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HERLEITUNG DER LANGRANGESCHEN GLEICHUNGEN 1 Lagrange’sche Gleichung 1. Art 1.1 Einf¨ uhrung und Beispiel Abb. 1: Massepunkt auf einer Geraden Bewege sich ein Massepunkt auf einer Geraden (G) im Raum, so hat dieser einen Freiheitsgrad, d.h. es ussen 2 Zwangsbedingungen ur ihn gelten. In Abb. 1 sind diese durch die Abst¨ande l 1 und l 2 zu zwei weiteren, zu G parallelen Geraden gegeben. Der Punkt kann nun eine infinitesimal kleine Bewe- gung vornehmen, welche mit den Zwangsbedingun- gen vertr¨ aglich sein muss. Vergeht dabei, im Gegen- satz zur Realit¨at, keine Zeit, so spricht man von einer virtuellen Verr¨ uckung δr. In unserem Fall muss diese Bewegung selbstverst¨ andlich auf G erfol- gen. Im Allgemeinen muss auf den Massepunkt eine Zwangskraft Z wirken, damit er auf der, von den Zwangsbedingungen vorgeschriebenen Bahn verharren kann. Zusammen mit weiteren, bekannten Kr¨aften l¨asst sich nach dem 2. Newtonschen Axiom die Bewegung des K¨orpers beschreiben: m ¨ ~ r = X i ~ F i + ~ Z 1.2 D’Alembert’sches Prinzip Zwangskr¨ afte verrichten keine virtuelle Arbeit: ~ Z · ~ δr =0 1.3 ¨ Uberlegungen zu g In Abb. 1 ist erkennbar, dass der Gradient der Zwangsbedingung g in jedem Fall in- nerhalb der Ebene, zu welcher δr senkrecht steht, liegt. Das ist auch zu erwarten, denn urde sich der Punkt senkrecht von G entfernen, so weicht die Zwangsbedingung sicher- lich st¨arker ab, als wenn er die Gerade unter kleinem Winkel verl¨ asst. Rechnerisch zeigt man das so: g(x 1 , ..., x n ,t)=0 dg = ∂g ∂x 1 dx 1 + ... + ∂g ∂x n dx n + ∂g ∂t dt =0 = gd~ r + ∂g ∂t dt =0

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HERLEITUNG DER LANGRANGESCHEN GLEICHUNGEN

1 Lagrange’sche Gleichung 1. Art

1.1 Einfuhrung und Beispiel

Abb. 1: Massepunkt aufeiner Geraden

Bewege sich ein Massepunkt auf einer Geraden (G)im Raum, so hat dieser einen Freiheitsgrad, d.h. esmussen 2 Zwangsbedingungen fur ihn gelten. InAbb. 1 sind diese durch die Abstande l1 und l2zu zwei weiteren, zu G parallelen Geraden gegeben.Der Punkt kann nun eine infinitesimal kleine Bewe-gung vornehmen, welche mit den Zwangsbedingun-gen vertraglich sein muss. Vergeht dabei, im Gegen-satz zur Realitat, keine Zeit, so spricht man voneiner virtuellen Verruckung δr. In unserem Fallmuss diese Bewegung selbstverstandlich auf G erfol-gen.

Im Allgemeinen muss auf den Massepunkt eineZwangskraft Z wirken, damit er auf der, von denZwangsbedingungen vorgeschriebenen Bahn verharrenkann. Zusammen mit weiteren, bekannten Kraften lasstsich nach dem 2. Newtonschen Axiom die Bewegung des Korpers beschreiben:

m~r =∑

i

~Fi + ~Z

1.2 D’Alembert’sches Prinzip

Zwangskrafte verrichten keine virtuelle Arbeit:

~Z · ~δr = 0

1.3 Uberlegungen zu ∇g

In Abb. 1 ist erkennbar, dass der Gradient der Zwangsbedingung g in jedem Fall in-nerhalb der Ebene, zu welcher δr senkrecht steht, liegt. Das ist auch zu erwarten, dennwurde sich der Punkt senkrecht von G entfernen, so weicht die Zwangsbedingung sicher-lich starker ab, als wenn er die Gerade unter kleinem Winkel verlasst. Rechnerisch zeigtman das so:

g(x1, ..., xn, t) = 0

dg =∂g

∂x1dx1 + ... +

∂g

∂xndxn +

∂g

∂tdt = 0

= ∇gd~r +∂g

∂tdt = 0

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HERLEITUNG DER LANGRANGESCHEN GLEICHUNGEN

Fur dr wird nun die virtuelle Verruckung eingesetzt, was bedeutet, dass keine Zeit dtvergeht. So ergibt sich:

dg = ∇gδ~r = 0

Folglich steht der Gradient der Zwangsbedingung senkrecht auf δr

1.4 Bestimmung von ~Z und Aufstellen der Lagrange-Gleichung 1. Art

Nach D’Alembert liegt die gesuchte Zwangskraft Z senkrecht zu δr. Da dies ebenfallsfur die Gradienten der Zwangsbedingungen gilt, liegen Zwangskraft und Gradienten ineiner Ebene. Sie sind somit linear kombinierbar:

~Z =R∑

α=1

λα(t)∇gα

Fur die newton’scheBewegungsgleichung folgt:

m~xn =∑

i

~F (i)n +

R∑

α=1

λα(t)∇ngα

= ~Fn +R∑

α=1

λα(t)∂

∂xngα

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HERLEITUNG DER LANGRANGESCHEN GLEICHUNGEN

2 Lagrange’sche Gleichung 2. Art

Wir setzen mit dem Ergebnis der vorangegangenen Rechnung fort:

mnxn = Fn +R∑

α=1

λα(t)∂gα

∂xn

2.1 Zwangskraft eliminieren

Es werden nun generalisierte Koordinaten q1, ..., qf eingefuhrt, welche die Zwangsbe-dingungen automatisch erfullen. Dies bedeutet, dass die Zwangsbedingungen bei derenAnderung konstant bleiben und somit dgα

dqk

!= 0 ∀α, k. Die Original-Koordinaten x1, ..., x3N

sind nun Funktionen von diesen Koordinaten und der Zeit.

Multiplikation mit ∂xn∂qk

und Summierung uber n:

3N∑

n=1

mnxn∂xn

∂qk=

3N∑

n=1

Fn∂xn

∂qk+

R∑

α=1

λα(t)3N∑

n=1

∂gα

∂xn

∂xn

∂qk

3N∑

n=1

∂gα

∂xn

∂xn

∂qk=

dgα

dqk

!= 0

⇒3N∑

n=1

mnxn∂xn

∂qk=

3N∑

n=1

Fn∂xn

∂qk(1)

2.2 Uberlegungen zur Geschwindigkeit xn

xn =d

dtxn(q1, ..., qf , t)

=f∑

k=1

∂xn

∂qkqk +

∂xn

∂t= xn(q1, ..., qf , q1, ..., qf , t)

∂xn

∂qk=

∂xn

∂qk(2)

2.3 Kinetische Energie

T = T (x) =3N∑

n=1

m

2x2

n

∂qk

[x2

]= 2

∂xn

∂qkxn (3)

∂T

∂qk= (3) =

3N∑

n=1

mnxn∂xn

∂qkanalog

∂T

∂qk=

3N∑

n=1

mnxn∂xn

∂qk(4)

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HERLEITUNG DER LANGRANGESCHEN GLEICHUNGEN

d

dt

∂T

∂qk=

3N∑

n=1

[mnxn

∂xn

∂qk+ mnxn

d

dt

∂xn

∂qk

]

= (2) =3N∑

n=1

[mnxn

∂xn

∂qk+ mnxn

d

dt

∂xn

∂qk

]

= (1) =3N∑

n=1

Fn∂xn

∂qk+

3N∑

n=1

mnxd

dt

∂xn

∂qk(5)

2.3.1 Beweis zur Vermutung ddt

∂xn∂qk

= ∂∂qk

dxndt

d

dt

∂xn

∂qk=

f∑

l=1

∂ql

∂xn

∂qkql +

∂t

∂xn

∂qk

=∂

∂qk

[f∑

l=1

∂xn

∂qlql +

∂xn

∂t

]

=∂

∂qk

[dxn

dt

]

¤Dies kann nun in (5) eingesetzt werden

d

dt

∂T

∂qk=

3N∑

n=1

Fn∂xn

∂qk+

3N∑

n=1

mnx∂

∂qk

dxn

dt

=3N∑

n=1

Fn∂xn

∂qk+

3N∑

n=1

mnx∂xn

∂qk

= (4) =3N∑

n=1

Fn∂xn

∂qk+

∂T

∂qk

Fur die kinetische Energie verbleibt:

d

dt

∂T

∂qk− ∂T

∂qk=

3N∑

n=1

Fn∂xn

∂qk:= Qk (6)

Hier wird die verallgemeinerte Kraft Qk eingefuhrt

2.4 Potentielle Energie

U(q1, ..., qf , t) = U(x1(q1, ..., qf , t), ..., x3N (q1, ..., qf , t), t)

∂U(q1, ..., qf , t)∂qk

=∂U(x1, ..., x3N , t)

∂qk=

3N∑

n=1

∂U

∂xn

∂xn

∂qk

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HERLEITUNG DER LANGRANGESCHEN GLEICHUNGEN

F = −∇U

Fn = − ∂U

∂xn

(7)

∂U(q1, ..., qf , t)∂qk

= (7) = −3N∑

n=1

Fn∂xn

∂qk:= −Qk

Das Potential sei nicht von der Geschwindigkeit abhangig, somit folgt: ∂U∂qk

= 0 Fur diepotentielle Energie verbleibt:

d

dt

∂U

∂qk− ∂U

∂qk= Qk (8)

2.5 Aufstellen der Lagrange-Gleichung 2. Art

Wir subtrahieren (8) von (6) und finden die gesuchte Gleichung:

d

dt

∂(T − U)∂qk

− ∂(T − U)∂qk

= 0

Nun wird noch die Langrangefunktion L := T − U eingefuhrt, das Endergebnis lautet:

d

dt

∂L∂qk

− ∂L∂qk

= 0

Marcus Bugner Dresden, 29.05.2009