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Neue Wege in der Finanzplanung und im Haushaltsaufstellungsverfahren - Studienergebnisse und Handlungsemfpehlungen - Dr. Ole Wintermann Fachgespräch: Grüner Zukunftshaushalt – Modernisierung des Haushaltsrechts Berlin, den 21. Mai 2007

Haushaltsaufstellung und -konsolidierung

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Welches sind die realen Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen staatlichen Haushaltskonsolidierung? Ergebnisse einer international vergleichenden Studie

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Page 1: Haushaltsaufstellung und -konsolidierung

Neue Wege in der Finanzplanung und im Haushaltsaufstellungsverfahren

- Studienergebnisse und Handlungsemfpehlungen -Dr. Ole Wintermann

Fachgespräch: Grüner Zukunftshaushalt – Modernisierung des HaushaltsrechtsBerlin, den 21. Mai 2007

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Gliederung

1)Ergebnisse der internationalen Konsolidierungsstudie (Makro)

2)Ergebnisse der Umfrage unter Haushalts- und Finanz-MdBs (Mikro)

3)Reformansätze

4)Gesetzlicher Anpassungsbedarf

5)Anmerkungen zum Zukunftshaushaltsgesetz

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Konsolidierungsfälle seit 1980

-1992-2000USA-1987-1991Japan

+1998-2005Spanien 2+1998-2001Italien

-1985-1988Spanien 1+2003-2005Island 2

+1993-2000Schweden 3-1994-2000Island 1

-1987-1990Schweden 2+1993-2002Irland 2

+1982-1987Schweden 1+1985-1989Irland 1

-1995-1997Österreich+1993-2000Großbritannien 2

-1992-1997Norwegen-1986-1990Großbritannien 1

-1996-2001Niederlande+1993-2000Finnland

?2000-2005Neuseeland 2+1996-2001Dänemark 2

+1992-1995Neuseeland 1-1984-1989Dänemark 1

+2000-2005Kanada 2+1993-2005Belgien

+1992-2000Kanada 1+1993-1999Australien

ErfolgZeitraumLandErfolgZeitraumLand

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Ausgabenseitige Maßnahmen

• Aussetzung Indexierung• Verschärfungen Leistungsbezug• Kürzungen beim Personal (Nullrunden, teilweise auch „echter“

Personalabbau)• Verwaltungsreformen• Subventionsabbau• Festlegung quantitativer Ausgabenobergrenzen/Regelbindung

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Einnahmeseitige Maßnahmen

• Einmalerlöse zum Schuldenabbau• Außergewöhnliche Einnahmesteigerungen direkt in Tilgung• Umstrukturierung Steuersystem (Steuern statt Beiträgen)• Gezielt stärkere Belastung oberer Einkommensgruppen (USA,

Belgien, Schweden) zwecks ausgewogener Besteuerung („Blame Avoidance“)

• Häufig ergänzend: Erhöhung bzw. Einführung von Öko-Steuern, Gebühren, Verbrauchssteuern

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Ergänzende weiche Push-Faktoren

• „Window of Opportunity“

• Rahmenbedingungen (Zinsen, Wachstum)

• Leadership

• Reformallianzen

• Reformen sofort nach Machtwechseln

• Große Koalitionen

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Institutionelle Änderungen

• Mehrheitsdemokratische Länder; Stärkung des Finanzministers, Zentralisierung des Budgetprozesses (Delegation)

• Konsensusdemokratische Länder; Stärkung der mittelfristigen Finanzplanung, parteiübergreifende Abkommen über Konsolidierungsstrategie (Commitment)

• Golden Hamster Politik• Mehrjährige Haushalte• Nur selten: Einführung von Verfassungsregeln zur Schulden- /

Defizitbegrenzung

Kurzfristige Konsolidierung

Ausgabenkürzung und EinnahmestabilisierungNachhaltige Konsolidierung

Zzgl. institutioneller Reformen

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August 2006 Seite 8

Veränderungen am Haushaltsentwurf nur marginal

• Unter Großer Koalition nur 0,04% Veränderungen

• Ausgabenanpassungen im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens geringer als Anpassungen am Entwurf im Zuge neuer Schätz- /Prognosewerte

• Hoher Anteil an unveränderbaren Ausgaben

• Instrument der globalen Minderausgaben eher kritisch: Parlament gibt die Kontrolle darüber, wo gespart wird, an Ministerien ab

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Geringer Einfluss der Haushaltspolitiker in Aufstellungsphase

• Haushälter haben geringen Einfluss

• Ergänzende Informationsbeschaffung durch informelle Kanäle

• Einbindung und Informierung der Haushälter in der frühen Phase nur, wenn zum Nutzen der Ministerialbürokratie

• Einfluss größer, wenn Haushälter (der Regierungsfraktionen) einig sind

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Kontrolle durch Haushaltsausschuss grundsätzlich möglich

• Flexibilisierung des Haushaltsrechts und Delegierung von Entscheidungen an Ministerien (im Rahmen globaler Minderausgaben) erschwert Kontrolle

• Verhindert auch das Aufstöbern von „Fettpolstern“

• Im Vollzug unterstützen Rechnungshof und hausinternes Controlling die Rechnungsprüfung

• Kontrolle einzelner Haushaltspläne, Blick für das Ganze fehlt

• Haushaltsausschuss über qualifizierte Sperren auch im Vollzug involviert

• Sollten öfter eingesetzt werden (Einzelmeinung: 10mal so oft)

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Ambivalente Informationsfülle

• Selbstwahrnehmung der Haushälter: sachpolitisch orientiert, mehr Einfluss und mehr Macht als „einfache“ Abgeordnete

• Haushaltsausschuss hat bei Info-Auswertung nicht genug Ressourcen

• Zeitdruck für kleine Fraktionen ein Problem

• Wahrnehmung des Info-Vorsprungs des BMF als „Herrschaftswissen“ (v.a. Schuldenmanagement und gegenüber Opposition)

• Ministerien überladen Abgeordnete mit Informationen, um sie „blind“ zu machen

• Faktischer Einfluss hängt wesentlich von persönlicher Motivation und Initiative ab

• Vorteil der Haushälter in BE-Gesprächen: sie haben die Prozesshoheit, können Gespräche abbrechen oder vertagen

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Vielfältiger Einfluss verschiedener Akteure im Haushaltsverfahren

• Fachpolitiker aus anderen Ausschüssen haben generell geringen Einfluss

• Rechnungshof hat relativ weit reichenden Einfluss, auch als Aufbereiter von Informationen

• Interessengruppen / Lobbyisten sind wichtig als Informationsquelle für Informationsgleichheit zwischen Ministerien und Abgeordneten

• Fraktionsführung: spielt für die Setzung der Grundlinien wichtige Rolle, kann aber auch von Ressortministern genutzt werden, um Einsparungen zu verhindern / eigene Interessen durchzusetzen

• Fachminister: ja, wichtige Rolle

• Fachressorts versuchen, über die Haushälter und die Fachpolitiker Dinge in parlamentarischer Phase durchzusetzen, die sie in der regierungsinternen Haushaltsaufstellung nicht durchbekommen haben

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August 2006 Seite 13

Zentrale Ergebnisse

Interessen-/Machtkonflikte: Fachpolitiker – Haushaltspolitiker

Kompetenzanspruch/Information: Verwaltung – Politik

Stärkung der Haushälter durch Offenlegung des Prozesses Stärkung der Politik durch Verfahren (top-down) und Institutionen (Ressourcen)

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2002

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Schweiz Deutschland

Schuldenbremse?(Entwicklung der Primärsalden in % des BIP)

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2001

2002

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2005

Schweiz Deutschland Dänemark Finland Schweden

Oder Prozessreform und Überschussziele?(Entwicklung der Primärsalden in % des BIP)

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August 2006 Seite 16

Konkrete Reformansätze

Politisches Bekenntnis zu einem klaren finanzpolitischen Ziel

•Vorgabe eines konkreten und verbindlichen Haushaltsziels durch den Regierungschef/-chefin

•Aushandlung der wichtigsten Parameter im Rahmen einer Kabinettsklausur (ohne Verwaltung, da politisches Aushandeln)

•Damit: Kollektivverantwortung über Ausgabenhöhe und Ausgabenverteilung

•Potenziell: Absicherung durch verfassungsbasiertes Grundziel

Parlament als Treuhänder der Steuergelder

•Verbindlicher Beschluss des BT über nominale Ausgabenobergrenzen der nächsten 3 Jahre

•Damit rechtliche und politische Verbindlichkeit

•Gewähr einer gewissen Schwankungsbreite

•Stärkung der parlamentarischen Bedeutung durch „Parl. Haushaltsbüro“

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August 2006 Seite 17

Stärkung der mittelfristigen Finanzplanung

•Vorlage und Beschluss des Finanzplans im Bundestag vor Einbringung des Haushaltsplans

•Im Gegenzug mehr intertemporale Flexibilität in den Ressorts

•Politikbewertungen? (CPB in den NL)

Leistungsorientierte Überprüfung des Haushaltes statt Inkrementalismus

•Überprüfung der Ausgabenhöhe und nicht des Ausgabenanstiegs der einzelnen Bereiche

•Ressourcenverfügbarkeit bestimmt Aufgabenumfang und nicht umgekehrt

•Zusatzprüfungen im Zuge von Finanzgipfeln nach Wahlen

Konkrete Reformansätze

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August 2006 Seite 18

Verbindlicher Nationaler Stabilitätspakt

•Stärkung und Ausbau Finanzplanungsrat zu einem Stabilitätsrat (Belgien)

•Leitung durch unabhängige Experten

•Verstetigung der Arbeit

•Verbindliche Aufteilung der zulässigen Verschuldung auf Bund, Länder und Kommunen (in EU einmalig)

Implementierung eines ausgebauten Prognose- und Berichtswesens

•Nur dann ist Regelbindung sinnvoll umzusetzen

Konkrete Reformansätze

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August 2006 Seite 19

Gesetzlicher Anpassungsbedarf

Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (Stabilitätsgesetz)

• § 9; verbindlicher Parlamentsbeschluss statt „Vorlage“ der mittelfristige Finanzplanung

§§ 27-30 der Bundeshaushalteordnung

• betrifft v.a. Phase der Haushaltsaufstellung und Einbringung in Bundestag

• stärkere Vorgabe der zentralen Ausgabenparameter bei Einreichung von Ressortvorschlägen (Mittelfristige Finanzplanung/haushaltspolitische Zielsetzung/ Ausgabenobergrenze

• Endgültiger Regierungsentwurf = mittelf. Finanzplanung (Verweis in § 29 Abs. 1 BHO)

• Damit Abstimmung zwischen Verwaltung und Politik für Haushaltsverhandlungen im Herbst

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Geschäftsordnung des Bundestages

•Feststellung der Verbindlichkeit der mittelfristigen Finanzplanung in § 95 der GO

•Ergänzung der GO bzgl. Ablauf der Entscheidungsfindung in Richtung „top-

down“

Haushaltsgrundsätzegesetz

•§ 51 HGrG; Finanzplanungsrat als „unabhängige“ Institution und nicht „bei der Bundesregierung“

•Erweiterung um nicht-politische Expertise als vollwertige Mitglieder

•§ 50 Abs. 1 und 2 HGrG; statt unverbindlicher 5 Jahre nun verbindliche 3 Jahre

•§ 50 Abs. 3 HGrG; statt „Vorlage“ „Beschluss“

Gesetzlicher Anpassungsbedarf

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August 2006 Seite 21

•Ziel eines im Konjunkturverlauf ausgeglichenen HH; ja, besser +2%

•Problem; aufschaukelnde Defizite

•Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht; Operationalisierung?

•Interessen zukünftiger Generationen; Operationalisierung?

•Kreditaufnahme; Rückführungsplan?

•Stabilisatoren; Wirksamkeit und Treffsicherheit?

•Bund allein Schuldenbremse einführen; ja, da politischer Druck

•Erhalt Finanzplanung(srat); stärkere Verbindlichkeit empfehlenswert

•Anpassung Eckdaten Finanzplanung; nein, Ausgaben anpassen.

•Einführung Doppik; ja, aber Kriterienabgleich

•Wertverlust Kapitalstock/Abschreibung im HH; ja, politische Vermittlung?

•Konjunkturfaktor; kritisch wg. aufschaukelnder Dynamik und Wirkung

Anmerkungen Zukunftshaushaltsgesetz

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August 2006 Seite 22

•Übersicht der Subventionen etc.; ja.

•Abbau der Kredite im zweitnächsten HH-Jahr; vollständig oder Beginn?

Offene Fragen

•Rückwirkungen Finanzföderalismus

•Verankerung der politischen Vorgabe

•Verhaltensänderung vs. „end-of-pipe“

•Sanktionen

Anmerkungen Zukunftshaushaltsgesetz