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4/96 Stadtverkehr

4/96 - Alternative · 2017. 6. 22. · SGA-Bulletin Nr. 4/96, Dezem-ber 1996; erscheint viermal jährlich. H e r a u s g e b e r : Förderverein pro SGA-Bulletin A d r e s s e : SGA-Bulletin,

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  • 4/96

    Stadtverkehr

  • SGA-Bulletin 4/96

    SEITE 2

    Auf Ende Jahrtritt ArleneWyttenbachnach 6 Jahrenaus dem Kan-tonsrat zu-rück. Sie über-nimmt auf den1.1.97 die Lei-tung der Bi-bliothek/Me-

    diothek des Didaktischen Zentrums, da-mit einher geht eine Erhöhung ihres Ar-beitspensums. Die letzten zwei Jahre imKantonsrat haben sie Substanz gekostet,speziell die Niederlage um die Weiter-führung des Gleichstellungsbüros. MitArlene Wyttenbach verliert der Kan-tonsrat eine profilierte grün-alternative

    Feministin, diesich mit ihrerruhigen, aberhartnäckigenArt viel Respektverschafft hat.Nachfolgerinwird Ruth Wyss.Sie ist 34 jährig,arbeitet alsKrankenschwe-ster auf der Intensivstation des Triemli-spitals und ist Mitglied des SGA–Kanto-nalvorstandes, wo sie für die Finanzenzuständig ist.Wir danken Arlene für ihr grosses Enga-gement und wünschen ihrer Nachfolge-rin einen guten Einstieg und den im KRnötigen langen Atem.

    I n h a l t s v e rz e i c h n i s

    Namentlich gezeichnete Artikel unter-liegen der alleinigen Verantwortungder AutorInnen.SGA-Bulletin Nr. 4/96, Dezem-ber 1996; erscheint viermal jährlich.H e r a u s g e b e r : Förderverein proSGA-BulletinA d r e s s e : SGA-Bulletin, Postfach829, 6301 Zug; Telefon: 711 86 33 R e d a k t i o n : Margit Gigerl, RetoHunziker, Martin Stuber, ThomasUlrich, Brigitte WeissBelichtung und Druck: V i c t o rHotz AG, Steinhausen Auflage: 1250Abonnements: Fr. 20.–; Mitglie-derbeitrag Förderverein: Fr. 100.–Redaktionsschluss Nr. 1/97:Montag 10. März; Erscheinungsda-tum Donnerstag, 27. März 1997.

    I m p r e s s u m

    In unserer letzten Ausgabe hat sichim Interview «Prämienexplosion,nicht Kostenexplosion» auf Seite20 ein Missverständnis eingeschli-chen. Unser Interviewpartner Rue-di Spöndlin wurde mit den Wortenzitiert: «Es ist falsch, von einer Ko-stenexplosion zu reden. Die Ko-stensteigerungen im Gesundheits-wesen liegen nur wenig über demKonsumentenpreisindex. Von1985 bis 1995 ist dieser um 32,2%gestiegen, während im Gesund-heitswesen die Teuerung im selbenZeitraum bei 39,2% lag.»Auf Wunsch von Ruedi Spöndlinmöchten wir nachträglich präzisie-ren, dass die genannten Zahlen inder Diskussion um die sogenannteKostenexplosion kein sehr stich-haltiges Argument sind, denn siebetreffen nur die Preisentwicklungim Gesundheitswesen. Stichhalti-ger wäre ein Hinweis auf die Ent-

    wicklung der Gesamtkosten gewe-sen, also Menge mal Preis.Dazu liefert er folgende Zahlen:Insgesamt haben sich die Ausgabenfür das Gesundheitswesen seit1985 nahezu verdoppelt, aber auchdas sogenannte Bruttoinlandpro-dukt, die Gesamtheit aller in derSchweiz produzierten Waren undDienstleistungen, hat in dieserZeitspanne um 60% zugenommen.Von einer explosionsartigen Zu-nahme könne also keine Rede sein.Ruedi Spöndlin weist darauf hin,dass es zwar üblich, aber auch et-was fragwürdig sei, die Entwick-lung der Gesundheitskosten mitderjenigen des Bruttoinlandpro-duktes zu vergleichen. Denn damitwerde suggeriert, dass die Gesell-schaft nur dann mehr für das Ge-sundheitswesen ausgeben dürfe,wenn sie auch entsprechend mehrWohlstandsgüter konsumiere.

    Korrektur von Ruedi Spöndlin

    Rücktritt im KantonsratPlanungsstudie Stadtverkehr ZugVorwärts mit der Verkehrsreduktion Seite 4

    Nationaler VelowegVeloland : auf den Zug aufgesprungen Seite 11

    Streitpunkt Stadtverkehr« An diese Reduktion glaube ich nicht» Seite 12

    Antisemitismus und Berufsverbot« Hart in der Kritik, weich bei den Massnahmen»

    Seite 18R e g i e r u n g s r a tJa zum Teuerungsausgleich Seite 20

    Stadtzuger GemeindeordnungVerunglückte Revision Seite 22

    K a n t o n s r a tDer Holocaust und die Wertefrage Seite 24

    T e l e b u sSpäte Heimkehr für Nachtschwärmer Seite 26

    Frontal Seite 27

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    E D I T O R I A L

    Rote Karte für die Arbeitgeber!

    Gerade noch rechtzeitig vorder Abstimmung meldet dieSchweizerische Bankgesell-schaft den Abbau von 800 Stel-len. Dies meldet auf der Titelsei-te die Neue Zuger Zeitung (nZZ)vom 27. November 1996. DieSBG wie die SKA, die Feld-schlössli, die Sulzer, die Von Rollund weitere Firmen haben alsoden 1. Dezember nicht abgewar-tet. Und da soll noch jemandden Arbeitgebern glauben, siewollten mit dem neuen Arbeits-gesetz Arbeitsplätze schaffen...

    In der gleichen nZZ ein Le-serbrief von Bruno Fäh ausBaar, der den Linken und Ge-werkschaften unterstellt, Dem-agogie um das Arbeitsgesetz zubetreiben. Um das zu untermau-ern, werden zum x-ten Mal Ar-gumente für das neue Arbeitsge-setz aufgetischt, die nur bewei-sen, dass viele BefürworterInnendas bestehende Gesetz und diePraxis der Behörden gar nichtkennen, aber die Demagogensind die anderen...

    In derselben nZZ ein Inseratder Wirtschaftsförderung: RoteKarte für die Linke. Sie haben esgewagt, eine erfolgreiche Kam-pagne gegen die Arroganz derArbeitgeber zu führen, und dasgehört gestraft. Einige Seitenweiter können wir lesen: «Anden meisten Reichen geht die Rezession spurlos vorbei.» DieArbeitslosigkeit steigt, und dieReichen werden immer reicher...

    Die Mehrheit der SchweizerStimmbürgerInnen hat diese Zu-sammenhänge erkannt und mitüber 60% Neinstimmen der Ar-

    roganz und der sozialen Verant-wortungslosigkeit der Arbeitge-ber eine deutliche Abfuhr erteilt.Es war kein emotionaler Ent-scheid,wie dies nun die Arbeitge-ber sehen möchten. Denn dieLohnabhängigenspüren tagtäg-lich am eigenen Leib, was Angstum den Arbeitsplatz,Stress undDruck bei der Arbeit und Willkürder Arbeitgeber heissen.

    Damit ist vorerst einmal derwilden Deregulierung zur Profit-maximierung ein Riegel gescho-ben worden. Aus diesem Siegmüssen nun die Gewerkschaftenund die Linken die Kraft schöp-fen, um zusammen mit denLohnabhängigen die eigenenLösungen der Krise durchzuset-zen. Die Wirtschaft darf nichtmehr alleine den Arbeitgebernüberlassen werden. Denn eineWirtschaft, der nichts andereseinfällt, als Gewinne zu steigern,Kosten zu senken, Personal ab-zubauen und damit Motivationund Know-how zu vernichten,

    hat keine Zukunft.Die Gewerkschaften müssen

    nun wieder mehr Druck machen,damit sie von den Arbeitgebernangehört und ernstgenommenwerden. Denn Sozialpartner-schaft findet mit den Gewerk-schaften statt und nicht mit denbetriebsabhängigen Vertretun-gen und Belegschaften.

    Es darf nicht mehr so laufenwie in der Zuger Presse am glei-chen 27.11.96: Die Arbeits-marktmassnahmen des KantonsZug werden vorgestellt, die Ge-werkschaften werden dazu abergar nicht gefragt. Zu Wortkommt der Präsident des ZugerIndustrieverbandes, der im we-sentlichen das wiederholt, wasdie Arbeitgeber seit Beginn derKrise behaupten: Der Staat sollesich da raushalten, die Arbeit-geber werden es schon alleineschaffen. Gefragt wurde auchder Chef des Zuger Arbeitsam-tes, dem kürzlich zur Forderungder Gewerkschaften nach Ar-beitszeitverkürzung nichts Ge-scheiteres einfiel, als sie als«Chabis» zu bezeichnen.

    Ob es den Arbeitgebern insBudget und den Chefbeamten inden Kram passt oder nicht, esgibt keine andere Lösung für dieArbeitslosigkeit als eine radikaleVerkürzungderArbeitszeit. Dennes ist nicht die Arbeit, die fehlt,sondern der Wille jener, die inder WirtschaftdasSagen haben,die vorhandene Arbeit auf alleHände und Köpfe zu verteilen.

    ■Bruno Bollinger

  • 4 SGA-Bulletin 4/96

    PLANUNGSSTUDIE STADTVERKEHR ZUG

    Vorwärts mit derVerkehrsreduktion

    Eine zwischen See und Berg eingeklemmte Kleinstadt mit 21'000EinwohnerInnen*, über 21'000 Parkplätzen, rund 23'000Arbeitsplätzen, attraktiven Einkaufsmöglichkeiten und starkfrequentierten Sportanlagen mit regionalem Charakter hatlogischerweise Probleme mit dem Verkehr. Das ist objektiv gesehender Ausgangspunkt für die von der Stadt Zug in einem breitenMitwirkungsverfahren erarbeitete Planungsstudie, die Lösungenaufzeigen sollte.

    M a rtin Stuber

    Den Ausgangspunkt bildete eineVorstudie, die der Stadtrat auf-grund der Motion «für eine realisti-sche Stadtumfahrung» anfangs1994 in Auftrag gegeben hatte. DieVorstudie kam aufgrund der Zahlendes kantonalen Verkehrsmodelleszum Schluss, dass die Verkehrspro-bleme der Stadt Zug hausgemachtsind. Nicht der Durchgangsverkehrist das Problem, sondern der Ziel-Quell- und der Binnenverkehr.Grossräumige Umfahrungen brin-gen also nichts. Daraufhin beschlossder Grosse Gemeinderat von Zugam 9. Mai 1995 mit 33 zu 3 Stim-men, eine Planungsstudie erstellenzu lassen, die Alternativen zu denkantonalen «Umfahrungen Zug–Baar» (UZB) aufzeigen sollte.

    Breites Mitwirkungsverfahren

    Die nun seit September vorlie-gende Planungsstudie wurde in ei-nem breiten Mitwirkungsverfahren,das über ein Jahr dauerte, mit Ver-treterInnen aus allen Quartierverei-nen, Parteien, interessierten Ver-bänden, der Privatwirtschaft unddem Gewerbe zusammen mit Ver-kehrsfachleuten erarbeitet. Die mitder Einführung der Parkplatzbe-wirtschaftung erfolgreich abge-schlossene Beteiligung breiter Krei-se diente dabei als Vorbild. In insge-samt sieben Plenumsdiskussionenwurden von den 90 Teilnehmendendie Resultate der Arbeitsgruppen

    Abbildung 1: Karte der heutigen und der gewünschten Funktion der Zuger Strassen.

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    PLANUNGSSTUDIE STADTVERKEHR ZUG

    und der je tzt veröffentlichteSchlussbericht diskutiert und ver-a b s c h i e d e t .

    Beurteilung des Strassennetzes...

    Als erstes wurde die Stadt in fünfgeographische Bereiche aufgeteilt;pro Bereich nahm je eine temporäreGruppe eine Bewertung des beste-henden Strassennetzes vor. Dabeiwurde darauf geachtet, dass es sichum BewohnerInnen des entspre-chenden Gebietes handelte. Bei derBewertung wurde nicht nur der Ist-Zustand analysiert, sondern in ei-nem zweiten Schritt auch der

    Wunschzustand festgehalten. DasResultat ist die Karte Abbildung 1.

    ...zeigt: zuviel Verkehr

    Auffällig ist, dass mit Ausnahmevon drei Strassenzügen fast alleStrassen tiefer qualifiziert wurden.Das heisst ganz klar, dass dort weni-ger Verkehr gewünscht wird. (DieHeraufstufung von Allmend- undAabachstrasse ist dabei mit Vor-sicht zu geniessen, war doch Zug-West als einziges Gebiet im Verfah-ren ungenügend vertreten.)

    Ausgehend von diesem Wunsch-zustand entwickelten die beigezoge-

    nen Fachleute zusammen mit sechshernach gebildeten permanentenArbeitsgruppen Projektvarianten,wie dieser zu erreichen sei.

    7 - P u n k t e - P r o g r a m m

    Heraus kam schliesslich ein 7-P u n k t e - P r o g r a m m :1 . Änderung des Verkehrsregimes

    in der Innenstadt: Schaffung ei-ner verkehrsarmen attraktivenEinkaufsachse Bahnhofstrasse,mit beschleunigtem Busverkehrin beiden Richtungen und Wah-rung der Zubringermöglichkei-ten. Verbesserte Ost-West-Ver-

    Abb. 2: Bewertung von einzelnen Strassenprojekten und Kombinationen bezüglich Kosten und Nutzen.Abb. 3 und 4: Bewertung der Strassenprojekte unter zusätzlichen Aspekten:

    Abb. 3: Berücksichtigung privater Massnahmen und der Stadtbahn.Abb. 4: Berücksichtigung der Luftreinhaltung insgesamt.

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    PLANUNGSSTUDIE STADTVERKEHR ZUG

    bindungen für Fussgänger imBereich des Bahnhofs.

    2 . Verkehrsberuhigung in Wohn-quartieren, namentlich Unter-bindung von Schleichwegen desortsfremden Verkehrs.

    3 . Verbesserungen am Busverkehr,städtisch und regional. Förde-rung des Velo- und Fussgänger-v e r k e h r s .

    4 . Initiativen der Wirtschaft zu um-weltfreundlichem Arbeits-, Ein-kaufs- und Freizeitverkehr.

    5 . Vermehrte Berücksichtigung derErschliessbarkeit durch den öf-fentlichen Verkehr bei Baube-willigungen. Ausrichtung derQuartiergestaltungspläne aufDurchmischung der Siedlungs-funktion. Bauliche Verdichtungin Bahnhofsnähe, um kürzerePendlerwege zu ermöglichenund die Benützung des ÖV zuf ö r d e r n .

    6 . Umfahrungs- bzw. Entlastungs-strassen: im Rahmen des (in Tei-len zu modifizierenden) kanto-nalen Verkehrsrichtplansschrittweise Ergänzungen desNetzes durch Strecken mit gut-em Nutzen/Kostenverhältnis.

    7 . Entwicklung einer «Stadtbahn»als neuem schienengebundenemVerkehrsmittel: in erster Stufe«Light Rail» auf bestehendenTrassen der SBB. Spätere Erwei-terung mit eigenen Trassen, wel-che die Wohnsiedlungen und de-zentrale Arbeitsplätze besser er-s c h l i e s s e n .Dabei sind die ersten vier Punk-te kurzfristig zu realisieren,während die letzten drei als mit-tel- bis langfristige Massnahmeng e l t e n .

    Interessante Methode...

    Um die Resultate eines solchenVerkehrskonzeptes mit den UZBvergleichen zu können, wurde dieEntlastungswirkung nicht nur in

    bezug auf Anzahl Fahrten errech-net, sondern auch auf der Basis derbetroffenen Streckenlänge und derE m p findlichkeit des Strassenumfel-des auf Immissionen gewichtet.Heraus kam ein Überlastungswertvon 5000 Punkten (vgl. Abb. 2).

    Eine weitere Grundannahmebildete die zukünftige Siedlungs-entwicklung. Heute l iegt derSchwerpunkt der Verkehrsströmezwischen Zug und den westlichenNachbargemeinden bzw. dem En-netsee. Dies dürfte sich aufgrundder zu erwartenden Entwicklungder Wohnbevölkerung und der Ar-beitsplätze noch erheblich verstär-ken, wird doch im Ennetsee eine Be-völkerungszunahme um 6000 zwi-schen 1990 und 2010 prognosti-ziert, während der entsprechendeWert für die Lorzenebene bei 4000l i e g t .

    ...mit Schwächen

    Diese Prognosen leiden aber un-ter einem schwerwiegenden Mangel:

    die Entwicklung des Masterplan-Gebietes Landis & Gyr in der StadtZug wurde nicht berücksichtigt!Beim extremsten Szenario ergäbensich hier bis zu 8000 zusätzliche Ar-beitsplätze und ca. 1500 neue Ein-wohnerInnen – allerdings laut L&Gin einem Zeithorizont von 35 bis 40J a h r e n .

    Die andere Schwäche dieser Me-thode: um die Resultate vergleich-bar zu halten, mussten auch beimModal Split (Verhältnis von ÖV undmotorisiertem IndividualverkehrmIV) und beim Verkehrswachstumdie den UZB zugrundegelegten Pro-gnosen übernommen werden.

    UZB: wenig fürs Geld...

    Das Resultat ist dennoch für dieUZB fatal: obwohl weitaus das teu-erste Projekt, werden nicht einmal3000 Entlastungspunkte erreicht.

    Mit der Verlängerung General-Guisan-Strasse, Bügel Inwilerried-Neufeld und Miniumfahrung Alt-stadt werden bei einem Drittel der

    Verkehrsarm könnte der Postplatz zum neuen Zentrum der Stadt Zugw e r d e n .

    Bild Bulletin

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    Kosten die gleichen Entlastungsef-fekte erreicht (vgl. Abb.3).

    Festzuhalten bleibt: die ange-strebte Entlastung wird mit Stras-senneubauten so oder so nicht er-r e i c h t .

    Erst mit dem Einbezug der Re-sultate von privaten Initiativen undder Stadtbahn rückt das Ziel über-haupt in Reichweite. Die Abbildung3 zeigt deutlich: je höher die Reduk-tion des mIV durch private Initiati-ven beim Arbeits-, Einkaufs- undFreizeitverkehr ausfällt, desto grös-ser und billiger die Entlastung vomV e r k e h r .

    ...und schlecht für die Luft

    Wenn in der ganzen Kosten-Nutzen-Rechnung nun auch nochdie Luftreinhaltung berücksichtigtwird, tauchen die UZB vollends. Ab-bildung 4 zeigt dies deutlich. DerGrund liegt in den enormen Um-wegfahrten, welche die UZB erzeu-gen. Die konkreten Zahlen, welchein das nebenstehende Diagramm

    eingeflossen sind, werden immernoch unter Verschluss gehalten; derschon lange vorliegende Umwelt-verträglichkeitsbericht ist bishernicht publiziert worden.

    Verlängerung General-Guisan-Strassep r o b l e m a t i s c h . . .

    D i e n e u e V e r b i n d u n g C h a m e r-strasse – Chollerstrasse – General-Guisan-Strasse weist gemäss Pla-nungsstudie das mit Abstand besteKosten/Nutzen-Verhältnis aus. Er-reicht würde damit v.a. eine Entla-stung der Chamerstrasse und derLetzistrasse. Was nicht gesagt wird:diese Entlastung wäre wohl nurvorübergehender Natur, wenn nichtgleichzeitig Massnahmen zur Kapa-zitätssenkung auf diesen beidenStrassen getroffen würden. Daraufhaben wir im GGR ausdrücklichh i n g e w i e s e n .

    Hingegen verlangt der Schluss-bericht auf Seite 29 korrekterweiseeine Verknüpfung der Resultate derZweckmässigkeits- und Machbar-

    keitsprüfung dieser neuen Westzu-fahrt mit der Weiterentwicklung desStadtbahnkonzeptes. Damit lässt eroffen, ob diese Westzufahrt über-haupt gebaut werden soll.

    Regionale Aspekte

    Eine nicht zu unterschätzendeWirkung hat die Planungsstudie aufdie Zusammenarbeit der Gemein-den in Verkehrsfragen. Cham z.B.hat ein Interesse an der neuen West-zufahrt, falls diese in der Ammans-matt an die N4 angeschlossen wür-de, weil damit ein Teil des Durch-gangsverkehrs auf die Autobahn ge-lenkt würde. Dies allerdings wohlnur, wenn auch Hünenberg einenAnschluss bekäme, denn der gross-räumige Durchgangsverkehr be-nützt heute schon die Autobahn.Dies wiederum muss zusammen mitder Stadtbahn angeschaut werden,die ja v.a. im Westen ihre Wirkungentfalten wird, erst recht, wenn diezweite Etappe mit einem Ast nachHünenberg realisiert würde.

    Das regionale Schnell tram(Stadtbahn) ist auf gutem Weg.Kürzlich hat der Regierungsrat dieKantonsratsvorlage für ein Vor-projekt verabschiedet.

    Der grösste Unsicherheitsfaktorscheint auch beseitigt: mittlerweilearbeiten auch die SBB aktiv an der

    Vorbereitung mit und sind sogarbereit, Eigenleistungen zu erbrin-gen. In den Gemeinden ist vor allemim Ennetsee das Interesse gross,der Hünenberger Gemeinderat hatbereits einen Augenschein im Aus-land vorgenommen, und in Chamexistiert die Idee, die ursprünglichfür die S+E-Strasse freigehalteneZone für das Schnelltram vorzuse-hen. Verschiedene Industriebetrie-be haben ebenfalls schon ihr Inter-esse an Haltestellen in ihrer Näheangemeldet.

    Im GGR von Zug passierte einAntrag von SGA-Gemeinderat Stu-ber oppositionslos, dass «für die

    Planung und Realisierung derStadtbahn auf städtischem Bodenein Gremium zu schaffen sei, dasden Kanton tatkräftig unterstützt»und die entsprechenden Mittel vor-zusehen seien.

    Etwas unsicher scheint noch derzeitliche Fahrplan für die Realisie-rung zu sein. Es ist noch unklar, wiedie Bahnreform genau aussehenwird, und bei einem Pilotprojektgibt es immer Unwägbarkeiten.Wenn alles optimal läuft, sollte zurJahrtausendwende das ersteSchnelltram verkehren.

    Schnelltram kommt

    PLANUNGSSTUDIE STADTVERKEHR ZUG

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    PLANUNGSSTUDIE STADTVERKEHR ZUG

    Oder nehmen wir den geplantenAusbau des «Zugerlandes» in Stein-hausen, das zusätzlichen Verkehrauch aus der Stadt Zug generierenwürde. Hier müsste sicher mit derParkplatzbewirtschaftung endlichvorwärts gemacht werden.

    Mit Baar bestehen bezüglich derErschliessung der schnell wachsen-den Zone Inwil/Grienbachstrasseund der Führung des Verkehrs aufdie neue Zentrumsumfahrung Berüh-rungspunkte. Baar war denn aucham Mitwirkungsverfahren direktbeteiligt, was angesichts der langengegenseitigen Ignorierung schonfast als historisch zu bezeichnen ist.

    Regionaler Verkehrsrat

    Um solche und andere Fragen zuuntersuchen, ausdiskutieren zukönnen und tragfähige Lösungen zuerarbeiten, postuliert die Planungs-studie die Einrichtung eines regio-nalen Verkehrsrates. Der Ennetseehat sein Interesse daran klar gezeigtund auch Baar dürfte mitmachen.Noch offen ist die Haltung der Berg-gemeinden, die vorläufig abzuwar-ten scheinen. Ein Spezialfall scheintbisher Steinhausen zu sein; der dor-tige Gemeinderat bekundet offen-bar Mühe mit regionalem Denken,hat aber nach neuesten Informatio-

    nen auf eine etwas dialogfreundli-chere Linie eingeschwenkt.

    Wenn dieser Verkehrsrat zu-standekommt, können nicht nur dieGemeinden ihre eigenen Verkehrs-projekte wo nötig mit den umliegen-den Nachbarn abstimmen, der Kan-ton erhält auch einen neuen Partnerin seiner Verkehrspolitik, den ernicht einfach ignorieren kann.

    Abwarten und Pfeife rauchen

    Der Kanton respektive dessenBaudirektor Twerenbold hat mit ei-nem Taschenspielertrick auf dieVeröffentlichung des Schlussbe-richtes reagiert: Auf die zentralenHaupterkenntnisse, dass nämlichdie Stadtzuger Verkehrsproblemehausgemacht sind und die UZB kei-ne befriedigende Lösung dafür bie-ten, geht der Baudirektor gar nichtein. Damit überspielt er die grossenVersäumnisse hinter seinem Mam-mutprojekt: die Probleme wurdengar nie sauber analysiert, die deutli-chen Hinweise auf die grossen Män-gel seines Projektes (untergeordneteBedeutung des Durchgangsver-kehrs) jahrelang ignoriert, eine Ko-sten/Nutzen-Rechnung nie ange-s t e l l t .

    Stattdessen bestreitet Tweren-bold die Vergleichbarkeit der städ-tischen Strassennetzergänzungenmit seinen UZB, weil die Machbar-keit beim Kurztunnel nicht abge-klärt sei. Eine Variantenstudie desKantons von 1989 beweist das Ge-genteil, inklusive Anschluss Ägeri-strasse. Kennt Herr Twerenbold sei-ne eigenen Unterlagen nicht?

    Seine Taktik scheint klar: ab-warten, Zeit gewinnen und hoffen,dass der Schwung der Planungsstu-die sich abschwächt. Wem das etwasbringt, bleibt schleierhaft. Wenndem Zuger Baudirektor keine besse-ren Argumente zur Begründung sei-ner UZB einfallen, scheint die Zeitgekommen, dass der Kantonsrat

    Bleibt so oder so noch längere Zeit ein neuralgischerPunkt: der Kolinplatz. Bild Bulletin

  • 9SGA-Bulletin 4/96

    dem Ganzen möglichst bald ein En-de bereitet und Raum schafft für et-was Neues, Zukunftsfähiges.

    Wer setzt die Erkenntnisse um?

    Die grosse Frage für die Stadtbleibt aber vorläufig auch noch eineandere: Wer setzt die Erkenntnisseund Vorschläge um? Die Planungs-studie schlägt vor, für deren Reali-sierung auch die permanenten Ar-beitsgruppen beizuziehen. DerStadtrat brachte kürzlich eine Vor-lage in den Gemeinderat, die gemässPrioritätenliste Kredite für die Rea-lisierung von drei ersten Schrittenverlangte: Verkehrsregime Bahn-hofstrasse, Verkehrsberuhigung

    und Projekte für das Ankurbeln derprivaten Initiativen im Einkaufs-,Arbeits- und Freizeitverkehr.

    Dem GGR war das zuwenig,woraufhin der Stadtrat seine Vorla-ge zurückgezogen hat. Mit einemGlobalkredit soll eine Projektorga-nisation aufgebaut werden, welcheerstens den Verkehrsrat aufgleisensowie das Verkehrskonzept in seinerGesamtheit mit Nachdruck realisie-ren kann. Zwar konnte die GGR-Debatte nicht alle Zweifel ausräu-men, dass Teile der bürgerlichenMehrheit eben doch vor den konkre-ten Massnahmen zurückschreckenund dort die Motive für die Rück-weisung der stadträtlichen Vorlagezumindest zweideutig sind.

    Es wird unsere Aufgabe sein, füreinen möglichst breiten Einbezugbei der Realisierung des Verkehrs-konzeptes besorgt zu sein und denFinger darauf zu halten, dass dasökologische Potential im Verkehrs-konzept auch tatsächlich zum Tra-gen kommt.

    *Die OberwilerInnen sind unsnicht böse, wenn wir sie im Hinblickauf die Verkehrsfrage hier für ein-mal ausklammern. ■

    Aufgrund der eingehenden Be-wertung der Verkehrsproblemeund der daraus abgeleiteten undneu formulierten Zielsetzungenkommt die Planungsstudie Stadt-verkehr zu sechs zentralen Schluss-folgerungen, dass

    1Die von ihr geprüftenund vorgeschlagenenS t r a s s e n n e t z e r g ä n z u n -gen im Vergleich zu den UZBdeutlich günstigere Kosten/Nutzen-Verhältnisse auf-w e i s e n ;

    2Die Prioritäten für dieS t r a s s e n b a u m a s s n a h -men anders zu setzens i n d, nä m l i c h :

    I. Verkehrsregimeänderungen imStadtkern als SofortmassnahmeII. VerkehrsberuhigungenIII. Strassennetzergänzungen;

    3Mit den Strassennetzer-gänzungen allein dasangestrebte Zielniveauder Verkehrsentlastung nichterreicht werden kann;

    4Deshalb private Initia-tiven als Sofortmass-nahme im Bereich desArbeits-, Einkaufs- und Frei-zeitverkehrs nötig sind;

    5Die Bewältigung derkünftigen Verkehrspro-bleme ohne eine Stadt-bahn kaum möglich sein wird;

    6Das von der Planungsstu-die Stadtverkehr vorge-schlagene Verkehrskon-zept der Konsolidierung mitden Nachbargemeinden unddem Kanton bedarf, damitseine Verwirklichung mit dernötigen horizontalen und ver-tikalen Koordination voran-getrieben werden kann.

    Der Schlussbericht kann gratis be-zogen werden bei:

    Stadtbauamt der Stadt ZugFrau Speck St. Oswaldsgasse 206301 Zug

    Telefon 728 21 65.

    Zentrale Schlussfolgerungen der Planungsstudie:

    PLANUNGSSTUDIE STADTVERKEHR ZUG

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    PLANUNGSSTUDIE STADTVERKEHR ZUG

    Am Mitwirkungsverfahrenbeteiligten sich vier SGA-Mitglieder. Drei davon neh-men persönlich Stellung.

    BarbaraFehlmann

    Angefragtwurde ich we-gen meinemEngagementfür die Ver-kehrshalbie-rungsinitiative (in diesem Plenumhätte ich nur ganz wenige Unter-schriften erhalten).

    Die Plenumssitzungen warengut vorbereitet, informativ, zumTeil auf hohem technischem Niveaugehalten. Auf eindrückliche Weisewurde das Projekt UZB schwächer,im Gegenzug erstarkte die Idee ei-ner Stadtbahn. Doch ich bin skep-tisch geblieben: Bleiben wir auf denvielen Kilos Papier sitzen oder wer-den Taten folgen?

    Der interessanteste Teil warendie Arbeitsgruppensitzungen. Inder AG Freizeitverkehr war mansich einig, dass der mIV reduziertwerden musste, und dieser Konsenshat spürbar die Gesprächskulturund die Thematik beeinflusst (z.B.soll bei Grossveranstaltungen einVerkehrskonzept zur Pflicht wer-den, verbilligte Eintritte für Benüt-zer des ÖVs, Ausweitung der Park-platzbewirtschaftung).

    Im Schlussbericht fanden wirkaum Erwähnung oder wurden ab-geschwächt zitiert; so wurde aus derForderung autofreier Zugerbergein autoarmer...

    Martin Stuber

    Als indirekt «Mitschuldiger» fürdas Mitwirkungsverfahren war esselbstverständlich mitzumachen.

    Weil ich auf der Loretohöhe wohne,beteiligte ich mich in der Arbeits-gruppe Ost an der Beurteilung derStrassen in diesem Stadtteil. Hierstanden natürlich die Ägeristrasseund die graue Gutschrankabfahrtim Zentrum der Diskussionen. In-teressant war, dass eigentlich ohneallzu grosse Debatten Konsens dar-über herrschte, dass es zuviel Auto-verkehr hat. Das gleiche Phänomendann auch in der Arbeitsgruppe Re-gionalverkehr: es war eigentlich un-bestritten, nach Wegen zu suchen,wie der Modal Split verbessert wer-den kann, auch beim TCS-Vertre-ter. Meine These, dass es im Grundeeiner Mehrheit der Leute klar wäre,dass sich beim Verkehr etwas än-dern muss – weniger Autoverkehr,mehr Füsse, mehr Velos, mehr ÖV–bestätigte sich. Allerdings war auchdie latente Hilflosigkeit über dieVerkehrslawine immer wiederspürbar. Das zeigte sich dann auch,als mein Antrag auf eine quantitati-ve Festsetzung von Reduktionszie-len (minus 20% in 10 Jahren) abge-lehnt wurde.

    Als eher schwierig empfand ichdie Diskussionen im Plenum, weilsich hier tendenziell zeigte, dass ineinem von vielen als gross empfun-

    denen Rahmen(50 bis 70 Leu-te) eher Leutereden, die sichgewohnt sind,vor Publikumdas Wort zu er-greifen. Hinge-gen war das Kli-

    ma immer sehr sachlich, hin undwieder gab’s sogar richtige Debat-ten, mit Hin und Her. Mir war’s je-denfalls wohler als meistens sonstim Gemeinderat...

    Insgesamt empfinde ich es alsBeweis, dass Politik nicht auf diePolitikerInnen und ExpertInnen

    (oder TechnokratInnen) be-schränkt bleiben darf.

    Nick Mijnssen

    Als Vertreter der VeLobby vetratich die Anliegen der Velofahrendenin der Arbeitsgruppe Einkaufsver-kehr. Dass in den Arbeitsgruppenähnliche Interessenlagen aus unter-schiedlichen Sichtweisen entstehenkonnten, dürfte die weitere Zusam-

    menarbeit mitGewerbe- undWirtschafts-vertreternprägen. Zum erstenMal musstensich viele mitder komple-

    xen Planungsrealität auseinander-setzen. Auf diesem anspruchvollenNiveau war die eigene Interessenla-ge nicht im vorherein klar, was denAuseinandersetzungen den ideolo-gischen Stachel gezogen hat.

    Konkret hat sich die VeLobbygegen den Postplatzriegel ausge-sprochen, obwohl die Velofahren-den von der direkten Durchfahrtp r o fitiert hätten. Die Vielfalt vonkleinen Läden im Altstadtbereichhätte aber darunter gelitten. Wirsetzten uns für eine Ausweitungdes Fussgängerbereiches RichtungSee und bis an die Gubelstrasseein. Die zusätzliche Verkehrsbela-stung der Poststrasse müsste durcheine durchgängige Veloachse zwi-schen Kanti und Bibliothek flan-kiert werden.

    Allgemeiner Eindruck: Die Be-reitschaft, Alternativen zu suchen,ist vorhanden, wohl aus der Ein-sicht, dass die UZB keine Lösungenbringen. ■

  • 11SGA-Bulletin 4/96

    N ATIONALER VELOWEG

    Nick Mijnssen

    Ähnliche Fragen stellten sich dieSchweizer Tourismusvermarkterangesichts der kriselnden SchweizerTourismusbranche. Im Ausland be-obachteten sie den Trend zumRadreisen, das in den letzten Jahrenganz leise und umweltschonend zueinem gewichtigen Tourismusfaktorangewachsen war. Schweiz Touris-mus erkannte, dass sich mit dem Ve-lotourismus die Chance bot, Infra-strukturen in der gut erschlossenenSchweiz gerade auch ausserhalb derTourismusmagnete zu nutzen.

    Nationales Radwanderwegnetz

    Erfahrungen in den Kantonen Bernund Solothurn mit ihrem gut ausge-bauten und zusammenhängendenNetz an Radwanderrouten zeigtenein grosses brachliegendes Potentialfür Velotourismus. In den übrigenKantonen gibt es aber grössere Rad-wanderrouten erst in Ansätzen, dieRadwege – falls vorhanden – kon-zentrieren sich ohne grossräumigeZusammenhänge meist um die Ag-glomerationen und Dörfer.

    Zusammenarbeit Tourismus–IG Velo

    Die Zusammenarbeit zwischenSchweiz Tourismus und Radwander-a k t i v i s t I n n e n (vor allem d a s V e l o -büro Olten) führte zu einem Projekt,das auf das Jubiläumsjahr 1998 hinein Routennetz aus verschiedenencharakterisierten Routen bereitstel-len sollte. Im Sommer 96 hat die Trä-gerstiftung « Veloland Schweiz» so

    unterschiedliche Kreise wie denSchweizerischen Radfahrerbund,die IG Velo Schweiz, Energie 2000und den TCS zusammengebracht.

    Kein Zuger Interesse?

    Die Kantone wurden 1995 über dieBaudirektorenkonferenz erstmalsangeregt, beim Projekt Schweizeri-sche Radwanderwege mitzuma-chen. Darauf und auf verschiedent-liche Nachfragen zeigte der KantonZug aber kein Interesse. Im Gegen-teil: An einer Podiumsdiskussion derVeLobby Zug anfangs 96 waren sichPlaner und Touristiker darüber ei-nig, dass der Velotourismus demKanton Zug grosse Chancen bietet.Dennoch waren dem Regierungsratdie Projektkosten in der Höhe von20–60'000 Franken zu hoch. Im September 96 wurde daher dasProjekt Veloland Schweiz mit achtzusammenhängenden Routen vor-gestellt – einzig ohne Zug. Das an-haltende Interesse inner- und aus-serhalb des Kantons führte schliess-lich Ende 96 doch noch dazu, dassder Regierungsrat auf seinen Be-schluss zurückkam und damit einenachträglich geschaffene 9. Routevom Genfersee via Brünig überZug–Einsiedeln bis zum Walenseeermöglicht.

    Was bringt uns die Seenroute?

    Die Route 9 bietet als familientaug-liche «Seenroute» jeweils den Velo-transport im öffentlichen Verkehrs-mittel als Alternative zu topogra-phisch- oder verkehrsbedingterMühsal. Den Kanton Zug soll die «9»

    von Gisikon her kommend viaBaar–Unterägeri–Sattel durchque-ren. Die Stiftung Veloland möchtedabei der Lorze entlang via Höll-grotten und dem «Industriepfad»fahren. Ob dies allerdings schon beider Eröffnung im Frühsommer 1998soweit ist, ist noch offen. Die Einbindung in das NationaleRadwegnetz bringt auch den Hiesi-gen Vorteile. Neben dem umwelt-schonenden Tourismus wird dasüberkantonale Netz verbesserte In-frastrukturen und durch die Schlies-sung von Lücken eine Klärung desregionalen Radwegnetzes bringen.Die aufkommenden Tourismusin-teressen dürften der Forderung nacheiner Veloverbindung ins Ägeritalnachhaltigen Schub verschaffen. ■

    Stell Dir vor, es gibt ein nationales Radwanderwegnetz, andem alle Kantone mitmachen – ausser dem Kanton Zug!Der Zuger Tourismus, das sind heute hauptsächlich Geschäfts-touristen. An den Wochenenden und in Ferienzeiten sind dieHotels schlecht ausgelastet. Kann aber die Förderung «einesqualitativen, umweltverträglichen Tourismus» (so das Leitbildvon Zugerland Tourismus) so erreicht werden?

    Veloland: Auf den Zug aufgesprungen

    Velofahrende brauchen eineLobby, die sich bei Ämtern undInstitutionen für sie einsetzt. DieVeLobby informiert in ihrem«velojournal» mit einer Regio-nalseite über aktuelle Veloan-liegen. Die VeLobby veranstaltetmit ihren ArbeitsgruppenauchVelobörsen, Reparaturkurse undSicherheitschecks. Eine Arbeits-gruppe gibt es zur Veloparkie-rung am Zuger Bahnhof. Orts-kenntnisse der «Einheimischen»sind wichtig; deshalb ist dieVeLobby daran interessiert, Orts-gruppen aufzubauen: VeLobby-InteressentInnen können sichüber das Postfach 1019, 6301Zug an die VeLobby wenden.

    Ve L o b b y

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    STREITPUNKT STA D T V E R K E H R

    «An diese Reduktion glaube ich nicht»

    Die Planungsstudie Stadtverkehr, die in diesem Bulletinausführlich behandelt wird, gibt Anlass zu heftigenDiskussionen. Geteilt sind die Meinungen auch innerhalbder SGA. Wir haben deshalb den SGA-Gemeinderat MartinStuber und die Präsidentin der städtischen SGA, MadeleineLandolt, zum Streitgespräch geladen.

    Margit Gigerl, Reto Hunziker

    Bulletin: Wie beurteilt Ihr grund-sätzlich die PlanungsstudieStadtverkehr?

    Madeleine Landolt: Ich bin mitder grundsätzlichen Haltung, dieaus der Planungsstudie Stadtver-kehr spricht, nicht einverstanden.Ich will nicht sagen, die Gruppen ha-ben schlecht gearbeitet, aber ich ha-be eine andere Einstellung zum Ver-kehr. Man gibt dem motorisiertenIndividualverkehr viel zu viel Raum.In der Studie wird beispielsweisemehrfach von «umweltfreundli-chem Verkehr» gesprochen. Ver-kehr ist nie umweltfreundlich. Ichfinde dies einen irreführenden Be-

    griff – man spricht immer wieder voneinem Neutrum, «vom Verkehr undder Mobilität» als einem Neutrum.Dahinter stehen aber motorisierteMenschen. Ich behaupte nun, vieleMenschen – auch die, die an dieserStudie mitgearbeitet haben – sindsich überhaupt nicht bewusst, wasder Moloch individueller Autover-kehr anrichtet. Es geht nicht nur umdie Luftverschmutzung und um dieEinhaltung der Luftreinhaltever-ordnung, die auch mit der Planungs-studie nicht eingehalten wird. Esgeht auch um den Lärm, um denLandverbrauch, also um massiveEinschränkungen der Lebensqua-lität, die die Leute anscheinend garnicht mehr spüren. Ich will keineneuen Strassen, nicht einen Meter.

    Martin Stuber: Fussgänger- und

    Veloverkehr ist umweltfreundlich!Ich interpretiere die Planungsstudieanders als Madeleine, vielleichtauch, weil ich an der Entstehungmitbeteiligt war. Sie kann ein gros-ser Schritt vorwärts sein für alle, diein der Stadt Zug eine umweltfreund-liche Verkehrspolitik realisierenwollen.

    Bisher waren wir bei den klein-sten Schritten blockiert, weil derKanton, der mit seinem eigenen Pro-jekt, den UZB, beschäftigt war, garnicht darauf eingegangen ist. Ande-rerseits hat dieses Mammutprojektwie ein Damoklesschwert über unsgehangen. Beispielsweise hatten wirschon vor vielen Jahren die Idee der«Pförtneranlagen», d.h., dass amEingang der Stadt nur so viele Autosreingelassen werden, wie flüssigdurchfahren können – mit gleichzei-tiger Bevorzugung des öffentlichenVerkehrs. Wir haben diese Idee abernie wirklich «gepusht», weil klarwar, dass damit Munition für dieUZB anfallen würde, denn zumin-dest am Anfang gäbe es bei denPförtneranlagen Rückstaus.

    Diese Blockierung wird nun weg-gefallen, weil die Stadt ein eigenesVerkehrskonzept entworfen hat,was sie übrigens bisher nicht hatte.Und noch einen zweiten positivenAspekt dieser Planungsstudie seheich – und hier bin ich mit Madeleinenicht einverstanden: Klar steht dar-in, dass wir mit dem Verkehr lebenmüssen. Aber im Schlussberichtkommt klar zum Ausdruck, dass derVerkehr reduziert werden muss.Wenn diese Reduktion mehrheits-

    «Ich finde es eine ganz gute Idee, mit dieser Planungsstudie quasi indie Quartiere rauszugehen.»

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  • 13SGA-Bulletin 4/96

    STREITPUNKT STA D T V E R K E H R

    fähig und zur Verkehrspolitik wirdin dieser Stadt, wäre das ein grosserSchritt vorwärts. Klar steht leidernirgends: Wir wollen den Autover-kehr um 25% reduzieren. Aber alsResultat eines Mitwirkungsverfah-rens mit der Beteiligung des ganzenverkehrspolitischen Spektrumskannst du kaum erwarten, dass da-bei das SGA-Verkehrsprogrammherauskommt.

    L: Genau an diese Reduktionglaube ich nicht! Wenn ihr die Gene-ral-Guisan-Strasse verlängert, viel-leicht sogar absenkt, einen Kurztun-nel macht – das bringt eine Super-Verflüssigung für den Individual-verkehr. Ich bin nicht für Lösungen,damit noch mehr Autos Platz haben,die noch flüssiger vorwärts kommen.Es braucht massives Bremsen des In-dividualverkehrs, d.h. auch ver-mehrt Kontrollen der Polizei (Tem-po, Parkierung), autofreie Zonenund einen ganz gut ausgebauten ÖV.

    S: Im Grundsatz einverstanden,aber du musst auch aufzeigen, wiedu das erreichen willst. Das Problemist, dass du dich mit der Beschrän-kung auf eine kompromisslose, fun-damentalistische Haltung aus derDiskussion völlig ausklinkst, es hörtdir schlicht niemand zu. Nochschlimmer: du schliesst dich aus demProzess aus, der im Moment in derStadt ins Laufen kommt.

    Es kann nicht genug betont wer-den: Wir können heute in der StadtZug dank der Planungsstudie in ei-nem ganz anderen Massstab anfan-gen, konkrete Verkehrspolitik zumachen. Die einzige grössere Sache,die in den letzten Jahren realisiertwurde, ist die Parkplatzbewirtschaf-tung dank des dabei erstmals ange-wandten Mitwirkungsverfahren –immerhin das.

    Noch zu den Strassen: Es ist eingrosser Irrtum, dass die Planungs-studie einfach postuliere, dass Stras-sen gebaut werden sollen. Erstensging es darum, Alternativen zu den

    UZB zu prüfen und zu bewerten.Zweitens kommen bei den «Schrit-ten zur Verwirklichung des Ver-kehrskonzeptes» (S. 28/29) Stras-sennetzergänzungen zuletzt, und eswird verlangt, dass die «vertiefteZweckmässigkeits- und Machbar-keitsprüfung der Strassennetzer-gänzungen» zusammen mit der Wei-terentwicklung des Stadtbahnkon-zeptes vorgenommen wird, unter«Beachtung der konkurrierendenWirkung».

    L: Aber dies steht nirgends expli-zit: Wenn das und das Strassenstückgebaut wird, schliessen wir dafürendgültig die und die Strasse. Undwenn ich denke, dass wir ja schon diegrösste Mühe haben, Tempo 30durchzubringen oder einen Fuss-gängerstreifen über das Metalli zurealisieren. Da hast du wirklich Illu-sionen. Im Gemeinderat hat man janun ganz früh schon wieder begon-nen, die Schritte abzuklemmen, oder

    die Autolobby ergreift das Referen-dum. Warum bist du so hoffnungs-voll, dass diese Planungsstudie auchumgesetzt wird?

    S: Der Gemeinderat hat nichtsabgeklemmt! Der Grundtenor war –mit Ausnahme von Leo Granziol, deraber ausdrücklich nicht in seinerFunktion als CVP-Fraktionschef ge-sprochen hat –, dass diese Planungs-studie nun als Ganzes mit möglichstviel Nachdruck zu realisieren sei,und nicht nur mit Einzelmassnah-men. Zusätzlich sind drei Anträgevon mir oppositionslos durchgegan-gen, die dafür sorgen, dass die kon-kreten Vorschläge des Stadtratesnicht unter den Tisch fallen und dieStadt den Kanton bei der Stadtbahnmit eigenen Ressourcen tatkräftigunterstützen wird.

    Die Idee ist auch, möglichst rascheinen regionalen Verkehrsrat zu bil-den. Auch wenn der nirgends in derVerfassung oder im Gesetz veran-

    «Die Frage ist ja, wie man ein solches Papier zum Leben erweckt, dieBetroffenen auch mündig macht und zur Mitgestaltung anregt.»«Unsere Aufgabe ist, aus dieser Planungsstudie das Optimum heraus-zuholen, und das geht nur, wenn wir damit an die frische Luft, zu denLeuten gehen.»

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  • 14 SGA-Bulletin 4/96

    STREITPUNKT STA D T V E R K E H R

    kert ist – wenn die Gemeinden hierwirklich mitmachen, wird er einnicht zu unterschätzendes Gewichthaben. Das muss man sich mal vor-stellen! Wer hat denn bis jetzt aufkantonaler Ebene ausschliesslich dieVerkehrspolitik bestimmt? Baudi-rektor Twerenbold mit seinem Tief-bauamt. Jetzt bekommt er einen ge-wichtigen Partner.

    L: Wir haben und hätten auchbisher viele Möglichkeiten gehabt, inder Verkehrsplanung mitzuwirken,aber: man hat die Leute in den Quar-tieren über diese Verkehrsschrittegar nicht informiert und sie zur Mit-sprache aufgefordert. Viele wissenauch gar nichts von den Details die-ser Planungsstudie, z.B. im QuartierWest mit seinen 6000 BewohnerIn-nen.

    S: Verglichen mit unserer politi-schen Stärke haben wir ja auchschon Dinge bewirkt, wenn ich z.B.an die Velomassnahmen denke.Aber mir genügt das nicht. Ich ap-pelliere wirklich mit Nachdruck anunsere politische Strömung, zu er-kennen, dass wir jetzt ein Instrumentin die Hände bekommen, um gestal-tend Verkehrspolitik zu machen.Aber dieses Instrument kannst dunur benützen, wenn du aus der fun-damentalistisch-verweigerndenEcke herauskommst und dich ebenz.B. auch mit den AutofahrerInnendirekt auseinandersetzt. Die begei-sterten 4-Rad-Freaks sind nämlicheine Minderheit.

    Wieso gehen nicht wir raus in dieQuartiere und informieren über die-se Planungsstudie? Das sollten wirtun und dort die Diskussion suchen.

    L: Ich behaupte, dass man auchb e i d e n k l e i n e n Schritten Steine inden Weg legen wird, wo man nurkann. Ob das nun das Gewerbe istoder auch die Autofreaks sind. DasAuto hat für ganz viele Leute auchheute noch einen hohen Stellenwert!Ich will dir ein Beispiel sagen: Es gibt

    bereits eine Motion, die die Absper-rungen bei den EVZ-Matches imHerti-Quartier wieder aufweichenwill. Ich sehe einfach immer wieder,wie gute Massnahmen massiv um-gangen werden. Ich will nicht hoff-nungslos wirken, aber mich machtdie Verkehrspolitik oft ohnmächtig.

    S: Nur zur Klarstellung: die an-gesprochene Motion von FDP-Ge-meinderat Ochsner wurde vomStadtrat in seiner ursprünglichenForm nicht entgegengenommen, dieabgeänderte Motion ist ziemlichharmlos.

    Wie willst Du dann politischhandeln? Wieso bist Du SGA-Präsidentin, wenn Du nicht mehrdas Gefühl hast, dass Du Dich auflokaler Ebene sinnvoll einmi-schen kannst?

    L: Das ist eine Unterstellung, ichsage nicht, ich mische mich nicht einund will nichts mehr machen und le-ge die Hände in den Schoss. Ich ar-beite sehr gerne an der Basis, an derFront. Ich glaube, dass diese Frageeinfach viel zu lange vernachlässigtworden ist: dass man den Menschenbewusst macht, was sie wirklich mitihrem Auto anstellen und welchesder Preis dafür ist. Bewusstseinsbil-dung ist ein sehr langer Prozess. Ichversuche punktuell da und dort ein-zugreifen, ich benutze einfach einanderes Instrument als Martin, derhoffnungsvoll in eine Planungs-gruppe geht. Ich habe z.B. eine Ver-kehrsblockade auf dem Kolinplatzorganisiert, gehe Unterschriftensammeln, z.B. neu für die «Sonn-tagsinitiative».

    Ich versuche, mich auch z.B. inmeinem Quartier, Zug West, einzu-mischen, zu informieren, um Mit-streiterInnen besorgt zu sein. Das istnicht einfach ein bisschen «infor-mieren . Versuch einmal ins QuartierWest reinzukommen und überhaupteinmal die Leute wachzurütteln für

    ihre verschiedenen Anliegen. Ich ha-be Stunden über Stunden verbrachtund versucht, einen Quartiertreff zuorganisieren. Ich brauche meine Zeitdafür und Martin seine auf parla-mentarischer Ebene. Die Frage ist ja,wie man ein solches Papier zum Le-ben erweckt, die Betroffenen auchmündig macht und zur Mitgestal-tung anregt, das geht auch auf mei-ne Art.

    S: Darum geht es genau – unsereAufgabe ist, aus dieser Planungsstu-die das Optimum herauszuholen,und das geht nur, wenn wir damit andie frische Luft, zu den Leuten ge-hen.

    Aber ich habe Mühe mit zweiDingen, Madeleine: Erstens wehreich mich dagegen, einen Gegensatzzwischen Basis- und Gemeinderats-arbeit zu konstruieren. Ich habe dieUnterschriftensammlung für dieUmverkehrsinitiative mitorgani-siert und war auch an der langwieri-gen Vorbereitung dieser Initiativemitbeteiligt. Das hindert mich aberdoch nicht daran, als Gemeinderatmit der Motion für eine realistischeStadtumfahrung diese ganze Pla-nungsstudie ins Rollen zu bringenund auch da meinen Einfluss geltendzu machen. Es braucht beides.

    Und was ich noch schwierigerfinde: zum vorneherein die Flinte insKorn zu werfen. Vielleicht scheint esheute utopisch, die Chamerstrassezurückzubauen und radikal ver-kehrsarm zu machen, falls die Gene-ral-Guisan-Strasse verlängert wür-de. Aber einfach zu sagen: sowasbringst du nie durch – und an denLeuten zu verzweifeln, das bringt’swirklich nicht. Was nützt es, die Ver-kehrsreduktion zu predigen, wennwir selber nicht daran glauben? Dieseit langem interessantesten Diskus-sionen hatte ich übrigens beim Sam-meln für die Verkehrshalbierungs-initiative.

    Mit deiner Grundhaltung hätte

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    STREITPUNKT STA D T V E R K E H R

    ich auch im letzten Gemeinderatnichts getan, und der Protagonismusbliebe z.B. bei Ulrich Straub von derFDP. Dann machen die Bürgerlichendie Verkehrspolitik alleine. Wiesosollen wir nicht mit in dieser Fragefortschrittlichen Bürgerlichen zu-sammenarbeiten? Wenn wir hierjetzt auf die Seite stehen, dann wer-den unsere Anliegen ganz sicherlinks liegengelassen.

    In dieser Frage muss die SGAwieder aktiver werden, etwas darausmachen, d.h., dass sich mehr Leutein die Diskussion einschalten müs-sen, auch und gerade punktuell beieinzelnen Sachen. Wir müssen dis-kutieren, wie wir die Planungsstudieals Hebel für unsere Anliegen in derVerkehrspolitik nutzen können –und es dann auch tun. Wenn sich dieLeute in Zug West mobilisieren,wenn sie sehen, was da kommt, dannwerden wir mit der Stadtbahn imRücken vielleicht eines Tages auchüber den Rückbau einer der beidenWestachsen diskutieren können.

    Wir dürfen die Planer nicht ein-fach machen lassen; und die Cle-vereren unter ihnen haben inzwi-schen gemerkt, dass sie die Öffent-lichkeit auch miteinbeziehen müs-sen, wenn sie überhaupt noch etwasrealisieren wollen.

    L: Ich frage mich, welche Öffent-lichkeit, wenn die normalen Quar-tierbewohnerInnen gar nicht infor-miert wurden.

    S: Dazu ist es nicht zu spät, esfängt ja jetzt erst richtig an.

    Aber ich sehe wirkl ich einGrundproblem, das wir nicht nur inder Verkehrspolitik haben: Wennman nicht von Anfang an dranglaubt, dass man etwas machenkann, dann tut man es auch nicht: Esist eine Self-fulfilling-prophecy, einTeufelskreis. Ich wehre mich gegenjede Haltung, die den Leuten diesenGlauben nimmt oder sie abschreckt,das ist tödlich für uns. Da entmutigt

    man die Leute. Es braucht Ideen,den Glauben daran und einen langenAtem, dann erreichst du etwas.

    L: Nein, man kann den Leutenruhig mal einen «Gingg» geben. DieProblematik, dass auf Quartier-strassen zu schnell gefahren wird,sollen sich die Leute ruhig an der ei-genen Nase nehmen. Es wurde fest-gestellt, dass die eigenen Quartierbe-wohnerInnen die Kinder beim Spie-len einschränken oder sie sogar an-fahren. Ich will die Leute nicht hoff-nungslos machen, aber man musssehr wohl die Dinge ehrlich beim Na-men nennen. Nur schonen – das gehtbeim Verkehr nicht mehr.

    S : Dann darfst Du dich nichtwundern, wenn die Leute «zurück-ginggen»...

    Wenn sich Martin Bütikofer, derkantonale Beauftragte für öffentli-chen Verkehr, vor vier Jahren – alsdie Gefahr eines Abbaus beim öf-fentlichen Regionalverkehr langsamsichtbar wurde – gesagt hätte, dasses unmöglich ist, in Zug je eineStadtbahn zu realisieren, wo stün-

    den wir heute?Vor sechs Jahren habe ich im

    SGA-Bulletin in einem Artikel überAlternativen zu den UZB geschrie-ben: «Mit diesem Geld [die halbeUZB-Milliarde] liessen sich sogarextravagante Lösungen denken: bei-spielsweise den Aufbau einesSchnelltram-Netzes in die Agglome-ration hinaus.»

    2000 oder 2001 wird in Zug dieerste Schnelltram-Komposition ver-kehren, da bin ich zuversichtlich.

    Wenn ich solche Entwicklungensehe, stellt mich das auf.

    L: Ich will sie sehen!S: Dann müssen wir eben etwas

    dafür tun! Wir sind in einem Prozessdrin, wo Dinge möglich werden, vondenen ich vor sechs Jahren nur ge-träumt habe. Wir wären ja wirklichblöd, wenn wir das nicht packenwürden.

    B: Wie seht Ihr die UZB?

    S. Bevor wir in der Stadt Zug wie-der konkret Realpolitik machen

    Städtebaulich heikel: der Anschluss Ägeristrasse. Bild Bulletin

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    STREITPUNKT STA D T V E R K E H R

    können, müssen die UZB vom Tisch.Ich war schon immer überzeugt,dass wir eine Alternative vorlegenmüssen. Erst dann können wir diesesMammutprojekt endgültig bremsen.Jetzt haben wir diese Alternative.Die Stadt Zug hat aufgezeigt, wie wirunsere Verkehrsprobleme ohne UZBbewältigen können. Das ist der To-desstoss für die UZB. Sie müssenmöglichst schnell mit einer politi-schen Mehrheit – sei es im Kantons-rat oder mit einer Volksabstimmung– beerdigt werden, nicht vor Gericht.

    L: Das ist für mich keine Frage.Für mich ändert sich aber in bezugauf die UZB weniger wegen der Pla-nungsstudie, sondern viel mehr we-gen der Riesenkosten in einer Zeit, inwelcher der Kanton sparen will.

    Wie steht Ihr zum Kurztunnel?

    S: Ich träume von einer verkehrs-freien oder zumindest verkehrsar-men Innenstadt. Dazu führt keinWeg an einem Kurztunnel vorbei.Die Situation ist ja simpel, die Stadthat eine fest vorgegebene topogra-phische Lage: Wir haben den See,den Berg und den historischenStadtkern dazwischen, der von derLage her einfach nicht umfahrbar istausser mit einem Tunnel.Für den Kurztunnel bin ich unterdrei Voraussetzungen:❍ keine Kapazitätserhöhung❍ von den AutofahrerInnen bezahlt❍ vernünftige städtebauliche Lö-

    sungen für die Tunnel-Ein- und-Ausgänge.

    Ich glaube, diese drei Bedingungensind realistisch und erfüllbar.

    L: Ich bin beim Kurztunnel sehrskeptisch, da ich denke, dass deineBedingungen schnell aufgeweichtwerden. Wenn sie nicht erfüllt wer-den, bist du dann nicht mehr für denKurztunnel?

    S: Ich kann dir heute noch nichtsagen, wo die Schmerzgrenze liegt.Du kannst einfach nicht davon aus-

    gehen, dass deine Ansichten undMeinungen in der Politik 1:1 reali-sierbar sind – nicht nur als Grünal-ternativer. Du musst manchmalauch bereit sein, auf Grauzonen ein-zugehen, sonst kannst du keine Poli-tik machen.

    L: Wieweit machst du denn Kom-promisse bei dieser Verkehrspla-nung? Ich bin nicht so kompromiss-freudig wie du – ich bin einfach skep-tischer Grauzonen gegenüber.

    S: Der Kurztunnel ist für michkein Kompromiss, sondern eine Hal-tung: für eine verkehrsarme undspäter vielleicht sogar verkehrsfreieInnenstadt. Ich kann heute dochnicht wissen, wie das konkrete Pro-jekt, wenn es denn soweit kommt,aussieht.

    Ich sehe einfach keine andereMöglichkeit, die Innenstadt, die ei-gentlich ein Bijou sein könnte, ver-kehrsarm zu machen. Und ichmöchte das selber noch erleben.

    M: Zug West ist auch lebenswertmit seinen 6000 Menschen, nichtnur die schöne Altstadt mit ihren ge-putzten Häusern! Ich verstehe dasnicht, dass die Altstadt mit ihrer Le-bensqualität schützenswerter seinsoll als ein Quartier Zug West oderdas Loreto. Verkehrsreduktion inder Innenstadt hat für mich nichtunbedingt diesen Stellenwert; lautPlanungsstudie geht es hier ja sowie-so um «Konsum und Kultur», einefragwürdiges Konzept, von «Ein-kaufskultur» zu sprechen – aberauch typisch.

    Madeleine, wie sieht dann DeinStadtzentrum aus, wenn die Ver-kehrsreduktion für die Innen-stadt kein Ziel mehr ist? Gibt esfür Dich Bedingungen, unter de-nen Du für einen Kurztunnelwärst?

    L: Für mich ist eine generelleVerkehrsreduktion das Ziel. Ich binfür «Pförtner», für massive Ver-

    kehrsberuhigung, rigoros für alle dieMassnahmen, die den individuellenFahrer bremsen und nicht locken;hohe Bussen bei Verstössen, massi-ves Eingreifen beim Falschparkie-ren. Und parallel dazu den Ausbauund die Förderung des ÖV und derRadwege. Wenn die drei flankieren-den Massnahmen erfüllt würden,sähe ich vielleicht eine Chance. Aberdie Finanzierung durch die Automo-bilisten ist sehr schwierig durchzu-setzen.

    Was das Quartier West betrifft,möchte ich in der General-Guisan-Strasse eine Busspur in der Mitte,nichts versenken oder verlängern,damit der Bus besser durchkommt,denn heute bleiben sie hängen vonder Chamerstrasse bis zum Stadion.Auf jeden Fall keine neue Strasse,z.B. quer durch die «Fröschi» odervielleicht einen Anschluss der Am-mannsmatt an die Autobahn? Nein,noch mehr Kulturlandverbrauch!Keine neuen Strassen, sofern sienicht eine zumachen!

    S : Die Situation bei der Ver-kehrsberuhigung im Quartier Westund in der Altstadt sind gar nichtmiteinander zu vergleichen. Topo-graphisch, aber auch weil Zug Westein neues Quartier ist, während diesüdliche Innenstadt über Jahrhun-derte gewachsen ist. Nur ein Fünftelbis ein Viertel des gesamten Ver-kehrs in Zug zwängt sich durch dieInnenstadt, aber für den engenRaum ist es trotzdem enorm vielVerkehr. Deshalb finde ich es pro-blematisch, beides gegeneinanderauszuspielen. Für Zug West sind dieGeneral-Guisan-Strasse, die dasQuartier entzweischneidet, und dieChamerstrasse die grosse Frage.Dort ist ein qualitativer Sprung erstmöglich, wenn eine massive Ver-kehrsreduktion vom Westen herstattfindet. Es gibt diese Einfalls-strassen, und auf einer dieser beidenAchsen wird der Verkehr aus demWesten immer kommen.

  • Genau da ist meine grosse Hoff-nung bei der Stadtbahn: der Westen.Hier könnte man einen qualitativspürbaren Umsteigeeffekt mit einerausgebauten Schnellbahn erreichen,sodass die Verlängerung der Gene-ral-Guisan-Strasse unnötig wird.

    Wieso nicht eine Abstimmung imQuartier West machen, um zu sehen,was die BewohnerInnen dort wollen:z.B. die Chamerstrasse als Haupt-achse und die General-Guisan-Strasse entlasten oder umgekehrtoder etwas anderes.

    Die Wahl ist aber schwierig, manmuss sich die Zahlen vor Augen hal-ten: Auf der General-Guisan-Strassefahren im Schnitt 12'500 Autos proTag, auf der Chamerstrasse im Ha-fengebiet nach der Unterführung19'300. Diese 32'000 Autos pro Tagbringt man auch mit einer Stadt-bahn nicht weg, selbst bei einer Re-duktion um 50% bleiben immernoch 16'000 Autos.

    Die Planungsstudie kann der An-lass sein, um zu weiteren demokrati-schen Mitteln greifen zu können.

    Fast noch wichtiger als das Her-tiquartier ist aber, was mit dem rie-sigen L&G-Gelände passiert. DasMaximalszenario des Masterplaneswürde ein Verkehrswachstum nachsich ziehen, das kaum mehr zu be-wältigen wäre. Hier ist Gegensteuernötig.

    L: Ich finde es eine ganz gute Idee,mit dieser Planungsstudie quasi indie Quartiere rauszugehen. Viel-leicht ist jetzt die Chance, den Leu-ten Varianten aufzuzeigen: Das wä-re z.B. Stadtbahn, Busspur in derGeneral-Guisan-Strasse und damitden Individualverkehr bremsenoder ob sie etwas anderes wollen?

    S: Nicht zu vergessen: wenn dieStadtbahn kommt, gibt es einegrundlegende Umstrukturierungdes Bussystems, weil die grossenQuantitäten nicht mehr über dieRiesenbusse abgewickelt werdenmüssen, sondern auf der Schiene.Das entschärft das Problem des öf-fentlichen strassengebundenen Ver-kehrs erheblich.

    L: Bei der Stadtbahn bin ich

    skeptisch bezüglich der Realisie-rung. Wenn aber z.B. Cham und Hü-nenberg sich auch zu beteiligen undinteressieren beginnen, sehe ichnatürlich bessere Chancen. Der ÖVist für mich völlig unumstrittenen.Hier ist das Zusammenspannen mitAussengemeinden natürlich dieGrundvoraussetzung.

    S: Ein zentraler Punkt beimSchlussbericht ist genau deshalb dieEinrichtung eines regionalen Ver-kehrsrats, und der ist auf gutemWeg.

    Wie seht ihr das Ganze mit demBahnhof, wo sich die SGA ja beimletzten Projekt nicht einig war.Welche Prioritäten würdet Ihrjetzt setzen?

    L: Ich bin froh, dass das alte Pro-jekt abgelehnt worden ist. Das Fata-le ist einfach, wie lange dadurch not-wendige Verbesserungen (für Be-hinderte, Kinderwagen etc.)blockiert worden sind.

    S: Wenn sich das realisiert, wasich mir erhoffe: nämlich dass mit derStadtbahn der ÖV massiv zunimmt,dann wird der Bahnhof nicht mehrreichen, so wie er jetzt ist. Dann wirdman sich Gedanken machen müssenfür einen neuen Bahnhof. Jetzt gehtes darum, die Sofortmassnahmen soschnell wie möglich zu realisieren,wie wir das im Gemeinderat ja gefor-dert haben.

    L: Es muss aber auch nicht sozentralistisch mit einem Riesen-bahnhof gelöst werden. Ich kann mirgut auch dezentrale Lösungen mitgestreuten kleinen Stationen vor-stellen. ■

    Das Gespräch fand am 29. November inZug statt.

    17SGA-Bulletin 4/96

    STREITPUNKT STA D T V E R K E H R

    Ecke Gotthardstrasse/Industriestrasse: eine mögliche Lage für dasNordportal des Kurztunnel.

    Bild Bulletin

  • 18 SGA-Bulletin 4/96

    ANTISEMITISMUS UND BERUFSVERBOT

    Josef Lang

    Unsere schonungslose Aufklärungs-arbeit über die antisemitische Univer-sale Kirche und die Rolle Jürg Itensund die gleichzeitigen Bedenken ge-genüber einer Entlassung des abge-setzten Rektors als Lehrer haben eineRadiojournalistin zur Bemerkung be-wogen: «Ihr seid hart in der Kritik,aber weich bei den Massnahmen.»Diese richtige Beobachtung hängt miteiner Grundsatzhaltung zusammen:Mitglieder judenfeindlicher oder tota-litärer Organisationen wie der UKoder des VPM soll man immer wiederzur Auseinandersetzung herausfor-dern, aber man soll sie nicht ausgren-zen. Dass die kritikunfähigen Sekten,welche die Diskussion fürchten wieder Teufel das Weihwasser, zwischenAuseinandersetzung und Ausgren-zung keinen Unterschied machen, istwieder eine andere Frage.

    «Humanist und Christ»

    Wer die judenfeindlichen, sozialdar-winistischen, allgemein menschen-verachtenden Texte, Strukturen undvor allem das «Heilige Gelübde» derUniversalen Kirche (UK) kennt, mussder Regierung recht geben, wenn sieschreibt: « Bei dieser Sachlage erach-tet der Regierungsrat eine klare Di-stanzierung von den antisemitischenVerlautbarungen objektivermassennur möglich durch die ausdrücklicheErklärung des Austrittes aus der Ge-meinschaft.» Es ist tatsächlich un-glaublich, dass ein «Humanist» und

    «Christ» in einer Organisation bleibenkann, die einen derartigen Hass gegenJuden und eine solche Erbarmungslo-sigkeit gegenüber den Schwachenp flegt. Die Haltung, sich «aus freund-schaftlichen Gründen» gegen die Ab-setzung Itens als Rektor gewandt unddiesen damit in seiner für Schule, Re-gierung und ihn selber schwierigenHaltung bestärkt zu haben, erinnertan ein Wort von Ingeborg Bachmann,wonach – sinngemäss – Feigheit vordem Freunde ein viel grösseres Übel istals Feigheit vor dem Feinde. Obwohl die Universale Kirche Inhaltevertritt, die bedeutend verwerfli c h e rsind als das, was die Scientologen oderder VPM predigen, bleibt die Entlas-sung eines UK-Mitglieds eine heikleFrage. Ich habe mich deshalb im Sep-tember wiederholt dagegen ausge-sprochen. Neben der unterschiedli-chen Bedeutung von Rektorat undLehramt kam noch eine zweite Erwä-gung dazu: Um seinen Lebensunter-halt zu verdienen, muss man zwarnicht Rektor sein, aber irgendeineStelle muss man haben. An dieser Hal-tung begann ich zu zweifeln, als be-kannt worden war, dass Iten Schuleund Sekte eben doch vermischt hatte.So hatte er in einer Rede vor der Uni-versalen Kirche in Lindau vom Okto-ber 1994 recht hämisch berichtet,dass er die Kantilehrerschaft «zufäl-lig» zu jener Firma geführt habe, inder «der richtige Referent zur richti-gen Sache» gesprochen habe. ZweiJahre später konnten die Weiterbil-dungs-Exkursionisten im «Beobach-ter» (16.2.1996) erfahren, dass es sichbeim «richtigen Referenten» um

    Roberto Boschi, einen (von der Sulzerinzwischen entlassenen) Führer derUniversalen Kirche, handelte. In derLindauer Rede plauderte er den Sek-tenbrüdern und -schwestern noch an-dere Schulinterna aus, äusserte sichziemlich herablassend über die Elternvon «167 Erstklass-Gymnasiasten»,um dann mit einer Frage und einer(Nicht-)Antwort zu schliessen: «War-um rede ich hier vor Gleichgesinntenso, und warum würde ich so nicht re-den an meiner Schule? Wir haben un-sere Gründe zu schweigen, oft auchgute Gründe; doch das entbindet unsnicht der Verantwortung zu handeln,Zeugnis abzulegen mit der Tat.»

    Zweifel an einer Entlassung

    Trotz solchen neuen Fakten frage ichmich, ob der Sache, dem Antiantise-mitismus, nicht mehr gedient wäre,wenn Iten jedesmal, wenn die Univer-sale Kirche gegen Juden hetzt, zur Re-de gestellt wird. Besteht nicht die Ge-fahr, dass man nach einer Entlassungum so leichter tun kann, als sei dasgrössere Problem, die Schwäche desAntiantisemitismus, damit auchgelöst? Muss man nicht an einemGrundrecht so lange festhalten, als esirgendwie vertretbar ist? Auf jeden Fall tut die Regierung gutdaran, die Berufsverbotsfrage auchaufgrund des Bundesgerichtsent-scheides vom 21. März 1995 (Nicht-anstellung des Armeegegners PeterKamber) seriös abzuklären. Mit derBeauftragung eines Staatsrechts-Spe-zialisten beweist sie, dass sie es sichauch diesmal nicht leicht macht. ■

    «Hart in der Kritik, weich bei den Massnahmen»

    War die Absetzung Jürg Itens als Rektor für AntiantisemitInnen eine klare Frage, ist die einer Entlassung als Lehrer viel heikler.

  • 19SGA-Bulletin 4/96

    ANTISEMITISMUS UND BERUFSVERBOT

    Josef Lang

    Wie u.a. die NZZ am 15. 9. 1992 auf-grund von Recherchen in den Stasi-Archiven enthüllt hatte, führte die inder zweiten Hälfte der 80er Jahre zen-trale Stasibeschaffungslinie 4 überZug. Der Zuger Sitz des DDR-Dien-stes war in der Villa zwischen Burgund Casino-Tiefgarage unterge-bracht. Am 28. November 1985 hieltder Stasi-Agent «Wolfgang» in einemBericht fest: «Es ist einzuschätzen,dass der Grossauer gegenwärtig derwichtigste Partner für Sonderbe-schaffungen, insbesondere Elektro-nik, ist und kein gleichwertiger Ersatzim Bedarfsfall besteht.» (Zit. in Cash16.10.92, Grossauer gehörte höchst-wahrscheinlich der Stasi selber nichtan. Elektronik diente auch der Über-wachung von DissidentInnen.)Brandenberg war praktisch die ganzeZeit (1979 bis mindestens En-de1992) die Urkundsperson für dieZuger Grossauer-Firmen. Die mei-sten Generalversammlungen fandenin Brandenbergs Büro an der Post-strasse 9 statt. Dabei amtete er jeweilsals Protokollführer. Zudem war erPrivatanwalt der Grossauers und hat-te engen Kontakt mit ihnen. Alleinaus diesem Grund ist es schwer vor-stellbar, dass er über die häufig e nDDR-Reisen und Stasi-Connectionsseiner Klienten nicht im Bilde gewe-sen ist. Dazu kommt, dass EgmontKoch in seinem 1988 in München er-schienenen und in Zug bekanntenBuch «Grenzenlose Geschäfte. Orga-nisierte Wirtschaftskriminalität»über Grossauer und die Zuger Stasi-

    beschaffungslinie 4 informiert hatte.Der Spiegel (50/90) veröffentlichtedarauf ein Organigramm über«Schalcks Valuta Reich», wo die«Firmengruppe Allimex SchweizMichael Grossauer» prominent vor-kommt.

    Antikommunistisches Wasser undstalinistischer Wein

    Während Brandenberg einem Stasi-Beschaffer diente, der wiederum – ge-gen gutes Geld – ein Unrechts-Regi-me unterstützte, steckte er als Militär-richter andersdenkende Schweizerins Gefängnis. Tatsächlich gehörtendie DDR und die Schweiz zu den we-nigen Staaten Europas, in denen Ver-

    weigerer eingesperrt wurden. Inso-fern ist der Umstand, dass der gleicheHerr Stasibeschaffern und der CH-Militärjustiz diente, gar nicht so para-dox. Der Widerspruch besteht höch-stens darin, dass Brandenberg alsAmtsperson öffentlich antikommu-nistisches Wasser predigte und alsWirtschaftsanwalt heimlich stalini-stischen Wein trank. Irgendwie ist Brandenberg gerade inseiner Inkonsequenz typisch für vieleIten-Verteidiger: Früher waren siegleichgültig gegenüber, wenn nichtsogar aktiv beteiligt an der Repressi-on gegen linke LehrerInnen und Pa-z i fisten. Heute, wo es um eine antise-mitische Sekte geht, entdecken sieplötzlich die Grundrechte. ■

    Itens Anwalt und die Grundrechte

    Jürg Iten will sich mit einem Anwalt für seine Grundrechte wehren, der Stasi-Beschafferngedient und Armeegegner ins Gefängnis geschickt hat. Der Iten-Anwalt Ernst A. Brandenberg war eng verbunden mit dem Stasi-Beschaffer-Ehe-paar Grossauer-Joergensen und deren Firmen. Zugleich diente er in der Schweizer Armeezuerst als Auditor (Ankläger) beim Divisionsgericht 9A und dann 1985 bis 1990 als Prä-sident. Weiter war er für die CVP Vizepräsident der verwaltungsrechtlichen Kammer,musste dann aber 1977 wegen einer Wertschriftenaffäre zurücktreten.

    An der Baugewerblichen Berufs-schule Zürich ist der Kampf gegenFremdenfeindlichkeit und Rassis-mus eine Selbstverständlichkeit.Nach dem Philosophen Hans Sanerund der Historikerin Doris Angst

    trat der Fussballer Kubilay Türky-ilmaz auf. Die von Josef Lang mit-organisierte und moderierte Ver-anstaltung trug den Titel: «Fürwelche Schweiz spielt Kubi?»

    Jo und Kubi

  • 20 SGA-Bulletin 4/96

    R E G I E R U N G S R AT

    Ja zum Teuerungsausgleich

    Die Frage, ob der Teuerungsausgleich gewährt wird, warein wichtiger Entscheid in der Regierung. Daneben ging esaber auch um die Schicksalsfrage für das ZOPA, dasVorprojekt Stadtbahn und die Abstimmungskampagnegegen das Arbeitsgesetz.

    Hanspeter Uster

    Ich habe im Regierungsrat dieAusrichtung der Teuerung bean-tragt, und zwar mit folgenden Argu-menten:

    ❍1. Jeder Abbau beim Teue-rungsausgleich bedeutet eine kon-krete Reallohnsenkung für die be-troffenen Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter der kantonalen Verwal-tung. Betroffen sind aber auch diegemeindlichen Angestellten und je-ne der angeschlossenen Organisatio-nen, da diese sich in der Regel amEntscheid der Regierung orientie-ren. Gesamthaft sind das gut 4000Angestellte. Eine Reallohnsenkungfür diese Menschen hat wiederumzur Folge, dass der Wirtschaft Kauf-kraft entzogen wird – und das in ei-ner Zeit, wo sich alle Wirtschafts-analytiker und -praktiker einig sind,dass der Konsum unbedingt wiederanziehen muss.

    ❍2. Die Motivation unserer Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter wür-de durch einen negativen Teue-

    rungsentscheid in Mitleidenschaftgezogen. Denn immer noch sind dieAuswirkungen der Personalgesetz-Revision von 1994, des System-wechsels bei der Pensionskasse undweitere Entscheide (insbesondereParkplatzbewirtschaftung) nichtganz verdaut. Zwar bedeuten die er-folgten Beförderungen eine Er-höhung der Reallöhne; der Teue-rungsausgleich ist jedoch auch einesymbolisch-psychologische Angele-genheit, die sich nicht einfach mitanderem verrechnen lässt.

    ❍3. Der Ruf, dass die Teuerungnicht ausgeglichen wird, erfolgt ins-besondere aus Gewerbekreisen imKantonsrat. Auch diesen geht esnicht in erster Linie um die voraus-sichtlich 0,7%, sondern ums Prin-zip.

    Der Regierungsrat hat bei frühe-rer Gelegenheit wiederholt festge-halten, von der Beschränkung desTeuerungsausgleichs nur mit gros-ser Zurückhaltung Gebrauch zu ma-chen und nur kombiniert mit ande-ren Sparmassnahmen. Soll der Re-gierungsrat nun diesen richtigenGrundsatz nicht mehr beachten, nurweil rechtsbürgerliche Kantonsräte

    und die Stawiko Druck machen?Gäbe die Regierung nicht das Heftaus der Hand, was sich auch für wei-tere personalpolitische Entscheide(z.B. Personalgesetzrevision) nega-tiv auswirken könnte? Und habennicht die Personalverbände, also un-sere Sozialpartner, klar und deutlichfür die Ausrichtung der TeuerungStellung genommen?

    Schliesslich: Der Kanton kannsich mit Blick auf das Budget 1997die Ausrichtung des Teuerungsaus-gleichs leisten. Auch in der Privat-wirtschaft wird unter solchen Um-ständen der Reallohn erhöht bzw.zumindest beibehalten. Und 10Kantone beabsichtigen die Ausrich-tung des Teuerungsausgleichs.

    ❍4. Der Verzicht auf den Teue-rungsausgleich als Zeichen der Soli-darität mit der Privatwirtschaft bzw.mit anderen Kantonen? Wemkommt diese Solidarität zugute –schlechtbezahlten Angestellten inder Privatwirtschaft? Oder zumin-dest Angestellten in anderen Kanto-nen mit bedeutenden Reallohnein-bussen? Nein. Das eingesparte Geldfliesst in die Staatskasse.Und wo war

    Zwanzig Franken...

    ...sollen zwanzig Franken bleiben, ...

    ...auch für Staatsangestellte!

  • 21SGA-Bulletin 4/96

    R E G I E R U N G S R AT

    die Solidarität der Privatwirtschaftin den Boom-Jahren, als fähige Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter derkantonalen Verwaltung in beträcht-licher Zahl mit höheren Löhnen ab-geworben wurden?

    ❍5. Zum Schluss: Wenn diesesJahr die Teuerung nicht ausgegli-chen wird, wann wird sie je noch aus-geglichen werden können?

    Ein klarer Entscheid des Regie-rungsrats gegen den Teuerungsaus-gleich hätte auch eine negative ge-samtwirtschaftliche Signalwirkung:«Nun richten nicht mal mehr jeneden Teuerungsausgleich aus, die essich leisten können.» Fängt denn derAufschwung nicht im Kopf an? DieRegierung würde so – obwohl sievolkswirtschaftlich argumentiert –genau das Gegenteil von dem er-reichen, was sie eigentlich beab-sichtigt.

    Schicksalsfrage ZOPA

    Ganz knapp, mit dem Stichent-scheid des Präsidenten, hat der Kan-tonsrat Ende November die Weiter-führung der Zuger Drogenabgabenur noch bis Ende 1997 bewilligt.Dieser Entscheid ist äusserst bitterfür die TeilnehmerInnen am Pro-gramm, das ihnen erstmals seit Jah-ren wieder Stabilität und eine Per-spektive bringt. Bitter aber auch fürdie Projektmitarbeiterinnen und ih-re Leiterin Manuela Weichelt, die ih-re Arbeit mit einem riesigem Enga-gement und unbestrittener Fach-kompetenz ausführen. Und bitterauch aus drogenpolitischer Sicht,insbesondere nach dem klaren Ja inZürich und Winterthur für die Wei-terführung der Heroinabgabe. Wirmüssen möglichst schnell dafür sor-gen, dass die Weiterführung überdas Jahr 1997 in den Kantonsratkommt.

    Gemeinsame Arbeitsgruppe PBG

    Für die Vernehmlassung zumEntwurf für ein kantonales Pla-nungs- und Baugesetz (PBG) arbei-teten VertreterInnen der SGA (Stadtund Kanton), der Frischen Brise,von Gleis 3 und des Kritischen Fo-rums in zwei intensiven Sitzungeneine ausführliche Vernehmlassungaus, die zu wichtigen planerischenFragen eine präzisere und konkrete-re Vorlage verlangt. Die Mitarbeit insolchen Arbeitsgruppen, die sichauch mit wichtigen thematischenFragen aus anderen Direktionen be-fassen, ist für mich als Exekutivmit-glied sehr wichtig, aber auch zeitin-tensiv. Denn tagtäglich bin ich invielen Bereichen meiner eigenen Di-rektion sehr engagiert, sei es im Zu-sammenhang mit Vermessungsfra-gen, der Einführung der EDV imGrundbuch oder mit der Auswahl ei-nes neuen Kripochefs. ■

    In einem kleinen Demonstrations-zug von ihrem Quartier zum Kolin-platz überbrachten BewohnerInnendes Quartiers Löberenstr./Loreto-höhe die Petition «Zug verdientbessere Überbauungen». Innertkürzester Zeit wurden 1440 Unter-schriften für «Siedlungsqualität imRothus» gesammelt . Hintergrundbildet der Ende 1994 vom Volk an-genommene Zonenplan der StadtZ u g , d e r von der SGA bekämpftworden ist, unter anderem mit demHinweis auf die überrissenen Aus-nützungsziffern. Diese Ausnützungführte nun zu einem massivenÜberbauungsprojekt auf der Rot-huswiese, das die Umgebung förm-lich erdrückt. Dagegen wehren sichnun die AnwohnerInnen, aktiv un-terstützt von SGA-Mitgliedern.

    Bild Bulletin

    «Zug verdient bessere Überbauungen !»

  • 22 SGA-Bulletin 4/96

    S TADTZUGER GEMEINDEORDNUNG

    Verunglückte Revision

    Ab 1999 haben städtische Angestellte im Grossen Gemeinderat(GGR) nichts mehr zu suchen. Das Volk darf erst bei Krediten vonmehr als 1 Mio., nicht wie heute ab 100’000 Franken dasReferendum ergreifen. Die meisten Anträge der Opposition wurdenabgelehnt. Und schliesslich beliess der GGR gegen den StadtratBehördenreferendum sowie obligatorisches Finanzreferendum undbeschloss neu die Grundlage für eine Stellenplafonierung.

    Daniel Brunner

    Am 2. März 1997 stimmen die Zuge-rInnen über die revidierte Gemein-deordnung, die städtische «Verfas-sung», ab. Was als langweiliges Po-litgeschäft begonnen hatte und einhalbes Jahr vor sich hindümpelte,erregte diesen November die Gemü-ter. Vor allem der knappe, von CVP,FDP und SVP im Grossen Gemein-derat durchgeboxte Entscheid, wo-nach städtische Angestellte über-haupt nicht mehr in den GGR wähl-bar sein sollen, liess Zorn aufkom-men. Nicht zuletzt bei den direktbe-troffenen Teilzeitlehrerinnen Marti-na Arnold (CVP) und Rosvita Corro-di (FDP). Warum städtische Ange-stellte für die parlamentarische Mei-nungsbildung gefährlicher sein sol-len als die im Rat überproportionalvertretenen Interessen von Bauge-werbe, Anwälten und Treuhändern,blieb schleierhaft. Städtischen An-gestellten «im Hauptamt» ist dieGGR-Mitgliedschaft bereits heuteverwehrt; die fast unmögliche Defi-nition dieses Begriffs hatte denStadtrat sowie SP und SGA zumVerzicht auf jegliche Beschränkungbewegt. Auch Dolfi Müllers (SP)Kompromissvorschlag, nicht wähl-bare FunktionsträgerInnen explizitaufzuzählen, blieb erfolglos. Nunsoll ein Zwanzigstel der Stimmbe-rechtigten, nämlich 700 Stadtange-stellte, vom passiven Wahlrechtgänzlich ausgeschlossen werden.Rotgrün und Stadtrat waren sichauch in der Ablehnung einer ge-

    meinderätlichen Kompetenz einig,die Anzahl der Stellen in der Stadt-verwaltung festzulegen.

    Unzufriedener Stadtrat

    Wie entschieden sich der Stadtratgegen die Vorlage der GGR-Mehr-heit aussprechen wird, ist noch un-klar. Drei weitere Entscheide desGGR, hinter denen auch die Frakti-on SGA/PL steht, gehen dem Stadt-rat nämlich gegen den Strich. So dasBehördenreferendum, das von 14GGR-Mitgliedern eingeleitet werdenkann. Hier sah der Stadtrat eine«Diskriminierung» der Stimmbür-gerInnen gegenüber den Parla-mentsmitgliedern, während er das

    Stimmvolk mit der ebenfalls nichtgeglückten Abschaffung des obliga-torischen Finanzreferendums (mei-stens Bauvorlagen: heute ab 3 Mio.,künftig gemäss GGR ab 5 Mio. Fran-ken) vor zu häufigen Urnengängenschützen wollte. In Tat und Wahr-heit ging es dem Stadtrat in erster Li-nie um «hindernislose» Kreditbewil-ligungen. In diesen Fragen über-nahm die Presse unkritisch dieWortwahl des Stadtrats, welcher von«progressiven» Vorschlägen sprach.Obwohl Rotgrün sonst keine Erfolgeverbuchen konnte, passierte zudemmit knapper Mehrheit ein Antragvon Dani Brunner, der die «freie»Kompetenz des Stadtrats über50’000 Franken strich und ihn auf

    Bleiben in Zukunft 5% der Stimmberechtigten von den Zuger Ratsses-seln verbannt?

    Bild Bulletin

  • 23SGA-Bulletin 4/96

    S TADTZUGER GEMEINDEORDNUNG

    das seit jeher für den Regierungsratgeltende Verfahren mit Nachtrags-krediten festlegt.

    Kein liberales Informationsrecht

    Unterschiedliche Meinungen vertra-ten SGA/Parteilose-Fraktionsmit-glieder bei der Behandlung der Par-teien in der Gemeindeordnung: Sollihre Rolle in der politischen Mei-nungsbildung erwähnt werden, sol-len sie von der Stadt finanziell unter-stützt werden können? Martin Stu-ber votierte für ersatzlose Streichungdes «Parteienparagraphen», DaniBrunner hielt mit der GGR-Mehrheitdafür. Die Ablehnung der Gemeindeord-nung in der vom GGR schliesslichverabschiedeten Form ist für dieSGA/PL-Mitglieder des Gemeinde-rats klar. Neben der künftigenNichtwählbarkeit städtischer Ange-stellter und der Pensenfestlegunggaben andere Gründe den Ausschlagals beim Stadtrat. Vier zusätzlichePunkte wurden von uns in die De-batte eingebracht. Sie wurden deut-lich, zum Teil sogar ohne Unterstüt-zung der SP, abgelehnt. An ersterStelle forderten Martin Stuber undDani Brunner ein weitgehendes In-formationsrecht für die Öffentlich-keit, das sogenannte «demokrati-sche Öffentlichkeitsprinzip»: mitvorbehaltlosem Einblick in amtlicheAkten (soweit keine schützenswer-ten Daten betroffen sind), mit einerInformationspflicht der Verwaltungbei Anfragen der BewohnerInnen so-wie mit der Verpflichtung halbstaat-licher Firmen wie der WWZ zu einerunparteiischen Information bei Ab-stimmungen. Doch der GGR ver-schlechterte, wohlverstanden mitEinverständnis der Exekutive, sogarden ursprünglichen Antrag desStadtrats. Anita Stadler forderte fürden Stadtrat ein offeneres Kollegial-system. Einzelne Stadtratsmitglie-der sollten in politisch wichtigen

    Fragen einen vom Gesamtkollegiumabweichenden Standpunkt öffent-lich machen dürfen. Auch wenn Ani-ta wörtlich den in Wädenswil längstgeltenden Gesetzestext vorschlug,fochten Bürgerliche zuerst mit demArgument «das geht gar nicht» , umdann (aufgeklärt?!) zur haushohenAblehnung zu schreiten. In Erinne-rung an das Schicksal der 1989 vomGemeinderat ungültig erklärten«Altstadt-Initiative» votierten wir –ebenso erfolglos – für die Möglich-keit der Teilgültigkeit von Volksi-nitiativen. Auch das Verlangen nachErstellung eines Registers der Inter-essenbindungen der GGR-Mitglie-der (Postulat Csomor/Brunner) gingbachab.

    Abstimmungen erst ab 1 Mio. Frankenm ö g l i c h ?

    Gleich um das Zehnfache (!) wollenStadtrat und GGR-Mehrheit die Li-

    miteerhöhen, bei der fakultative Ab-stimmungen mittels Referendummöglich sind. Dabei betrafen diemeisten Abstimmungsniederlagender Behörden genau Kredite zwi-schen 100’000 Franken und dervom GGR verabschiedeten neuenLimite von 1 Mio. Franken bei ein-maligen Ausgaben: zum Beispiel dieVorlagen zum Stadtbeobachter-Kredit oder über die WC-Anlage St.Verena. Auch viele Projektierungs-kredite, wie über das Bauamt an derSt. Oswaldsgasse, hätten nicht vorsVolk gebracht werden können. Weiluns die Verzehnfachung der Limitefür ein fakultatives Referendummasslos schien, setzten wir uns füreine Anpassung etwa im Rahmen derInflation ein, nämlich von 100’000auf 250’000 Franken. Auch damitblieben wir zusammen mit der Bun-ten Liste, aber gegen den grösserenTeil der SP und fast alle Bür-gerlichen klar in der Minderheit. ■

    Die ersten Wahlen für den Gros-sen Gemeinderat (GGR), das4 0 k ö p fige Zuger Stadtparlament,fanden 1962 statt. Damals löste derGGR die in den anderen Zuger Ge-meinden übliche EinwohnerInnen-versammlung ab. Offenbar genü-gen drei Jahrzehnte nicht, um dieExistenz des GGR dauerhaft zurechtfertigen. Denn immer wieder,wenn der GGR unpopuläre, umnicht zu sagen für bestimmte Be-völkerungsteile unverständlicheEntscheide fällt, ertönt wie jetzt derRuf nach dessen Abschaffung.Schon Anfang der 90er Jahre gab eseine kleine Kampagne zur GGR-Abschaffung, weil damals dieMehrheiten dank einiger Stimmenaus dem christlich-sozialen und

    dem aufgeklärt-freisinnigen Lagerin mehreren Abstimmungen zu-gunsten der rotgrünen Minderheitbeziehungsweise gegen die sonsttonangebenden FDP/CVP-Kreiseund den Stadtrat ausfielen. Die An-zahl der im GGR verhandelten Ge-schäfte, die in einer Kantonshaupt-stadt deutlich höher ist als in denübrigen Gemeinden, lässt aber ver-muten, dass eine EinwohnerInnen-versammlung eher überfordert wä-re. Auch würde die Überwachungdes Stadtrats wahrscheinl ichschwieriger. Die Opposition aller-dings könnte an einer Einwohne-rInnenversammlung vielleichthäufiger Achtungserfolge verbu-chen als bei den gegenwärtig ziem-lich starren Blöcken im GGR.

    Gemeinderat abschaffen?

  • 24 SGA-Bulletin 4/96

    K A N T O N S R AT

    Der Holocaust und die Wertefrage

    Aufgrund von zwei Interpellationen, eine von Alternativenund SozialdemokratInnen und eine andere von der SVPeingereichte, gab es am 28. November eine Diskussion zurSituation an der Kanti. Die rechtsgerichtete lässt sich ineinem Satz zusammenfassen: «Mehr Freiheit für den VPM,weniger Freiheit für die SGA!»

    Untenstehend drucken wir das(leicht gekürzte) Referat der Frakti -onssprecherin Arlene Wyttenbachab und bringen zwei kurze Aus -schnitte aus den Beiträgen von ShaAckermann und Josef Lang.

    «Bestürzt über einen Teil der Kanti»

    In diesem Jahrhundert passierte ei-nes der schrecklichsten Verbrechenan der Menschheit, der Holocaust.Hier in Europa wurden annäherndsechs Millionen Jüdinnen und Judenermordet. Dieses – eigentlich – un-fassbare Verbrechen, die industriel-le Tötung von Millionen von Men-schen, ist dokumentiert, wir müssenuns der Auseinandersetzung damitstellen. Um zu verhindern, dass es jezu einer Wiederholung dieser Tragö-die in unserer Zivilisation kommt,muss die Beschäftigung mit dem Ho-locaust in der Schule höchste Prio-rität haben. Fragen wie Toleranz,Gleichheit der Menschen, religiöserPluralismus, Gewalt, Demokratie,Asyl werden damit aufgeworfen.

    Und es bedeutet auch, sich mit denheutigen antisemitischen und rassi-stischen Tendenzen auseinanderzu-setzen.Seit anfangs Jahr wurde in der Pres-se, insbesondere in der zugerischen,immer wieder über die UniversaleKirche und ihr antisemitisches Ge-dankengut berichtet. Ganz speziellwährend des Prozesses in Trogen ge-gen den Geschäftsführer der eu-ropäischen Universalen Kirche, u.a.wegen dessen Satz: «Wegen ihrer sa-tanischen Gier zettelten die Judenden Zweiten Weltkrieg an.» Nachder Bekanntgabe über die Mitglied-schaft von Rektor Iten in der «Uni-versalen Kirche» waren wir über dieReaktionen eines Teils der Kanti-Lehrerschaft bestürzt. Öffentlichäusserten sich ausschliesslich Leute,die sich mit Rektor Iten solidarisier-ten, und ihre Empörung richtete sichgegen die Überbringer der – schlech-ten – Nachricht. Wir vermissten inden Stellungnahmen eine Auseinan-dersetzung mit der «UniversalenKirche» und ihren antisemitischen

    Verlautbarungen sowie eine klareDistanzierung davon. Sie befasstensich auch nicht mit den Anforderun-gen an und zwingenden Verpflich-tungen für die Mitglieder der «Uni-versalen Kirche», die in der jährli-chen Abnahme eines Gelübdes gip-feln. Dies war der Hauptgrund, wes-halb wir diese Interpellation ein-reichten. (...)Die Informationsmöglichkeiten ander Kanti über Sekten erachtet dieRegierung als genügend. Dies wider-spricht aber Aussagen aus derSchülerschaft. In der heutigen Situa-tion wäre es wichtig, neben allgemei-nen Informationen zu Sekten spezi-ell über die Universale Kirche undden VPM zu informieren. DieSchülerschaft ist im Moment mitLehrpersonen dieser zwei Sektenkonfrontiert.Zur Anstellungspraxis: Die heutigePraxis der Zuger Regierung ent-spricht dem von uns zitierten Bun-desgerichtsentscheid. Damit distan-ziert sich der Regierungsrat von derPraxis der 80er Jahre, wo für Linke

  • 25SGA-Bulletin 4/96

    K A N T O N S R AT

    und ihre Angehörigen als Lehrperso-nen de facto ein Berufsverbot herr-schte. Wir sind über diese Änderungerfreut.

    Arlene Wyttenbach

    «Als betroffene Mutter»

    Ich möchte hier und jetzt als betrof-fene Mutter sprechen, deren Kinderan der Kanti unterrichtet werden.Was wir Eltern an Informationen er-hielten, war fast ausschliesslich or-ganisatorischer Natur. Über denVPM, seine Ziele oder seine Mitglie-der an der Kanti vernahm man höch-stens aus der Presse. Der VPM machtimmer wieder Schlagzeilen, meistnicht positive, und kursierendeGerüchte sind nicht eben beruhi-gend. Deshalb ist es begreiflich,wenn Eltern verunsichert sind, da sienicht informiert werden. Ich würdees daher begrüssen, wenn auch dieinteressierten Eltern in diesen Infor-mationsprozess einbezogen würdenund ein offener Dialog geführt wer-den könnte. Dieser sollte nicht nurpunktuell im Klassenzimmer statt-finden, sondern von der Kantons-schule, z.B. mit Podiumsveranstal-tungen und Streitgesprächen, geför-dert werden. Es stünde der Schullei-tung gut an, wenn sie den verunsi-cherten Eltern eine Möglichkeitenböte, sich selbst ein Bild über dieSektensituation an der Kanti zu ma-chen. Sha Ackermann

    «Banal und brisant»

    Die Aussage, dass es einem Teil desLehrkörpers an Sensibilität gegen-über dem Antisemitismus mangelt,ist an sich banal. Beispielsweise triffteine solche Aussage ausser der SVPauf aller hier vertretenen Parteienzu. Selbst in der SGA gibt es zwei,drei Leute, die diesbezüglich zu we-nig sensibel sind. Brisant ist die Aus-sage im Zusammenhang mit derKanti bloss aus zwei Gründen: Er-

    stens ist sie wegen der breit unter-zeichneten Solidaritäts-Erklärungmit Rektor Iten einigermassen quan-tifizierbar. Und vor allem zweitenswar aus dem Lehrkörper nur der un-sensible Teil vernehmbar. Der ge-genüber dem Antisemitismus sensi-ble Teil, den es auch gibt und der u.a.deshalb nicht unterschrieben hat,hat den anderen das Feld völligüberlassen. Hier stellt sich die Frage:Was herrscht an der Kanti für einKlima, dass nur eine Seite sich öf-fentlich äussert? Die besagte Solida-ritäts-Erklärung scheint harmlos indem, was drin steht, ist aber höchst

    fragwürdig in dem, was fehlt: Pro-blematisierung und Distanzierungvom Antisemitismus allgemein undvon dem der Universalen Kirche imBesonderen. Bei der Einschätzungder besagten Erklärung ist weiter zubedenken, dass die Unterschriftengegeben wurden, als allen klar war,dass Iten in Trogen demonstrierthatte und dass es dort ausschliesslichum Antisemitismus gegangen war. ■

    Josef Lang

    Um Grundwerte ging es auch in derDrogen-Debatte. Wir bringen ei -nen Auszug der Rede SybillaSchmids.Bis jetzt hat die ärztliche Heroin-verschreibung Erfolge vorzuwei-sen, die mit ihren beschränktenZielen übereinstimmen. So ist esimmerhin gelungen, anders nichterreichbare Heroinabhängige fürein Mitmachen im Projekt zu ge-winnen, ihren gesundheitlichenund sozialen Status zu verbessernund ihr Risikoverhalten zu vermin-dern. Es ist zu erwarten, dass dieSchlussauswertung dieses For-schungsprojektes diesen positivenGesamteindruck bestätigen wird,was wiederum in die Entscheidungdes Bundesrates im Sommer/Herbst 1997 einfliessen wird undziemlich sicher auch in die Revisiondes Betäubungsmittelgesetzes. Un-ter diesen Umständen die «Ärztli-che Verschreibung von Betäu-bungsmitteln» abzubrechen, wäreunsinnig und unmenschlich. Sollendie heute in den Projekten inte-grierten ProbandInnen bis zur defi-nitiven Einführung der Behand-lung zurück auf die Gasse geschickt

    werden? Was würden Sie sagen,wenn Ihr unheilbares Krebsleidenim Rahmen eines wissenschaftli-chen Forschungsprojekts mit ei-nem noch nicht zugelassenen Medi-kament therapieren liessen, ersteErfolge hätten sich bereits gezeigt,doch jetzt nach Abschluss des Pro-jekts würde Ihnen das Medikamentverweigert, weil es noch nicht zuge-lassen worden ist, obwohl die Zu-lassung sich mit einiger Sicherheitabzeichnet?Den GegnerInnen der kontrollier-ten Drogenabgabe scheint dasWasser am Hals zu stehen. Am Er-folg des Versuchs gibt es aus wis-senschaftlicher Sicht kaum mehrZweifel. Darum muss die Wissen-schaftlichkeit selbst in Frage ge-stellt werden. Warum nur dieserausufernde, stark emotional ge-prägte Eifer, diese Irr- und Geister-fahrten? Selbst die angesehenebürgerliche Zeitung NZZ hat da-von genug und weigert sich, gewis-se Inserate abzudrucken, weil sieinfam und mit falschen Behaup-tungen gespickt sind.

    Sybilla Schmid

    «Unsinnig und unmenschlich»

  • 26 SGA-Bulletin 4/96

    T E L E B U S

    Brigitte Weiss

    Samstagmorgen 01.40. Es ist eineder raren lauen Nächte des vergan-genen Sommers. Ich eile durch dienoch immer belebten Strassen derZürcher Innenstadt RichtungHauptbahnhof. Klar, der letzte Zugnach Zug ist längst abgefahren undeine Übernachtung bei Freunden inZürich nicht gebucht. Also bleibtmir nichts anderes übrig, als «durch-zumachen» oder eben die Haltestel-le des TELEBUS zu suchen, die sich«irgendwo beim HB Zürich befindensol l». Ob es diese Verbindungtatsächlich gibt und von wo der Busgenau abfährt, konnte man mir we-der am Bahnhof Zug noch am HBZürich mit Sicherheit sagen.

    Von Zürichs berühmtester Strasseher kommend, überblicke ich denBahnhofplatz, das Bahnhofgebäudedahinter scheint ausgestorben, dieAbgänge ins Shop-Ville sind mitmassiven Eisengittern abgeriegelt.Und wo bitte soll nun also dieser Bussein, der Freitag- und Samstagnachtzu später/früher Stunde Zürich mitder Innerschweiz halb-öV-mässigverbindet?

    «He, chasch nöd echli cooleri Musigi n e t u e ? »

    Glück gehabt, da steht er ja, derKleinbus, auf der ersten Bushalte-stelle rechts von der Bahnhofstrasseher gesehen. Ein mageres HäufchenNachtschwärmerInnen wartet be-reits ungeduldig auf die Abfahrt um

    01.45 Uhr, der Fahrer hingegennimmt's gemütlich – wär ja ärger-lich, wenn jemand den Bus um weni-ge Sekunden verpassen täte. Endlich – das Gefährt ist halbvoll –fahren wir zum Bellevue, wo noch«Stammgäste» aus Langnau zustei-gen. «He, chasch nöd echli cooleriMusig inetue?» meint eine der jun-gen Frauen, die den Fahrer plus dieInstitution TELEBUS bestens zukennen scheint, und «Du