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2.6 Stetigkeit und Grenzwerte Anschaulich gesprochen ist eine Funktion stetig, wenn ihr Graph sich zeichnen asst, ohne den Stift abzusetzen. Das ist nat¨ urlich keine pr¨ azise mathematische Definition und auch nicht immer eine brauchbare Beschreibung, wie wir sp¨ ater in Beispiel 2.29 sehen werden. Zun¨ achst einige einfachere Beispiele. Beispiel 2.25 Der Graph der Funktion f : [0, 5] −→ [0, 5], f (x)= x, falls x [0, 2], 3, falls x (2, 5] ist gegeben durch Mathematik I – WiSe 2005/2006 245 ο 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 1 2 3 4 5 x Mathematik I – WiSe 2005/2006 246

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2.6 Stetigkeit und Grenzwerte

Anschaulich gesprochen ist eine Funktion stetig, wenn ihr Graph sich zeichnenlasst, ohne den Stift abzusetzen. Das ist naturlich keine prazise mathematischeDefinition und auch nicht immer eine brauchbare Beschreibung, wie wir spater inBeispiel 2.29 sehen werden.

Zunachst einige einfachere Beispiele.

Beispiel 2.25 Der Graph der Funktion

f : [0, 5] −→ [0, 5], f(x) =

{

x, falls x ∈ [0, 2],3, falls x ∈ (2, 5]

ist gegeben durch

Mathematik I – WiSe 2005/2006 245

ο

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

1 2 3 4 5

x

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wobei der • andeutet, dass f(2) = 2 ist. Offensichtlich hat die Funktion f an derStelle 2 eine Sprungstelle.

Die nachsten Beispiele sollten Ihnen aus dem Abschnitt uber rationale Funktionenvertraut sein.

Beispiel 2.26 Wir betrachten die Funktion

f : R −→ R, f(x) =x

x − 3=

x − 3 + 3

x − 3= 1 +

3

x − 3.

Da f(x) fur x = 3 nicht definiert ist, ist der maximale Definitionsbereich

D(f) = R\{3}.

Der Graph von f hat die folgende Gestalt

Mathematik I – WiSe 2005/2006 247

–15

–10

–5

0

5

10

15

2 3 4 5

x

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Bei Annaherung der Argumente x von links gegen 3 werden die Funktionswertebeliebig klein, bei Annaherung von rechts beliebig groß.

Beispiel 2.27 Die Funktion

f : R −→ R, f(x) =(x − 1)2(x + 2)

(x − 1)2

hat den Definitionsbereich D(f) = R\{1} und den Graphen

Mathematik I – WiSe 2005/2006 249

ο

–1

1

2

3

4

5

–3 –2 –1 1 2 3

x

Die Funktion ist zwar an der Stelle x0 = 1 nicht definiert, aber offensichtlichkann durch Hinzunahme des Punktes (1, 3) der Graph “geschlossen” werden. Esgibt also eine schone “Ersatzfunktion” g(x) = x + 2, die nach Hinzunahme des

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Punktes (1, 3) entsteht.

Wir wollen nun den Begriff der Stetigkeit formal exakt definieren. Wirbeginnen dabei mit der Situation, dass wir Stetigkeit an einem Punkt desDefinitionsbereiches untersuchen.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 251

Sei f : R → R eine Funktion mit Definitionsbereich D. f heißtstetig an der Stelle x0 ∈ D, wenn sich zu jedem beliebig kleinenε ∈ R

+ ein δ ∈ R+ finden lasst, so dass fur alle x-Werte in D, die

weniger als δ von x0 entfernt sind, die zugehorigen Funktionswertef(x) weniger als ε von f(x0) entfernt liegen. Prazise heißt dies,

wenn aus |x − x0| < δ und x ∈ D stets |f(x) − f(x0)| < ε folgt.

f heißt stetig auf der Teilmenge A ⊆ D, wenn f an jeder Stellex0 ∈ A stetig ist. f heißt stetig, wenn f stetig auf dem ganzenDefinitionsbereich D ist.

Stetigkeit an einer Stelle x0 stellt man sich anschaulich folgendermaßen vor:

Legt man symmetrisch um f(x0) einen waagerechten Streifen beliebig kleiner

Mathematik I – WiSe 2005/2006 252

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Breite 2ε, so muss es einen senkrechten Streifen symmetrisch um x0 geben, sodass der Teil des Graphen, der im senkrechten Streifen liegt, automatisch auch indem waagerechten Streifen liegt. Hierbei kann die Breite des senkrechten Streifenso klein wie notig gewahlt werden, in obiger Definition ist sie 2δ. Der waagerechteStreifen ist die Menge

{(x, y) | x ∈ R, f(x0) − ε < y < f(x0) + ε},

der senkrechte ist die Menge

{(x, y) | y ∈ R, x0 − δ < x < x0 + δ}.

Das folgende Beispiel zeigt, wie man den δ-Streifen korrekt wahlen kann, um hierbeispielsweise Stetigkeit an der Stelle x0 = −2 zu zeigen:

Mathematik I – WiSe 2005/2006 253

- Streifenδ

- Streifenε•

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

–2.8 –2.6 –2.4 –2.2 –2 –1.8 –1.6 –1.4 –1.2 –1

xMathematik I – WiSe 2005/2006 254

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Die nachste Skizze zeigt, wie es nicht geht. Hier ist δ zu groß gewahlt worden.

δ

- Streifenε•

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

–2.8 –2.6 –2.4 –2.2 –2 –1.8 –1.6 –1.4 –1.2 –1

x

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Beispiel 2.28 Die Funktion aus Beispiel 2.25 ist nicht stetig an x0 = 2. Fureinen waagerechten Streifen der Breite 1 (also ε = 1/2) symmetrisch um f(2) = 2gibt es keinen passenden senkrechten Streifen. Die Funktion ist aber auf denIntervallen [0, 2] und (2, 5] stetig. In der folgenden Skizze ist der ǫ-Streifenwieder blau gekennzeichnet. Wir haben beispielhaft einen grunen δ-Streifeneingezeichnet. Auch wenn Sie δ kleiner wahlen gelingt es Ihnen nicht, dieFunktionswerte des δ-Streifens ganz in den ǫ-Streifen zu zwingen.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 256

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ο

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

1 2 3 4 5

x

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Beispiel 2.29 Die Anschauung, dass eine Funktion stetig ist, wenn man ihrenGraphen zeichnen kann, ohne den Stift abzusetzen, ist mit Vorsicht zu genießen.Man kann mit obiger Definition beweisen, dass die Funktion

f : R −→ R, f(x) =

{

x sin(

1x

)

, x 6= 0,

0, x = 0.

auf ganz R stetig ist, also auch an der Stelle x0 = 0 (sin bezeichnet dieSinus-Funktion). Ihr Graph hat folgendes Aussehen im Intervall [0.5, 0.5]:

Mathematik I – WiSe 2005/2006 258

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–0.2

–0.1

0.1

0.2

0.3

0.4

–0.4 –0.2 0.2 0.4

x

“Zoomen” wir uns naher an die Werte fur x = 0 heran, versucht MAPLE(ein Computeralgebra-System) den Graph im Intervall [0.00001..0.00001] so zuzeichnen:

Mathematik I – WiSe 2005/2006 259

–8e–06

–6e–06

–4e–06

–2e–06

0

2e–06

4e–06

6e–06

8e–06

1e–05

–1e–05 –6e–06 2e–06 6e–06 1e–05

x

Mathematik I – WiSe 2005/2006 260

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Gemaß der Definition sind die beiden Funktionen in Beispiel 2.26 und 2.27beide stetig, denn die einzigen Problemfalle der Graphen gehoren nicht zumDefinitionsbereich der jeweiligen Funktion. Um auch diese Phanomene zubehandeln, muss man geringfugig anders vorgehen.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 261

Seien f : R → R eine Funktion mit DefinitionsbereichD. Ferner sei x0 ∈ R eine Stelle, fur die es einIntervall (x, x0) in D gibt. Außerdem sei a ∈ R eineZahl. Dann heißt

a linksseitiger Grenzwert von f an der Stelle x0,

falls es fur alle ε ∈ R+ ein δ ∈ R

+ gibt, so dass ausx ∈ D ∩ (x0 − δ, x0) stets |f(x) − a| < ε folgt. Wirschreiben dann

limxրx0

f(x) = a.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 262

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Analog definiert man rechtsseitigen Grenzwert, indemman (x, x0) und (x0 − δ, x0) durch (x0, x) und(x0, x0+δ) ersetzt. In dem Fall, dass a rechtsseitigerGrenzwert an der Stelle x0 ist, schreibt man

limxցx0

f(x) = a.

Besonders wichtig ist der Fall, dass rechts- und linksseitiger Grenzwert existierenund gleich sind:

Mathematik I – WiSe 2005/2006 263

a heißt Grenzwert an der Stelle x0, wenn a links- undrechtsseitiger Grenzwert an x0 ist, Schreibweise:

limx→x0

f(x) = a.

Die Forderung eines Intervalls (x, x0) ⊆ D bedeutet , dass es links von x0 auchwirklich einen Graphen von f gibt.

Es kann vorkommen, dass eine Funktion gar keinen rechtsseitigen Grenzwert ander Stelle x0 hat, aber einen linksseitigen oder umgekehrt. Sie kann auch wedereinen rechtsseitigen noch einen linksseitigen Grenzwert an x0 haben.

Die anschauliche Beschreibung mit dem waagerechten und senkrechten Streifenist auch hier wieder anwendbar: man muss lediglich vom senkrechten Streifen nur

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die linke bzw. rechte Halfte (ohne Mittelstreifen) betrachten.

Beispiel 2.30 • Die Funktion in Beispiel 2.25 hat an der Stelle x0 = 2 denlinksseitigen Grenzwert 2 und den rechtsseitigen Grenzwert 3, also: lim

xր2f(x) =

2 und limxց2

f(x) = 3. Der linksseitige Grenzwert stimmt mit dem Funktionswert

f(2) uberein.

• Die Funktion in Beispiel 2.26 hat an der Stelle x0 = 3 weder einen linksseitigennoch einen rechtsseitigen Grenzwert.

• Die Funktion in Beispiel 2.27 hat an der Stelle x0 = 1 den Grenzwert 3, alsolimx→1

f(x) = 3.

Stetigkeit lasst sich mit Hilfe von Grenzwerten ausdrucken.

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Eine Funktion f : R −→ R ist stetig an derStelle x0 ∈ D(f), wenn f an der Stelle x0

einen linksseitigen und einen rechtsseitgen Grenzwerthat und diese beide mit dem Funktionswert f(x0)ubereinstimmen, wenn also gilt:

limxրx0

f(x) = limxցx0

f(x) = limx→x0

f(x) = f(x0).

Hier sind noch einige Sprechweisen fur Spezialfalle:

Mathematik I – WiSe 2005/2006 266

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• Wenn x0 ∈ D(f) ist und limxրx0

f(x) und limxցx0

f(x)

beide existieren, aber verschieden sind, dann heißtx0 Sprungstelle von f .

• Wenn x0 ∈ D(f) ist und limx→x0

f(x) existiert

(also limxրx0

f(x) und limxցx0

f(x) beide existieren

und ubereinstimmen) aber von f(x0) verschiedenist, heißt x0 eine hebbare Unstetigkeitsstelle.

• Ist x0 6∈ D(f) und limx→x0

f(x) existiert, so heißt x0

eine hebbare Definitionslucke.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 267

Vergleichen Sie dies bitte mit den Ausfuhrungen uber rationale Funktionen (Seite229)

Beispiel 2.31 Fur die Funktion

f : R → R, f(x) =

{

2x + 7, x 6= 4,13, x = 4

mit dem Graphen

Mathematik I – WiSe 2005/2006 268

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ο

12

14

16

18

2 3 4 5 6

x

ist x0 = 4 eine hebbare Unstetigkeitsstelle.

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Rechenregeln fur GrenzwerteSeien f, g : R → R Funktionen und x0 ∈ R eine Stelle derart, dasses Intervalle (x, x0) und (x0, x) in der Menge D(f) ∩ D(g) gibt.

Wenn limx→x0 f(x) und limx→x0 g(x) existieren, dann existierenauch limx→x0(f(x) ± g(x)) und limx→x0(f(x) · g(x)), und es ist

limx→x0(f(x) + g(x)) = limx→x0

f(x) + limx→x0g(x)

limx→x0(f(x) − g(x)) = limx→x0 f(x) − limx→x0 g(x)

limx→x0(f(x) · g(x)) = limx→x0

f(x) · limx→x0g(x) .

Ist außerdem limx→x0 g(x) 6= 0, dann existiert auch limx→x0

f(x)g(x),

und es ist

limx→x0

f(x)

g(x)=

limx→x0 f(x)

limx→x0 g(x)

Entsprechende Aussagen gelten fur einseitige Grenzwerte.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 270

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Rechenregeln zur StetigkeitSeien f, g : R → R Funktionen, die beide inx0 ∈ D(f) ∩ D(g) stetig sind. Dann sind auchdie Funktionenf ± g : R → R, f · g : R → R, λf : R → R (furalle λ ∈ R) stetig in x0. Ist zudem g(x0) 6= 0,

dann ist auch die Funktionf

g: R → R stetig in

x0.

Seien f : R → R und g : R → R Funktionen mitW (f) ⊆ D(g). Ist f in x0 stetig, und ist g inf(x0) stetig, dann ist auch die zusammengesetzteFunktion g ◦ f : R → R in x0 stetig.

Stetige Funktionen haben sehr schone und anschauliche Eigenschaften.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 271

Satz 2.6 Sei f : R → R eine auf [a, b] ⊆ D(f)stetige Funktion. Dann ist f beschrankt, und esgibt xmin, xmax ∈ [a, b], so dass gilt:

f(xmin) ≤ f(x) ≤ f(xmax) fur alle x ∈ [a, b] .

(Eine stetige Funktion nimmt auf einemabgeschlossenen Intervall ihr Minimum undMaximum an.)

Mathematik I – WiSe 2005/2006 272

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Satz 2.7 (Zwischenwertsatz)Sei f : R → R eine auf [a, b] ⊆ D(f) stetigeFunktion. Dann gibt es zu jedem y0 ∈ R zwischenf(a) und f(b) ein x0 ∈ [a, b] mit f(x0) = y0.

(Eine stetige Funktion nimmt auf einemabgeschlossenen Intervall jeden Zwischenwert an.)

Ist in dieser Situation f(a)f(b) < 0, dann hat feine Nullstelle in [a, b]. Dies lasst sich benutzen,um Nullstellen naherungsweise zu berechnen.

Beispiel 2.32 Die Funktion

f : R → R, f(x) = x3 + 3x2 − 5x − 1

Mathematik I – WiSe 2005/2006 273

hat den Graphen

–20

–10

0

10

–5 –4 –3 –2 –1 1 2x

also drei Nullstellen zwischen −5 und 2.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 274

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Ist der Definitionsbereich von f kein abgeschlossenes Intervall, dann sind dieobigen Eigenschaften stetiger Funktionen im allgemeinen nicht gegeben.

Beispiel 2.33 Die Funktion tan x ist auf dem offenen Intervall (−π/2, π/2)definiert und dort stetig. Sie nimmt dort aber kein Maximum oder Minimum an.

Die Funktionen, die wir bislang kennengelernt haben, sind fast alle stetig:

Polynome, rationale Funktionen, dieWinkelfunktionen sowie die Exponential-und Logarithmusfunktionen sind alle stetig aufihrem Definitionsbereich.

Nicht stetig auf dem ganzen Definitionsbereich hingegen sind Treppenfunktionen!

Mathematik I – WiSe 2005/2006 275

Uneigentliche Grenzwerte

Werden die Funktionswerte in der Nahe einer Stelle x0 beliebig groß (positiv odernegativ), so spricht man von einem Pol. Das soll hier prazisiert werden.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 276

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Sei f : R → R eine Funktion mit D(f) = D. Ferner sei x0 ∈ R eineStelle derart, dass es ein offenes Intervall (x, x0) in D gibt. Falls esfur alle beliebig großen M ∈ R

+ ein δ ∈ R+ gibt, so dass fur alle

x ∈ D aus x ∈ (x0 − δ, x0) stets f(x) > M folgt, dann sagen wir

f geht linksseitig nach ∞

Falls stets f(x) < −M folgt, dann sagen wir

f geht linksseitig nach −∞.

Schreibweise: limxրx0

f(x) = +∞, limxրx0

f(x) = −∞.

Man nennt ±∞ uneigentliche Grenzwerte.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 277

Analog definiert man limxցx0

f(x) = +∞ bzw. limxցx0

f(x) = −∞.

Gilt limxրx0

f(x) = ±∞ und limxցx0

f(x) = ±∞ (wobei auch ver-

schiedene Vorzeichen vorkommen konnen), so schreibt manlim

x→x0

f(x) = ±∞. In diesem Fall heißt x0 eine Polstelle von f .

Ist das Vorzeichen bei links- und rechtsseitiger Annaherung x → x0

gleich, so schreiben wir limx→x0

f(x) = +∞ bzw. limx→x0

f(x) = −∞.

Wir wollen dies am Beispiel erlautern:

Beispiel 2.34 • Die Funktion aus Beispiel 2.26 geht an der Stelle x0 = 3linksseitig nach −∞ und rechtsseitig nach +∞, also

limxր3

f(x) = −∞ und limxց3

f(x) = +∞, d.h. limx→3

f(x) = ±∞.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 278

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• Die Funktion

f : R → R, f(x) =2

(x − 4)2

geht fur x0 = 4 beidseitig nach +∞, also limx→4

f(x) = +∞.

Wir wollen abschließend noch das Verhalten von Funktionen fur x → ±∞untersuchen. Wir beginnen mit der Situation, dass f fur x → ∞ gegen eine Zahla ∈ R konvergiert.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 279

Sei f : D −→ R eine Funktion. f heißt fur x → ∞ (bzw.x → −∞) konvergent gegen a ∈ R, falls es fur alle ε ∈ R

+

ein t(ε) ∈ R+ gibt, so dass gilt

ist x > t(ε), dann folgt |f(x) − a| < ε

bzw. ist x < −t(ε), dann folgt |f(x) − a| < ε.

Wir schreiben dann limx→∞

= a bzw. limx→−∞

= a.

Die Situation lasst sich formal genau wie bei Grenzwerten fur x → x0 mitwaagerechten Streifen der Breite 2ε um den Wert a veranschaulichen. Furlim

x→∞f(x) = a muss der Funktionsgraph innerhalb des gesamten senkrechten

Streifens rechts von t(ε) auch innerhalb des waagerechten Streifens liegen.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 280

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Wir kommen nun zu der Situation, dass fur große Werte von x die Funktion fnach ∞ strebt:

Die Funktion f : D −→ R geht fur x → ∞ nach ∞ (bzw.−∞), falls es fur alle M ∈ R

+ ein t(ε) ∈ R+ gibt, so dass gilt

ist x > t(ε), dann folgt f(x) > M

bzw. ist x > t(ε), dann folgt f(x) < −M.

Man schreibt dann limx→∞

= ∞ bzw. limx→∞

= −∞ ,

analog fur x → −∞ definieren.

Ist f nicht konvergent, so nennen wir f divergent. Wenn f nach ∞ strebt, sosprechen wir von bestimmter Divergenz.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 281

Es gelten fur die Grenzwerte limx→∞ die analogen Rechenregeln wie furGrenzwerte bei Konvergenz x → x0. Im Fall bestimmter Divergenz darf man mitdem Symbol ∞ nicht rechnen wie mit reellen Zahlen, z.B. machen Ausdrucke derForm ∞−∞ oder ∞

∞keinen Sinn!

Beispiel 2.35 1. f(x) =3x2 − 2x + 5

x2 + 6

1

1.5

2

2.5

3

–60 –40 –20 0 20 40 60x

Mathematik I – WiSe 2005/2006 282

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Der Graph zeigt limx→∞

f(x) = 3 = limx→−∞

f(x). Beweisen lasst sich dies durch

Umformung zu3 − 2

x+ 5

x2

1 + 6x2

,

und Benutzen von

limx→±∞

1

xn= 0 fur alle n ∈ N.

Wir notieren noch

limx→∞

xn = ∞ fur alle n ∈ N.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 283

2. f(x) = −2x3 + 17x2 + 10x + 20

200

400

600

–4 –2 2 4 6 8 10x

Der Graph zeigt limx→∞

f(x) =−∞ und limx→−∞

f(x) =∞ und dies lasst sich mit

den gleichen Methoden wie in 1. zeigen:

f(x) = x3 · (−2 +17

x+

10

x2+

20

x3).

Mathematik I – WiSe 2005/2006 284

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3. limx→∞

ex = ∞ und limx→−∞

ex = 0.

4. f(x) =ex + 2

e2x − 2. Der Graph

–3

–2

–1

0

1

2

–6 –4 –2 2 4 6x

zeigt limx→∞

f(x) = 0 und limx→−∞

f(x) = −1. Der zweite Grenzwert folgt sofort

aus den ublichen Rechenregeln zusammen mit dem vorigen Beispiel. Der erste

Mathematik I – WiSe 2005/2006 285

Grenzwert folgt aus

f(x) =1 + 2

ex

ex − 2ex

.

Wir sehen, dass der Zahler hier gegen 1 geht, der Nenner konvergiert gegen∞, der Quotient geht also gegen 0. Lax gesprochen: “ a

∞= 0”, wobei a ∈ R.

Mathematik I – WiSe 2005/2006 286