Sozialisation und Bildung I : (7) Familienentwicklung und Stressbewältigung Vorlesung im WS 2009/10...

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Sozialisation und Bildung ISozialisation und Bildung I::

(7) (7) Familienentwicklung Familienentwicklung und Stressbewältigungund Stressbewältigung

Vorlesung im WS 2009/10Vorlesung im WS 2009/10Di 12-14 UhrDi 12-14 Uhr

Prof. Dr. Sabine WalperProf. Dr. Sabine Walper

ÜbersichtÜbersicht

Grundzüge der Grundzüge der FamilienentwicklungstheorieFamilienentwicklungstheorie

Der Übergang zur Elternschaft als Der Übergang zur Elternschaft als kritisches Lebensereigniskritisches Lebensereignis

Stress und Stressbewältigung in der Stress und Stressbewältigung in der FamilieFamilie

ResilienzResilienz

„„Altersstufen“ als typische Altersstufen“ als typische Entwicklungsphasen der Person:Entwicklungsphasen der Person:

Lebenstreppe: "Altersstufen„ Chromo-Lithographie der Fa. May (Dresden) um 1900 (entnommen aus Keller , 1998, p. 401)

(1)    Familien als sich entwickelnde Systeme: Die Familienentwicklungstheorie

Kernannahmen:

1. Familiäres Verhalten im „Hier und Jetzt“ ist von vergangenen Erfahrungen und Zukunftserwartungen der Familienmitglieder abhängig.

2. Familien, die sich in derselben Lebensphase befinden, zeigen ähnliche Verhaltensmuster.

3. Familien werden im Laufe ihres Zusammenlebens mit Aufgaben konfrontiert, die aus ihrem Entwicklungsstand und/oder gesellschaftlichen Erwartungen resultieren.

  Familienentwicklungsaufgaben

Phasen des Familien-zyklus bzw. der Familien-entwicklung und entsprechende Entwicklungsaufgaben

Fragen:

• Was fehlt? Gibt es „blinde Flecken“?• Welche Phase des Familienzyklus ist besonders

anforderungsreich?• Was erleichtert Eltern den Umgang mit der

Pubertät ihrer Kinder?• In welcher Phase des Familienzyklus ist eine

Trennung für die Eltern besonders schwierig?• In welcher Phase des Familienzyklus ist die

Gründung einer Stieffamilien besonders schwierig?

Vorteile und Probleme der Familienentwicklungstheorie

Vorteile:• Erlaubt eine (allgemeine)

Einschätzung von entwicklungstypischen Anforderungen

• Hilfreich für Beratung und die Planung entwicklungsbezogener psycho-sozialer Hilfen

Probleme:• Vernachlässigt

Abweichungen vom „normalen“ Verlauf der Familienentwicklung

• Wird der Vielfalt individueller Lebenslagen nicht gerecht

(2) Der Übergang zur (2) Der Übergang zur Elternschaft als „kritisches Elternschaft als „kritisches

Lebensereignis“Lebensereignis“ Früher: KrisenmodelleFrüher: Krisenmodelle

Jetzt: Übergang zur Jetzt: Übergang zur Elternschaft als Elternschaft als TransitionTransition in der in der Partnerschafts- bzw. Partnerschafts- bzw. FamilienentwicklungFamilienentwicklung

Elternschaft in Zeiten der Elternschaft in Zeiten der Pille:Pille:

„„Verantwortete Verantwortete Elternschaft“Elternschaft“

Der Übergang zur Elternschaft als „kritisches Der Übergang zur Elternschaft als „kritisches Lebensereignis“Lebensereignis“

Übergang zur Elternschaft als Übergang zur Elternschaft als TransitionTransition in der Partnerschafts- bzw. in der Partnerschafts- bzw. FamilienentwicklungFamilienentwicklung

Gekennzeichnet durch Diskontinuitäten Gekennzeichnet durch Diskontinuitäten und Anforderungen:und Anforderungen: Verteilung und Bewältigung zusätzlicher Verteilung und Bewältigung zusätzlicher

Aufgaben bei der KinderpflegeAufgaben bei der Kinderpflege Einschränkungen in anderen Lebensbereichen Einschränkungen in anderen Lebensbereichen

(z.B. Erwerbstätigkeit, Freizeit)(z.B. Erwerbstätigkeit, Freizeit) Finanzielle Mehrbelastung bei zumeist Finanzielle Mehrbelastung bei zumeist

geringerem Einkommengeringerem Einkommen Verlust an exklusiver Zeit für die PartnerschaftVerlust an exklusiver Zeit für die Partnerschaft Physische Belastungen durch mangelnden Physische Belastungen durch mangelnden

SchlafSchlaf

Zentrale Befunde:Zentrale Befunde:

„„Traditionalisierungseffekt“Traditionalisierungseffekt“ Sinkende Sinkende

PartnerschaftszufriedenheitPartnerschaftszufriedenheit Aber: heterogene EffekteAber: heterogene Effekte

Der Übergang zur Elternschaft als „kritisches Der Übergang zur Elternschaft als „kritisches Lebensereignis“Lebensereignis“

Die Ehezufriedenheit der Frauen sinkt mit zunehmender Belastung – aber in Abhängigkeit vom Verhalten des Mannes ihr gegenüber

Der Übergang zur Elternschaft als „kritisches Der Übergang zur Elternschaft als „kritisches Lebensereignis“Lebensereignis“

Für Für FrauenFrauen erschwert sich der Übergang zur erschwert sich der Übergang zur Elternschaft…Elternschaft…

bei schlechter Beziehung zur eigenen Mutterbei schlechter Beziehung zur eigenen Mutter bei mangelnder Unterstützung und Zuwendung bei mangelnder Unterstützung und Zuwendung

seitens des Partnersseitens des Partners bei erlebter Ungerechtigkeit der Aufgabenteilungbei erlebter Ungerechtigkeit der Aufgabenteilung

Für Für Männer Männer erschwert sich der Übergang zur erschwert sich der Übergang zur Elternschaft…Elternschaft…

bei häufigen Konflikten mit der Partnerinbei häufigen Konflikten mit der Partnerin bei mangelnder Zärtlichkeit in der Partnerschaftbei mangelnder Zärtlichkeit in der Partnerschaft bei Einschränkungen in der Freizeitbei Einschränkungen in der Freizeit

Die Stimmung des Kindes im Alter von 3 Monaten lässt sich durch Merkmale der elterlichen Partner-schaft vor der Geburt vorhersagen.

Hierbei sind für Mütter und Väter unter-schiedliche Merkmale der Partnerschaft relevant.

Die Bedeutung der Partnerschaftsqualität vor der Geburt für die Entwicklung der Kinder:

(Graf, 2002)

(3)Die Entstehung und Bewältigung von Stress in

der Familie: Die Familienstresstheorie

Fragen:Fragen:

Was ist „Stress“?Was ist „Stress“?

Wie entsteht Stress?Wie entsteht Stress?

Wie entsteht Stress in der Wie entsteht Stress in der Familie?Familie?

(3) Die Entstehung und Bewältigung von Stress in der Familie: Die

Familienstresstheorie

Vorläufer der Familienstresstheorie:

Frühe Arbeiten zur Auswirkung der Weltwirtschaftskrise auf betroffene Familien (Angell, 1936; Jahoda, Lazarsfeld & Zeisel, 1933; später: Elder, 1974)

Das erste theoretische Modell:

Hill (1958): Das ABCX-Modell „A (das Stressorereignis) – in Interaktion mit B

(den Krisenbewältigungsressourcen der Familie) – in Interaktion mit C (der Definition des Ereignisses durch die Familie) – erzeugt X (die Krise).“ (S. 141)

Das doppelte ABCX-Stressmodell Das doppelte ABCX-Stressmodell

Familienstress als Einflussfaktor Familienstress als Einflussfaktor auf Problemverhalten der Kinder:auf Problemverhalten der Kinder:

Formen der Formen der Stressbewältigung:Stressbewältigung:

Individuelles Coping:Individuelles Coping:

Coping-Theorie von Richard LazarusCoping-Theorie von Richard Lazarus (1974; Lazarus & Launier, 1981): (1974; Lazarus & Launier, 1981):

3 Stufen der Belastungsbewältigung:3 Stufen der Belastungsbewältigung: Primary appraisalPrimary appraisal Secondary appraisalSecondary appraisal reappraisalreappraisal

Appraisal-Prozesse:Appraisal-Prozesse:

Primary Primary Appraisal: Appraisal:

positiv irrelevantPotentiell gefährlich

Heraus-forderung

BedrohungSchädigung /

Verlust

Einschätzung der Situation als …

Appraisal-Prozesse:Appraisal-Prozesse:

Secondary Secondary Appraisal:Appraisal:

Coping-Ressourcenverfügbar

Coping-Ressourcen

Nicht verfügbar

StressCoping-Strategie

Appraisal-Prozesse:Appraisal-Prozesse:

Re- Re- Appraisal:Appraisal:

Copinggelungen ?

Copingnicht gelungen?

Änderung Der Soll-

Werte

PositiveZufrieden-

heit

Coping-Prozesse:Coping-Prozesse:

Coping: Coping:

Problem-orientiert

Emotions-orientiert

Bewertungs-orientiert

Coping-Prozesse:Coping-Prozesse:

Coping: Coping:

Problem-orientiert

Emotions-orientiert

Bewertungs-orientiert

Beispiel: Es ist Weihnachten und Sie haben den letzten Zug nach Hause verpasst.

Sie mieten sich ein Auto.

Sie treten vor die nächste

Mülltonne.

Sie sagen sich, dass es zuhause

eh nur Streit gegeben hätte.

Formen der Formen der StressbewältigungStressbewältigung

Individuelles CopingIndividuelles Coping Dyadisches CopingDyadisches Coping (Bodenmann, 2004; Bodenmann (Bodenmann, 2004; Bodenmann

& Perrez, 1991)& Perrez, 1991)

= koordinierte Handlungen der beiden Partner = koordinierte Handlungen der beiden Partner zur Bewältigung sachbezogener Probleme zur Bewältigung sachbezogener Probleme (gleichmäßige Aufgabenverteilung, (gleichmäßige Aufgabenverteilung, gemeinsame Lösungsdiskussion) oder die gemeinsame Lösungsdiskussion) oder die Regulation emotionaler Stressoren Regulation emotionaler Stressoren (Beziehungskonflikte) durch gemeinsame (Beziehungskonflikte) durch gemeinsame Gespräche, gegenseitige Solidarisierung, Gespräche, gegenseitige Solidarisierung, Austausch von Zärtlichkeit, geteiltem Austausch von Zärtlichkeit, geteiltem Humor, gemeinsame Freizeitaktivitäten usw. Humor, gemeinsame Freizeitaktivitäten usw.

Formen des dyadischen Copings: Formen des dyadischen Copings:

DyadischesDyadischesCoping:Coping:

supportivEmotions-Orientiertsupportiv

Delegation

ResilienzResilienz von lat. von lat. resilireresilire: :

zurückspringen, abprallenzurückspringen, abprallen

Bezeichnet die Fähigkeit, auf Bezeichnet die Fähigkeit, auf Anforderungen Anforderungen unterschiedlicher Situationen unterschiedlicher Situationen flexibel zu reagieren und auch flexibel zu reagieren und auch schwierige, stressreiche schwierige, stressreiche Lebenslagen erfolgreich zu Lebenslagen erfolgreich zu meisternmeistern

Urspünglich: Stärke eines Urspünglich: Stärke eines Menschen, multiple Menschen, multiple Belastungen oder schwere Belastungen oder schwere Lebenskrisen ohne merkliche Lebenskrisen ohne merkliche Belastungen zu überstehenBelastungen zu überstehen

Gegenstück: Vulnerabilität Gegenstück: Vulnerabilität (Verletzlichkeit) (Verletzlichkeit)

GeringGeringe e Stress-Stress-ReaktiReaktio-neno-nen

Starke Starke Stress-Stress-ReaktiReaktio-neno-nen

Keine / Keine / schwachschwache e StressorStressorenen

Viele / Viele / starke starke StressorStressorenen

ResilieResilienznz

Resilienzförderliche FaktorenResilienzförderliche Faktoren

Personale Merkmale:Personale Merkmale: Alter Geschlecht Intelligenz Emotionale Stabilität Selbstwertgefühl Selbstwirksamkeit Kohärenzsinn (Sense

of Coherence, Antonovsky)

….

Soziale / Soziale / kontextuelle kontextuelle Merkmale:Merkmale:

Sichere Bindung Autoritative

Erziehung Soziale Unterstützung Nachbarschaftskohäsi

on ….

Wichtige Forschung: Emmy E. Werner (*1929): Studie über eine Geburtskohorte von Kindern auf Kauai:Werner , E. E. & Smith, R.S. (1982).Vulnerable but invincible. A longitudinal study of resilient children and youth. New York: McGraw Hill.

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Übergang zur Elternschaft:Übergang zur Elternschaft: El-Giamal, M. (1997). Veränderungen der El-Giamal, M. (1997). Veränderungen der

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit

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