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Ist Motivation ansteckend? Die Rolle von sozialen Interaktionen für das Sozialkapital Prof. Dr. Lorenz Götte Universität Bonn Institut für Angewandte Mikroökonomik Behavioral Economics Network Zürich, 7.12.2015 Lorenz Götte Ist Motivation ansteckend? 1 / 20

Prof. Lorenz Götte: "Ist Motivation ansteckend? Die Rolle von sozialen Interaktionen für das Sozialkapital" - Zurich Behavioral Economics Network

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Ist Motivation ansteckend? Die Rolle von sozialenInteraktionen für das Sozialkapital

Prof. Dr. Lorenz GötteUniversität Bonn

Institut für Angewandte Mikroökonomik

Behavioral Economics Network Zürich, 7.12.2015

Lorenz Götte Ist Motivation ansteckend? 1 / 20

Motivation

Soziale Kontakte sind der Zement einer Gesellschaft

Soziale Kontakte sind ein Schlüsselelement des sozialen Kapitals

Sozialer Bezug zwischen Individuenführt zu mehr Altruismus

• Ein Beispiel: Verstärkte Koop-eration und Normdurchsetzunggegenüber der eigenen Gruppe(Götte et al., 2006; 2012a,b)

I Rückgang von sozialenKontakten wird für Rückgangan Sozialkapital in den USAverantwortlich gemacht (Putnam,2000)

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Motivation

Der Soziale Multiplikator

Besonders interessanter: soziale Interaktionseffekte durch Motivations-Spillover.

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11.

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3

Mot

ivat

ion

Indi 1

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Indi 2

• Beispiel: Motivation zum Blutspenden.• Hypothese: Sozialer Kontakt überträgt Motivation.• Spillover-Parameter δ: Prozent der Motivation, die den anderen "ansteckt."I Ansteckungs-Parameter δ führt zu einer Verstärkung der Motivation.

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Motivation

Soziale Interaktionen sind schwierig zu untersuchen

Falscher Ansatz: Korrelation imVerhalten von Individuum 1 und 2messen.

• Weit verbreitet, z.B. in derSoziologie oder Sozialpsychologie

Korrelation im Verhalten kannUrsachen haben, die nichts mitsozialen Interaktionen zu tun haben.

• Beispiel: Leute mit sozialemKontakt sind ähnlichem Umfeldausgesetzt.

I Möglich, dass das Umfeld beidebeeinflusst, nicht sie einander.

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Motivation

Die Lösung: Instrumentalvariablen

Wir benötigen ein Instrument: Beinflusst die Motivation von Individuum 1, abernicht von Individuum 2 direkt.

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3

Mot

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Indi 2

• Verhältnis der Effekte bei Individuum 1 und 2 identifiziert δLorenz Götte Ist Motivation ansteckend? 5 / 20

Motivation

Heute: Soziale Interaktionen beim Blutspenden

Blutspenden ist ein wichtiges öffentliches Gut• Medizinischer Sektor benötigt eine verlässliche Menge an Bluttransfusionen.Keine Substitute.

• Blutspenden sind in der Schweiz (und vielen anderen Ländern) freiwilligund unbezahlt.

I Prosoziale Motivation der Spender nötig.

I Welche Rolle spielt dabei die "Motivations-Ansteckung" (sozialeInteraktionen)?

Das Forscherteam: Universität Lausanne und Universität Bonn.• Adrian Bruhin, Lorenz Götte, Simon Hänni, Lingqing Jiang.• Langjährige Zusammenarbeit mit dem Blutspendedienst des Roten Kreuzes,Zürich (Dr. med. Beat M. Frey, Chefarzt).

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Motivation

Outline

1 Motivation

2 Studie 1: Blutspenden unter Nachbarn und Mitbewohnern

3 Studie 2: Blutspenden in sozialen Netzwerken

4 Schlussfolgerungen und Diskussion

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Studie 1: Blutspenden unter Nachbarn und Mitbewohnern

Blutspenden bei SRK Blutspendedienst Zürich

Einladung zu Spende: ca. alle 6 Monate: persönliche Einladung zuBlutspende-Termin, ca. 3 Wochen im Voraus.

• Wir betrachten nur Einladungen zu Blutspendeaktionen (nicht in denBlutspendezentren).

Erinnerung an den Spende-Termin via SMS: Alle eingeladenen Spendererhalten diese SMS.

• Zwei Tage vor dem Spendetermin.

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Studie 1: Blutspenden unter Nachbarn und Mitbewohnern

Telephonanrufe bei Knappheit von Bluttypen

Zusätzliche Massnahme: Anruf an einzelne Spender in Abhängigkeit von ihrerBlutgruppe.

• Anruf je nach Lagerbestand: jeden Tag sind andere Blutgruppen knapp.• Anruf: zwei Tage vor Blutspende, zusätzlich zum SMS.• Nachricht: Ihre Blutgruppe ist knapp, bitte kommen Sie.

I Anruf ist so gut wie zufällig, da er nur von Tages-Fluktuation inBlutgruppen abhängt.

Bruhin et al. (2015, Transfusion): starker Effekt auf Spende-Wahrscheinlichkeit• Erhöht die Spenderwahrscheinlichkeit von ca 30% auf 40%.

I Der Anruf ist unser Instrument für Motivation.

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Studie 1: Blutspenden unter Nachbarn und Mitbewohnern

Das Studien-Design

Wir betrachten Fälle, in denen zweiBlutspender an derselben Adresseleben.

• Beide Spender sind zu derselbenSpendeaktion eingeladen.

I Setup genau wie in derIllustration.

Der Anruf dient uns als Instrumentfür die Spende des AngerufenenI Erhöht der Anruf auch die

Wahrscheinlichkeit, dass derzweite Blutspender auftaucht?

I Erlaubt Schätzung des Ausmassesder Motivations-Ansteckung δ.

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Studie 1: Blutspenden unter Nachbarn und Mitbewohnern

Starke Motivation-Ansteckung an derselben Adresse

Graphische Darstellung des IV-Schätzers:

a) Donation rate as a functionof donor being called

b) Donation rate as a functionof fellow tenant being called

c) Wald estimator

0.2

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Wal

d es

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.2.3

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Don

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No callto donor

Donor receivesphone call

No call tofellow tenant

Fellow tenantreceives call

a) Donation rate as a functionof donor being called

b) Donation rate as a functionof fellow tenant being called

c) Wald estimator

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.2.3

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No callto donor

Donor receivesphone call

No call tofellow tenant

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a) Donation rate as a functionof donor being called

b) Donation rate as a functionof fellow tenant being called

c) Wald estimator

0.2

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Wal

d es

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or

.2.3

.4.5

Don

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No callto donor

Donor receivesphone call

No call tofellow tenant

Fellow tenantreceives call

I Starker Effekt der aktuellen Spendemotivation auf Mitbewohner. Rund40% des Verhaltensimpulses wird übertragen.

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Studie 1: Blutspenden unter Nachbarn und Mitbewohnern

Starke Motivation-Ansteckung an derselben Adresse

Test: wird auch latente Motivation übertragen?

a) Donation rate of a donoras a function of donating inthe year before the study

b) Donation rate of a donor asa function of the fellow tenantdonating in the year beforethe study

0.1

.2.3

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Don

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Donor didnot donate in

the year beforethe study

Donor donated in the

year beforethe study

Fellow tenantdid not donatein the year be−fore the study

Fellow tenantdonated in the

year beforethe study

a) Donation rate of a donoras a function of donating inthe year before the study

b) Donation rate of a donor asa function of the fellow tenantdonating in the year beforethe study

0.1

.2.3

.4

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Donor didnot donate in

the year beforethe study

Donor donated in the

year beforethe study

Fellow tenantdid not donatein the year be−fore the study

Fellow tenantdonated in the

year beforethe study

• Vergangene Spendermo-tivation eines Spendersführt zu mehr eigenenSpenden.

• Vergangene Spendermo-tivation eines Spendersführt nicht zu mehrSpenden desMitbewohners.

I Spezifischer Effekt deraktuellen Motivationübt Einfluss aus aufMitbewohner.

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Studie 1: Blutspenden unter Nachbarn und Mitbewohnern

Implikationen

Starke Motivations-Ansteckung innerhalb derselben Hausnummer• Nicht nur "Paare": wir finden wenig Hinweise auf Heterogenität innerhalbder

Der soziale Multiplikator δ u 40%.I Starke Spillover-Effekte.I Der Effekt verstärkt die Effektivität von Interventionen: Eine

Intervention, die die Motivation eines Spenders um 10% erhöht, hat einentotalen Effekt der 1

1−δ u 1.8 mal stärker ist.

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Studie 2: Blutspenden in sozialen Netzwerken

Welche sozialen Netzwerke übertragen Motivation?

Genauere Analyse der Motivations-Ansteckung. Wir unterscheiden drei Ebenen

1 Selbe Adresse: Wie vorher,aber auch Fälle mit mehr als 2Spendern.

2 Selbe Strasse, aber andereHausnummer: GeographischeSpillovers.

3 Selbe Spendeaktion, aber andereStrasse: Soziale Kontakte, dienicht durch geographische Näheverursacht werden.

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Studie 2: Blutspenden in sozialen Netzwerken

Ergebnisse im Schnellverfahren

Motivations-Ansteckung findet nicht in erster Linie geographisch statt.

a) Donation rate asa function of donorbeing called

Donation rate as a function of the call rate in the network b) Blood drive (excludingstreet and house)

c) Street(excluding house)

c) House

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No callto donor

Call todonor

7%called

15%called

Waldestimator

0%called

33%called

Waldestimator

0%called

84%called

Waldestimator

I Die stärksten Effekte laufen über soziale Kontakte, die nicht geographischerklärbar sind.

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Studie 2: Blutspenden in sozialen Netzwerken

Ergebnisse im Schnellverfahren

Kleinere Spende-Aktionen haben stärkere Spillover-Effekte unter ihren Mitgliedern.

Donation rate as function of call rate in the blood drive

Small blood drives Large blood drives

0.5

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or

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.3.3

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Don

atio

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Waldestimator

7%called

15%called

Waldestimator

I Die stärksten Effekte laufen über soziale Kontakte, die nicht geographischerklärbar sind.

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Schlussfolgerungen und Diskussion

Das war’s

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

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