Beiträge zur Chemie des Hydrazins und seiner Derivate. VII. Über die Umsetzung von absolutem...

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18 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 344. 1966

Beitrage zur Chemie des Hydrazins und seiner Derivate. VII1)

Uber die Umsetzung von absolutem Hydrazin mit HydroxylamidomO-schwefelsQure

Von F. FEH&R und K.-H. LINKE

Inha,ltsubersicht Bei der Umsetzung von absolutem Hydrazin mit Hydroxylamido-0-schwefelsilure in

absolutem Methanol bildet sioh eine feste weide Substanz der analytischen Zusammenset- zung N,H,SO,. Zur Charakterisierung dieser Verbindung werden das IR-Spektrum, das DEBYE-SCHERRER-Diagramm und die Verbrennungswlirme mitgeteilt. Die Struktur dieser Substanz, die insbesondere hinsichtlich der Frage interessiert, ob es sich dabei um ein Tri- azanderivat handelt, wird diskutiert.

Summary The reaction of absolute hydrazine with hydroxylamido-0-sulfuric acid in absolute

methanol gives a solid white compound having the analytical composition N,H,SOI. The I R spectrum, DEBYE-SCHERRER diagramm and heat of formation are given. The structure of this compound and the question of whether it is a triazine derivative is discussed.

Hydroxylamido-0-schwefelsaure, NH$ OSO;, oder oft auch Hydroxyl- amin-0-sdfonsaure oder Sulfoperamidsiiure genannt, erweist sich bei vielen Reaktionen als NH-Donator. So konnen z. B. durch Hydroxylamido-0- schwefelsaure aus Ammoniak Hydrazin und aus einer Anzahl prim., sekund. und tert. Amine die entsprechenden Hydrazine dargestellt werden 2--8) :

NH,SO, + 3 NH, + N2H4 + (NH,),SO,

l) VI. Mitteilung: F. FEH~R u. K.-H. LINKE, J. prakt. Chem., irn Druck. 2 , F. SOMMER, 0. F. SCHULZ u. M. NASSAU, Z. anorg. allg. Chem. 147, 142 (1925). 3) H. E. M. SPECHT, A. W. BROWNE u. K. W. SHERK, J. Amer. chem. SOC. 61, 1083

4, A. MEUWSEN u. R. GOSL, Angew. Chem. 69, 754 (1957). 5) A. MEUWSEN u. H. TISCHER, Z. anorg. allg. Chem. 294, 282 (1968). 6, R. GOSL u. A. MEUWSEN, Chem. Ber. 92, 2521 (1959). 7 ) H. H. SISLER, R. A. BAFFORD, G. M. OMIETANSKI, B. RUDNER u. R. J. DRAQO, J.

8 ) W. D. SCHAEFFER, Amer. Pat. 2935378 (1960); Chem. Abstr. 54,17820 (1960).

(1939).

org. Chemistry 24, 859 (1959).

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oder, vereinfacht formuliert :

bzw. NH, + NH -+ N2H,

RNH2 + NH -+ RNH * NH,

Die sehr interessante Frage, ob auf diese Weise eine w-eitere dminierung des Hydrazins zu langkettigen Stickstoffverbindungen erreicht werden kann, versuchten bereits SOMMER et al. 2, zu losen. Sie konnten in der Reaktions- losung j edoch keine Anhaltspunkte fur das Vorhandensein von Triazanderi- vaten ermitteln.

Obwohl sich fur Aminierungsreaktionen das Arbeiten im waBrigen Me- dium als vorteilhaft erwies, setzten wir Hydroxylamido-O-schwefelsaure und absolutes Hydrazin in absolutem Methanol um. Werden die beiden in ab- solutem Methanol gelosten Reaktionskomponenten in einem stochiometri- schen Verhaltnis von 1 : 1 unter Kiihlung zusammengegeben und wird darauf geachtet, da13 wahrend der Reaktion nie ein OberschuB an Hydrazin vor- liegt - was durch Zutropfen des Hydrazins zur Hydroxylamido-O-schwefel- saure unter kraftigem Riihren erreicht wird - dann fallt ein weioer fein- kristalliner Niederschlag der analytischen Zusammensetzung N3H7S04 aus. Diese Verbindung, die einen scharfen Zersetzungspunkt bei 59 O zeigt, spaltet bei Raumtemperatur im Verlauf von Tagen Stickstoff ab und geht quanti- tativ in Hydrazinium( 2+)-sulfat und Ammoniumsulfat im Verhaltnis 5 : 2 iiber. Dieser Zerfall, dem die Reaktionsgleichung

7 N,H,SO, -+ 5 (N,H,)SO, + 2 (NH,),SO, + 3 N, + NH,

zukame, konnte durch die Analyse und durch rontgenographische und IR- spektroskopische Untersuchungen des festen Zerfallsproduktes und seine durch fraktionierte Kristallisation erhaltenen Bestandteile (N,I&)S04 und (NH4),SO4 nachgewiesen werden. Bei der Verbindung N3H7S04 handelt es sich vermutlich um das Hydraziniumsalz der Hydroxylamido-O-schwefel- saure, das von SOMMER und Mitarbeitern2) nicht erhalten werden konnte, da es sich bei ihren Versuchen zu seiner Darstellung bereits in der Reaktions- losung bei -10" sturmisch zersetzte. Auch bei unseren Versuchen explo- dierte die Verbindung N3H7S0, ohne klar ersichtliche Griinde einige Male kurz nach ihrer Isolierung.

Moglicherweise wurde die spontane Zersetzung durch wenig adsorbiertes oder in Reak- tion getretenes iiberschiissiges .Hydrazin katdysiert, da immer nur dann Explosion auftrat, wenn die Substanz durch Zutropfen einer methanolischen Losung von Hydroxylamido-0- schwefelsaure in eine methanolische Losung von Hydrazin dargestellt worden war, obgleich natiirlich auch in diesen Fallen direkt nach dem Absaugen die Substanz mehrmals mit ab- solutem Methanol auegewaschen wurde. Bei der Explosion entstehen neben den festen Ruckstiinden an Hydrazinium(2+)-sulfat und Ammoniumsulfat, auf die schon bei der langsamen Zersetzung von N,H,SO, hingewiesen wurde, u. a. auch Schwefeldioxid und

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Schwefelwasserstoff. Wird bei der unter grol3er WLrmeentwicMung verlaufenen Explosion Substanz auf die Haut verspritzt, so hinterliiI3t diese Verbindung durch Verbrennung bzw. Veratzuqg grol3e Blasen.

Zur Charakterisierung der Substanz und fur eine eventuelle Konstitu- tionsermittlung wurden ein DEBY E-SCHERRZR-Diagramin und IR- und RAMAN-Spektren angefertigt . Da die Verbindung in allen gangigen organi- schen Losungsmitteln praktisch unloslich ist, wurde versucht, das RAMAN- spektrum von einer konzentrierteri waflrigen Losung dieser Verbindung aufzunehmen. Unter Gasentwicklung zersetzte sich jedoch die Substanz, so daB lediglich die bereits angefuhrten Zerfallsprodukte nachgewiesen werden konnten. Die Aufnahme des IR-Spektrums gelang nur in Nujol. Die jedoch wenig aufgelosten Absorptionsbanden lieBen eine exakte Diskussion zur Strukturaufklarung nicht zu. Die Hauptbanden sind im experimentellen Teil dieser Arbeit angegeben. Das ebenfalls im expehmentellen Teil ange- fiihrte DEBYE-SCHERRER-Diagramm konnte ohne Zersetzungserscheinungen der Substanz aufgenommen werden. Das Kristallpulver zeigte auch nach der Aufnahme den gleichen Schmelzpunkt.

Die Bestimmung der Verbrennungswarmeg) stie13 auf gewisse Schwierig- keitenlo), da sich die Substanz bereits wahrend der Vorperiode in der Bombe unter 30 atm. Sauerstoff zu zersetzen begann, wie ein betrachtlicher positiver Temperaturgang zeigte und eine vollstandige Verbrennung der Verbindung nach der Reaktionsgleichung

N,H,SO, + 6/4 0, + aq -+ 3/2 N, + H,SO,. aq + 6/2 H,O

nur dann gelang, wenn ein Substanz-Benzoesauregemisch (ein Teil Substanz und drei Teile Benzoesaure) zur Zundung gebracht wurde. Ohne Benzoe- saurezugabe trat dabei eine explosionsartige Zersetzung unter Bildung wechselnder Mengen von SO,, N,, SO;- und NEE: auf. Der fur die Verbren- nungswarme erhaltene Wert W, = -1240 cal/g diirfte wegen der bereits vor der Ziindung beginnenden langsamen Zersetzung etwas zu niedrig sein.

Bei einer Diskussion der Struktur fiillt besonders der grol3e Unterschied hinsichtlich der Stabilitat bei dieser Verbindung und der freien Hydroxyl- amido-0-schwefelsaure auf. Nach IR- und kernresonanzspektroskopischen Untersuchungen besitzt Hydroxylamido-0-schwefelsaure die Struktur NH; OSO; 11)12). Dem Salz konnte danach die Formel (N,&)+NH,OSO, oder, wenn berucksichtigt wird, dab Hydroxylamido-0-schwefelsaure als

s, Herrn Dip1.-Chem. H. ROHMER danken wir fur die calorimetrischen Messungen. lo ) Vgl. hierzu: W. A. ROTH, Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 50, 111 (1944). 11) U. WANNAGAT u. R. PFEIFFENSCHREIDER, Z. anorg. allg. Chem. 297, 151 (1958). 12) R. E. RICHARDS u. R. W. YORKE, J. chem. SOC. [London] 1959, 2821.

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NH-Donator fungiert, auch die Formel (N3H,)+OS0, zukommen13). Als Triazan- oder Triazenderivat ware die Unbestandigkeit , der Verbindung erklarlich und ein Zerfall in Hydrazinium( 2 + )-sulfat, und Ammoniumsulfat nach der angegebenen Reaktionsgleichung moglich.

Mit Hydrazin im UberschuB reagiert Hydroxylamido-0-schwefelsaure heftig unter Gas- und Warmeentwicklung. Wird zu einer Losung von Hy- droxylamido-0-schwefelsaure absolutes Hydrazin getropft, so findet mo- mentane Zersetzung des gebildeten Niederschlages bereits in der Reaktions- losung statt, sobald das stochiometrische 1 : I-Verhaltnis von Hydrazin und Hydroxylamido-0-Schwefelsaure uberschritten wird. Bei einem Hydrazin- Hydroxylamido-0-schwefelsaure-Verhaltnis von 2 : 1 treten als feste Reak- tionsprodukte lediglich Hydrazinium( 1 +)-sulfat, (N,H&30,, und Ammo- niumsulfat auf. In der Reaktionslosung konnten keine neuen Reaktions- produkte nachgewiesen werden.

Bei analog durchgefiihrten Versuchen, das dem von uns dargestellten Hydraziniumsalz entsprechende Ammoniumsalz, das als Zwischenprodukt bei der Hydrazinsynthese aua Ammoniak und Hydroxylamido-0-schwefelsaure in Betracht kommt, zu isolieren und ana- lytisch zu untersuchen, konnten als Reaktionsprodukte immer nur Ammoniumsulfat und Ammoniumhydrogensulfat nachgewiesen werden. Mit einem UberschuB an Amrnoniak wurde lediglich Ammoniumsulfat erhalten. Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man, wenn Hydroxylamido-0-schwefelsiiure mit fliissigem Ammoniak zur Reaktion gebracht wird. Bei dieser sehr lebhaft verlaufenden Umsetzung entstehen allerdings neben dem Ammo- niumsulfat auch geringe Mengen von Hydraziniumsulfat, die mit Salicylaldehyd nachgewie- sen werden konnten.

Experiment elles Dars te l lung von NH3S04: Hydroxylamido-0-schwefelsaure wurde nach der in der

Literatur angegebenen Vorschrift 2)11) aus Hydroxylaminhydrochlorid und Chloroschwefel- saure hergestellt.

Dars te l lung von N,H,SO,: Zu einer Losung von 3,6 g Hydroxylamido-O-schwefel- saure in 100 ml absolutem Methanol wurde bei 0" unter krliftigem Riihren 1,0 g absolutes Hydrazin in 50 ml absolutem Methanol getropft. Es bildete sich sofort ein feiner weider Niederschlag. WLhrend einer Nachriihrzeit von 30 Minuten wurde die Reaktionslosung auf Raumtemperatur erwarmt. Der Niederschlag wurde abgesaugt und mehrmals mit absolu- tem Methanol gewaschen. Alle Arbeiten wurden unter Stickstoff durchgefiihrt. Ausbeute 3,O g (662%).

H,N,SO, (145,l) ber. : H 4,86 N 28,95 S 22,09 gef.: H 4,87 N 27,84 S 22, l l .

I R - Absorptionen von N3H,S0, (in cm-I): 3330 m; 3100 st ; 2625 s; 1605 st; 1540 st; 1275 st; 1105 st; 1045 st; 970 st; 888 st; 758 sst; 612 st; 579 m; 554 m; 453 st.

DaB die Substanz zumindest nicht vollstandig als Triazansulfat vorliegt, zeigt die Analyse. Wird die frisch hergestellte Substanz in Wasser gelost und die Sulfatbestimmung in der iiblichen Weise durch FIllung mit BaSO, durchgefiihrt, so lassen sich nur etwa 40% des Gesamtschwefels erfassen.

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Das Spektrum ist nicht gut aufgelost. Die Substanz muBte in Nujol aufgenommen werden, da sie sich bei der Anfertigung eines KBr-PreSlings zersetzte. Die Aufnahme erfolgte mit einem Leitz-Infrarot-Spektrographen im Bereich von 2-24 p.

DEBYE-SCHERRER-Diagramm von N,H,So, (d-Werte): 5,673 st; 4,575 sst; 4,061 st; 3,859 m; 3,679 ss; 3,519 st; 3,412 as; 3,280 ss; 3,187 sst; 3,016 m; 2,896 st; 2,716 a; 2,656 8s;

2,597 a; 2,505 s; 2,415 ss; 2,338 ss; 2,261 st; 2,163 m; 2,030 m; 1,963 es; 1,931 as; 1,906 ss; 1,830 8 ; 1,792 as; 1,759 8s; 1,730 8s; 1,700 m; 1,670 s; 1,633 s.

Best i m mung der Verb r en n un g s w Lr me : Es wurde ein adiabatisches Calorimeter (Hersteller: Janke u. Kunkel, Staufen) mit einer rotierenden Bombe benutzt. Um eine definierte Schwefelsiiurekonzentration nach der Verbrennung zu erhalten, wurden 3 ml Wasser in die Bombe gegeben. Zum Konzentrationsausgleich der Schwefelsaure IieSen wir die Bombe nach erfolgter Verbrennung rotieren.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Chemischen Industrie danken wir f i i r die Forderung dieser Arbeit.

Koln, Institut fur Anosganische Cheniie der Universitat,.

Bei der Redaktion eingegitngen am 16. August 1965.

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