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-&4&130 · Kontraindikationen Sie dürfen dieses Buch nicht verwenden, wenn eines oder mehrere der folgenden Merkmale auf Sie zutreffen: • Sie litten oder leiden unter einer Psychose,

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LESEPROBE

Katharina und Nikolai Hanf-Dressler

Angstfrei durch Selbsthypnose

Die Hypnos®- Methode erfolgreich selbst anwenden

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KontraindikationenSie dürfen dieses Buch nicht verwenden, wenn eines oder mehrere der folgenden Merkmale auf Sie zutreffen: • Sie litten oder leiden unter einer Psychose, haben also

beispielsweise Wahn und/oder Halluzinationen erlebt.• Ihr Beschwerdebild ist so massiv, dass eine stationäre

Behandlung einer Selbsthilfe vorzuziehen ist.• Sie sind schwer traumatisiert.• Sie haben Selbstmordgedanken.• Es liegt bei Ihnen eine stoffliche Suchterkrankung (außer

Nikotinsucht) vor.• Sie verspüren die Tendenz, sich selbst oder andere verletzen

zu wollen.• Die Angststörung ist Begleiterscheinung einer anderen

psychischen oder somatischen Erkrankung, zum Beispiel einer Depression, einer Zwangsstörung, einer Schlafstörung, von Demenz oder einer Stoffwechselerkrankung.

• Sie haben eine psychiatrische, psychotherapeutische oder neurologische Behandlung bereits aufgenommen und es besteht seitens des Arztes oder Behandlers kein Einverständnis bezüglich der Anwendung von Selbsthypnose.

• Sie haben starke, nicht medikamentös eingestellte Herz- und Kreislaufbeschwerden.

• Sie fühlen keine Bereitschaft, sich auf die im Buch vorgestellten Techniken praktisch einzulassen.

Die Übungen, Ratschläge und Informationen in diesem Buch sind von Autoren und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft worden. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für eine ärztliche oder therapeutische Behandlung. Jede Leserin und jeder Leser ist für sein eigenes Handeln selbst verantwortlich. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Folgen, die sich aus den im Buch gemachten praktischen Hinweisen ergeben, eine Haftung übernehmen.

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INHALTSVERZEICHNIS

Prolog 11

WARMLAUFEN 15Natur der Angst 16

Herzlich willkommen 16Erstaunliche Angst 22Stress – Ihr Notfallmodus 26Angst ist nicht sinnlos 30Ihre Angst hat eine heimliche Geschichte 35Unbequeme Komfortzonen oder Was uns in unserer Angst hält 38

Ihr Fahrplan für dieses Buch 43

WERKSTATT 49Im Simulator 50

Hypnose und Energetik – Ein Traumgespann 50Die Macht des Nichts: Quantum Entrainment 51Trance und Hypnose 65Selbsthypnose erlernen 72Klopfen gegen die Angst: NAEM 83

Techniken zur Anwendung in Selbsthypnose 102Der Ruhe-Anker 103Der Selbstbewusstseins-Anker 110Die Arbeit mit Suggestionen 116 Ein kompetenter Ansprechpartner − Das Unterbewusstsein befragen 122

Der EHT®-Laser – Eine Bilaterale Hemisphären-Stimulation 125

FLANKIERENDE WARTUNG UND PROPHYLAXE 133Was der Körper braucht 134

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Mit Mood-Food gegen die Furcht 135Schlaf macht mutiger 144Der Angst davonlaufen 147

Was den Geist klärt und nährt 150Raffinierte Physiologie – Das Pretending 150Den Stresspegel senken 151Die Lichtung füllen 154Erinnern an die Zukunft – Der Future Pace 158Eine neue Rolle erschaffen 162 Bonus-Übung: Die Sedona-Methode 168

NOTFALL-INTERVENTIONEN 173Immer an Bord – Unsere Notfall-Werkzeuge 174

Die Palm Therapy 175 Atem-Techniken 185Der Karate-Punkt 190Die Talisman-Technik 192Blase oder Fakt? – Der Realitäts-Check für einen klaren Kopf 196Die Progressive Muskelrelaxation – Der PMR-Quickie 200Der Gedanken-Switch 206

Bevor es nach draußen geht: Habituation in Trance 211Die Anwendung in freier Wildbahn 216

Systematische Desensibilisierung 216

WENN ES NICHT FUNKTIONIERT – VOM UMGANG MIT PANNEN 225

DIE SPEZIALREZEPTE FÜR JEDE ANGST 233Spezialrezepte-Sammlung: Phobien 234

Die Fast Phobia Cure in Selbsthypnose 235Die Swish-Technik 242Spezialrezept Agoraphobie 246

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Spezialrezept Flugangst 249Spezialrezept Soziale Phobie 252Spezialrezept Spezifische Phobie 260Spezialrezept Höhenangst 264Spezialrezept Präsentations-/Rede-/Auftritts-Angst 267Spezialrezept Erythrophobie 270Spezialrezept Emetophobie 275

Spezialrezept-Sammlung: Andere Angststörungen 279Spezialrezept Generalisierte Angststörung 279Spezialrezept Panikstörung 284

Adieu und Willkommen! 287

ANHANG 289Spickzettel für die Tasche 291

Spickzettel Quantum Entrainment (QE) 291Spickzettel Selbsthypnose-Schalter nutzen 292Spickzettel NAEM 293Spickzettel Fast Phobia Cure 294 Spickzettel Swish-Technik 295Spickzettel Future Pace 296Spickzettel Ruhe-Anker auffrischen 297Spickzettel Selbstbewusstseins-Anker auffrischen 298Spickzettel Suggestions-Techniken in Selbsthypnose 299Spickzettel Palm Therapy 300Spickzettel PMR-Quickie 301Spickzettel Sedona-Technik 302

Praktische Anwendung – Was, wann, wie oft? 303 Übungsprozess – Übersicht 308

Die Angstfrei-CD 311

Quellenverzeichnis 318

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Prolog

Vor Kurzem musste das Schloss unserer Wohnungstür ausge-tauscht werden. Ein fröhlicher junger Mann eines Schlüsseldiens-tes kam schnell, um das zu erledigen. Während er so vor sich hin werkelte, kamen wir ins Gespräch. Wir erfuhren, dass sein Sohn im gleichen Alter wie unser Sohn und seine junge Frau wieder schwanger ist. Und dann fragte er, was wir denn beruflich täten. Wir berichteten von unserer Arbeit als Hypnotherapeuten und von den Anwendungsgebieten, mit denen wir uns beschäftigen. Er wurde immer stiller. Irgendwann legte er sein Werkzeug hin, faltete die Hände in seinem Schoß, schaute mich an und sagte: »Wissen Sie was? Ich glaube, ich werde verrückt.«

Und dann fing er an zu erzählen.

Es begann vor drei Jahren ganz plötzlich auf der Autobahn. Ihm war so schummrig geworden, die Brust ganz eng, er habe zu schwitzen begonnen. Und dann verspürte er plötzlich diese pani-sche Angst. Angst, das Bewusstsein und somit die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren und tödlich zu verunglücken. Er hat angehalten und gewartet. Irgendwann sei er dann immerhin in der Lage gewesen, bis zur nächsten Ausfahrt zu fahren. Dort hat er sich abholen lassen und erzählt, dass er wohl etwas Schlechtes gegessen hätte. Von da an sei sein Leben verlaufen, als würde eine Lawine mit voller Wucht talwärts rollen.

Autofahren konnte er zunächst noch. Nur nicht auf Autobah-nen. Nur nicht dort, wo ein möglicher erneuter Kontrollverlust sich besonders bedrohlich anfühlen würde. Nach einigen Wochen aber konnte er gar nicht mehr ins Auto einsteigen. Der Gedanke, wieder die Angst vor der Ohnmacht zu spüren, verfolgte ihn. Er

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stellte sich nicht mehr an lange Schlangen an, ging nur in den Supermarkt, wenn kaum Menschen dort waren. Dann begannen auch Menschenmengen ihm Angst zu machen.

Es folgte die Angst vor Fahrstühlen und offenen Plätzen. Er fantasierte darüber, wie groß die Blamage wäre, wenn er in der Öffentlichkeit umkippen würde. Wahrscheinlich würde niemand helfen. Was würde er seiner Frau sagen, was seinen Angestellten?

Jahrelang gelang es ihm unter großem Aufwand, sein sich stän-dig vergrößerndes Problem geheim zu halten. Er schämte sich enorm, fühlte seine Männlichkeit und Souveränität bedroht, suchte keine Hilfe und vertraute sich niemandem an. Er hielt aus – und litt entsetzlich. Nach drei Jahren – er war inzwischen Vater geworden, zum Chef der Firma seines Vaters aufgestiegen – offenbarte er sich seiner Mutter. Sie stammte, wie seine ganze Fa-milie, aus der Türkei. Die Beziehung zum Sohn war intensiv und liebevoll. Der Sohn schilderte ihr seinen Kummer, sie begann zu weinen. Schließlich schlug sie die Hände über dem Kopf zusam-men und rief: »Mein Junge verliert den Verstand, mein Junge kommt ins Irrenhaus!« Beschämt und mit großen Schuldgefüh-len, seine Mutter so sehr in Sorge versetzt zu haben, beschloss er, was ihm logisch erschien: Dies ist etwas, das niemals irgendje-mand von mir wissen darf. Dies ist nicht normal. Ich bin nicht normal. Ich bin verrückt, total irre.

Warum erzählen wir Ihnen von dieser Begegnung? Weil wir zu-tiefst betroffen waren.

Im Praxisalltag sind wir so intensiv eingebunden in die Themen Angst, Panik und Depression, dass es uns völlig normal erscheint, dass Menschen offensiv damit umgehen. Dass sie nicht still-schweigend leiden, sondern sich Unterstützung suchen.

All jene jedoch, die diese Phänomene erleben und sich nieman-dem offenbaren, waren unserem Fokus bis dahin entglitten.

12 Prolog

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Etwa jeder zehnte Deutsche erlebt im Laufe seines Lebens mehr oder minder stark als »pathologisch« klassifizierte Ängste, Pho-bien oder Panikattacken.

Und etwa die Hälfte dieser Menschen ist und bleibt unbehan-delt.

Dem jungen Mann, der unser Türschloss austauschte, berichte-ten wir natürlich davon. Wir sagten ihm, dass das, was er erlebte, ganz und gar keinen Seltenheitswert habe.Wahrscheinlich leide er an einer Panikstörung mit Agoraphobie. Diese Schwierigkeiten könnten hervorragend und binnen bemerkenswert kurzer Zeit behandelt werden.

Er konnte das nur schwerlich glauben, fragte mehrfach nach, ob wir tatsächlich schon einmal von jemandem gehört hätten, der das »so schlimm« hätte wie er.

»Na klar! Ach, das ist doch noch gar nichts!«, wollten wir am liebsten antworten.

Und Ihnen, liebe Leser, möchten wir gleich zum Auftakt unseres Buches zurufen:

Es gibt hervorragende Nachrichten! Niemand, wirklich nie-mand, muss heute mehr in jener seelischen Schraubzwinge durchs Leben gehen, die wir Angststörung nennen.

Sie verfügten einst über die Fertigkeit, dieses Phänomen zu er-zeugen. Und genauso können Sie es auch wieder gehen lassen.

Wollen Sie?Dann los! Lassen Sie uns gemeinsam das schmackhafteste aller

Rezepte umsetzen. Backen Sie sich endlich Ihren Freiheitskuchen. Locker, saftig, verführerisch duftend – genauso wie Ihr künftiges Leben.

Prolog 13

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Warmlaufen

Warum habe ich diese Angst? Weshalb geht es meinem Körper oft so schlecht? Wie und warum wird die Selbsthypnose dies be-einflussen können?

Bevor Sie selber konkret tätig werden, lernen Sie Ihr Angst-phänomen in diesem Kapitel kennen. Verständnis und Annahme sind die Basis für jedes erfolgreiche Projekt.

Also – Sie dürfen neugierig sein!

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Natur der Angst

Herzlich willkommen!

Bevor wir mit dem Backen Ihres Freiheitskuchens beginnen, möchten wir noch etwas dazu sagen, was beim gemeinsamen Ba-cken so schiefgehen könnte.

Vermutlich kommt Ihnen das bekannt vor: Zwei Freunde mit gemeinsamer Koch- und Backleidenschaft verabreden sich zum fröhlichen Sonntagsbacken. Freund Otto scheint die Backweis-heit mit Löffeln gefressen zu haben, seine Wahrheiten über das richtige Rezept und den einzig korrekten Ofentyp tönen lautstark durch die Küche. Sein Spezi, Bäcker Klaus, möchte etwas Neues anregen, das dem widerspricht, was unser Auskenner Otto als die Wahrheit deklariert hat. Otto möchte zwar «auch mal was ande-res!« probieren, ist aber nicht recht bereit, Klaus die Führung zu überlassen.

Nach einigen Reibereien ist der Kuchen endlich fertig. Und? Die Erwartungen sind schließlich groß! Beide kosten von ihrem gemeinsamen Werk – und sind enttäuscht. Schmeckt irgendwie nicht so richtig, finden Otto und Klaus einhellig. Nichts Halbes und nichts Ganzes.

Was war passiert? Bei der Creme, die Klaus anrührte, klebte immer schon Creme von Otto im Rührtopf, zu jedem Teigbat-zen nach Klaus’ Rezept gab Otto ein Quentchen von seinem al-ten Senf, äh Teig, hinzu.

Genauso verhält es sich häufig, wenn Menschen ihre Probleme lösen möchten. Und vielleicht geht es auch Ihnen so – das wäre nur allzu normal.

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Sie sagen sich angesichts dieses Buches: »Ich will meine Angst wirklich loswerden, aber dieses Klopfzeugs lasse ich weg.« Oder: »Das kenne ich schon, das funktioniert bei mir nicht.« Oder auch: »Mal gucken, was die mir hier verkaufen wollen. Da bin ich aber kritisch, ich mach’ doch nicht jeden Quatsch mit.« Merken Sie’ s? Da klebt schon etwas in Ihrem Topf! Und es juckt Sie wo-möglich, etwas von Ihrem alten Senf hinzuzugeben.

Und an dieser Stelle springen wir beide auf und rufen: »Dies ist kein Mal-gucken-Buch! Sie halten ein Ganz-oder-gar-nicht-Buch in den Händen.«

Wir möchten nicht Ihren Zeh, der ein bisschen in unserem Wasser herumplätschert. Wir wollen Ihren Kopfsprung hinein in den See der Angstfreiheit!

Wir möchten nicht, dass Sie »mal ein bisschen probieren«. Wir möchten Sie nicht als Zuschauer auf den Rängen, sondern als Macher auf der Bühne. Denn Sie sind unser Top-As, der beein-druckendste Angst-Entfesselungs-Künstler, den die Welt je gese-hen hat. Und Sie sind es nur deshalb, weil Sie die Entfesselungs-nummer ganz genauso durchgeführt haben, wie wir es Ihnen beigebracht haben. Weil Sie nichts hinzugefügt und nichts weg-gelassen haben – und das war das Leichteste, was Sie tun konnten. Sich keinen Kopf zu machen, sondern einfach der Spur zu folgen, die wir Ihnen mit diesem Buch legen.

Es funktioniert! Wir wissen es aus unserer tagtäglichen Praxis-erfahrung.

Damit die vorgestellten Angstlösungs-Werkzeuge für Sie an-schaulicher werden, haben wir einige unserer Patienten gebeten, mit uns für dieses Buch die Geschichte ihrer ganz persönlichen Angst aufzuschreiben. Dabei sind sie auf ihre Erlebnisse mit der-jenigen Technik näher eingegangen, zu der sie persönlich die stärkste Beziehung verspürten und die sich für sie als besonders effektiv erwiesen hat.

Natur der Angst 17

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Übermäßige Ängste kennen wir aber nicht nur von unseren Patienten, sondern auch aus unserem eigenen Erleben.

Lesen Sie selbst!

Nikolai Hanf-Dressler: Riesenangst vor dem Riesenrad

Meine Mutter ist eine Frau, die ihre große Liebe und (Für-)Sorge häufig durch übergroße Vorsicht ausdrückte und mich in meiner Kindheit zuverlässig auf alle möglichen und unmöglichen Gefah-ren hinwies. Wenn sie fror, musste ich mich wärmer anziehen. Was ihr zu riskant erschien, war für mich verboten.

Besonders große Bedenken hatte meine Mutter im Hinblick auf Fahrgeschäfte aller Art – Riesenräder, Achterbahnen, kleine Berg- und-Tal-Bahnen. Also genau dem, was Kinder neben Zucker-watte und gebrannten Mandeln so auf einem Jahrmarkt lieben. Sie erwähnte, dass die Aufbauhelfer gerne mal feierten und alles nicht so ganz ordentlich erledigten. Ich war ein Kind mit großer Fantasie und in mir entstanden sofort eindrucksvolle Bilder von durchgerosteten Bolzen und Schrauben und deren verheerenden Folgen. Ich konzentrierte mich auf dem Jahrmarkt also auf Pony-reiten oder Dosenwerfen. Wie tief sich diese Phobie jedoch in mir manifestiert hatte, wurde mir erst bewusst, als ich selbst Vater zweier Kinder war. Beide ließen sich mit zunehmendem Alter nicht mehr mit Kleinkinder-Attraktionen auf dem Rummel ab-speisen, sondern forderten lautstark ein: »Papi, fahr’ mit uns Rie-senrad!!!«

Das kündigten sie schon zu Hause vor dem Losgehen an –, und ich spürte deutlich, wie meine Knie mit jedem Schritt sprichwört-lich weicher wurden, je näher wir dem Festplatz kamen. Als wir vor Ort aus dem Auto ausstiegen, vervielfachte sich meine Angst zusehends. Zittern, Herzrasen, Schweißausbrüche. Das blamable Finale meiner Angstattacke: Ich saß zitternd etwa 150 Meter

18 Warmlaufen

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vom Horror-Riesenrad entfernt auf dem Rinnstein und weinte sogar ein bisschen. Weiter wollten mich meine Beine einfach nicht tragen. Meine lachenden und zugleich stark irritierten Kinder schauten mich an und fragten, was ich mich zu diesem Zeitpunkt längst selbst ernsthaft fragte: »Was ist denn los mit dir?«

Zu dieser Zeit hatte ich gerade damit begonnen, mich mit ener-getischen Verfahren zu beschäftigen. Und mir war klar, dass das Bearbeiten meiner ausgeprägten »Fahrgeschäfte-Phobie« mein Gesellenstück werden sollte. Ich war während der nächsten Tage mein eigener Proband, begab mich in Trance, wendete Klopf-Tech-niken an und machte mich daran, meinen Ängsten durch psycho-therapeutische Methoden auf den Grund zu kommen – und so das für mich etwas hinderliche Drehbuch meines Lebens ein we-nig umzuschreiben.

Wenige Wochen später bot sich mir die Möglichkeit, mein neu gewonnenes Selbstvertrauen auf die Probe zu stellen: Ich besuchte mit meinen Kindern einen Freizeitpark. Ein Karussell mit Wagen in Form von Orca-Walen, die auf- und niederschwebten, während sich das Ganze auch noch sanft drehte (!), wurde von den Kindern auserkoren, um gemeinsam damit zu fahren. Ich stieg ein. Ich fuhr damit. Ich musste weder weinen, noch zitterten meine Knie. Und auch das Atmen funktionierte ganz normal. Zugegeben: Ich hatte anschließend einen bemerkenswerten Hand-Muskelkater vom gründlichen Festhalten des Orca-Kopfes. Aber ich war stolz wie Bolle.

Und, nein, Karussellfahren wird wohl nie zu meinen bevor-zugten Freizeitbeschäftigungen gehören. Aber es ist in Ordnung, denn es macht mich heute nicht mehr zu einem hilflosen Bündel Mensch, der von seiner Angst regiert wird. Inzwischen bin ich der König.

Herzlich willkommen! 19

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Katharina und Nikolai Hanf-Dressler

Angstfrei durch Selbsthypnose

Die Hypnos®- Methode erfolgreich selbst anwenden

KontraindikationenSie dürfen dieses Buch nicht verwenden, wenn eines oder mehrere der folgenden Merkmale auf Sie zutreffen: • Sie litten oder leiden unter einer Psychose, haben also

beispielsweise Wahn und/oder Halluzinationen erlebt.• Ihr Beschwerdebild ist so massiv, dass eine stationäre

Behandlung einer Selbsthilfe vorzuziehen ist.• Sie sind schwer traumatisiert.• Sie haben Selbstmordgedanken.• Es liegt bei Ihnen eine stoffliche Suchterkrankung (außer

Nikotinsucht) vor.• Sie verspüren die Tendenz, sich selbst oder andere verletzen

zu wollen.• Die Angststörung ist Begleiterscheinung einer anderen

psychischen oder somatischen Erkrankung, zum Beispiel einer Depression, einer Zwangsstörung, einer Schlafstörung, von Demenz oder einer Stoffwechselerkrankung.

• Sie haben eine psychiatrische, psychotherapeutische oder neurologische Behandlung bereits aufgenommen und es besteht seitens des Arztes oder Behandlers kein Einverständnis bezüglich der Anwendung von Selbsthypnose.

• Sie haben starke, nicht medikamentös eingestellte Herz- und Kreislaufbeschwerden.

• Sie fühlen keine Bereitschaft, sich auf die im Buch vorgestellten Techniken praktisch einzulassen.

Die Übungen, Ratschläge und Informationen in diesem Buch sind von Autoren und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft worden. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für eine ärztliche oder therapeutische Behandlung. Jede Leserin und jeder Leser ist für sein eigenes Handeln selbst verantwortlich. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Folgen, die sich aus den im Buch gemachten praktischen Hinweisen ergeben, eine Haftung übernehmen.

INHALTSVERZEICHNIS

Prolog 11

WARMLAUFEN 15Natur der Angst 16

Herzlich willkommen 16Erstaunliche Angst 22Stress – Ihr Notfallmodus 26Angst ist nicht sinnlos 30Ihre Angst hat eine heimliche Geschichte 35Unbequeme Komfortzonen oder Was uns in unserer Angst hält 38

Ihr Fahrplan für dieses Buch 43

WERKSTATT 49Im Simulator 50

Hypnose und Energetik – Ein Traumgespann 50Die Macht des Nichts: Quantum Entrainment 51Trance und Hypnose 65Selbsthypnose erlernen 72Klopfen gegen die Angst: NAEM 83

Techniken zur Anwendung in Selbsthypnose 102Der Ruhe-Anker 103Der Selbstbewusstseins-Anker 110Die Arbeit mit Suggestionen 116 Ein kompetenter Ansprechpartner − Das Unterbewusstsein befragen 122

Der EHT®-Laser – Eine Bilaterale Hemisphären-Stimulation 125

FLANKIERENDE WARTUNG UND PROPHYLAXE 133Was der Körper braucht 134

Mit Mood-Food gegen die Furcht 135Schlaf macht mutiger 144Der Angst davonlaufen 147

Was den Geist klärt und nährt 150Raffinierte Physiologie – Das Pretending 150Den Stresspegel senken 151Die Lichtung füllen 154Erinnern an die Zukunft – Der Future Pace 158Eine neue Rolle erschaffen 162 Bonus-Übung: Die Sedona-Methode 168

NOTFALL-INTERVENTIONEN 173Immer an Bord – Unsere Notfall-Werkzeuge 174

Die Palm Therapy 175 Atem-Techniken 185Der Karate-Punkt 190Die Talisman-Technik 192Blase oder Fakt? – Der Realitäts-Check für einen klaren Kopf 196Die Progressive Muskelrelaxation – Der PMR-Quickie 200Der Gedanken-Switch 206

Bevor es nach draußen geht: Habituation in Trance 211Die Anwendung in freier Wildbahn 216

Systematische Desensibilisierung 216

WENN ES NICHT FUNKTIONIERT – VOM UMGANG MIT PANNEN 225

DIE SPEZIALREZEPTE FÜR JEDE ANGST 233Spezialrezepte-Sammlung: Phobien 234

Die Fast Phobia Cure in Selbsthypnose 235Die Swish-Technik 242Spezialrezept Agoraphobie 246

Spezialrezept Flugangst 249Spezialrezept Soziale Phobie 252Spezialrezept Spezifische Phobie 260Spezialrezept Höhenangst 264Spezialrezept Präsentations-/Rede-/Auftritts-Angst 267Spezialrezept Erythrophobie 270Spezialrezept Emetophobie 275

Spezialrezept-Sammlung: Andere Angststörungen 279Spezialrezept Generalisierte Angststörung 279Spezialrezept Panikstörung 284

Adieu und Willkommen! 287

ANHANG 289Spickzettel für die Tasche 291

Spickzettel Quantum Entrainment (QE) 291Spickzettel Selbsthypnose-Schalter nutzen 292Spickzettel NAEM 293Spickzettel Fast Phobia Cure 294 Spickzettel Swish-Technik 295Spickzettel Future Pace 296Spickzettel Ruhe-Anker auffrischen 297Spickzettel Selbstbewusstseins-Anker auffrischen 298Spickzettel Suggestions-Techniken in Selbsthypnose 299Spickzettel Palm Therapy 300Spickzettel PMR-Quickie 301Spickzettel Sedona-Technik 302

Praktische Anwendung – Was, wann, wie oft? 303 Übungsprozess – Übersicht 308

Die Angstfrei-CD 311

Quellenverzeichnis 318

Prolog

Vor Kurzem musste das Schloss unserer Wohnungstür ausge-tauscht werden. Ein fröhlicher junger Mann eines Schlüsseldiens-tes kam schnell, um das zu erledigen. Während er so vor sich hin werkelte, kamen wir ins Gespräch. Wir erfuhren, dass sein Sohn im gleichen Alter wie unser Sohn und seine junge Frau wieder schwanger ist. Und dann fragte er, was wir denn beruflich täten. Wir berichteten von unserer Arbeit als Hypnotherapeuten und von den Anwendungsgebieten, mit denen wir uns beschäftigen. Er wurde immer stiller. Irgendwann legte er sein Werkzeug hin, faltete die Hände in seinem Schoß, schaute mich an und sagte: »Wissen Sie was? Ich glaube, ich werde verrückt.«

Und dann fing er an zu erzählen.

Es begann vor drei Jahren ganz plötzlich auf der Autobahn. Ihm war so schummrig geworden, die Brust ganz eng, er habe zu schwitzen begonnen. Und dann verspürte er plötzlich diese pani-sche Angst. Angst, das Bewusstsein und somit die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren und tödlich zu verunglücken. Er hat angehalten und gewartet. Irgendwann sei er dann immerhin in der Lage gewesen, bis zur nächsten Ausfahrt zu fahren. Dort hat er sich abholen lassen und erzählt, dass er wohl etwas Schlechtes gegessen hätte. Von da an sei sein Leben verlaufen, als würde eine Lawine mit voller Wucht talwärts rollen.

Autofahren konnte er zunächst noch. Nur nicht auf Autobah-nen. Nur nicht dort, wo ein möglicher erneuter Kontrollverlust sich besonders bedrohlich anfühlen würde. Nach einigen Wochen aber konnte er gar nicht mehr ins Auto einsteigen. Der Gedanke, wieder die Angst vor der Ohnmacht zu spüren, verfolgte ihn. Er

stellte sich nicht mehr an lange Schlangen an, ging nur in den Supermarkt, wenn kaum Menschen dort waren. Dann begannen auch Menschenmengen ihm Angst zu machen.

Es folgte die Angst vor Fahrstühlen und offenen Plätzen. Er fantasierte darüber, wie groß die Blamage wäre, wenn er in der Öffentlichkeit umkippen würde. Wahrscheinlich würde niemand helfen. Was würde er seiner Frau sagen, was seinen Angestellten?

Jahrelang gelang es ihm unter großem Aufwand, sein sich stän-dig vergrößerndes Problem geheim zu halten. Er schämte sich enorm, fühlte seine Männlichkeit und Souveränität bedroht, suchte keine Hilfe und vertraute sich niemandem an. Er hielt aus – und litt entsetzlich. Nach drei Jahren – er war inzwischen Vater geworden, zum Chef der Firma seines Vaters aufgestiegen – offenbarte er sich seiner Mutter. Sie stammte, wie seine ganze Fa-milie, aus der Türkei. Die Beziehung zum Sohn war intensiv und liebevoll. Der Sohn schilderte ihr seinen Kummer, sie begann zu weinen. Schließlich schlug sie die Hände über dem Kopf zusam-men und rief: »Mein Junge verliert den Verstand, mein Junge kommt ins Irrenhaus!« Beschämt und mit großen Schuldgefüh-len, seine Mutter so sehr in Sorge versetzt zu haben, beschloss er, was ihm logisch erschien: Dies ist etwas, das niemals irgendje-mand von mir wissen darf. Dies ist nicht normal. Ich bin nicht normal. Ich bin verrückt, total irre.

Warum erzählen wir Ihnen von dieser Begegnung? Weil wir zu-tiefst betroffen waren.

Im Praxisalltag sind wir so intensiv eingebunden in die Themen Angst, Panik und Depression, dass es uns völlig normal erscheint, dass Menschen offensiv damit umgehen. Dass sie nicht still-schweigend leiden, sondern sich Unterstützung suchen.

All jene jedoch, die diese Phänomene erleben und sich nieman-dem offenbaren, waren unserem Fokus bis dahin entglitten.

12 Prolog

Etwa jeder zehnte Deutsche erlebt im Laufe seines Lebens mehr oder minder stark als »pathologisch« klassifizierte Ängste, Pho-bien oder Panikattacken.

Und etwa die Hälfte dieser Menschen ist und bleibt unbehan-delt.

Dem jungen Mann, der unser Türschloss austauschte, berichte-ten wir natürlich davon. Wir sagten ihm, dass das, was er erlebte, ganz und gar keinen Seltenheitswert habe.Wahrscheinlich leide er an einer Panikstörung mit Agoraphobie. Diese Schwierigkeiten könnten hervorragend und binnen bemerkenswert kurzer Zeit behandelt werden.

Er konnte das nur schwerlich glauben, fragte mehrfach nach, ob wir tatsächlich schon einmal von jemandem gehört hätten, der das »so schlimm« hätte wie er.

»Na klar! Ach, das ist doch noch gar nichts!«, wollten wir am liebsten antworten.

Und Ihnen, liebe Leser, möchten wir gleich zum Auftakt unseres Buches zurufen:

Es gibt hervorragende Nachrichten! Niemand, wirklich nie-mand, muss heute mehr in jener seelischen Schraubzwinge durchs Leben gehen, die wir Angststörung nennen.

Sie verfügten einst über die Fertigkeit, dieses Phänomen zu er-zeugen. Und genauso können Sie es auch wieder gehen lassen.

Wollen Sie?Dann los! Lassen Sie uns gemeinsam das schmackhafteste aller

Rezepte umsetzen. Backen Sie sich endlich Ihren Freiheitskuchen. Locker, saftig, verführerisch duftend – genauso wie Ihr künftiges Leben.

Prolog 13

Warmlaufen

Warum habe ich diese Angst? Weshalb geht es meinem Körper oft so schlecht? Wie und warum wird die Selbsthypnose dies be-einflussen können?

Bevor Sie selber konkret tätig werden, lernen Sie Ihr Angst-phänomen in diesem Kapitel kennen. Verständnis und Annahme sind die Basis für jedes erfolgreiche Projekt.

Also – Sie dürfen neugierig sein!

Natur der Angst

Herzlich willkommen!

Bevor wir mit dem Backen Ihres Freiheitskuchens beginnen, möchten wir noch etwas dazu sagen, was beim gemeinsamen Ba-cken so schiefgehen könnte.

Vermutlich kommt Ihnen das bekannt vor: Zwei Freunde mit gemeinsamer Koch- und Backleidenschaft verabreden sich zum fröhlichen Sonntagsbacken. Freund Otto scheint die Backweis-heit mit Löffeln gefressen zu haben, seine Wahrheiten über das richtige Rezept und den einzig korrekten Ofentyp tönen lautstark durch die Küche. Sein Spezi, Bäcker Klaus, möchte etwas Neues anregen, das dem widerspricht, was unser Auskenner Otto als die Wahrheit deklariert hat. Otto möchte zwar «auch mal was ande-res!« probieren, ist aber nicht recht bereit, Klaus die Führung zu überlassen.

Nach einigen Reibereien ist der Kuchen endlich fertig. Und? Die Erwartungen sind schließlich groß! Beide kosten von ihrem gemeinsamen Werk – und sind enttäuscht. Schmeckt irgendwie nicht so richtig, finden Otto und Klaus einhellig. Nichts Halbes und nichts Ganzes.

Was war passiert? Bei der Creme, die Klaus anrührte, klebte immer schon Creme von Otto im Rührtopf, zu jedem Teigbat-zen nach Klaus’ Rezept gab Otto ein Quentchen von seinem al-ten Senf, äh Teig, hinzu.

Genauso verhält es sich häufig, wenn Menschen ihre Probleme lösen möchten. Und vielleicht geht es auch Ihnen so – das wäre nur allzu normal.

Sie sagen sich angesichts dieses Buches: »Ich will meine Angst wirklich loswerden, aber dieses Klopfzeugs lasse ich weg.« Oder: »Das kenne ich schon, das funktioniert bei mir nicht.« Oder auch: »Mal gucken, was die mir hier verkaufen wollen. Da bin ich aber kritisch, ich mach’ doch nicht jeden Quatsch mit.« Merken Sie’ s? Da klebt schon etwas in Ihrem Topf! Und es juckt Sie wo-möglich, etwas von Ihrem alten Senf hinzuzugeben.

Und an dieser Stelle springen wir beide auf und rufen: »Dies ist kein Mal-gucken-Buch! Sie halten ein Ganz-oder-gar-nicht-Buch in den Händen.«

Wir möchten nicht Ihren Zeh, der ein bisschen in unserem Wasser herumplätschert. Wir wollen Ihren Kopfsprung hinein in den See der Angstfreiheit!

Wir möchten nicht, dass Sie »mal ein bisschen probieren«. Wir möchten Sie nicht als Zuschauer auf den Rängen, sondern als Macher auf der Bühne. Denn Sie sind unser Top-As, der beein-druckendste Angst-Entfesselungs-Künstler, den die Welt je gese-hen hat. Und Sie sind es nur deshalb, weil Sie die Entfesselungs-nummer ganz genauso durchgeführt haben, wie wir es Ihnen beigebracht haben. Weil Sie nichts hinzugefügt und nichts weg-gelassen haben – und das war das Leichteste, was Sie tun konnten. Sich keinen Kopf zu machen, sondern einfach der Spur zu folgen, die wir Ihnen mit diesem Buch legen.

Es funktioniert! Wir wissen es aus unserer tagtäglichen Praxis-erfahrung.

Damit die vorgestellten Angstlösungs-Werkzeuge für Sie an-schaulicher werden, haben wir einige unserer Patienten gebeten, mit uns für dieses Buch die Geschichte ihrer ganz persönlichen Angst aufzuschreiben. Dabei sind sie auf ihre Erlebnisse mit der-jenigen Technik näher eingegangen, zu der sie persönlich die stärkste Beziehung verspürten und die sich für sie als besonders effektiv erwiesen hat.

Natur der Angst 17

Übermäßige Ängste kennen wir aber nicht nur von unseren Patienten, sondern auch aus unserem eigenen Erleben.

Lesen Sie selbst!

Nikolai Hanf-Dressler: Riesenangst vor dem Riesenrad

Meine Mutter ist eine Frau, die ihre große Liebe und (Für-)Sorge häufig durch übergroße Vorsicht ausdrückte und mich in meiner Kindheit zuverlässig auf alle möglichen und unmöglichen Gefah-ren hinwies. Wenn sie fror, musste ich mich wärmer anziehen. Was ihr zu riskant erschien, war für mich verboten.

Besonders große Bedenken hatte meine Mutter im Hinblick auf Fahrgeschäfte aller Art – Riesenräder, Achterbahnen, kleine Berg- und-Tal-Bahnen. Also genau dem, was Kinder neben Zucker-watte und gebrannten Mandeln so auf einem Jahrmarkt lieben. Sie erwähnte, dass die Aufbauhelfer gerne mal feierten und alles nicht so ganz ordentlich erledigten. Ich war ein Kind mit großer Fantasie und in mir entstanden sofort eindrucksvolle Bilder von durchgerosteten Bolzen und Schrauben und deren verheerenden Folgen. Ich konzentrierte mich auf dem Jahrmarkt also auf Pony-reiten oder Dosenwerfen. Wie tief sich diese Phobie jedoch in mir manifestiert hatte, wurde mir erst bewusst, als ich selbst Vater zweier Kinder war. Beide ließen sich mit zunehmendem Alter nicht mehr mit Kleinkinder-Attraktionen auf dem Rummel ab-speisen, sondern forderten lautstark ein: »Papi, fahr’ mit uns Rie-senrad!!!«

Das kündigten sie schon zu Hause vor dem Losgehen an –, und ich spürte deutlich, wie meine Knie mit jedem Schritt sprichwört-lich weicher wurden, je näher wir dem Festplatz kamen. Als wir vor Ort aus dem Auto ausstiegen, vervielfachte sich meine Angst zusehends. Zittern, Herzrasen, Schweißausbrüche. Das blamable Finale meiner Angstattacke: Ich saß zitternd etwa 150 Meter

18 Warmlaufen

vom Horror-Riesenrad entfernt auf dem Rinnstein und weinte sogar ein bisschen. Weiter wollten mich meine Beine einfach nicht tragen. Meine lachenden und zugleich stark irritierten Kinder schauten mich an und fragten, was ich mich zu diesem Zeitpunkt längst selbst ernsthaft fragte: »Was ist denn los mit dir?«

Zu dieser Zeit hatte ich gerade damit begonnen, mich mit ener-getischen Verfahren zu beschäftigen. Und mir war klar, dass das Bearbeiten meiner ausgeprägten »Fahrgeschäfte-Phobie« mein Gesellenstück werden sollte. Ich war während der nächsten Tage mein eigener Proband, begab mich in Trance, wendete Klopf-Tech-niken an und machte mich daran, meinen Ängsten durch psycho-therapeutische Methoden auf den Grund zu kommen – und so das für mich etwas hinderliche Drehbuch meines Lebens ein we-nig umzuschreiben.

Wenige Wochen später bot sich mir die Möglichkeit, mein neu gewonnenes Selbstvertrauen auf die Probe zu stellen: Ich besuchte mit meinen Kindern einen Freizeitpark. Ein Karussell mit Wagen in Form von Orca-Walen, die auf- und niederschwebten, während sich das Ganze auch noch sanft drehte (!), wurde von den Kindern auserkoren, um gemeinsam damit zu fahren. Ich stieg ein. Ich fuhr damit. Ich musste weder weinen, noch zitterten meine Knie. Und auch das Atmen funktionierte ganz normal. Zugegeben: Ich hatte anschließend einen bemerkenswerten Hand-Muskelkater vom gründlichen Festhalten des Orca-Kopfes. Aber ich war stolz wie Bolle.

Und, nein, Karussellfahren wird wohl nie zu meinen bevor-zugten Freizeitbeschäftigungen gehören. Aber es ist in Ordnung, denn es macht mich heute nicht mehr zu einem hilflosen Bündel Mensch, der von seiner Angst regiert wird. Inzwischen bin ich der König.

Herzlich willkommen! 19