20110618_crowdfunding

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  • 8/6/2019 20110618_crowdfunding

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    Crowdfunding: ein neuer Finanzierungsansatz fr den Kunst- und Kulturbereich?

    Ob Spiegel, Handelsblatt oder TAZ, das Thema Crowdfunding ist auch in den klassischen Medienangekommen. Geld ist knapp, nicht nur im Kunst- und Kulturbereich, und so verbinden viele mitdiesem Thema die Hoffnung, dass sich hier ein Weg zur Finanzierung der eigenen Vorhaben auftut.Das heit vereinfacht gesagt: das fehlende Geld macht das Thema so interessant, was damit zu tunhat, das Bund, Lnder und Kommunen einem immer strker werdenden Spardruck ausgesetzt sindund daher nicht mehr in der Lage sind, den stndig wachsenden Bereich von Kunst und Kultur mitden ntigen finanziellen Mitteln zu versorgen.

    Aber was ist Crowdfunding jetzt eigentlich und worauf muss man dabei achten?Wer Wikipedia zuRate zieht, erfhrt dort, dass bei der Schwarmfinanzierung die anonyme Masse der Internetnutzer alsKapitalgeber fungiert. hnlich formuliert es Wolfgang Gumpelmaier in seinem Artikel WarumCrowdfunding kein schnelles Geld verspricht Voraussetzungen fr gelungenes Online-Fundraising(in: Social Media im Kulturmanagement , S. 366):

    Abgeleitet vom Begriff Crowdsourcing bezeichnet Crowdfunding im Allgemeinen einen Prozess der

    Projektfinanzierung, bei dem ber das Internet kleine Geldbetrge von einer (meist) anonymenMasse in kollektiver Zusammenarbeit eingesammelt werden.

    Hufig werden diese Kleinbetrge auch als Spenden bezeichnet, was aber nicht ganz korrekt ist, dennder Kapitalgeber erhlt, im Gegensatz zur Spende, fr seine finanzielle Untersttzung eineGegenleistung. Das kann das zu schreibende Buch, die CD, die produziert werden soll oder auch einDankeschn per Video sein. Eigentlich entspricht es damit eher dem Sponsoring, wo es um denAustausch von Leistung und Gegenleistung geht.

    Wie funktioniert Crowdfunding? Sie knnen zwar theoretisch auch auf Ihrer eigenen Website um diebentigte Summe werben. Aber meist findet Crowdfunding auf dafr eingerichteten Plattformen

    statt. Den ersten erfolgreichen Versuch im Kunst- und Kulturbereich unternahm im Jahr 2006 diePlattform Sellaband, auf der Musiker und/oder Bands versuchten, 50.000 Dollar fr ihre CD-Produktion zu sammeln. Die Plattformbetreiber erhielten dann im Erfolgsfall eine Provision, einGeschftsmodell, das sich als wenig praktikabel erwiesen hat, da die Hrde mit 50.000 Dollar viel zuhoch lag und so kaum Geld in die Kasse kam. Zwar ist die Hrde heute nicht mehr so hoch, abertrotzdem wird man mit einer solchen Plattform nicht reich, in Deutschland reichen die Provisionenvermutlich noch nicht einmal dazu, die Kosten fr den Betrieb der Seite zu decken. UnlautereAbsichten oder den Wunsch nach dem schnellen Geld muss man daher keinem derPlattformbetreiber unterstellen, da gibt es vermutlich interessantere Mglichkeiten.

    Wer ein Projekt per Crowdfunding finanzieren mchte, stellt sein Vorhaben auf einer der Plattformen

    (z.B.mysherpas , startnext oder inkubato) vor. Wichtig dabei ist nicht nur eine verstndlicheProjektbeschreibung in Textform, sondern auch ein Video, in dem die Macher entweder ihr Vorhabenerklren oder man sich anhand von Ausschnitten ein Bild machen kann, worum es in dem Projektgehen wird. Auch Fotos sind natrlich nicht schlecht.

    Wichtig ist nun, dass man genau darstellt, wie viel Geld man eigentlich bentigt und worin dieGegenleistungen bestehen. Das kann im Musikbereich die produzierte CD, im Filmbereich die DVD, inder Literatur das Buch, aber natrlich auch die Einladung zur Veranstaltung sein. Orientiert sich dieGegenleistung am Produkt, bedeutet das, dass die Bezahlung fr die Nutzung bzw. den Erwerb des

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    Produktes an den Beginn der Produktionsphase gewandert ist, whrend man normalerweise die CD,die DVD oder das Buch erst dann verkauft, wenn die Produktion abgeschlossen ist. Der Vorteil fr dieProjektverantwortlichen besteht daher in einer greren Planungssicherheit. Erst wenn ich vonmeinen Kunden das Geld erhalten habe, beginne ich mit der Produktion.

    Wie knnen die Projekte untersttzt werden? Das Geld wird in der Regel per berweisung,Kreditkarte oder via PayPal zum Plattformbetreiber transferiert. Schaffen es die Projektbetreiber,innerhalb des vorgegebenen Zeitraums (bis zu 6 Monaten), die gewnschte (und nach auen hinsichtbare) Summe zusammen zu bekommen, wird ihnen das Geld vom Plattformbetreiberberwiesen. Gelingt es ihnen nicht, die gewnschte Summe einzusammeln, geht das Geld an dieUntersttzer zurck.

    Wie kann ich Untersttzer fr mein Projekt gewinnen? Das Projekt zu planen, zu budgetieren unddann auf der gewhlten Plattform zu prsentieren, ist zwar nicht ohne, aber nun beginnt dieeigentliche Arbeit: die Untersttzer mssen gefunden werden.

    Wer glaubt, dass die eigene Idee gut ist und sich, nachdem das Vorhaben online ist, zurcklehnt und

    darauf wartet, dass das Geld zu flieen beginnt, wird vermutlich eine bse Enttuschung erleben. Eskommt zwar immer wieder mal vor, dass ein Projekt auf unerwartet groes Interesse stt und maneigentlich gar nichts tun muss, um das Geld zusammen zu bekommen. Aber meist steckt hinter einererfolgreichen Crowdfunding-Kampagne sehr viel Arbeit. Die Erfolgsformel lautet:Qualitt+Reputation+Netzwerk

    Dass es sich bei meinem Vorhaben um eine gute Projektidee handelt, die anderen Menschen gutgefllt, ist selbstverstndlich. Qualitt ist eigentlich die Grundvoraussetzung fr Crowdfunding. Istmein Vorhaben nicht gut, nicht originell, wird mir wohl kaum jemand Geld dafr zur Verfgungstellen. Aber selbst mit der entsprechenden Qualitt ist mein Vorhaben kein Selbstlufer. Wanngeben wir jemandem Geld fr etwas, was wir nicht unbedingt brauchen? Nur wenn wir dieser Person

    vertrauen. Vertrauen ist das Ergebnis von Reputation, die man sich erarbeiten muss. Je hher dieReputation, desto niedriger ist der Aufwand, andere zu etwas zu berreden. Ihr Lieblingsautor musswenig tun, um Sie dazu zu bringen, sein neuestes Buch zu kaufen, er geniet in Ihren Augen einehohe Reputation. Da tut sich ein Ihnen vllig unbekannter Schriftsteller schon wesentlich schwerer.

    Mindestens ebenso wichtig ist ein -mglichst - groes Netzwerk, denn im Idealfall erzhlen meineFans und Untersttzer ihren Freunden von meinem Projekt und berzeugen sie davon, mich undmein Vorhaben ebenfalls zu untersttzen. Der Multiplikatoreffekt ist von groer Bedeutung, nur sotrifft zu, was in Wikipedia ber Crowdfunding zu lesen ist: es ist die anonyme Masse, die meinVorhaben finanziert, also Menschen, die ich nicht kenne und die trotzdem bereit sind, in meinProjekt zu investieren.

    Soweit das Grundprinzip des Crowdfunding. Natrlich gibt es noch einige Aspekte, die Beachtungverdienen. Ist Crowdfunding etwa fr alle Projekte im Kunst- und Kulturbereich geeignet oder ist dieTendenz, dass Kunst dann gefallen muss, um finanziert zu werden, nicht eine Entwicklung, die denMainstream frdert? Eine andere Frage ist, ob Crowdfunding die ffentliche Frderung ersetzenkann oder ob es darum geht, Modelle zu entwickeln, die beide Finanzierungsformen kombinieren?Wie sehen Sie das?

    Christian Henner-Fehr