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Sonderheft 08 | 2015 www.personalwirtschaft.de 14 EMPLOYER BRANDING Hintergrund atürlich ist China die Zukunft (sie- he Interview Seite 14-15). Nicht umsonst schicken wir ja unsere Nach- wuchsführungskader in Scharen auf Ent- deckungsreisen durch Shanghai und Peking, damit sie dann in ihren Abteilun- gen mit leuchtenden Augen erzählen kön- nen, dass dort alles schneller und heller und greller ist als hier. Insofern ist es sicher folgerichtig, dass wir im Westen uns so langsam daran gewöhnen, beim Chinesen abzukupfern: die ganze tolle Technologie zum Beispiel oder den nim- mermüden Leistungswillen. Jörg Buckmann hat bei der Kunst ange- fangen. Für die aktuelle Personalmarke- tingkampagne „Unsichtbare Talente“ der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) hat Buck- mann vier Mitarbeiter mit dem Züricher Stadtbild verschmelzen lassen (siehe Abbildungen). So etwa Marina Böhm, Lei- terin Bekleidung der VBZ. Auf den ersten Blick erkennt der Beobachter nur die Quai- brücke von Zürich mit Blick auf Limmat, Altstadt und die Großmünster-Türme im Hintergrund. Erst auf den zweiten Blick ist mitten im Bild eine Silhouette zu erken- nen: Es ist Marina Böhm, „getarnt“ durch eine Ganzkörperbemalung. Auf ihrer Klei- dung, ihrem Gesicht und sogar auf ihren Haaren wurde die Züricher Stadtkulisse aufgemalt, der Übergang zur Umgebung ist fließend. Inspiration für die Kampagne waren die Werke des chinesischen Künstlers Liu Bolin: ein Großmeister des innerstädti- schen Versteckspiels. Als in Peking im Jahr 2005 sein Künstlerviertel etwas Hel- lerem, Schnellerem, Grellerem Platz machen musste, begann Liu mit seiner Reihe „Hiding in the City“. Er machte sich inmitten der Großstadt durch Bemalung unsichtbar und hielt diese Momente in Bildern fest. Er verschwand zwischen Bag- gern und Bauruinen, in Supermarktrega- len und auf Straßenkreuzungen. Die Aus- stellung ging um die Welt, Liu ging mit. Gerade weil Liu sich versteckte, bekam er Aufmerksamkeit. Buckmann borgte sich diese Logik für die „Unsichtbaren Talente“ der VBZ aus. „Wir machen unsere Mitarbeiter absichtlich unsichtbar, um sie dadurch sichtbar zu machen“, sagt er. „1400 Mitarbeiter von uns sind allgegenwärtig, weil sie täglich hinter Steuerrädern von Trams und Bus- sen sitzen – dieses Mal wollten wir aber für die Jobs werben, die hinter den Kulis- sen stattfinden“. Immerhin 1000 Mitarbei- ter arbeiten bei den VBZ im Verborgenen, Bald werden wir alle von den Chinesen abkupfern, und Jörg Buckmann fängt bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) schon einmal damit an. Die vom chinesischen Künstler Liu Bolin inspirierte Kampagne „Unsichtbare Talente“ ist clever konzipiert, liebevoll umgesetzt und sauber durchdekliniert. Nur sonderlich frechmutig ist sie nicht. Züricher Versteckspiel Jörg Buckmann wechselt Ende des Jahres von den VBZ in die Beratung. In seinem letzten Jahr holt er „Unsichtbare Talente“ auf die Vorderbühne – ein Ort, der ihm selbst nicht unvertraut ist. Ein Gespräch über makellose Arbeitgeber, technikgläubige Personaler und einen unerfüllten Wunsch. „Wer Schwächen zeigt, zeigt Größe“ N Personalwirtschaft: Herr Buckmann, in Ihrer aktuellen Kampagne (siehe Bei- trag) machen Sie die „Unsichtbaren Talente“ der VBZ sichtbar. Welcher Gedanke steckt dahinter? Buckmann: Die Bilder sind im Prinzip nur der Appetizer. Wir wollen Menschen zeigen, Werdegänge, persönliche Geschichten. Die- se Idee durchzieht unser gesamtes Personal- marketing, weil wir als sehr technokratisches Marina Böhm, Leiterin Bekleidung der VBZ, wird maskenbildnerisch dem Hintergrund gleichgemacht... Jörg Buckmann, Leiter Personalmanagement, Verkehrsbetriebe Zürich

Züricher Versteckspiel

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EMPLOYER BRANDING Hintergrund

atürlich ist China die Zukunft (sie-he Interview Seite 14-15). Nicht

umsonst schicken wir ja unsere Nach-wuchsführungskader in Scharen auf Ent-deckungsreisen durch Shanghai undPeking, damit sie dann in ihren Abteilun-gen mit leuchtenden Augen erzählen kön-nen, dass dort alles schneller und hellerund greller ist als hier. Insofern ist essicher folgerichtig, dass wir im Westenuns so langsam daran gewöhnen, beimChinesen abzukupfern: die ganze tolleTechnologie zum Beispiel oder den nim-mermüden Leistungswillen. Jörg Buckmann hat bei der Kunst ange-fangen. Für die aktuelle Personalmarke-tingkampagne „Unsichtbare Talente“ derVerkehrsbetriebe Zürich (VBZ) hat Buck-mann vier Mitarbeiter mit dem ZüricherStadtbild verschmelzen lassen (siehe

Abbildungen). So etwa Marina Böhm, Lei-terin Bekleidung der VBZ. Auf den erstenBlick erkennt der Beobachter nur die Quai-brücke von Zürich mit Blick auf Limmat,Altstadt und die Großmünster-Türme imHintergrund. Erst auf den zweiten Blickist mitten im Bild eine Silhouette zu erken-nen: Es ist Marina Böhm, „getarnt“ durcheine Ganzkörperbemalung. Auf ihrer Klei-dung, ihrem Gesicht und sogar auf ihrenHaaren wurde die Züricher Stadtkulisseaufgemalt, der Übergang zur Umgebungist fließend. Inspiration für die Kampagne waren dieWerke des chinesischen Künstlers LiuBolin: ein Großmeister des innerstädti-schen Versteckspiels. Als in Peking imJahr 2005 sein Künstlerviertel etwas Hel-lerem, Schnellerem, Grellerem Platzmachen musste, begann Liu mit seiner

Reihe „Hiding in the City“. Er machte sichinmitten der Großstadt durch Bemalungunsichtbar und hielt diese Momente inBildern fest. Er verschwand zwischen Bag-gern und Bauruinen, in Supermarktrega-len und auf Straßenkreuzungen. Die Aus-stellung ging um die Welt, Liu ging mit.Gerade weil Liu sich versteckte, bekamer Aufmerksamkeit.Buckmann borgte sich diese Logik für die„Unsichtbaren Talente“ der VBZ aus. „Wirmachen unsere Mitarbeiter absichtlichunsichtbar, um sie dadurch sichtbar zumachen“, sagt er. „1400 Mitarbeiter vonuns sind allgegenwärtig, weil sie täglichhinter Steuerrädern von Trams und Bus-sen sitzen – dieses Mal wollten wir aberfür die Jobs werben, die hinter den Kulis-sen stattfinden“. Immerhin 1000 Mitarbei-ter arbeiten bei den VBZ im Verborgenen,

Bald werden wir alle von den Chinesen abkupfern, und Jörg Buckmann

fängt bei den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) schon einmal damit an. Die vom

chinesischen Künstler Liu Bolin inspirierte Kampagne „Unsichtbare Talente“

ist clever konzipiert, liebevoll umgesetzt und sauber durchdekliniert.

Nur sonderlich frechmutig ist sie nicht.

Züricher Versteckspiel

Jörg Buckmann wechselt Ende des Jahres von den VBZ in die Beratung.

In seinem letzten Jahr holt er „Unsichtbare Talente“ auf die Vorderbühne –

ein Ort, der ihm selbst nicht unvertraut ist. Ein Gespräch über makellose

Arbeitgeber, technikgläubige Personaler und einen unerfüllten Wunsch.

„Wer Schwächen zeigt, zeigt Größe“

N

Personalwirtschaft: Herr Buckmann, inIhrer aktuellen Kampagne (siehe Bei-trag) machen Sie die „UnsichtbarenTalente“ der VBZ sichtbar. WelcherGedanke steckt dahinter?

Buckmann: Die Bilder sind im Prinzip nurder Appetizer. Wir wollen Menschen zeigen,Werdegänge, persönliche Geschichten. Die-se Idee durchzieht unser gesamtes Personal-marketing, weil wir als sehr technokratisches

Marina Böhm, Leiterin Bekleidung der VBZ, wird maskenbildnerisch dem Hintergrund gleichgemacht...

Jörg Buckmann, Leiter Personalmanagement,Verkehrsbetriebe Zürich

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bis zu 100 Stellen werden hier Jahr für Jahrbesetzt.Ausgeheckt hat Buckmann die Kampagnewieder mit der Züricher Agentur Ruf Lanz– eine Zusammenarbeit, die seit 2002Bestand hat und in den letzten Jahren zahl-reiche Preise abwarf. Warum, merkt manin diesem Fall weniger am Knalleffekt alsan den Details. Die Kampagne ist sinnfäl-lig zu Ende gedacht und nimmt ihre Tes-timonials ernst. Die vier Mitarbeiter wer-den auf der Kampagnen-Website persönlichvorgestellt, erklären ihre Jobs und ihreMotivation in Bild und Ton; flankierendeMaking-of-Videos zu jedem Shooting sig-nalisieren: Hier steckt jede Menge Arbeitdrin. „In allen unseren Kampagnen wol-len wir die Menschen, die bei den VBZarbeiten, in den Mittelpunkt rücken“, sagtBuckmann. Die Botschaft kommt an.

Unternehmen wahrgenommen werden. Fastalle unsere Mitarbeiter, mit denen die Züri-cher in Kontakt kommen, sitzen hinter einerScheibe. Da mangelt es etwas an Emotion.Dem versuchen wir entgegenzuwirken,indem wir in der Kommunikation möglichstviel Persönliches preisgeben. Seit drei Jah-ren bewerben sich etwa bei Stellenausschrei-bungen unsere Chefs in kleinen Videos beiden Kandidaten. Es geht um einen authen-tischen Blick hinter die Kulissen. Das istunsere Grundhaltung.

Authentizität, gut und schön. Zählt dazuauch Toleranz für Fehler und Schwächen?

Ich glaube, wir sind da auf einem gutenWeg, aber ganz ehrlich: Ich hätte es manch-mal gerne noch eine Spur selbstkritischer.Wir haben unsere vier Testimonials für die„Unsichtbaren Talente“ zum Beispiel auchnach ihren Schwächen gefragt. Da kamaber bei allen ungefähr dasselbe raus –das, was man auf eine solche Frage ebenantwortet.

Aber ist das nicht ein Grundproblem imEmployer Branding und in HR allgemein?Alle wollen Ecken und Kanten, könnendann aber nicht damit umgehen, wennwelche da sind?

Es ist eine Falle, in die viele Unternehmentappen: dass man denkt, man dürfte nurdas Positive erwähnen und bewerben. Dabeiwissen wir ja alle, dass nirgendwo alles per-fekt ist – aber die wenigsten geben es zu.Ich finde, es ist ein Zeichen von Größe undGelassenheit, wenn man als Arbeitgeberseine Schwachstellen offen benennt. Beimir als potenziellem Mitarbeiter jedenfallswürde es sehr gut ankommen. Und bei vie-len anderen auch, glaube ich.

Ist allerdings das ziemliche Gegenteileiner klassischen, stärkenfokussiertenEmployer Branding-Strategie.

Nun ist Buckmann selbst keiner, der sicherst aufwändig versteckt, um mit etwasGlück auf den zweiten oder dritten Blickentdeckt zu werden. Buckmann ist omni-präsent auf den deutschsprachigen Per-sonalmarketing-Bühnen, und Publicitywar ihm nie zuwider. Sein vor gut zweiJahren formulierter Appell zu mehr„Frechmut“ im Personalmarketing ist inder Branche zum geflügelten Wort gewor-den, Buckmann selbst zur Marke. Endedes Jahres macht er sich als Berater selb-ständig. So gelungen die Kampagne auch ist –gerade zum letzten Halali bei der VBZhätte man von Buckmann etwas mehrFrechmut erwartet. „Wir wissen schon,dass diese Kampagne keine Empörungs-elemente hat“, sagt Buckmann, „die istdurchaus brav“. Doch sei sie in ihrer

...und ist folgerichtig auch erst beim zweitenHinsehen erkennbar.

Fahrleitungsmonteur Ramon Mächler wird am Paradeplatz zum stilbildenden Teil der Szenerie.

Ästhetik anspruchsvoll „und komplettungewöhnlich für die Bewerbung einesArbeitgebers“. Außerdem sei die interne Wirkung derKampagne nicht zu unterschätzen. „Wirhaben jetzt drei Jahre lang große Teile unse-res Budgets dafür ausgegeben, weiblicheTramfahrerinnen zu suchen“. Das habe gutfunktioniert, jedoch auch dazu geführt,„dass mancher Mitarbeiter das Gefühl hat-te: ‚Ihr kümmert euch ja sowieso nur umdie Fahrer‘“. Diesem Eindruck habe manintern und extern entgegenwirken wollen. Wem dieser Ausstand Buckmanns zuzahm ist, der frage einmal bei Liu Bolinnach, wie er wohl die Kampagne findet.Der wisse doch wohl davon, oder? „Ichglaube nicht“, lacht Buckmann. Es ist einLachen, dem der juristische Frechmutnicht abzusprechen ist. (cl)

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Genau, die Stärken sind der Standard.Wenn das aber großflächig passiert, habenirgendwann alle Arbeitgeber nur nochStärken. Vielleicht braucht es zwischenall diesen makellosen Unternehmen maleines, das sagt: „Unsere Stärke ist, dasswir die Schwächen nicht verhehlen“. Esgeht ja im Personalmarketing nicht zuletztdarum, sich Gehör zu verschaffen. Undich finde das eine charmante Herange-hensweise.

Das wäre dann wohl das, was Sie alsFrechmut bezeichnen. Wenn es gut gemacht ist: ja.

Unsere Diskussionsteilnehmer beimRound Table (siehe Seite 6) waren nichtdurch die Bank Fans vom Frechmut-Kon-zept. Schon mit Mut allein, so die Argu-mentation, sei bei vielen Employer Bran-ding-Prozessen viel gewonnen. Wennalles auch noch frech daherkommen müs-se, wirke das schnell überfordernd. Mut ist ohne Frage wichtig, und mehr Mutallein täte sicher vielen HR-Abteilungengut. Aber: Wenn man richtig inspiriertesund effektives Personalmarketing machenwill, ist Mut aus meiner Sicht nicht alles.Frechmut hat etwas Verschmitztes, Spitz-bübisches. Frechmut ist die leichtere Formvon Mut. Es geht darum, auf eine geschick-te Art und Weise das zu tun, was man zutun hat.

Aktuell fährt eine „Demonstrationstram“durch Zürich (siehe Foto). Über 100 Mit-arbeiter der VBZ „demonstrieren“ dar-auf sprichwörtlich, was sie jeden Tag fürden Züricher Verkehr leisten. Was hates damit auf sich? Das ist für mich ein schönes Beispiel, wieman auch Ideen aus anderen Unterneh-mensbereichen für das Personalmarketingnutzen kann, wenn man die Augen offenhält. Aus der Kommunikation kam der Vor-schlag, dem Züricher Verkehrsverbund miteiner Sondertram zum 25. Geburtstag zugratulieren. Wir haben das dann in Rich-tung der „Demonstration“ weitergedacht,unter dem Motto „Wir fahr’n das Volk!“ Das

passt aus meiner Sicht gut zu der Kampag-ne mit den „Unsichtbaren Talenten“, weilwir die VBZ-Mitarbeiter auf die Vorderbüh-ne holen. Alle der über 100 beteiligten„Demonstranten“ portraitieren wir jetztwochenweise persönlich auf Facebook. Dasspiegelt unser Grundverständnis vonauthentischem Personalmarketing.

Sie mögen, wenn es in der Kommunika-tion menschelt, HR wird jedoch geradedurchtechnisiert: Daten sind das näch-ste große Ding. Auch für Sie? Was ich hochspannend finde, ist die Fra-ge: Wie lässt sich diese immense Datenflutda draußen sinnvoll für das Personalmar-keting nutzen? Wie gut wird man zukünf-tig wirklich passende Bewerber mithilfevon digitalen Tools evaluieren können? Miteinem vertretbaren Aufwand und mit einerSystematik, die ein normaler Anwenderauch versteht – und natürlich mit einerüberzeugenden Trefferquote. Bei denaktuellen Systemen passen die Ergebnisseschon erstaunlich gut, aber so richtig pas-sen sie eben doch noch nicht.

Stellt sich nur die Frage, ob die Bewer-ber sich dem Primat der Technik beugen. Ich glaube, gerade kleinere Unternehmenkönnen mit dem genauen Gegenteil punk-ten: mit Sympathie, persönlichem Dialog,cleveren Aufmerksamkeiten. Vermeintlichbanale Dinge. Das stimmt mich ehrlichgesagt hoffnungsvoll. Ich glaube, es wäreein großer Fehler, die Personalarbeit zu

sehr an die Technik zu übergeben. AlsMensch werde ich immer noch am liebstenvon einem Menschen angesprochen, nichtvon einer Maschine.

Das ist der Rekurs aufs Persönliche alsAntwort auf die grassierende Technik-gläubigkeit. Wie kann so etwas in derRecruitingpraxis aussehen? Ich hätte – leider kann ich das jetzt nichtmehr in die Tat umsetzen – den großenWunsch gehabt, für die VBZ ein fahren-des Jobcenter zu institutionalisieren: einumgebauter Bus, der nach einem Fahr-plan tageweise an verschiedenen Statio-nen steht. Dafür hätte es keines zusätz-lichen Personals bedurft, die Kollegenwären aber mobil gewesen und hätten dasGespräch mit den Menschen gesucht,direkt vor Ort – an einem heißen Tag wieheute könnten sie etwa am Zürichsee ste-hen. Besser und einfacher geht es dochnicht: Ein „Büssli“ mit Menschen drin, diefür mich als potenzieller Bewerber da sind.

Active Sourcing zum Beispiel wird aller-dings mit dem Bus schwierig. Das gehtdann doch besser am Rechner, oder? Klar: Wenn es das Ziel ist, einzelne inter-essante Kandidaten zu identifizieren undbeispielsweise über ihre Netzwerke anzu-sprechen, sind natürlich Online-Toolsextrem hilfreich. Generell hat HR, was dieDirektansprache geeigneter Kandidatenangeht, aktuell noch viel Luft nach oben.Die Personalberater werden es uns danken

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EMPLOYER BRANDING Hintergrund

„Wir fahr’n das Volk!“:Über 100 VBZ-Mitarbeiter„demonstrieren“ auf der Straßenbahn, was sie täglich im ZüricherStadtverkehr leisten.

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– immerhin bekommen sie auf die Weisenoch eine kleine Verschnaufpause.

Kann ich denn einen interessanten, abernicht aktiv nach einem Job suchendenKandidaten überhaupt mit klassischemPersonalmarketing erreichen? Nur wenn es mir gelingt, ihn wirklich zuverblüffen. Also etwa, indem ich auf intel-ligente Weise an ungewöhnlichen Ortenwerbe – genau dort, wo man eben keinePersonalwerbung erwarten würde. Anson-sten ist klassisches Personalmarketing jader sprichwörtliche Schuss aus der Schrot-flinte: Wenn ich ein klar definiertes Zielerreichen will, ist der Streuverlust fast immerzu hoch.

Jetzt klingen Sie fast schon wie ein Bera-ter, ab nächstem Jahr sind Sie wirklicheiner. Wie erklären Sie mir als potenzi-

ellem Kunden in ein paar Sätzen gelin-gendes Employer Branding? Markenbildung ist ein sehr umfassenderProzess, der alle Kontaktpunkte zum Unter-nehmen beinhaltet. Wenn man das verstan-den hat, ist die Kommunikation nach Außennur noch das Sahnehäubchen. Je mehr vomInneren des Unternehmens nach außendringt – und das passiert ja kontinuierlich,ob über kununu oder Social Media –, des-to mehr wertet das die bestehenden Mitar-beiter auf, weil sie unglaublich starke Mul-tiplikatoren sind. Die einzige Chance, dieman noch hat, ist, das Personal anständigzu behandeln. Die Schweizer ManagerinBarbara Artmann hat das so ausgedrückt:„Was für den Mitarbeiter gut ist, ist auchfür das Unternehmen gut“. Das ist für michEmployer Branding. Wer so denkt und han-delt, wird in keiner Weise ein Problem mitder Arbeitgebermarke haben.

Nun hören Sie Ende des Jahres bei denVBZ auf und hängen damit vorerst auchIhre HR-Schuhe an den Nagel. Jetzt dür-fen Sie es ja sagen: Was nervt Sie gera-de so richtig an HR? Wir hören ja immer wieder, dass die Mit-arbeiter in der Dienstleistungsgesellschaftder Schlüssel zum Erfolg sind. Eigentlichmüsste HR also auf Geschäftsleitungsebe-ne installiert sein. Das wollen aber anschei-nend die wenigsten Unternehmen. Was ichnicht verstehe: Viele Organisationen unter-stellen HR dann dem Finanzbereich. Nunist das nicht gerade der Teil des Unterneh-mens, der für Kreativität und Gestaltungs-freude steht. Wenn HR schon irgendwountergebuttert wird, warum in aller Weltunterstellen die Unternehmen HR dannnicht wenigstens dem Marketing? Mir jeden-falls ist das nicht ersichtlich.

Das Gespräch führte Cliff Lehnen.