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Mittwoch, 19. November 19ÖS Blatt *3 3lettc3iirrf)cr leitung Abendausgabe Nr . 3115 Der Geigenprozeß in Bern pe. Richter und Geschworene haben am zweiten \ orhandlungstag des Berner Geigenprozesses den Antrag der Verteidigung, den gerichtlichen Exper- ten Dr. 31. Frei-Sulser als befangen, unobjektiv und wegen mangelnder Sachkenntnis vom Verfah- ren auszuschließen, abgelehnt. Gerichtspräsident Dr. Leist führte zur Begründung kurz aus, daß eine Befangenheit des Experten nicht vorzuliegen Willeme und daß mangelnde Sachkenntnis, auch wenn sio tatsächlich vorhanden wäre, kein Ab- lehnungsgrund sei ; das Gericht werde ohnehin die Resultate der Expertisen frei würdigen. Die Haupt- verhandlung gegen den des gewerbsmäßigen Be- trugs angeklagten Berner Geigenhändler Henry Werro hat nach diesem Entscheid seinen Fortgang «.'oiiommen, so daß alle Aussicht besteht, in einigen \\ oehen den seit vielen Jahren erwarteten gericht- lichen Entscheid im sogenannten Geigenkrieg zu erhalten. Die Anklage befaßt sich mit den Verkäufen von 19 Geigen, 1 Cello und 3 Bogen. An einigen J.pispiclen soll im folgenden illustriert werden, wie, initiierjiach der Anklage, die weitgehend auch das Noweismaterial enthält, von Henry Werro beim \ erkauf der alten Streichinstrumente operiert worden ist. Die Verwirrungen, die seit Jahrhunder- ten auf dem Markt mit alten Meisterinstriunenten herrschen, treten bei der Behandlung der Etiketten- und Attestfragen deutlich zutage. Das Hauptpro- blem «echt oiler unecht?» steht insofern im Vor- dergrund, als die Eehtheitsbezeugungcn von Henry W erro lineli dorn Vorwurf der Anklage zur arg- listigen Täuschung der Käufer wider besseres Wis- sen abgegeben Avordcn sind. Wenn der Verkäufer ilium durch dio Käufer, die von anderen darüber iiiii geklärt werden mußten, ein unechtes Instru- ment erworben zu haben, unter Druck gcscUt wurde, kaufte er in saJüreichen Fällen die Instru- mente zurück, was immerhin nicht auf ein sauberes (.ewisscn schließen läßt. Die Aufwertung alter Instrumente Der Vater eines Cellisten kaufto bei Henry \Yerro für seinen Sohn ein Cello ziun anrechen- baren Preis von 16 000 Franken, das der Verkäufer m einem Zertifikat ausdrücklich als Originalwerk von J. F. Frcssenda (Taurini), dem größten italie- nischen Meister des 19. Jahrhunderts, bezeichnete. Als Vater und Sohn, die geglaubt hatten, nicht nur gut klingendes Instrument, sondern auch eine gewisse Kapitalanlage erstanden zu haben, trotz \Verros Zertifikat an der Echtheit ihres Prcssenda- <; 'ellos zu zweifeln begannen, legten sie das Instru- ment der Bcrntwtgsstelle der Italienischen Handels- kammer in Zürich vor, die nun das Cello zwar als ein schönes Instrument lobte, seinen Hersteller aber i" eine französische Werkstatt verwies und als *<;hätzungswert 4000 bis 5000 Franken nannte, l ntrr der Drohung des Käufers, Strafanzeige ein- zureichen, bezahlte Worro 13 000 Franken zurück, lauter Anständigkeit», wie der Angeklagte in <;ler Voruntersuchung bemerkte. Dio Untersuchung ergab dann, daß der Angeklagte das gleiche Instru- ment drei Jahre zuvor cin«u Basler Professor für nur 3000 Franken verkauft hatte, wobei er es da- mals als Paeliarcl-Cello und nicht als Instrument von Pressenda ausgab. Nach einiger Zeit kam das I nstrument auf Umwegen wieder in den Besitz von Werro er kaufte es jetzt für 5000 Franken , der es nun offenbar plötzlich als weitaus wertvolle- res Stück erkannt liatan will und dementsprechend - drei Jahre, nachdem er es für 3000 Franken veräußert hatte teurer, nämlich für 16 000 Kranken verkaufte. Der Angeklagte bestreitet einen Uotrug. Er hält daran fest, beim zweiten Mal ein echtes Pressenda-Cello verkauft zu haben. Die eigenartigen Preisunterschiede erklärt er damit, >;i<;'h beim ersten Verkauf möglicherweise zu seinem Nachteil getäuscht zu haben. Ein Berner Musiker hatte in Zürich eine ( 'appa-Geige zum Preis von 60QO Franken gekauft, die ihn mit der Zeit in klanglicher Hinsicht nicht mehr befriedigte. Er tauschte das Instrument bei Werro gegen eino Balestricri-Geigc ein, ohne daß von Käufer oder Verkäufer ein Barzuschlag zu leisten war. Von der Cappa-Geige hatte Werro vor diesem Tausch behauptet, sie könne nicht verbes- sert werden und sei gerade noch gut genug, um in eine Vitrino gestellt zu werden. Werro stellte die ( nicht in eine Vitrine, sondern ent- deckte «nachträglich», daß es s,ich in Wirklichkeit um ein wesentlich wertvolleres Instrument, nämlich eino Geige von Andreas Ouarnerius, handelte. Er entfcrnto die Etikette «Kredits Cappa Fecit Salu- tia Anno 1694», klebte eine Faksimile-Etikette ein, bezeugen sollte, daß es sich um eine Guarneri us- Gcigo handle, xind verkaufte das «Vitrinenobjekt!» zum Preis von 22 000 Franken. Die Beispiele für solche Promovierungen ließen sich leicht vermehren. Die Fälle, welche die Anklago anführt, sind, so sehr sie sich im Ablauf unter- scheiden mögen, hinsichtlich der Preisentwicklung alle ähnlich gelagert: eine Stainer-Geige wird vom Angeklagten für 3371 Franken erworben und zum sechsfachen Preis weiterverkauft; ein Käufer er- wirbt bei ihm zum Preis von 30 000 Franken eino «echte» Geige von Guadagnini aus dem Jahre 1783, die nach dem Gutachten der Italienischen Handels- kammer, nach der gerichtlichen Expertise und nach einem Obergutachten der Eidgenössischen Material- prüfungsanstalt eino Kopio aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist, deren Wert auf maximal 2500 Franken geschätzt wird. So groß die Preisanstiege nach der «Behandlung» der Instru- mente durch den Angeklagten waren, so sehr redu- zierten sich ihre Werte in den Schatzungen der Experten. Etiketten aus dem Vorrat Eine große, für den Angeklagten nicht sehr rühmliche. Rolle spielen in der Anklageschrift die Etiketten, die ursprünglich von den Meistern der Geigenbaukunst zweifellos als Echtheits- und Ursprungszeugnis in dio Instrumente geklebt wor- den sind. Wir haben schon früher geschildert, wie mit diesen einstigen Ursprungszeugnissen allerlei Manipulationen vorgenommen wurden und wie sio seit Jahrhunderten Kopisten und Fälschern ge- holfen haben, Leichtgläubige zu betrügen, wobei man allerdings einrechnen muß, daß die strengen Begriffe von «Originalwerk» und «Urheberrecht» wie auch der Begriff «Plagiat» erst neueren Dattuns sind. Was wir heute als Mißbrauch be- zeichnen, war früher eine Selbstverständlichkeit, die keinerlei Anstoß erregte. Als der berühmte Antonio Stradivari 1737 starb, sollen seine Söhne Francesco und Ombono gegen neunzig Geigen in der Werkstatt gefunden haben, dio ihr Vater nicht mehr hatte vollenden können, von denen er aber vermutlich auch einen Teil als unbefriedigend weggelegt hatte. Die Söhne beendeten in aller Eile die Arbeit an diesen Geigen, versahen sie mit den Zetteln des Vaters, dio wahr- scheinlich, wie heute bei einem Verstorbenen dio Visitenkarten, noch reichlich vorhanden waren, und verkauften dio_ meisten dieser Geigen noch inner- halb Jahresfrist. Der im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts geborene Luigi Tarisio, einer der leidenschaftlichsten Instrumentensammler und In- strumentenhäiidler, sammelte nicht nur Geigen, sondern auch dio zu jener Zeit noch zahlreich vor- handenen echten Geigenzettel der alten Meister und klebte die.se nach dem Urteil einiger Histori- ker auch in wertlose Geigen ein, um seinem Han- delsgeschäft neuen Auftrieb zu geben. Einer der hervorragendsten Kopisten aller Zejtcn, Jcan- Baptiste Vuillaume, der in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Paris sein Geschäft grün- dete, versah einen Teil seiner Kopien mit Zetteln, dio den Originalen sorgfältig nachgemacht waren. Man erzählt sich, daß ihm Paganini einmal seine berühmte «Kanone», eine der letzten und voll- endetsten Geigen von Joseph Guarneri del Gesü, zur Reparatur gebracht habe. Als Paganini seine Geige wieder abholte, legte ihm Vuillaume zwei Guarneri-Geigcn vor, die nicht voneinander zu unterscheiden waren ; es waren Paganinis «Kanone» und Vuillaumes Kopie, und Paganini soll, in der Meinung, sein Eigentum zurückzunehmen, zuerst nach der Kopic gegriffen haben. Wiis die Etiketten anbelangt, scheinen viele Bräuche aus früheren Jahrhunderten erhalten ge- blieben zu sein. Wer wio die Gcigenliändler Kennt- nis von den historischen Zusammenhängen besitzt, wird den Zetteln nur einen äußerst geringen Wert beimessen. Immerhin haben die. Händler in ihren Attesten und vermutlich auch bei den Verkaufs- gesprächen die Etiketten stets dazu benutzt, um die Käufer von der Echtheit einer Geige zu über- zeugen. Dio grotesken Irrtümer, die den Etiketten- falschem früher unterliefen, scheinen noch immer nicht behoben zu sein: Dem berühmtesten deutschen Geigenbauer, Jakob Stainer (1623 1683), werden laut Inschriften von Fälschern Instrumente mit dem Herstellungsjahr 1626 zugeschrieben; Stainer war damals fünf Jahre alt. Von verschiedenen Meistern wurden Instrumente in den Handel ge- bracht mit Jahreszahlen auf den Etiketten, nach denen der angebliche Hersteller 150 Jahre und mehr gelebt hätte. Die Manipulationen mit den Etiketten hatten auch beim Angeklagten Henry Werro ihre Bedeu- tung. Er hatte in den Jahren 1910 bis 1914 in Markneukirchen (Sachsen) seine Lehrzeit als Geigenbauer absolviert. Aus Markneukirehen bezog Werro bis vor wenigen Jahren faksimilierte Eti- ketten, die dort original riet reu hergestellt wurden. Man brauche sie von Zeit zu Zeit, schrieb der Angeklagte seinem Lieferanten, zur Korrektur von Irrtümern und von zweifelhafte n Arbeiten. Es konimo auch vor, daß Zettel aus Geigen heraus- genommen würden, um aus diesen Geigen etwas «Besseres» zu machen. Da sei es dann nötig, daß gewissenhafte Meister dio Geigen wieder auf die ursprünglichen Erbauer zurückführten. Ein ehemaliger Angestellter Werros erklärte als Zeuge in der Untersuchung, der Angeklagte habe rinn Mongo Zettel besessen und verschiedentlich damit «jongliert». Eine Stradivarius-Gcige ver- kaufte der Angeklagte zum Preis von 75 000 Fran- ken mit einem von ihm ausgestellten Zertifikat, in welchem ein Originalwerk des Antonius Stradiva- rius, Cremona, aus dem Jahre 1703 mit Original; etikette attestiert wird. Später stellte sich einwand- frei heraus, daß sieh unter dem Zettel «Antonius Stradivarius Cremonensis Faciebat Anno 1703» noch ein anderer Zettel mit anderem Namen befand und daß schließlich beide Etiketten künstlich be- arbeitet worden waren, um älter zu erscheinen; Diese künstliche Alterung wurde teilweise an Ort und Stelle im Innern der Geige durch Beizung mit Kaliumpermanganat vorgenommen. Da nicht anzu- nehmen ist. daß Stradivarius selbst seine Etikette über den Goigenzettel eines andern Erbauers ge- klebt hat, und da er auch weder seine Instrumente noch seine Etiketten künstlich alterte er ver- kaufte seine Schöpfungen schließlich nicht als Antiquitäten , müssen andere Hände am Werk gewesen sein. Jn einer ebenfalls Gegenstand der Anklago bil- denden Ruggieri-Geige, datiert aus dem Jahre 3697, fand der gerichtliche Experto eino Etikett o, deren Papier Holzschliff enthält und die deshalb frühestens aus der Mitte des 19. Jahrhunderts lammen kann. Dor Zettel enthält außerdem einen «Druckfehler» («detto al Per Cremona 1697» statt «detto il. Per»), dor auf eino Fälschung außerhalb des italienischen Sprachgebietes schließen läßt. Garantiescheine und Scheingarantien Achnlii'h wio im schwindelhaften Bilderhandel führen beim unseriösen Verkauf von alten Streich- instrumenten Atteste, Zertifikate und Garantie- scheine ein merkwürdiges Eigenleben; es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Dokumente in der glei- chen AVciso wie die Etiketten den Käufer von der Echtheit und vom Preiswert der Ware überzeugen sollen. Allerdings darf man sich auch über jene Käufer wundern, dio sich, wie in den Akten dos Gcigeiiprozesses mehrere Male festgehalten wird, von Attesten ohne Photos ködern ließen, von Zerti- fikaten, die nicht einmal die Maße des Instrumen- tes enthielten oder so kurz gefaßt waren, daß sio für dio Identifikation eines Werkes unbrauchbar Mehrere Atteste ausländischer Geigcnspezia- listcn, die in den Akten figurieren, waren zweifel- los Gefälligkeitsgutachten, die Werro von seinen Gteschäftsfreunden in Stuttgart und London er- hielt. Nachdem an der Echtheit einer von Werro zum Preis von 17000 Franken verkauften Geige von J. B . Guadagnini Zweifel entstanden, das In- strument entgegen dem Zertifikat von Werro so- wohl von einem Zürcher Geigenbauer wie auch vom Sekretär der Italienischen Handelskammer in Zürich als Kopio bezeichnet worden war und der Angeklagte dann das Instrument schließlich sogar zurückgekauft hatte, bemühte er sich nachträglich im eine Rehabilitation. Er beklagte sich bei dem jetreffenden Zürcher Geigenbauer über dessen «un- collegiales Verhalten» und bat am 13. März 1952 seinen Freund Fridolin Hamma in Stuttgart schriftlich unter Beilage von zwei Photos, über dio Geige, welche er vor dem Krieg bei ihm, Hamma, erworben habe, ein neues Attest auszustellen, da das<; alte verschwunden sei. Werro übermittelte auch gleic h eine genaue Beschreibung des Instrumentes mit allen Einzelheiten, eingeschlossen die exakten Maßangaben des Instrumentes. Der Stuttgarter Fachmann sandte sofort den von ihm verlangten Garantieschein und zählte darin alle von Werro gemachten Angaben auf. Dieser Garantieschein trägt auch dio von Werrd eingeschickten Photos, versehen mit dem Stempel «Hamma Stuttgart». In der Untersuchung erklärte Fridolin Hamma als zur Wahrheit verpflichteter Zeuge, das Instrument vier bis fünf Wochen, bevor die Photos mit der Bitte um ein neues Attest bei ihm eingetroffen seien, gesehen zu haben. Aus dem Paß des Zeugen i.st er- sichtlich, daß er am 5. Januar 1952 in Basel in die Schweiz eingereist ist und unser Land am gleichen Tag wieder verlassen hat; im Paß findet man außerdem einen deutschen Ausreisestempel vom 5. März 1952, doch steht nicht fest, ob es sieh dabei um eine Einreise in die Schweiz gehandelt hat. Der Zeuge aus Stuttgart (mit seinem «kol- legialen Verhalten») kann jedoch weder am 5. Ja- nuar noch am 5. März noch überhaupt im Jalir 1952 vor seiner Attestierung die von ihm in seinem «Garantieschein» beschriebene Geige gesehen haben, weil das Instrument vom Oktober 1951 an bis zum 13. März 1952, als es Werro zurückkaufte, bei dor Spar- und Leihkasse in Bern als Pfand hinterlegt war .. Im Werro-Zertifikat zu einer Slradivari-Geige, die zum Preis von 300 000 Franken verkauft wurde, findet man Ausdrücke wie «treffliches Exemplar», «edler Typus», «vom Schönsten, was man sich denken kann», «superbes Exemplar», «Konzeption und Aufbau* vom Glücklichsten, was dor Meister geschaffen hat». Die Urteile anderer lauten, daß dio Decke in einem sehr schlechten Zustand sei ; sio weise mindestens zwanzig mit Querhölzchen gesicherte Risse auf. Aber selbst Werro soll sich früher über da.s «superbe Exem- plar» anders geäußert haben. Die Geige ist. ihm, nach den Angaben eines Zeugen, von London ans wiederholt angelwten worden, doch habe Werro sie abgelehnt mit der Bemerkung, er könne sich für diese «Ruine» nicht begeistern. Eines Tages hat er sie aber doch gekauft, mit der Bemerkung, sie sei jetzt «dreckbillig». Der Zeuge berichtet weiterhin, daß ihm dor Angeklagte gesagt habe, er müsse sich fast schämen bei dem Gedanken, was er an dieser Stradivarius-Goigc verdient habe. Nach dem Befund von Hil in London war die Geige allerdings schon früher an der Decke «seriously broken», was «truly infortunate» sei. Darin steht in Werros Zertifikat allerdings nichts. Angeklagter, Verteidiger und Experten Aus der persönlichen Tief ragung des Ange- klagten entnahm man, daß er ohne Zweifel zu den Großen des internationalen Geigenhandels ge- rechnet werden muß. Werr>; war nicht nur eine Zeitlang Präsident des Schweizerischen Geigen- baumeisterverbandes, er war Experte bei den ersten schweizerischen Meisterprüfungen im Gei- genbau, er ist heute noch Mitglied des Internatio- nalen Geigenbaumeistervorbandas und unterhält geschäftliche und freundschaftliche Beziehungen zu allen Kapazitäten deren Ruf neuerdings freilich in:* Wanken geraten ist und galt lango Zeit neben Hill (London) und Hamma (Stutt- gart) als einer der nicht sehr zahlreichen Kenner auf dem Gebiet der alten Streichinstrumente. Er ist als Schweizer in England aufgewachsen, hat dort die Schulen besucht , absolvierte in Markneu- kirehen soino Lehre als Geigenbauer und über- nahm 1932 das von beinern Vater 1914 in Born gegründete Geschäft. 3920 erwarb er sich in Deutschland das Geigenbaunieisterdiplom und nennt sich mit Zustimmung dos Konservatoriunis Bern «Luthier du conservatory. Zum Thema «Geigen zettel» befragt, äußerte sich der Angeklagte, daß Geigen nicht nach den Etiketten beurteilt würden; nur Laien (dio Käu- fer waren in der Regel Laien) wollten den Namen des Herstellers vom Zettel erfahren, was den Eti- ketten eine eigenartige, ihnen offenbar nicht zu- kommende Wichtigkeit gebe. Nich t ganz zu Un- recht wies der Angeklagte darauf hin, daß Tau- sende und aber Tausende von fabrikmäßig nach dem Modell von Stradivari hergestellten Geigen den Namenszettcl des Meistors aus Cremona ent- halten. Nur werden diese Geigen, wio der Ge- richtspräsident bemerkte, nicht zu den hohen Prei- sen, wie sie der Angeklagte forderte, sondern so billig verkauft, daß kein Mensch glauben kann, es handle sich um ein Original. Wenn es auch auf- fällig ist, daß dio Geigcnhändler, eingeschlossen der Angeklagte, in ihren Attesten dio Zettel er- wähnen, obgleich ihnen jetzt im Strafverfahren keinerlei Bedeutung zugemessen werden soll, so muß auf Grund der historischen Begebenheiten doch angezweifelt worden, ob die Etikette wirklich noch als wesentlicher Bestandteil der alten Streich- instrumente betrachtet worden kann. Die Geigen- liändlor hätten es allerdings längst in der Hand gehabt, dio Käufer über den wahren Sachverhalt aufzuklären; statt dessen ließen sie die. Naiven offenbar doch gerne im Glauben, daß die einge- klebten Zettel ein Beweis für die Echtheit des Kaufobjektes soien. Der Angeklagte behauptet, er liabo auf Anfrage hin stets nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft über dio Originalität der Etiketto gegeben; gleichzeitig sagte er aber, es .sei im internationalen Geigenhandel Brauch, eino un- echte Etiketto in den Attesten einfach nicht zu er- wähnen. Dio Auswirkungen der gegen ihn im Jahre 1952 eingereichten Strafklagen seien, sagte der Angeklagte, auf dem Gebiet der Schweiz katastro- phal gewesen. Der Vertrauensschwund bewirkte, daß dio inländische Kundschaft bcinaho völlig ausblieb. Dagegen genieße er im Ausland nach vio vor einen guten Ruf. Man bezeichne im Ausland Jas ganze Gerichtsverfahren gegen ihn als läclier- lich^ Darauf muß, ohne dem gerichtlichen Ent- scheid vorzugreifen, eines festgestellt werden: Wio auch die Entwirrung des jahrhundertealten Durch- einanders auf dem Gebiet dor alten Streichinstru- mente gerichtlich gelöst wird, so hat allein schon dio Untersuchung der Machenschaften, der Mani- pulationen und Promovierungen in weitesten Kreisen aufklärend gewirkt. Es bleibt nur zu hof- ien, daß. dio verschiedenen Experten, die in einem solchen Prozeß ein wichtiges Wort mitzusprechen Nicht ein Almosen ist es, wenn die Schweizerische Winterhilfe einem be- drängten Mitbürger beisteht, sondern eine freundnachbarliche Handreiche SCHWEIZERISCHE WINTERHILFE haben, objektive Tatsachen vorzulegen haben, an denen es nichts zu deuteln gibt. Dio Ausführungen der Verteidigung haben lei- der bereits zu Anfang dieses international mit Aufmerksamkeit verfolgten Berner Prozesses Zweifel an den angewandten Gutachtermethoden geweckt. Bei den allgemeinen Verwirrungen, dio seit Jahrhunderten im Handel mit alten Streich- instrumenten herrschen, ist es möglicherweise nicht von entscheidender Bedeutung, ob diese oder jene Etiketto falsch oder echt war, sondern ob der Angeklagte in betrügerischer Absieht falsche Zu- schreibungen vorgenommen, seine Käufer arglistig getäuscht, irregeführt oder den Irrtum der andern arglistig benutzt hat, um diese am Vermögen zu schädigen. In der für seine Verteidigungstaktik charakteristischen Art erklärte Werro, daß es im historischen Sinne keine «falschen» Instrumente gebe ; es gehe lediglich um die Frage, wem man das Instrument zuschreibe. Um diese Frage han- delt es sich tatsächlich auch im Falle des Ange- klagten Henry Werro. Bei der Behandlung der Vorfragen, die von der Verteidigung zu längeren Plädoyers benutzt wurde, kam eine Eigentümlichkeit zur Sprache, die immerhin Anlaß zu Zweifeln an den bisher angewandten Giitachtermct hoden gab. Dor eino der beiden Verteidiger schilderte, wio Werro zwi- schen der im Februar abgebrochenen ersten Hauptverhandlung und dem jetzigen Prozeß der Expertenkommission den Schweizerischen Gcigc»- baumeistcrverbandes, die weitgehend identisch ist mit der vom Borner Gericht bestellten Gruppe für eine Oberexpertise, durch eino Drittperson ein Instrument vorlegen ließ, das nachweisbar im Jahre 1927 von einem Geigenbauer hergestellt wurde, der noch lebt (in Marienkirchen übrigens, woher auch die Etiketten-Faksimiles stammen). Die PiXpertenkaminer teilte der Drittperson nach den Ausführungen dos Verteidigers jedoch münd- lich mit, daß es sich um eino von Giovanni Gaglianö kurz nach 1800 erbaute Geige handle. Dio Experten vorlangten für den Fall, daß der Auftraggebe r ein schriftliches Gutachton wünsche, eino Bestätigung von dieser Drittperson; daß sie nicht im Auftrage von Henry Werro bandle. Diese Bestätigung konnte der Auftraggeber, oline zu lügen, nicht geben, und es blieb bei der mündli- chen Begutachtung. Nun muß man sich immerhin fragen, weshalb dio Exportiso nicht auch dann gegeben worden konnte, wenn es sich um eine von Henry Werro eingereichte Geige gehandelt hat, sofern die Expertengruppe objektive Befunde zu liefern imstande ist. LOKALES Felix Kolin im «Strau Hoff» r. Mit gleicher Hingabe widmet sich Felix Kolin dor malenden und der plastischen Kunst. Seine Ausstellung in der städtischen Kunstkammer «Zum Strau Hoff» läßt nicht erkennen, welcher Gattung er den Vorrang einräumen will. Im Bereich der Bilder zeigt er eine bereits selten gewordene Un- befangenheit in der Darstellung von Aktfiguren, dio das Räumliche in lichten Tönen mitschwingen lassen und die Illusion körperhafter Wirklichkeit mit locker gehandhabten Darstellungsmitteln vor- wirklichen. Die «Leseudo im Atelier» .steigert ein Goiiremotiv wohl zum größten noch angängigen Format; die geschmeidige Formgebung verbindet sich dabei angenehm mit farbigem Wohlklang. Bei den (zumeist kleineren) Plastiken herrscht strenge Frontalität gewandeter und unbekleideter Figuren vor. Die Gestalten scheinen mit geballten Fäusten dazustehen, und nur wenige Arbeiten zei- gen eino gewisse Gelassenheit der Haltung um! Nuanciertheit im Einzelnen, die auf die Möglieh- kcten stärkerer Differenzierung hinweisen. Kleine Landschaftsbilder von konzentriertem Ausdruck und Aktzeichnungen bereichern dio sympathische Kollektion. Schwere Verkehrsunfälle -fr Am späteren Dienstagnachmittag wollte ein Fußgänger den Hardplatz in westlicher Richtung überschreiten. Er achtete nicht auf einen Tramzug dor Linie 8, dor soeben von der Hohlstraße her in den Hardplatz einfuhr. Der Wagenführer gab Signal; trotzdem prallte der Fußgänger .seitlich gegen das Tram. Mit einer noch fraglichen Scliä- delbasisfraktur mußte er ins Kantonsspital ge- bracht werden. ITm 18 Uhr 10 fuhr am Dienstag ein Roller die Jk breitibachstraße aufwärts. Auf der Höhe des Hauses Röschibachstraße 69 schwenkte er nach links ab und wurde auf der anderen Fahrbahnseite von einem in dor Gegenrichtung fahrenden Por- sononauto angefahren. Der ixHiker des Rollers wurde zu Boden geschleudert und erlitt eine offene Unterschenkelfraktur und andere Verletzungen. Er wurde ins Stadtspital gebracht. Am frühen Mittwochmorgen war am Sihlquai ein schwerer Lastwagen im Begriff, rückwärts aus einer Garago zu fahren. Ein Mann stand auf der Straße und dirigierte das Fahrmanöver. Plötzlich sah der Mann auf der Straße ein Motorrad mit großer Geschwindigkeit herannahen. Er machte dorn Lenker des Motorrades Zeichen, wurde aber nicht beachtet und mußto selber zur Seite laufen, lim nicht angefahren zu werden. Der Motorrad- fahrer streifte das hintere Trittbrett dos Last- wagens, sein Fahrzeug geriet ins Schleudern und stürzte auf dio Straße. Der Lenker mußte mit einer Oberschenkelfraktur, einer Kniescheibenfraktur und einem Schädelbruch ins Kantonsspital einge- wiesen werden; die Verletzungen sind lebensgefähr- lich. Bauunfall, -r- Im Haus Germaniastraße 61 ist eino Grube für einen Oeltank fertig ausgehoben. Arbeiter waren am Dienstag damit beschäftigt, von Bjrettorn aus, die über die Grube gelegt waren, mit Karretten hergeführten Sand in die Grube zu leeren, als ein Brett nachgab und einen 62jährigen Hilfsarbeiter in die Grabe stürzen ließ. Der Hilfs- arbeiter erlitt eino Wirbelfraktiir und wurde ins Kantonsspital gebracht. Neue Zürcher Zeitung vom 17.11.1908

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Mittwoch, 19. November 19ÖS Blatt *3 3lettc3iirrf)cr leitung Abendausgabe N r. 3115

Der Geigenprozeß in Bernpe. Richter und Geschworene haben am zweiten\ orhandlungstag des Berner Geigenprozesses denAntrag der Verteidigung, den gerichtlichen Exper-

ten Dr. 31. Frei-Sulser als befangen, unobjektivund wegen mangelnder Sachkenntnis vom Verfah-ren auszuschließen, abgelehnt. GerichtspräsidentDr. Leist führte zur Begründung kurz aus, daß eineBefangenheit

des Experten nicht vorzuliegenWilleme und daß mangelnde Sachkenntnis, auchwenn sio tatsächlich vorhanden wäre, kein Ab-lehnungsgrund sei ; das Gericht werde ohnehin dieResultate der Expertisen frei würdigen. Die Haupt-verhandlung gegen den des gewerbsmäßigen Be-trugs angeklagten Berner Geigenhändler HenryWerro hat nach diesem Entscheid seinen Fortgang«.'oiiommen, so daß alle Aussicht besteht, in einigen\\ oehen den seit vielen Jahren erwarteten gericht-lichen Entscheid im sogenannten Geigenkrieg zuerhalten.

Die Anklage befaßt sich mit den Verkäufenvon 19 Geigen, 1 Cello und 3 Bogen. An einigenJ.pispiclen soll im folgenden illustriert werden, wie,initiierjiach der Anklage, die weitgehend auch dasNoweismaterial enthält, von Henry Werro beim\ erkauf der alten Streichinstrumente operiertworden ist. Die Verwirrungen, die seit Jahrhunder-ten auf dem Markt mit alten Meisterinstriunentenherrschen, treten bei der Behandlung der Etiketten-und Attestfragen deutlich zutage. Das Hauptpro-blem «echt oiler unecht?» steht insofern im Vor-dergrund, als die Eehtheitsbezeugungcn von HenryW erro lineli dorn Vorwurf der Anklage zur arg-listigen Täuschung der Käufer wider besseres Wis-sen abgegeben Avordcn sind. Wenn der Verkäuferilium durch dio Käufer, die von anderen darüberiiiii geklärt werden mußten, ein unechtes Instru-ment erworben zu haben, unter Druck gcscUtwurde, kaufte er in saJüreichen Fällen die Instru-mente zurück, was immerhin nicht auf ein sauberes(.ewisscn schließen läßt.

Die Aufwertung alter Instrumente

Der Vater eines Cellisten kaufto bei Henry\Yerro für seinen Sohn ein Cello ziun anrechen-baren Preis von 16 000 Franken, das der Verkäuferm einem Zertifikat ausdrücklich als Originalwerkvon J. F. Frcssenda (Taurini), dem größten italie-nischen Meister des 19. Jahrhunderts, bezeichnete.Als Vater und Sohn, die geglaubt hatten, nicht nurgut klingendes Instrument, sondern auch einegewisse Kapitalanlage erstanden zu haben, trotz\Verros Zertifikat an der Echtheit ihres Prcssenda-<; 'ellos zu zweifeln begannen, legten sie das Instru-ment der Bcrntwtgsstelle der Italienischen Handels-kammer in Zürich vor, die nun das Cello zwar alsein schönes Instrument lobte, seinen Hersteller aberi" eine französische Werkstatt verwies und als*<;hätzungswert 4000 bis 5000 Franken nannte,l ntrr der Drohung des Käufers, Strafanzeige ein-zureichen, bezahlte Worro 13 000 Franken zurück,

lauter Anständigkeit», wie der Angeklagte in<;ler Voruntersuchung bemerkte. Dio Untersuchungergab dann, daß der Angeklagte das gleiche Instru-ment drei Jahre zuvor cin«u Basler Professor fürnur 3000 Franken verkauft hatte, wobei er es da-mals als Paeliarcl-Cello und nicht als Instrumentvon Pressenda ausgab. Nach einiger Zeit kam dasI nstrument auf Umwegen wieder in den Besitz vonWerro er kaufte es jetzt für 5000 Franken ,der es nun offenbar plötzlich als weitaus wertvolle-res Stück erkannt liatan will und dementsprechend- drei Jahre, nachdem er es für 3000 Frankenveräußert hatte teurer, nämlich für 16 000Kranken verkaufte. Der Angeklagte bestreitet einenUotrug. Er hält daran fest, beim zweiten Mal einechtes Pressenda-Cello verkauft zu haben. Dieeigenartigen Preisunterschiede erklärt er damit,>;i<;'h beim ersten Verkauf möglicherweise zu seinemNachteil getäuscht zu haben.

Ein Berner Musiker hatte in Zürich eine( 'appa-Geige zum Preis von 60QO Franken gekauft,die ihn mit der Zeit in klanglicher Hinsicht nichtmehr befriedigte. Er tauschte das Instrument beiWerro gegen eino Balestricri-Geigc ein, ohne daßvon Käufer oder Verkäufer ein Barzuschlag zuleisten war. Von der Cappa-Geige hatte Werro vordiesem Tausch behauptet, sie könne nicht verbes-sert werden und sei gerade noch gut genug, um ineine Vitrino gestellt zu werden. Werro stellte die( nicht in eine Vitrine, sondern ent-deckte «nachträglich», daß es s,ich in Wirklichkeitum ein wesentlich wertvolleres Instrument, nämlicheino Geige von Andreas Ouarnerius, handelte. Erentfcrnto die Etikette «Kredits Cappa Fecit Salu-tia Anno 1694», klebte eine Faksimile-Etikette ein,

bezeugen sollte, daß es sich um eine Guarneri us-Gcigo handle, xind verkaufte das «Vitrinenobjekt!»zum Preis von 22 000 Franken.

Die Beispiele für solche Promovierungen ließensich leicht vermehren. Die Fälle, welche die Anklagoanführt, sind, so sehr sie sich im Ablauf unter-scheiden mögen, hinsichtlich der Preisentwicklungalle ähnlich gelagert: eine Stainer-Geige wird vomAngeklagten für 3371 Franken erworben und zumsechsfachen Preis weiterverkauft; ein Käufer er-wirbt bei ihm zum Preis von 30 000 Franken eino«echte» Geige von Guadagnini aus dem Jahre 1783,die nach dem Gutachten der Italienischen Handels-kammer, nach der gerichtlichen Expertise und nacheinem Obergutachten der Eidgenössischen Material-prüfungsanstalt eino Kopio aus der zweitenHälfte des 19. Jahrhunderts ist, deren Wert aufmaximal 2500 Franken geschätzt wird. So groß diePreisanstiege nach der «Behandlung» der Instru-mente durch den Angeklagten waren, so sehr redu-zierten sich ihre Werte in den Schatzungen derExperten.

Etiketten aus dem Vorrat

Eine große, für den Angeklagten nicht sehrrühmliche. Rolle spielen in der Anklageschrift dieEtiketten, die ursprünglich von den Meistern derGeigenbaukunst zweifellos als Echtheits- undUrsprungszeugnis in dio Instrumente geklebt wor-den sind. Wir haben schon früher geschildert, wiemit diesen einstigen Ursprungszeugnissen allerleiManipulationen vorgenommen wurden und wie sioseit Jahrhunderten Kopisten und Fälschern ge-holfen haben, Leichtgläubige zu betrügen, wobeiman allerdings einrechnen muß, daß die strengenBegriffe von «Originalwerk» und «Urheberrecht»wie auch der Begriff «Plagiat» erst neuerenDattuns sind. Was wir heute als Mißbrauch be-zeichnen, war früher eine Selbstverständlichkeit,die keinerlei Anstoß erregte.

Als der berühmte Antonio Stradivari 1737starb, sollen seine Söhne Francesco und Ombonogegen neunzig Geigen in der Werkstatt gefundenhaben, dio ihr Vater nicht mehr hatte vollendenkönnen, von denen er aber vermutlich auch einenTeil als unbefriedigend weggelegt hatte. Die Söhnebeendeten in aller Eile die Arbeit an diesen Geigen,versahen sie mit den Zetteln des Vaters, dio wahr-scheinlich, wie heute bei einem Verstorbenen dioVisitenkarten, noch reichlich vorhanden waren, undverkauften dio_ meisten dieser Geigen noch inner-halb Jahresfrist. Der im letzten Jahrzehnt des18. Jahrhunderts geborene Luigi Tarisio, einer derleidenschaftlichsten Instrumentensammler und In-strumentenhäiidler, sammelte nicht nur Geigen,sondern auch dio zu jener Zeit noch zahlreich vor-handenen echten Geigenzettel der alten Meisterund klebte die.se nach dem Urteil einiger Histori-ker auch in wertlose Geigen ein, um seinem Han-delsgeschäft neuen Auftrieb zu geben. Einer derhervorragendsten Kopisten aller Zejtcn, Jcan-Baptiste Vuillaume, der in den zwanziger Jahrendes 19. Jahrhunderts in Paris sein Geschäft grün-dete, versah einen Teil seiner Kopien mit Zetteln,dio den Originalen sorgfältig nachgemacht waren.Man erzählt sich, daß ihm Paganini einmal seineberühmte «Kanone», eine der letzten und voll-endetsten Geigen von Joseph Guarneri del Gesü,zur Reparatur gebracht habe. Als Paganini seineGeige wieder abholte, legte ihm Vuillaume zweiGuarneri-Geigcn vor, die nicht voneinander zuunterscheiden waren ; es waren Paganinis «Kanone»und Vuillaumes Kopie, und Paganini soll, in derMeinung, sein Eigentum zurückzunehmen, zuerstnach der Kopic gegriffen haben.

Wiis die Etiketten anbelangt, scheinen vieleBräuche aus früheren Jahrhunderten erhalten ge-blieben zu sein. Wer wio die Gcigenliändler Kennt-nis von den historischen Zusammenhängen besitzt,wird den Zetteln nur einen äußerst geringen Wertbeimessen. Immerhin haben die. Händler in ihrenAttesten und vermutlich auch bei den Verkaufs-gesprächen die Etiketten stets dazu benutzt, um dieKäufer von der Echtheit einer Geige zu über-zeugen. Dio grotesken Irrtümer, die den Etiketten-falschem früher unterliefen, scheinen noch immernicht behoben zu sein: Dem berühmtesten deutschenGeigenbauer, Jakob Stainer (1623 1683), werdenlaut Inschriften von Fälschern Instrumente mitdem Herstellungsjahr 1626 zugeschrieben; Stainerwar damals fünf Jahre alt. Von verschiedenenMeistern wurden Instrumente in den Handel ge-bracht mit Jahreszahlen auf den Etiketten, nachdenen der angebliche Hersteller 150 Jahre undmehr gelebt hätte.

Die Manipulationen mit den Etiketten hattenauch beim Angeklagten Henry Werro ihre Bedeu-tung. Er hatte in den Jahren 1910 bis 1914 inMarkneukirchen (Sachsen) seine Lehrzeit alsGeigenbauer absolviert. Aus Markneukirehen bezogWerro bis vor wenigen Jahren faksimilierte Eti-ketten, die dort originalriet reu hergestellt wurden.Man brauche sie von Zeit zu Zeit, schrieb derAngeklagte seinem Lieferanten, zur Korrektur vonIrrtümern und von zweifelhaften Arbeiten. Eskonimo auch vor, daß Zettel aus Geigen heraus-genommen würden, um aus diesen Geigen etwas«Besseres» zu machen. Da sei es dann nötig, daßgewissenhafte Meister dio Geigen wieder auf dieursprünglichen Erbauer zurückführten.

Ein ehemaliger Angestellter Werros erklärte alsZeuge in der Untersuchung, der Angeklagte haberinn Mongo Zettel besessen und verschiedentlichdamit «jongliert». Eine Stradivarius-Gcige ver-kaufte der Angeklagte zum Preis von 75 000 Fran-ken mit einem von ihm ausgestellten Zertifikat, inwelchem ein Originalwerk des Antonius Stradiva-rius, Cremona, aus dem Jahre 1703 mit Original;etikette attestiert wird. Später stellte sich einwand-frei heraus, daß sieh unter dem Zettel «AntoniusStradivarius Cremonensis Faciebat Anno 1703»noch ein anderer Zettel mit anderem Namen befandund daß schließlich beide Etiketten künstlich be-arbeitet worden waren, um älter zu erscheinen;Diese künstliche Alterung wurde teilweise an Ortund Stelle im Innern der Geige durch Beizung mitKaliumpermanganat vorgenommen. Da nicht anzu-nehmen ist. daß Stradivarius selbst seine Etiketteüber den Goigenzettel eines andern Erbauers ge-klebt hat, und da er auch weder seine Instrumentenoch seine Etiketten künstlich alterte er ver-kaufte seine Schöpfungen schließlich nicht alsAntiquitäten , müssen andere Hände am Werkgewesen sein.

Jn einer ebenfalls Gegenstand der Anklago bil-denden Ruggieri-Geige, datiert aus dem Jahre3697, fand der gerichtliche Experto eino Etikett o,deren Papier Holzschliff enthält und die deshalbfrühestens aus der Mitte des 19. Jahrhundertslammen kann. Dor Zettel enthält außerdem einen

«Druckfehler» («detto al Per Cremona 1697» statt«detto il. Per»), dor auf eino Fälschung außerhalbdes italienischen Sprachgebietes schließen läßt.

Garantiescheine und Scheingarantien

Achnlii'h wio im schwindelhaften Bilderhandelführen beim unseriösen Verkauf von alten Streich-instrumenten Atteste, Zertifikate und Garantie-scheine ein merkwürdiges Eigenleben; es unterliegtkeinem Zweifel, daß diese Dokumente in der glei-chen AVciso wie die Etiketten den Käufer von derEchtheit und vom Preiswert der Ware überzeugensollen. Allerdings darf man sich auch über jeneKäufer wundern, dio sich, wie in den Akten dosGcigeiiprozesses mehrere Male festgehalten wird,von Attesten ohne Photos ködern ließen, von Zerti-fikaten, die nicht einmal die Maße des Instrumen-tes enthielten oder so kurz gefaßt waren, daß siofür dio Identifikation eines Werkes unbrauchbar

Mehrere Atteste ausländischer Geigcnspezia-listcn, die in den Akten figurieren, waren zweifel-los Gefälligkeitsgutachten, die Werro von seinenGteschäftsfreunden in Stuttgart und London er-hielt. Nachdem an der Echtheit einer von Werrozum Preis von 17000 Franken verkauften Geigevon J. B. Guadagnini Zweifel entstanden, das In-strument entgegen dem Zertifikat von Werro so-wohl von einem Zürcher Geigenbauer wie auch vomSekretär der Italienischen Handelskammer inZürich als Kopio bezeichnet worden war und derAngeklagte dann das Instrument schließlich sogarzurückgekauft hatte, bemühte er sich nachträglichim eine Rehabilitation. Er beklagte sich bei demjetreffenden Zürcher Geigenbauer über dessen «un-collegiales Verhalten» und bat am 13. März 1952

seinen Freund Fridolin Hamma in Stuttgartschriftlich unter Beilage von zwei Photos, über dioGeige, welche er vor dem Krieg bei ihm, Hamma,erworben habe, ein neues Attest auszustellen, dadas<; alte verschwunden sei. Werro übermittelte auchg le i ch eine genaue Beschreibung des Instrumentesmit allen Einzelheiten, eingeschlossen die exaktenMaßangaben des Instrumentes. Der StuttgarterFachmann sandte sofort den von ihm verlangtenGarantieschein und zählte darin alle von Werrogemachten Angaben auf. Dieser Garantiescheinträgt auch dio von Werrd eingeschickten Photos,versehen mit dem Stempel «Hamma Stuttgart». Inder Untersuchung erklärte Fridolin Hamma als zurWahrheit verpflichteter Zeuge, das Instrument vierbis fünf Wochen, bevor die Photos mit der Bitteum ein neues Attest bei ihm eingetroffen seien,gesehen zu haben. Aus dem Paß des Zeugen i.st er-sichtlich, daß er am 5. Januar 1952 in Basel indie Schweiz eingereist ist und unser Land amgleichen Tag wieder verlassen hat; im Paß findetman außerdem einen deutschen Ausreisestempelvom 5. März 1952, doch steht nicht fest, ob es siehdabei um eine Einreise in die Schweiz gehandelthat. Der Zeuge aus Stuttgart (mit seinem «kol-legialen Verhalten») kann jedoch weder am 5. Ja-nuar noch am 5. März noch überhaupt im Jalir1952 vor seiner Attestierung die von ihm in seinem«Garantieschein» beschriebene Geige gesehen haben,weil das Instrument vom Oktober 1951 an bis zum13. März 1952, als es Werro zurückkaufte, bei dorSpar- und Leihkasse in Bern als Pfand hinterlegtwar . .

Im Werro-Zertifikat zu einer Slradivari-Geige,die zum Preis von 300 000 Franken verkauftwurde, findet man Ausdrücke wie «trefflichesExemplar», «edler Typus», «vom Schönsten, wasman sich denken kann», «superbes Exemplar»,«Konzeption und Aufbau* vom Glücklichsten, wasdor Meister geschaffen hat». Die Urteile andererlauten, daß dio Decke in einem sehr schlechtenZustand sei ; sio weise mindestens zwanzig mitQuerhölzchen gesicherte Risse auf. Aber selbstWerro soll sich früher über da.s «superbe Exem-plar» anders geäußert haben. Die Geige ist. ihm,nach den Angaben eines Zeugen, von London answiederholt angelwten worden, doch habe Werrosie abgelehnt mit der Bemerkung, er könne sichfür diese «Ruine» nicht begeistern. Eines Tageshat er sie aber doch gekauft, mit der Bemerkung,sie sei jetzt «dreckbillig». Der Zeuge berichtetweiterhin, daß ihm dor Angeklagte gesagt habe,er müsse sich fast schämen bei dem Gedanken,was er an dieser Stradivarius-Goigc verdient habe.Nach dem Befund von Hil in London war dieGeige allerdings schon früher an der Decke«seriously broken», was «truly infortunate» sei.Darin steht in Werros Zertifikat allerdings nichts.

Angeklagter, Verteidiger und Experten

Aus der persönlichen Tiefragung des Ange-klagten entnahm man, daß er ohne Zweifel zuden Großen des internationalen Geigenhandels ge-rechnet werden muß. Werr>; war nicht nur eineZeitlang Präsident des Schweizerischen Geigen-baumeisterverbandes, er war Experte bei denersten schweizerischen Meisterprüfungen im Gei-genbau, er ist heute noch Mitglied des Internatio-nalen Geigenbaumeistervorbandas und unterhältgeschäftliche und freundschaftliche Beziehungenzu allen Kapazitäten deren Ruf neuerdingsfreilich in:* Wanken geraten ist und galt langoZeit neben Hill (London) und Hamma (Stutt-gart) als einer der nicht sehr zahlreichen Kennerauf dem Gebiet der alten Streichinstrumente. Erist als Schweizer in England aufgewachsen, hatdort die Schulen besucht, absolvierte in Markneu-kirehen soino Lehre als Geigenbauer und über-nahm 1932 das von beinern Vater 1914 in Borngegründete Geschäft. 3920 erwarb er sich inDeutschland das Geigenbaunieisterdiplom undnennt sich mit Zustimmung dos KonservatoriunisBern «Luthier du conservatory.

Zum Thema «Geigenzettel» befragt, äußertesich der Angeklagte, daß Geigen nicht nach denEtiketten beurteilt würden; nur Laien (dio Käu-fer waren in der Regel Laien) wollten den Namendes Herstellers vom Zettel erfahren, was den Eti-ketten eine eigenartige, ihnen offenbar nicht zu-kommende Wichtigkeit gebe. Nicht ganz zu Un-recht wies der Angeklagte darauf hin, daß Tau-sende und aber Tausende von fabrikmäßig nachdem Modell von Stradivari hergestellten Geigenden Namenszettcl des Meistors aus Cremona ent-halten. Nur werden diese Geigen, wio der Ge-richtspräsident bemerkte, nicht zu den hohen Prei-sen, wie sie der Angeklagte forderte, sondern sobillig verkauft, daß kein Mensch glauben kann, eshandle sich um ein Original. Wenn es auch auf-fällig ist, daß dio Geigcnhändler, eingeschlossender Angeklagte, in ihren Attesten dio Zettel er-wähnen, obgleich ihnen jetzt im Strafverfahrenkeinerlei Bedeutung zugemessen werden soll, somuß auf Grund der historischen Begebenheitendoch angezweifelt worden, ob die Etikette wirklichnoch als wesentlicher Bestandteil der alten Streich-instrumente betrachtet worden kann. Die Geigen-liändlor hätten es allerdings längst in der Handgehabt, dio Käufer über den wahren Sachverhaltaufzuklären; statt dessen ließen sie die. Naivenoffenbar doch gerne im Glauben, daß die einge-klebten Zettel ein Beweis für die Echtheit desKaufobjektes soien. Der Angeklagte behauptet, erliabo auf Anfrage hin stets nach bestem Wissenund Gewissen Auskunft über dio Originalität derEtiketto gegeben; gleichzeitig sagte er aber, es .seiim internationalen Geigenhandel Brauch, eino un-echte Etiketto in den Attesten einfach nicht zu er-wähnen.

Dio Auswirkungen der gegen ihn im Jahre1952 eingereichten Strafklagen seien, sagte derAngeklagte, auf dem Gebiet der Schweiz katastro-phal gewesen. Der Vertrauensschwund bewirkte,daß dio inländische Kundschaft bcinaho völligausblieb. Dagegen genieße er im Ausland nach viovor einen guten Ruf. Man bezeichne im AuslandJas ganze Gerichtsverfahren gegen ihn als läclier-lich^ Darauf muß, ohne dem gerichtlichen Ent-scheid vorzugreifen, eines festgestellt werden: Wioauch die Entwirrung des jahrhundertealten Durch-einanders auf dem Gebiet dor alten Streichinstru-mente gerichtlich gelöst wird, so hat allein schondio Untersuchung der Machenschaften, der Mani-pulationen und Promovierungen in weitestenKreisen aufklärend gewirkt. Es bleibt nur zu hof-ien, daß. dio verschiedenen Experten, die in einem

solchen Prozeß ein wichtiges Wort mitzusprechen

Nicht ein Almosen ist es, wenn dieSchweizerische Winterhilfe einem be-drängten Mitbürger beisteht, sonderneine freundnachbarliche Handreiche

SCHWEIZERISCHE WINTERHILFE

haben, objektive Tatsachen vorzulegen haben, andenen es nichts zu deuteln gibt.

Dio Ausführungen der Verteidigung haben lei-der bereits zu Anfang dieses international mitAufmerksamkeit verfolgten Berner ProzessesZweifel an den angewandten Gutachtermethodengeweckt. Bei den allgemeinen Verwirrungen, dioseit Jahrhunderten im Handel mit alten Streich-instrumenten herrschen, ist es möglicherweisenicht von entscheidender Bedeutung, ob diese oderjene Etiketto falsch oder echt war, sondern ob derAngeklagte in betrügerischer Absieht falsche Zu-schreibungen vorgenommen, seine Käufer arglistiggetäuscht, irregeführt oder den Irrtum der andernarglistig benutzt hat, um diese am Vermögen zuschädigen. In der für seine Verteidigungstaktikcharakteristischen Art erklärte Werro, daß es imhistorischen Sinne keine «falschen» Instrumentegebe ; es gehe lediglich um die Frage, wem mandas Instrument zuschreibe. Um diese Frage han-delt es sich tatsächlich auch im Falle des Ange-klagten Henry Werro.

Bei der Behandlung der Vorfragen, die von derVerteidigung zu längeren Plädoyers benutztwurde, kam eine Eigentümlichkeit zur Sprache,die immerhin Anlaß zu Zweifeln an den bisherangewandten Giitachtermct hoden gab. Dor einoder beiden Verteidiger schilderte, wio Werro zwi-schen der im Februar abgebrochenen erstenHauptverhandlung und dem jetzigen Prozeß derExpertenkommission den Schweizerischen Gcigc»-baumeistcrverbandes, die weitgehend identisch istmit der vom Borner Gericht bestellten Gruppe füreine Oberexpertise, durch eino Drittperson einInstrument vorlegen ließ, das nachweisbar imJahre 1927 von einem Geigenbauer hergestelltwurde, der noch lebt (in Marienkirchen übrigens,woher auch die Etiketten-Faksimiles stammen).Die PiXpertenkaminer teilte der Drittperson nachden Ausführungen dos Verteidigers jedoch münd-lich mit, daß es sich um eino von GiovanniGaglianö kurz nach 1800 erbaute Geige handle.Dio Experten vorlangten für den Fall, daß derAuftraggeber ein schriftliches Gutachton wünsche,eino Bestätigung von dieser Drittperson; daß sienicht im Auftrage von Henry Werro bandle. DieseBestätigung konnte der Auftraggeber, oline zulügen, nicht geben, und es blieb bei der mündli-chen Begutachtung. Nun muß man sich immerhinfragen, weshalb dio Exportiso nicht auch danngegeben worden konnte, wenn es sich um eine vonHenry Werro eingereichte Geige gehandelt hat,sofern die Expertengruppe objektive Befunde zuliefern imstande ist.

LOKALESFelix Kolin im «Strau Hoff»

r. Mit gleicher Hingabe widmet sich Felix Kolindor malenden und der plastischen Kunst. SeineAusstellung in der städtischen Kunstkammer «ZumStrau Hoff» läßt nicht erkennen, welcher Gattunger den Vorrang einräumen will. Im Bereich derBilder zeigt er eine bereits selten gewordene Un-befangenheit in der Darstellung von Aktfiguren,dio das Räumliche in lichten Tönen mitschwingenlassen und die Illusion körperhafter Wirklichkeitmit locker gehandhabten Darstellungsmitteln vor-wirklichen. Die «Leseudo im Atelier» .steigert einGoiiremotiv wohl zum größten noch angängigenFormat; die geschmeidige Formgebung verbindetsich dabei angenehm mit farbigem Wohlklang.Bei den (zumeist kleineren) Plastiken herrschtstrenge Frontalität gewandeter und unbekleideterFiguren vor. Die Gestalten scheinen mit geballtenFäusten dazustehen, und nur wenige Arbeiten zei-gen eino gewisse Gelassenheit der Haltung um!Nuanciertheit im Einzelnen, die auf die Möglieh-kcten stärkerer Differenzierung hinweisen. KleineLandschaftsbilder von konzentriertem Ausdruckund Aktzeichnungen bereichern dio sympathischeKollektion.

Schwere Verkehrsunfälle-fr Am späteren Dienstagnachmittag wollte einFußgänger den Hardplatz in westlicher Richtung

überschreiten. Er achtete nicht auf einen Tramzugdor Linie 8, dor soeben von der Hohlstraße her inden Hardplatz einfuhr. Der Wagenführer gabSignal; trotzdem prallte der Fußgänger .seitlichgegen das Tram. Mit einer noch fraglichen Scliä-delbasisfraktur mußte er ins Kantonsspital ge-bracht werden.

ITm 18 Uhr 10 fuhr am Dienstag ein Roller dieJk breitibachstraße aufwärts. Auf der Höhe desHauses Röschibachstraße 69 schwenkte er nachlinks ab und wurde auf der anderen Fahrbahnseitevon einem in dor Gegenrichtung fahrenden Por-sononauto angefahren. Der ixHiker des Rollerswurde zu Boden geschleudert und erlitt eine offeneUnterschenkelfraktur und andere Verletzungen.Er wurde ins Stadtspital gebracht.

Am frühen Mittwochmorgen war am Sihlquaiein schwerer Lastwagen im Begriff, rückwärts auseiner Garago zu fahren. Ein Mann stand auf derStraße und dirigierte das Fahrmanöver. Plötzlichsah der Mann auf der Straße ein Motorrad mitgroßer Geschwindigkeit herannahen. Er machtedorn Lenker des Motorrades Zeichen, wurde abernicht beachtet und mußto selber zur Seite laufen,lim nicht angefahren zu werden. Der Motorrad-fahrer streifte das hintere Trittbrett dos Last-wagens, sein Fahrzeug geriet ins Schleudern undstürzte auf dio Straße. Der Lenker mußte mit einerOberschenkelfraktur, einer Kniescheibenfrakturund einem Schädelbruch ins Kantonsspital einge-wiesen werden; die Verletzungen sind lebensgefähr-lich.

Bauunfall, -r- Im Haus Germaniastraße 61 isteino Grube für einen Oeltank fertig ausgehoben.Arbeiter waren am Dienstag damit beschäftigt, vonBjrettorn aus, die über die Grube gelegt waren, mitKarretten hergeführten Sand in die Grube zuleeren, als ein Brett nachgab und einen 62jährigenHilfsarbeiter in die Grabe stürzen ließ. Der Hilfs-arbeiter erlitt eino Wirbelfraktiir und wurde insKantonsspital gebracht.

Neue Zürcher Zeitung vom 17.11.1908