ma-jor TV. Holland aus Kansas City und die CaptainsC. E. Mc Daniel aus Eastman, Ga. James D.Stephens aus Lexington, Ky. und John D. Allen ausPittston, Pa. diese Ausgestoßenen aus Saarlauternund Umgebung entdeckten, und es war nicht nureine Gefahr für sie selbst.

Sie lebten chaotisch in diesem unterirdischen Ver-lies, bar jeder körperlichen Notwendigkeiten, undletztendlich fanden zwei Geburten statt, davonein Kaiserschnitt; und wenn Leute dort starben,war kein Geistlicher da, um sie zu beerdigen.

Das Schlimmste von allem: es brachen anstecken-de Krankheiten aus. Vier hatten Diphterie, vierhatten Scharlach und einer Wundrose, stellteCaptain Reilly fest.

Ein deutscher Arzt, dessen Frau glücklicherweiseebenfalls Medizinerin war, kam zur Entbindungeines Kindes, blieb jedoch da, als die Deutschendas Gebiet unter Beschuss zu nehmen begannen.Sie ist noch hier und tut, was sie kann. Aber alswir versuchten, die Patienten in ein nahegelege-nes Haus zu bringen, schlug eine feindiche Gra-nate ein, welche zwei Frauen und einen Manntötete und sechs weitere Personen verletzte. DieRestlichen rannten schreiend in den Stollen zurückund weigerten sich, ihn wieder zu verlassen.

Dort sind sie heute, tausend hilflose Männer, Frau-en und Kinder, darunter Polen, Russen und Franzo-sen – ohne Betten, angemessene Verpflegung, ge-sundheitliche Betreuung oder viel Hoffnung. Ihreeinzige Hoffnung ist die AMG (American MilitaryGovernment) in Person von Captain Reilly.

Innerhalb einer Woche hat er eine Küche in ei-nem benachbarten Haus eingerichtet, organisier-te Melker und Schlachter, um Milch und frischesFleisch von Viehherden in der Nähe zu beschaf-fen. Auf angrenzenden Feldern wurde eilig nachGemüse gesucht.

Acht Nonnen, die als Krankenpflegerinnen arbei-teten, halfen bei der schnellen Erledigung vonCaptain Reillys Anordnungen. Unnötiges Gepäckwurde hinaussgeschafft und einige sanitäre Ein-richtungen installiert. Er besorgte frisches Wasserund Beleuchtung in der übelriechenden Luft derholzgezimmerten Zufluchtsstätte.

Wiederholte Feuerüberfälle deutscher Artillerie,den Bunker direkt zu treffen, misslangen, als der

Feind versuchte, die Amerikaner zu beschießen.Während sich im Stollen Schrecken verbreitete,befanden sich Captain Reilly und seine Helferaußerhalb des Stollens, um das Nötigste zu be-schaffen für Leute, die 1935 in ihrer Dummheit dieNazis an die Macht gewählt haben. Allmählichwurden Ruhe und Ordnung wiederhergestellt.

Wir sind nicht sentimental, erklärt Captain Reilly.Sie können sagen, dass die AMG-Gruppe der95. Division realistisch bis in die letzte Kleinigkeitist. Wir sind nicht hier als Kumpel, aber ebensowenig als Unterdrücker. Sie werden sicher sein,wenn sie sich entsprechend benehmen. Es sindarme Bürger und Landwirte mit einem Viehbe-stand, welcher Pflege erfordert. Wir besorgenWachen und alle Dienstleistungen, die notwendigsind, solange bis wir die ganze Sippschaft eva-kuieren können. Dann können wir uns möglicher-weise die Lage in diesem Tunnel ansehen undmit einer weiteren Schweinerei fertig werden.

Es ist erfrischend, einen Mann wie Captain Reillyzu hören, da er letzlich den sensiblen Amerikanerzeigt, welcher der siedenden, hilflosen, hoff-nungslosen Aufregung, die Hitler hinterlässt, nä-her gekommen ist.“

Als dieser Artikel geschrieben wurde, war der 2.Weltkrieg noch in vollem Gange. Jeden Tag star-ben junge amerikanische Soldaten und vieledeutsche Soldaten, die an diesem mörderischenKrieg völlig schuldlos waren.

Anlässlich des kürzlichen Besuches des US-Präsi-denten Barack Obama im ehemaligen NS-Kon-zentrationslager Buchenwald bei Weimar in Thü-ringen sprach unsere Bundeskanzlerin AngelaMerkel angesichts der Greuel, die die Nazis wäh-rend der NS–Zeit von 1933 bis 1945 in Deutsch-land und in Gesamt–Europa angerichtet hatten,von einem Zvilisationsbruch in der großendeutschen Geschichte.

In unserem Stollenbuch ist das schreckliche Ge-schehen, das der US–Kriegsberichterstatter teil-weise nur andeutet, eingehender beschrieben.Das Buch, das überraschenderweise weit überLisdorf hinaus auf großes Interesse gestoßen ist,ist fast ausverkauft, so dass über eine zweite er-weiterte Auflage nachgedacht wird.

Die restlichen Exemplare sind erhältlich beim Ver-ein für Heimatkunde Lisdorf e.V. (Tel. 06831 /41694) zum Preis von 19,80 Euro.

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Von unserem am 7. Oktober 2009 leider viel zufrüh verstorbenen Freund Helmut Schmidt ausBerus wurde uns ein Bericht des US-SoldatenHerbert L. Becker (dem Namen nach wohl eindeutschstämmiger Amerikaner), Angehöriger ei-nes A- u. P-Zuges einer US-Stabskompanie (2.US-Bat, 379. US-Inf. Reg, 95. US-Inf. Div.), übernächtliche Bootsfahrten von Lisdorf aus über dieHochwasser führende Saar zur Versorgung derum und in Ensdorf kämpfenden US-Einheitengeliefert. Dabei starben sowohl mehrere jungeAmerikaner (u.a. ertranken dabei drei Kamera-den des Berichtverfassers H. L. Becker) als auchmehrere Deutsche kurz vor Weihnachten einensinnlosen, grässlichen Tod.

Der US-Soldat schreibt:

Während der Schlacht um Ensdorf hatten wir denAuftrag, jede Nacht die Saar zu überqueren, umvon Lisdorf aus Nachschub zu den Schützen-kompanien in Ensdorf zu bringen. Dieses Gebietwar beständigem Artilleriefeuer und Mörserfeuervon den Anhöhen um Ensdorf ausgesetzt, die ei-nen vollen Überblick über das Gebiet der Saarund ebenso über Lisdorf hatten.

An dem einen Tag starteten sieben von uns in ei-nem mit Nachschub voll geladenen Ruderbootüber den Fluß. Der Fluß war besonders hoch undschnell, da die Deutschen die Schleusentore ge-öffnet hatten. Die Strömung trieb unser Boot ineinen Spanndraht, der sich in einem spitzen Win-kel zu der extrem engen Fußbrücke erstreckte, dieden Fluß kreuzte. Der plötzliche unerwartete Zu-sammenprall warf uns alle in den kalten Fluß,und das Boot verschwand direkt unter uns. DerSpanndraht traf mich in der Mitte meines Kör-pers, und ich floh einfach hinaus und in das kalteWasser hinein. Sam Jones und John McMahonschafften es zur Fußbrücke, als ich gegen dieBrücke getrieben wurde. Mein Körper schlug ge-gen die Brücke, und es gab eine geringfügigeVerzögerung, die wie eine Ewigkeit erschien, bisich den Rand der Brücke erreichte. Sam Jonesversuchte, meinen Weg aufzuhalten und bot sichan, mich festzuhalten. Sie versuchten, mich hochauf die Fußbrücke zu ziehen, aber die Strömung

Der Kampf um den Westwall im Raum Lisdorf / Ensdorf

im Winter 1944– Die Saar wurde ihnen zum Verhängnis –

(Mit Einleitung von Heiner Groß)

war zu schnell, und mein Körper wurde unter dieFußbrücke gerissen. Als ich unter die Brücke ge-trieben wurde, begann ich auf der Seite flußab-wärts der Brücke aufzutauchen, wo sie mich pack-ten und auf die Brücke ziehen konnten. Zu dieserZeit war ich von der Taille abwärts erstarrt vondem äußerst kalten Wasser. und ich mußte die-se Fußbrücke hinunterkriechen, da ich meinemGang nicht traute. Drei unserer Kameraden, diebei diesem Bootsunglück starben, waren CharlesCopley, Richard Yelley und Sam Elliott.

Dann kamen Befehle herunter, aus Ensdorf abzu-ziehen, weil unserer Division andere Aufgaben(Schlacht von Bulge, Ardennenoffensive) zugeteiltworden waren.

Wir hatten damals unseren Nachschub auf ge-baut und in einem eroberten deutschen Bunkergelagert. Am Abend wurden wir hinausbeordert;wir hatten Befehl, alles zu zerstören, was wir nichtüber den Fluß zurückbringen konnten.

Ich erinnere mich, durch ein Minenfeld gegangenzu sein, als wir sehr genau den Fußstapfen desRichtungsmannes folgten. Es lagen ungefähracht Zoll Schnee auf dem Boden, was uns half,auf dem Weg zu bleiben. Ich trug zwei TaschenSatz-C-Ladungen, die jede um die achtzehnPfund wogen, zum Bunker. Es war Winter, aberder Schweiß tropfte nur so unter meinem Helmhervor. Nachdem die Ladungen gesetzt und dieZeitzündung angebracht worden waren, kamenwir über das Flußwegstück zurück, so daß wirnicht in die Explosion gerieten.

Am nächsten Tag erzählte uns ein GI von derSchützenkompanie, die geschickt wurde, um denSchaden zu begutachten, daß sie zwei tote Fein-de fanden. Sie meinten, daß die deutschen Sol-daten oben auf dem Bunker gewesen sein muß-ten, als die Ladungen gezündet wurden und vonder Erschütterung der Explosion getötet wurden.Ich wußte, wir waren leise, aber das gab uns einunheimliches Gefühl.

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Aus dem Archiv unseres VHL – Vorstandsmitglieds

Günter Mang

Am 2. Dezember 1933 berichtete die Saar–Zei-tung über eine Gemeinderatssitzung am 29. No-vember 1933 in Lisdorf wie folgt:

In der letzten Gemeinderatssitzung wurden fol-gende Tagesordnung erledigt:1. An Stelle des ausgeschiedenen Bürgermei-sterei– und Gemeindesratsmitgliedes StaatsratSpaniol wurde Michel Becker–Schmitt Holz-mühle als Bürgermeisterei– und Gemeinde-sratsmitglied verpflichtet.2. Die laut Beschluss vom 16. Juni 1933 zu be-schaffende Motorspritze für die Feuerwehr solldemnächst beschafft werden; falls der Kreis ei-nen Zuschuss ablehnt, soll dieser Punkt erneutbeschlossen werden. (Der Kreis gewährte einenZuschuss)3. Die Übernahme der Installationskosten derAnschlüsse für die elektrischen Kochöfen auf dieGemeinde wurde abgelehnt.4. Bzgl. der Beitreibung der rückständigen Mie-ten für die Wohnungen im Gemeinde–Siedlungs-haus sollen gegen die Säumigen schärfere Maß-nahmen ergriffen werden.5. Die Armenkommission wurde in eine Armen-deputation umgewandelt und ihr endgültigeBeschlussfassung in Armensachen zuerkannt.

Anmerkungen: Lisdorf war damals noch eineeigenständige Gemeinde und bildete mit Ens-dorf einen Amtsbezirk (Bürgermeisterei). Sitz derBürgermeisterei war in der Provinzialstraße inLisdorf. Amtsbürgermeister war Max Ruff (1920–1933), der nach der Abberufung und Auswei-sung des Lisdorfer Bürgermeisters Friedrich John(1897–1919) aus dem Saargebiet durch diefranzösische Militärbehörden im Jahre 1919dessen Stelle übernahm. Bürgermeister Ruff ver-starb am 17. Dezember 1933. Nach einer län-geren Vakanz wurde VerwaltungsoberinspektorHeinrich Zell am 2. Juli 1935 zunächst vorläu-fig und am 25. November 1935 zum Amtsbür-germeister des Amtes Lisdorf/Ensdorf berufen.In der Zwischenzeit fand am 13. Januar 1935die Volksabstimmung im Saargebiet statt. Beieiner Wahlbeteiligung vom 98,7 % in derVerwaltungseinheit Lisdorf/Ensdorf votierten90,0 % für die Rückkehr ins Deutsche Reich.

Kurz nach der Berufung von Heinrich Zell zumAmtsbürgermeister von Lisdorf/Ensdorf wurdedie bis dahin selbständige Gemeinde Lisdorf mitWirkung ab 1. April 1936 mit Fraulautern, Picardund Schönbruch (Beaumarais) und der StadtSaarlouis einschließlich Roden zur neuen StadtSaarlautern vereinigt.

Die Gemeinde Ensdorf wurde mit der GemeindeHülzweiler zur Amtsbürgermeisterei Ensdorf mitAmtsbürgermeister Heinrich Zell vereinigt, wobeikurioserweise der Amtssitz bis zur Fertigstellungdes Bürgermeisteramtes Ensdorf zunächst nochin Lisdorf verblieb.

Bis zur Auflösung der Amtsbürgermeisterei Lisdorfam 31. März 1936 existierte im Amtsbezirk einehrenamtlicher Amtsrat (Amtsälteste oder Bürger-meisterei–Mitglieder genannt) und sowohl in Lis-dorf als auch in Ensdorf jeweils ein Gemeinderat.

Der im vorstehenden Zeitungsartikel genannteStaatsrat Spaniol aus Lisdorf war sowohl Mit-glied im Amtsrat als auch im Gemeinderat Lis-dorf, für den Michel Becker–Schmitt von der Holz-mühle in beide Gremien nachgerückt ist.

Der Lisdorfer Lehrersohn Alois Spaniol (*1904)war eine regionale NS–Größe. 1931/32NSDAP–Ortsgruppenleiter in Saarlouis, 1932/33 Kreisleiter in Saarlouis/Merzig, 1933/34Landesleiter im Saargebiet, 1934/35 Saarre-ferent im Reichswirtschaftsministerium in Berlinund dann ab 1. April 1935 bis Kriegsende Bür-germeister in Andernach/Rhein. Nach Kriegsen-de war er langere Zeit interniert und danach mitWohnsitz in Ettlingen als Kaufmann tätig. Im Ja-nuar 1959 ist er an den Folgen einer Kriegsver-letzung im Alter von 55 Jahren verstorben.

In der Nachkriegszeit ist ihm in Andernach mehr-fach bestätigt worden, dass er an strafbarenHandlungen während seiner Amtszeit nicht betei-ligt war. Seine Biographie ist im Buch der StadtAndernach anläßlich ihres 1000jährigen Beste-hens nachzulesen.

Heiner Groß

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Heimatkundeverein

Lisdorf ausgezeichnet

Bereits von Anfang an beteiligt sich der Verein fürHeimatkunde Lisdorf e.V. jeweils mit 8 bis 10 Per-sonen an dem jährlichen landesweiten Frühjahrs-putz unter dem Motto: „Saarland – picobello“oder bisher in der Stadt Saarlouis „Saarlouis –wir räumen auf“.

So auch am diesjährigen Picobello–Tag amSamstag, 7. März mit einer Rekordbeteiligungvon 14 Teilnehmern. Stadtweit waren etwa 340Helferinnen und Helfer im Einsatz; landesweitetwa 20.000.

Aufgrund des überragenden ehrenamtlichenEngagement bei dieser Aktion führte das Mini-sterium für Umwelt am 5. Mai 2009 in derIllipse in Illingen ein Prämierungsfest „Saarlandpicobello 2009“ durch, bei dem der Heimat-kundeverein Lisdorf für sein beispielhaftes jah-relanges Engagement für Natur und Landschaftvom Minister für Umwelt, Stefan Mörsdorf, aus-gezeichnet wurde. (hg)

Kuriositäten aus

alter Zeit:Die Hochzeitstränen von Lisdorf

Im Archiv unseres Lisdorfer HeimatforschersGünter Mang sind wir auf einen Artikel gestoßen,der gegen 1930 in der damaligen Saar–Zeitungunter obiger Überschrift veröffentlicht war. Er be-handelt zur „Ergetzlichkeit“ des Lesers seltsameSitten unserer Vorfahren, die noch bis etwa 1820in unserem Raum allgemein üblich waren. Sodie nachfolgende kuriose Geschichte über „DieHochzeitstränen von Lisdorf“, die wir hier unver-ändert abdrucken.

In Lisdorf bestand zu Anfang des vorigen Jahr-hunderts eine höchst sonderbare Hochzeitssitte,die uns von dem ehemaligen Lisdorfer PastorHansen überliefert worden ist. Vor dem Kirch-gang hatten Braut und Bräutigam zum Empfangdes väterlichen Segens vor dem Brautvater nie-derzuknien. Laut Vorschrift mussten die Brautleutewährend dieser Zeremonie weinen. Nun ist abereine Hochzeit schließlich keine Trauerfeier, sodass es verständlich ist, dass die jungen Leut-chen es oft abscheulich fanden, Tränen zu ver-gießen. Wenn aber die freiwilligen Tränen aus-blieben, hatte der Vater das Recht und die Pflicht,beiden eine derartige handfeste Ohrfeige zu ver-passen, dass ihnen die Augen von selbst zu Was-ser wurden. Eine Prozudur, die wohl, wollte sieheute jemand ausprobieren zur schönstenFamilienklopperei führen könnte. W .M.

Herzlich willkommen!

Der Verein für Heimatkunde Lisdorf e.V. be-grüßt als neue Mitglieder:

Regina Leonhard Fremersdorf

Marlene Neumann Johannesberg

Maria Focht–Schommer Ensdorf

Astrid Hewener Bous

Silvia Katharina Morguet Lisdorf

Dr. Matthias Daub Lisdorf

Lena – Christine Groß Lisdorf

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Agnes Groß

Der 15. August, Mariä Himmelfahrt, wurde frü-her in den katholischen Gegenden sehr festlichbegangen.Der August war der Monat, in dem es auf allen

Bauernhöfen imDorf so viel Arbeitgab, dass nebendem Sonntag, derstreng eingehaltenwurde, keine Zeitzum Ausruhenblieb. Es war nichtdaran zu denken,die Hände in denSchoß zu legen undnichts zu arbeiten.Der 15. Augustaber war ein Ruhe-tag, den sich die

Menschen auch in den unruhigsten Jahren nichtnehmen ließen. Es war ein hoher kirchlicher Fei-ertag, der der Muttergottes (Blume des Feldes)geweiht war und unbedingt eingehalten werdenmusste. Die Gläubigen brachten und bringenauch heute noch in manchen Orten einen würzi-gen Kräuterstrauß, den Kräuterwesch, mit in dieMesse, um ihn segnen zu lassen. Der Kräu-terwesch symbolisiert einerseits die Frucht derFeldarbeit, die der heiligen Maria als Opfer dar-gebracht wird, andererseits bezieht er sich aufÜberlieferungen, die den Schlaf der Jungfrau be-schreiben. Als man das Grab öffnete, in dem derLeib Marias beigesetzt war, fand man es leer. Le-diglich Blumen und Pflanzen waren dort zurück-geblieben, die einen lieblichen Duft verströmten.Es gibt keine feste Regel, die bestimmt, welchePflanzen in den Kräuterwesch müssen aber vieleunterschiedliche Traditionen. In den Wesch ge-hören aber mindestens 7 Kräuter und anderswosogar bis zu 77 Kräuter. Die Mitte kann eine Kö-nigskerze bilden, um die herum man folgendeWild– und Heilkräuter binden kann: Johan-niskraut, Rainfarn, Schafgarbe, Spitzwegerich,Beifuß, Wegwarte, Frauenmantel, Taubnessel,Malve, Hirtentäschel, Bibernelle, Huflattich,Brennnessel, Zinnkraut, Ringelblume, Dost, Ka-mille, Labkraut Sauerampfer.Aus dem Garten können Würzkräuter dazu: Sal-bei, Rosmarin, Liebstöckel, Borretsch, Estragon,Bohnenkraut, Thymian, Wermut, Pfefferminze,Lavendel, Melisse und weitere.

Ein alter Brauch:

Mariä Himmelfahrt und der KräuterweschDie Nahrungsmittel können vertreten sein durchGetreidehalme, Möhren und Kohlblätter.Dazu kommen noch Garten- und Wiesenblumen.Also eine große Vielfalt von unterschiedlichenPflanzen und Gewächsen.Aus meiner Kindheit und Jugendzeit habe ich inErinnerung, dass es für meine Großmutter eineEhre war – noch bis ins hohe Alter hinein – die-sen Kräuterwesch zu binden. Sie nahm sich dazuviel Zeit. Jedes Kraut und jede Pflanze hatte beiihr eine Bedeutung. Zum Schluss kam immernoch eine große Zwiebel hinzu, die ich nicht sosehr mochte.„Den Strauß loo hollschd de moa met en deKirch“, so übergab sie mir am Vorabend vomHimmelfahrtstag den Kräuterwesch. Meine Groß-mutter konnte schon längst nicht mehr selbst zurKirche gehen.

Die Zwiebel wurdespäter im Stall aufge-hängt, um das Viehvor Maul- und Klau-enseuche und ande-ren Tierkrankheiten zuschützen.Der Kräuterwesch wur-de während des Jah-res im Herrgottswin-kel, der früher in kei-nem Haus fehlte, ehr-furchtsvoll aufbe-wahrt. Früher legteman den Kräuter-wesch auch wie einDuftkissen in den Sargunter den Kopf der

Verstorbenen. Bei schweren Gewittern wurden diegesegneten Kräuter im Ofen verbrannt, um GottesHilfe zu erbitten und Gefahr von Haus und Hofabzuwenden. Dem erkrankten Vieh mischte mandie Kräuter unter das Futter.Der Brauch des Kräuterweschs, der seit Jahrhunder-ten überliefert ist, ist bis heute in Lisdorf und in vie-len anderen Orten unserer Saarheimat lebendig.

Lisdorfer Geschwisterpaar mitKräuterweschen am Fest MariäHimmelfahrt 2009

Ausschnitt aus Gebet zur KräutersegnungHerr, unser Gott, du hast Maria über alle Geschöpfeerhoben und sie in den Himmel aufgenommen.An ihrem Fest danken wir dir für alle Wunder deinerSchöpfung. Durch die Heilkräuter und Blumenschenkst du uns Gesundheit und Freude.Segne diese Kräuter und Blumen. Sie erinnern uns andeine Herrlichkeit und an den Reichtum deines Lebens.

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8. Lisdorfer Grünkohlessen wieder ein voller Erfolg!Am 30. November 2009 fand zum 8. Male in der Be-triebshalle der Lisdorfer Frischgemüse GmbH (LFG)das große Grünkohlessen statt. Diese vom Verein fürHeimatkunde Lisdorf e.V. (VHL) zur Wiederbelebungfrüheren Lisdorfer Brauchtums angeregete Veranstal-tung hat sich zu einem „Renner“ entwickelt.

Die Veranstalter: die LFG, der VHL und die Landwirt-schaftskammer des Saarlandes (LWK) sowie dasFeldküchenteam des DRK Felsberg–Berus, die vonAnfang an dabei sind und ohne die das Ganze nichtmöglich wäre, freuen sich über den immensen Zu-spruch. Dieses Jahr sind mehr als 450 Teilnehmergezählt worden, darunter viel Prominenz aus Politik,

Verwaltung, Wirtschaft, Banken und Verbänden,die von LFG–Geschäftsführer Klemens Morguet alsHausherr der Veranstaltungshalle bei weitem nichtalle namentlich begrüßt werden konnten. Zu er-wähnen sind hier: Landtagsvizepräsident Karl–Jo-sef Jochem, Staatssekretär Georg Jungmann, dieLandtagsabgeordneten Günter Heinrich (CDU),Hubert Ulrich (Grüne), Christopf Kühn (FDP), undDr. Jung von der SPD–Fraktion; Dr. Arnold Ludesals Vertreter des Umweltministeriums, LandrätinMonika Bachmann, Oberbürgermeister RolandHenz, Bürgermeister Klaus Pecina, die Pastöre RalfHierbert und Simon Huyn mit Kaplan M. Scheer.

Frauen des Heimatkundevereins undder LFG bereiten den Grünkohl be-reits samstags für das große Essenmontags vor. Dabei sind 18–20 Frau-en über mehrere Stunden im Einsatz.

Vor dem Kochen wird der Grünkohlmehrfach in großen Behältnissengründlichst gewaschen.

Einige Damen vom Frauenteam nachgetaner Arbeit bei richtig guter Launeund einem offenbar gut mundendenSchnaps.

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Einige Damen des Frauenteams kurzvor der Ausgabe des vom Feldküchen-teams der DRK gekochten Grünkohls.

Einige Damen des Frauenteams in freu-diger Erwartung des Sturms auf denköstlichen Mous.

LFG–Geschäftsführer Kle-mens Morguet begrüßte alsHausherr die zahlreichen Gä-ste. Herbert Germann betätig-te sich als Technik–Manager.

Einige Mitarbeiter des DRK Feldküchen-teams beim zerteilen des Fleisches.

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VHL–Vorsitzender Heiner Groß begrüß-te die vom Bundeskanzleramt in Berlinund die aus England angereisten Gästeund dankte den etwa 50 Helferinnen undHelfern.

Maria Scholly reicht OB RolandHenz, BM Klaus Pecina und Staats-sekretär Georg Jungmann schöngefüllte Teller.

Architekt Walter Gill (2.v.r.) ge-wann bei dem von FachberaterinBarbara Müller–Schäfer von derLWK (rechts) ausgearbeitetenGrünkohl–Quiz einen von dreischönen Gemüse–Präsentkörben.Weiter im Bild: Klemens Morguet,Heiner Groß und Frank Klein mitTochter.

Ein weiteren Präsentkorb gewannHauptamtsleiter Armin Thirion von derStadtverwaltung Saarlouis, den seineRathaus–Kollegen Jürgen Baus undGünter Melchior in Empfang nahmen.V.r.n.l.: Klemens Morguet, Jürgen Baus,Günter Melchior, Heiner Groß, Barba-ra Müller–Schäfer.

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Anlässlich des Weltjugendtages 2005 waren jun-ge Katholiken aus Taiwan zu Gast bei Familienin Lisdorf.

Schon damals hatten sich schnell enge Bindun-gen entwickelt. Über die letzten vier Jahre riss derKontakt vieler Gasteltern zu ihren TaiwanesischenGästen nicht ab.

So wurde 2007 eine Gruppe unter der Leitungvon Bernd Hawner zum Gegenbesuch bei ihrenGastkindern nach Taiwan eingeladen. DiesesJahr nun luden einige der Gastgeber von 2005„ihre“ Kinder erneut nach Deutschland ein. DieFamilien Breininger, Flasche, Hawner und Jacobhatten im August und im Oktober diesen Jahresinsgesamt sieben Taiwanesen für 5 Wochen zuGast. Neben dem Besuch vieler Ziele im Saar-land, zeigten sie ihren Gästen Berlin, Paris undHeidelberg. Auf Einladung des Abgeordneten

Weltjugendtagsgäste wieder in Lisdorf

Peter Altmaier, MdB, konnte unter anderem derReichstag besichtigt werden.

Besonders begeistert waren die Taiwanesen vonzwei Besuchen bei Heimspielen der HGS und ei-nem Ausflug zur Indoor-Ski-Halle in Amnéville,wo einige von ihnen zum allerersten Mal in Kon-takt mit Schnee kamen.

Dazu Tim Flasche: „Unsere Bindungen sind sehreng geworden. Wir stehen in häufigem Kontaktper E-mail, Brief oder Telefon. Sie nennen unsMama oder Papa; ich glaube, in vielen richtigenFamilien ist der Kontakt nicht intensiver.“

Damit der Kontakt auch funktioniert, haben sichalle Seiten in den vergangenen Jahren bemüht,ihr Englisch zu verbessern oder gar Chinesisch zulernen. Insbesondere Bernd Hawner beherrschtdie chinesische Sprache mittlerweile fließend.

Freundschaft über die Kontinente hinaus: Taiwanesische Gäste mit Tim Flasche, Bernd Hawner und Jürgen Jacob (vonrechts). Rechts im Bild Bürgermeister Klaus Pecina, der die Gäste im historischen Gobelinsaal des Rathauses begrüßte.

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Lisdorfer Gastgeber Daniela und Tim Flasche, Christineund Bernd Hawner, Jürgen Jacob mit taiwanesischen Gä-sten am Schloß Versailles.

Bernd Hawner, Chen Hui–Ping, Tim Flasche, Zeng Shu–Hueiund Daniela Flasche im Reichstagsgebäude in Berlin.

Nach einem Heimspiel der HGS freu-en sich einige hübsche Taiwanesinnenmit Daniel Altmeyer über den Sieg.

Chen Hui–Ping mit ihrer „Schwester“ Danie-la Flasche in Paris.

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Saarländer sind deutsche Dialekt-Meister

Nirgendwo sonst in Deutschland wird so viel Mundart gesprochenwie an der Saar

Mit 94 Prozent Dialektsprechern hält dasSaarland einen bundesweiten Rekord. Dashat eine Untersuchung der UniversitätMannheim ergeben. Die Wissenschaftlerfragten in einer bundesweiten Untersuchung2000 Menschen nach ihrer Einstellung zurdeutschen Sprache.

Mannheim. Die große Mehrheit der Deutschenliebt die deutsche Sprache und ist stolz auf sie.Das ist das Ergebnis einer deutschlandweiten, re-präsentativen Studie des Mannheimer Instituts fürDeutsche Sprache (IDS) und des Lehrstuhls So-zialpsychologie der Mannheimer Uni. DieSprachforscher haben dazu über 2000 Men-schen mehrerer Nationalitäten in Telefoninter-views nach ihrer Einstellung zur deutschen Spra-che befragt.

Schön, logisch, schwierig

87 Prozent der Befragten hätten angegeben,dass ihnen die deutsche Sprache gut bis sehr gutgefällt. 56 Prozent erklärten, sie liebten ihreSprache und seien stolz auf sie, 47 Prozent hät-ten sie als schön,. anziehend, logisch, aber auchschwierig beschrieben.

60 Prozent aller Deutschen sprechen einen Dia-lekt. Am höchsten ist dieser Anteil im Süden undSüdwesten Deutschlands. Den Rekord hält dabeidas Saarland. 94 Prozent der befragten Saarlän-der erklärten in der Umfrage, sie sprächen Dia-lekt, in Bayern und in Baden-Württemberg habedie Quote 86 Prozent betragen, in Rheinland-Pfalz 75 Prozent. Mit 83 Prozent gehört auch derOstteil Berlins zu den Gebieten, in denen vielDialekt gesprochen wird. Das Vorurteil, Dialekteseien ein Zeichen eines niedrigen sozialen Status,habe die Studie klar widerlegt, betonen dieMannheimer Autoren. Es habe sich keinerlei Zu-sammenhang zwischen Dialektkompetenz undBildungsgrad gezeigt.

Am sympathischsten sei von allen Befragten dernorddeutsche Dialekt (24 Prozent) empfundenworden, gefolgt von Bayerisch (20) und Aleman-nisch (13). Weniger als zehn Prozent hätten er-

klärt, keinen Dialekt zu mögen. Ein Drittel derBefragten sei kein Dialekt unsympathisch gewe-sen.

Auch ausländischen Akzenten stehen die Deut-schen grundsätzlich positiv gegenüber. Fast dieHälfte aller Teilnehmer der Studie habe erklärt,dass ihnen kein Akzent unsympathisch sei. Beiden positiv beurteilten Akzenten habe der franzö-sische (36 Prozent) mit Abstand am besten ab-geschnitten, Deutsch mit italienischem Akzent seivon 21 Prozent als sympathisch bewertet worden.

Insgesamt, so Professor Dr. Dagmar Stahlberg,eine der Autorinnen, zeige sich in der Studie, fürdie telefonische Interviews mit zufällig ausge-wählten Personen geführt wurden, eine großeGelassenheit und Entspanntheit im Umgang mitder deutschen Sprache und der eigenen Natio-nalität. Das sei vor zehn Jahren noch anders ge-wesen. 1997/98 erklärten bei einer ähnlichenUmfrage zum Beispiel nur rund 13 Prozent derTeilnehmer ein großes Interesse an der Pflegeder deutschen Sprache zu haben, mittlerweileseien es 35 Prozent.

Sorge um die Zukunft

Die Mehrheit der Deutschen betrachte allerdingsdie Entwicklung der deutschen Sprache mit ge-mischten Gefühlen. 84 Prozent der Befragten sei-en in jüngster Zeit Veränderungen in der Spracheaufgefallen. Als Ursachen dieses Wandels sähendie meisten Menschen den Einfluss durch fremdeSprachen, vor allem des Englischen, die neueRechtschreibung, die Sprache der Jugend undganz allgemein mangelnde Sprachsorgfalt. DieHauptverantwortung an den Veränderungen derdeutschen Sprache werde von 37 Prozent denMedien zugeschrieben. npAbdruck aus der SZ vom 26.06.2009

Ministerpräsident Peter Müller beim Neu-jahrsempfang für die Karnevalisten am3.1.2010 in der Staatskanzlei:

„Dat loo geht nett lang gutt!“

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Nachruf

Seit der letzten Herausgabe eines Heimatblattes sind folgende Mitglieder und Freunde desVHL verstorben:

Alois Görgen Lisdorf * 1934 † 2009

Herbert Barthel Lisdorf * 1930 † 2009

Margaretha Amann – Breininger Lisdorf * 1911 † 2009

Änni Blaß – Amann Lisdorf * 1925 † 2009

Anni Groß – Rullang Lisdorf * 1934 † 2009

Alfred Klein Lisdorf * 1937 † 2009

Helmut Schmidt Hülzweiler/Berus *1935 † 2009

Friedel Breinig Lisdorf * 1922 † 2009

Wir werden sie in dankbarer Erinnerung behalten und ihnen ein ehrendes An-denken bewahren.

Verein für Heimatkunde Lisdorf e.V.

Am 11. Februar 2009ist im Alter von fast 97Jahren das Gründungs-mitglied des Vereins fürHeimatkunde Lisdorfe.V. (VHL), Herr ReinoldRupp, plötzlich verstor-ben. Er war bis kurz vorseinem Tode geistigund auch körperlichnoch sehr rege, so dasswir mit ihm hofften, sei-nen 100. Geburtstaggebührend zu feiern.Doch der Herr hat esanders gewollt und ihnin die Ewigkeit gerufen.Reinold Rupp war äu-ßerst beliebt wegen sei-

ner Freundlichkeit, seines Humors, seiner Hilfsbereitschaft und seinem Optimismus. Dem Sportverein,dem Gesangverein und zuletzt dem Heimatkundeverein war er besonders zugetan. Als Vertreter desVHL beteiligte er sich noch 2005 als damals 93–jähriger an dem Projekt „Schule–früher“ der LisdorferGrundschule und berichtete den Grundschülern, wie es vor 90 Jahren in der Schule zuging.Die Aufnahme zeigt ihn inmitten von Lisdorfer Gundschülern am 16. Juni 2005.

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Wir gratulierenunseren Mitgliedern zu ihren Geburtstagen im 2. Halbjahr 2009

70 Jahre

Rudolf Zenner FelsbergMathilde Schütz – Buchholz Lisdorf – HolzmühleGisela Metzger – Harion LisdorfJoachim Loris LisdorfWolfgang Gebler Hohenstein – Trebra/ Thüringen

75 Jahre

Hans Blasius LisdorfMartha Müller LisdorfOtwin Schmitt SaarlouisMargarethe Luxenburger – Gammel Saarlouis

80 Jahre

Irene Stark – Becker Lisdorf

85 Jahre

Erika Algier – Lonsdorfer SaarlouisIrma Theobald – Scholly SchwalbachErich Klein Lisdorf

92 Jahre

Maria Klein – Klos Lisdorf

Wir wünschen allen Jubilaren auf ihrem weiteren Lebensweg Gottes reichen Segen.