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Leben mit Pränatale Diagnostik, selektiver Fetozid und Down-Syndrom Haarausfall und Zöliakie Syndrom-spezifisches Persönlichkeitsprofil bei kleinen Kindern mit Down-Syndrom Sprachförderung – ein Leben lang / Spracherwerb und Gebärden / Sprechapraxie Erziehung zur sozialen Selbstständigkeit Behindertentestament Nr. 49 / Mai 2005 ISSN 1430-0427

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Leben mit

www.ds-infocenter.de

Pränatale Diagnostik, selektiver Fetozidund Down-Syndrom

Haarausfall und Zöliakie

Syndrom-spezifisches Persönlichkeitsprofilbei kleinen Kindern mit Down-Syndrom

Sprachförderung – ein Leben lang / Spracherwerbund Gebärden / Sprechapraxie

Erziehung zur sozialen Selbstständigkeit

Behindertentestament

Nr. 49 / Mai 2005ISSN 1430-0427

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Für unseren neuen Flyer mit Empfeh-lungen zur Diagnosevermittlung, denwir an über 1000 Geburtskliniken sowiean alle Hebammenschulen verschickthaben, erhielten wir bereits sehr vielpositive Resonanz.Wir wünschen uns nun, dass unsereRatschläge auch ernst genommen undin die Praxis umgesetzt werden.

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Leben mit

www.ds-infocenter.de

Pränatale Diagnostik, selektiver Fetozidund Down-Syndrom

Haarausfall und Zöliakie

Syndrom-spezifisches Persönlichkeitsprofilbei kleinen Kindern mit Down-Syndrom

Sprachförderung – ein Leben lang / Spracherwerbund Gebärden / Sprechapraxie

Erziehung zur sozialen Selbstständigkeit

Behindertentestament

Nr. 49 / Mai 2005ISSN 1430-0427

d e u t s c h e s

i n f o c e n t e rdown-syndrom

Für unseren neuen Flyer mit Empfeh-lungen zur Diagnosevermittlung, denwir an über 1000 Geburtskliniken sowiean alle Hebammenschulen verschickthaben, erhielten wir bereits sehr vielpositive Resonanz.Wir wünschen uns nun, dass unsereRatschläge auch ernst genommen undin die Praxis umgesetzt werden.

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AKTUELLES

4Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Nachrichten aus demDeutschen Down-SyndromInfoCenter

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GuK-Gebärden-Alphabet

Um eine schnelle Orientierung zu er-möglichen und das Erinnern zu er-

leichtern, haben wir eine alphabetischeOrdnung der Gebärdenbilder zusam-mengestellt. Die achtseitige Übersichts-liste in DIN-A4-Format zeigt alle hun-dert Gebärden auf kleinen Schwarz-weiß-Bildern. Es gibt jeweils eine Listefür GuK1 und für GuK2.

Auf Seite 37 können Sie nachlesen,wie man diese kleinen Abbildungen ein-setzen kann. Frau Prof. Etta Wilken be-schreibt dort die verschiedenen Ver-wendungsmöglichkeiten.

GuK-Gebärden-Übersicht nur fürGuK-Besteller!

Achtung: Diese Listen liegen seit Märzden Packungen von GuK1 und GuK2 bei.Die Preise wurden deshalb, aber auchweil Papier- und Druckkosten gestiegensind, leicht erhöht. GuK1 kostet nun 46Euro, GuK2 50 Euro.

Wenn Sie vor diesem Datum GuK be-stellt haben, können Sie nachträglich ei-ne solche Liste bestellen. Die Listen wer-den aber nur an GuK-Käufer abgege-ben, weil sie eine Ergänzung zur GuKdarstellen. Sie sind nicht als Ersatz fürdie Sammlung mit den großen Gebär-denkarten gedacht!

Die Übersicht kostet jeweils 5 Euro(inkl. Versandkosten).

Bestellbroschüre 2005/2006

Dieser Ausgabe der Zeitschrift liegtwieder unser aktuelles Lieferpro-

gramm bei. Dort finden Sie eine Über-sicht aller Publikationen des DeutschenDown-Syndrom InfoCenters und eineReihe Fachbücher aus anderen Verla-gen, die Sie bei uns bestellen können.

Auch in diesem Jahr konnten wir un-ser Angebot wieder um einige Titel er-weitern. Zwei unserer Broschüren – dieBaby- und die Herzbroschüre – sindüberarbeitet und erweitert und mit neu-en Bildern versehen worden. Ein Infor-mationsflyer für Ärzte zum Thema„Diagnosevermittlung“ ist neu hinzuge-kommen.

Weiter konnten wir das wichtige,

neue Fachbuch „Menschen mit Down-Syndrom in Familie, Schule und Gesell-schaft“ von Etta Wilken (vorgestellt inLeben mit Down-Syndrom, Nr. 47) in un-ser Angebot aufnehmen. Die beidenneuen Bücher aus dem G&S-Verlag„Wickel und andere Hausmittel“ und„Sexualität“ können Sie selbstverständ-lich auch bei uns bestellen.

Falls Sie mehr Exemplare des Lie-ferprogramms benötigen, z.B. für ande-re Eltern, Infotische, zum Auslegen inPraxen, Kliniken oder Schulen, schickenwir Ihnen gern kostenlos weitere Bro-schüren zu.

Das Mädchen auf dem Titelbild istdie dreijährige Eileen Hoyer.

Diagnose-Flyer

Aktion des DS-InfoCenters: Flyerüber das Diagnosegespräch verteiltMit der Januar-Ausgabe haben wirIh-nen unseren neuen Flyer zugeschickt.

Inzwischen haben wir diesen Flyermit weiteren Informationen zum Down-Syndrom an über 1000 Geburtsklinikenund alle Hebammenschulen geschickt.Darauf kam schon viel positive Reso-nanz. Noch effektiver ist es, wenn Sievor Ort den Flyer verteilen, denn Siewissen genau, wo diese Informationnotwendig ist!

Sie können

den Flyer im

InfoCenter

bestellen.

Zehnerpack

für 5 Euro.

E D I T O R I A L

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 1

Liebe Leserinnen, liebe Leser,seit vielen Jahren besuche ich internationaleDown-Syndrom-Kongresse, um mich über dieneuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zuinformieren. Die Veranstaltungen bieten miraußerdem die Möglichkeit, persönliche Kon-takte zu Wissenschaftlern, Fachleuten undEltern aus aller Welt zu knüpfen. So habe ich

über die Jahre viele Menschen kennen gelernt, deren Kenntnisseund Erfahrungen mir bei meiner Arbeit im InfoCenter hilfreichwaren und sind und wovon Sie als Leser von Leben mit Down-Syndrom ebenfalls profitieren, stammen doch viele Berichte undGeschichten in der Zeitschrift von diesen Down-Syndrom-Spezialisten.

Beim letzten Symposium in Palma de Mallorca wurde ich zur Vize-präsidentin der Europäischen Down-Syndrom Association (EDSA)gewählt. Damit ist nun dieses „Networking“ auf internationalerEbene auch offiziell zu einer meiner Aufgaben geworden, auf dieich mich sehr freue.Unsere Poster-Kampagne für die Deutschen Down-Syndrom-Wochen im Oktober verlangt sehr viel mehr Energie, Zeit und Geld,als ursprünglich gedacht. Wir im InfoCenter fragen uns schon mal,ob sich dieser enorme Aufwand lohnt. Jetzt ist die Planung aberabgeschlossen und obwohl uns die Finanzierung noch etwas Kopf-zerbrechen bereitet, wird an der Umsetzung gearbeitet und nimmtdas Projekt allmählich Gestalt an. Den aktuellen Stand entnehmenSie bitte dem Infoblatt, das dieser Zeitschrift beiliegt.Es ist uns eine große Ehre, dass Frau Eva Köhler unser Anliegenfür mehr Toleranz und für die Integration von Menschen mit Down-Syndrom unterstützt. Dadurch wird unsere Arbeit aufgewertetund bekommt sicherlich mehr Aufmerksamkeit in den Medien undin der Öffentlichkeit.Eines der Hauptthemen in dieser Ausgabe ist die Sprachförderung,wobei die Sprechapraxie bei Menschen mit Down-Syndrom in derdeutschen Literatur noch nie so ausführlich behandelt wurde. In-teressant sind die Beiträge von Deborah Fidler über das Entstehendes Persönlichkeitsprofils und von Wolfgang Storm zur Intelligenz.Der nachdenklich stimmende Artikel von Wolfgang Lenhard gehtder Frage nach, ob Menschen mit Down-Syndrom aussterben.

Herzlich Ihre

VERANSTALTUNGEN

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200569

Fachtagung 2005 „Perspektiven fürMenschen mit Down-Syndrom“

Die größte Veranstaltung in Deutschland rund um dasDown-Syndrom findet dieses Jahr in Augsburg statt.Wer bei den vorigen Fachtagungen in Bochum und Potsdam dabei war, weiß, dass man dieses Ereignisnicht verpassen sollte.

Termin

Freitag, 7. Oktober bis Sonntag, 9. Ok-tober 2005

Veranstaltungsort

Universität Augsburg, HörsaalzentrumUniversitätsstraße 10, 86159 Augsburg

Veranstalter/Organisation

Down-Syndrom Netzwerk Deutschlande.V und die Universität Augsburg

AnmeIdebüro

Down-Syndrom Netzwerk Deutschland Fachtagung Augsburg Postfach 31 31 97041 Würzburg Tel. und Fax: 0721 / 151 20 50 77 E-Mail:[email protected] http://www.Tagung.Down-Syndrom-Netzwerk.de

Teilnahmebeiträge

Bei Anmeldung bis 15. Juli 2005:Erwachsene: 90 EuroMenschen mit Down-Syndrom: 40 EuroKinder-/Jugendprogramm mit Betreu-ung: 40 Euro

Ab 15. Juli 2005 bis Anmeldeschluss am31. August 2005: Erwachsene: 110 EuroMenschen mit Down-Syndrom: 60 Euro Der Teilnahmebeitrag schließt auch dieVerpflegung gemäß Tagungsablauf amFreitag und Samstag ein.

Fachvorträge

Menschen mit Down-Syndrom berichtenüber ihr Leben, ihre Berufswünsche undihre Interessen, mit u.a.:Michaela König, Andrea Halder, Jisch-kah Griesbach, Jenny Lau,Verena Turin,Dennis Lawrenz, Kim Wilke, Orly Bader

Vorträge von Fachleuten

Dr. Mathias Gelb: Ernährungs-SurveyDown-Syndrom

Cora Halder: Erwartungen haben, Mög-lichkeiten sehen, Ressourcen aufbauen

Prof. Dr. Wolfram Henn: Der Mythosvon den guten Genen oder: Brauchenwir ein neues Menschenbild?

Detchema Limbrock: Das PörnbacherKonzept – ein ganzheitliches Förder-konzept

Dr. Christel Manske: Der systemati-sche Aufbau funktioneller Hirnsystemeam Beispiel Lesen, Schreiben, Rechnen

Prof. Dr. Hellgard Rauh: Entwicklungkognitive/motorische Kompetenzen beiVorschulkindern mit Down-Syndrom

Christiane Schuler: Was haben Inte-gration und Christoph Kolumbus mit-einander zu tun? Prof. Dr. Sabine Stengel Rutkowski: Mut

zum Paradigmenwechsel: Erwartungnormaler geistiger Entwicklungsverläu-fe, Mut zur Trauer, Abschied vomWunschkind

Dr. Wolfgang Storm: Verhaltensauffäl-ligkeiten und psychiatrische Problemebei Jugendlichen und Erwachsenen mitDown-Syndrom

Prof. Dr. Etta Wilken: Die Förderungvon Spracherwerb und sprachlichenKompetenzen bei Klein- und Vorschul-kindern

Prof. Dr. Udo Wilken: Unser Kind wirderwachsen – Perspektiven nachschuli-scher Lebensgestaltung in Beruf, Wohn-stätte und Partnerschaft

Marlies Winkelheide: Ich melde michzu Wort – Geschwister von Menschenmit Down-Syndrom

Dr. Melanie Voigt: Entwicklungsorien-tierte Musiktherapie

Seminare und Workshops

Parallel zu den Fachvorträgen werdenSeminare und Workshops angeboten.Die Teilnehmerzahl hier ist begrenzt.Themen: Menschen mit Down-Syndrom im Ge-spräch Geschwister von Kindern mit Down-Syndrom Let’s talk about sex – Partnerschaft undSexualität Wohnen – Vorstellung unterschiedlicherWohnformen Arbeiten – Vorstellung unterschiedlicherBeschäftigungs- und Qualifizierungsfor-men Eltern-Kind-Beziehung. Frühe entwick-lungspädagogische Begleitung Lesen lernen bei Kindern mit Down-Syndrom Integration in Kindergarten und SchuleErgotherapie Musiktherapie Logopädie, Castillo Morales Sprachentwicklungstherapie nach Pa-dovan Neuroentwicklungsphysiologischer Auf-bau nach Pörnbacher Probleme mit dem Gehör Die Lekotek-Methode – spielend fürs Le-ben lernen Homöopathie und medizinische Aspekte TNI-Basis-Ernährung für Menschen mitDown-Syndrom PsychotherapieÄlter werden mit Down-Syndrom, Seniorenkonzepte Pflegeversicherung, Eingliederungshilfe Sozialgesetzbuch IX – Integration undTeilhabe Rechte schwerbehinderter Menschen

Referentinnen und Referenten: ClaudiaColloredo-Mannsfeld, Dr. Katja de Bra-ganca, Gernot Griesbach, Inge Henrich,Ludvika Herder, Evelyn Küpper, Gundu-la Meyer-Eppler, Dr. Martin Menzel, Re-gina Neuhäusel, Heidi Walter und vieleandere.

Aktuelle Informationen zur Fach-tagung finden Sie im Internet unter:www.Tagung.Down-Syndrom-Netz-werk.de.Von dieser Homepage können Pro-spekte und Anmeldeformulare her-untergeladen werden.

A K T U E L L E S

72 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Ja, ich möchte Ihre Arbeit mit einer Spende von .......... Euro unterstützen:

Name (Blockschrift) ……………………………………………………………………………………………….....................…………Unser Kind mit DS ist am ...............………...........…….. geboren und heißt ……………………………..…….........……….Straße ………………………………………………………………………………………………………………............................... PLZ/Ort/(Staat) ………………………………………………………………… Tel./Fax ……………………............….................

‘ Bei einer Spende ab Euro 25,– erhalten Sie regelmäßig unsere Zeitschrift

InlandIch bin damit einverstanden, dass meine Spende jährlich von meinem Konto abgebucht wird.

(Diese Abbuchungsermächtigung können Sie jederzeit schriftlich widerrufen.)

Konto Nr. ……………………………………………….. BLZ ……………………………………..............………...........Bankverbindung ………………………………………………Konto-Inhaber ………………………………............................

Meine Spende überweise ich jährlich selbst: Konto der Selbsthilfegruppe Nr. 50-006 425, BLZ 763 500 00

bei der Sparkasse Erlangen. Unter Verwendungszweck „Spende” Ihren Namen und Ihre Anschrift eintragen.

Ausland (Spende ab Euro 30,–)Postanweisung oder Überweisung auf das Konto der Selbsthilfegruppe Nr. 50-006 425, BLZ 763 500 00

bei der Sparkasse Erlangen. Unter Verwendungszweck „Spende” Ihren Namen und Ihre Anschrift eintragen

Datum ……………………………… Unterschrift ……………………………………………………..................................…....

Ihre Spende ist selbstverständlich abzugsfähig. Die Selbsthilfegruppe ist als steuerbefreite Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschafts-

steuergesetzes beim FA Nürnberg anerkannt. Bei Spenden über Euro 50,– erhalten Sie automatisch eine Spendenbescheinigung.

Bitte ausgefülltes Formular auch bei Überweisung/Scheck unbedingt zurückschicken an: Deutsches Down-Syndrom InfoCenter, Hammerhöhe 3, 91207 Lauf (Tel. 09123/98 21 21, Fax 09123/98 21 22)

Dreimal jährlich erscheint die Zeitschrift Leben mit Down-Syndrom,in der auf ca. 70 Seiten Informationen über das Down-Syndromweitergegeben werden.

Die Themen umfassen Förderungsmöglichkeiten, Sprachentwick-lung, medizinische Probleme, Integration, Ethik u.a. Wir geben die neuesten Erkenntnisse aus der Down-Syndrom-Forschung aus dem In- und Ausland wieder. Außerdem werden neue Büchervorgestellt, gute Spielsachen oder Kinderbücher besprochen sowie über Kongresse und Tagungen informiert. Vervollständigt wirddiese informative Zeitschrift durch Erfahrungsberichte von Eltern.

Ihre Spende ist selbstverständlich abzugsfähig. Die Selbsthilfe-gruppe ist als steuerbefreite Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes beim FA Nürnberg anerkannt.

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I N H A L T

2 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

AktuellesNachrichten aus dem InfoCenter ..........................................................................4Frau Eva Köhler unterstützt Down-Syndrom-Kampagne......................................5

Kongress-BerichtKongress in Mallorca: Down-Syndrom-Spezifizität ..............................................6

EDSATreffen von EDSA und DSI ..................................................................................8Erster Welt-Down-Syndrom-Tag ..........................................................................9

GenetikDer Einfluss pränataler Diagnostik und selektiven Fetozids auf die Inzidenz von Menschen mit angeborener Behinderung ........................10

MedizinHaarausfall und Zöliakie bei Menschen mit Down-Syndrom ..............................18Down-Syndrom und Krebs ................................................................................20Bessere Heilungschancen bei Leukämie ............................................................20Lebenserwartung und Todesursachen bei Down-Syndrom ................................20Zöliakie und Psychose ........................................................................................21

PsychologieDas Entstehen eines Syndrom-spezifischen Persönlichkeitsprofils bei kleinen Kindern mit Down-Syndrom ............................................................22Sind Menschen mit Down-Syndrom intelligent? ................................................26Bindungssicherheit ............................................................................................28

PublikationenFilm: Liebe Dich .................................................................................................29

FörderungSprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom – ein Leben lang ................30Spracherwerb und Gebärden – Erfahrungen mit GuK ......................................33Liste mit alphabetisch geordneten Abbildungen der GuK-Gebärden ..................37Sprechapraxie bei Kindern und Erwachsenen mit Down-Syndrom ..................38Rechnen lernen mit links und rechts ..................................................................42

Titelbild: Moritz Diehl (13)

Foto Rückseite: Flyer mit Empfehlungen

zur Diagnosevermittlung

Am Tag nach dem Kongress

in Mallorca blieb gerade

noch Zeit, das Asnimo-

Zentrum mit der Gärtnerei

Sempre Verd zu besuchen –

eines der ersten Projekte in

Spanien, bei dem man

erwachsenen Menschen mit

Down-Syndrom die Möglich-

keit eines Arbeitsplatzes bot.

Insgesamt arbeiten dort zur-

zeit zwölf Personen mit

Down-Syndrom. Nach einer

gewissen Lehrzeit wechseln

einige in reguläre Betriebe,

für andere ist dies ein Dauer-

arbeitsplatz. Asnimo bietet

auf dem Gelände auch eine

Anzahl Einzelwohnungen an.

INHALT

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 20053

ErwachseneErziehung zur sozialen Selbstständigkeit............................................................44Literatur zum Thema..........................................................................................47Studenten mit Down-Syndrom an amerikanischen Colleges..............................48Pablo Peneda studierte in Malaga......................................................................50

VerschiedenesJazzband „Together“ aus Österreich..................................................................51

WohnenKaren zieht in eine eigene Wohnung..................................................................52Supported Living – Unterstütztes Wohnen..........................................................53

RechtDas Behindertentestament..................................................................................54Ratgeber: Finanzielle Hilfen für Familien mit behinderten Kindern..................57

ErfahrungsberichteImmer weiter mit kleinen Schritten....................................................................58Siehste, klappt doch!..........................................................................................60„Et hätt noch immer jot gegangen“....................................................................61 Jonatan liest und ist ein GuK-Fan!......................................................................62Marie liebt Tiere................................................................................................63Zwei Freundinnen..............................................................................................63Maike lernt sprechen mit GuK............................................................................64

PublikationenTrilogie der Einsamkeit ....................................................................................66Sexualität: Ein Ratgeber für Eltern von Kindern mit Handicap...........................68Lisanne, ein Roadmovie......................................................................................68

VeranstaltungenSymposien, Seminare, Kongresse......................................................................69

Bestellungen / Vorschau / Impressum............................................................71

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 71

Folgende Informationsmaterialien sind beim DeutschenDown-Syndrom InfoCenter erhältlich:

Euro

Broschüre „Down-Syndrom. Was bedeutet das?“ 7,--

Neue Perspektiven für Menschen mit Down-Syndrom 20,--

Videofilm „So wie Du bist“, 35 Min. 20,--

Albin Jonathan – unser Bruder mit Down-Syndrom 17,--

Medizinische Aspekte bei Down-Syndrom 5,--

Das Baby mit Down-Syndrom 5,--

Das Kind mit Down-Syndrom im Regelkindergarten 3,--

Das Kind mit Down-Syndrom in der Regelschule 5,--

Total normal! – es ist normal, verschieden zu sein 5,--

Herzfehler bei Kindern mit Down-Syndrom 5,--

Das Stillen eines Babys mit Down-Syndrom 3,50

Sonderheft „Diagnose Down-Syndrom, was nun?“ 12,--

Erstinformationsmappe 28,--

GuK – Gebärdenkartensammlung (incl. Porto) 46,--

GuK 2 – Gebärdenkartensammlung (incl. Porto) 50,--

Kleine Schritte Frühförderprogramm (incl. Porto) 59,--

Poster „Down-Syndrom hat viele Gesichter“ A3 2,--

10 Postkarten „Glück gehabt“ 5,--

10 Postkarten „Tumur und Stephan“ 5,--

Posterserie „Down-Syndrom – Na und?“ Format A1, A2, A3 12,-- 7,-- 5,--

Down-Syndrom, Fragen und Antworten pro 10 Stück 0,50

Zeitschrift Leben mit Down-Syndrom, ältere Ausgaben 5,--

+ Porto nach Gewicht und Bestimmungsland

Bestellungen bitte schriftlich an:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterHammerhöhe 391207 Lauf / PegnitzTel. 0 91 23 / 98 21 21Fax 0 91 23 / 98 21 22

Sie können noch eine Reihe weiterer Informationsmaterialien und Fach-bücher beim Deutschen Down-Syndrom InfoCenter bestellen. Bitte fordernSie unsere Bestellliste an.

Wer Artikel zu wichtigen und interessanten Themen beitragen kann, wird von der

Redaktion dazu ermutigt, diese einzuschicken.

Garantie zur Veröffentlichung kann nicht gegeben werden. Einsendeschluss für die

nächsten Ausgaben von Leben mit Down-Syndrom: 30. Juni 2005, 30. Oktober 2005.

Impressum

Herausgeber:Selbsthilfegruppe für Menschen mit Down-Syndrom und ihre Freunde e.V.Erlangen

Redaktion:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterHammerhöhe 391207 Lauf / PegnitzTel.: 0 91 23 / 98 21 21Fax: 0 91 23 / 98 21 22E-Mail: [email protected]

Wissenschaftlicher Redaktionsrat:Ines Boban, Dr. Wolfgang Storm, Prof. Etta Wilken

Repros und Druck:Fahner Druck GmbHNürnberger Straße 1991207 Lauf an der Pegnitz

Erscheinungsweise:Dreimal jährlich, zum 30. Januar, 30. Mai und 30. SeptemberDie Zeitschrift ist gegen eine Spende beider Selbsthilfegruppe erhältlich.

Bestelladresse:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterTel.: 0 91 23 / 98 21 21 Fax: 0 91 23 / 98 21 22

Die Beiträge sind urheberrechtlich ge-schützt. Alle Rechte vorbehalten. Nach-druck oder Übernahme von Texten für Internetseiten nur nach Einholung schrift-licher Genehmigung der Redaktion. Mei-nungen, die in Artikeln und Zuschriftengeäußert werden, stimmen nicht immermit der Meinung der Redaktion überein.

Die Redaktion behält sich vor, Leser-briefe gekürzt zu veröffentlichen undManuskripte redaktionell zu bearbeiten.

ISSN 1430 - 0427

VorschauFür die nächste Ausgabe (September 2005) von Leben mit Down-Syndrom sind geplant:

… Neuropsychologische Aspekte und praktisches Lernen

… Psychotherapeutische Gruppenarbeit

… Sauberkeitserziehung

… „Job-coaching“ – Wie funktioniert das?

VERANSTALTUNGEN

70Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Internationale DS-Kongresse

Portsmouth, UK4th. International Conference on Developmental Issues in Down Syn-drome

Early intervention and school educationfor children with Down Syndrome

15. bis 18. September 2005University of Portsmouth, UKZielgruppe: Wissenschaftler, Lehrer,Therapeuten, Eltern, alle, die im Früh-förderbereich arbeiten, alle, die schuli-sche Integration fördern, etc.Referenten sind u.a. Robin Chapman.Robert Hodapp, Charles Hulme, JohnClibbens, Monica Cuskelly, Sue Buckley

Information: www.downsed.orgE-Mail: [email protected]

International Conference on Therapies and Rehabilitations – Stateof the Art and Future Perspectives

27. bis 29. Oktober 2005San Marino, Italien

Diese Konferenz wird organisiert durchEDSA. Themen sind u.a. genetische,medizinische, biochemische Therapien,therapeutische Rolle der Eltern, Inklusi-on in der Schule und am Arbeitsplatz.

Information: Deutsches Down-Syn-drom InfoCenter.

Symposium „Die Welt entdeckt Snoezelen“

29. September bis 1. Oktober 2005Humboldt-Universität, BerlinInstitut für Rehabilitationswissenschaf-ten, Georgenstraße 36, 10117 Berlin

Wenn Sie sich für das Symposium inter-essieren, fordern Sie bitte das vollstän-dige Programm und das Anmeldefor-mular unter o.a. Adresse an oder infor-mieren Sie sich unter: www2.hu-berlin.de/kbp/veranst.html

Seminar Meine Schwester ist behindert,mein Bruder ist behindert

Ein Seminar mit Geschwistern von be-hinderten Kindern.

1. bis 4. August 2005Erlangen, Fortbildungsinstitut der Le-benshilfeLeitung: Carola Stamm-Schmidt undMarlies WinkelheideKosten: 70 Euro mit Verpflegung undÜbernachtung für Teilnehmer aus Bay-ern, sonst 90 Euro.

Informationen und Anmeldung:Frau Kaup, Tel.: 0 91 31 / 7 54 61 47

Hinweis!

Für alle, die gerne

mal einen DS-

Weltkongress er-

leben und das

vielleicht mit einer

Kanadareise kom-

binieren möchten:

Im Sommer 2006

findet der 9.

Weltkongress in

Vancouver statt!

3. Deutsches Down-Sportlerfestival

– eine Aktion der Hexal-Initiative –

In diesem Jahr mit zwei Veranstaltungen:4. Juni 2005 in Frankfurt24. September 2005 in MagdeburgInfo: www.down-info.de

SeminarKinder mit geistiger Behinderung undhyperkinetischen Störungen Ursachen, Erscheinungsformen undtherapeutische Möglichkeiten

9. und 10. November 2005Haus Hammerstein in Hückeswagen Seminarleitung: Monique Randel-Tim-permann, Dipl.-Dolmetscherin, Psycho-loginZielgruppe: Mitarbeiter/-innen in Ein-richtungen der Behindertenhilfe und El-ternEine Veranstaltung des Lebenshilfe Bil-dungswerkes NRW e.V.

Inhalt: Kinder mit geistiger Behinde-rung, zum Beispiel mit Down-Syndrom,gelten häufig als antriebsarm und pas-siv. Umso größer ist unsere Hilflosigkeit,wenn wir es mit einem Kind zu tun ha-ben, das umtriebig ist oder gar aggressi-ves, oppositionelles Verhalten zeigt.

Es ist eine Tatsache, dass Kinder mitgeistiger Behinderung mehr noch alsandere Kinder mit hyperkinetischenStörungsformen dazu angeleitet und un-terstützt werden müssen, ihr Verhaltenzu hemmen und zu steuern, damit sievon der Gemeinschaft akzeptiert werden.

In diesem Seminar sollen sowohlneurophysiologische als auch psychoso-ziale Erkenntnisse zur Entstehung derHyperaktivität besprochen werden. Siesind die Voraussetzung zu einem besse-ren Verständnis und zur Einleitung vontherapeutischen und erzieherischenMaßnahmen. Weiterhin sollen erfolg-versprechende Maßnahmen im Bereichder Verhaltensmodifizierung, der Lern-therapie und des sozialen Kompetenz-trainings diskutiert werden. Anhandvon Fallbesprechungen bzw. von Erfah-rungen, die die Teilnehmer/-innen selbsteinbringen können, sollen in der Grup-pe Lösungsansätze erarbeitet werden.

Informationen und Anmeldung: Frau Ullmann, Tel. 0 22 33 / 9 32 45-20

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INHALT

2Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

AktuellesNachrichten aus dem InfoCenter..........................................................................4Frau Eva Köhler unterstützt Down-Syndrom-Kampagne......................................5

Kongress-BerichtKongress in Mallorca: Down-Syndrom-Spezifizität..............................................6

EDSATreffen von EDSA und DSI ..................................................................................8Erster Welt-Down-Syndrom-Tag ..........................................................................9

GenetikDer Einfluss pränataler Diagnostik und selektiven Fetozids auf die Inzidenz von Menschen mit angeborener Behinderung ........................10

MedizinHaarausfall und Zöliakie bei Menschen mit Down-Syndrom..............................18Down-Syndrom und Krebs ................................................................................20Bessere Heilungschancen bei Leukämie ............................................................20Lebenserwartung und Todesursachen bei Down-Syndrom ................................20Zöliakie und Psychose ........................................................................................21

PsychologieDas Entstehen eines Syndrom-spezifischen Persönlichkeitsprofils bei kleinen Kindern mit Down-Syndrom ............................................................22Sind Menschen mit Down-Syndrom intelligent?................................................26Bindungssicherheit ............................................................................................28

PublikationenFilm: Liebe Dich .................................................................................................29

FörderungSprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom – ein Leben lang................30Spracherwerb und Gebärden – Erfahrungen mit GuK ......................................33Liste mit alphabetisch geordneten Abbildungen der GuK-Gebärden ..................37Sprechapraxie bei Kindern und Erwachsenen mit Down-Syndrom ..................38Rechnen lernen mit links und rechts ..................................................................42

Titelbild: Moritz Diehl (13)

Foto Rückseite: Flyer mit Empfehlungen

zur Diagnosevermittlung

Am Tag nach dem Kongress

in Mallorca blieb gerade

noch Zeit, das Asnimo-

Zentrum mit der Gärtnerei

Sempre Verd zu besuchen –

eines der ersten Projekte in

Spanien, bei dem man

erwachsenen Menschen mit

Down-Syndrom die Möglich-

keit eines Arbeitsplatzes bot.

Insgesamt arbeiten dort zur-

zeit zwölf Personen mit

Down-Syndrom. Nach einer

gewissen Lehrzeit wechseln

einige in reguläre Betriebe,

für andere ist dies ein Dauer-

arbeitsplatz. Asnimo bietet

auf dem Gelände auch eine

Anzahl Einzelwohnungen an.

I N H A L T

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 3

ErwachseneErziehung zur sozialen Selbstständigkeit............................................................44Literatur zum Thema..........................................................................................47Studenten mit Down-Syndrom an amerikanischen Colleges ..............................48Pablo Peneda studierte in Malaga ......................................................................50

VerschiedenesJazzband „Together“ aus Österreich ..................................................................51

WohnenKaren zieht in eine eigene Wohnung ..................................................................52Supported Living – Unterstütztes Wohnen..........................................................53

RechtDas Behindertentestament..................................................................................54Ratgeber: Finanzielle Hilfen für Familien mit behinderten Kindern ..................57

ErfahrungsberichteImmer weiter mit kleinen Schritten ....................................................................58Siehste, klappt doch! ..........................................................................................60„Et hätt noch immer jot gegangen“ ....................................................................61 Jonatan liest und ist ein GuK-Fan!......................................................................62Marie liebt Tiere ................................................................................................63Zwei Freundinnen ..............................................................................................63Maike lernt sprechen mit GuK ............................................................................64

PublikationenTrilogie der Einsamkeit ....................................................................................66Sexualität: Ein Ratgeber für Eltern von Kindern mit Handicap. ..........................68Lisanne, ein Roadmovie......................................................................................68

VeranstaltungenSymposien, Seminare, Kongresse ......................................................................69

Bestellungen / Vorschau / Impressum ............................................................71

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200571

Folgende Informationsmaterialien sind beim DeutschenDown-Syndrom InfoCenter erhältlich:

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Broschüre „Down-Syndrom. Was bedeutet das?“7,--

Neue Perspektiven für Menschen mit Down-Syndrom20,--

Videofilm „So wie Du bist“, 35 Min.20,--

Albin Jonathan – unser Bruder mit Down-Syndrom 17,--

Medizinische Aspekte bei Down-Syndrom5,--

Das Baby mit Down-Syndrom5,--

Das Kind mit Down-Syndrom im Regelkindergarten3,--

Das Kind mit Down-Syndrom in der Regelschule5,--

Total normal! – es ist normal, verschieden zu sein5,--

Herzfehler bei Kindern mit Down-Syndrom5,--

Das Stillen eines Babys mit Down-Syndrom3,50

Sonderheft „Diagnose Down-Syndrom, was nun?“12,--

Erstinformationsmappe28,--

GuK – Gebärdenkartensammlung (incl. Porto)46,--

GuK 2 – Gebärdenkartensammlung (incl. Porto)50,--

Kleine Schritte Frühförderprogramm (incl. Porto)59,--

Poster „Down-Syndrom hat viele Gesichter“ A32,--

10 Postkarten „Glück gehabt“ 5,--

10 Postkarten „Tumur und Stephan“ 5,--

Posterserie „Down-Syndrom – Na und?“ Format A1, A2, A312,-- 7,-- 5,--

Down-Syndrom, Fragen und Antworten pro 10 Stück0,50

Zeitschrift Leben mit Down-Syndrom, ältere Ausgaben5,--

+ Porto nach Gewicht und Bestimmungsland

Bestellungen bitte schriftlich an:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterHammerhöhe 391207 Lauf / PegnitzTel. 0 91 23 / 98 21 21Fax 0 91 23 / 98 21 22

Sie können noch eine Reihe weiterer Informationsmaterialien und Fach-bücher beim Deutschen Down-Syndrom InfoCenter bestellen. Bitte fordernSie unsere Bestellliste an.

Wer Artikel zu wichtigen und interessanten Themen beitragen kann, wird von der

Redaktion dazu ermutigt, diese einzuschicken.

Garantie zur Veröffentlichung kann nicht gegeben werden. Einsendeschluss für die

nächsten Ausgaben von Leben mit Down-Syndrom: 30. Juni 2005, 30. Oktober 2005.

Impressum

Herausgeber:Selbsthilfegruppe für Menschen mit Down-Syndrom und ihre Freunde e.V.Erlangen

Redaktion:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterHammerhöhe 391207 Lauf / PegnitzTel.: 0 91 23 / 98 21 21Fax: 0 91 23 / 98 21 22E-Mail: [email protected]

Wissenschaftlicher Redaktionsrat:Ines Boban, Dr. Wolfgang Storm, Prof. Etta Wilken

Repros und Druck:Fahner Druck GmbHNürnberger Straße 1991207 Lauf an der Pegnitz

Erscheinungsweise:Dreimal jährlich, zum 30. Januar, 30. Mai und 30. SeptemberDie Zeitschrift ist gegen eine Spende beider Selbsthilfegruppe erhältlich.

Bestelladresse:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterTel.: 0 91 23 / 98 21 21 Fax: 0 91 23 / 98 21 22

Die Beiträge sind urheberrechtlich ge-schützt. Alle Rechte vorbehalten. Nach-druck oder Übernahme von Texten für Internetseiten nur nach Einholung schrift-licher Genehmigung der Redaktion. Mei-nungen, die in Artikeln und Zuschriftengeäußert werden, stimmen nicht immermit der Meinung der Redaktion überein.

Die Redaktion behält sich vor, Leser-briefe gekürzt zu veröffentlichen undManuskripte redaktionell zu bearbeiten.

ISSN 1430 - 0427

VorschauFür die nächste Ausgabe (September 2005) von Leben mit Down-Syndromsind geplant:

… Neuropsychologische Aspekte und praktisches Lernen

… Psychotherapeutische Gruppenarbeit

… Sauberkeitserziehung

… „Job-coaching“ – Wie funktioniert das?

V E R A N S T A L T U N G E N

70 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Internationale DS-Kongresse

Portsmouth, UK4th. International Conference on Developmental Issues in Down Syn-drome

Early intervention and school educationfor children with Down Syndrome

15. bis 18. September 2005University of Portsmouth, UKZielgruppe: Wissenschaftler, Lehrer,Therapeuten, Eltern, alle, die im Früh-förderbereich arbeiten, alle, die schuli-sche Integration fördern, etc.Referenten sind u.a. Robin Chapman.Robert Hodapp, Charles Hulme, JohnClibbens, Monica Cuskelly, Sue Buckley

Information: www.downsed.orgE-Mail: [email protected]

International Conference on Therapies and Rehabilitations – Stateof the Art and Future Perspectives

27. bis 29. Oktober 2005San Marino, Italien

Diese Konferenz wird organisiert durchEDSA. Themen sind u.a. genetische,medizinische, biochemische Therapien,therapeutische Rolle der Eltern, Inklusi-on in der Schule und am Arbeitsplatz.

Information: Deutsches Down-Syn-drom InfoCenter.

Symposium „Die Welt entdeckt Snoezelen“

29. September bis 1. Oktober 2005Humboldt-Universität, BerlinInstitut für Rehabilitationswissenschaf-ten, Georgenstraße 36, 10117 Berlin

Wenn Sie sich für das Symposium inter-essieren, fordern Sie bitte das vollstän-dige Programm und das Anmeldefor-mular unter o.a. Adresse an oder infor-mieren Sie sich unter: www2.hu-berlin.de/kbp/veranst.html

Seminar Meine Schwester ist behindert,mein Bruder ist behindert

Ein Seminar mit Geschwistern von be-hinderten Kindern.

1. bis 4. August 2005Erlangen, Fortbildungsinstitut der Le-benshilfeLeitung: Carola Stamm-Schmidt undMarlies WinkelheideKosten: 70 Euro mit Verpflegung undÜbernachtung für Teilnehmer aus Bay-ern, sonst 90 Euro.

Informationen und Anmeldung:Frau Kaup, Tel.: 0 91 31 / 7 54 61 47

Hinweis!

Für alle, die gerne

mal einen DS-

Weltkongress er-

leben und das

vielleicht mit einer

Kanadareise kom-

binieren möchten:

Im Sommer 2006

findet der 9.

Weltkongress in

Vancouver statt!

3. Deutsches Down-Sportlerfestival

– eine Aktion der Hexal-Initiative –

In diesem Jahr mit zwei Veranstaltungen:4. Juni 2005 in Frankfurt24. September 2005 in MagdeburgInfo: www.down-info.de

SeminarKinder mit geistiger Behinderung undhyperkinetischen Störungen Ursachen, Erscheinungsformen undtherapeutische Möglichkeiten

9. und 10. November 2005Haus Hammerstein in Hückeswagen Seminarleitung: Monique Randel-Tim-permann, Dipl.-Dolmetscherin, Psycho-loginZielgruppe: Mitarbeiter/-innen in Ein-richtungen der Behindertenhilfe und El-ternEine Veranstaltung des Lebenshilfe Bil-dungswerkes NRW e.V.

Inhalt: Kinder mit geistiger Behinde-rung, zum Beispiel mit Down-Syndrom,gelten häufig als antriebsarm und pas-siv. Umso größer ist unsere Hilflosigkeit,wenn wir es mit einem Kind zu tun ha-ben, das umtriebig ist oder gar aggressi-ves, oppositionelles Verhalten zeigt.

Es ist eine Tatsache, dass Kinder mitgeistiger Behinderung mehr noch alsandere Kinder mit hyperkinetischenStörungsformen dazu angeleitet und un-terstützt werden müssen, ihr Verhaltenzu hemmen und zu steuern, damit sievon der Gemeinschaft akzeptiert werden.

In diesem Seminar sollen sowohlneurophysiologische als auch psychoso-ziale Erkenntnisse zur Entstehung derHyperaktivität besprochen werden. Siesind die Voraussetzung zu einem besse-ren Verständnis und zur Einleitung vontherapeutischen und erzieherischenMaßnahmen. Weiterhin sollen erfolg-versprechende Maßnahmen im Bereichder Verhaltensmodifizierung, der Lern-therapie und des sozialen Kompetenz-trainings diskutiert werden. Anhandvon Fallbesprechungen bzw. von Erfah-rungen, die die Teilnehmer/-innen selbsteinbringen können, sollen in der Grup-pe Lösungsansätze erarbeitet werden.

Informationen und Anmeldung: Frau Ullmann, Tel. 0 22 33 / 9 32 45-20

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A K T U E L L E S

4 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Nachrichten aus demDeutschen Down-SyndromInfoCenter

d e u t s c h e s

i n f o c e n t e rdown-syndrom

GuK-Gebärden-Alphabet

Um eine schnelle Orientierung zu er-möglichen und das Erinnern zu er-

leichtern, haben wir eine alphabetischeOrdnung der Gebärdenbilder zusam-mengestellt. Die achtseitige Übersichts-liste in DIN-A4-Format zeigt alle hun-dert Gebärden auf kleinen Schwarz-weiß-Bildern. Es gibt jeweils eine Listefür GuK1 und für GuK2.

Auf Seite 37 können Sie nachlesen,wie man diese kleinen Abbildungen ein-setzen kann. Frau Prof. Etta Wilken be-schreibt dort die verschiedenen Ver-wendungsmöglichkeiten.

GuK-Gebärden-Übersicht nur fürGuK-Besteller!

Achtung: Diese Listen liegen seit Märzden Packungen von GuK1 und GuK2 bei.Die Preise wurden deshalb, aber auchweil Papier- und Druckkosten gestiegensind, leicht erhöht. GuK1 kostet nun 46Euro, GuK2 50 Euro.

Wenn Sie vor diesem Datum GuK be-stellt haben, können Sie nachträglich ei-ne solche Liste bestellen. Die Listen wer-den aber nur an GuK-Käufer abgege-ben, weil sie eine Ergänzung zur GuKdarstellen. Sie sind nicht als Ersatz fürdie Sammlung mit den großen Gebär-denkarten gedacht!

Die Übersicht kostet jeweils 5 Euro(inkl. Versandkosten).

Bestellbroschüre 2005/2006

Dieser Ausgabe der Zeitschrift liegtwieder unser aktuelles Lieferpro-

gramm bei. Dort finden Sie eine Über-sicht aller Publikationen des DeutschenDown-Syndrom InfoCenters und eineReihe Fachbücher aus anderen Verla-gen, die Sie bei uns bestellen können.

Auch in diesem Jahr konnten wir un-ser Angebot wieder um einige Titel er-weitern. Zwei unserer Broschüren – dieBaby- und die Herzbroschüre – sindüberarbeitet und erweitert und mit neu-en Bildern versehen worden. Ein Infor-mationsflyer für Ärzte zum Thema„Diagnosevermittlung“ ist neu hinzuge-kommen.

Weiter konnten wir das wichtige,

neue Fachbuch „Menschen mit Down-Syndrom in Familie, Schule und Gesell-schaft“ von Etta Wilken (vorgestellt inLeben mit Down-Syndrom, Nr. 47) in un-ser Angebot aufnehmen. Die beidenneuen Bücher aus dem G&S-Verlag„Wickel und andere Hausmittel“ und„Sexualität“ können Sie selbstverständ-lich auch bei uns bestellen.

Falls Sie mehr Exemplare des Lie-ferprogramms benötigen, z.B. für ande-re Eltern, Infotische, zum Auslegen inPraxen, Kliniken oder Schulen, schickenwir Ihnen gern kostenlos weitere Bro-schüren zu.

Das Mädchen auf dem Titelbild istdie dreijährige Eileen Hoyer.

Diagnose-Flyer

Aktion des DS-InfoCenters: Flyerüber das Diagnosegespräch verteiltMit der Januar-Ausgabe haben wir Ih-nen unseren neuen Flyer zugeschickt.

Inzwischen haben wir diesen Flyermit weiteren Informationen zum Down-Syndrom an über 1000 Geburtsklinikenund alle Hebammenschulen geschickt.Darauf kam schon viel positive Reso-nanz. Noch effektiver ist es, wenn Sievor Ort den Flyer verteilen, denn Siewissen genau, wo diese Informationnotwendig ist!

Sie können

den Flyer im

InfoCenter

bestellen.

Zehnerpack

für 5 Euro.

EDITORIAL

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 20051

Liebe Leserinnen, liebe Leser,seit vielen Jahren besuche ich internationaleDown-Syndrom-Kongresse, um mich über dieneuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zuinformieren. Die Veranstaltungen bieten miraußerdem die Möglichkeit, persönliche Kon-takte zu Wissenschaftlern, Fachleuten undEltern aus aller Welt zu knüpfen. So habe ich

über die Jahre viele Menschen kennen gelernt, deren Kenntnisseund Erfahrungen mir bei meiner Arbeit im InfoCenter hilfreichwaren und sind und wovon Sie als Leser von Leben mit Down-Syndromebenfalls profitieren, stammen doch viele Berichte undGeschichten in der Zeitschrift von diesen Down-Syndrom-Spezialisten.

Beim letzten Symposium in Palma de Mallorca wurde ich zur Vize-präsidentin der Europäischen Down-Syndrom Association (EDSA)gewählt. Damit ist nun dieses „Networking“ auf internationalerEbene auch offiziell zu einer meiner Aufgaben geworden, auf dieich mich sehr freue.Unsere Poster-Kampagne für die Deutschen Down-Syndrom-Wochen im Oktober verlangt sehr viel mehr Energie, Zeit und Geld,als ursprünglich gedacht. Wir im InfoCenter fragen uns schon mal,ob sich dieser enorme Aufwand lohnt. Jetzt ist die Planung aberabgeschlossen und obwohl uns die Finanzierung noch etwas Kopf-zerbrechen bereitet, wird an der Umsetzung gearbeitet und nimmtdas Projekt allmählich Gestalt an. Den aktuellen Stand entnehmenSie bitte dem Infoblatt, das dieser Zeitschrift beiliegt.Es ist uns eine große Ehre, dass Frau Eva Köhler unser Anliegenfür mehr Toleranz und für die Integration von Menschen mit Down-Syndrom unterstützt. Dadurch wird unsere Arbeit aufgewertetund bekommt sicherlich mehr Aufmerksamkeit in den Medien undin der Öffentlichkeit.Eines der Hauptthemen in dieser Ausgabe ist die Sprachförderung,wobei die Sprechapraxie bei Menschen mit Down-Syndrom in derdeutschen Literatur noch nie so ausführlich behandelt wurde. In-teressant sind die Beiträge von Deborah Fidler über das Entstehendes Persönlichkeitsprofils und von Wolfgang Storm zur Intelligenz.Der nachdenklich stimmende Artikel von Wolfgang Lenhard gehtder Frage nach, ob Menschen mit Down-Syndrom aussterben.

Herzlich Ihre

V E R A N S T A L T U N G E N

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 69

Fachtagung 2005 „Perspektiven fürMenschen mit Down-Syndrom“

Die größte Veranstaltung in Deutschland rund um dasDown-Syndrom findet dieses Jahr in Augsburg statt.Wer bei den vorigen Fachtagungen in Bochum und Potsdam dabei war, weiß, dass man dieses Ereignisnicht verpassen sollte.

Termin

Freitag, 7. Oktober bis Sonntag, 9. Ok-tober 2005

Veranstaltungsort

Universität Augsburg, HörsaalzentrumUniversitätsstraße 10, 86159 Augsburg

Veranstalter/Organisation

Down-Syndrom Netzwerk Deutschlande.V und die Universität Augsburg

AnmeIdebüro

Down-Syndrom Netzwerk Deutschland Fachtagung Augsburg Postfach 31 31 97041 Würzburg Tel. und Fax: 0721 / 151 20 50 77 E-Mail:[email protected] http://www.Tagung.Down-Syndrom-Netzwerk.de

Teilnahmebeiträge

Bei Anmeldung bis 15. Juli 2005:Erwachsene: 90 EuroMenschen mit Down-Syndrom: 40 EuroKinder-/Jugendprogramm mit Betreu-ung: 40 Euro

Ab 15. Juli 2005 bis Anmeldeschluss am31. August 2005: Erwachsene: 110 EuroMenschen mit Down-Syndrom: 60 Euro Der Teilnahmebeitrag schließt auch dieVerpflegung gemäß Tagungsablauf amFreitag und Samstag ein.

Fachvorträge

Menschen mit Down-Syndrom berichtenüber ihr Leben, ihre Berufswünsche undihre Interessen, mit u.a.:Michaela König, Andrea Halder, Jisch-kah Griesbach, Jenny Lau,Verena Turin,Dennis Lawrenz, Kim Wilke, Orly Bader

Vorträge von Fachleuten

Dr. Mathias Gelb: Ernährungs-SurveyDown-Syndrom

Cora Halder: Erwartungen haben, Mög-lichkeiten sehen, Ressourcen aufbauen

Prof. Dr. Wolfram Henn: Der Mythosvon den guten Genen oder: Brauchenwir ein neues Menschenbild?

Detchema Limbrock: Das PörnbacherKonzept – ein ganzheitliches Förder-konzept

Dr. Christel Manske: Der systemati-sche Aufbau funktioneller Hirnsystemeam Beispiel Lesen, Schreiben, Rechnen

Prof. Dr. Hellgard Rauh: Entwicklungkognitive/motorische Kompetenzen beiVorschulkindern mit Down-Syndrom

Christiane Schuler: Was haben Inte-gration und Christoph Kolumbus mit-einander zu tun? Prof. Dr. Sabine Stengel Rutkowski: Mut

zum Paradigmenwechsel: Erwartungnormaler geistiger Entwicklungsverläu-fe, Mut zur Trauer, Abschied vomWunschkind

Dr. Wolfgang Storm: Verhaltensauffäl-ligkeiten und psychiatrische Problemebei Jugendlichen und Erwachsenen mitDown-Syndrom

Prof. Dr. Etta Wilken: Die Förderungvon Spracherwerb und sprachlichenKompetenzen bei Klein- und Vorschul-kindern

Prof. Dr. Udo Wilken: Unser Kind wirderwachsen – Perspektiven nachschuli-scher Lebensgestaltung in Beruf, Wohn-stätte und Partnerschaft

Marlies Winkelheide: Ich melde michzu Wort – Geschwister von Menschenmit Down-Syndrom

Dr. Melanie Voigt: Entwicklungsorien-tierte Musiktherapie

Seminare und Workshops

Parallel zu den Fachvorträgen werdenSeminare und Workshops angeboten.Die Teilnehmerzahl hier ist begrenzt.Themen: Menschen mit Down-Syndrom im Ge-spräch Geschwister von Kindern mit Down-Syndrom Let’s talk about sex – Partnerschaft undSexualität Wohnen – Vorstellung unterschiedlicherWohnformen Arbeiten – Vorstellung unterschiedlicherBeschäftigungs- und Qualifizierungsfor-men Eltern-Kind-Beziehung. Frühe entwick-lungspädagogische Begleitung Lesen lernen bei Kindern mit Down-Syndrom Integration in Kindergarten und SchuleErgotherapie Musiktherapie Logopädie, Castillo Morales Sprachentwicklungstherapie nach Pa-dovan Neuroentwicklungsphysiologischer Auf-bau nach Pörnbacher Probleme mit dem Gehör Die Lekotek-Methode – spielend fürs Le-ben lernen Homöopathie und medizinische Aspekte TNI-Basis-Ernährung für Menschen mitDown-Syndrom PsychotherapieÄlter werden mit Down-Syndrom, Seniorenkonzepte Pflegeversicherung, Eingliederungshilfe Sozialgesetzbuch IX – Integration undTeilhabe Rechte schwerbehinderter Menschen

Referentinnen und Referenten: ClaudiaColloredo-Mannsfeld, Dr. Katja de Bra-ganca, Gernot Griesbach, Inge Henrich,Ludvika Herder, Evelyn Küpper, Gundu-la Meyer-Eppler, Dr. Martin Menzel, Re-gina Neuhäusel, Heidi Walter und vieleandere.

Aktuelle Informationen zur Fach-tagung finden Sie im Internet unter:www.Tagung.Down-Syndrom-Netz-werk.de.Von dieser Homepage können Pro-spekte und Anmeldeformulare her-untergeladen werden.

AKTUELLES

72Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Ja,ich möchte Ihre Arbeit mit einer Spende von .......... Euro unterstützen:

Name (Blockschrift) ……………………………………………………………………………………………….....................…………Unser Kind mit DS ist am ...............………...........…….. geboren und heißt ……………………………..…….........……….Straße ………………………………………………………………………………………………………………............................... PLZ/Ort/(Staat) ………………………………………………………………… Tel./Fax ……………………............….................

‘ Bei einer Spende ab Euro 25,– erhalten Sie regelmäßig unsere Zeitschrift

InlandIch bin damit einverstanden, dass meine Spende jährlich von meinem Konto abgebucht wird.

(Diese Abbuchungsermächtigung können Sie jederzeit schriftlich widerrufen.)

Konto Nr. ……………………………………………….. BLZ ……………………………………..............………...........Bankverbindung ………………………………………………Konto-Inhaber ………………………………............................

Meine Spende überweise ich jährlich selbst: Konto der Selbsthilfegruppe Nr. 50-006 425, BLZ 763 500 00

bei der Sparkasse Erlangen. Unter Verwendungszweck „Spende” Ihren Namen und Ihre Anschrift eintragen.

Ausland (Spende ab Euro 30,–)Postanweisung oder Überweisung auf das Konto der Selbsthilfegruppe Nr. 50-006 425, BLZ 763 500 00

bei der Sparkasse Erlangen. Unter Verwendungszweck „Spende” Ihren Namen und Ihre Anschrift eintragen

Datum ……………………………… Unterschrift ……………………………………………………..................................…....

Ihre Spende ist selbstverständlich abzugsfähig. Die Selbsthilfegruppe ist als steuerbefreite Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschafts-

steuergesetzes beim FA Nürnberg anerkannt. Bei Spenden über Euro 50,– erhalten Sie automatisch eine Spendenbescheinigung.

Bitte ausgefülltes Formular auch bei Überweisung/Scheck unbedingt zurückschicken an: Deutsches Down-Syndrom InfoCenter, Hammerhöhe 3, 91207 Lauf (Tel. 09123/98 21 21, Fax 09123/98 21 22)

Dreimal jährlich erscheint die Zeitschrift Leben mit Down-Syndrom,in der auf ca. 70 Seiten Informationen über das Down-Syndromweitergegeben werden.

Die Themen umfassen Förderungsmöglichkeiten, Sprachentwick-lung, medizinische Probleme, Integration, Ethik u.a. Wir geben die neuesten Erkenntnisse aus der Down-Syndrom-Forschung aus dem In- und Ausland wieder. Außerdem werden neue Büchervorgestellt, gute Spielsachen oder Kinderbücher besprochen sowie über Kongresse und Tagungen informiert. Vervollständigt wirddiese informative Zeitschrift durch Erfahrungsberichte von Eltern.

Ihre Spende ist selbstverständlich abzugsfähig. Die Selbsthilfe-gruppe ist als steuerbefreite Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes beim FA Nürnberg anerkannt.

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DS-KONGRESS

8Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

das Baby aufzugeben. Wenn diese El-tern sehen, wie das Kind vom DSU un-terstützt wird, wie es Fortschrittemacht, dass es durchaus lernfähig ist,werden manche Kinder nach einigerZeit doch zu Hause aufgenommen. Diesist die Intention des Projektes.

Persönlichkeit und Verhalten beiMenschen mitDown-Syndrom

Ben Sacks, Professor der Psychiatrieund Berater der Educational Trust inPortsmouth, sprach über das Verhaltenvon Menschen mit Down-Syndrom. Ergab eine Übersicht über die Charakteris-tika in der Persönlichkeit und das Auf-treten schwieriger Verhaltensweisen.Seiner Meinung nach haben die meistenKinder und Erwachsenen mit Down-Syndrom gute soziale Fähigkeiten undein gutes Einfühlungsvermögen. Sie sindin der Regel dazu fähig zu lernen, sich sozu benehmen, wie das zu Hause, in derSchule und bei der Arbeit von ihnen er-wartet wird. Sie können jedoch das guteEinfühlungsvermögen auch missbrau-chen und mit herausforderndem Ver-halten ihr Umfeld ärgern und kontrol-lieren. Untersuchungen zeigen, dass dasAuftreten solcher schwierigen Verhal-tensweisen abnimmt, wenn die Personälter wird. Bei Kindern stellt man häufgfest, dass problematisches Verhaltendurchaus ihrem Entwicklungsalter(nicht dem chronologischen Alter) ent-spricht. Allerdings wird in der Integra-tion ein mehr altersgemäßes Verhaltenerwartet.

Ungefähr zwölf bis 14 Prozent derPersonen mit Down-Syndrom zeigendauernd herausforderndes Verhalten –dies kann in Verbindung stehen mit au-tistischen Zügen oder ADHS oder einerernsthaften kognitiven Einschränkung.Der Umgang mit diesen Menschen kannsehr anstrengend sein und Eltern sowieLehrer brauchen dabei Unterstützungund Strategien für den Alltag.

Wie kann man diese Verhaltenswei-se verändern und wie kann man prä-ventiv etwas tun? Soziale Entwicklungund das Sozialverhalten müssen in derFrühförderung Priorität haben. Elternkönnen dafür sorgen, eine tägliche Rou-tine zu etablieren, damit der Tag für dasKind vorhersagbar wird und so sichererund weniger bedrohlich. Eltern solltenauch ermutigt werden, altersgerechteErwartungen zu haben und währendder ersten Jahre klare Grenzen zu set-

zen. Es wäre eine Hilfe, wenn Eltern so-wie Fachleute die Prinzipien der Ver-haltensmodifikation kennen und dieseanwenden können.

Mathematik und Numicon

Professor Sue Buckley von der Educa-tional Trust in Portsmouth hielt einenVortrag zum Thema Mathematik undstellte das Numicon-Material, das inEngland und Irland nun sehr viel vonKindern mit Down-Syndrom benutztwird, vor.

Schlafstörungen

Ein interessanter Vortrag kam von derFranzösin Jacqueline London, Präsi-dentin der AFRT (Association Francaisepour la Recherche sur la Trisomie 21),über Schlafprobleme.

Dabei ging es nicht so sehr um Un-regelmäßigkeiten in der Schlafstruktur,die durch eine obstruktive Schlafapnoeverursacht werden, sondern um solche,die eine andere Ursache haben. FrauLondon und ihr Team stellten u.a. fest,dass Menschen mit Down-Syndrom

häufiger aufwachen, weniger REM-Schlafepisoden haben, sich häufig während der REM-Phase

bewegen (normalerweise sind die Kör-perbewegungen während dieser Phaseverringert),

Auffälligkeiten bei der Gehirnstrom-Messung (EEG) im Schlaf zeigten.

Eine ganze Reihe Veränderungen,die speziell die REM-Phase betrifft. Dasist die Schlafphase, in der das GehirnGelerntes verarbeitet, Lernerfahrungenins Langzeitgedächtnis überträgt und inder sich der Mensch von psychischemStress erholt. Diese Art der Störungen inder Schlafarchitektur kann u.a. zu Mü-digkeit und Unkonzentriertheit führenund kognitive Leistungen negativ beein-flussen.

Um ein besseres Verständnis für die-se Abweichungen zu bekommen, wirdmit Mausmodellen gearbeitet, wie dasauch in vielen anderen Bereichen derForschung üblich ist.

Schlusswort

Insgesamt war dies ein hervorragenderKongress. Schade, dass außer den ED-SA-Vertretern keine Teilnehmer ausDeutschland da waren, um sich fortzu-bilden und sich inspirieren zu lassen.

Treffen von EDSAund DSI

Dieses Symposium bot gleichzeitigdie Gelegenheit zu einem Treffen

der beiden internationalen Down-Syn-drom-Gremien. So trafen sich hier so-wohl die Mitglieder von EDSA (Europäi-sche Down-Syndrom Association) wiedie von DSI (Down-Syndrom Internatio-nal) zu ihrer jeweiligen Jahresver-sammlung.

EDSA hat mittlerweile 37 Mitglieder.Neu aufgenommen wurden in PalmaDown-Syndrom-Vereine aus Dänemark,Schweden, Kroatien und der VereinAFRT, eine Elternorganisation ausFrankreich, die sich hauptsächlich fürForschungsprojekte einsetzt.

Es ist erfreulich, dass immer mehrDown-Syndrom-Vereine aus den ost-europäischen Ländern sich formierenund den Weg zu EDSA finden.

In der Mitgliederversammlung muss-te über die völlig überarbeitete Satzungabgestimmt werden. Außerdem standenVorstandswahlen an. Professor Juan Pe-rera stand nach fünf Jahren nicht mehrals Vorsitzender zur Verfügung, auchsollte der Vorstand von drei auf fünf Per-sonen erweitert werden.

Prof. Alberto Rasore Quartino, Kin-derarzt aus Genua, wurde zum neuenPräsidenten gewählt. Cedric Depuydt(Belgien) und Cora Halder (Deutschland)bekamen das Amt des Vizepräsidenten,Cees Zuithoff (Niederlande) bleibtSchriftführer und Pat Clarke (Irland)wurde wieder zum Kassenwart gewählt.Außer Prof. Rasore haben alle Vor-standsmitglieder ein Kind mit Down-Syndrom.

Der Vorstand arbeitet eng zusam-men mit dem wissenschaftlichen Beirat,hier sind u.a. Prof. Jean Rondal undProf. Sue Buckley vertreten. In diesenBeirat sollen weitere Wissenschaftleraus ganz Europa aufgenommen wer-den. Regelmäßig sollen in Europa wei-

A K T U E L L E S

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 5

Auftaktveranstaltung zu den Deutschen Down-Syndrom-Wochen unter Schirmherrschaft von Frau Köhler

Bei einer kleinen Feier im Hildeshei-mer Rathaus am 1. März 2005 wur-

de Frau Prof. Etta Wilken mit dem Ver-dienstkreuz am Bande des Verdienstor-dens der Bundesrepublik Deutschlandausgezeichnet. Mit dieser hohen Aus-zeichnung wurde ihr unermüdlichesund mittlerweile über 25 Jahre anhal-tendes ehrenamtliches Wirken für dieAllgemeinheit und besonders im Rah-men der Selbsthilfe für Menschen mitDown-Syndrom gewürdigt.

Schon 2002 hat das Deutsche Down-Syndrom InfoCenter Frau Wilken offizi-ell für die Verleihung des Bundesver-dienstordens vorgeschlagen. Zwei Jahrewaren seit unserem ersten Schreibenvergangen, als im Januar 2005 die

Bundesverdienstkreuz für Frau Prof. Etta WilkenNachricht eintraf, dass Herr Bundes-präsident Horst Köhler unserem Antragentsprochen hat.

Unseres Erachtens hat sich FrauProf. Etta Wilken für Menschen mit Be-hinderungen in einem Maße verdientgemacht, die mit dem Bundesverdienst-kreuz zu würdigen wäre. Dies schließt,so lautete unsere Begründung, nicht nurdie Vermittlung ihrer wissenschaftli-chen Arbeit für die Erziehungspraxisder Eltern und die Entwicklung ihrer be-hinderten Kinder ein, sondern auch ihrseit Jahrzehnten nachhaltiges und er-folgreiches ehrenamtliches Engagementin der Beratung von Eltern, behindertenMenschen und Verbänden.

Die Aussage „Berlin ist eine Reise wert“

hat für Andrea Halder eine ganz spezielle

Bedeutung bekommen. Sie war nach Berlin

eingeladen, um sich zusammen mit Frau

Eva Köhler fotografieren zu lassen.

Frau Köhler unterhielt sich angeregt mit

Andrea, die über ihre Arbeit und ihre Hob-

bys erzählte. Auch entdeckten sie Gemein-

samkeiten, sowohl Frau Köhler wie Andrea

gehen gern in die Oper!

Frau Köhler informierte sich über das

Leben mit Down-Syndrom und Andrea, als

„Spezialistin“, konnte dazu einiges sagen!

Die Deutschen Down-Syndrom-Wo-chen – eine 1996 vom Deutschen

Down-Syndrom InfoCenter ins Leben ge-rufene jährlich im Oktober stattfindendeAktion – werden am 23. September2005 mit einer Feier in dem schönenNürnberger Marmorsaal eingeleitet.

Bei dieser festlichen Veranstaltungwerden die Poster der diesjährigen Auf-klärungswochen offiziell der Öffentlich-keit vorgestellt. Die Auftaktveranstal-tung bietet außerdem den richtigenRahmen für die Verleihung der beiden

Preise, den „Moritz“ und „Das GoldeneChromosom“.

Wir sind stolz und glücklich darü-ber, dass Frau Eva Luise Köhler, dieFrau des Bundespräsidenten, sich bereiterklärt hat, die Schirmherrschaft überdiese Veranstaltung zu übernehmen.

Zur Vorbereitung dieses Ereignisseswar die 19-jährige Andrea Halder nachBerlin zu einem Fotoshooting mitDeutschlands „First Lady“ eingeladen.Wir freuen uns, dass Frau Köhler sichtrotz ihrer vielen Verpflichtungen Zeit

für dieses Treffen genommen hat. Frau Köhler, die sich für Menschen

mit Behinderungen engagiert und u.a.Schirmfrau von UNICEF und der ACHSEist, möchte auch unser Anliegen – die In-tegration von Menschen mit Down-Syn-drom – unterstützen. Dieses ihr Enga-gement verleiht unserer Arbeit mehrAufmerksamkeit, was sich positiv aufdie Lebenssituation unserer Kinder aus-wirkt.

Für diese Unterstützung sind wirFrau Köhler sehr dankbar.

Foto: Gleice Mere

ERFAHRUNGSBERICHT

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200565

altrigen Jungen traf, der sehr ausgiebiggebärdete. Sie wich fast den gesamtenNachmittag kaum von seiner Seite. Daswar uns Müttern wohl aufgefallen, aberBedeutung habe ich dem erst amAbendbrottisch zugemessen. Maike ge-bärdete spontan und immer wieder„fertig“. Hätte ich die Gebärde nichtselbst am Nachmittag gesehen, hätte ichsie nicht verstanden. So aber konnte ichihrem Willen entsprechen. Maike warbeeindruckt (ich auch), und noch amselben Abend kamen weitere Versuche,etwas mit den Händen auszudrücken,dazu. Sie war von Anfang an sehr krea-tiv im Erfinden von eigenen Gebärdenund hat noch an diesem Abend ihredurchaus logische Gebärde für duschengeprägt. Da war es mir dann egal, ob dieGebärden ihre Sprachentwicklunghemmten, sie konnte sich damit aus-drücken und wir sie verstehen. Inner-halb kürzester Zeit konnte sie so ziem-lich alle Gebärden aus dem GuK1-Pro-gramm und hatte sich noch so manchedazu ausgedacht. Damit wir (all die, dietagtäglich mit ihr Umgang hatten) sieverstehen konnten und die Gebärdennicht vergaßen (Maike konnte sie balddeutlich besser wie wir), hingen die Ge-bärden-Karten über Monate an unserenKüchenoberschränken und eine Mappemit den Karten war in der Kita ein vielgenutztes Bilderbuch. Ein Riesenglückhatten wir mit dem engagierten Team inder Kita, die konsequent mit gebärdethaben.

Von der Gebärde zum gesprochenen Wort

Es dauerte nicht lange und Maike be-gann, Wörter zu finden. Erst vereinzeltund dann zunehmend schneller. Oft hat-te ich den Eindruck, sie erinnert sich andas Wort nur im Zusammenhang mitder Gebärde oder dass ihr die Gebärdedie Sicherheit gab, das Wort richtig an-zuwenden. Wenn sie redete, wollte sieauch richtig verstanden werden, und siewar und ist sehr genau in der Auswahldes richtigen Begriffes. Ich glaube, dieZeit des Nicht-verstanden-Werdens hatsie sehr geprägt und so soll es ihr nichtnoch einmal gehen. Nun kam sie auchmit Außenstehenden besser zurecht,wenn es auch zunächst nur Einwortsät-ze waren, die sie lautierte. Schließlichließ sie die Gebärden einfach weg. DerReihe nach, immer da, wo sie sich ganzsicher war. Mittlerweile benutzt sie

überwiegend Drei- und auch zuneh-mend Mehrwortsätze und gebärdet garnicht mehr. Es fällt aber auf, dass sie im-mer dann, wenn es beim Sprechen an-strengend wird (z.B. in der Logopädie),gerne die Hände zum „Helfen“ mitbe-nutzt.

Und weiter mit dem frühen Lesen!

Ja und dann kam vor nicht allzu langerZeit eine Stunde, in der die Logopädinmit ihr ein Buch anschaute, in dem sichWörter und Bilder abwechselten. DieLogopädin las und Maike sollte die Bil-der benennen. Nach einem Bild folgteder Name Max und Maike benannte dasBild und Max; sie hatte sich das Wort inder Kita abgeschaut, aus einem Bilder-buch, das zu der Zeit vermehrt gelesenwurde. Uns war schnell klar, was nungefragt ist, und mit der Logopädin zu-sammen haben wir mit dem frühen Le-senlernen begonnen. Maike macht dassehr viel Spaß und es gibt deutliche Er-folge. Ich bin sehr gespannt, wie es wei-tergeht, und habe eines sicherlich ge-lernt, sehr genau darauf zu achten, wasin Maikes Entwicklung gerade angesagtist, und mich da ganz auf ihren Rhyth-mus einzulassen. Meine Befürchtungen,die Gebärden könnten Maike in irgend-einer Form am Spracherwerb hindern,haben sich in die Gewissheit gewandelt,dass wir ohne GuK noch lange nicht soweit wären wie jetzt.

Zeitschrift „Leben mit Down-Syndrom“ lebensbejahend und motivierend

Von mir noch ein herzliches Dan-keschön für die immer wieder soinformative, lebensbejahende,motivierende und auch häufig lus-tige Fachzeitschrift „Leben mit Down-Syndrom“. Ich bin froh überdas breite Spektrum, das sie im-mer wieder ansprechen, und ha-be schon viele gute Anregungenerhalten. Auch ist es gut zu sehen,was aus den Kindern alles werdenkann. Daher beeindrucken michauch stets die Berichte von Ju-gendlichen und Erwachsenen.Bitte weiter so.

Gespannt warte ich jetzt aufdie Plakataktion, ganz besondersauf das Plakat mit Ulrike Folkerts,die ich als Schauspielerin sehrschätze. Bei uns im Dorf habenwir mehrere Kinder mit Down-Syndrom und ich kann mir gutvorstellen, dass wir ein oder zweiPlakate aushängen werden. VielErfolg mit der geplanten Aktion.Herzliche Grüße

Jutta GorontzyAm Stopfer 133

48239 HavixbeckTel.: 0 25 07 / 57 17 79

P U B L I K A T I O N E N

68 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Sexualität – Ein Ratgeber für Eltern von Kindern mit Handicap

Autoren: Karin Melberg Schwier undDave HingsburgerVerlag: G&S Verlag, Edition 21 ISBN 3-925698-23-XPreis: 25,00 Euro ca. 200 Seiten, broschiert

Ein wichtiges Buch zu einem wichtigenThema! Offen und ehrlich, manchmalschonungslos – immer hilfreich. KarinMelberg Schwier und Dave Hingsburger nehmen „kein Blatt vor den Mund“, auchwenn es darum geht, problematischeThemen wie zum Beispiel Schwanger-schaften, AIDS oder Missbrauch anzu-sprechen.

Viele Fallbeispiele und eindringlicheZitate von Eltern und selber betroffenenjungen Frauen und Männern machendieses Buch, neben seinem praktischen Nutzen, auch zu einer ausgesprochenlesenswerten Lektüre, die weit über dashinausgeht, was „trockene Fachbücher“gemeinhin bieten können.

Dabei steht die Fachkompetenz derAutoren außer Frage. Beide arbeitenseit vielen Jahren erfolgreich und ein-fühlsam mit Behinderten. Bei den vonihnen vorgeschlagenen Strategien undHilfen steht stets der praktische Nutzenfür den Leser im Vordergrund.

Über das ganze Buch verteilt findensich eingestreut viele Zitate von Eltern,die dank ihrer Authentizität allen Le-sern zeigen: Du bist nicht alleine mit dei-nen Problemen! Und: Es gibt Wege undLösungen! Jedes Kapitel wird zudemmit Fragen und Antworten aus der Pra-xis der Autoren beendet.

Wichtige Neuerscheinung in der ReiheEdition 21 aus dem G&S Verlag

Buchthemen

Selbstvertrauen und Selbstver-ständnis: Die Grundlagen einer ge-sunden Sexualität

Was man wann beibringen sollSexualität und sexuelle Funktio-

nen – Fakten Stärke und Selbstbewusstsein auf-

bauenWerte etablierenUnterstützung für Eltern: Finden

Sie Verbündete!Grenzen setzen: Die Balance zwi-

schen Risiko und Weiterentwick-lung

Schamgefühl: Öffentlichkeit undPrivatsphäre

Risikominimierung und Selbstbe-hauptung

Wie sagt man Nein?Träume und ErwartungenÄußere Erscheinung und Be-

grüßungenGespräche über die BehinderungGrenzen einer BeziehungGesunde PsycheMedizinische VorsorgeMenstruationGesund bleibenGruppenzwangHomosexualitätSexualerziehungSex kann auch krank machenMissbrauch und AusbeutungDie erste Versuchung: Risiken

leugnenDie zweite Versuchung: Beziehun-

gen unterbindenDie dritte Versuchung: Rechte ver-

weigernSexualerziehung und PrivatsphäreJemand zum RedenSelbstbewusstseinSelbstbestimmung Heirat und BeziehungEs gibt zwei GesellschaftenSchwangerschaft und Elternschaft

– FaktenVerhütung

Lisanne, ein RoadmovieDer Film „Lisanne“ handelt von einem15-jährigen Mädchen, das sich nichtssehnlicher wünscht, als nach Dänemarkans Meer zu fahren. Sie hat das Down-Syndrom und ihr älterer Bruder Marlonhat versprochen, ihr diesen Wunsch zuerfüllen.

Es ist ein Roadmovie um die Ge-schwisterbeziehung zwischen Lisanneund Marlon. Manchmal laut, manchmalleise, energisch und dann wieder hilflos.Aber immer mit einem großen Herzenund viel Lebensfreude.

„Ich bewundere ihr kämpferischesHerz, ihr strahlendes Lächeln und ihrenHumor!“, schreibt ihr Bruder Lars-Gun-nar Lotz, Student an der Kunsthoch-schule Kassel, Abteilung Film/Fernse-hen.

Er hat diesen Kurzfilm über seineSchwester gemacht, u.a. um realistischden Konflikt zwischen Menschen mitund ohne Behinderung zu zeigen. DieArt, wie seine Schwester mit ihrer of-fenherzigen und direkten Art Menschenzum Lachen, aber auch in peinliche Si-tuationen bringt, hat ihn inspiriert. DerBruder, durch die Verantwortung, die erträgt, kommt bei ihren spontanen, ei-gensinnigen Ideen selbst auch leicht inVerlegenheit und weiß manchmal nichtgut damit umzugehen.

Bestellen

Interesse? Sie können den Film „Lisan-ne“ (Spielzeit: 18 Minuten) als DVD für10 Euro bestellen bei:Lars-Gunnar LotzGutenbergstraße 5, 34127 KasselTel.: 05 61 / 861 75 33

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D S - K O N G R E S S

6 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Kongress in Mallorca: Down-Syndrom-SpezifizitätCora Halder

Ende Februar 2005 fand in Palma de Mallorca das VI. Internationale Down-Syndrom-Symposium statt. Das Symposium stand unter dem Motto „Down-SyndromSpecifity“ – die Spezifizität bei Down-Syndrom. Was bedeutet das genau? Und weshalb ist diese Spezifizität so wichtig?

Ende Februar 2005 fand in Palma deMallorca das VI. Internationale

Down-Syndrom-Symposium statt. JuanPerera, Präsident der Europäischen Down-Syndrom Association (EDSA), undsein Team von Asnimo hatten diesenKongress in Zusammenarbeit mit derUniversität der Balearen organisiert. Inseiner Eröffnungsrede ging ProfessorPerera auf das Motto des Symposiums„Spezifizität bei Down-Syndrom“ ein.

Spezifizität des Down-Syndroms

Die Spezifizität des Down-Syndromswird durch das Extra-Chromosom 21(oder einen Teil davon) verursacht. Dasdreifache Vorhandensein dieses Chro-mosoms ist für gewisse Veränderungenim morphologischen, biochemischenund funktionalen Bereich verschiedenerOrgane, speziell des Gehirns, verant-wortlich.

Was sind die ganz typischen Merk-male dieses Syndroms? Zwar handelt essich zum Teil um Merkmale, die viel-leicht in anderen Syndromen auch vor-kommen, jedoch nicht in dieser typi-schen Zusammensetzung und nicht ingleichen Maßen. Welche Charakteristi-ka unterscheiden dieses Syndrom vonanderen Formen einer mentalen Behin-derung? Spezifizität zu umschreibenheißt einerseits genau zu untersuchen,welche Gemeinsamkeiten es zwischenden einzelnen Behinderungen gibt, undandererseits, was exklusiv für Down-Syndrom ist.

Die Studie dieser Spezifizität istwichtig, weil wir dadurch besser verste-hen lernen, was es bedeutet, Down-Syn-drom zu haben, und diese Kenntnisse

sind die Grundlage aller Intervention.Außerdem war diese Spezifizität derGrund, dass in den letzten 20 Jahrenimmer mehr Down-Syndrom-Vereineweltweit gegründet wurden. Vor allemEltern wollten mehr spezielle Informa-tionen über das Syndrom ihrer Kinderhaben und „nicht in einen Topf mit an-deren Behinderungen“ gesteckt werden.Dies war und ist nicht abwertend ande-ren gegenüber gemeint, sondern ent-spricht dem Wunsch nach mehr Spezia-lizierung. Genauso entstanden auch dieVereine für Autismus, Epilepsie usw.

Was bedeutet Spezifizität nicht?

Spezifizität bedeutet nicht, zu leugnen,dass es viele Gemeinsamkeiten mit an-deren Syndromen oder mit geistiger Be-hinderung im Allgemeinen gibt. Es istlogisch, dass man auch ähnliche Aspek-te und Überschneidungen findet, die ge-nauso beachtet werden müssen.

Spezifizität bedeutet auch nicht,Menschen mit Down-Syndrom von derweiteren Population, behindert odernicht behindert, zu trennen. Oder Ghet-tos für Menschen mit Down-Syndrom zuschaffen oder spezielle Zentren zu grün-den, für ausschließlich diesen Perso-nenkreis.

Vielmehr soll die Integration allerbehinderten Menschen das Ziel sein.

Was bedeutet Spezifizität?

Was wir anstreben, ist einerseits mehrspezielles Fachwissen, speziell ausge-bildete Fachleute, Förderprogramme,die einerseits das syndromspezifischeLernprofil berücksichtigen, andererseitsan die individuellen Möglichkeiten jeder

einzelnen Person mit Down-Syndromangepasst werden können. Dieses spe-zifizische Angebot soll dann in einer in-tegrierten Umgebung eingesetzt undumgesetzt werden.

Bei aller Spezifizität sollte selbstver-ständlich nicht übersehen werden, wel-che große Variabilität innerhalb derGruppe der Menschen mit Down-Syn-drom besteht.

Dies sollte die Forschung aber nichtdavon abhalten, eine Reihe Charakter-züge und Verhaltensweisen, die relativhomogen sind, zu untersuchen und zubeschreiben. Das ermöglicht uns, spezi-elle Interventionsmaßnahmen heraus-zuarbeiten und die bestmögliche Förde-rung anzubieten.

In einigen Bereichen sind uns diespeziellen Probleme, die bei Down-Syn-drom auftreten, schon länger bekannt(z.B. bezüglich der Sprachentwicklungoder beim auditiven Gedächtnis). Inletzter Zeit rückte immer mehr die spe-zifische Anfälligkeit für bestimmte neu-rologische Abbauprozesse, wie z.B. Alz-heimer, in den Mittelpunkt.

Auch im medizinischen Bereich gibtes viele Aspekte, die sehr eng mit demSyndrom verbunden sind. Und immermehr werden Besonderheiten im Lern-und Verhaltensprofil beschrieben.

Interessant ist dabei auch der Ver-gleich zu anderen Syndromen, wie Pra-der-Willi oder Fragil-X-Syndrom.

Der Mallorca-Kongress bot mit einerReihe hervorragender Referenten eineninteressanten und komplexen Überblicküber die Spezifizität des Down-Syn-droms.

Professor Juan Perera während

seiner Ansprache beim Kongress

in Palma de Mallorca

DS-KONGRESS

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 20057

Perfekte Organisation

Das war nicht das erste Mal, dass einsolches Symposium auf Mallorca statt-fand, und auch jetzt kann man dem Ver-anstalter nur gratulieren zu dem hohenNiveau der Kongressbeiträge und derperfekten Organisation. Selbstverständ-lich kamen die meisten Teilnehmer vonden Balearen oder vom spanischenFestland. Aber es gab auch viele Gästeaus anderen europäischen Ländern.

Die Kongresssprachen waren Eng-lisch und Spanisch, die Vorträge wur-den simultan übersetzt, dies funktio-nierte perfekt. Und man kann nur stau-nen, wie reibungslos der Transport derfast dreihundert Teilnehmer in der Mit-tagspause mit Bussen zu einem zehn Ki-lometer entfernten Restaurant vonstat-ten ging, wo – wie kann es anders sein –eine hervorragende dreigängige Mahl-zeit in einer gepflegten Umgebung ser-viert wurde. Danach standen die Bussewieder parat, um alle zur Universitätzurückzufahren. Übrigens eine gute Me-thode, dafür zu sorgen, dass die Teil-nehmer nach dem Mittagessen auchtatsächlich wieder kommen. Denn so-wohl die Uni wie das Restaurant lagenweit außerhalb der Stadt. Um zu denHotels in der Stadt zurückzufahren, hät-te man ein teures Taxi nehmen müssen.So waren alle bis 19 Uhr bei den Semi-naren und Workshops am Nachmittagmit dabei. Anschließend fuhren die Bus-se dann zu den Hotels zurück. Und dieTeilnahmebestätigung gab es auch erstnach dem letzten Vortrag am letztenKongresstag.

Hervorragende Vorträge

Zwölf Vorträge an den Vormittagen, ins-gesamt 23 Workshops und Kurzrefera-te an den Nachmittagen – zu viel, umüber alles im Detail zu berichten. Auf ei-nige der Vorträge möchte ich hier ein-gehen oder sie wenigstens kurz erwäh-nen. Die Beiträge von Deborah Fidler,Jean Rondal und Anna Contardi sind involler Länge in dieser Ausgabe von Lebenmit Down-Syndrom zu finden. Außer-dem wird bei Whurr Publishers’ dasBuch „Specifity in Down syndrome“ er-scheinen, mit den wichtigsten Beiträgendes Symposiums. Allerdings müssen wirdarauf noch bis 2006 warten.

Eine ganz klare Botschaft aus Palmade Mallorca war, wie wichtig es ist, dieKinder von Anfang an aktiv zu stimulie-ren, ihre Entwicklung aktiv zu unter-stützen, auch um spätere problemati-sche Verhaltensweisen zu verhindern.

Für Ansichten wie: „Ach, sie sindschon so geplagt durch ihr Handicapund jetzt müssen sie auch noch so vielüben“ oder: „Ich will nur Mutter seinund nicht die Therapeutin meines Kin-des, die Fachleute sollen mit ihm arbei-ten“, oder gar: „Man soll die Kinder soakzeptieren, wie sie sind, und nicht ver-suchen, etwas anderes aus ihnen ma-chen zu wollen“, war in Palma kein Platz.

Gerade eine aktive Förderung in ei-ner stimulierenden Umgebung ist diebeste Vorhersage für die Entwicklung.

Frühförderung

Donna Spiker, Programm-ManagerinEarly Intervention Programs am Centerfor Education in Menlo Park, Californiasprach über die Rolle der Frühförde-rung. Und sprach mir aus der Seele. Siebetonte, wie wichtig diese Förderungder ersten Jahre ist und dass es nichtdamit getan ist, eine Stunde in der Wo-che dafür zu einer Therapeutin zu gehen,sondern dass Frühförderung in den All-tag integriert gehört, will man Erfolg ha-ben. Förderprogramme müssen die Down-Syndrom-spezifische Problema-tik berücksichtigen und gleichzeitig demjeweiligen Kind angepasst werden.

Als die wichtigsten Ziele der Früh-förderung nannte sie:

die frühe Entwicklung des Kindes zuverbessern, sodass es ein höheres Funk-tionsniveau erreicht,

Familien zu zeigen, wie sie ihren Kin-dern helfen können, und sie bei der För-derung zu unterstützen,

das Kind auf die Schule vorzubereiten,damit es dort von Anfang an besser zu-rechtkommt.

das Tempo, in dem es Fertigkeiten er-lernt, zu beschleunigen,

zu verhindern, dass sich beim Spre-chen und bei motorischen Abläufenfalsche, abweichende Muster bilden.

Frühförderung soll für das Kind, wiefür seine Familie, zu einer besseren Le-bensqualität führen.

Frühförderung für Kinder mit Down-Syndrom in Russland

In der Präsentation von Natalia Reguinaaus Moskau ging es auch um Frühför-derung. Sie stellte die Arbeit ihres Zen-trums, das Downside-Up-Projekt, vor.

Die Situation für Kinder mit Down-Syndrom in Russland hat sich in denletzten 15 Jahren deutlich gebessert.Trotzdem werden mehr als 80 Prozentder etwa 2000 Kinder, die jährlich zurWelt kommen, sofort nach der Geburt inein Heim gegeben.

In der Stadt Moskau wächst nun im-merhin ein Drittel der Kinder mit Down-Syndrom, die in den letzten zwei Jahrengeboren wurden, zu Hause auf. Dies istein direkter Erfolg des Downside-Up-Projektes, das seit Jahren versucht, dasBild von Down-Syndrom in der Öffent-lichkeit zu verändern, und auf das Po-tenzial der Kinder hinweist. 1996 wur-den in Moskau die ersten Kinder in Kin-dergärten integriert. Heute besucht dieHälfte von ihnen hier schon einen Inte-grationskindergarten.

Nicht nur in Moskau wird Frühför-derung für Kinder mit Behinderungenangeboten, insgesamt sind in Russland40 Frühförderzentren entstanden, aberimmer noch sind viele Gebiete unter-versorgt. Das DSU in Moskou unter-stützt 500 Familien.

Ein neuer Arbeitsbereich von DSUist die gezielte, intensive Förderung vonden Kindern, die nicht zu Hause, son-dern in einem Heim aufwachsen. Einer-seits arbeiten die Mitarbeiter des Zen-trums mit diesen Kindern, leiten dasHeimpersonal an und versuchen, einenpositiveren Umgang mitDown-Syndromzu fördern. Andererseits bieten sie psy-chologische Unterstützung an für dieFamilien, die ihr Kind verlassen haben.Häufig leiden die Mütter unter posttrau-matischem Stress, verursacht durch Stig-matisierung und den starken Druck sei-tens des medizinischen Klinikpersonals,

Kongressteilnehmerin aus Valencia,

die 26-jährige Maria del Mar

P U B L I K A T I O N E N

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 67

Gegen den Strom oder Ein Gesetz wird ernst genommen

Autor: Hans-Peter SpanierVerlag: Fallenstein, 2000ISBN: 3-8311-0647-9Preis: 15,24 Euro

Das zweite Buch in dieser Trilogie vonHans-Peter Spanier ist der Erfahrungs-bericht über vier Jahre Integration sei-nes Sohnes in der Grundschule. Er istgeschrieben aus der Sicht eines„Pädagogikverbrauchers“, der Schuleneben der Schulpflicht auch als Ver-pflichtung des Staates betrachtet.

Nach dem „christlichen Nein deskirchlichen Kindergartens“ am Ort, Till-Philipp aufzunehmen, war die Anmel-dung in der Grundschule erfolgreich.Die im § 4 des Niedersächsischen Schul-gesetzes gemachten Auflagen konntedas damalige Schulaufsichtsamt Wol-fenbüttel erfüllen. Der Schulträger Ge-meinde Cremlingen stimmte der Ein-richtung einer Integrationsklasse fürTill-Philipp in der Grundschule inSchandelah zu.

Als Sonderschulpädagogin stelltesich, nach späterer Auskunft des dama-ligen Schulamtsdirektors, nur eineLehrkraft spontan zur Verfügung. Siehatte gerade ihre Ausbildung abge-schlossen und ging mit nur einjährigerBerufserfahrung in die Integrationsklas-se. Ob das Verhalten der Sonderschul-pädagogin mit ihrer mangelnden Berufs-erfahrung erklärt werden kann oder obes Programm war, ist im Hinblick aufdas Ergebnis dieser vier Jahre nicht re-levant.

Der teilweise schon dramatisch zunennende Verlauf der vier Grundschul-jahre kann mit beiden Verhaltensmus-tern erklärt werden.

Der Autor und Vater des behinder-

ten Kindes kommt zu dem Schluss, dassmöglicherweise die Absicht der Sonder-schulpädagogin war, zu beweisen, dasseine Integration nicht möglich ist.

Er versteht sein Buch auch als einenBeitrag, damit das unverständliche undgeltendes Recht verletzende Verhaltender Sonderschulpädagogin, das von derSchulbehörde, dem NiedersächsischenKultusministerium und dem Nieder-sächsischen Landesparlament im Nach-hinein gedeckt wurde, ein Einzelfallbleibt. Wenn das beschriebene Verhal-ten der Lehrkräfte zum Regelverhaltenwird, dann haben die Eltern behinder-ter Schüler bald keine Rechte mehr.

Die Fortsetzung der integrativen Be-schulung in einer Integrierten Gesamt-schule (IGS) in der Stadt Braunschweigwurde aber nicht nur dadurch unter er-schwerten Bedingungen erreicht. Zumschulbezirkübergreifenden Besuch vonTill-Philipp in der IGS musste auch derSchulträger Stadt Braunschweig über-zeugt werden.

„Weiß nicht“Das Ende einer Kindheit

Autor: Hans-Peter SpanierVerlag: Fallenstein, 2005ISBN: 3-00-015379-9Preis: 12,00 Euro

Der Vater von Till-Philipp beschreibthier die Zeit der letzten sechs Schuljah-re seines Sohnes in einer IGS, die einenunrühmlichen Abschluss gefunden hat.Dafür sorgte eine „rechtliche Lücke“,weil offensichtlich nicht in gebotenerKlarheit geregelt und ausformuliertwurde, wie nach Abschluss der Schulebei noch bestehender Schulpflicht fürbehinderte Schüler, die in Integrations-

Prof. Dr. med. Gerhard Neuhäuser,Facharzt für Kinderheilkunde undfür Kinder- und Jugendpsychiatrieund Rehabilitation, schreibt in sei-nem Geleitwort zum dritten Bandder Trilogie:

„Um eine integrative Erziehungin der Schule zu verwirklichen, sindEinfühlungsvermögen und Kreati-vität, Engagement und viel guterWille erforderlich. Es müssen jameist ganz neue Wege gesucht undbeschritten werden, die zu einemechten, vertrauensvollen Miteinan-der führen. Die detaillierte Schilde-rung dieses oft auch dornenreichenWeges kann für andere Eltern inähnlicher Situation hilfreich sein,sollte aber auch Lehrerinnen undLehrer, die sich um Integrationbemühen, dazu anregen, ihr Tun zureflektieren. Es wäre sicher falsch,aus der vorliegenden, um Objekti-vität bemühten Dokumentation (nur)Kritik abzuleiten und manche sichersubjektiv gefärbte Feststellung als„Empfindlichkeit“ abzutun – jeden-falls ist dies nicht die Intention desBuches, das ganz ausdrücklich umVerständnis für die Eltern und fürderen Sichtweise im Interesse desKindes wirbt.“

klassen unterrichtet werden, zu verfah-ren ist.

Eine weitere Schwierigkeit ergabsich aus der nicht vorhandenen Bereit-schaft der angesprochenen Betriebe,Till-Philipp eine Anlernstelle anzubie-ten, um ihm die Erfüllung der Schul-pflicht zu ermöglichen. Die zuständigenBehörden agierten separat, kamen aberzu Ergebnissen, die nicht den Zuspruchder Eltern fanden. Durch derlei Sach-zwänge haben die Eltern gelernt, für dieRechte ihres Kindes zu kämpfen. Dasdabei erworbene Wissen und die dabeigewonnenen Erfahrungen möchten siein diesem Buch weitergeben, um ande-ren Betroffenen mit vergleichbaren ge-sellschaftlichen Ansprüchen eine ArtVorbild zu sein. Aber auch Behördenmit ihren Bediensteten und Lehrern so-wie deren Ausbilder können von diesemBuch profitieren.

PUBLIKATIONEN

66Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Trilogie der EinsamkeitIn drei Büchern erzählt Hans-Peter Spanier das Lebenseines Sohnes Till-Philipp von vor der Geburt bis zu seiner Ausschulung. Es ist weder eine Romanreihe nocheine Folge von Erzählungen. Es ist eine Dokumentationüber das Leben eines geistig behinderten Kindes von derGeburt bis zum Jugendlichen in Bezug auf Gesellschaftund Staat.

Till-Philipp oder Das Recht auf Normalität

Autor: Hans-Peter SpanierVerlag: Edition Schindele, 1995ISBN: 3-8253-8229-XPreis: 19,00 Euro

Inhalt:Der Vater von Till-Philipp schildert dieersten sechs Lebensjahre seines Sohnes.Der lange Kampf mit Behörden und Ein-richtungen um einen Platz in einem Re-gelkindergarten ist zwar erfolgreich, dieprivate Einrichtung aber so konzeptlos,dass Familie Spanier nach einem hal-ben Jahr ihren Sohn wieder abmeldet.Erlebnisse in Braunschweig und die Be-schaffung erster Informationen für denintegrativen Schulbesuch direkt aus denKultusministerien der alten Bundeslän-der runden das Buch ab.

Aus dem Geleitwort:„Der Vater eines inzwischen sechsjähri-gen, durch eine Trisomie 21 beeinträch-tigten Jungen kämpft zusammen mitseiner Frau darum, dass der Sohn mitHilfe der Gesellschaft volle menschlicheAnerkennung erfährt und auf diese Wei-se bestmöglich in die Gesellschaft hin-

einwachsen kann. Die Tagebuchaufzeichnungen des

Vaters und die Dokumentation undKommentierung eines umfangreichenSchriftwechsels mit allen möglichenBehörden und Dienststellen belegen,welche enorme Kraft dieser Kampf denEltern seit Jahren abverlangt.

Nicht nur dieser Kampf kostet vielMut, sondern ebenso der Entschluss,der Gesellschaft mit diesem Erlebnisbe-richt einen Spiegel vorzuhalten. Der Au-tor wagt dies, um mit seinen Erfahrun-gen vielleicht auch andere Eltern vonbehinderten Kindern zum Eintreten fürdas Recht auf Normalität für ihre Kinderzu ermutigen, aber auch, um das Be-wusstsein vieler Menschen in unsererGesellschaft dafür zu schärfen, mehrHumanität in unserem Zusammenlebenzu praktizieren.“

Geleitwort von Frau Dr. H. Merker,Mitarbeiterin im Ruhestand des

sozialpädagogischen Instituts für Kleinkind-und außerschulische Erziehung des Landes

Nordrhein-Westfalen

Buchbesprechung:

Nüchterner Tatsachenbericht überden diskriminierenden Umgang vonÄmtern und Behörden mit den Eltern eines behinderten Kindes

Till-Philipp wird am 13. Oktober 1987 inWolfenbüttel als erstes Kind von Hans-Peter und Christel Spanier geboren. Ob-wohl die behandelnde Gynäkologin be-reits lange vor seiner Geburt eine Triso-mie 21 diagnostiziert hat, werden dieEltern davon nicht informiert. Am 14.Oktober 1987 erfolgt ebenfalls ohnevorherige eingehende Absprache mitden Eltern wegen des Verdachtes auf ei-nen Herzfehler eine Überweisung des

Neugeborenen in das Städtische Klini-kum Braunschweig. Von diesem Zeit-punkt an beginnt ein zuvor sicher nie-mals in dieser Vollständigkeit doku-mentierter Hürdenlauf durch Institutio-nen und Behörden.

Hans-Peter Spanier hat für seinWerk die gesamte seinen Sohn betref-fende Korrespondenz, bestehend aus593 Briefen, zusammengetragen.

Inhalt des Buches ist also nicht, wieim herkömmlichen Sinn, eine Erfolgs-story über die Entwicklung eines Down-Syndrom-Kindes, sondern der mit sei-tenweisen Briefzitaten bestückte nüch-terne Tatsachenbericht über den diskri-minierenden Umgang von Ämtern undBehörden mit den Eltern eines behin-derten Kindes.

Die geplante Adoption gerät ange-sichts des Vorhandenseins eines behin-derten Kindes zur Farce, die Suche desKindergartenplatzes gestaltet sich zu ei-ner Kette aufeinander folgender Ableh-nungen und Schikanen und das Projekteiner Spielgruppe scheitert schon in sei-nen Anfängen.

Das 277 Seiten starke Buch ist zuge-gebenermaßen nicht leicht lesbar. Es er-zeugt Wut und Widerwillen angesichtsder unzähligen, wörtlich abgedrucktenhilflosen und inhaltslosen Formulierun-gen, die der Autor dem Leser bewusstnicht erspart hat und die das Lesen zu-weilen langatmig erscheinen lassen.

Das Buch ist jedoch als informativeMaterialsammlung zu verstehen und alssolche beispielgebend für alle, die essich nicht nehmen lassen wollen, gegenBürokratie, die Menschen mit Beein-trächtigungen zu Behinderten macht,anzukämpfen.

Buchbesprechung von Angelika Jensen,online im Internet

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DS-KONGRESS

6Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Kongress in Mallorca: Down-Syndrom-SpezifizitätCora Halder

Ende Februar 2005 fand in Palma de Mallorca das VI. Internationale Down-Syndrom-Symposium statt. Das Symposium stand unterdem Motto „Down-SyndromSpecifity“ – die Spezifizität bei Down-Syndrom. Was bedeutet das genau? Und weshalb ist diese Spezifizität so wichtig?

Ende Februar 2005 fand in Palma deMallorca das VI. Internationale

Down-Syndrom-Symposium statt. JuanPerera, Präsident der Europäischen Down-Syndrom Association (EDSA),undsein Team von Asnimo hatten diesenKongress in Zusammenarbeit mit derUniversität der Balearen organisiert. Inseiner Eröffnungsrede ging ProfessorPerera auf das Motto des Symposiums„Spezifizität bei Down-Syndrom“ ein.

Spezifizität des Down-Syndroms

Die Spezifizität des Down-Syndromswird durch das Extra-Chromosom 21(oder einen Teil davon) verursacht. Dasdreifache Vorhandensein dieses Chro-mosoms ist für gewisse Veränderungenim morphologischen, biochemischenund funktionalen Bereich verschiedenerOrgane, speziell des Gehirns, verant-wortlich.

Was sind die ganz typischen Merk-male dieses Syndroms? Zwar handelt essich zum Teil um Merkmale, die viel-leicht in anderen Syndromen auch vor-kommen, jedoch nicht in dieser typi-schen Zusammensetzung und nicht ingleichen Maßen. Welche Charakteristi-ka unterscheiden dieses Syndrom vonanderen Formen einer mentalen Behin-derung? Spezifizität zu umschreibenheißt einerseits genau zu untersuchen,welche Gemeinsamkeiten es zwischenden einzelnen Behinderungen gibt, undandererseits, was exklusiv für Down-Syndrom ist.

Die Studie dieser Spezifizität istwichtig, weil wir dadurch besser verste-hen lernen, was es bedeutet, Down-Syn-drom zu haben, und diese Kenntnisse

sind die Grundlage aller Intervention.Außerdem war diese Spezifizität derGrund, dass in den letzten 20 Jahrenimmer mehr Down-Syndrom-Vereineweltweit gegründet wurden. Vor allemEltern wollten mehr spezielle Informa-tionen über das Syndrom ihrer Kinderhaben und „nicht in einen Topf mit an-deren Behinderungen“ gesteckt werden.Dies war und ist nicht abwertend ande-ren gegenüber gemeint, sondern ent-spricht dem Wunsch nach mehr Spezia-lizierung. Genauso entstanden auch dieVereine für Autismus, Epilepsie usw.

Was bedeutet Spezifizität nicht?

Spezifizität bedeutet nicht, zu leugnen,dass es viele Gemeinsamkeiten mit an-deren Syndromen oder mit geistiger Be-hinderung im Allgemeinen gibt. Es istlogisch, dass man auch ähnliche Aspek-te und Überschneidungen findet, die ge-nauso beachtet werden müssen.

Spezifizität bedeutet auch nicht,Menschen mit Down-Syndrom von derweiteren Population, behindert odernicht behindert, zu trennen. Oder Ghet-tos für Menschen mit Down-Syndrom zuschaffen oder spezielle Zentren zu grün-den, für ausschließlich diesen Perso-nenkreis.

Vielmehr soll die Integration allerbehinderten Menschen das Ziel sein.

Was bedeutet Spezifizität?

Was wir anstreben, ist einerseits mehrspezielles Fachwissen, speziell ausge-bildete Fachleute, Förderprogramme,die einerseits das syndromspezifischeLernprofil berücksichtigen, andererseitsan die individuellen Möglichkeiten jeder

einzelnen Person mit Down-Syndromangepasst werden können. Dieses spe-zifizische Angebot soll dann in einer in-tegrierten Umgebung eingesetzt undumgesetzt werden.

Bei aller Spezifizität sollte selbstver-ständlich nicht übersehen werden, wel-che große Variabilität innerhalb derGruppe der Menschen mit Down-Syn-drom besteht.

Dies sollte die Forschung aber nichtdavon abhalten, eine Reihe Charakter-züge und Verhaltensweisen, die relativhomogen sind, zu untersuchen und zubeschreiben. Das ermöglicht uns, spezi-elle Interventionsmaßnahmen heraus-zuarbeiten und die bestmögliche Förde-rung anzubieten.

In einigen Bereichen sind uns diespeziellen Probleme, die bei Down-Syn-drom auftreten, schon länger bekannt(z.B. bezüglich der Sprachentwicklungoder beim auditiven Gedächtnis). Inletzter Zeit rückte immer mehr die spe-zifische Anfälligkeit für bestimmte neu-rologische Abbauprozesse, wie z.B. Alz-heimer, in den Mittelpunkt.

Auch im medizinischen Bereich gibtes viele Aspekte, die sehr eng mit demSyndrom verbunden sind. Und immermehr werden Besonderheiten im Lern-und Verhaltensprofil beschrieben.

Interessant ist dabei auch der Ver-gleich zu anderen Syndromen, wie Pra-der-Willi oder Fragil-X-Syndrom.

Der Mallorca-Kongress bot mit einerReihe hervorragender Referenten eineninteressanten und komplexen Überblicküber die Spezifizität des Down-Syn-droms.

Professor Juan Perera während

seiner Ansprache beim Kongress

in Palma de Mallorca

D S - K O N G R E S S

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 7

Perfekte Organisation

Das war nicht das erste Mal, dass einsolches Symposium auf Mallorca statt-fand, und auch jetzt kann man dem Ver-anstalter nur gratulieren zu dem hohenNiveau der Kongressbeiträge und derperfekten Organisation. Selbstverständ-lich kamen die meisten Teilnehmer vonden Balearen oder vom spanischenFestland. Aber es gab auch viele Gästeaus anderen europäischen Ländern.

Die Kongresssprachen waren Eng-lisch und Spanisch, die Vorträge wur-den simultan übersetzt, dies funktio-nierte perfekt. Und man kann nur stau-nen, wie reibungslos der Transport derfast dreihundert Teilnehmer in der Mit-tagspause mit Bussen zu einem zehn Ki-lometer entfernten Restaurant vonstat-ten ging, wo – wie kann es anders sein –eine hervorragende dreigängige Mahl-zeit in einer gepflegten Umgebung ser-viert wurde. Danach standen die Bussewieder parat, um alle zur Universitätzurückzufahren. Übrigens eine gute Me-thode, dafür zu sorgen, dass die Teil-nehmer nach dem Mittagessen auchtatsächlich wieder kommen. Denn so-wohl die Uni wie das Restaurant lagenweit außerhalb der Stadt. Um zu denHotels in der Stadt zurückzufahren, hät-te man ein teures Taxi nehmen müssen.So waren alle bis 19 Uhr bei den Semi-naren und Workshops am Nachmittagmit dabei. Anschließend fuhren die Bus-se dann zu den Hotels zurück. Und dieTeilnahmebestätigung gab es auch erstnach dem letzten Vortrag am letztenKongresstag.

Hervorragende Vorträge

Zwölf Vorträge an den Vormittagen, ins-gesamt 23 Workshops und Kurzrefera-te an den Nachmittagen – zu viel, umüber alles im Detail zu berichten. Auf ei-nige der Vorträge möchte ich hier ein-gehen oder sie wenigstens kurz erwäh-nen. Die Beiträge von Deborah Fidler,Jean Rondal und Anna Contardi sind involler Länge in dieser Ausgabe von Lebenmit Down-Syndrom zu finden. Außer-dem wird bei Whurr Publishers’ dasBuch „Specifity in Down syndrome“ er-scheinen, mit den wichtigsten Beiträgendes Symposiums. Allerdings müssen wirdarauf noch bis 2006 warten.

Eine ganz klare Botschaft aus Palmade Mallorca war, wie wichtig es ist, dieKinder von Anfang an aktiv zu stimulie-ren, ihre Entwicklung aktiv zu unter-stützen, auch um spätere problemati-sche Verhaltensweisen zu verhindern.

Für Ansichten wie: „Ach, sie sindschon so geplagt durch ihr Handicapund jetzt müssen sie auch noch so vielüben“ oder: „Ich will nur Mutter seinund nicht die Therapeutin meines Kin-des, die Fachleute sollen mit ihm arbei-ten“, oder gar: „Man soll die Kinder soakzeptieren, wie sie sind, und nicht ver-suchen, etwas anderes aus ihnen ma-chen zu wollen“, war in Palma kein Platz.

Gerade eine aktive Förderung in ei-ner stimulierenden Umgebung ist diebeste Vorhersage für die Entwicklung.

Frühförderung

Donna Spiker, Programm-ManagerinEarly Intervention Programs am Centerfor Education in Menlo Park, Californiasprach über die Rolle der Frühförde-rung. Und sprach mir aus der Seele. Siebetonte, wie wichtig diese Förderungder ersten Jahre ist und dass es nichtdamit getan ist, eine Stunde in der Wo-che dafür zu einer Therapeutin zu gehen,sondern dass Frühförderung in den All-tag integriert gehört, will man Erfolg ha-ben. Förderprogramme müssen die Down-Syndrom-spezifische Problema-tik berücksichtigen und gleichzeitig demjeweiligen Kind angepasst werden.

Als die wichtigsten Ziele der Früh-förderung nannte sie:

die frühe Entwicklung des Kindes zuverbessern, sodass es ein höheres Funk-tionsniveau erreicht,

Familien zu zeigen, wie sie ihren Kin-dern helfen können, und sie bei der För-derung zu unterstützen,

das Kind auf die Schule vorzubereiten,damit es dort von Anfang an besser zu-rechtkommt.

das Tempo, in dem es Fertigkeiten er-lernt, zu beschleunigen,

zu verhindern, dass sich beim Spre-chen und bei motorischen Abläufenfalsche, abweichende Muster bilden.

Frühförderung soll für das Kind, wiefür seine Familie, zu einer besseren Le-bensqualität führen.

Frühförderung für Kinder mit Down-Syndrom in Russland

In der Präsentation von Natalia Reguinaaus Moskau ging es auch um Frühför-derung. Sie stellte die Arbeit ihres Zen-trums, das Downside-Up-Projekt, vor.

Die Situation für Kinder mit Down-Syndrom in Russland hat sich in denletzten 15 Jahren deutlich gebessert.Trotzdem werden mehr als 80 Prozentder etwa 2000 Kinder, die jährlich zurWelt kommen, sofort nach der Geburt inein Heim gegeben.

In der Stadt Moskau wächst nun im-merhin ein Drittel der Kinder mit Down-Syndrom, die in den letzten zwei Jahrengeboren wurden, zu Hause auf. Dies istein direkter Erfolg des Downside-Up-Projektes, das seit Jahren versucht, dasBild von Down-Syndrom in der Öffent-lichkeit zu verändern, und auf das Po-tenzial der Kinder hinweist. 1996 wur-den in Moskau die ersten Kinder in Kin-dergärten integriert. Heute besucht dieHälfte von ihnen hier schon einen Inte-grationskindergarten.

Nicht nur in Moskau wird Frühför-derung für Kinder mit Behinderungenangeboten, insgesamt sind in Russland40 Frühförderzentren entstanden, aberimmer noch sind viele Gebiete unter-versorgt. Das DSU in Moskou unter-stützt 500 Familien.

Ein neuer Arbeitsbereich von DSUist die gezielte, intensive Förderung vonden Kindern, die nicht zu Hause, son-dern in einem Heim aufwachsen. Einer-seits arbeiten die Mitarbeiter des Zen-trums mit diesen Kindern, leiten dasHeimpersonal an und versuchen, einenpositiveren Umgang mit Down-Syndromzu fördern. Andererseits bieten sie psy-chologische Unterstützung an für dieFamilien, die ihr Kind verlassen haben.Häufig leiden die Mütter unter posttrau-matischem Stress, verursacht durch Stig-matisierung und den starken Druck sei-tens des medizinischen Klinikpersonals,

Kongressteilnehmerin aus Valencia,

die 26-jährige Maria del Mar

PUBLIKATIONEN

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200567

Gegen den Strom oder Ein Gesetz wird ernst genommen

Autor: Hans-Peter SpanierVerlag: Fallenstein, 2000ISBN: 3-8311-0647-9Preis: 15,24 Euro

Das zweite Buch in dieser Trilogie vonHans-Peter Spanier ist der Erfahrungs-bericht über vier Jahre Integration sei-nes Sohnes in der Grundschule. Er istgeschrieben aus der Sicht eines„Pädagogikverbrauchers“, der Schuleneben der Schulpflicht auch als Ver-pflichtung des Staates betrachtet.

Nach dem „christlichen Nein deskirchlichen Kindergartens“ am Ort, Till-Philipp aufzunehmen, war die Anmel-dung in der Grundschule erfolgreich.Die im § 4 des Niedersächsischen Schul-gesetzes gemachten Auflagen konntedas damalige Schulaufsichtsamt Wol-fenbüttel erfüllen. Der Schulträger Ge-meinde Cremlingen stimmte der Ein-richtung einer Integrationsklasse fürTill-Philipp in der Grundschule inSchandelah zu.

Als Sonderschulpädagogin stelltesich, nach späterer Auskunft des dama-ligen Schulamtsdirektors, nur eineLehrkraft spontan zur Verfügung. Siehatte gerade ihre Ausbildung abge-schlossen und ging mit nur einjährigerBerufserfahrung in die Integrationsklas-se. Ob das Verhalten der Sonderschul-pädagogin mit ihrer mangelnden Berufs-erfahrung erklärt werden kann oder obes Programm war, ist im Hinblick aufdas Ergebnis dieser vier Jahre nicht re-levant.

Der teilweise schon dramatisch zunennende Verlauf der vier Grundschul-jahre kann mit beiden Verhaltensmus-tern erklärt werden.

Der Autor und Vater des behinder-

ten Kindes kommt zu dem Schluss, dassmöglicherweise die Absicht der Sonder-schulpädagogin war, zu beweisen, dasseine Integration nicht möglich ist.

Er versteht sein Buch auch als einenBeitrag, damit das unverständliche undgeltendes Recht verletzende Verhaltender Sonderschulpädagogin, das von derSchulbehörde, dem NiedersächsischenKultusministerium und dem Nieder-sächsischen Landesparlament im Nach-hinein gedeckt wurde, ein Einzelfallbleibt. Wenn das beschriebene Verhal-ten der Lehrkräfte zum Regelverhaltenwird, dann haben die Eltern behinder-ter Schüler bald keine Rechte mehr.

Die Fortsetzung der integrativen Be-schulung in einer Integrierten Gesamt-schule (IGS) in der Stadt Braunschweigwurde aber nicht nur dadurch unter er-schwerten Bedingungen erreicht. Zumschulbezirkübergreifenden Besuch vonTill-Philipp in der IGS musste auch derSchulträger Stadt Braunschweig über-zeugt werden.

„Weiß nicht“Das Ende einer Kindheit

Autor: Hans-Peter SpanierVerlag: Fallenstein, 2005ISBN: 3-00-015379-9Preis: 12,00 Euro

Der Vater von Till-Philipp beschreibthier die Zeit der letzten sechs Schuljah-re seines Sohnes in einer IGS, die einenunrühmlichen Abschluss gefunden hat.Dafür sorgte eine „rechtliche Lücke“,weil offensichtlich nicht in gebotenerKlarheit geregelt und ausformuliertwurde, wie nach Abschluss der Schulebei noch bestehender Schulpflicht fürbehinderte Schüler, die in Integrations-

Prof. Dr. med. Gerhard Neuhäuser,Facharzt für Kinderheilkunde undfür Kinder- und Jugendpsychiatrieund Rehabilitation, schreibt in sei-nem Geleitwort zum dritten Bandder Trilogie:

„Um eine integrative Erziehungin der Schule zu verwirklichen, sindEinfühlungsvermögen und Kreati-vität, Engagement und viel guterWille erforderlich. Es müssen jameist ganz neue Wege gesucht undbeschritten werden, die zu einemechten, vertrauensvollen Miteinan-der führen. Die detaillierte Schilde-rung dieses oft auch dornenreichenWeges kann für andere Eltern inähnlicher Situation hilfreich sein,sollte aber auch Lehrerinnen undLehrer, die sich um Integrationbemühen, dazu anregen, ihr Tun zureflektieren. Es wäre sicher falsch,aus der vorliegenden, um Objekti-vität bemühten Dokumentation (nur)Kritik abzuleiten und manche sichersubjektiv gefärbte Feststellung als„Empfindlichkeit“ abzutun – jeden-falls ist dies nicht die Intention desBuches, das ganz ausdrücklich umVerständnis für die Eltern und fürderen Sichtweise im Interesse desKindes wirbt.“

klassen unterrichtet werden, zu verfah-ren ist.

Eine weitere Schwierigkeit ergabsich aus der nicht vorhandenen Bereit-schaft der angesprochenen Betriebe,Till-Philipp eine Anlernstelle anzubie-ten, um ihm die Erfüllung der Schul-pflicht zu ermöglichen. Die zuständigenBehörden agierten separat, kamen aberzu Ergebnissen, die nicht den Zuspruchder Eltern fanden. Durch derlei Sach-zwänge haben die Eltern gelernt, für dieRechte ihres Kindes zu kämpfen. Dasdabei erworbene Wissen und die dabeigewonnenen Erfahrungen möchten siein diesem Buch weitergeben, um ande-ren Betroffenen mit vergleichbaren ge-sellschaftlichen Ansprüchen eine ArtVorbild zu sein. Aber auch Behördenmit ihren Bediensteten und Lehrern so-wie deren Ausbilder können von diesemBuch profitieren.

P U B L I K A T I O N E N

66 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Trilogie der EinsamkeitIn drei Büchern erzählt Hans-Peter Spanier das Lebenseines Sohnes Till-Philipp von vor der Geburt bis zu seiner Ausschulung. Es ist weder eine Romanreihe nocheine Folge von Erzählungen. Es ist eine Dokumentationüber das Leben eines geistig behinderten Kindes von derGeburt bis zum Jugendlichen in Bezug auf Gesellschaftund Staat.

Till-Philipp oder Das Recht auf Normalität

Autor: Hans-Peter SpanierVerlag: Edition Schindele, 1995ISBN: 3-8253-8229-XPreis: 19,00 Euro

Inhalt:Der Vater von Till-Philipp schildert dieersten sechs Lebensjahre seines Sohnes.Der lange Kampf mit Behörden und Ein-richtungen um einen Platz in einem Re-gelkindergarten ist zwar erfolgreich, dieprivate Einrichtung aber so konzeptlos,dass Familie Spanier nach einem hal-ben Jahr ihren Sohn wieder abmeldet.Erlebnisse in Braunschweig und die Be-schaffung erster Informationen für denintegrativen Schulbesuch direkt aus denKultusministerien der alten Bundeslän-der runden das Buch ab.

Aus dem Geleitwort:„Der Vater eines inzwischen sechsjähri-gen, durch eine Trisomie 21 beeinträch-tigten Jungen kämpft zusammen mitseiner Frau darum, dass der Sohn mitHilfe der Gesellschaft volle menschlicheAnerkennung erfährt und auf diese Wei-se bestmöglich in die Gesellschaft hin-

einwachsen kann. Die Tagebuchaufzeichnungen des

Vaters und die Dokumentation undKommentierung eines umfangreichenSchriftwechsels mit allen möglichenBehörden und Dienststellen belegen,welche enorme Kraft dieser Kampf denEltern seit Jahren abverlangt.

Nicht nur dieser Kampf kostet vielMut, sondern ebenso der Entschluss,der Gesellschaft mit diesem Erlebnisbe-richt einen Spiegel vorzuhalten. Der Au-tor wagt dies, um mit seinen Erfahrun-gen vielleicht auch andere Eltern vonbehinderten Kindern zum Eintreten fürdas Recht auf Normalität für ihre Kinderzu ermutigen, aber auch, um das Be-wusstsein vieler Menschen in unsererGesellschaft dafür zu schärfen, mehrHumanität in unserem Zusammenlebenzu praktizieren.“

Geleitwort von Frau Dr. H. Merker,Mitarbeiterin im Ruhestand des

sozialpädagogischen Instituts für Kleinkind-und außerschulische Erziehung des Landes

Nordrhein-Westfalen

Buchbesprechung:

Nüchterner Tatsachenbericht überden diskriminierenden Umgang vonÄmtern und Behörden mit den Eltern eines behinderten Kindes

Till-Philipp wird am 13. Oktober 1987 inWolfenbüttel als erstes Kind von Hans-Peter und Christel Spanier geboren. Ob-wohl die behandelnde Gynäkologin be-reits lange vor seiner Geburt eine Triso-mie 21 diagnostiziert hat, werden dieEltern davon nicht informiert. Am 14.Oktober 1987 erfolgt ebenfalls ohnevorherige eingehende Absprache mitden Eltern wegen des Verdachtes auf ei-nen Herzfehler eine Überweisung des

Neugeborenen in das Städtische Klini-kum Braunschweig. Von diesem Zeit-punkt an beginnt ein zuvor sicher nie-mals in dieser Vollständigkeit doku-mentierter Hürdenlauf durch Institutio-nen und Behörden.

Hans-Peter Spanier hat für seinWerk die gesamte seinen Sohn betref-fende Korrespondenz, bestehend aus593 Briefen, zusammengetragen.

Inhalt des Buches ist also nicht, wieim herkömmlichen Sinn, eine Erfolgs-story über die Entwicklung eines Down-Syndrom-Kindes, sondern der mit sei-tenweisen Briefzitaten bestückte nüch-terne Tatsachenbericht über den diskri-minierenden Umgang von Ämtern undBehörden mit den Eltern eines behin-derten Kindes.

Die geplante Adoption gerät ange-sichts des Vorhandenseins eines behin-derten Kindes zur Farce, die Suche desKindergartenplatzes gestaltet sich zu ei-ner Kette aufeinander folgender Ableh-nungen und Schikanen und das Projekteiner Spielgruppe scheitert schon in sei-nen Anfängen.

Das 277 Seiten starke Buch ist zuge-gebenermaßen nicht leicht lesbar. Es er-zeugt Wut und Widerwillen angesichtsder unzähligen, wörtlich abgedrucktenhilflosen und inhaltslosen Formulierun-gen, die der Autor dem Leser bewusstnicht erspart hat und die das Lesen zu-weilen langatmig erscheinen lassen.

Das Buch ist jedoch als informativeMaterialsammlung zu verstehen und alssolche beispielgebend für alle, die essich nicht nehmen lassen wollen, gegenBürokratie, die Menschen mit Beein-trächtigungen zu Behinderten macht,anzukämpfen.

Buchbesprechung von Angelika Jensen,online im Internet

bidok.uibk.ac.at/Texte/rezensionen

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8 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

das Baby aufzugeben. Wenn diese El-tern sehen, wie das Kind vom DSU un-terstützt wird, wie es Fortschrittemacht, dass es durchaus lernfähig ist,werden manche Kinder nach einigerZeit doch zu Hause aufgenommen. Diesist die Intention des Projektes.

Persönlichkeit und Verhalten beiMenschen mit Down-Syndrom

Ben Sacks, Professor der Psychiatrieund Berater der Educational Trust inPortsmouth, sprach über das Verhaltenvon Menschen mit Down-Syndrom. Ergab eine Übersicht über die Charakteris-tika in der Persönlichkeit und das Auf-treten schwieriger Verhaltensweisen.Seiner Meinung nach haben die meistenKinder und Erwachsenen mit Down-Syndrom gute soziale Fähigkeiten undein gutes Einfühlungsvermögen. Sie sindin der Regel dazu fähig zu lernen, sich sozu benehmen, wie das zu Hause, in derSchule und bei der Arbeit von ihnen er-wartet wird. Sie können jedoch das guteEinfühlungsvermögen auch missbrau-chen und mit herausforderndem Ver-halten ihr Umfeld ärgern und kontrol-lieren. Untersuchungen zeigen, dass dasAuftreten solcher schwierigen Verhal-tensweisen abnimmt, wenn die Personälter wird. Bei Kindern stellt man häufgfest, dass problematisches Verhaltendurchaus ihrem Entwicklungsalter(nicht dem chronologischen Alter) ent-spricht. Allerdings wird in der Integra-tion ein mehr altersgemäßes Verhaltenerwartet.

Ungefähr zwölf bis 14 Prozent derPersonen mit Down-Syndrom zeigendauernd herausforderndes Verhalten –dies kann in Verbindung stehen mit au-tistischen Zügen oder ADHS oder einerernsthaften kognitiven Einschränkung.Der Umgang mit diesen Menschen kannsehr anstrengend sein und Eltern sowieLehrer brauchen dabei Unterstützungund Strategien für den Alltag.

Wie kann man diese Verhaltenswei-se verändern und wie kann man prä-ventiv etwas tun? Soziale Entwicklungund das Sozialverhalten müssen in derFrühförderung Priorität haben. Elternkönnen dafür sorgen, eine tägliche Rou-tine zu etablieren, damit der Tag für dasKind vorhersagbar wird und so sichererund weniger bedrohlich. Eltern solltenauch ermutigt werden, altersgerechteErwartungen zu haben und währendder ersten Jahre klare Grenzen zu set-

zen. Es wäre eine Hilfe, wenn Eltern so-wie Fachleute die Prinzipien der Ver-haltensmodifikation kennen und dieseanwenden können.

Mathematik und Numicon

Professor Sue Buckley von der Educa-tional Trust in Portsmouth hielt einenVortrag zum Thema Mathematik undstellte das Numicon-Material, das inEngland und Irland nun sehr viel vonKindern mit Down-Syndrom benutztwird, vor.

Schlafstörungen

Ein interessanter Vortrag kam von derFranzösin Jacqueline London, Präsi-dentin der AFRT (Association Francaisepour la Recherche sur la Trisomie 21),über Schlafprobleme.

Dabei ging es nicht so sehr um Un-regelmäßigkeiten in der Schlafstruktur,die durch eine obstruktive Schlafapnoeverursacht werden, sondern um solche,die eine andere Ursache haben. FrauLondon und ihr Team stellten u.a. fest,dass Menschen mit Down-Syndrom

häufiger aufwachen, weniger REM-Schlafepisoden haben, sich häufig während der REM-Phase

bewegen (normalerweise sind die Kör-perbewegungen während dieser Phaseverringert),

Auffälligkeiten bei der Gehirnstrom-Messung (EEG) im Schlaf zeigten.

Eine ganze Reihe Veränderungen,die speziell die REM-Phase betrifft. Dasist die Schlafphase, in der das GehirnGelerntes verarbeitet, Lernerfahrungenins Langzeitgedächtnis überträgt und inder sich der Mensch von psychischemStress erholt. Diese Art der Störungen inder Schlafarchitektur kann u.a. zu Mü-digkeit und Unkonzentriertheit führenund kognitive Leistungen negativ beein-flussen.

Um ein besseres Verständnis für die-se Abweichungen zu bekommen, wirdmit Mausmodellen gearbeitet, wie dasauch in vielen anderen Bereichen derForschung üblich ist.

Schlusswort

Insgesamt war dies ein hervorragenderKongress. Schade, dass außer den ED-SA-Vertretern keine Teilnehmer ausDeutschland da waren, um sich fortzu-bilden und sich inspirieren zu lassen.

Treffen von EDSAund DSI

Dieses Symposium bot gleichzeitigdie Gelegenheit zu einem Treffen

der beiden internationalen Down-Syn-drom-Gremien. So trafen sich hier so-wohl die Mitglieder von EDSA (Europäi-sche Down-Syndrom Association) wiedie von DSI (Down-Syndrom Internatio-nal) zu ihrer jeweiligen Jahresver-sammlung.

EDSA hat mittlerweile 37 Mitglieder.Neu aufgenommen wurden in PalmaDown-Syndrom-Vereine aus Dänemark,Schweden, Kroatien und der VereinAFRT, eine Elternorganisation ausFrankreich, die sich hauptsächlich fürForschungsprojekte einsetzt.

Es ist erfreulich, dass immer mehrDown-Syndrom-Vereine aus den ost-europäischen Ländern sich formierenund den Weg zu EDSA finden.

In der Mitgliederversammlung muss-te über die völlig überarbeitete Satzungabgestimmt werden. Außerdem standenVorstandswahlen an. Professor Juan Pe-rera stand nach fünf Jahren nicht mehrals Vorsitzender zur Verfügung, auchsollte der Vorstand von drei auf fünf Per-sonen erweitert werden.

Prof. Alberto Rasore Quartino, Kin-derarzt aus Genua, wurde zum neuenPräsidenten gewählt. Cedric Depuydt(Belgien) und Cora Halder (Deutschland)bekamen das Amt des Vizepräsidenten,Cees Zuithoff (Niederlande) bleibtSchriftführer und Pat Clarke (Irland)wurde wieder zum Kassenwart gewählt.Außer Prof. Rasore haben alle Vor-standsmitglieder ein Kind mit Down-Syndrom.

Der Vorstand arbeitet eng zusam-men mit dem wissenschaftlichen Beirat,hier sind u.a. Prof. Jean Rondal undProf. Sue Buckley vertreten. In diesenBeirat sollen weitere Wissenschaftleraus ganz Europa aufgenommen wer-den. Regelmäßig sollen in Europa wei-

AKTUELLES

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 5

Auftaktveranstaltung zu den Deutschen Down-Syndrom-Wochen unter Schirmherrschaft von Frau Köhler

Bei einer kleinen Feier im Hildeshei-mer Rathaus am 1. März 2005 wur-

de Frau Prof. Etta Wilken mit dem Ver-dienstkreuz am Bande des Verdienstor-dens der Bundesrepublik Deutschlandausgezeichnet. Mit dieser hohen Aus-zeichnung wurde ihr unermüdlichesund mittlerweile über 25 Jahre anhal-tendes ehrenamtliches Wirken für dieAllgemeinheit und besonders im Rah-men der Selbsthilfe für Menschen mitDown-Syndrom gewürdigt.

Schon 2002 hat das Deutsche Down-Syndrom InfoCenter Frau Wilken offizi-ell für die Verleihung des Bundesver-dienstordens vorgeschlagen. Zwei Jahrewaren seit unserem ersten Schreibenvergangen, als im Januar 2005 die

Bundesverdienstkreuz für Frau Prof. Etta WilkenNachricht eintraf, dass Herr Bundes-präsident Horst Köhler unserem Antragentsprochen hat.

Unseres Erachtens hat sich FrauProf. Etta Wilken für Menschen mit Be-hinderungen in einem Maße verdientgemacht, die mit dem Bundesverdienst-kreuz zu würdigen wäre. Dies schließt,so lautete unsere Begründung, nicht nurdie Vermittlung ihrer wissenschaftli-chen Arbeit für die Erziehungspraxisder Eltern und die Entwicklung ihrer be-hinderten Kinder ein, sondern auch ihrseit Jahrzehnten nachhaltiges und er-folgreiches ehrenamtliches Engagementin der Beratung von Eltern, behindertenMenschen und Verbänden.

Die Aussage „Berlin ist eine Reise wert“

hat für Andrea Halder eine ganz spezielle

Bedeutung bekommen. Sie war nach Berlin

eingeladen, um sich zusammen mit Frau

Eva Köhler fotografieren zu lassen.

Frau Köhler unterhielt sich angeregt mit

Andrea, die über ihre Arbeit und ihre Hob-

bys erzählte. Auch entdeckten sie Gemein-

samkeiten, sowohl Frau Köhler wie Andrea

gehen gern in die Oper!

Frau Köhler informierte sich über das

Leben mit Down-Syndrom und Andrea, als

„Spezialistin“, konnte dazu einiges sagen!

Die Deutschen Down-Syndrom-Wo-chen – eine 1996 vom Deutschen

Down-Syndrom InfoCenter ins Leben ge-rufene jährlich im Oktober stattfindendeAktion – werden am 23. September2005 mit einer Feier in dem schönenNürnberger Marmorsaal eingeleitet.

Bei dieser festlichen Veranstaltungwerden die Poster der diesjährigen Auf-klärungswochen offiziell der Öffentlich-keit vorgestellt. Die Auftaktveranstal-tung bietet außerdem den richtigenRahmen für die Verleihung der beiden

Preise, den „Moritz“ und „Das GoldeneChromosom“.

Wir sind stolz und glücklich darü-ber, dass Frau Eva Luise Köhler, dieFrau des Bundespräsidenten, sich bereiterklärt hat, die Schirmherrschaft überdiese Veranstaltung zu übernehmen.

Zur Vorbereitung dieses Ereignisseswar die 19-jährige Andrea Halder nachBerlin zu einem Fotoshooting mitDeutschlands „First Lady“ eingeladen.Wir freuen uns, dass Frau Köhler sichtrotz ihrer vielen Verpflichtungen Zeit

für dieses Treffen genommen hat. Frau Köhler, die sich für Menschen

mit Behinderungen engagiert und u.a.Schirmfrau von UNICEF und der ACHSEist, möchte auch unser Anliegen – die In-tegration von Menschen mit Down-Syn-drom – unterstützen. Dieses ihr Enga-gement verleiht unserer Arbeit mehrAufmerksamkeit, was sich positiv aufdie Lebenssituation unserer Kinder aus-wirkt.

Für diese Unterstützung sind wirFrau Köhler sehr dankbar.

Foto: Gleice Mere

E R F A H R U N G S B E R I C H T

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 65

altrigen Jungen traf, der sehr ausgiebiggebärdete. Sie wich fast den gesamtenNachmittag kaum von seiner Seite. Daswar uns Müttern wohl aufgefallen, aberBedeutung habe ich dem erst amAbendbrottisch zugemessen. Maike ge-bärdete spontan und immer wieder„fertig“. Hätte ich die Gebärde nichtselbst am Nachmittag gesehen, hätte ichsie nicht verstanden. So aber konnte ichihrem Willen entsprechen. Maike warbeeindruckt (ich auch), und noch amselben Abend kamen weitere Versuche,etwas mit den Händen auszudrücken,dazu. Sie war von Anfang an sehr krea-tiv im Erfinden von eigenen Gebärdenund hat noch an diesem Abend ihredurchaus logische Gebärde für duschengeprägt. Da war es mir dann egal, ob dieGebärden ihre Sprachentwicklunghemmten, sie konnte sich damit aus-drücken und wir sie verstehen. Inner-halb kürzester Zeit konnte sie so ziem-lich alle Gebärden aus dem GuK1-Pro-gramm und hatte sich noch so manchedazu ausgedacht. Damit wir (all die, dietagtäglich mit ihr Umgang hatten) sieverstehen konnten und die Gebärdennicht vergaßen (Maike konnte sie balddeutlich besser wie wir), hingen die Ge-bärden-Karten über Monate an unserenKüchenoberschränken und eine Mappemit den Karten war in der Kita ein vielgenutztes Bilderbuch. Ein Riesenglückhatten wir mit dem engagierten Team inder Kita, die konsequent mit gebärdethaben.

Von der Gebärde zum gesprochenen Wort

Es dauerte nicht lange und Maike be-gann, Wörter zu finden. Erst vereinzeltund dann zunehmend schneller. Oft hat-te ich den Eindruck, sie erinnert sich andas Wort nur im Zusammenhang mitder Gebärde oder dass ihr die Gebärdedie Sicherheit gab, das Wort richtig an-zuwenden. Wenn sie redete, wollte sieauch richtig verstanden werden, und siewar und ist sehr genau in der Auswahldes richtigen Begriffes. Ich glaube, dieZeit des Nicht-verstanden-Werdens hatsie sehr geprägt und so soll es ihr nichtnoch einmal gehen. Nun kam sie auchmit Außenstehenden besser zurecht,wenn es auch zunächst nur Einwortsät-ze waren, die sie lautierte. Schließlichließ sie die Gebärden einfach weg. DerReihe nach, immer da, wo sie sich ganzsicher war. Mittlerweile benutzt sie

überwiegend Drei- und auch zuneh-mend Mehrwortsätze und gebärdet garnicht mehr. Es fällt aber auf, dass sie im-mer dann, wenn es beim Sprechen an-strengend wird (z.B. in der Logopädie),gerne die Hände zum „Helfen“ mitbe-nutzt.

Und weiter mit dem frühen Lesen!

Ja und dann kam vor nicht allzu langerZeit eine Stunde, in der die Logopädinmit ihr ein Buch anschaute, in dem sichWörter und Bilder abwechselten. DieLogopädin las und Maike sollte die Bil-der benennen. Nach einem Bild folgteder Name Max und Maike benannte dasBild und Max; sie hatte sich das Wort inder Kita abgeschaut, aus einem Bilder-buch, das zu der Zeit vermehrt gelesenwurde. Uns war schnell klar, was nungefragt ist, und mit der Logopädin zu-sammen haben wir mit dem frühen Le-senlernen begonnen. Maike macht dassehr viel Spaß und es gibt deutliche Er-folge. Ich bin sehr gespannt, wie es wei-tergeht, und habe eines sicherlich ge-lernt, sehr genau darauf zu achten, wasin Maikes Entwicklung gerade angesagtist, und mich da ganz auf ihren Rhyth-mus einzulassen. Meine Befürchtungen,die Gebärden könnten Maike in irgend-einer Form am Spracherwerb hindern,haben sich in die Gewissheit gewandelt,dass wir ohne GuK noch lange nicht soweit wären wie jetzt.

Zeitschrift „Leben mit Down-Syndrom“ lebensbejahend und motivierend

Von mir noch ein herzliches Dan-keschön für die immer wieder soinformative, lebensbejahende,motivierende und auch häufig lus-tige Fachzeitschrift „Leben mit Down-Syndrom“. Ich bin froh überdas breite Spektrum, das sie im-mer wieder ansprechen, und ha-be schon viele gute Anregungenerhalten. Auch ist es gut zu sehen,was aus den Kindern alles werdenkann. Daher beeindrucken michauch stets die Berichte von Ju-gendlichen und Erwachsenen.Bitte weiter so.

Gespannt warte ich jetzt aufdie Plakataktion, ganz besondersauf das Plakat mit Ulrike Folkerts,die ich als Schauspielerin sehrschätze. Bei uns im Dorf habenwir mehrere Kinder mit Down-Syndrom und ich kann mir gutvorstellen, dass wir ein oder zweiPlakate aushängen werden. VielErfolg mit der geplanten Aktion.Herzliche Grüße

Jutta GorontzyAm Stopfer 133

48239 HavixbeckTel.: 0 25 07 / 57 17 79

PUBLIKATIONEN

68Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Sexualität – Ein Ratgeber für Eltern von Kindern mit Handicap

Autoren: Karin Melberg Schwier undDave HingsburgerVerlag: G&S Verlag, Edition 21 ISBN 3-925698-23-XPreis: 25,00 Euro ca. 200 Seiten, broschiert

Ein wichtiges Buch zu einem wichtigenThema! Offen und ehrlich, manchmalschonungslos – immer hilfreich. KarinMelberg Schwier und Dave Hingsburger nehmen „kein Blatt vor den Mund“, auchwenn es darum geht, problematischeThemen wie zum Beispiel Schwanger-schaften, AIDS oder Missbrauch anzu-sprechen.

Viele Fallbeispiele und eindringlicheZitate von Eltern und selber betroffenenjungen Frauen und Männern machendieses Buch, neben seinem praktischen Nutzen, auch zu einer ausgesprochenlesenswerten Lektüre, die weit über dashinausgeht, was „trockene Fachbücher“gemeinhin bieten können.

Dabei steht die Fachkompetenz derAutoren außer Frage. Beide arbeitenseit vielen Jahren erfolgreich und ein-fühlsam mit Behinderten. Bei den vonihnen vorgeschlagenen Strategien undHilfen steht stets der praktische Nutzenfür den Leser im Vordergrund.

Über das ganze Buch verteilt findensich eingestreut viele Zitate von Eltern,die dank ihrer Authentizität allen Le-sern zeigen: Du bist nicht alleine mit dei-nen Problemen! Und: Es gibt Wege undLösungen! Jedes Kapitel wird zudemmit Fragen und Antworten aus der Pra-xis der Autoren beendet.

Wichtige Neuerscheinung in der ReiheEdition 21 aus dem G&S Verlag

Buchthemen

Selbstvertrauen und Selbstver-ständnis: Die Grundlagen einer ge-sunden Sexualität

Was man wann beibringen sollSexualität und sexuelle Funktio-

nen – Fakten Stärke und Selbstbewusstsein auf-

bauenWerte etablierenUnterstützung für Eltern: Finden

Sie Verbündete!Grenzen setzen: Die Balance zwi-

schen Risiko und Weiterentwick-lung

Schamgefühl: Öffentlichkeit undPrivatsphäre

Risikominimierung und Selbstbe-hauptung

Wie sagt man Nein?Träume und ErwartungenÄußere Erscheinung und Be-

grüßungenGespräche über die BehinderungGrenzen einer BeziehungGesunde PsycheMedizinische VorsorgeMenstruationGesund bleibenGruppenzwangHomosexualitätSexualerziehungSex kann auch krank machenMissbrauch und AusbeutungDie erste Versuchung: Risiken

leugnenDie zweite Versuchung: Beziehun-

gen unterbindenDie dritte Versuchung: Rechte ver-

weigernSexualerziehung und PrivatsphäreJemand zum RedenSelbstbewusstseinSelbstbestimmung Heirat und BeziehungEs gibt zwei GesellschaftenSchwangerschaft und Elternschaft

– FaktenVerhütung

Lisanne, ein RoadmovieDer Film „Lisanne“ handelt von einem15-jährigen Mädchen, das sich nichtssehnlicher wünscht, als nach Dänemarkans Meer zu fahren. Sie hat das Down-Syndrom und ihr älterer Bruder Marlonhat versprochen, ihr diesen Wunsch zuerfüllen.

Es ist ein Roadmovie um die Ge-schwisterbeziehung zwischen Lisanneund Marlon. Manchmal laut, manchmalleise, energisch und dann wieder hilflos.Aber immer mit einem großen Herzenund viel Lebensfreude.

„Ich bewundere ihr kämpferischesHerz, ihr strahlendes Lächeln und ihrenHumor!“, schreibt ihr Bruder Lars-Gun-nar Lotz, Student an der Kunsthoch-schule Kassel, Abteilung Film/Fernse-hen.

Er hat diesen Kurzfilm über seineSchwester gemacht, u.a. um realistischden Konflikt zwischen Menschen mitund ohne Behinderung zu zeigen. DieArt, wie seine Schwester mit ihrer of-fenherzigen und direkten Art Menschenzum Lachen, aber auch in peinliche Si-tuationen bringt, hat ihn inspiriert. DerBruder, durch die Verantwortung, die erträgt, kommt bei ihren spontanen, ei-gensinnigen Ideen selbst auch leicht inVerlegenheit und weiß manchmal nichtgut damit umzugehen.

Bestellen

Interesse? Sie können den Film „Lisan-ne“ (Spielzeit: 18 Minuten) als DVD für10 Euro bestellen bei:Lars-Gunnar LotzGutenbergstraße 5, 34127 KasselTel.: 05 61 / 861 75 33

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GENETIK

12Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Anteil vorgeburtlich identifizierterFöten mit Fehlbildungen

De Vigan, Baena, Cariati, Clementi undStoll (2001) sowie Stoll, Tenconi undClementi (2001) untersuchten die Sensi-tivität von Ultraschalluntersuchungen in19 bzw. 20 großen gynäkologischen Zen-tren in unterschiedlichen Staaten Euro-pas, die zusammen für den Zeitraumzwischen 1996 und 1998 etwa 700 000Schwangerschaften verzeichneten. Auf-grund unterschiedlicher gesetzlicherRichtlinien variiert die Anzahl sonogra-phischer Untersuchungen sehr starkzwischen den verschiedenen Staaten. Sosehen beispielsweise Dänemark und dieNiederlande keine sonographischenVorsorgeuntersuchungen vor, wohinge-gen in anderen Staaten wie Deutsch-land, Italien, Frankreich und Spaniendrei Untersuchungen üblich sind, dar-unter mindestens eine explizite Prüfungauf Fehlbildungen (Stoll et al., 2001).

Die Erkennungsrate, das heißt derAnteil pränatal identifizierter Föten miteiner Chromosomenanomalie oder sons-tigen Fehlbildungen, variierte gemäßder Untersuchungspraxis und war in je-nen Ländern mit intensivem sonogra-phischem Screening am höchsten. Eskam hierbei weniger auf die absoluteAnzahl an Untersuchungen, sondernvielmehr auf die gezielte Suche nachFehlbildungen an (de Vigan et al., 2001).Das Untersuchungszentrum in Leipzighatte mit 85,9 % die höchste Erken-nungsrate im Vergleich zu den andereneuropäischen Zentren. In Mainz betrugsie 51,4 %. Die Abbruchrate nach posi-tivem Befund betrug in Deutschland inBezug auf alle Formen von Fehlbildun-gen 38,8 %; in Italien war mit 79,9 % imeuropäischen Vergleich die höchste Ra-te zu verzeichnen (Stoll et al., 2001).

Im Laufe der Jahre nahm bedingtdurch die Fortentwicklung der Untersu-chungsinstrumente und durch die ge-steigerte Akzeptanz der Anwendungdieser Verfahren der Anteil der präna-tal identifizierten Föten mit Fehlbildun-gen stetig zu (Stoll, Alembik, Dott &Roth, 2002; siehe Abbildung 3). In Be-zug auf Trisomie 21 – der häufigstenForm von Chromosomenanomalien –war die deutlichste Steigerung der Er-kennungsrate im Zeitraum ab 1989 zuverzeichnen und betrug am Ende der90-er Jahre 72,5 %. Zwar beziehen sichdiese Daten auf Geburtskliniken im Nor-den und Osten Frankreichs, doch ähnelt

die dortige Untersuchungspraxis derHerangehensweise in Deutschland sehrstark.

Mit dieser Entwicklung geht eineVerringerung der Anzahl lebend gebo-rener Kinder mit Down-Syndrom ein-her (siehe Abbildung 4): Seit Anfang der90-er Jahre ist eine deutliche Abnahmean Lebendgeburten zu beobachten, wo-

hingegen die Anzahl selektiver Abortedeutlich zugenommen hat (Stoll et al.,2002).

Binkert, Mutter und Schinzel (2002)berichten für die östliche Hälfte derSchweiz ebenfalls eine Zunahme dervorgeburtlichen Erkennungsrate, diebei den Frauen im Alter von 40 bis 44Jahren am stärksten ausfällt und zwi-

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Anteil pränatal diagnostizierter Fälle in Prozent

AnenzephalieSpinaBifida

Trisomie13

Trisomie21

Gesamt Trisomie18

Abb. 3:Anteil pränatal dia-gnostizierter Fötenmit einer Trisomie 13,18 oder 21, oder ei-nem Neuralrohrde-fekt. Seit Einführungpränataldiagnosti-scher Untersuchun-gen nahm der Anteilkontinuierlich zu undbetrug im Zeitraumzwischen 1994 und1999 fast 80%. DieDarstellung basiertauf den Daten vonStoll, Alembik, Dott& Roth (2002).

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Anzahl an Lebendgeburten und selektiven A

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Abb. 4:Selektive Aborte undLebendgeburten vonKindern mit Trisomie21 im Zeitraumvon 1979 bis 1999.Die Abbildungbasiert auf den Datenvon Stoll et al.(2002).

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 9

EDSA ist vor allem zu sehen als eineMöglichkeit, Kenntnisse weiterzugeben,Erfahrungen auszutauschen und sichgemeinsam auf europäischer Ebene fürdie Interessen aller Menschen mit Down-Syndrom einzusetzen. Eine Mög-lichkeit, dies zu tun, ist über das EDF(European Disability Forum), in demEDSA Mitglied ist.

Erster Welt-Down-Syndrom-Tag 21. März 2006

DSI und EDSA entschieden gemein-sam, einen weltweiten Down-Syn-

drom-Tag zu etablieren. Ein Tag imJahr, an dem weltweit durch verschie-denste, pressewirksame Aktionen derFokus auf Menschen mit Down-Syn-drom gerichtet sein soll. Im Vorfeld wur-de in den verschiedenen Gremien heftigdarüber diskutiert, wann dieser Tagsein sollte. In vielen Ländern existierenschon lange solche Tage oder Wochen(wie unsere Deutsche Down-Syndrom-Wochen). Diese sollten ja auch nicht auf-gegeben oder verändert werden!

Cedric Depuydt aus Belgien hatteschon vor zwei Jahren die Idee zu einemeuropäischen Tag und machte damit inBelgien am 25. November 2004 den An-fang. Dieses Datum wurde aus verschie-densten Gründen von vielen EDSA-Mit-gliedern als ungünstig angesehen (zunah an Weihnachten, zu kalt für Außen-

aktionen, in unserem Fall zu nah an deneigenen Aktionswochen).

Als ein geeignetes Datum für einensolchen Tag schlug Erik de Graaf ausden Niederlanden den 21. März vor. Gutgeeignet wegen die Symbolik der Zahlen21 und 3 (Monat März). Sowohl die Ver-treter aus Amerika, Afrika, Australien,Asien und Europa, die im Down-Syn-drom International DSI vertreten sind,wie die EDSA-Mitglieder akzeptiertendiesen Vorschlag und man einigte sichdarauf, dass 2006 dieser Tag zum ers-ten Mal weltweit gefeiert werden soll.Zurzeit wird überprüft, inwieweit eineUnterstützung durch die UNESCO mög-lich ist, um einen offiziellen Status zu be-kommen.

Eine Webside zum World Down-Syndrom Day wird vorbereitet. DieAdresse ist: tri21.info oder DS-day.info.

World Down-Syndrom Day am 21. März 2006 vormerken!

Alle, die inspiriert durch die Oktober-Wochen plötzlich weitere Aktionsideenhaben, müssen nun nicht ein ganzesJahr warten, sondern haben jetzt dieMöglichkeit, schon im März wieder ak-tiv zu werden. Und diejenigen, die sichnicht einen ganzen Monat lang engagie-ren möchten, können ihre gebündelteEnergie in diesen einen Tag stecken.Wenn dieser Tag durch die Presse welt-weit Beachtung findet, fällt es leichter,dafür auch vor Ort Interesse zu wecken.Außerdem, so im Frühjahr hat mandoch gerade den notwendigenSchwung, etwas auf die Beine zu stellen.Genug Argumente also, sich schon malden 21. März 2006 vorzumerken!

Die EDSA „Essentials“

Die drei ersten offiziellen Publikationenvon EDSA, die so genannten „Essenti-als“, wurden von Juan Perera vorge-stellt. Es handelt sich dabei um folgen-de Broschüren:

„Identity Document“, in der Ziele undPrinzipien von EDSA definiert werden.

„Health Care Guidelines“ mit den me-dizinischen Richtlinien und

„Orientation for Families“, mit Infor-mationen und Empfehlungen für Fami-lien.

Es sind weitere Broschüren in dieserSerie geplant.

Der neue EDSA-

Vorstand, v.l.n.r.:

Pat Clarke

Cees Zuithoff

Alberto Rasore

Cedric Depuydt

Cora Halder

terhin wissenschaftliche Kongresse or-ganisiert werden, um Forschern ein Fo-rum zu geben, ihre Arbeit einem größe-ren Publikum vorzustellen. Der nächsteEDSA-Kongress findet im Oktober 2005in San Marino statt und wird sich mitden verschiedensten Therapien befas-sen. Eine weitere wichtige Aufgabe vonEDSA wird die Unterstützung osteu-ropäischer Vereine sein.

ERFAHRUNGSBERICHT

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200561

„Et hätt noch immer jot jejangen“Wie wir zu zwei Töchtern mit Down-Syndrom kamenMartina Zilschke

Jedes Jahr erwischt mich eine mildeHerbstdepression. Das Licht wird

schwächer, der Antrieb, irgendetwas zutun, auch und die „ewige Frage wozu“(Gottfried Benn) stellt sich mit er-drückender Häufigkeit. So weit, soschlecht.

Doch im November 1997 erwischteuns etwas, das uns wirklich in denGrundfesten unseres Seins erschütterte:die endgültige Diagnose unserer Kin-derlosigkeit.

Und dabei wäre doch alles so idealgewesen: das Haus gebaut, der Baumgepflanzt – aber das Kind eben nichtzeugbar, „nur durch In-Vitro-Fertilisati-on eine 20-%-Chance“. Nein danke!

„Können Sie sich als Adoptivkindein behindertes Kind vorstellen?

Nachdem einige Nächte durchgeweintwaren, begannen wir zu reden. AlsPädagogen arbeiteten wir beide ja mit„anderer Leut Kinder“. Warum also kei-nen Antrag auf Adoption stellen? Und sokam „ein Dienstweg“ in Gang, an dessenBeginn erst einmal ein Fragebogenstand. Eine dieser Fragen veränderteunser Leben nachhaltig:

„Können Sie sich als Adoptivkind einbehindertes Kind vorstellen – und wennja, unter welchen Bedingungen ...?“

Ich hatte Sonderpädagogik und Musikstudiert und arbeitete zu diesem Zeit-punkt bereits seit neun Jahren mit inte-grativen Gruppen an der MusikschuleLeichlingen. Menschen mit Behinderun-gen waren mir und meinem Mann ver-traut. Nur – wie würde es sein, immermit einem Behinderten zu leben, nienach Hause gehen zu können, nie auf ei-nem Abiball als stolze Eltern zu sitzen?Tausende solcher Fragen gingen unsdurch den Kopf. Mein recht umfangrei-ches Wissen über Behinderungsartenwar da nicht unbedingt hilfreich, denn:Bei einem behinderten Neugeborenenist der Schweregrad einer Behinderungnicht abzuschätzen. Aber irgendwanngewann unser Vertrauen in das Lebenselbst mit einer guten Portion kölschemFatalismus: „Et hätt noch immer jot je-jangen.“ Und somit wurde die Frage imFragebogen mit ja beantwortet. Und eskam ein kleiner Zusatz dazu: Es könnteein Kind mit Down-Syndrom sein.

Fragebogen zu Ende ausgefüllt, inden Umschlag gesteckt und persönlichzum Jugendamt gebracht.

Dienstwege dauern etwas länger. Sokam es, dass unser erster Hausbesucherst am 21.Oktober 1998 zustande kam,dem Geburtstag unserer ersten Tochter(von der zu diesem Zeitpunkt noch kei-

ner etwas ahnte). Die Gerüchte über sol-che Hausbesuche stimmen alle: Es wer-den einem tausend Fragen gestellt. Unswurden allerdings zweitausend Fragengestellt, war so ein Anliegen doch rechtungewöhnlich und musste ziemlich hin-terfragt werden. Beendet wurde der Be-such mit der Aussage, dass nun nochdrei weitere Besuche ins Haus stündenund sich so ein Verfahren eben sehr zie-hen würde. Und wir bekämen dann ir-gendwann Bescheid, wann der nächsteTermin ins Haus stünde. Mit Sicherheitjedoch nicht vor dem Jahreswechsel.

Drei Wochen später kam ein Anrufaus dem Jugendamt: Es wären da eini-ge Termine ausgefallen – und ob einweiterer Termin am 15. Dezember 1998möglich sei.

Ich fand das sehr merkwürdig. MeinMann bat innigst darum, dass ich michbitte in nichts reinsteigern möge. Aberich steigerte mich ... heimlich.

Natürlich brachte besagter 15. De-zember dann genau die Nachricht, aufdie wir gewartet hatten: Es gibt da einKind – ein Mädchen mit Down-Syndromund Katarakt (grauer Star), gerade malsieben Wochen alt.

Weitere ereignisreiche und unbe-schreiblich aufregende vier Wochen spä-ter lag sie dann auf dem eilends herbei-geschnorrten Wickeltisch, schlief in dergeliehenen Wiege und wurde unter Be-obachtung meiner lieben Nachbarinzum ersten Mal von mir gewickelt. Wirlernten, die Kontaktlinse zu wechselnund Bobath zu turnen und waren an-sonsten eine „ganz normale Familie“.Marie entwickelte sich erstaunlich ra-sant, drehte sich mit sechs Monaten,krabbelte mit zwölf Monaten und lief mitknapp anderthalb Jahren.

Und da wurde unser Wunsch, dasnoch einmal zu probieren, immer grö-ßer. Und so kam Lily in unser Leben.Marie war 20 Monate alt, als ein Anrufvon einer Hebamme aus Hamburg kam.Ein kleines Mädchen von gerade einerWoche sei zur Adoption freigegeben. Ob

E R F A H R U N G S B E R I C H T

64 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Schon vor einiger Zeit machte die Lo-gopädin meiner Tochter den Vor-

schlag, doch einmal etwas über unsereErfahrungen mit dem GuK-Programmin „Leben mit Down-Syndrom“ zu ver-öffentlichen. In der letzten Ausgabe lasich dann die Vorankündigungen auf das

kommende Heft und beschloss, dassdoch gerade jetzt ein guter Zeitpunktwäre, über unsere Erfahrungen mit GuKzu berichten.

Unsere Tochter Maike wurde im Au-gust 1999 geboren. Schon seit der 25.SSW wussten wir über ihren Herzfehler

und das Down-Syndrom Bescheid undwaren nun froh, als sie in der 38. SSWgeboren wurde. Die ersten Monate wa-ren dann sehr durch ihren Herzfehlergeprägt. Nach vier Wochen erfolgrei-chem Stillen stellte Maike innerhalb we-niger Tage das Trinken ganz ein. Auchsonst war sie nur sehr eingeschränktbelastbar und wir waren sehr erleich-tert, als sie nach gut vier Monaten dieHerz-OP erfolgreich überstanden hatteund ihre Belastbarkeit stetig zunahm.Über eine konsequente Therapie nachCastillo Morales und mit viel Geduld hatsie es zwei Monate später auch wiedergeschafft, selbstständig zu trinken.

Maike hört schlecht

In dieser Zeit wurde dann auch eine mit-telgradige Schwerhörigkeit festgestellt.Maike bekam Hörgeräte, die sie mäßigakzeptierte. Lautiert hat sie mit und vor-her ohne Hörgeräte gleich wenig. Zu-gehört hat sie allerdings immer gerneund sie war auch stets fasziniert von un-seren Mundbewegungen und der Ge-sichtsmimik beim Sprechen. Ihr Hör-vermögen besserte sich stetig und nachca. einem Jahr war sie ihre Hörgerätewieder los. „Sprachlich“ mitteilen woll-te sie sich aber immer noch nicht.

Gebärden ja oder nein?

Mit einem Alter von dreieinhalb Jahrensprach sie gerade mal drei sinnvolleWörter (Papa, da, Ball) und benanntealles andere mit Geräuschen oder deu-tete hin mit ihren Fingern. Es wurdeaber langsam immer klarer, dass sie mitdieser Situation unzufrieden war. Ichhatte inzwischen viel über das GuK-Pro-gramm gelesen und gehört, war aberhin und her gerissen, was ich davon hal-ten sollte. Maike reagiert auf meine imRückblick vielleicht auch ein wenighalbherzig eingebrachten Gebärdennicht. Ich selber konnte mir kaum vor-stellen, dass, wenn sie es erst einmal ge-lernt hatte, sich über Gebärden zuäußern, sie noch einen Grund sehenwürde, sich sprachlich auszudrücken.Und ich wollte ja, dass sie spricht. Sowurden wir beide immer unzufriedener.

Maike entscheidet sich selbst für die Gebärden

Bis zu dem Tag, als Maike bei einemSpieltreff mit anderen Kindern mit Down-Syndrom auf einen etwa gleich-

Maike lernt sprechen mit GuKJutta Gorontzy

Maikes Mutter war skeptisch und befürchtete, die Gebärden könnten Maike in irgendeiner Form am Spracherwerb hindern. Jetzt ist sie überzeugt: OhneGuK wäre Maike noch lange nicht so weit wie jetzt!

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G E N E T I K

10 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Problem

Die Auswirkung pränataler Untersu-chungen auf die Inzidenz von Kindernmit angeborenen Behinderungen, ins-besondere von Kindern mit Down-Syn-drom, wird derzeit kontrovers disku-tiert. Kritiker der Pränataldiagnostik ge-hen davon aus, dass hierdurch immerweniger Kinder mit Down-Syndrom zurWelt kommen (Bonfranchi, 1996; Wil-ken, 2002). Dem gegenüber argumen-tieren Befürworter, dass aufgrund derZunahme mütterlichen Alters ehermehr Kinder mit Chromosomenanoma-lien geboren werden und diese Zunah-me mittels selektiven Aborts nach posi-tivem Befund lediglich „ausgeglichen“wird (Binkert, Mutter & Schinzel, 2002;Cornel, Breed, Beekhuis, te Meerman &ten Kate, 1993).

Die Fragestellung, ob pränataldia-gnostische Untersuchungen zu einer Re-duktion der Inzidenz insbesondere von

Kindern mit Down-Syndrom führen, istallerdings nicht leicht zu beantworten.Da kein zentrales Register für die An-zahl an Geburten von Kindern mit Tri-somie 21 existiert, muss die tatsächlicheEntwicklung auf der Basis verschiede-ner Faktoren erschlossen werden: Wiehäufig finden pränatale Untersuchun-gen statt, wie entwickelt sich die Präzi-sion pränataler Untersuchung und wiehäufig werden Schwangerschaften nacheinem positiven Befund beendet?

Häufigkeit der Anwendungpränataler Untersuchungen im Zeitraum 1987 – 2002

Betrachtet man die Schwangerschafts-statistiken seit den 80-er Jahren, so isteine kontinuierliche Zunahme des An-teils von Risikoschwangerschaften zuverzeichnen. Eine Schwangerschaft wirddann als Risikoschwangerschaft einge-stuft, wenn entweder ein anamnesti-

sches oder ein befundetes Risiko vor-liegt. Zu den anamnestischen Risikenzählen ein Alter der Frau über 35, mehrals ein Schwangerschaftsabbruch in derVorgeschichte, ein Kaiserschnitt bei derletzten Geburt oder eine Erkrankungder Schwangeren an Diabetes mellitus.Ein befundetes Risiko wird festgestellt,wenn eine Plazentainsuffizienz oder eineLageanomalie vorliegt oder wenn vor-zeitig Wehen einsetzen. Darüber hinauswird eine Reihe von Schwangerschaftenals Risikoschwangerschaft eingestuft,ohne dass das Risiko näher spezifiziertwird.

Bezogen auf Bayern nahm der Anteilan Risikoschwangerschaften von 1987bis 2002 von 55 % auf 65 % zu (Bayeri-sche Arbeitsgemeinschaft zur Qualitäts-kontrolle im Gesundheitswesen BAQ,1988 – 2003, siehe Abbildung 1).

In anderen Bundesländern liegt derAnteil an Risikoschwangerschaften so-

Der Einfluss pränataler Diagnostik und selektiven Fetozids auf die Inzidenz vonMenschen mit angeborener Behinderung

Wolfgang Lenhard, Institut für Sonderpädagogik, Universität Würzburg

Zusammenfassung: Untersucht wird der Zusammenhang zwischen pränataldiagnos-tischen Untersuchungen und der Inzidenz von Kindern mit angeborenen Behinderun-gen. In den letzten 15 Jahren stieg die Anzahl vorgeburtlicher Untersuchungen starkan. Etwa 10 Prozent der Schwangeren durchlaufen invasive Diagnostika. Die gesamte Erkennungsrate für Föten mit Trisomie 21 liegt bei ca. 72 Prozent. Einemetaanalytische Auswertung von 20 Studien zeigte, dass 90 Prozent der Frauen imFalle eines positiven Trisomie-21-Befundes die Schwangerschaft beenden, was verglichen mit anderen Behinderungsformen die höchste Abbruchrate darstellt. Die Daten deuten auf eine Zunahme selektiven Aborts hin. Mittelfristig werden die Weiterentwicklung pränataler Untersuchungen, deren stei-gende Akzeptanz und die hohe Abortrate die Zusammensetzung der Schülerschaft anFörderschulen deutlich verändern. Im Vergleich zum Beginn der 70-er Jahre hat sichder Anteil von Kindern mit Down-Syndrom bereits etwa halbiert.

G E N E T I K

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 11

gar noch höher und erreichte 1999 inNiedersachsen einen Wert von 73,4 %(NLGA 2002, 31)! Da eine Schwanger-schaft ab einem mütterlichen Alter von35 Jahren automatisch als Risiko-schwangerschaft eingestuft wird, ist die-se Zunahme zum Teil durch den fortlau-fenden Anstieg des Alters der schwange-ren Frauen bedingt. Allerdings lässt sichdie Entwicklung nicht allein auf der Ba-sis des Altersanstieges erklären, da dieKorrelation zwischen dem Anteil der Ri-sikoschwangerschaften und dem Kalen-derjahr auch nach Auspartialisierungdes Anteils der über 35-jährigen Schwan-geren immer noch r (N = 16) = .646, p =.009, beträgt. Es muss demnach weite-re Einflussfaktoren geben, die zu einerimmer stärkeren Betonung potenziellerRisiken während der Schwangerschaftführen.

Die Schwangerschaft unterliegt ei-ner sehr engmaschigen medizinischenÜberprüfung und gilt erstaunlicherwei-se in der überwiegenden Mehrzahl derFälle als Risikozustand. Es ist deshalbnicht verwunderlich, dass ein Anteil von89,0 % der Schwangeren im Laufe derSchwangerschaft mehr als acht Unter-suchungen in Anspruch nimmt (BAQ2002, 35), darunter 27,2 %, die 13 bis35 Untersuchungen durchlaufen.

Während es einerseits vorteilhafterscheint, in einem so sensiblen Zeit-raum von medizinischer Seite aus be-sondere Vorsicht walten zu lassen, mussandererseits doch gefragt werden, obnicht angesichts dieses hohen Anteils anRisikoschwangerschaften ein an sichnormaler Zustand menschlichen Lebenspathologisiert wird. Vor allem invasiveUntersuchungen sind ebenfalls nicht ri-sikolos. Der Anteil an Aborten, die durchinvasive Diagnostika ausgelöst werden,liegt bei ca. 1 % bis 2 % (Jauniaux & Ro-deck, 1995). Außerdem kann es bei derChorionzottenbiopsie durch versehent-liche Punktierung des Fötus zu einerFehlbildung der Gliedmaßen (sog. limbreduction defect) kommen.

Die Zunahme der Risikoschwanger-schaften spiegelt sich insbesondere inder Ausweitung invasiver Untersuchun-gen wider. Als 1970 die Amniozenteseentwickelt wurde, verzeichnete man inder BRD sechs Eingriffe dieser Art, 1982waren es 15.883 und 1993 schließlichinsgesamt 56.594 Amniozentesen undChorionzottenbiopsien in den alten Bun-desländern (Nippert & Horst, 1994; Nip-

pert, 1997), was einem Anteil von ca.6,2 % der Schwangerschaften entspricht.Auf Bayern bezogen stieg während desZeitraums von 1987 bis 2002 der Anteilan Schwangerschaften, bei denen eineAmniozentese (bis zur 22. Schwanger-schaftswoche) oder eine Chorionzotten-biopsie durchgeführt wurde, von 3,4 %auf 9,5 % (siehe Abbildung 2). Dies ent-

spricht einer Korrelation von r (N = 15)= .988, p = .000. Bei Auspartialisierungdes Anteils der über 35-Jährigen ergibtsich immer noch eine Korrelation von r(N = 15) = .939, p = .000. Auch hier isteine stabile Zunahme im Laufe der Jah-re zu beobachten, die sich nicht alleindurch das steigende Alter der Schwan-geren erklären lässt.

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1987 1989

Abb. 1:Entwicklung desAnteils an Risiko-schwangerschaftenin Bayern währenddes Zeitraums von1987 bis 2002.Die Daten basierenauf den jährlichenBerichten der Baye-rischen Arbeitsge-meinschaft fürQualitätskontrolleim Gesundheits-wesen (BAQ, 1998 –2003).

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1987 1989

Abb. 2:Anteil an Schwanger-schaften, bei deneneine invasive Unter-suchung (Amnio-zentesen bis zur 22.Schwangerschafts-woche und Chorion-zottenbiopsien)durchgeführt wur-de. Das Diagrammbasiert auf denDaten der BAQ(1988 – 2003).Die Angaben zumAnteil der Chorion-zottenbiopsien 1998fehlen.

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1991 1993 1995 1997 1999 2001

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Chorionzotten-biopsien

Amniozentesen(SSW < 22)

G E N E T I K

12 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Anteil vorgeburtlich identifizierterFöten mit Fehlbildungen

De Vigan, Baena, Cariati, Clementi undStoll (2001) sowie Stoll, Tenconi undClementi (2001) untersuchten die Sensi-tivität von Ultraschalluntersuchungen in19 bzw. 20 großen gynäkologischen Zen-tren in unterschiedlichen Staaten Euro-pas, die zusammen für den Zeitraumzwischen 1996 und 1998 etwa 700 000Schwangerschaften verzeichneten. Auf-grund unterschiedlicher gesetzlicherRichtlinien variiert die Anzahl sonogra-phischer Untersuchungen sehr starkzwischen den verschiedenen Staaten. Sosehen beispielsweise Dänemark und dieNiederlande keine sonographischenVorsorgeuntersuchungen vor, wohinge-gen in anderen Staaten wie Deutsch-land, Italien, Frankreich und Spaniendrei Untersuchungen üblich sind, dar-unter mindestens eine explizite Prüfungauf Fehlbildungen (Stoll et al., 2001).

Die Erkennungsrate, das heißt derAnteil pränatal identifizierter Föten miteiner Chromosomenanomalie oder sons-tigen Fehlbildungen, variierte gemäßder Untersuchungspraxis und war in je-nen Ländern mit intensivem sonogra-phischem Screening am höchsten. Eskam hierbei weniger auf die absoluteAnzahl an Untersuchungen, sondernvielmehr auf die gezielte Suche nachFehlbildungen an (de Vigan et al., 2001).Das Untersuchungszentrum in Leipzighatte mit 85,9 % die höchste Erken-nungsrate im Vergleich zu den andereneuropäischen Zentren. In Mainz betrugsie 51,4 %. Die Abbruchrate nach posi-tivem Befund betrug in Deutschland inBezug auf alle Formen von Fehlbildun-gen 38,8 %; in Italien war mit 79,9 % imeuropäischen Vergleich die höchste Ra-te zu verzeichnen (Stoll et al., 2001).

Im Laufe der Jahre nahm bedingtdurch die Fortentwicklung der Untersu-chungsinstrumente und durch die ge-steigerte Akzeptanz der Anwendungdieser Verfahren der Anteil der präna-tal identifizierten Föten mit Fehlbildun-gen stetig zu (Stoll, Alembik, Dott &Roth, 2002; siehe Abbildung 3). In Be-zug auf Trisomie 21 – der häufigstenForm von Chromosomenanomalien –war die deutlichste Steigerung der Er-kennungsrate im Zeitraum ab 1989 zuverzeichnen und betrug am Ende der90-er Jahre 72,5 %. Zwar beziehen sichdiese Daten auf Geburtskliniken im Nor-den und Osten Frankreichs, doch ähnelt

die dortige Untersuchungspraxis derHerangehensweise in Deutschland sehrstark.

Mit dieser Entwicklung geht eineVerringerung der Anzahl lebend gebo-rener Kinder mit Down-Syndrom ein-her (siehe Abbildung 4): Seit Anfang der90-er Jahre ist eine deutliche Abnahmean Lebendgeburten zu beobachten, wo-

hingegen die Anzahl selektiver Abortedeutlich zugenommen hat (Stoll et al.,2002).

Binkert, Mutter und Schinzel (2002)berichten für die östliche Hälfte derSchweiz ebenfalls eine Zunahme dervorgeburtlichen Erkennungsrate, diebei den Frauen im Alter von 40 bis 44Jahren am stärksten ausfällt und zwi-

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Anenzephalie SpinaBifida

Trisomie13

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GesamtTrisomie18

Abb. 3:Anteil pränatal dia-gnostizierter Fötenmit einer Trisomie 13,18 oder 21, oder ei-nem Neuralrohrde-fekt. Seit Einführungpränataldiagnosti-scher Untersuchun-gen nahm der Anteilkontinuierlich zu undbetrug im Zeitraumzwischen 1994 und1999 fast 80%. DieDarstellung basiertauf den Daten vonStoll, Alembik, Dott& Roth (2002).

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1979-1988

1989-1993

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Abb. 4:Selektive Aborte undLebendgeburten vonKindern mit Trisomie21 im Zeitraumvon 1979 bis 1999.Die Abbildungbasiert auf den Datenvon Stoll et al.(2002).

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Lebendgeburten

selektive Aborte

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1987 1991 1999

GENETIK

16Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

beschleunigen bzw. sollte die Verände-rung bereits jetzt in den niedrigen Jahr-gangsstufen deutlich zu merken sein.Gleichzeitig wird das Alter der Müttervon Kindern mit Down-Syndrom fort-laufend sinken, da bei jungen Mütternkein routinemäßiges Screening durch-geführt wird.

Natürlich ist es für eine Frau wün-schenswert, ein Kind ohne Behinderungzur Welt zu bringen. Das Anliegen die-ses Artikels ist keineswegs die Be-schneidung der Autonomie von Frauen,die sich in der schwierigen Entschei-dungsfindung für oder gegen ein Kindmit Behinderung befinden. Dennochmuss deutlich darauf hingewiesen wer-den, dass beispielsweise im Fall einesTrisomie-21-Befundes die einzige Mög-lichkeit einer „Therapie“ in der Beendi-gung der Schwangerschaft und somitdes Todes des Fötus mit Trisomie 21liegt.

Es muss deshalb unter Wahrung derNon-Direktivität humangenetischer Be-ratung ebenfalls das Ziel sein, Eltern aufsozialstaatliche Hilfen, Elternnetzwer-ke, Fördermöglichkeiten und Entwick-lungschancen hinzuweisen, um hier-

sollte sich die Veränderung der Zusam-mensetzung der Schülerschaft an Son-derschulen in den nächsten Jahren noch

(1972, zitiert nach Wilken, 2002) nochvon einem Anteil von 25,1 % bzw. 21,0% (Abb. 6).

Es gibt verschiedene denkbare Al-ternativerklärungen. Zum Beispiel könn-ten Schüler und Schülerinnen mit Down-Syndrom verstärkt integrativ beschultwerden und gleichzeitig die Schülerzah-len an Sonderschulen aufgrund der Zu-nahme von Kindern mit Mehrfachbe-hinderungen steigen. In diesem Fall wä-re damit eine Abnahme des Anteils vonKindern mit Down-Syndrom verbun-den, doch ist das Ausmaß der Redukti-on sicher nicht allein auf diese Faktorenzurückführbar. So stieg zwar der Anteilder Schülerschaft an Schulen mit demFörderschwerpunkt geistige Entwick-lung zwischen 1991 und 2000 von 0,35% auf 0,45 % (KMK, 2002a, 2; KMK,2002b, 28), doch ist der Anteil integriertbeschulter Kinder mit Down-Syndromde facto vernachlässigbar: In allen Inte-grationsschulen und integrativen Pro-jekten Hessens befanden sich im Schul-jahr 2002/03 gerade einmal 25 Schülerund Schülerinnen mit Down-Syndrom(Lenhard, 2003).

Da die stärkste Zunahme der Erken-nungsrate in der ersten Hälfte der 90-erJahre stattfand und bereits eine Reiheneuer Screeninginstrumente wie bei-spielsweise das Nackenfaltenscreeningimmer häufiger angewandt werden,

25

Anteil an K

indern mit D

own-Syndrom

in Prozent

1960

Abb. 6:Anteil an Schülernmit Down-Syndrom(Eggert, 1969, zitiertnach Wilken, 2002;Dittmann, 1972,zitiert nach Wilken,2002; Wilken, 2002;Lenhard, 2003)

30

197020005

r = –.914(p = .043)

20

15

198019902010

10

„Glück gehabt“ stand

auf den Postern und

Postkarten, die wir 2001

für die Deutschen Down-

Syndrom-Wochen her-

ausgaben.

„Mehr als 90 % aller

werdenden Mütter in

Deutschland entscheiden

sich gegen ihr Kind,

wenn das Ergebnis einer

pränatalen Diagnostik

Down-Syndrom lautet.

Grund dafür ist oft nur

fehlendes Wissen!“

G E N E T I K

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 13

schen 1992 und 1996 bezogen auf alleSchwangeren 45,5 % betrug. Der größ-te Teil der Frauen (94,4 %) beendete dieSchwangerschaft, 4,0 % erfuhren erstnach der 27. Schwangerschaftswochevon der Behinderung und 1,5 % (dieZahlen ergeben zusammen nur 99,5 %)entschieden sich bewusst für das Kind.Im Gegensatz zu den Ergebnissen, dieStoll et al. (2002) für Frankreich berich-ten, blieb die Anzahl lebend geborenerKinder mit Trisomie 21 in der Schweizseit 1980 jedoch aufgrund des generellgestiegenen mütterlichen Alters weitge-hend konstant. Zu einem ähnlichen Er-gebnis kommen Cornel et al. (1993), dieauf der Basis einer Schätzung für dieNiederlande sogar die Zunahme der In-zidenz des Down-Syndroms prognosti-zieren. Mit dem Ziel, aussagekräftigeepidemiologische Prognosen über diepotenzielle Vorkommenshäufigkeit an-geborener Behinderungen zu erhalten,werden üblicherweise Untersuchungs-ergebnisse aus Schwangerschaftsvor-sorgeuntersuchungen herangezogen, dasich hier der Effekt selektiven Fetozidsnicht bemerkbar machen kann. SolchenSchätzungen zufolge ergibt sich seit An-fang der 80-er Jahre eine stetige Zu-nahme der Inzidenz von Trisomie 21(Verloes et al. 2001; de Vigan et al.2001; Stoll et al., 2001; Stoll et al.,2002). Diese Zunahme wird üblicher-weise auf den Anstieg des mütterlichenAlters zurückgeführt.

Unberücksichtigt bleibt oft die Tat-sache, dass Untersuchungen währenddes ersten und zweiten Trimenons denAnteil an Chromosomenanomalien weitüberschätzen. Zwar sind die Untersu-chungsergebnisse sehr präzise und dieSensitivität insbesondere von invasivenUntersuchungen liegt fast bei 100 %.Viele Föten mit einer Chromosomen-aberration sterben aber während derSchwangerschaft ab, sodass in vorge-burtlichen Untersuchungen wesentlichmehr Föten mit Trisomie 21 festgestelltwerden, als tatsächlich später zur Weltkommen. Unter der Annahme, dasskeinerlei vorgeburtliche Untersuchun-gen stattfinden und keine Schwanger-schaft abgebrochen wird, ist die Inzi-denz lebend geborener Kinder mit Tri-somie 21 beispielsweise 54 % geringer,als dies Untersuchungen im ersten Tri-menon – üblicherweise Chorionzotten-biopsien – nahe legen (Snijders, Holz-greve, Cuckle & Nicolaides, 1994). Un-

tersuchungen während des zweiten Tri-menons – also in der Regel Amniozen-tesen – überschätzten nach Snijders et al.(1994) den Anteil immerhin noch um 21% bis 33 %, nach Halliday et al. (1995)sind es 18 %. Wenn man selektive Abor-te in die Schätzung von Lebendgeburteneinbezieht und diese als potenzielle Ge-burten verrechnet, so kommt es glei-chermaßen zu einer Überschätzung derGeburtenrate von Kindern mit Down-Syndrom (Ethen & Canfield, 2002). DieZunahme invasiver Untersuchungenund der damit verbundene Anstieg po-sitiver Diagnosen führen deshalb zu ei-ner Überschätzung der Zunahme der In-zidenz von Kindern mit Down-Syndrom.

Fragestellung

Die Daten der BAQ (1988 – 2003) doku-mentieren die starke Zunahme an invasi-ven pränatalen Untersuchungen. Gleich-zeitig kommt es, wie durch Stoll et al.(2002) dargestellt, zu einer deutlichenZunahme an pränatal identifizierten Fö-ten mit Fehlbildungen. Ob sich dieseEntwicklung merklich auf die Geburten-zahl von Kindern mit Trisomie 21 aus-wirkt, hängt im Wesentlichen von denfolgenden Fragen ab: Wie hoch ist derAnteil der Föten, die nach positivem Be-fund abgetrieben werden? Wie unter-scheidet sich die Höhe der Abbruchratein Abhängigkeit von der Behinderungs-art? Wie hat sich die Rate selektiverAborte seit der Einführung pränataldia-gnostischer Untersuchungen verändert?

Methodik

Zur Beantwortung dieser Fragen wur-den die seit den 70-er Jahren erschie-nenen Publikationen zu diesem Themasystematisch untersucht. Viele dieserStudien dokumentieren Abbruchratenin Folge eines positiven Befundes unter-schiedlicher fötaler Fehlbildungen. Diemeisten verfügen aufgrund der Selten-heit positiver Befunde aber nur überkleine Fallzahlen und stammen aus un-terschiedlichsten Regionen wie Groß-britannien, den USA, Hawaii, Israel etc.Um diese Einschränkungen der Primär-studien zu kompensieren, wurde einemetaanalytische Auswertung gewählt.

Die Studien wurden mittels der elek-tronischen Datenbanken psycInfo, Psy-chology and Behavioral Sciences Collec-tion (PsycArticles) und Medline recher-chiert. Diese Datenbanken umfassen diebibliographischen Angaben der Artikel

mehrerer tausend vorwiegend interna-tionaler Zeitschriften der Themengebie-te Humanmedizin und Psychologie.Medline indexiert 3 900, psycInfo 1 700und PsycArticles 500 Zeitschriften, wo-bei zwischen den Datenbanken sicherein großer, nicht näher spezifizierbarerÜberlappungsbereich besteht.

Als Suchbegriff diente der folgendeTerm: „(abortion OR termination) AND(selective OR elective) AND pregnancy“.Die Referenzen einzelner Artikel (wiebeispielsweise die Metaanalyse vonMansfield, Hopfer und Marteau, 1997)dienten zusätzlich als Informationsquel-le zur Recherche weiterer Publikationen.Daten aus Metaanalysen und anderenSekundärstudien wurden allerdings nichteinbezogen, sondern nur die im Originalverfügbaren Angaben verwertet.

Es wurden alle Studien einbezogen,die vollständige Angaben in Bezug aufpositive Befunde, Behinderungsformund selektive Aborte beinhalteten undüber eine Mindestgröße der Stichprobevon 15 Frauen mit positivem Befundverfügten. Diese Publikationen wurdenhinsichtlich des Erhebungszeitraums(bis 1980, 1980 bis 1989, seit 1989), dererhobenen Behinderungsart (Trisomie21, Spina bifida, Anenzephalie, Aberra-tionen der Geschlechtschromosomen,Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) und derUntersuchungsregion klassifiziert.

Des Weiteren wurden alle Angabenzur Anzahl an erfassten Schwanger-schaften, positiven Befunden (nach Be-hinderungsform) und selektiven Abor-ten extrahiert. Die Daten wurden inForm von Absolutzahlen codiert undschließlich mittels Chi2-Tests in Bezugauf Zusammenhänge hinsichtlich Zeit-raum und Behinderungsart ausgewer-tet.

Ergebnisse

Die Recherche mittels des angegebenenSuchterms in den Literaturdatenbankenerbrachte insgesamt 1277 Treffer. Eingroßer Teil dieser Publikationen be-schäftigte sich mit ethischen Aspektenselektiver Aborte, der Einstellung derBevölkerung gegenüber Schwanger-schaftsabbrüchen, medizinischen Kom-plikationen und psychologischen Kon-sequenzen der Abtreibung. Eine Reiheweiterer Untersuchungen machte un-genügende Angaben oder differenziertedie Abbruchraten nicht nach Behinde-rungsformen. Nach Berücksichtigung

RECHT

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200557

geln der Kostenordnung. Für die Beur-kundung eines Testaments oder Erb-vertrages ist dabei in der Regel der Wertdes Vermögens im Zeitpunkt der Beur-kundung maßgeblich. Vom Aktivbe-stand des Vermögens sind vorhandeneSchulden abzuziehen.

Grundgebühr

Die Grundgebühr für einen Erbvertragoder ein gemeinschaftliches Testamentbeträgt grundsätzlich etwa 0,3 % desWertes des Vermögens zuzüglich 110Euro. Errichtet nur eine Person ein Tes-tament, ist die Grundgebühr nur halb sohoch. Hinzu kommen jeweils Kosten fürAuslagen und Schreibgebühren in ge-ringer Höhe sowie die gesetzliche Mehr-wertsteuer. Beispielsweise kostet einvon Eheleuten vor dem Notar errichte-tes gemeinschaftliches Behindertentes-tament bei einem Vermögen in Höhevon 100.000 Euro insgesamt ca. 500Euro.

In den Kosten enthalten sind die um-fassende rechtliche Beratung, die Ent-wurfsfertigung sowie die Beurkundung,jeweils unabhängig vom Grad derSchwierigkeit oder vom zeitlichen Auf-wand.

Die Gebühren für die Beratungdurch einen Rechtsanwalt unterliegenanderen Vorschriften als die Notarkos-ten.

... außer man tut es!

Niemand denkt gern an den eige-nen Tod. Die Regelung der eigenenErbangelegenheiten schiebt mangerne auf die lange Bank – und ver-gisst sie. Wer für sich Handlungsbe-darf sieht, sollte deshalb nicht zulange zögern.

Denn auch beim eigenen Testa-ment gilt: Es gibt nichts Gutes,außer man tut es!

Lorenz Spall,Notar in Annweiler am TrifelsTel. 0 63 46 / 89 37E-Mail: [email protected]

(Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht inden „Informationen der

Lebenshilfe Ludwigshafen/Rhein“, AusgabeJanuar 2005

Neue Ratgeber: Finanzielle Hilfen für Familien mit behinderten Kindern

Broschüre: „Mein Kind ist behindert– diese Hilfen gibt es“

Der Bundesverband für Körper- undMehrfachbehinderte e.V. hat seinenRatgeber „Mein Kind ist behindert – die-se Hilfen gibt es“ in einer überarbeitetenVersion neu aufgelegt. Die Broschüregibt auf 52 Seiten detailliert und in ver-ständlicher Sprache Auskunft darüber,welche Hilfen Eltern behinderter Kinderund behinderte Menschen in Anspruchnehmen können: von der Frühförde-rung über die Hilfsmittelgewährung unddie Leistungen bei Pflegebedürftigkeitbis hin zu Hilfen im Berufsleben.

Die Neuauflage geht zudem intensivauf Änderungen ein, die sich durch dasam 1. Januar in Kraft getretene neueSozialhilferecht (Sozialgesetzbuch XII)ergeben haben. Wichtig für Eltern be-hinderter Kinder sind hier insbesonde-re die neuen Einkommens- und Vermö-gensgrenzen bei der Inanspruchnahmevon Sozialhilfeleistungen sowie die neu-en Regelungen für die so genannte Un-terhaltsheranziehung bei den Elternvolljähriger Kinder.

Der Ratgeber zeigt auf, welche Voraus-setzungen für die jeweiligen Leistungenerfüllt sein müssen, wo sie zu beantra-gen sind und wer nähere Auskünfte gibt.Im Anhang und im Text erhalten die Le-ser/-innen weiterführende Literatur-tipps, sodass sie bei Bedarf auch tiefer indie Materie einsteigen können.

Die Broschüre steht im Internet als Download unter www.bvkm.de in derRubrik „Recht und Politik“ zur Verfü-gung. Sie kann außerdem zum Preis von3 Euro (inkl. Porto und Verpackung) un-ter folgender Adresse bestellt werden: Bundesverband für Körper- und Mehr-fachbehinderte e.V., Stichwort „Elternratgeber“, Brehmstraße 5-7, 40239 Düsseldorf

Der Bundesverband für Körper- undMehrfachbehinderte e.V. ist ein Zusam-menschluss von rund 25.000 Mitglieds-familien. Er vertritt u.a. die Interessenbehinderter Menschen gegenüber Ge-setzgeber, Regierung und Verwaltung.

Der Rechtsdienst der Lebenshilfe

Der „Rechtsdienst der Lebenshilfe“wendet sich zwar vor allem anJurist(inn)en, Mitarbeiter(innen) inBehörden und beratende Mitarbeiter(in-nen) in Behindertenorganisationen und-einrichtungen, wir im Down-SyndromInfoCenter finden diese Zeitschrift je-doch auch sehr hilfreich. Er informiertüber aktuelle Entwicklungen in der So-zialpolitik und über die behinderte Men-schen betreffende Rechtsprechung.

Mitbeteiligt am Rechtsdienst sind ne-ben der herausgebenden Bundesverei-nigung Lebenshilfe der BundesverbandEvangelische Behindertenhilfe (BEB),der Verband Katholischer Einrichtun-gen und Dienste für lern- und geistig be-hinderte Menschen (VKELG) sowie derVerband für Anthroposophische Heil-pädagogik und Soziale Arbeit.

Zu beziehen über die Lebenshilfe. Infor-mationen unter: www.lebenshilfe.de.

E R F A H R U N G S B E R I C H T

60 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

tags). In diesen kleben wir jede WocheFotos unserer Termine hinein, d.h.Montag die Spielgruppenleiterin, Diens-tag und Donnerstag ein Bild unserer Ta-gesmami und ihrer Kinder etc. Habe ichkein passendes Foto zur Hand, male icheinfach eins, z.B. Weihnachten einenTannenbaum. Inzwischen weiß Viviane,wenn ich sie frage, was wir am Mitt-woch machen, dass sie zu Isabelle zumMuki-Turnen geht und nach dem Mit-tagsschlaf zu Frau Trümpler zum Spie-len (Frühfördertherapeutin).

Zusätzlich hängt neben der Wickel-kommode noch ein großer Janosch-Ka-lender, auf dem pro Blatt ein Monat ab-gebildet ist. Mir ist schon klar, dass Vivinoch nicht begreift, was Tage, Wochenund Monate sind, doch ich hoffe, dass ir-gendwann ein Verständnis kommt.

Zahlenverständnis und Numicon

Einkaufen gehen, CD-Player oder Fern-bedienung bedienen – überall gibt esZahlen, seien es Mengen, Preise, Ziffern.Angeregt durch einen Artikel in Lebenmit Down-Syndrom und das Bewusst-sein, dass man später, will man mög-lichst selbstständig leben, ein Zahlen-verständnis braucht, habe ich mir nunNumicon angeschafft. Beide Kinder fin-den es absolut faszinierend (ich kommegar nicht nach, Übungen vorzuberei-ten).

Allerdings habe ich inzwischen dasProblem, dass ich mit Viviane keine Zeitalleine verbringe; die zweijährige Leo-nie will schließlich auch mitmachen. Diepaar Male, die ich es bisher mit Vivi ge-schafft habe, war sie voll bei der Sache.Ich musste nach 25 Minuten abbrechen,sonst wäre sie gar nicht mehr zu ihremMittagsschlaf gekommen.

Das Tic-Tac-Würfelspiel

Die Zahlen des Würfels zu kennen ist si-cherlich nicht lebensnotwendig, aberkann auch nicht schaden. Dazu habe ichmir folgendes Spiel überlegt: Die Kinderdürfen mit einem großen Schaumstoff-würfel würfeln. Sagen sie die Augenzahlrichtig, bekommen sie die gleiche An-zahl an Tic-Tac in ihr Schatzkästchen.Ist die Antwort falsch, nehme ich dieentsprechende Anzahl aus dem Käst-chen. Nach drei Runden dürfen die Kin-der die verbliebenen Tic-Tac essen.

Cogito ergo sum – Ich denke, deshalb bin ich

Wichtig war mir, dass Viviane nicht ein-fach nur konsumiert, sondern auch ei-genständig denkt. So ist es abends einRitual geworden, sie zu fragen, was wirheute gemacht haben, was es zum Mit-tagessen gab etc. Es passiert erstaunlichviel während eines Tages, wenn man esaus Kinderperspektive betrachtet, ichhabe gestaunt.

Zu Beginn habe ich eigentlich nurden Tagesablauf repetiert, aber inzwi-schen kann sie mir schon sagen, waswir so alles erlebt haben. Zur visuellenUnterstützung hilft auch der Fotokalen-der. Zusätzlich sage ich ihr, wie das„Programm“ des nächsten Tages aus-sieht.

Quintessenz:

Viel wiederholen, viel Geduld, viel vi-sualisieren, konsequente und liebevolleErziehung, jeden Tag – so weit es geht –genießen und nicht zu sehr an Vivis Zu-kunft denken, alles verbunden mit einergroßen Portion Humor. Mit dieser Ein-stellung hat es mit Vivi bisher sehr vielSpaß gemacht.

Bald geht’s in den „Chindsgi“

Im Sommer soll sie nun in den Kinder-garten integriert werden (in der Schweizkommen die Kinder erst mit vier bis fünfJahren in den „Chindsgi“). Hoffen wir,dass es klappt.

Siehste, klapptdoch!

Die 16-jährige Christiane aus Neu-wied ist stolz und glücklich, dass

sie nun genau wie ihre großen Geschwis-ter Ski fahren kann. Zuerst waren dieEltern etwas skeptisch: Würde Christia-ne das überhaupt lernen können? Aberdie Bedenken wurden zerstreut. Heuteschreiben die Eltern: Welch eine enor-me Kraft wohnt in diesem Mädchen.Man muss nur den Mut haben, diesesPotenzial zu fördern. Für Christiane wardas längst klar. Ihr Lieblingsspruch ist:„Siehste, klappt doch!“

Heute nach drei Jahren fährt Chris-tiane alleine mit einen kleinen Schlepp-lift hinauf und in Kurven den Berg wie-der runter. Sie hat es geschafft. Und mitihrem Charme schafft sie es, dass sienie allzu lange in der Schlange vor demLift stehen muss! Von ihrem gespartenTaschengeld hat sie sich voller Stolz nunauch die bis dahin geliehenen Skier undSchuhe gekauft.

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G E N E T I K

14 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

der verschiedenen Ausschlusskriterienverblieben insgesamt 23 seit 1982 pu-blizierte Studien, von denen 21 verfüg-bar waren (siehe Tabelle 1).

Die Abbruchraten variierten stark jenach Behinderungsart, « 2 (4, N = 7782)= 1683.3, p<0.001, und waren bei Fötenmit Trisomie 21 bei einer Abbruchratevon 91,5 % am höchsten (siehe Abbil-dung 5, siehe Tabelle 2).

Der Anteil von 91,5 % würde wahr-scheinlich sogar noch höher ausfallen,wenn nicht auch späte Diagnosen be-rücksichtigt wurden. Diese schließen ineinigen Ländern einen Abort aus, da derFötus bereits extrauterin überlebenkann. Zwei Forscherteams (Daniel et al.,1982; Julian-Reynier et al., 1995) be-richten von einem Anteil von 100 % imFalle eines positiven Trisomie-21-Be-funds.

Die zweithöchste Abbruchrate tratbei Anenzephalie auf. Die Tatsache,dass mehr Frauen einen Fötus mitAnenzephalie austragen als einen Fötusmit Trisomie 21, ist zwar erstaunlich,kann aber möglicherweise daraufzurückgeführt werden, dass bei einerAnenzephalie das Kind normalerweiseinnerhalb weniger Stunden nach derGeburt verstirbt. Bei Spina bifida betrugdie Abortrate 73,5 %. Die niedrigstenAbbruchraten traten hingegen bei Fötenmit Anomalien der Geschlechtschromo-somen (Turner-Syndrom, Klinefelter-Syndrom; durchschnittliche Abortrate:46,2 %) und bei Föten mit Lippen-Kie-fer-Gaumenspalte (LKGS) auf. Insbeson-dere bei Föten mit LKGS variierten dieAbbruchraten sehr stark. Während einebritische Studie (Shaik et al., 2001) voneiner Abortrate von 8,7 % berichtet, be-trug dieser Anteil in Israel 95,8 % (Blu-menfeld et al., 1999). Die Rate inDeutschland (Berge et al., 2002) lag mit54,7 % nahe am Durchschnitt. (Abb. 5)

Ebenso nahm der Anteil der selektivabgetriebenen Föten insgesamt merk-lich zu, « 2 (2, N = 7120) = 107.8,p<0.001. Während im Zeitraum bis1980 76,2 % der Frauen nach einempositiven Befund eine Abtreibungdurchführen ließen, waren es im Zeit-raum nach 1989 88,1 %. (Tab. 2)

Die von Stoll et al. (2002) mit 72,5 %angegebene pränatale Erkennungsratefür Trisomie 21 und die Abbruchrate fürFöten mit Down-Syndrom von ca. 91,5 %,ergeben rein rechnerisch, dass ca. 66 %aller ungeborenen Kinder mit Down-

Tab. 2: Abbruchraten nach positivem Befund getrennt nach Zeitraum

Zeitraum positive Diagnosen Abbrüche Anteil

bis 1980 147 112 76,2%

ab 1980 bis 1989 652 486 74,5%

nach 1989 6345 5590 88,1%

Squire et al. (1982) UK 1972 - 1980 16 14 87,5%Daniel et al. (1982) Australien 1973 - 1980 29 29 100,0%Benn et al. (1985) US 1979 - 1984 45 43 95,6%Julian-Reynier et al. (1995) Frankreich 1984 - 1990 76 76 100,0%Binkert et al. (2002) Schweiz 1980 - 1996 396 333 84,1%Mutton et al. (1998) UK 1989 - 1997 4799 4415 92,0%Britt et al. (2000) US 1989 - 1998 144 129 89,6%Stoll et al. (2002) Frankreich 1990 - 1998 52 43 82,7%Zlotogora (2002) Israel 1998 - 2001 584 560 95,9%

Gesamt 6141 5642 91,9%

Squire et al. (1982) UK 1972 - 1980 11 7 63,6%EUROCAT Working Group (1991) Europa 1980 - 1986 189 116 61,4%Roberts et al. (1995) US 1990 - 1991 37 18 48,6%Forrester et al. (2000) Hawaii 1986 - 1997 78 64 82,1%Olde Scholtenhuis et al. (2003) Niederlande 1996 - 1999 38 35 92,1%Boyd et al. (2000) Europa 1998 - 1999 171 118 69,0%

Gesamt 487 358 73,5%

Squire et al. (1982) UK 1972 - 1980 18 18 100,0%EUROCAT Working Group (1991) Europa 1980 - 1986 347 282 81,3%Forrester et al. (2000) Hawaii 1986 - 1997 65 32 49,2%Roberts et al.(1995) US 1990 - 1991 39 9 23,1%Boyd et al. (2000) Europa 1998 - 1999 159 142 89,3%

Gesamt 628 483 76,9%

Nielsen & Videbech (1984) Dänemark 1970 - 1980 52 32 61,5%Squire et al. (1982) UK 1972 - 1980 8 6 75,0%Gravholt et al. (1996) Dänemark 1978 - 1980 28 24 85,7%Benn et al. (1985) US 1979 - 1984 31 20 64,5%Holmes-Siedle (1987) Europa 1979 - 1984 40 25 62,5%Gravholt et al. (1996) Dänemark 1986 - 1993 72 51 70,8%Forrester & Merz (2003) Hawaii 1986 - 1999 205 57 27,8%

Gesamt 409 189 46,2%

Shaikh et al. (2001) UK 1991 - 1998 23 2 8,7%Bergé et al. (2002) BRD 1990 - 1999 70

239 55,7%

Blumenfeld et al. (1999) Israel 1990 - 1999 24 23 95,8 %

Gesamt 117 64 54,7%

2davon 36 mit weiteren chromosomalen Annomalien

Tab. 1: Übersicht über die verwendeten Studien zu selektivem Abbruch nach positivem BefundTr

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GENETIK

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200515

Syndrom abgetrieben werden. DieseZahl stellt nur einen groben Schätzwertdar, da das steigende mütterliche Alternicht berücksichtigt wird. Auch fehlt dieKorrektur der bereits beschriebenenÜberschätzung der Anzahl von Lebend-geburten mit Trisomie 21 in Pränatal-untersuchungen.

Lässt man diese Einschränkungenaußer Acht, so sinkt die natürliche Inzi-denz von etwa 1 : 700 (Snijders et al.,1994) in Populationen ohne Pränatalun-tersuchungen und selektiven Abort aufca. 1 : 2000.

Diskussion

Die stetige Zunahme der Erkennungsra-te in Verbindung mit einem sehr hohenAnteil selektiver Abbrüche wird zu einerstarken Abnahme der Prävalenz vonMenschen mit Down-Syndrom führen.Die Abortraten nach positivem Befundhaben in Bezug auf die Gesamtzahl allerpositiven Befunde seit 1970 merklichzugenommen. Allerdings muss hierbeiberücksichtigt werden, dass in den letz-ten Jahren vermehrt Studien zum Abortbei Trisomie-21-Befund veröffentlichtwurden. Bei Trisomie 21 war jedoch dieAbortrate bereits in den 70-er Jahrensehr hoch (siehe Tabelle 1), sodass derAnstieg selektiver Aborte nicht zwangs-läufig auf die Änderung des Verhaltensvon Schwangeren zurückführbar ist. Al-

lerdings verzeichnete die EUROCATWorking Group (1991) eine deutlicheZunahme der Abortraten bei Föten mitNeuralrohrdefekten im Laufe der 80-erJahre. Dem gegenüber ist wahrschein-lich der Anteil selektiver Schwanger-schaftsabbrüche bei Anomalien der Ge-schlechtschromosomen vor allem in denletzten Jahren zurückgegangen, da heu-te im Vergleich zu Beginn der 80-er Jah-re das Klinefelter-Syndrom in der Regelweniger negativ bewertet wird (Dr. W.Henn, Institut für Humangenetik derUniversität Homburg, persönliche Mit-teilung vom 3. April 2003). Früher gingman davon aus, dass Jungen mit Kline-felter-Syndrom mit hoher Wahrschein-lichkeit später straffällig werden. DieseAnsicht entspricht nicht mehr der heuti-gen Lehrmeinung. Die einzige Kompli-kation bei Männern mit Klinefelter-Syn-drom ist Unfruchtbarkeit. Aus diesemGrund raten Humangenetiker in Bera-tungsgesprächen bei positivem Klinefel-ter-Syndrom von einem selektivenAbort ab.

Eine notgedrungene Einschränkungder Metaanalyse liegt in der Verrech-nung von Daten aus verschiedenen Län-dern, in denen jeweils unterschiedlichegesetzliche Rahmenbedingungen gelten.Beispielsweise ist seit der Neuregelungdes § 218a in Deutschland ein Schwan-gerschaftsabbruch bei diagnostizierter

Behinderung theoretisch bis zur Geburtrechtlich zulässig. In anderen Ländernwird aus gutem Grund ein Abort nur zu-gelassen, so lange die Lebensfähigkeitdes Kindes ausgeschlossen werden kann.Dieser Zeitpunkt ist heutzutage ange-sichts der Fortschritte der Neonatologiebis zur 21. Schwangerschaftswochevorgerückt. In der Metaanalyse sind al-so die Fälle von Schwangeren berück-sichtigt, die trotz positiven Befunds ausrechtlichen Gründen nicht abtreibenkonnten, selbst wenn dies ihr Wille ge-wesen wäre. Die Abbruchraten werdenhierdurch eher unterschätzt.

Trotz der Einschränkungen decktsich das Ergebnis dieser Studie mit an-deren Publikationen. So wurden bei-spielsweise die Auswirkungen des Triple-Tests in Wallonien (Süd-Belgien)untersucht (Verloes et al., 2001). DerTest wurde von der Forschungsgruppeum Verloes in dieser Region zum 1. Ja-nuar 1990eingeführt und zuvor dortnicht angewandt. Nach einer Über-gangsphase zwischen 1990 und 1992wurde und wird der Test heute schät-zungsweise von zwei Dritteln bis dreiVierteln der schwangeren Frauen in An-spruch genommen (Verloes et al., 2001).Die Vergleiche zwischen der Zeit vor(1984 – 1989) und nach (1993 – 1998)der Einführung des Triple-Tests erga-ben insgesamt einen Anstieg der präna-tal identifizierten Föten mit Trisomie 21von 14 % auf 58 %. Da in dieser Regionca. 90 % bis 95 % der Frauen nach po-sitivem Befund die Schwangerschaft ab-brachen, sank die Inzidenz lebend ge-borener Säuglinge mit Trisomie 21 er-heblich von 1 : 1058 auf 1 : 1606.

Da Deutschland zu jenen Ländernmit äußerst progressivem Einsatz vonPränataldiagnostik gehört, schlägt sichdie Abnahme der Inzidenz, z.B. von Kin-dern mit Down-Syndrom, bereits in derSchülerschaft an den Schulen für Kindermit geistiger Behinderung nieder. So be-richtet Wilken (2002) von einer Halbie-rung des Anteils der Kinder mit Down-Syndrom an Sonderschulen seit 1970.Nach einer eigenen Befragung (Len-hard, 2003), an der sich ca. ein Drittelder Förderschulen für Kinder mit geisti-ger Behinderung Baden-Württembergsbeteiligten, betrug der Anteil von Kin-dern mit Down-Syndrom 2003 15,3 %(440 von 2879 Schülern). Zu Beginn der70-er Jahre berichteten Eggert (1969,zitiert nach Wilken, 2002) und Dittmann

40

60

80

Anteil selektiver A

borte in Prozent

Trisomie 21SpinaBifida

GeschlechtLKGS Anen-zephalie

Abb. 5:Anteil selektiverAborte nachBehinderungsart

100

20

0

Art der Diagnose

E R F A H R U N G S B E R I C H T

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 59

Arbeitstage einmal mit ganz anderenThemen zu befassen. Diesen „Egois-mus“ habe ich bis heute nicht bereut.Zudem habe ich damals noch einmal dieWoche abends Sport gemacht. Das alleshalf enorm, um Kraft für meinen Haupt-beruf „Mami“ zu tanken.

„Kleine Schritte“ zur Förderung derKreativität

Ich habe ab ca. 3 Monaten mit demFrühförderprogramm „Kleine Schritte“gearbeitet. Nicht so intensiv, wie mansollte, aber immerhin.

Die Frühfördertherapeutin hat mirdabei geholfen. Für mich war und ist eseine Richtschnur, um zu sehen, wo Vivisteht und wohin ich sie als Nächstes be-gleiten kann.

Am Anfang haben wir ca. alle sechsbis acht Wochen die Checklisten der ver-schiedenen Bereiche „abgehakt“. Daswar aufgrund der Vielfalt erkennbarerFortschritte sehr motivierend. Inzwi-schen geht es allerdings gemächlichervoran, da ein vierjähriges Mädchen ein-fach komplexer gestrickt ist als ein klei-nes Baby. Die „Kleinen Schritte“ habenmir geholfen, meine Ungeduld zu be-kämpfen und ein großes Bild von dermultidimensionalen Entwicklung einesKleinkindes zu bekommen. Zusätzlichist es für mich eine Hilfestellung für diegemeinsame Arbeit mit der Frühför-dertherapeutin.

So hatte ich bereits vor ca. zwei Jah-ren gehofft, ich könnte schon bald mein„Häkchen“ unter der Rubrik „Hüpfen“machen. Nachdem mir die Frühförder-therapeutin erklärt hatte, was für einschwieriges Unterfangen das ist, habeich geduldig gewartet … und jetzt, mitvier Jahren, klappt es auf einmal. Wares die kleine Schwester Leonie, die Vividazu motiviert hat, das „Springen“ vomBeckenrand ins Schwimmbad im Som-merurlaub, das Hüpfen ins Heu bei derTagesmami Nummer zwei auf dem Bau-ernhof? Wahrscheinlich von allem et-was …

Auch wenn ich eine Art Hassliebemit den „Kleinen Schritten“ führe, ha-ben sie mich durch das schrittweiseVorgehen etwas ganz Wichtiges gelehrt:Zum einen bin ich ziemlich kreativ ge-worden, was die Förderung von Vivianeanbelangt. Zum anderen hätte ich ohnedie „Kleinen Schritte“ nicht „gelernt“,auf die Details des Lebens zu achten.

Als ich letzten Herbst mit den Kinderneinen „Spaziergang“ (ca. 500 Meter) ge-macht habe, sind wir durch ein kleinesStück Wald an einem Bach entlang ge-laufen. Wir haben uns die verschiede-nen Farben der Blätter angeschaut, dasLaub in die Luft geworfen, die Rinde amBaumstamm gefühlt, sind auf demBaumstamm balanciert und haben „Aufder Mauer, auf der Lauer“ gesungen,sind vom Baumstumpf gehüpft, habendem Rauschen des Baches gelauschtund dem Vogelgezwitscher, haben klei-ne und große Steine ins Wasser gewor-fen, haben den Unterschied zwischentrockenen und nassen Steinen gespürtund und und.

Das alles binnen einer Stunde – ei-gentlich die Power-Frühförderung, wiemir abends beim Wiederholen des Ta-gesablaufs mit Vivi bewusst wurde. Oh-ne sie würde ich die Welt nicht so be-wusst und mit „Kinderaugen“ sehen.

Videokamera – Erlebtes bleibt erhalten

Als Viviane ein Jahr alt war, haben wiruns zum Kauf einer Videokamera ent-schlossen. Eine lohnende Investition.Anhand der Sequenzen, die ich gefilmthabe, z.B. so alltägliche Dinge wie Entenfüttern, Besuch von Oma und Opa etc.und das wiederholte gemeinsame An-schauen, hat sie sich Namen von Perso-nen sehr gut merken können und auchErlebnisse mit deren Einzelheiten, z.B.beim Zoobesuch die ganzen Tiere, beimFastnachtsumzug die Instrumente, beimFingerfarbenmalen die Farben etc.

Musik liegt in der Luft

Schon als Vivi ein kleines Baby war, ha-be ich viel mit ihr gesungen und getanzt(vorzugsweise Ricky Martin). Auch derPapi hat ihr viele Kinderlieder auf demKlavier vorgespielt und ich habe meinealte Gitarre wieder ausgegraben.

Ein Kurs zum Muki-Singen gab mirAnregungen, die Lieder mit Gestik undRhythmusinstrumenten (z.B. Reis in ei-ner Filmdose) zu untermalen. UnsereCD-Sammlung ist inzwischen auf einebeachtliche Zahl angewachsen. Und so-bald wir Auto fahren, tönt es vom Rück-sitz: „Mami, Kindermusik bitte,“ Ob diedauernde Wiederholung sowohl von Vi-deos als auch Liedern Vivis Sprachent-wicklung (sowohl expressiv als auch re-zeptiv) unterstützt hat? Auf jeden Fallhat sie mit zwei Jahren schon fast 50Wörter gesprochen und heute kommenDrei- und Mehrwortsätze. Auch das„du“ sagt sie und das „ich“– anschei-nend ein sehr wichtiger Entwicklungs-schritt – kommt immer häufiger.

Zeitverständnis

Nachdem wir meine größte Angst, dassVivi nicht sprechen kann, aus dem Wegräumen konnten, bin ich mutiger ge-worden. Ich hatte mal gelesen, dassMenschen mit Down-Syndrom eher imHier und Jetzt leben und kein Zeitver-ständnis besäßen. Ich dachte mir: Ei-nen Versuch ist es wert, das Gegenteilauszuprobieren, und habe einen Wo-chenkalender gebastelt, der über derWickelkommode hängt (DIN-A1-For-mat, unterteilt nach vor- und nachmit-

ERFAHRUNGSBERICHT

58Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Britta Rath

Knapp viereinhalb Jahre ist Vivianejetzt bei uns. In dieser Zeit war die

Zeitschrift Leben mit Down-Syndrommein Begleiter. Teilweise haben mir dieArtikel aufs Gemüt gedrückt, anderer-seits waren auch viele wertvolle Tippsund Anregungen dabei.

Dies hat mich veranlasst, meine per-sönlichen Erfahrungen bezüglich derFörderung von Vivi zu schreiben. Viel-leicht ist für Sie ja auch die eine oder an-dere Anregung dabei.

Die richtige Einstellung macht’s

Nachdem ich nach der Geburt drei Tagenur geschockt und traurig war, hat micheine Assistenzärztin durch folgende Be-merkung aus dem Tal der Tränen ge-holt: „Wissen Sie, man kann ja zu Reli-gion und Philosophie stehen, wie manwill, aber gehen Sie doch davon aus,dass die Kinder sich ihre Eltern aussu-chen. Und Viviane wollte genau Sie alsMami haben.“

Ab dem Zeitpunkt habe ich michnicht mehr nach dem „Warum“ gefragt.Ich war wieder voller Energie und habein die Zukunft geschaut. Ich habe mirüberlegt, was ich mit meiner Erziehungerreichen wollte – so viele Gedanke hät-te ich mir bei einem so genannten nor-malen Kind sicher nicht gemacht.

Zunächst wollte ich das, was sie inihrem kleinen Köpfchen an Potenzialhat, optimal fördern. Außerdem solltesie zu viel Selbstständigkeit erzogenwerden, so dass sie später ein möglichsteigenständiges Leben (in einem ge-schützten Umfeld) führen kann. Außer-dem dachte ich mir, fördert Selbststän-digkeit das Selbstbewusstsein, was ihrvielleicht hilft, sich gegen mögliche An-feindungen besser zur Wehr zu setzen.Vor allem aber wollte ich, dass sie spä-ter – in welcher Ausprägung auch im-mer – ein glücklicher und zufriedenerMensch wird.

So normal wie möglich

Auch ich wollte weiterhin das Leben ge-nießen und lachen können – trotz einesbehinderten Kindes (heute lässt michdiese Aussage etwas lächeln, aber da-

mals hatte ich noch keine Vorstellung,wie viel wir lachen würden).

Außerdem wollte ich so normal wiemöglich weiterleben. Dazu gehörteauch, dass ich, wie vor der Geburt ge-plant, nach vier Monaten Pause wiederzwei Tage die Woche arbeiten ging. Ichhatte sehr viel Glück mit der Tagesma-mi für Vivi, sie hatte selber drei Jungsim Alter von damals ein, drei und fünfJahren und nahm Vivi wie ihr viertes ei-genes Kind auf. Eine natürliche Förde-

rung, quasi ganz von selbst in einer„Großfamilie“.

Zudem habe ich mit ihr Kurse be-sucht, die Mütter „normaler“ Kinderhier in der Schweiz auch besuchen, an-gefangen von PEKIP, Baby-Schwimmenüber Muki-Singen und -Turnen bis zumSpielgruppenbesuch.

Nur eine ausgeglichene Mami ist eine gute Mami

Mir tat es gut, mich während der zwei

Immer weiter mit kleinen Schritten

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GENETIK

14Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

der verschiedenen Ausschlusskriterienverblieben insgesamt 23 seit 1982 pu-blizierte Studien, von denen 21 verfüg-bar waren (siehe Tabelle 1).

Die Abbruchraten variierten stark jenach Behinderungsart, « 2 (4, N = 7782)= 1683.3, p<0.001, und waren bei Fötenmit Trisomie 21 bei einer Abbruchratevon 91,5 % am höchsten (siehe Abbil-dung 5, siehe Tabelle 2).

Der Anteil von 91,5 % würde wahr-scheinlich sogar noch höher ausfallen,wenn nicht auch späte Diagnosen be-rücksichtigt wurden. Diese schließen ineinigen Ländern einen Abort aus, da derFötus bereits extrauterin überlebenkann. Zwei Forscherteams (Daniel et al.,1982; Julian-Reynier et al., 1995) be-richten von einem Anteil von 100 % imFalle eines positiven Trisomie-21-Be-funds.

Die zweithöchste Abbruchrate tratbei Anenzephalie auf. Die Tatsache,dass mehr Frauen einen Fötus mitAnenzephalie austragen als einen Fötusmit Trisomie 21, ist zwar erstaunlich,kann aber möglicherweise daraufzurückgeführt werden, dass bei einerAnenzephalie das Kind normalerweiseinnerhalb weniger Stunden nach derGeburt verstirbt. Bei Spina bifida betrugdie Abortrate 73,5 %. Die niedrigstenAbbruchraten traten hingegen bei Fötenmit Anomalien der Geschlechtschromo-somen (Turner-Syndrom, Klinefelter-Syndrom; durchschnittliche Abortrate:46,2 %) und bei Föten mit Lippen-Kie-fer-Gaumenspalte (LKGS) auf. Insbeson-dere bei Föten mit LKGS variierten dieAbbruchraten sehr stark. Während einebritische Studie (Shaik et al., 2001) voneiner Abortrate von 8,7 % berichtet, be-trug dieser Anteil in Israel 95,8 % (Blu-menfeld et al., 1999). Die Rate inDeutschland (Berge et al., 2002) lag mit54,7 % nahe am Durchschnitt. (Abb. 5)

Ebenso nahm der Anteil der selektivabgetriebenen Föten insgesamt merk-lich zu, « 2 (2, N = 7120) = 107.8,p<0.001. Während im Zeitraum bis1980 76,2 % der Frauen nach einempositiven Befund eine Abtreibungdurchführen ließen, waren es im Zeit-raum nach 1989 88,1 %. (Tab. 2)

Die von Stoll et al. (2002) mit 72,5 %angegebene pränatale Erkennungsratefür Trisomie 21 und die Abbruchrate fürFöten mit Down-Syndrom von ca. 91,5 %,ergeben rein rechnerisch, dass ca. 66 %aller ungeborenen Kinder mit Down-

Tab. 2: Abbruchraten nach positivem Befund getrennt nach Zeitraum

Zeitraumpositive DiagnosenAbbrücheAnteil

bis 198014711276,2%

ab 1980 bis 198965248674,5%

nach 19896345559088,1%

Squire et al. (1982)UK1972 - 1980161487,5%Daniel et al. (1982)Australien1973 - 19802929100,0%Benn et al. (1985)US1979 - 1984454395,6%Julian-Reynier et al. (1995)Frankreich1984 - 19907676100,0%Binkert et al. (2002)Schweiz1980 - 199639633384,1%Mutton et al. (1998)UK1989 - 19974799441592,0%Britt et al. (2000)US1989 - 199814412989,6%Stoll et al. (2002)Frankreich1990 - 1998524382,7%Zlotogora (2002)Israel 1998 - 200158456095,9%

Gesamt6141564291,9%

Squire et al. (1982)UK1972 - 198011763,6%EUROCAT Working Group (1991)Europa1980 - 198618911661,4%Roberts et al. (1995)US1990 - 1991371848,6%Forrester et al. (2000)Hawaii1986 - 1997786482,1%Olde Scholtenhuis et al. (2003)Niederlande1996 - 1999383592,1%Boyd et al. (2000)Europa1998 - 199917111869,0%

Gesamt48735873,5%

Squire et al. (1982)UK1972 - 19801818100,0%EUROCAT Working Group (1991)Europa1980 - 198634728281,3%Forrester et al. (2000)Hawaii1986 - 1997653249,2%Roberts et al.(1995)US1990 - 199139923,1%Boyd et al. (2000)Europa1998 - 199915914289,3%

Gesamt62848376,9%

Nielsen & Videbech (1984)Dänemark1970 - 1980523261,5%Squire et al. (1982)UK1972 - 19808675,0%Gravholt et al. (1996)Dänemark1978 - 1980282485,7%Benn et al. (1985)US1979 - 1984312064,5%Holmes-Siedle (1987)Europa1979 - 1984402562,5%Gravholt et al. (1996)Dänemark1986 - 1993725170,8%Forrester & Merz (2003)Hawaii1986 - 19992055727,8%

Gesamt40918946,2%

Shaikh et al. (2001)UK1991 - 19982328,7%Bergé et al. (2002)BRD1990 - 199970

23955,7%

Blumenfeld et al. (1999)Israel1990 - 1999242395,8 %

Gesamt1176454,7%

2davon 36 mit weiteren chromosomalen Annomalien

Tab. 1: Übersicht über die verwendeten Studien zu selektivem Abbruch nach positivem Befund

Trisomie 21

Spina BifidaA

nenzephalieG

eschlechtschromoso-

men (X

XX

, XX

Y, X

YY

)Lippen-K

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aumenspalte

AutorenRegionZeitraumpos. Dia-Ab-Anteilgnosenbrüche

G E N E T I K

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 15

Syndrom abgetrieben werden. DieseZahl stellt nur einen groben Schätzwertdar, da das steigende mütterliche Alternicht berücksichtigt wird. Auch fehlt dieKorrektur der bereits beschriebenenÜberschätzung der Anzahl von Lebend-geburten mit Trisomie 21 in Pränatal-untersuchungen.

Lässt man diese Einschränkungenaußer Acht, so sinkt die natürliche Inzi-denz von etwa 1 : 700 (Snijders et al.,1994) in Populationen ohne Pränatalun-tersuchungen und selektiven Abort aufca. 1 : 2000.

Diskussion

Die stetige Zunahme der Erkennungsra-te in Verbindung mit einem sehr hohenAnteil selektiver Abbrüche wird zu einerstarken Abnahme der Prävalenz vonMenschen mit Down-Syndrom führen.Die Abortraten nach positivem Befundhaben in Bezug auf die Gesamtzahl allerpositiven Befunde seit 1970 merklichzugenommen. Allerdings muss hierbeiberücksichtigt werden, dass in den letz-ten Jahren vermehrt Studien zum Abortbei Trisomie-21-Befund veröffentlichtwurden. Bei Trisomie 21 war jedoch dieAbortrate bereits in den 70-er Jahrensehr hoch (siehe Tabelle 1), sodass derAnstieg selektiver Aborte nicht zwangs-läufig auf die Änderung des Verhaltensvon Schwangeren zurückführbar ist. Al-

lerdings verzeichnete die EUROCATWorking Group (1991) eine deutlicheZunahme der Abortraten bei Föten mitNeuralrohrdefekten im Laufe der 80-erJahre. Dem gegenüber ist wahrschein-lich der Anteil selektiver Schwanger-schaftsabbrüche bei Anomalien der Ge-schlechtschromosomen vor allem in denletzten Jahren zurückgegangen, da heu-te im Vergleich zu Beginn der 80-er Jah-re das Klinefelter-Syndrom in der Regelweniger negativ bewertet wird (Dr. W.Henn, Institut für Humangenetik derUniversität Homburg, persönliche Mit-teilung vom 3. April 2003). Früher gingman davon aus, dass Jungen mit Kline-felter-Syndrom mit hoher Wahrschein-lichkeit später straffällig werden. DieseAnsicht entspricht nicht mehr der heuti-gen Lehrmeinung. Die einzige Kompli-kation bei Männern mit Klinefelter-Syn-drom ist Unfruchtbarkeit. Aus diesemGrund raten Humangenetiker in Bera-tungsgesprächen bei positivem Klinefel-ter-Syndrom von einem selektivenAbort ab.

Eine notgedrungene Einschränkungder Metaanalyse liegt in der Verrech-nung von Daten aus verschiedenen Län-dern, in denen jeweils unterschiedlichegesetzliche Rahmenbedingungen gelten.Beispielsweise ist seit der Neuregelungdes § 218a in Deutschland ein Schwan-gerschaftsabbruch bei diagnostizierter

Behinderung theoretisch bis zur Geburtrechtlich zulässig. In anderen Ländernwird aus gutem Grund ein Abort nur zu-gelassen, so lange die Lebensfähigkeitdes Kindes ausgeschlossen werden kann.Dieser Zeitpunkt ist heutzutage ange-sichts der Fortschritte der Neonatologiebis zur 21. Schwangerschaftswochevorgerückt. In der Metaanalyse sind al-so die Fälle von Schwangeren berück-sichtigt, die trotz positiven Befunds ausrechtlichen Gründen nicht abtreibenkonnten, selbst wenn dies ihr Wille ge-wesen wäre. Die Abbruchraten werdenhierdurch eher unterschätzt.

Trotz der Einschränkungen decktsich das Ergebnis dieser Studie mit an-deren Publikationen. So wurden bei-spielsweise die Auswirkungen des Triple-Tests in Wallonien (Süd-Belgien)untersucht (Verloes et al., 2001). DerTest wurde von der Forschungsgruppeum Verloes in dieser Region zum 1. Ja-nuar 1990 eingeführt und zuvor dortnicht angewandt. Nach einer Über-gangsphase zwischen 1990 und 1992wurde und wird der Test heute schät-zungsweise von zwei Dritteln bis dreiVierteln der schwangeren Frauen in An-spruch genommen (Verloes et al., 2001).Die Vergleiche zwischen der Zeit vor(1984 – 1989) und nach (1993 – 1998)der Einführung des Triple-Tests erga-ben insgesamt einen Anstieg der präna-tal identifizierten Föten mit Trisomie 21von 14 % auf 58 %. Da in dieser Regionca. 90 % bis 95 % der Frauen nach po-sitivem Befund die Schwangerschaft ab-brachen, sank die Inzidenz lebend ge-borener Säuglinge mit Trisomie 21 er-heblich von 1 : 1058 auf 1 : 1606.

Da Deutschland zu jenen Ländernmit äußerst progressivem Einsatz vonPränataldiagnostik gehört, schlägt sichdie Abnahme der Inzidenz, z.B. von Kin-dern mit Down-Syndrom, bereits in derSchülerschaft an den Schulen für Kindermit geistiger Behinderung nieder. So be-richtet Wilken (2002) von einer Halbie-rung des Anteils der Kinder mit Down-Syndrom an Sonderschulen seit 1970.Nach einer eigenen Befragung (Len-hard, 2003), an der sich ca. ein Drittelder Förderschulen für Kinder mit geisti-ger Behinderung Baden-Württembergsbeteiligten, betrug der Anteil von Kin-dern mit Down-Syndrom 2003 15,3 %(440 von 2879 Schülern). Zu Beginn der70-er Jahre berichteten Eggert (1969,zitiert nach Wilken, 2002) und Dittmann

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Trisomie 21 SpinaBifida

Geschlecht LKGSAnen-zephalie

Abb. 5:Anteil selektiverAborte nachBehinderungsart

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Art der Diagnose

ERFAHRUNGSBERICHT

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200559

Arbeitstage einmal mit ganz anderenThemen zu befassen. Diesen „Egois-mus“ habe ich bis heute nicht bereut.Zudem habe ich damals noch einmal dieWoche abends Sport gemacht. Das alleshalf enorm, um Kraft für meinen Haupt-beruf „Mami“ zu tanken.

„Kleine Schritte“ zur Förderung derKreativität

Ich habe ab ca. 3 Monaten mit demFrühförderprogramm „Kleine Schritte“gearbeitet. Nicht so intensiv, wie mansollte, aber immerhin.

Die Frühfördertherapeutin hat mirdabei geholfen. Für mich war und ist eseine Richtschnur, um zu sehen, wo Vivisteht und wohin ich sie als Nächstes be-gleiten kann.

Am Anfang haben wir ca. alle sechsbis acht Wochen die Checklisten der ver-schiedenen Bereiche „abgehakt“. Daswar aufgrund der Vielfalt erkennbarerFortschritte sehr motivierend. Inzwi-schen geht es allerdings gemächlichervoran, da ein vierjähriges Mädchen ein-fach komplexer gestrickt ist als ein klei-nes Baby. Die „Kleinen Schritte“ habenmir geholfen, meine Ungeduld zu be-kämpfen und ein großes Bild von dermultidimensionalen Entwicklung einesKleinkindes zu bekommen. Zusätzlichist es für mich eine Hilfestellung für diegemeinsame Arbeit mit der Frühför-dertherapeutin.

So hatte ich bereits vor ca. zwei Jah-ren gehofft, ich könnte schon bald mein„Häkchen“ unter der Rubrik „Hüpfen“machen. Nachdem mir die Frühförder-therapeutin erklärt hatte, was für einschwieriges Unterfangen das ist, habeich geduldig gewartet … und jetzt, mitvier Jahren, klappt es auf einmal. Wares die kleine Schwester Leonie, die Vividazu motiviert hat, das „Springen“ vomBeckenrand ins Schwimmbad im Som-merurlaub, das Hüpfen ins Heu bei derTagesmami Nummer zwei auf dem Bau-ernhof? Wahrscheinlich von allem et-was …

Auch wenn ich eine Art Hassliebemit den „Kleinen Schritten“ führe, ha-ben sie mich durch das schrittweiseVorgehen etwas ganz Wichtiges gelehrt:Zum einen bin ich ziemlich kreativ ge-worden, was die Förderung von Vivianeanbelangt. Zum anderen hätte ich ohnedie „Kleinen Schritte“ nicht „gelernt“,auf die Details des Lebens zu achten.

Als ich letzten Herbst mit den Kinderneinen „Spaziergang“ (ca. 500 Meter) ge-macht habe, sind wir durch ein kleinesStück Wald an einem Bach entlang ge-laufen. Wir haben uns die verschiede-nen Farben der Blätter angeschaut, dasLaub in die Luft geworfen, die Rinde amBaumstamm gefühlt, sind auf demBaumstamm balanciert und haben „Aufder Mauer, auf der Lauer“ gesungen,sind vom Baumstumpf gehüpft, habendem Rauschen des Baches gelauschtund dem Vogelgezwitscher, haben klei-ne und große Steine ins Wasser gewor-fen, haben den Unterschied zwischentrockenen und nassen Steinen gespürtund und und.

Das alles binnen einer Stunde – ei-gentlich die Power-Frühförderung, wiemir abends beim Wiederholen des Ta-gesablaufs mit Vivi bewusst wurde. Oh-ne sie würde ich die Welt nicht so be-wusst und mit „Kinderaugen“ sehen.

Videokamera – Erlebtes bleibt erhalten

Als Viviane ein Jahr alt war, haben wiruns zum Kauf einer Videokamera ent-schlossen. Eine lohnende Investition.Anhand der Sequenzen, die ich gefilmthabe, z.B. so alltägliche Dinge wie Entenfüttern, Besuch von Oma und Opa etc.und das wiederholte gemeinsame An-schauen, hat sie sich Namen von Perso-nen sehr gut merken können und auchErlebnisse mit deren Einzelheiten, z.B.beim Zoobesuch die ganzen Tiere, beimFastnachtsumzug die Instrumente, beimFingerfarbenmalen die Farben etc.

Musik liegt in der Luft

Schon als Vivi ein kleines Baby war, ha-be ich viel mit ihr gesungen und getanzt(vorzugsweise Ricky Martin). Auch derPapi hat ihr viele Kinderlieder auf demKlavier vorgespielt und ich habe meinealte Gitarre wieder ausgegraben.

Ein Kurs zum Muki-Singen gab mirAnregungen, die Lieder mit Gestik undRhythmusinstrumenten (z.B. Reis in ei-ner Filmdose) zu untermalen. UnsereCD-Sammlung ist inzwischen auf einebeachtliche Zahl angewachsen. Und so-bald wir Auto fahren, tönt es vom Rück-sitz: „Mami, Kindermusik bitte,“ Ob diedauernde Wiederholung sowohl von Vi-deos als auch Liedern Vivis Sprachent-wicklung (sowohl expressiv als auch re-zeptiv) unterstützt hat? Auf jeden Fallhat sie mit zwei Jahren schon fast 50Wörter gesprochen und heute kommenDrei- und Mehrwortsätze. Auch das„du“ sagt sie und das „ich“– anschei-nend ein sehr wichtiger Entwicklungs-schritt – kommt immer häufiger.

Zeitverständnis

Nachdem wir meine größte Angst, dassVivi nicht sprechen kann, aus dem Wegräumen konnten, bin ich mutiger ge-worden. Ich hatte mal gelesen, dassMenschen mit Down-Syndrom eher imHier und Jetzt leben und kein Zeitver-ständnis besäßen. Ich dachte mir: Ei-nen Versuch ist es wert, das Gegenteilauszuprobieren, und habe einen Wo-chenkalender gebastelt, der über derWickelkommode hängt (DIN-A1-For-mat, unterteilt nach vor- und nachmit-

E R F A H R U N G S B E R I C H T

58 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Britta Rath

Knapp viereinhalb Jahre ist Vivianejetzt bei uns. In dieser Zeit war die

Zeitschrift Leben mit Down-Syndrommein Begleiter. Teilweise haben mir dieArtikel aufs Gemüt gedrückt, anderer-seits waren auch viele wertvolle Tippsund Anregungen dabei.

Dies hat mich veranlasst, meine per-sönlichen Erfahrungen bezüglich derFörderung von Vivi zu schreiben. Viel-leicht ist für Sie ja auch die eine oder an-dere Anregung dabei.

Die richtige Einstellung macht’s

Nachdem ich nach der Geburt drei Tagenur geschockt und traurig war, hat micheine Assistenzärztin durch folgende Be-merkung aus dem Tal der Tränen ge-holt: „Wissen Sie, man kann ja zu Reli-gion und Philosophie stehen, wie manwill, aber gehen Sie doch davon aus,dass die Kinder sich ihre Eltern aussu-chen. Und Viviane wollte genau Sie alsMami haben.“

Ab dem Zeitpunkt habe ich michnicht mehr nach dem „Warum“ gefragt.Ich war wieder voller Energie und habein die Zukunft geschaut. Ich habe mirüberlegt, was ich mit meiner Erziehungerreichen wollte – so viele Gedanke hät-te ich mir bei einem so genannten nor-malen Kind sicher nicht gemacht.

Zunächst wollte ich das, was sie inihrem kleinen Köpfchen an Potenzialhat, optimal fördern. Außerdem solltesie zu viel Selbstständigkeit erzogenwerden, so dass sie später ein möglichsteigenständiges Leben (in einem ge-schützten Umfeld) führen kann. Außer-dem dachte ich mir, fördert Selbststän-digkeit das Selbstbewusstsein, was ihrvielleicht hilft, sich gegen mögliche An-feindungen besser zur Wehr zu setzen.Vor allem aber wollte ich, dass sie spä-ter – in welcher Ausprägung auch im-mer – ein glücklicher und zufriedenerMensch wird.

So normal wie möglich

Auch ich wollte weiterhin das Leben ge-nießen und lachen können – trotz einesbehinderten Kindes (heute lässt michdiese Aussage etwas lächeln, aber da-

mals hatte ich noch keine Vorstellung,wie viel wir lachen würden).

Außerdem wollte ich so normal wiemöglich weiterleben. Dazu gehörteauch, dass ich, wie vor der Geburt ge-plant, nach vier Monaten Pause wiederzwei Tage die Woche arbeiten ging. Ichhatte sehr viel Glück mit der Tagesma-mi für Vivi, sie hatte selber drei Jungsim Alter von damals ein, drei und fünfJahren und nahm Vivi wie ihr viertes ei-genes Kind auf. Eine natürliche Förde-

rung, quasi ganz von selbst in einer„Großfamilie“.

Zudem habe ich mit ihr Kurse be-sucht, die Mütter „normaler“ Kinderhier in der Schweiz auch besuchen, an-gefangen von PEKIP, Baby-Schwimmenüber Muki-Singen und -Turnen bis zumSpielgruppenbesuch.

Nur eine ausgeglichene Mami ist eine gute Mami

Mir tat es gut, mich während der zwei

Immer weiter mit kleinen Schritten

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G E N E T I K

16 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

beschleunigen bzw. sollte die Verände-rung bereits jetzt in den niedrigen Jahr-gangsstufen deutlich zu merken sein.Gleichzeitig wird das Alter der Müttervon Kindern mit Down-Syndrom fort-laufend sinken, da bei jungen Mütternkein routinemäßiges Screening durch-geführt wird.

Natürlich ist es für eine Frau wün-schenswert, ein Kind ohne Behinderungzur Welt zu bringen. Das Anliegen die-ses Artikels ist keineswegs die Be-schneidung der Autonomie von Frauen,die sich in der schwierigen Entschei-dungsfindung für oder gegen ein Kindmit Behinderung befinden. Dennochmuss deutlich darauf hingewiesen wer-den, dass beispielsweise im Fall einesTrisomie-21-Befundes die einzige Mög-lichkeit einer „Therapie“ in der Beendi-gung der Schwangerschaft und somitdes Todes des Fötus mit Trisomie 21liegt.

Es muss deshalb unter Wahrung derNon-Direktivität humangenetischer Be-ratung ebenfalls das Ziel sein, Eltern aufsozialstaatliche Hilfen, Elternnetzwer-ke, Fördermöglichkeiten und Entwick-lungschancen hinzuweisen, um hier-

sollte sich die Veränderung der Zusam-mensetzung der Schülerschaft an Son-derschulen in den nächsten Jahren noch

(1972, zitiert nach Wilken, 2002) nochvon einem Anteil von 25,1 % bzw. 21,0% (Abb. 6).

Es gibt verschiedene denkbare Al-ternativerklärungen. Zum Beispiel könn-ten Schüler und Schülerinnen mit Down-Syndrom verstärkt integrativ beschultwerden und gleichzeitig die Schülerzah-len an Sonderschulen aufgrund der Zu-nahme von Kindern mit Mehrfachbe-hinderungen steigen. In diesem Fall wä-re damit eine Abnahme des Anteils vonKindern mit Down-Syndrom verbun-den, doch ist das Ausmaß der Redukti-on sicher nicht allein auf diese Faktorenzurückführbar. So stieg zwar der Anteilder Schülerschaft an Schulen mit demFörderschwerpunkt geistige Entwick-lung zwischen 1991 und 2000 von 0,35% auf 0,45 % (KMK, 2002a, 2; KMK,2002b, 28), doch ist der Anteil integriertbeschulter Kinder mit Down-Syndromde facto vernachlässigbar: In allen Inte-grationsschulen und integrativen Pro-jekten Hessens befanden sich im Schul-jahr 2002/03 gerade einmal 25 Schülerund Schülerinnen mit Down-Syndrom(Lenhard, 2003).

Da die stärkste Zunahme der Erken-nungsrate in der ersten Hälfte der 90-erJahre stattfand und bereits eine Reiheneuer Screeninginstrumente wie bei-spielsweise das Nackenfaltenscreeningimmer häufiger angewandt werden,

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Abb. 6:Anteil an Schülernmit Down-Syndrom(Eggert, 1969, zitiertnach Wilken, 2002;Dittmann, 1972,zitiert nach Wilken,2002; Wilken, 2002;Lenhard, 2003)

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werdenden Mütter in

Deutschland entscheiden

sich gegen ihr Kind,

wenn das Ergebnis einer

pränatalen Diagnostik

Down-Syndrom lautet.

Grund dafür ist oft nur

fehlendes Wissen!“

GENETIK

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200513

schen 1992 und 1996 bezogen auf alleSchwangeren 45,5 % betrug. Der größ-te Teil der Frauen (94,4 %) beendete dieSchwangerschaft, 4,0 % erfuhren erstnach der 27. Schwangerschaftswochevon der Behinderung und 1,5 % (dieZahlen ergeben zusammen nur 99,5 %)entschieden sich bewusst für das Kind.Im Gegensatz zu den Ergebnissen, dieStoll et al. (2002) für Frankreich berich-ten, blieb die Anzahl lebend geborenerKinder mit Trisomie 21 in der Schweizseit 1980 jedoch aufgrund des generellgestiegenen mütterlichen Alters weitge-hend konstant. Zu einem ähnlichen Er-gebnis kommen Cornel et al. (1993), dieauf der Basis einer Schätzung für dieNiederlande sogar die Zunahme der In-zidenz des Down-Syndroms prognosti-zieren. Mit dem Ziel, aussagekräftigeepidemiologische Prognosen über diepotenzielle Vorkommenshäufigkeit an-geborener Behinderungen zu erhalten,werden üblicherweise Untersuchungs-ergebnisse aus Schwangerschaftsvor-sorgeuntersuchungen herangezogen, dasich hier der Effekt selektiven Fetozidsnicht bemerkbar machen kann. SolchenSchätzungen zufolge ergibt sich seit An-fang der 80-er Jahre eine stetige Zu-nahme der Inzidenz von Trisomie 21(Verloes et al. 2001; de Vigan et al.2001; Stoll et al., 2001; Stoll et al.,2002). Diese Zunahme wird üblicher-weise auf den Anstieg des mütterlichenAlters zurückgeführt.

Unberücksichtigt bleibt oft die Tat-sache, dass Untersuchungen währenddes ersten und zweiten Trimenons denAnteil an Chromosomenanomalien weitüberschätzen. Zwar sind die Untersu-chungsergebnisse sehr präzise und dieSensitivität insbesondere von invasivenUntersuchungen liegt fast bei 100 %.Viele Föten mit einer Chromosomen-aberration sterben aber während derSchwangerschaft ab, sodass in vorge-burtlichen Untersuchungen wesentlichmehr Föten mit Trisomie 21 festgestelltwerden, als tatsächlich später zur Weltkommen. Unter der Annahme, dasskeinerlei vorgeburtliche Untersuchun-gen stattfinden und keine Schwanger-schaft abgebrochen wird, ist die Inzi-denz lebend geborener Kinder mit Tri-somie 21 beispielsweise 54 % geringer,als dies Untersuchungen im ersten Tri-menon – üblicherweise Chorionzotten-biopsien – nahe legen (Snijders, Holz-greve, Cuckle & Nicolaides, 1994). Un-

tersuchungen während des zweiten Tri-menons – also in der Regel Amniozen-tesen – überschätzten nach Snijders et al.(1994) den Anteil immerhin noch um 21% bis 33 %, nach Halliday et al. (1995)sind es 18 %. Wenn man selektive Abor-te in die Schätzung von Lebendgeburteneinbezieht und diese als potenzielle Ge-burten verrechnet, so kommt es glei-chermaßen zu einer Überschätzung derGeburtenrate von Kindern mit Down-Syndrom (Ethen & Canfield, 2002). DieZunahme invasiver Untersuchungenund der damit verbundene Anstieg po-sitiver Diagnosen führen deshalb zu ei-ner Überschätzung der Zunahme der In-zidenz von Kindern mit Down-Syndrom.

Fragestellung

Die Daten der BAQ (1988 – 2003) doku-mentieren die starke Zunahme an invasi-ven pränatalen Untersuchungen. Gleich-zeitig kommt es, wie durch Stoll et al.(2002) dargestellt, zu einer deutlichenZunahme an pränatal identifizierten Fö-ten mit Fehlbildungen. Ob sich dieseEntwicklung merklich auf die Geburten-zahl von Kindern mit Trisomie 21 aus-wirkt, hängt im Wesentlichen von denfolgenden Fragen ab: Wie hoch ist derAnteil der Föten, die nach positivem Be-fund abgetrieben werden? Wie unter-scheidet sich die Höhe der Abbruchratein Abhängigkeit von der Behinderungs-art? Wie hat sich die Rate selektiverAborte seit der Einführung pränataldia-gnostischer Untersuchungen verändert?

Methodik

Zur Beantwortung dieser Fragen wur-den die seit den 70-er Jahren erschie-nenen Publikationen zu diesem Themasystematisch untersucht. Viele dieserStudien dokumentieren Abbruchratenin Folge eines positiven Befundes unter-schiedlicher fötaler Fehlbildungen. Diemeisten verfügen aufgrund der Selten-heit positiver Befunde aber nur überkleine Fallzahlen und stammen aus un-terschiedlichsten Regionen wie Groß-britannien, den USA, Hawaii, Israel etc.Um diese Einschränkungen der Primär-studien zu kompensieren, wurde einemetaanalytische Auswertung gewählt.

Die Studien wurden mittels der elek-tronischen Datenbanken psycInfo, Psy-chology and Behavioral Sciences Collec-tion (PsycArticles) und Medline recher-chiert. Diese Datenbanken umfassen diebibliographischen Angaben der Artikel

mehrerer tausend vorwiegend interna-tionaler Zeitschriften der Themengebie-te Humanmedizin und Psychologie.Medline indexiert 3 900, psycInfo 1 700und PsycArticles 500 Zeitschriften, wo-bei zwischen den Datenbanken sicherein großer, nicht näher spezifizierbarerÜberlappungsbereich besteht.

Als Suchbegriff diente der folgendeTerm: „(abortion OR termination) AND(selective OR elective) AND pregnancy“.Die Referenzen einzelner Artikel (wiebeispielsweise die Metaanalyse vonMansfield, Hopfer und Marteau, 1997)dienten zusätzlich als Informationsquel-le zur Recherche weiterer Publikationen.Daten aus Metaanalysen und anderenSekundärstudien wurden allerdings nichteinbezogen, sondern nur die im Originalverfügbaren Angaben verwertet.

Es wurden alle Studien einbezogen,die vollständige Angaben in Bezug aufpositive Befunde, Behinderungsformund selektive Aborte beinhalteten undüber eine Mindestgröße der Stichprobevon 15 Frauen mit positivem Befundverfügten. Diese Publikationen wurdenhinsichtlich des Erhebungszeitraums(bis 1980, 1980 bis 1989, seit 1989), dererhobenen Behinderungsart (Trisomie21, Spina bifida, Anenzephalie, Aberra-tionen der Geschlechtschromosomen,Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) und derUntersuchungsregion klassifiziert.

Des Weiteren wurden alle Angabenzur Anzahl an erfassten Schwanger-schaften, positiven Befunden (nach Be-hinderungsform) und selektiven Abor-ten extrahiert. Die Daten wurden inForm von Absolutzahlen codiert undschließlich mittels Chi2-Tests in Bezugauf Zusammenhänge hinsichtlich Zeit-raum und Behinderungsart ausgewer-tet.

Ergebnisse

Die Recherche mittels des angegebenenSuchterms in den Literaturdatenbankenerbrachte insgesamt 1277 Treffer. Eingroßer Teil dieser Publikationen be-schäftigte sich mit ethischen Aspektenselektiver Aborte, der Einstellung derBevölkerung gegenüber Schwanger-schaftsabbrüchen, medizinischen Kom-plikationen und psychologischen Kon-sequenzen der Abtreibung. Eine Reiheweiterer Untersuchungen machte un-genügende Angaben oder differenziertedie Abbruchraten nicht nach Behinde-rungsformen. Nach Berücksichtigung

R E C H T

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 57

geln der Kostenordnung. Für die Beur-kundung eines Testaments oder Erb-vertrages ist dabei in der Regel der Wertdes Vermögens im Zeitpunkt der Beur-kundung maßgeblich. Vom Aktivbe-stand des Vermögens sind vorhandeneSchulden abzuziehen.

Grundgebühr

Die Grundgebühr für einen Erbvertragoder ein gemeinschaftliches Testamentbeträgt grundsätzlich etwa 0,3 % desWertes des Vermögens zuzüglich 110Euro. Errichtet nur eine Person ein Tes-tament, ist die Grundgebühr nur halb sohoch. Hinzu kommen jeweils Kosten fürAuslagen und Schreibgebühren in ge-ringer Höhe sowie die gesetzliche Mehr-wertsteuer. Beispielsweise kostet einvon Eheleuten vor dem Notar errichte-tes gemeinschaftliches Behindertentes-tament bei einem Vermögen in Höhevon 100.000 Euro insgesamt ca. 500Euro.

In den Kosten enthalten sind die um-fassende rechtliche Beratung, die Ent-wurfsfertigung sowie die Beurkundung,jeweils unabhängig vom Grad derSchwierigkeit oder vom zeitlichen Auf-wand.

Die Gebühren für die Beratungdurch einen Rechtsanwalt unterliegenanderen Vorschriften als die Notarkos-ten.

... außer man tut es!

Niemand denkt gern an den eige-nen Tod. Die Regelung der eigenenErbangelegenheiten schiebt mangerne auf die lange Bank – und ver-gisst sie. Wer für sich Handlungsbe-darf sieht, sollte deshalb nicht zulange zögern.

Denn auch beim eigenen Testa-ment gilt: Es gibt nichts Gutes,außer man tut es!

Lorenz Spall,Notar in Annweiler am TrifelsTel. 0 63 46 / 89 37E-Mail: [email protected]

(Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht inden „Informationen der

Lebenshilfe Ludwigshafen/Rhein“, AusgabeJanuar 2005

Neue Ratgeber: Finanzielle Hilfen für Familien mit behinderten Kindern

Broschüre: „Mein Kind ist behindert– diese Hilfen gibt es“

Der Bundesverband für Körper- undMehrfachbehinderte e.V. hat seinenRatgeber „Mein Kind ist behindert – die-se Hilfen gibt es“ in einer überarbeitetenVersion neu aufgelegt. Die Broschüregibt auf 52 Seiten detailliert und in ver-ständlicher Sprache Auskunft darüber,welche Hilfen Eltern behinderter Kinderund behinderte Menschen in Anspruchnehmen können: von der Frühförde-rung über die Hilfsmittelgewährung unddie Leistungen bei Pflegebedürftigkeitbis hin zu Hilfen im Berufsleben.

Die Neuauflage geht zudem intensivauf Änderungen ein, die sich durch dasam 1. Januar in Kraft getretene neueSozialhilferecht (Sozialgesetzbuch XII)ergeben haben. Wichtig für Eltern be-hinderter Kinder sind hier insbesonde-re die neuen Einkommens- und Vermö-gensgrenzen bei der Inanspruchnahmevon Sozialhilfeleistungen sowie die neu-en Regelungen für die so genannte Un-terhaltsheranziehung bei den Elternvolljähriger Kinder.

Der Ratgeber zeigt auf, welche Voraus-setzungen für die jeweiligen Leistungenerfüllt sein müssen, wo sie zu beantra-gen sind und wer nähere Auskünfte gibt.Im Anhang und im Text erhalten die Le-ser/-innen weiterführende Literatur-tipps, sodass sie bei Bedarf auch tiefer indie Materie einsteigen können.

Die Broschüre steht im Internet als Download unter www.bvkm.de in derRubrik „Recht und Politik“ zur Verfü-gung. Sie kann außerdem zum Preis von3 Euro (inkl. Porto und Verpackung) un-ter folgender Adresse bestellt werden: Bundesverband für Körper- und Mehr-fachbehinderte e.V., Stichwort „Elternratgeber“, Brehmstraße 5-7, 40239 Düsseldorf

Der Bundesverband für Körper- undMehrfachbehinderte e.V. ist ein Zusam-menschluss von rund 25.000 Mitglieds-familien. Er vertritt u.a. die Interessenbehinderter Menschen gegenüber Ge-setzgeber, Regierung und Verwaltung.

Der Rechtsdienst der Lebenshilfe

Der „Rechtsdienst der Lebenshilfe“wendet sich zwar vor allem anJurist(inn)en, Mitarbeiter(innen) inBehörden und beratende Mitarbeiter(in-nen) in Behindertenorganisationen und-einrichtungen, wir im Down-SyndromInfoCenter finden diese Zeitschrift je-doch auch sehr hilfreich. Er informiertüber aktuelle Entwicklungen in der So-zialpolitik und über die behinderte Men-schen betreffende Rechtsprechung.

Mitbeteiligt am Rechtsdienst sind ne-ben der herausgebenden Bundesverei-nigung Lebenshilfe der BundesverbandEvangelische Behindertenhilfe (BEB),der Verband Katholischer Einrichtun-gen und Dienste für lern- und geistig be-hinderte Menschen (VKELG) sowie derVerband für Anthroposophische Heil-pädagogik und Soziale Arbeit.

Zu beziehen über die Lebenshilfe. Infor-mationen unter: www.lebenshilfe.de.

ERFAHRUNGSBERICHT

60Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

tags). In diesen kleben wir jede WocheFotos unserer Termine hinein, d.h.Montag die Spielgruppenleiterin, Diens-tag und Donnerstag ein Bild unserer Ta-gesmami und ihrer Kinder etc. Habe ichkein passendes Foto zur Hand, male icheinfach eins, z.B. Weihnachten einenTannenbaum. Inzwischen weiß Viviane,wenn ich sie frage, was wir am Mitt-woch machen, dass sie zu Isabelle zumMuki-Turnen geht und nach dem Mit-tagsschlaf zu Frau Trümpler zum Spie-len (Frühfördertherapeutin).

Zusätzlich hängt neben der Wickel-kommode noch ein großer Janosch-Ka-lender, auf dem pro Blatt ein Monat ab-gebildet ist. Mir ist schon klar, dass Vivinoch nicht begreift, was Tage, Wochenund Monate sind, doch ich hoffe, dass ir-gendwann ein Verständnis kommt.

Zahlenverständnis und Numicon

Einkaufen gehen, CD-Player oder Fern-bedienung bedienen – überall gibt esZahlen, seien es Mengen, Preise, Ziffern.Angeregt durch einen Artikel in Lebenmit Down-Syndromund das Bewusst-sein, dass man später, will man mög-lichst selbstständig leben, ein Zahlen-verständnis braucht, habe ich mir nunNumicon angeschafft. Beide Kinder fin-den es absolut faszinierend (ich kommegar nicht nach, Übungen vorzuberei-ten).

Allerdings habe ich inzwischen dasProblem, dass ich mit Viviane keine Zeitalleine verbringe; die zweijährige Leo-nie will schließlich auch mitmachen. Diepaar Male, die ich es bisher mit Vivi ge-schafft habe, war sie voll bei der Sache.Ich musste nach 25 Minuten abbrechen,sonst wäre sie gar nicht mehr zu ihremMittagsschlaf gekommen.

Das Tic-Tac-Würfelspiel

Die Zahlen des Würfels zu kennen ist si-cherlich nicht lebensnotwendig, aberkann auch nicht schaden. Dazu habe ichmir folgendes Spiel überlegt: Die Kinderdürfen mit einem großen Schaumstoff-würfel würfeln. Sagen sie die Augenzahlrichtig, bekommen sie die gleiche An-zahl an Tic-Tac in ihr Schatzkästchen.Ist die Antwort falsch, nehme ich dieentsprechende Anzahl aus dem Käst-chen. Nach drei Runden dürfen die Kin-der die verbliebenen Tic-Tac essen.

Cogito ergo sum – Ich denke, deshalb bin ich

Wichtig war mir, dass Viviane nicht ein-fach nur konsumiert, sondern auch ei-genständig denkt. So ist es abends einRitual geworden, sie zu fragen, was wirheute gemacht haben, was es zum Mit-tagessen gab etc. Es passiert erstaunlichviel während eines Tages, wenn man esaus Kinderperspektive betrachtet, ichhabe gestaunt.

Zu Beginn habe ich eigentlich nurden Tagesablauf repetiert, aber inzwi-schen kann sie mir schon sagen, waswir so alles erlebt haben. Zur visuellenUnterstützung hilft auch der Fotokalen-der. Zusätzlich sage ich ihr, wie das„Programm“ des nächsten Tages aus-sieht.

Quintessenz:

Viel wiederholen, viel Geduld, viel vi-sualisieren, konsequente und liebevolleErziehung, jeden Tag – so weit es geht –genießen und nicht zu sehr an Vivis Zu-kunft denken, alles verbunden mit einergroßen Portion Humor. Mit dieser Ein-stellung hat es mit Vivi bisher sehr vielSpaß gemacht.

Bald geht’s in den „Chindsgi“

Im Sommer soll sie nun in den Kinder-garten integriert werden (in der Schweizkommen die Kinder erst mit vier bis fünfJahren in den „Chindsgi“). Hoffen wir,dass es klappt.

Siehste, klapptdoch!

Die 16-jährige Christiane aus Neu-wied ist stolz und glücklich, dass

sie nun genau wie ihre großen Geschwis-ter Ski fahren kann. Zuerst waren dieEltern etwas skeptisch: Würde Christia-ne das überhaupt lernen können? Aberdie Bedenken wurden zerstreut. Heuteschreiben die Eltern: Welch eine enor-me Kraft wohnt in diesem Mädchen.Man muss nur den Mut haben, diesesPotenzial zu fördern. Für Christiane wardas längst klar. Ihr Lieblingsspruch ist:„Siehste, klappt doch!“

Heute nach drei Jahren fährt Chris-tiane alleine mit einen kleinen Schlepp-lift hinauf und in Kurven den Berg wie-der runter. Sie hat es geschafft. Und mitihrem Charme schafft sie es, dass sienie allzu lange in der Schlange vor demLift stehen muss! Von ihrem gespartenTaschengeld hat sie sich voller Stolz nunauch die bis dahin geliehenen Skier undSchuhe gekauft.

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MEDIZIN

20Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Lebenserwartung und Todesursachenbei Down-Syndrom

Down-Syndromund Krebs

Mehr Leukämie, aber kaum andereFormen von Krebs bei Menschenmit Down-Syndrom

Prof. Dean Nizetic hielt beim Kongressin Genua einen Vortrag zum ThemaKrebs bei Menschen mit Down-Syn-drom. Hier eine kurze Zusammenfas-sung seines Beitrags.

Es scheint ein komplizierter Zusam-menhang zu bestehen zwischen demChromosom 21 und dem Auftreten vonKrebs. Dies geht schon deutlich hervoraus der bekannten Tatsache, dass Men-schen mit Down-Syndrom ein 20 Malhöheres Risiko haben, im Kindesalteran Leukämie zu erkranken.

Paradoxerweise jedoch scheint dieTrisomie 21 vor der Entwicklung vonKarzinomen zu schützen. Bei Kindernmit Down-Syndrom werden Neurobla-stomen und Nephroblastomen sehr sel-ten beobachtet. Ebenso findet man beiErwachsenen mit Down-Syndrom sehrselten Unterleibskrebs, Brustkrebs oderMagen-/Darmkrebs. Im Vergleich mit dereuploiden (mit dem üblichen Chromoso-mensatz ausgestatteten) Bevölkerungsind diese Krebsarten deutlich unterre-präsentiert.

Dies wurde in sechs unterschiedli-chen, voneinander unabhängigen Studi-en aus Frankreich, Dänemark, Japan,Großbritannien, den USA und Israelfestgestellt.

Eine amerikanische Studie über dieTodesursachen von vielen Millionen US-Bürgern – davon ca. 18000 mit Down-Syndrom – stellte verblüffende Unter-schiede fest. Verglichen nach Alter undGeschlecht ist die Wahrscheinlichkeitfür eine Person mit Down-Syndrom, anirgendeiner Form von Gewebekrebs zusterben, um 50 bis 100 Mal niedriger.Diese epidemischen Daten weisen dar-auf hin, dass das Chromosom 21 Geneenthält, die die Entwicklung von solidenTumoren zu unterdrücken scheinen.

Wenn man herausfinden könnte,was genau Menschen mit Down-Syn-drom davor schützt, bösartige Tumorezu bekommen, könnten diese Kenntnis-se für neue therapeutische Strategienfür alle Krebspatienten genutzt werden.

Eine Studie, die Anfang Februar im„Journal of the National Cancer In-

stitute“ erschien, berichtete, dass dieHeilungschancen für an Leukämie er-krankte Kinder mit Down-Syndrom sehrgut wären im Vergleich zu denen ande-rer Kinder. Es handelt sich hierbei umeine bestimmte Form von Leukämie(AMkL), die Form, die am häufigsten beikleinen Kindern mit Down-Syndromauftritt. Die Behandlung mit Chemothe-rapie ist bei dieser Kindergruppe viel er-folgreicher als bei Kindern ohne Down-Syndrom – die Überlebenschancen sindhöher und sie erleben weniger Rückfälle.

Zurückzuführen sei dies, nach Dr.Yubin Ge vom Karmanos Cancer Institutin Detroit, auf eine bestimmte Genmu-tation, die man bei fast allen Kindernmit Down-Syndrom und AMkL feststel-len konnte. Kinder ohne Down-Syn-drom und Leukämie haben diese Gen-mutation nicht. So wurden bei 14 von16Babys mit Down-Syndrom (davon wa-ren zwölf AMkL-Patienten) die GATA1Mutation festgestellt. Bei den 56 ande-

ren Patienten mit Leukämie war die Mu-tation nicht vorhanden. Es handelt sichum das 40-kDA GATA1 Protein, vondem man annimmt, dass es für den Un-terschied bei den Heilungschancen ver-antwortlich ist.

Laboruntersuchungen zeigten, dassdurch die GATA1 Mutation das Medika-ment, das bei Leukämie eingesetzt wird,bei Kindern mit Down-Syndrom besserwirkt. Zellen mit einem normalen GATAProtein waren zwischen acht und 17Mal weniger empfänglich für dieses Me-dikament.

Aber die GATA1 Mutation ist einzweischneidiges Schwert. Es trägt zwareinerseits dazu bei, dass die kleinenLeukämiepatienten bessere Heilungs-chancen haben, die Wissenschaftler inDetroit nehmen aber an, dass sie gleich-zeitig das Risiko erhöht, überhaupt Leu-kämie zu bekommen.

Quelle:Ge, Y. Journal of the National

Cancer Institute. Feb. 2, 2005; vol 97: S. 226-231

In einer Studie aus den USA von 1983bis 1997 (wie im vorgehenden Artikel

schon erwähnt) wurden das Sterbealterund die Todesursachen bei Menschenmit Down-Syndrom näher untersucht.

Der Hintergrund dieser Studie war,dass obwohl das Down-Syndrom die amhäufigsten vorkommende Form einermentalen Behinderung darstellt, es re-lativ wenig aktuelle Informationen überdie Sterblichkeitsziffer und die Todesur-sachen bei Menschen mit Down-Syn-drom gibt. Für die Studie wurden die Da-ten von Sterbeurkunden genutzt, die inden USA zwischen 1983 und 1997 aus-gestellt wurden. Mit Hilfe dieser Datenkonnten das durchschnittliche Sterbeal-ter und die verschiedenen gesundheitli-chen Probleme, die bei dieser Zielgrup-pe zum Tod führten, ermittelt werden.

Durchschnittsalter dramatisch gestiegen

Die Studie umfasste über 32 MillionenTodesfälle, davon 17897 von Personenmit Down-Syndrom. Die Verteilung überdie verschiedenen Rassen wurde ange-geben mit 87 % Weiße, 11 % Schwarzeund 2 % andere Rassen.

Bei den 17897 Personen in der Stu-die, die Down-Syndrom hatten, war dasdurchschnittliche Lebensalter von 25Jahren 1983 auf 49 Jahre 1997 ange-stiegen. Das ist eine Zunahme von 1,7Jahre pro Jahr. Ein Vergleich zu derübrigen Population: Hier stieg das Alterwährend dieser fünfzehn Jahre von 73auf 76 Jahre an, also ein Zuwachs voninsgesamt nur drei Jahren.

Vor allem in den frühen 90-er Jah-ren war eine dramatische Zunahme des

Bessere Heilungschancen bei Leukämiefür Kinder mit Down-Syndrom

G E N E T I K

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 17

Glossar

Amniozentese = Fruchtwasseruntersuchung. Aus der Fruchtblase (Am-nionhöhle) der schwangeren Frau wird eine geringe Menge Fruchtwasser ent-nommen. Darin befinden sich Zellen des Fötus und der Mutter. Die fetalen Zel-len werden extrahiert und ausreichend vermehrt, um anschließend einer DNA-Analyse und einer Analyse der Chromosomen unterzogen zu werden, wodurchsich Erbkrankheiten und Chromosomenanomalien wie die Trisomie 21 fest-stellen lassen. Darüber hinaus erlaubt die Untersuchung des Fruchtwassers(zumindest ab dem zweiten Schwangerschaftstrimenon) die Bestimmung wei-terer Kennwerte. In der Regel werden Amniozentesen ab der 15. Schwanger-schaftswoche durchgeführt. Sie sind aber auch bereits ab der 10. Woche mög-lich (Frühamniozentesen), wobei zu diesem Zeitpunkt allerdings ein erhöhtesVerletzungsrisiko für den Fötus besteht.

Chorionzottenbiopsie (auch Chorionbiopsie) = Untersuchung fetaler Zellendurch Entnahme von Proben aus den Zotten der Chorionhaut, die später diePlazenta bildet. Der Eingriff findet in der 7. bis 12. Schwangerschaftswochestatt. Die Untersuchung der gewonnenen fetalen Zellen ähnelt dem Vorgehenbei der Amniozentese.

Inzidenz (in diesem Kontext) = Anteil von neugeborenen Säuglingen mit ange-borenen Behinderungen an der Gesamtzahl der Geburten in diesem Jahrgang.

Metaanalyse = systematische Auswertung der statistischen Daten einer größe-ren Anzahl von Studien mit dem Ziel, belastbarere Aussagen über einen Sach-verhalt treffen zu können, als dies durch die einzelnen Primärstudien alleinmöglich wäre.

Prävalenz (in diesem Kontext) = Anteil von Menschen mit angeborenen Behin-derungen an der Gesamtpopulation.

Selektiver Abort (auch: elektiver ~, therapeutischer ~) = Schwangerschaftsab-bruch aufgrund einer Fehlbildung des Fötus oder eines sonstigen positiven Be-fundes in einer vorgeburtlichen Untersuchung.

Sensitivität = Anteil an Merkmalsträgern, die durch eine Untersuchung korrekterkannt werden.

Sonographie = Ultraschalluntersuchung.

Spezifität = Anteil an Nicht-Merkmalsträgern, die durch eine Untersuchungkorrekt als nicht betroffen eingestuft werden.

Trimenon = Zeitraum von drei Monaten. Bei einer Schwangerschaftsdauer vondurchschnittlich 266 Tagen von der Empfängnis (post conceptionem) bis zurGeburt entspricht ein Trimenon in etwa einem Schwangerschaftsdrittel.

Triple-Test = umstrittene Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung, bei der aufder Basis der Konzentration dreier verschiedener Schwangerschaftshormoneim mütterlichen Blut (±Fetoprotein, unkonjugiertes Ostriol, humanes Cho-riongonadotropin) Wahrscheinlichkeitsaussagen über das Vorliegen einerChromosomenaberration oder eines Neuralrohrdefekts getroffen werden. Auf-grund gravierender Anwendungsfehler und einer massiven Verunsicherungvieler schwangerer Frauen werden die Kosten des Tests nicht mehr von denKrankenkassen übernommen.

durch eine Entscheidung für das Kindzu erleichtern. Gleichzeitig muss derVorstellung der Vermeidbarkeit von Be-hinderung durch Pränataldiagnostikentgegengetreten werden, da sich sonstin der Gesellschaft der Eindruck verfes-tigen könnte, Eltern von Kindern mit Be-hinderung hätten dem Sozialstaat eineunnötige Last aufgebürdet.

Reproduktive Autonomie bedeuteteben nicht nur, sich gegen ein Kind mitBehinderung entscheiden zu können,sondern auch, die Möglichkeit der be-wussten Entscheidung für das Austra-gen der Schwangerschaft zu gewährleis-ten.

Zusammenfassend lässt sich sagen,dass pränataldiagnostische Untersu-chungen immer häufiger in Anspruchgenommen werden. Die Präzision derUntersuchungsinstrumente nimmt fort-laufend zu und der Anteil der Föten, dienach einem positiven Befund abgetrie-ben werden, steigt ebenfalls oder sta-gniert auf hohem Niveau.

Sterben also Menschen mit Down-Syndrom aus, wie es Bonfranchi (1996)pointiert formuliert hat? Solange nichtjede Schwangerschaft intensiv über-wacht wird und jede Frau mit positivemBefund einen Abort durchführen lässt,trifft dieses Szenario sicher nicht ein.Allerdings ist bereits jetzt abzusehen,dass Menschen mit Down-Syndrom zu-nehmend aus unserer Gesellschaftschwinden werden.

Ausführliche Literaturangaben auf Anfrage beim Deutschen Down-Syndrom

InfoCenter zu erfragen.

Quelle:Dieser Artikel ist erschienen

in der Zeitschrift „HeilpädagogischeForschung“, Heft 4, S. 165-176,

Wir danken der Redaktion für die freundlicheGenehmigung, den Artikel in Leben mit Down-

Syndrom veröffentlichen zu dürfen.

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200553

WOHNEN

Hausbesitzer zu sein oder etwaseingeschränkter eine eigene

Wohnung mieten zu können, gibtMenschen das Gefühl, die Kontrolleüber ihre Wohnsituation zu haben.Dies „Unter Kontrolle haben“ ist we-sentlich für das Modell „SupportedLiving“. Aber es ist nicht genug, Kon-trolle zu haben über „Steine und Zin-sen“, genauso wichtig ist es, Einflusszu haben darüber, mit wem man zu-sammenlebt und wie man unter-stützt wird. Supported Living ent-wickelte sich in den 1980-er Jahrenin den USA, ausgelöst durch einewachsende Unzufriedenheit überWohngruppen und Wohnheime beiMenschen mit Lerneinschränkun-gen, ihren Familien und dem Pflege-personal. Auch die Situation in Groß-britannien hat sich während der letz-ten Jahre so ähnlich entwickelt.

Was ist Supported Living?

Ganz einfach formuliert: Bei Suppor-ted Living geht es um Menschen mitLerneinschränkungen, die selbstwählen, wie sie leben, wo sie leben,mit wem sie zusammenleben, wersie dabei unterstützt und wie dieseUnterstützung aussehen muss. Da-bei brauchen Menschen mit Lern-schwierigkeiten, genau wie viele vonuns auch, kompetente Hilfen, um dieverschiedenen Wahlmöglichkeitenzu verstehen und gegeneinander ab-zuwägen.

Statt in eine Gruppe platziert zuwerden, sollen die individuellenWünsche und Vorstellungen der Ein-zelnen berücksichtigt werden. JederMensch ist anders und hat seine ei-genen Ideen darüber, wie seineWohnsituation aussehen soll.

Kein Mensch wird auf Grund sei-ner Behinderung, auch wenn sienoch so beeinträchtigend ist, vom„Supported Living“ ausgeschlossen.Die Anbieter müssen sich etwas ein-fallen lassen, damit die jeweilige Per-son so leben kann, wie sie daswünscht. Einige der ersten Men-schen, die in Großbritannien „Sup-

ported Living“ praktizierten, warenschwerstbehindert. Um in den Ge-nuss vom „Supported Living-Modell“zu kommen, braucht man nicht erst„so weit“zu sein. Jeder ist so weit.Wir müssen nur überlegen, welcheArt der Unterstützung die Personbraucht.

Bezahlte Helfer werden dann ein-gesetzt, wenn es keine informelleoder natürliche Unterstützung gibt.Das bedeutet schon, dass noch vielbezahlte Hilfe nötig ist. Aber der Fo-kus muss darauf gerichtet sein, dieInklusion des Menschen in ein infor-melles Assistenznetz zu ermutigen,beispielsweise indem man Mitbe-wohner oder gute Nachbarn mit ein-bindet. Obwohl viele Menschen mitBehinderungen angewiesen sind aufumfangreiche Unterstützungsmaß-nahmen, die von bezahlten Mitarbei-tern geleistet werden, soll im Lebenjedes Einzelnen immer auch Platzsein für informelle Hilfe. ReguläreAngebote der Kommune nützen zukönnen, wäre zum Beispiel schon soetwas.

Missverständnisse

Es ist zu teuer!

Erfahrungen aus den USA und Groß-britannien zeigen, dass „SupportedLiving“ nicht mehr kostet als andereWohnmodelle. Einige Personen wür-den tatsächlich mehr kosten, fürmanche bleiben die Kosten gleich,aber für viele andere sind die Kostengeringer.

Allein wohnen oder mit jeman-dem zusammen?

Viele Menschen möchten gerne allei-ne wohnen, andere jedoch nicht.Außerdem ändert manch einer (sowie viele von uns) seine Meinung imLaufe seines Lebens. Wenn man ge-nau nachfragt, wird man feststellen,dass die meisten lieber mit jeman-dem zusammenwohnen möchten.

Supported Living – Unterstütztes Wohnen

Dies soll berücksichtigt werden. Mansoll weder automatisch davon ausge-hen, dass jeder gern für sich wohnt,noch dass jeder immerzu mit ande-ren zusammenleben möchte.

Die Mitbewohner müssen für alles aufkommen

Nur von der Unterstützung eventuel-ler Mitbewohner auszugehen ist ver-kehrt. Das allein ist kein „SupportedLiving“. Wohl wird an erster Stelleangestrebt, dass die Person mit einerLerneinschränkung viele informelleHilfen nützt, die meisten Menschenbenötigen jedoch einen beträchtli-chen Betrag für bezahlte Unterstüt-zung. Es gibt nicht ein Modell vonSupported Living, das für jeden passt.Jeder ist anders und wird einen an-deren Unterstützungsbedarf haben.Der Einsatz von gut ausgebildetemPersonal ist genauso wichtiger Be-standteil dieses Angebots.

Zuständigkeit von „Supported Living“–Anbietern

„Supported Living“ kann zwar Un-terstützung beim Wohnen leisten,vermittelt jedoch keine Beschäfti-gungsmöglichkeiten für den behin-derten Menschen noch garantiertdas Modell, dass so automatischFreundschaften entstehen. DieseDinge müssen von anderen Stellenübernommen werden.

Kontrolle

„Supported Living“ bietet effektiveund kompetente Hilfen, die hohenQualitätsprüfungen unterzogen wer-den. Alle Abmachungen, Bedingun-gen usw. werden in klaren Verträgenfestgehalten. Die Anbieter werdenihrerseits von verschiedenen Stellenkontrolliert.

Quelle: Flyer der Housing OptionsAutor: Peter Kinsella in Journal, Down’s

Syndrome Association, Issue 107, Winter2005

R E C H T

56 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

halten und die notwendige Betreuung, Aufwendungen für Besuche bei Ver-

wandten und Freunden, die Anschaffung von Hilfsmitteln, die Bezahlung von ärztlichen bzw.

pflegerischen Behandlungen oder Me-dikamenten, die von Versicherungennicht vollständig bezahlt werden,

modische Kleidung oder sonstige Güter des persönlichen Be-

darfs. Der Träger der Sozialhilfe muss solcheZuwendungen, sofern sie kein Luxussind, nach geltendem Recht akzeptie-ren, ohne dass seine eigenen Leistungeneingeschränkt werden.

Das Erbe verwalten

Der Testamentsvollstrecker hat also ei-ne schwierige und zeitaufwändige Auf-gabe. Er muss das Erbe verwalten undgleichzeitig über die Ausgaben zuguns-ten des Behinderten in dessen Sinn ent-scheiden. Hier sollte man eine Personwählen, die dieser Aufgabe gewachsenist, idealerweise aber auch enge Kon-takte zum behinderten Erben hat, umdessen Wünsche und Bedürfnisse ein-schätzen zu können. Damit sind allezentralen Aspekte bedacht. Kompliziert,aber inzwischen anerkannt.

Regelmäßige Überprüfung

Für nicht weit überdurchschnittlich ho-he Erbschaften wurde die Wirksamkeitdes Behindertentestaments in der Ver-gangenheit auch gerichtlich bestätigt(Bundesgerichtshof 1990 und 1993). In-zwischen setzt der Bundesgerichtshofoffenbar die Wirksamkeit des Behinder-tentestaments ohne große Diskussionvoraus (vgl. Bundesgerichtshof, Urteilvom 8. Dezember 2004). Natürlich soll-te ein bereits abgeschlossenes Testa-ment gleichwohl immer wieder über-prüft werden. Nicht nur das Recht kannsich ändern, auch unsere Lebensum-stände sind in ständigem Wandel undkönnen Einfluss auf unseren letzten Wil-len haben.

Natürlich kann ein Behindertentes-tament auch weitere Anordnungen ent-halten, zum Beispiel Regelungen zurVerteilung des Nachlasses.

Vormund und Betreuer

Eltern minderjähriger Kinder werdenmeist noch regeln wollen, wer sich imFalle ihres Todes um die Kinder küm-mern soll. Sie werden also einen Vor-

vorgeschriebene Form ist er unwirksamund unbeachtlich!

Da ist zunächst das „eigenhändige“Testament: Es muss in allen Teilenhandschriftlich niedergelegt und unter-schrieben sein. Es soll mit Datum undOrt versehen sein. Nur Ehegatten kön-nen ein so genanntes gemeinschaftli-ches Testament errichten, das unterUmständen auch eine wechselseitigeBindung nach sich zieht. Auch das ei-genhändige Testament kann beimAmtsgericht in Verwahrung gegebenwerden.

Daneben besteht die Möglichkeit, einnotarielles Testament zu errichten. DerNotar übernimmt Beratung, Formulie-rung und Abfassung des letzten Willensund beurkundet diesen. Er kümmertsich um die amtliche Verwahrung.

Im Erbvertrag können schließlichvon zwei oder mehr Personen, zum Bei-spiel auch von Ehegatten oder Lebens-gefährten, neben widerruflichen auchbindende Regelungen getroffen werden.Für seine Errichtung ist ausschließlichder Notar zuständig.

6. Erbrechtliche Beratung

Wer daran denkt, ein Behindertentesta-ment zu errichten, der sollte dies kei-nesfalls ohne kompetente Beratung tun,die auf die spezielle Lebenssituation derFamilie eingeht. Jeder Mensch ist an-ders. Ein Behindertentestament von derStange gibt es nicht. Und: Schlechter Ratist teuer, manchmal unbezahlbar! Glei-ches gilt für fehlenden Rat.

Zur erbrechtlichen Beratung wegeneines Behindertentestaments kann mansich z. B. wenden an:– eine Rechtsanwältin oder einen Rechts-anwalt, am besten mit Tätigkeits-schwerpunkt im Erbrecht;– eine Notarin oder einen Notar derWahl, unabhängig vom Wohnort.

Fachleute, die nach ihrer eigenenEinschätzung über Kompetenz auf demGebiet des Behindertentestaments ver-fügen, findet man im Internet unterwww.lebenshilfe.de (Stichwort: Rechts-beraterliste).

7. Ein Wort zu den Kosten

Ob Anwalt oder Notar – in jedem Fallegilt: Die konkret anfallenden Kosten undGebühren sollte man im Voraus erfra-gen! Das erspart Überraschungen.

Die Notarkosten richten sich aus-schließlich nach den gesetzlichen Re-

Diese Rollen und Posten gilt es im Behindertentestament zu verteilen:

– Welche Personen berufe ich zu mei-nen Erben? Zu welchen Quoten?

– Wem soll der für das Kind mit Be-hinderung zugedachte Erbteil nachdessen Tod zufallen? Wer soll also sogenannter Nacherbe werden?

– Wer soll Testamentsvollstreckerwerden, also das dem Kind mit Be-hinderung im Testament zugewand-te Vermögen verwalten?

– Wer soll Vormund bzw. rechtlicherBetreuer werden, also die gesamtePersonen- und Vermögenssorge fürdas Kind mit Behinderung überneh-men?

mund benennen. Ist das geistig behin-derte Kind erwachsen, muss möglicher-weise ein rechtlicher Betreuer vom Vor-mundschaftsgericht bestellt werden.Auch hier können im Testament Emp-fehlungen ausgesprochen werden, diefür das Gericht allerdings nicht bindendsind. Zu beachten ist dabei, dass diePerson des Testamentsvollstreckers unddie des Betreuers bzw. Vormunds nichtidentisch sein sollten.

Es gibt beim Behindertentestamentalso eine ganze Anzahl von Rollen zu be-setzen. Wer für welche Position in Fra-ge kommt, muss sorgfältig bedacht wer-den. In allen Fällen ist auch an eine aus-reichende Anzahl von Ersatzpersonenzu denken und deren Reihenfolge klar-zustellen. Denn das Testament entfaltetja erst nach dem Tode des ElternteilsWirkung und soll über die gesamte Le-benszeit des Kindes mit Behinderunggelten!

5. Auch auf die Form kommt es an!

Um ein Behindertentestament zu er-richten, genügt wie bei jedem Testa-ment der gute Wille allein nicht. Es mussin die richtige Form gebracht werden.Hierfür sieht das Gesetz im Wesentli-chen drei Wege vor, wobei die jeweili-gen Anforderungen penibel beachtetwerden müssen. Sonst ist der letzte Wil-le meist nicht das Papier wert, auf demer steht: Bei einem Verstoß gegen die

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M E D I Z I N

18 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Haarausfall und Zöliakie bei Menschen mit Down-SyndromWolfgang Storm

Vor einigen Jahren sind Berichte in der Literatur erschienen, die eine Verbindungzwischen einer Alopecia areata und der Zöliakie wahrscheinlich machten. Für diemedizinische Betreuung von Menschen mit Down-Syndrom empfiehlt es sich in jedemFall, bei Vorliegen einer Alopecia areata nach einer Zöliakie zu fahnden.

Alopecia areata

Die Alopecia areata (fleckförmigerHaarausfall) ist eine relativ häufige Er-krankung, die nicht nur die Kopfhaare,sondern alle Haare des Körpers (u.a.Bart, Augenbrauen, Schambehaarung)betreffen kann. Bei Menschen mit Down-Syndrom tritt sie mit einer deutlich ver-mehrten Häufigkeit auf (1 % der Ge-samtbevölkerung, 6 bis 8 % bei Patien-ten mit Down-Syndrom).

Die Ursache ist meist unklar, dochkönnen häufiger systemische Komplika-tionen als Auslöser gefunden werden(Tab. 1). Insbesondere werden Autoim-munphänomene, Zinkmangel sowieSchilddrüsendysfunktionen bei Patien-ten mit Down-Syndrom ursächlich miteiner Alopecia areata in Verbindung ge-bracht.

Der typische Herd der Alopecia area-ta ist durch den kreisrunden Ausfall vonHaaren gekennzeichnet. Oft treten zahl-reiche Herde auf, die sich rasch ver-größern. Der Verlust des gesamtenKopfhaares (Alopecia totalis) tritt bei et-wa 10 % der betroffenen Patienten ein,die Behaarung des ganzen Körperskann ebenfalls verloren gehen (Alopeciauniversalis).

Therapie

Bei therapeutischen Maßnahmen (Tab.2) sind auch plötzliche Spontanremis-sionen zu berücksichtigen, auch nochnach jahrelangem Verlauf. Insgesamtmuss man die Behandlungserfolge alsäußerst unbefriedigend beurteilen, essei denn, es kann eine herausragendeUrsache gefunden werden, die auchspezifisch behandelt werden kann (z.B.Unterfunktion der Schilddrüse, Abset-zen bestimmter Medikamente). Wir ha-ben in unserer Vorsorgeambulanz für

Kinder mit Down-Syndrom in den ver-gangenen Jahren auch schöne Erfolgedurch Homöopathie erlebt.

Zöliakie

Die Zöliakie ist eine weitere medizini-sche Komplikation bei Menschen mitDown-Syndrom, die auch mit einerdeutlich vermehrten Häufigkeit von 7bis 17 % in der Literatur angegebenwird. Sie ist definiert als chronische, miteiner Störung der Resorption einherge-hende Krankheit, bei der es bei prä-destinierten Menschen nach Aufnahmevon Roggen-, Weizen-, Hafer- oder Gers-tenmehl und den hieraus hergestellten

Backwaren lebenslang zu schwerenVeränderungen der Dünndarm-schleimhaut kommt und die nach Ab-setzen dieser Mehle vollständig aus-heilen. Die schädliche Wirkung desGetreides ist dabei an die alkohollös-lichen Bestandteile des so genanntenKlebereiweißes (v.a. Gliadine) gebun-den.

Die Zöliakie verläuft nicht seltenrelativ symptomarm bzw. monosym-ptomatisch, so dass an diese Diagno-se bei Fehlen klassischer Symptome(Tab. 3) sicher häufiger gedacht wer-den muss. Das Vorliegen dieser Er-krankung kann durch eine Blutent-

Tab. 1: Systemische Komplikationen als Auslöser einer Alopezie

Akute (hoch fieberhafte) Infektionserkrankungen (Grippe, Erysipel etc.)Chronische Infektionskrankheiten (Tuberkulose)Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure (Fehlernährung bei Alkoholismus,Diätkuren, chronisch-atrophische Gastritis)ZinkmangelAnämie (Eisenmangel)Erkrankungen der inneren Organe (Hyperthyreose, Hypothyreose, Hypo-physenvorderlappeninsuffizienz, Lebererkrankungen, schwerer Diabetes mellitus)Schwere konsumierende oder zur Kachexie führende Erkrankungen (Dermatomyositis, Erythematodes, maligne Tumoren)

Arzneistoffe:1. Zytotoxische Arzneistoffe:

Zytostatika, Alkylanzien, Antibiotika, Antimitotische Mittel, Antimetaboliten2. Substanzen, die die Keratinisierung beeinflussen können:

Thallium, Retinoide, Triparanol, Clofibrat, Nicotinsäure, Colestyramin, Butyrophenon, Dixyrazin

3. Verschiedene:Carbimazol, orale Kontrazeptiva, Trimethadion, Allopurinol, Amphetamin, Gentamicin, Levodopa, Propanolol, Metoprolol, Methysergid, Phenmetrazin,Thiamphenicol, Cimetidin, BromocriptinAutoimmunerkrankungen (Autoimmunthyreoiditis, perniziöse Anämie, Vitiligo, Nebennierenrindeninsuffizienz)

MEDIZIN

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200519

nahme zur Bestimmung von Antikör-pern gegen Gliadin, Endomysium undTransglutaminase wahrscheinlich ge-macht werden. Bei positivem Nachweisspezifischer Antikörper wird die Dia-gnose durch eine Dünndarmbiopsie ge-sichert. Die Therapie der Zöliakie be-steht in einer lebenslang durchzu-führenden gliadinfreien Ernährung.

Verbindung zwischen einer Alopeciaareata und der Zöliakie

Vor einigen Jahren sind Berichte in derLiteratur erschienen, die eine Verbin-dung zwischen einer Alopecia areataund der Zöliakie wahrscheinlich mach-ten. Bei einer größeren Zahl von Alope-cia-Patienten konnte bei einigen weni-gen zusätzlich die Diagnose einer Zölia-kie gestellt werden. Nach einer gliadin-freien Diät setzte bei allen behandeltenPatienten der Haarwuchs wieder ein.

Auch wir haben vor einigen Jahren beieinem Kind mit Down-Syndrom beidegleichzeitig vorliegenden Diagnosennachweisen und auch einen Behand-lungserfolg nach gliadinfreier Diät erle-ben können. Bei einer weiteren kleinenPatientin waren wir beratend tätig, wo-nach durch die Beharrlichkeit der Mut-ter trotz Widerständen u.a. einer Uni-versitätskinderklinik die Diagnose einerZöliakie bei einer Alopecia areata ge-stellt werden konnte.

Gliadin-Problematik mehr beachten

Aufgrund jüngster Untersuchungen istdamit zu rechnen, dass der „Gliadin-Problematik“ noch weitere Bedeutungzukommen wird. So scheint die Belas-tung mit Gliadin bei prädestinierten Pa-tienten nicht nur zur Entwicklung derZöliakie zu führen, sondern – abhängigvon der Einwirkungszeit des Gliadins –

Therapie der Alopecia areata

– Leichte fleckenförmige Form

Corticoidinjektionen in die HerdeÄußerliches Auftragen einer Corti-

coidcreme mit oder ohne Okklusions-verband mit Plastikfolie

Äußerliches Auftragen einer Dithro-nilcreme oder -salbe. Dies ist einesynthetische, teerähnliche Substanz,die schon bei der Behandlung derPsoriasis Erfolge gezeigt hat.

Topisches Minoxidil. Minoxidil wirdsystemisch als Antihypertonikum ein-gesetzt und hat als Nebenwirkung einvermehrtes Haarwachstum an ver-schiedenen Körperstellen. WeitereUntersuchungen haben zeigen kön-nen, dass die lokale Anwendung einer2- bis 3-prozentigen Minoxidillösungdas Haarwachstum fördern kann.

– Ausgeprägtere Form oder Alopecia totalis (universalis)

PerückenSystemische orale CorticoidtherapieProvokation einer allergischen Kon-

taktdermatitis zum Beispiel durch Di-nitrochlorbenzol (DNCB)

PUVA: Einnahme einer lichtemp-findlichen Substanz (Psoralen) undlangwelliges ultraviolettes Licht

Topisches Minoxidil

auch zur Entstehung anderer Autoim-munerkrankungen wie z.B. der schonerwähnten Alopecia areata, einer Au-toimmunthyreoiditis (chronische Schild-drüsenentzündung aufgrund gegen dasSchilddrüsengewebe gerichteter Auto-antikörper), des Diabetes mellitus(Zuckererkrankung) als auch einer per-niziösen Anämie (durch Vitamin-B12-Mangel bedingte Anämie) beizutragen.Alle diese Erkrankungen treten mit ei-ner vermehrten Häufigkeit bei Men-schen mit Down-Syndrom auf.

Routinemäßiges Screening erscheint sinnvoll

Für die medizinische Betreuung vonMenschen mit Down-Syndrom emp-fiehlt es sich in jedem Fall, bei Vorliegeneiner Alopecia areata nach einer Zölia-kie zu fahnden. Darüber hinaus ist zudiskutieren, ob nicht ein generelles Screening nach Gliadin-/Endomysium/Transglutaminase-Antikörpern in be-stimmten Lebensaltern bei jedem Men-schen mit Down-Syndrom routinemäßigsinnvoll erscheint.

Dr. med. Wolfgang StormKinderklinik St.-Vincenz-Krankenhaus

Husener Straße 81D-33098 Paderborn

Tab. 2: Therapie der Alopecia areata

Häufige und seltene Symptomeder Zöliakie

Häufige Symptome

Großes vorgewölbtes Abdomen in-folge Ansammlung von Darminhaltund durch Muskelhypotonie

Massige, gehäuft breiige Stühle(selten Obstipation)

Verhaltensstörungen (missmutig,abweisend, weinerlich)

Untergewicht, mangelhaftes Län-genwachstum

Anämie (Eisen- oder Folsäure-mangel

Herabsetzung der Disaccharidase-aktivitäten in der Dünndarmschleim-haut

HypovitaminoseHypoproteinämieHypoprothrombinämieHypokalzämie

Seltene Symptome

ZahnveränderungenMinderwuchsArthritis, ArthralgieChronische HepatitisPulmonale HämosideroseRezidivierende AphthenImmunpathologische Augenverän-

derungen

Tab. 3: Häufige und seltene

Symptome der ZöliakieWeiterführende Literatur:

1. Barbato M., Viola F., Grillo R., etal.: Alopecia and coeliac disease: re-port of two patients showing res-ponse to gluten-free diet. Clinicaland Experimental Dermatology 23:236 – 237 (1998)

2. Corazza G.R., Andreani M.L.,Venturo N., et al.: Celiac disease andalopecia areata: report of a new as-sociation. Gastroenterology 109:1333 – 1337 (1995)

3. Storm, W.: Celiac disease and alo-pecia areata in a child with Down’ssyndrome. Journal of IntellectualDisability Research 44: 1 – 3 (2000)

4. Storm, W.: Homöopathische Be-handlung von Kindern mit Down-Syndrom. Allgemeine Homöopathi-sche Zeitung 245: 191 – 198 (2000)

R E C H T

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 55

3. Irrwege

Wer nun meint, das Problem durchNichtstun lösen zu können, irrt. Dennohne Testament kommt bei unseremTod die gesetzliche Erbfolge zum Zuge.Diese besagt, dass jedes eigene Kind Er-be des verstorbenen Elternteils wird.Mehrere Kinder bilden eine Erbenge-meinschaft. Häufig wird übersehen,dass Kinder nach der gesetzlichen Erb-folge auch dann erben, wenn ein El-ternteil den anderen überlebt. In diesemFall erben die Kinder zusammen mitdem länger lebenden Elternteil, soferndie Eltern verheiratet waren. Auf denErbteil des geistig behinderten Kindesgreift dann gegebenenfalls der Trägerder Sozialhilfe zu – mit den geschilder-ten Konsequenzen. Nichts tun ist alsoder falsche Weg.

Pflichtteilsanspruch

Und enterben? Enterbt man ein eigenesKind, hat dieses nach dem Tod des El-ternteils einen Geldanspruch in Höhedes Wertes der Hälfte seines gesetzli-chen Erbteils gegenüber den Erben.Man nennt dies den Pflichtteilsan-spruch. Auch dieser Anspruch ist ein Ver-mögenswert, der gegebenenfalls vomSozialhilfeträger gegen die Erben gel-tend gemacht wird. Auch so gelangtman nicht zum gewünschten Ziel.

Auch kein Allheilmittel ist, das Ver-mögen zu Lebzeiten zu übertragen.Denn kaum einer kann und will auf eineausreichende eigene wirtschaftliche Ab-sicherung verzichten. Man muss alsomeist Vermögen zurückbehalten. Außer-dem können solche Übertragungen wie-derum zu Ansprüchen des Behindertennach dem Tod des übertragenden El-ternteils führen, auf die dann wiederumdas Sozialamt zugreifen kann. In jedemFall ist bei lebzeitigen ÜbertragungenVorsicht geboten. Sie sollten nicht vor-schnell und nicht ohne ausreichenderechtliche Beratung, die auch die Situa-tion des Kindes mit Behinderung in denBlick nimmt, vorgenommen werden.

4. Das Behindertentestament

Tatsächlich zielführend ist in den meis-ten Fällen ein anderer Weg: die Abfas-sung eines so genannten Behinderten-testaments durch die Eltern eines geistigbehinderten Kindes. Das Behinderten-testament versucht durch eine komple-xe erbrechtliche Konstruktion dem Kindmit Behinderung einen spürbaren Zu-

wachs an Lebensqualität durch eine ihmzugewandte Erbschaft zukommen zulassen, obwohl das Kind seinen Lebens-unterhalt grundsätzlich aus Sozialleis-tungen bestreitet. Das Behindertentes-tament sieht dazu eine Kombinationmehrerer Schutzmechanismen vor:

Das Kind wird ErbeZunächst ist wichtig, dass das Kind mitBehinderung von jedem seiner Elternals Erbe eingesetzt wird. Der Erbteilmuss dabei unbedingt höher als dieHälfte des gesetzlichen Erbteils sein,den das Kind mit Behinderung ohne Tes-tament erben würde. Auch das beein-trächtigte Kind wird also in angemesse-nem Umfang am Erbe beteiligt. Meisterbt das Kind mit Behinderung so zu-sammen mit dem gegebenenfalls nochvorhandenen länger lebenden Elternteilund gegebenenfalls vorhandenen weite-ren Geschwistern.

Nacherben einsetzenDas behinderte Kind erhält seinen Erb-teil jedoch nicht zur freien Verfügung.Der Erbteil wird vielmehr bereits im Tes-tament für die so genannten Nacherbenreserviert. An diese Nacherben soll dasererbte Vermögen nach dem Tode desKindes mit Behinderung fallen. Nacher-ben können beispielsweise die Geschwis-ter des behinderten Kindes sein, derenAbkömmlinge, weitere Verwandte odereine gemeinnützige Organisation. Werin Frage kommt, wird im Testamentfestgelegt. Das behinderte Kind selbstdarf als so genannter nicht befreiterVorerbe die Substanz seiner Erbschaftnicht verbrauchen. Es erhält nur die Er-träge. Erträge sind zum Beispiel Zinsenaus Sparguthaben oder Mieteinnahmenaus Immobilien. Für das Sozialamt be-deutet dies, dass es auf die Substanz derErbschaft nicht zugreifen kann, da die-se für den Erben nicht verwertbaresVermögen darstellt. Weil der Erbe selbstdie Erbschaft nicht verbrauchen kannund darf, ist sie auch für das Sozialamttabu.

Testamentsvollstreckung anordnenUm nun auch die Erträge aus der Erb-schaft des Kindes mit Behinderung zurSteigerung von dessen Lebensqualitätzu sichern, wird im Behindertentesta-ment zusätzlich Testamentsvollstre-ckung auf die Lebenszeit des Kindes an-geordnet. Testamentsvollstreckung be-

deutet, dass eine vertrauenswürdigePerson mit der Aufgabe betraut wird,das vom behinderten Kind ererbte Ver-mögen dauerhaft zu verwalten und vomübrigen Vermögen des Kindes getrenntzu halten. Dem Testamentsvollstreckerwird außerdem zur Aufgabe gemacht,die Erträge aus der Erbschaft nur fürsolche Zwecke zu verwenden, die demKind mit Behinderung spürbar zugutekommen und nach dem jeweils gelten-den Sozialrecht nicht anspruchsmin-dernd auf Sozialleistungen angerechnetwerden. Das Sozialamt muss also außenvor bleiben.

Regelungen zur Lebensqualität

Zur Steigerung der Lebensqualität desKindes mit Behinderung können auf-grund dieser Regelung zum Beispielvom Testamentsvollstrecker folgendeZuwendungen finanziert werden:

Geschenke zu Festtagen, Unterstützung für Hobbys, die Finanzierung von Urlaubsaufent-

Die wesentlichen rechtlichen Bestandteile des Behinderten-testaments auf einen Blick:

Das Kind mit Behinderung wirdErbe, gegebenenfalls neben demeventuell vorhandenen länger le-benden Ehegatten und eventuellvorhandenen Geschwistern.

Der Erbteil des Kindes mit Behin-derung liegt über der Hälfte sei-nes gesetzlichen Erbteils.

Das Kind mit Behinderung wirdnicht befreiter Vorerbe. Nach sei-nem Tod fällt sein Erbteil an denoder die Nacherben.

Zur Verwaltung der Erbschaft desKindes mit Behinderung wird aufdessen Lebenszeit Testaments-vollstreckung angeordnet. Der Tes-tamentsvollstrecker wird ange-wiesen, die dem Kind mit Behin-derung zustehenden Erträge desNachlasses nur für Zwecke zuzu-wenden, die dem Kind mit Behin-derung spürbar zugute kommenund nicht auf Sozialleistungen an-rechenbar sind.

RECHT

54Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Über den Tod hinaus:

Das BehindertentestamentErbrechtliche Regelungen zum Wohldes behinderten KindesLorenz Spall

1. Um was es geht

Was wird aus meinem Kind, wenn ichnicht mehr lebe? – Diese Sorge bewegtsicherlich alle Eltern. Umso mehr giltdies, wenn wir Mutter oder Vater einesKindes mit geistiger Behinderung sind.Wir wissen, dass unser Kind auch überunseren Tod hinaus auf die Unterstüt-zung anderer angewiesen sein wird.Dies gilt sowohl für die menschliche undpersönliche Fürsorge und Zuwendungals auch für Vermögensfragen und fi-nanzielle Angelegenheiten. In der Regelwird unser Kind mit Behinderung nichtin der Lage sein, seinen Lebensunter-halt aus selbst erwirtschafteten Mittelnzu verdienen, und deshalb auch nachunserem Tod auf fremde Hilfe angewie-sen sein.

Mehr noch als andere müssen sichEltern eines Kindes mit geistiger Behin-derung also mit der Frage beschäftigen,wie sie ihre erbrechtlichen Angelegen-heiten regeln können. Es gilt dabei dieInteressen und das Wohl des beein-trächtigten Kindes, aber auch die Be-lange der anderen Familienmitglieder,vor allem des (Ehe-)Partners und derweiteren Kinder, und nicht zuletzt dieeigene Situation zu bedenken.

Im Rahmen dieser kurzen Darstel-lung soll ausschließlich die spezielle Si-tuation bei Vorhandensein eines Kindesmit geistiger Behinderung im Mittel-punkt stehen.

Dieser Beitrag will das Problembe-wusstsein schärfen und einen erstenEinblick in die Thematik geben. Berüh-rungsängste mit dem sperrigen ThemaErbrecht im Allgemeinen und dem sogenannten „Behindertentestament“ imBesonderen sollen abgebaut werden. Ei-ne kompetente rechtliche Beratung, diedie besonderen Fragestellungen im je-weiligen Einzelfall in den Blick nimmt,bleibt daneben unverzichtbar.

2. Die besondere Situation

Viele Menschen mit geistiger Behinde-rung sind – wie anfangs erwähnt – nachdem Tode ihrer Eltern gerade auch in fi-nanzieller Hinsicht auf fremde Hilfe an-gewiesen. Sie leben beispielsweise in ei-ner Einrichtung für behinderte Men-schen und arbeiten in einer Werkstatt.Die meisten beziehen Leistungen derSozialhilfe. Der Staat sorgt so dafür,dass die elementaren Lebensbedürfnis-se befriedigt werden.

Vielen Eltern genügt diese Basisver-sorgung für ihr Kind jedoch nicht. „Einbisschen mehr als das absolut Notwen-dige würde ich mir für meinen Sohn/meine Tochter schon wünschen, wennich nicht mehr da bin; keinen Luxus,aber doch ein Stück echte Lebensqua-lität und zusätzliche Freiheit.“ – Sofühlen die meisten Eltern von beein-trächtigten Kindern, wenn sie über dieSituation nach ihrem Tod nachdenken.Das Grübeln über dieser Frage hat sichbei vielen angesichts zunehmender Spar-anstrengungen der öffentlichen Handverstärkt.

Aus diesem Fürsorgebedürfnis re-sultiert der Wunsch, auch dem Kind mitBehinderung über den eigenen Tod hin-aus eine finanzielle Absicherung zu-kommen zu lassen.

Nachrangprinzip

Diesem Wunsch steht aber zunächst eineherner Grundsatz des deutschen So-zialhilferechts im Weg: das so genannteNachrangprinzip. Sozialhilfeleistungenbekommt danach in der Regel nur, wernicht über eigenes ausreichendes Ein-kommen oder eigenes ausreichendesund verwertbares Vermögen verfügt.Der Staat finanziert nur wirklich Be-dürftige. Auch eine Erbschaft ist Ver-mögen. Vereinfacht gesprochen mussalso – von geringen Freibeträgen abge-

sehen – zunächst das ererbte Vermögenfür den normalen Lebensunterhalt ver-braucht werden, bevor Leistungen desStaates in Anspruch genommen werdenkönnen. Angesichts der hohen Kosten,die bei Menschen mit geistiger Behinde-rung vor allem für eine Heimunterbrin-gung entstehen können, werden so auchgrößere Erbschaften mir nichts dirnichts aufgezehrt.

Um die Kosten zu bestreiten, musshäufig das Erbe rasch versilbert wer-den. Vielfach ist es dazu unumgänglich,das hinterlassene Vermögen zu zer-schlagen und zum Beispiel eine Immo-bilie zu verkaufen. Konsequenz: Der be-hinderte Angehörige hat von seinem Er-be kaum einen spürbaren Vorteil undder Bestand des Nachlasses in seinerGesamtheit wird gefährdet. Hätte dasKind nichts geerbt, wären seine Lebens-umstände kaum anders! Denn dann wä-re der Staat für die Versorgung aufge-kommen. Ein für viele Eltern unbefrie-digendes Ergebnis.

Sorge um die Zukunft

Nur zur Klarstellung: Niemandem gehtes darum, den Staat zu schädigen oderihm Vermögenswerte, die der öffentli-chen Hand zustehen, vorzuenthalten.

Vielmehr steht die Sorge um die Zu-kunft des eigenen Angehörigen mit Be-hinderung im Vordergrund. So wie eszweifellos zulässig und legitim ist, sichGedanken zu machen, wie man auf le-galem Weg Steuern sparen kann, istnichts dagegen einzuwenden, erbrecht-liche Modelle zu entwickeln, mit denenman die eigenen Angehörigen finanziellabsichern kann.

„Es ist nicht anstößig, wenn Elternihren behinderten Kindern über dienach den Sozialhilfegesetzen zu er-wartenden Leistungen hinaus etwaszugute kommen lassen wollen. Die-ses Bestreben entspricht gerade derEltern zuvörderst zukommendensittlichen Verantwortung für dasWohl ihres Kindes. Ein Behinderten-testament verstößt deshalb grund-sätzlich nicht gegen die guten Sit-ten.“

Bundesgerichtshof 1990 und 1993(sinngemäß zitiert)

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MEDIZIN

18Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Haarausfall und Zöliakie bei Menschen mit Down-SyndromWolfgang Storm

Vor einigen Jahren sind Berichte in der Literatur erschienen, die eine Verbindungzwischen einer Alopecia areata und der Zöliakie wahrscheinlich machten. Für diemedizinische Betreuung von Menschen mit Down-Syndrom empfiehlt es sich in jedemFall, bei Vorliegen einer Alopecia areata nach einer Zöliakie zu fahnden.

Alopecia areata

Die Alopecia areata (fleckförmigerHaarausfall) ist eine relativ häufige Er-krankung, die nicht nur die Kopfhaare,sondern alle Haare des Körpers (u.a.Bart, Augenbrauen, Schambehaarung)betreffen kann. Bei Menschen mit Down-Syndrom tritt sie mit einer deutlich ver-mehrten Häufigkeit auf (1 % der Ge-samtbevölkerung, 6 bis 8 % bei Patien-ten mit Down-Syndrom).

Die Ursache ist meist unklar, dochkönnen häufiger systemische Komplika-tionen als Auslöser gefunden werden(Tab. 1). Insbesondere werden Autoim-munphänomene, Zinkmangel sowieSchilddrüsendysfunktionen bei Patien-ten mit Down-Syndrom ursächlich miteiner Alopecia areata in Verbindung ge-bracht.

Der typische Herd der Alopecia area-ta ist durch den kreisrunden Ausfall vonHaaren gekennzeichnet. Oft treten zahl-reiche Herde auf, die sich rasch ver-größern. Der Verlust des gesamtenKopfhaares (Alopecia totalis) tritt bei et-wa 10 % der betroffenen Patienten ein,die Behaarung des ganzen Körperskann ebenfalls verloren gehen (Alopeciauniversalis).

Therapie

Bei therapeutischen Maßnahmen (Tab.2) sind auch plötzliche Spontanremis-sionen zu berücksichtigen, auch nochnach jahrelangem Verlauf. Insgesamtmuss man die Behandlungserfolge alsäußerst unbefriedigend beurteilen, essei denn, es kann eine herausragendeUrsache gefunden werden, die auchspezifisch behandelt werden kann (z.B.Unterfunktion der Schilddrüse, Abset-zen bestimmter Medikamente). Wir ha-ben in unserer Vorsorgeambulanz für

Kinder mit Down-Syndrom in den ver-gangenen Jahren auch schöne Erfolgedurch Homöopathie erlebt.

Zöliakie

Die Zöliakie ist eine weitere medizini-sche Komplikation bei Menschen mitDown-Syndrom, die auch mit einerdeutlich vermehrten Häufigkeit von 7bis 17 % in der Literatur angegebenwird. Sie ist definiert als chronische, miteiner Störung der Resorption einherge-hende Krankheit, bei der es bei prä-destinierten Menschen nach Aufnahmevon Roggen-, Weizen-, Hafer- oder Gers-tenmehl und den hieraus hergestellten

Backwaren lebenslang zu schwerenVeränderungen der Dünndarm-schleimhaut kommt und die nach Ab-setzen dieser Mehle vollständig aus-heilen. Die schädliche Wirkung desGetreides ist dabei an die alkohollös-lichen Bestandteile des so genanntenKlebereiweißes (v.a. Gliadine) gebun-den.

Die Zöliakie verläuft nicht seltenrelativ symptomarm bzw. monosym-ptomatisch, so dass an diese Diagno-se bei Fehlen klassischer Symptome(Tab. 3) sicher häufiger gedacht wer-den muss. Das Vorliegen dieser Er-krankung kann durch eine Blutent-

Tab. 1: Systemische Komplikationen als Auslöser einer Alopezie

Akute (hoch fieberhafte) Infektionserkrankungen (Grippe, Erysipel etc.)Chronische Infektionskrankheiten (Tuberkulose)Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure (Fehlernährung bei Alkoholismus,Diätkuren, chronisch-atrophische Gastritis)ZinkmangelAnämie (Eisenmangel)Erkrankungen der inneren Organe (Hyperthyreose, Hypothyreose, Hypo-physenvorderlappeninsuffizienz, Lebererkrankungen, schwerer Diabetes mellitus)Schwere konsumierende oder zur Kachexie führende Erkrankungen (Dermatomyositis, Erythematodes, maligne Tumoren)

Arzneistoffe:1. Zytotoxische Arzneistoffe:

Zytostatika, Alkylanzien, Antibiotika, Antimitotische Mittel, Antimetaboliten2. Substanzen, die die Keratinisierung beeinflussen können:

Thallium, Retinoide, Triparanol, Clofibrat, Nicotinsäure, Colestyramin, Butyrophenon, Dixyrazin

3. Verschiedene:Carbimazol, orale Kontrazeptiva, Trimethadion, Allopurinol, Amphetamin, Gentamicin, Levodopa, Propanolol, Metoprolol, Methysergid, Phenmetrazin,Thiamphenicol, Cimetidin, BromocriptinAutoimmunerkrankungen (Autoimmunthyreoiditis, perniziöse Anämie, Vitiligo, Nebennierenrindeninsuffizienz)

M E D I Z I N

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 19

nahme zur Bestimmung von Antikör-pern gegen Gliadin, Endomysium undTransglutaminase wahrscheinlich ge-macht werden. Bei positivem Nachweisspezifischer Antikörper wird die Dia-gnose durch eine Dünndarmbiopsie ge-sichert. Die Therapie der Zöliakie be-steht in einer lebenslang durchzu-führenden gliadinfreien Ernährung.

Verbindung zwischen einer Alopeciaareata und der Zöliakie

Vor einigen Jahren sind Berichte in derLiteratur erschienen, die eine Verbin-dung zwischen einer Alopecia areataund der Zöliakie wahrscheinlich mach-ten. Bei einer größeren Zahl von Alope-cia-Patienten konnte bei einigen weni-gen zusätzlich die Diagnose einer Zölia-kie gestellt werden. Nach einer gliadin-freien Diät setzte bei allen behandeltenPatienten der Haarwuchs wieder ein.

Auch wir haben vor einigen Jahren beieinem Kind mit Down-Syndrom beidegleichzeitig vorliegenden Diagnosennachweisen und auch einen Behand-lungserfolg nach gliadinfreier Diät erle-ben können. Bei einer weiteren kleinenPatientin waren wir beratend tätig, wo-nach durch die Beharrlichkeit der Mut-ter trotz Widerständen u.a. einer Uni-versitätskinderklinik die Diagnose einerZöliakie bei einer Alopecia areata ge-stellt werden konnte.

Gliadin-Problematik mehr beachten

Aufgrund jüngster Untersuchungen istdamit zu rechnen, dass der „Gliadin-Problematik“ noch weitere Bedeutungzukommen wird. So scheint die Belas-tung mit Gliadin bei prädestinierten Pa-tienten nicht nur zur Entwicklung derZöliakie zu führen, sondern – abhängigvon der Einwirkungszeit des Gliadins –

Therapie der Alopecia areata

– Leichte fleckenförmige Form

Corticoidinjektionen in die HerdeÄußerliches Auftragen einer Corti-

coidcreme mit oder ohne Okklusions-verband mit Plastikfolie

Äußerliches Auftragen einer Dithro-nilcreme oder -salbe. Dies ist einesynthetische, teerähnliche Substanz,die schon bei der Behandlung derPsoriasis Erfolge gezeigt hat.

Topisches Minoxidil. Minoxidil wirdsystemisch als Antihypertonikum ein-gesetzt und hat als Nebenwirkung einvermehrtes Haarwachstum an ver-schiedenen Körperstellen. WeitereUntersuchungen haben zeigen kön-nen, dass die lokale Anwendung einer2- bis 3-prozentigen Minoxidillösungdas Haarwachstum fördern kann.

– Ausgeprägtere Form oder Alopecia totalis (universalis)

PerückenSystemische orale CorticoidtherapieProvokation einer allergischen Kon-

taktdermatitis zum Beispiel durch Di-nitrochlorbenzol (DNCB)

PUVA: Einnahme einer lichtemp-findlichen Substanz (Psoralen) undlangwelliges ultraviolettes Licht

Topisches Minoxidil

auch zur Entstehung anderer Autoim-munerkrankungen wie z.B. der schonerwähnten Alopecia areata, einer Au-toimmunthyreoiditis (chronische Schild-drüsenentzündung aufgrund gegen dasSchilddrüsengewebe gerichteter Auto-antikörper), des Diabetes mellitus(Zuckererkrankung) als auch einer per-niziösen Anämie (durch Vitamin-B12-Mangel bedingte Anämie) beizutragen.Alle diese Erkrankungen treten mit ei-ner vermehrten Häufigkeit bei Men-schen mit Down-Syndrom auf.

Routinemäßiges Screening erscheint sinnvoll

Für die medizinische Betreuung vonMenschen mit Down-Syndrom emp-fiehlt es sich in jedem Fall, bei Vorliegeneiner Alopecia areata nach einer Zölia-kie zu fahnden. Darüber hinaus ist zudiskutieren, ob nicht ein generelles Screening nach Gliadin-/Endomysium/Transglutaminase-Antikörpern in be-stimmten Lebensaltern bei jedem Men-schen mit Down-Syndrom routinemäßigsinnvoll erscheint.

Dr. med. Wolfgang StormKinderklinik St.-Vincenz-Krankenhaus

Husener Straße 81D-33098 Paderborn

Tab. 2: Therapie der Alopecia areata

Häufige und seltene Symptomeder Zöliakie

Häufige Symptome

Großes vorgewölbtes Abdomen in-folge Ansammlung von Darminhaltund durch Muskelhypotonie

Massige, gehäuft breiige Stühle(selten Obstipation)

Verhaltensstörungen (missmutig,abweisend, weinerlich)

Untergewicht, mangelhaftes Län-genwachstum

Anämie (Eisen- oder Folsäure-mangel

Herabsetzung der Disaccharidase-aktivitäten in der Dünndarmschleim-haut

HypovitaminoseHypoproteinämieHypoprothrombinämieHypokalzämie

Seltene Symptome

ZahnveränderungenMinderwuchsArthritis, ArthralgieChronische HepatitisPulmonale HämosideroseRezidivierende AphthenImmunpathologische Augenverän-

derungen

Tab. 3: Häufige und seltene

Symptome der Zöliakie Weiterführende Literatur:

1. Barbato M., Viola F., Grillo R., etal.: Alopecia and coeliac disease: re-port of two patients showing res-ponse to gluten-free diet. Clinicaland Experimental Dermatology 23:236 – 237 (1998)

2. Corazza G.R., Andreani M.L.,Venturo N., et al.: Celiac disease andalopecia areata: report of a new as-sociation. Gastroenterology 109:1333 – 1337 (1995)

3. Storm, W.: Celiac disease and alo-pecia areata in a child with Down’ssyndrome. Journal of IntellectualDisability Research 44: 1 – 3 (2000)

4. Storm, W.: Homöopathische Be-handlung von Kindern mit Down-Syndrom. Allgemeine Homöopathi-sche Zeitung 245: 191 – 198 (2000)

RECHT

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200555

3. Irrwege

Wer nun meint, das Problem durchNichtstun lösen zu können, irrt. Dennohne Testament kommt bei unseremTod die gesetzliche Erbfolge zum Zuge.Diese besagt, dass jedes eigene Kind Er-be des verstorbenen Elternteils wird.Mehrere Kinder bilden eine Erbenge-meinschaft. Häufig wird übersehen,dass Kinder nach der gesetzlichen Erb-folge auch dann erben, wenn ein El-ternteil den anderen überlebt. In diesemFall erben die Kinder zusammen mitdem länger lebenden Elternteil, soferndie Eltern verheiratet waren. Auf denErbteil des geistig behinderten Kindesgreift dann gegebenenfalls der Trägerder Sozialhilfe zu – mit den geschilder-ten Konsequenzen. Nichts tun ist alsoder falsche Weg.

Pflichtteilsanspruch

Und enterben? Enterbt man ein eigenesKind, hat dieses nach dem Tod des El-ternteils einen Geldanspruch in Höhedes Wertes der Hälfte seines gesetzli-chen Erbteils gegenüber den Erben.Man nennt dies den Pflichtteilsan-spruch. Auch dieser Anspruch ist ein Ver-mögenswert, der gegebenenfalls vomSozialhilfeträger gegen die Erben gel-tend gemacht wird. Auch so gelangtman nicht zum gewünschten Ziel.

Auch kein Allheilmittel ist, das Ver-mögen zu Lebzeiten zu übertragen.Denn kaum einer kann und will auf eineausreichende eigene wirtschaftliche Ab-sicherung verzichten. Man muss alsomeist Vermögen zurückbehalten. Außer-dem können solche Übertragungen wie-derum zu Ansprüchen des Behindertennach dem Tod des übertragenden El-ternteils führen, auf die dann wiederumdas Sozialamt zugreifen kann. In jedemFall ist bei lebzeitigen ÜbertragungenVorsicht geboten. Sie sollten nicht vor-schnell und nicht ohne ausreichenderechtliche Beratung, die auch die Situa-tion des Kindes mit Behinderung in denBlick nimmt, vorgenommen werden.

4. Das Behindertentestament

Tatsächlich zielführend ist in den meis-ten Fällen ein anderer Weg: die Abfas-sung eines so genannten Behinderten-testaments durch die Eltern eines geistigbehinderten Kindes. Das Behinderten-testament versucht durch eine komple-xe erbrechtliche Konstruktion dem Kindmit Behinderung einen spürbaren Zu-

wachs an Lebensqualität durch eine ihmzugewandte Erbschaft zukommen zulassen, obwohl das Kind seinen Lebens-unterhalt grundsätzlich aus Sozialleis-tungen bestreitet. Das Behindertentes-tament sieht dazu eine Kombinationmehrerer Schutzmechanismen vor:

Das Kind wird ErbeZunächst ist wichtig, dass das Kind mitBehinderung von jedem seiner Elternals Erbe eingesetzt wird. Der Erbteilmuss dabei unbedingt höher als dieHälfte des gesetzlichen Erbteils sein,den das Kind mit Behinderung ohne Tes-tament erben würde. Auch das beein-trächtigte Kind wird also in angemesse-nem Umfang am Erbe beteiligt. Meisterbt das Kind mit Behinderung so zu-sammen mit dem gegebenenfalls nochvorhandenen länger lebenden Elternteilund gegebenenfalls vorhandenen weite-ren Geschwistern.

Nacherben einsetzenDas behinderte Kind erhält seinen Erb-teil jedoch nicht zur freien Verfügung.Der Erbteil wird vielmehr bereits im Tes-tament für die so genannten Nacherbenreserviert. An diese Nacherben soll dasererbte Vermögen nach dem Tode desKindes mit Behinderung fallen. Nacher-ben können beispielsweise die Geschwis-ter des behinderten Kindes sein, derenAbkömmlinge, weitere Verwandte odereine gemeinnützige Organisation. Werin Frage kommt, wird im Testamentfestgelegt. Das behinderte Kind selbstdarf als so genannter nicht befreiterVorerbe die Substanz seiner Erbschaftnicht verbrauchen. Es erhält nur die Er-träge. Erträge sind zum Beispiel Zinsenaus Sparguthaben oder Mieteinnahmenaus Immobilien. Für das Sozialamt be-deutet dies, dass es auf die Substanz derErbschaft nicht zugreifen kann, da die-se für den Erben nicht verwertbaresVermögen darstellt. Weil der Erbe selbstdie Erbschaft nicht verbrauchen kannund darf, ist sie auch für das Sozialamttabu.

Testamentsvollstreckung anordnenUm nun auch die Erträge aus der Erb-schaft des Kindes mit Behinderung zurSteigerung von dessen Lebensqualitätzu sichern, wird im Behindertentesta-ment zusätzlich Testamentsvollstre-ckung auf die Lebenszeit des Kindes an-geordnet. Testamentsvollstreckung be-

deutet, dass eine vertrauenswürdigePerson mit der Aufgabe betraut wird,das vom behinderten Kind ererbte Ver-mögen dauerhaft zu verwalten und vomübrigen Vermögen des Kindes getrenntzu halten. Dem Testamentsvollstreckerwird außerdem zur Aufgabe gemacht,die Erträge aus der Erbschaft nur fürsolche Zwecke zu verwenden, die demKind mit Behinderung spürbar zugutekommen und nach dem jeweils gelten-den Sozialrecht nicht anspruchsmin-dernd auf Sozialleistungen angerechnetwerden. Das Sozialamt muss also außenvor bleiben.

Regelungen zur Lebensqualität

Zur Steigerung der Lebensqualität desKindes mit Behinderung können auf-grund dieser Regelung zum Beispielvom Testamentsvollstrecker folgendeZuwendungen finanziert werden:

Geschenke zu Festtagen, Unterstützung für Hobbys, die Finanzierung von Urlaubsaufent-

Die wesentlichen rechtlichen Bestandteile des Behinderten-testaments auf einen Blick:

Das Kind mit Behinderung wirdErbe, gegebenenfalls neben demeventuell vorhandenen länger le-benden Ehegatten und eventuellvorhandenen Geschwistern.

Der Erbteil des Kindes mit Behin-derung liegt über der Hälfte sei-nes gesetzlichen Erbteils.

Das Kind mit Behinderung wirdnicht befreiter Vorerbe. Nach sei-nem Tod fällt sein Erbteil an denoder die Nacherben.

Zur Verwaltung der Erbschaft desKindes mit Behinderung wird aufdessen Lebenszeit Testaments-vollstreckung angeordnet. Der Tes-tamentsvollstrecker wird ange-wiesen, die dem Kind mit Behin-derung zustehenden Erträge desNachlasses nur für Zwecke zuzu-wenden, die dem Kind mit Behin-derung spürbar zugute kommenund nicht auf Sozialleistungen an-rechenbar sind.

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54 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Über den Tod hinaus:

Das BehindertentestamentErbrechtliche Regelungen zum Wohldes behinderten KindesLorenz Spall

1. Um was es geht

Was wird aus meinem Kind, wenn ichnicht mehr lebe? – Diese Sorge bewegtsicherlich alle Eltern. Umso mehr giltdies, wenn wir Mutter oder Vater einesKindes mit geistiger Behinderung sind.Wir wissen, dass unser Kind auch überunseren Tod hinaus auf die Unterstüt-zung anderer angewiesen sein wird.Dies gilt sowohl für die menschliche undpersönliche Fürsorge und Zuwendungals auch für Vermögensfragen und fi-nanzielle Angelegenheiten. In der Regelwird unser Kind mit Behinderung nichtin der Lage sein, seinen Lebensunter-halt aus selbst erwirtschafteten Mittelnzu verdienen, und deshalb auch nachunserem Tod auf fremde Hilfe angewie-sen sein.

Mehr noch als andere müssen sichEltern eines Kindes mit geistiger Behin-derung also mit der Frage beschäftigen,wie sie ihre erbrechtlichen Angelegen-heiten regeln können. Es gilt dabei dieInteressen und das Wohl des beein-trächtigten Kindes, aber auch die Be-lange der anderen Familienmitglieder,vor allem des (Ehe-)Partners und derweiteren Kinder, und nicht zuletzt dieeigene Situation zu bedenken.

Im Rahmen dieser kurzen Darstel-lung soll ausschließlich die spezielle Si-tuation bei Vorhandensein eines Kindesmit geistiger Behinderung im Mittel-punkt stehen.

Dieser Beitrag will das Problembe-wusstsein schärfen und einen erstenEinblick in die Thematik geben. Berüh-rungsängste mit dem sperrigen ThemaErbrecht im Allgemeinen und dem sogenannten „Behindertentestament“ imBesonderen sollen abgebaut werden. Ei-ne kompetente rechtliche Beratung, diedie besonderen Fragestellungen im je-weiligen Einzelfall in den Blick nimmt,bleibt daneben unverzichtbar.

2. Die besondere Situation

Viele Menschen mit geistiger Behinde-rung sind – wie anfangs erwähnt – nachdem Tode ihrer Eltern gerade auch in fi-nanzieller Hinsicht auf fremde Hilfe an-gewiesen. Sie leben beispielsweise in ei-ner Einrichtung für behinderte Men-schen und arbeiten in einer Werkstatt.Die meisten beziehen Leistungen derSozialhilfe. Der Staat sorgt so dafür,dass die elementaren Lebensbedürfnis-se befriedigt werden.

Vielen Eltern genügt diese Basisver-sorgung für ihr Kind jedoch nicht. „Einbisschen mehr als das absolut Notwen-dige würde ich mir für meinen Sohn/meine Tochter schon wünschen, wennich nicht mehr da bin; keinen Luxus,aber doch ein Stück echte Lebensqua-lität und zusätzliche Freiheit.“ – Sofühlen die meisten Eltern von beein-trächtigten Kindern, wenn sie über dieSituation nach ihrem Tod nachdenken.Das Grübeln über dieser Frage hat sichbei vielen angesichts zunehmender Spar-anstrengungen der öffentlichen Handverstärkt.

Aus diesem Fürsorgebedürfnis re-sultiert der Wunsch, auch dem Kind mitBehinderung über den eigenen Tod hin-aus eine finanzielle Absicherung zu-kommen zu lassen.

Nachrangprinzip

Diesem Wunsch steht aber zunächst eineherner Grundsatz des deutschen So-zialhilferechts im Weg: das so genannteNachrangprinzip. Sozialhilfeleistungenbekommt danach in der Regel nur, wernicht über eigenes ausreichendes Ein-kommen oder eigenes ausreichendesund verwertbares Vermögen verfügt.Der Staat finanziert nur wirklich Be-dürftige. Auch eine Erbschaft ist Ver-mögen. Vereinfacht gesprochen mussalso – von geringen Freibeträgen abge-

sehen – zunächst das ererbte Vermögenfür den normalen Lebensunterhalt ver-braucht werden, bevor Leistungen desStaates in Anspruch genommen werdenkönnen. Angesichts der hohen Kosten,die bei Menschen mit geistiger Behinde-rung vor allem für eine Heimunterbrin-gung entstehen können, werden so auchgrößere Erbschaften mir nichts dirnichts aufgezehrt.

Um die Kosten zu bestreiten, musshäufig das Erbe rasch versilbert wer-den. Vielfach ist es dazu unumgänglich,das hinterlassene Vermögen zu zer-schlagen und zum Beispiel eine Immo-bilie zu verkaufen. Konsequenz: Der be-hinderte Angehörige hat von seinem Er-be kaum einen spürbaren Vorteil undder Bestand des Nachlasses in seinerGesamtheit wird gefährdet. Hätte dasKind nichts geerbt, wären seine Lebens-umstände kaum anders! Denn dann wä-re der Staat für die Versorgung aufge-kommen. Ein für viele Eltern unbefrie-digendes Ergebnis.

Sorge um die Zukunft

Nur zur Klarstellung: Niemandem gehtes darum, den Staat zu schädigen oderihm Vermögenswerte, die der öffentli-chen Hand zustehen, vorzuenthalten.

Vielmehr steht die Sorge um die Zu-kunft des eigenen Angehörigen mit Be-hinderung im Vordergrund. So wie eszweifellos zulässig und legitim ist, sichGedanken zu machen, wie man auf le-galem Weg Steuern sparen kann, istnichts dagegen einzuwenden, erbrecht-liche Modelle zu entwickeln, mit denenman die eigenen Angehörigen finanziellabsichern kann.

„Es ist nicht anstößig, wenn Elternihren behinderten Kindern über dienach den Sozialhilfegesetzen zu er-wartenden Leistungen hinaus etwaszugute kommen lassen wollen. Die-ses Bestreben entspricht gerade derEltern zuvörderst zukommendensittlichen Verantwortung für dasWohl ihres Kindes. Ein Behinderten-testament verstößt deshalb grund-sätzlich nicht gegen die guten Sit-ten.“

Bundesgerichtshof 1990 und 1993(sinngemäß zitiert)

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M E D I Z I N

20 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Lebenserwartung und Todesursachenbei Down-Syndrom

Down-Syndromund Krebs

Mehr Leukämie, aber kaum andereFormen von Krebs bei Menschenmit Down-Syndrom

Prof. Dean Nizetic hielt beim Kongressin Genua einen Vortrag zum ThemaKrebs bei Menschen mit Down-Syn-drom. Hier eine kurze Zusammenfas-sung seines Beitrags.

Es scheint ein komplizierter Zusam-menhang zu bestehen zwischen demChromosom 21 und dem Auftreten vonKrebs. Dies geht schon deutlich hervoraus der bekannten Tatsache, dass Men-schen mit Down-Syndrom ein 20 Malhöheres Risiko haben, im Kindesalteran Leukämie zu erkranken.

Paradoxerweise jedoch scheint dieTrisomie 21 vor der Entwicklung vonKarzinomen zu schützen. Bei Kindernmit Down-Syndrom werden Neurobla-stomen und Nephroblastomen sehr sel-ten beobachtet. Ebenso findet man beiErwachsenen mit Down-Syndrom sehrselten Unterleibskrebs, Brustkrebs oderMagen-/Darmkrebs. Im Vergleich mit dereuploiden (mit dem üblichen Chromoso-mensatz ausgestatteten) Bevölkerungsind diese Krebsarten deutlich unterre-präsentiert.

Dies wurde in sechs unterschiedli-chen, voneinander unabhängigen Studi-en aus Frankreich, Dänemark, Japan,Großbritannien, den USA und Israelfestgestellt.

Eine amerikanische Studie über dieTodesursachen von vielen Millionen US-Bürgern – davon ca. 18000 mit Down-Syndrom – stellte verblüffende Unter-schiede fest. Verglichen nach Alter undGeschlecht ist die Wahrscheinlichkeitfür eine Person mit Down-Syndrom, anirgendeiner Form von Gewebekrebs zusterben, um 50 bis 100 Mal niedriger.Diese epidemischen Daten weisen dar-auf hin, dass das Chromosom 21 Geneenthält, die die Entwicklung von solidenTumoren zu unterdrücken scheinen.

Wenn man herausfinden könnte,was genau Menschen mit Down-Syn-drom davor schützt, bösartige Tumorezu bekommen, könnten diese Kenntnis-se für neue therapeutische Strategienfür alle Krebspatienten genutzt werden.

Eine Studie, die Anfang Februar im„Journal of the National Cancer In-

stitute“ erschien, berichtete, dass dieHeilungschancen für an Leukämie er-krankte Kinder mit Down-Syndrom sehrgut wären im Vergleich zu denen ande-rer Kinder. Es handelt sich hierbei umeine bestimmte Form von Leukämie(AMkL), die Form, die am häufigsten beikleinen Kindern mit Down-Syndromauftritt. Die Behandlung mit Chemothe-rapie ist bei dieser Kindergruppe viel er-folgreicher als bei Kindern ohne Down-Syndrom – die Überlebenschancen sindhöher und sie erleben weniger Rückfälle.

Zurückzuführen sei dies, nach Dr.Yubin Ge vom Karmanos Cancer Institutin Detroit, auf eine bestimmte Genmu-tation, die man bei fast allen Kindernmit Down-Syndrom und AMkL feststel-len konnte. Kinder ohne Down-Syn-drom und Leukämie haben diese Gen-mutation nicht. So wurden bei 14 von16Babys mit Down-Syndrom (davon wa-ren zwölf AMkL-Patienten) die GATA1Mutation festgestellt. Bei den 56 ande-

ren Patienten mit Leukämie war die Mu-tation nicht vorhanden. Es handelt sichum das 40-kDA GATA1 Protein, vondem man annimmt, dass es für den Un-terschied bei den Heilungschancen ver-antwortlich ist.

Laboruntersuchungen zeigten, dassdurch die GATA1 Mutation das Medika-ment, das bei Leukämie eingesetzt wird,bei Kindern mit Down-Syndrom besserwirkt. Zellen mit einem normalen GATAProtein waren zwischen acht und 17Mal weniger empfänglich für dieses Me-dikament.

Aber die GATA1 Mutation ist einzweischneidiges Schwert. Es trägt zwareinerseits dazu bei, dass die kleinenLeukämiepatienten bessere Heilungs-chancen haben, die Wissenschaftler inDetroit nehmen aber an, dass sie gleich-zeitig das Risiko erhöht, überhaupt Leu-kämie zu bekommen.

Quelle:Ge, Y. Journal of the National

Cancer Institute. Feb. 2, 2005; vol 97: S. 226-231

In einer Studie aus den USA von 1983bis 1997 (wie im vorgehenden Artikel

schon erwähnt) wurden das Sterbealterund die Todesursachen bei Menschenmit Down-Syndrom näher untersucht.

Der Hintergrund dieser Studie war,dass obwohl das Down-Syndrom die amhäufigsten vorkommende Form einermentalen Behinderung darstellt, es re-lativ wenig aktuelle Informationen überdie Sterblichkeitsziffer und die Todesur-sachen bei Menschen mit Down-Syn-drom gibt. Für die Studie wurden die Da-ten von Sterbeurkunden genutzt, die inden USA zwischen 1983 und 1997 aus-gestellt wurden. Mit Hilfe dieser Datenkonnten das durchschnittliche Sterbeal-ter und die verschiedenen gesundheitli-chen Probleme, die bei dieser Zielgrup-pe zum Tod führten, ermittelt werden.

Durchschnittsalter dramatisch gestiegen

Die Studie umfasste über 32 MillionenTodesfälle, davon 17897 von Personenmit Down-Syndrom. Die Verteilung überdie verschiedenen Rassen wurde ange-geben mit 87 % Weiße, 11 % Schwarzeund 2 % andere Rassen.

Bei den 17897 Personen in der Stu-die, die Down-Syndrom hatten, war dasdurchschnittliche Lebensalter von 25Jahren 1983 auf 49 Jahre 1997 ange-stiegen. Das ist eine Zunahme von 1,7Jahre pro Jahr. Ein Vergleich zu derübrigen Population: Hier stieg das Alterwährend dieser fünfzehn Jahre von 73auf 76 Jahre an, also ein Zuwachs voninsgesamt nur drei Jahren.

Vor allem in den frühen 90-er Jah-ren war eine dramatische Zunahme des

Bessere Heilungschancen bei Leukämiefür Kinder mit Down-Syndrom

GENETIK

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200517

Glossar

Amniozentese = Fruchtwasseruntersuchung. Aus der Fruchtblase (Am-nionhöhle) der schwangeren Frau wird eine geringe Menge Fruchtwasser ent-nommen. Darin befinden sich Zellen des Fötus und der Mutter. Die fetalen Zel-len werden extrahiert und ausreichend vermehrt, um anschließend einer DNA-Analyse und einer Analyse der Chromosomen unterzogen zu werden, wodurchsich Erbkrankheiten und Chromosomenanomalien wie die Trisomie 21 fest-stellen lassen. Darüber hinaus erlaubt die Untersuchung des Fruchtwassers(zumindest ab dem zweiten Schwangerschaftstrimenon) die Bestimmung wei-terer Kennwerte. In der Regel werden Amniozentesen ab der 15. Schwanger-schaftswoche durchgeführt. Sie sind aber auch bereits ab der 10. Woche mög-lich (Frühamniozentesen), wobei zu diesem Zeitpunkt allerdings ein erhöhtesVerletzungsrisiko für den Fötus besteht.

Chorionzottenbiopsie (auch Chorionbiopsie) = Untersuchung fetaler Zellendurch Entnahme von Proben aus den Zotten der Chorionhaut, die später diePlazenta bildet. Der Eingriff findet in der 7. bis 12. Schwangerschaftswochestatt. Die Untersuchung der gewonnenen fetalen Zellen ähnelt dem Vorgehenbei der Amniozentese.

Inzidenz (in diesem Kontext) = Anteil von neugeborenen Säuglingen mit ange-borenen Behinderungen an der Gesamtzahl der Geburten in diesem Jahrgang.

Metaanalyse = systematische Auswertung der statistischen Daten einer größe-ren Anzahl von Studien mit dem Ziel, belastbarere Aussagen über einen Sach-verhalt treffen zu können, als dies durch die einzelnen Primärstudien alleinmöglich wäre.

Prävalenz (in diesem Kontext) = Anteil von Menschen mit angeborenen Behin-derungen an der Gesamtpopulation.

Selektiver Abort (auch: elektiver ~, therapeutischer ~) = Schwangerschaftsab-bruch aufgrund einer Fehlbildung des Fötus oder eines sonstigen positiven Be-fundes in einer vorgeburtlichen Untersuchung.

Sensitivität = Anteil an Merkmalsträgern, die durch eine Untersuchung korrekterkannt werden.

Sonographie = Ultraschalluntersuchung.

Spezifität = Anteil an Nicht-Merkmalsträgern, die durch eine Untersuchungkorrekt als nicht betroffen eingestuft werden.

Trimenon = Zeitraum von drei Monaten. Bei einer Schwangerschaftsdauer vondurchschnittlich 266 Tagen von der Empfängnis (post conceptionem) bis zurGeburt entspricht ein Trimenon in etwa einem Schwangerschaftsdrittel.

Triple-Test = umstrittene Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung, bei der aufder Basis der Konzentration dreier verschiedener Schwangerschaftshormoneim mütterlichen Blut (±Fetoprotein, unkonjugiertes Ostriol, humanes Cho-riongonadotropin) Wahrscheinlichkeitsaussagen über das Vorliegen einerChromosomenaberration oder eines Neuralrohrdefekts getroffen werden. Auf-grund gravierender Anwendungsfehler und einer massiven Verunsicherungvieler schwangerer Frauen werden die Kosten des Tests nicht mehr von denKrankenkassen übernommen.

durch eine Entscheidung für das Kindzu erleichtern. Gleichzeitig muss derVorstellung der Vermeidbarkeit von Be-hinderung durch Pränataldiagnostikentgegengetreten werden, da sich sonstin der Gesellschaft der Eindruck verfes-tigen könnte, Eltern von Kindern mit Be-hinderung hätten dem Sozialstaat eineunnötige Last aufgebürdet.

Reproduktive Autonomie bedeuteteben nicht nur, sich gegen ein Kind mitBehinderung entscheiden zu können,sondern auch, die Möglichkeit der be-wussten Entscheidung für das Austra-gen der Schwangerschaft zu gewährleis-ten.

Zusammenfassend lässt sich sagen,dass pränataldiagnostische Untersu-chungen immer häufiger in Anspruchgenommen werden. Die Präzision derUntersuchungsinstrumente nimmt fort-laufend zu und der Anteil der Föten, dienach einem positiven Befund abgetrie-ben werden, steigt ebenfalls oder sta-gniert auf hohem Niveau.

Sterben also Menschen mit Down-Syndrom aus, wie es Bonfranchi (1996)pointiert formuliert hat? Solange nichtjede Schwangerschaft intensiv über-wacht wird und jede Frau mit positivemBefund einen Abort durchführen lässt,trifft dieses Szenario sicher nicht ein.Allerdings ist bereits jetzt abzusehen,dass Menschen mit Down-Syndrom zu-nehmend aus unserer Gesellschaftschwinden werden.

Ausführliche Literaturangaben auf Anfrage beim Deutschen Down-Syndrom

InfoCenter zu erfragen.

Quelle:Dieser Artikel ist erschienen

in der Zeitschrift „HeilpädagogischeForschung“, Heft 4, S. 165-176,

Wir danken der Redaktion für die freundlicheGenehmigung, den Artikel in Leben mit Down-

Syndromveröffentlichen zu dürfen.

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 53

W O H N E N

Hausbesitzer zu sein oder etwaseingeschränkter eine eigene

Wohnung mieten zu können, gibtMenschen das Gefühl, die Kontrolleüber ihre Wohnsituation zu haben.Dies „Unter Kontrolle haben“ ist we-sentlich für das Modell „SupportedLiving“. Aber es ist nicht genug, Kon-trolle zu haben über „Steine und Zin-sen“, genauso wichtig ist es, Einflusszu haben darüber, mit wem man zu-sammenlebt und wie man unter-stützt wird. Supported Living ent-wickelte sich in den 1980-er Jahrenin den USA, ausgelöst durch einewachsende Unzufriedenheit überWohngruppen und Wohnheime beiMenschen mit Lerneinschränkun-gen, ihren Familien und dem Pflege-personal. Auch die Situation in Groß-britannien hat sich während der letz-ten Jahre so ähnlich entwickelt.

Was ist Supported Living?

Ganz einfach formuliert: Bei Suppor-ted Living geht es um Menschen mitLerneinschränkungen, die selbstwählen, wie sie leben, wo sie leben,mit wem sie zusammenleben, wersie dabei unterstützt und wie dieseUnterstützung aussehen muss. Da-bei brauchen Menschen mit Lern-schwierigkeiten, genau wie viele vonuns auch, kompetente Hilfen, um dieverschiedenen Wahlmöglichkeitenzu verstehen und gegeneinander ab-zuwägen.

Statt in eine Gruppe platziert zuwerden, sollen die individuellenWünsche und Vorstellungen der Ein-zelnen berücksichtigt werden. JederMensch ist anders und hat seine ei-genen Ideen darüber, wie seineWohnsituation aussehen soll.

Kein Mensch wird auf Grund sei-ner Behinderung, auch wenn sienoch so beeinträchtigend ist, vom„Supported Living“ ausgeschlossen.Die Anbieter müssen sich etwas ein-fallen lassen, damit die jeweilige Per-son so leben kann, wie sie daswünscht. Einige der ersten Men-schen, die in Großbritannien „Sup-

ported Living“ praktizierten, warenschwerstbehindert. Um in den Ge-nuss vom „Supported Living-Modell“zu kommen, braucht man nicht erst„so weit“ zu sein. Jeder ist so weit.Wir müssen nur überlegen, welcheArt der Unterstützung die Personbraucht.

Bezahlte Helfer werden dann ein-gesetzt, wenn es keine informelleoder natürliche Unterstützung gibt.Das bedeutet schon, dass noch vielbezahlte Hilfe nötig ist. Aber der Fo-kus muss darauf gerichtet sein, dieInklusion des Menschen in ein infor-melles Assistenznetz zu ermutigen,beispielsweise indem man Mitbe-wohner oder gute Nachbarn mit ein-bindet. Obwohl viele Menschen mitBehinderungen angewiesen sind aufumfangreiche Unterstützungsmaß-nahmen, die von bezahlten Mitarbei-tern geleistet werden, soll im Lebenjedes Einzelnen immer auch Platzsein für informelle Hilfe. ReguläreAngebote der Kommune nützen zukönnen, wäre zum Beispiel schon soetwas.

Missverständnisse

Es ist zu teuer!

Erfahrungen aus den USA und Groß-britannien zeigen, dass „SupportedLiving“ nicht mehr kostet als andereWohnmodelle. Einige Personen wür-den tatsächlich mehr kosten, fürmanche bleiben die Kosten gleich,aber für viele andere sind die Kostengeringer.

Allein wohnen oder mit jeman-dem zusammen?

Viele Menschen möchten gerne allei-ne wohnen, andere jedoch nicht.Außerdem ändert manch einer (sowie viele von uns) seine Meinung imLaufe seines Lebens. Wenn man ge-nau nachfragt, wird man feststellen,dass die meisten lieber mit jeman-dem zusammenwohnen möchten.

Supported Living – Unterstütztes Wohnen

Dies soll berücksichtigt werden. Mansoll weder automatisch davon ausge-hen, dass jeder gern für sich wohnt,noch dass jeder immerzu mit ande-ren zusammenleben möchte.

Die Mitbewohner müssen für alles aufkommen

Nur von der Unterstützung eventuel-ler Mitbewohner auszugehen ist ver-kehrt. Das allein ist kein „SupportedLiving“. Wohl wird an erster Stelleangestrebt, dass die Person mit einerLerneinschränkung viele informelleHilfen nützt, die meisten Menschenbenötigen jedoch einen beträchtli-chen Betrag für bezahlte Unterstüt-zung. Es gibt nicht ein Modell vonSupported Living, das für jeden passt.Jeder ist anders und wird einen an-deren Unterstützungsbedarf haben.Der Einsatz von gut ausgebildetemPersonal ist genauso wichtiger Be-standteil dieses Angebots.

Zuständigkeit von „Supported Living“–Anbietern

„Supported Living“ kann zwar Un-terstützung beim Wohnen leisten,vermittelt jedoch keine Beschäfti-gungsmöglichkeiten für den behin-derten Menschen noch garantiertdas Modell, dass so automatischFreundschaften entstehen. DieseDinge müssen von anderen Stellenübernommen werden.

Kontrolle

„Supported Living“ bietet effektiveund kompetente Hilfen, die hohenQualitätsprüfungen unterzogen wer-den. Alle Abmachungen, Bedingun-gen usw. werden in klaren Verträgenfestgehalten. Die Anbieter werdenihrerseits von verschiedenen Stellenkontrolliert.

Quelle: Flyer der Housing OptionsAutor: Peter Kinsella in Journal, Down’s

Syndrome Association, Issue 107, Winter2005

RECHT

56Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

halten und die notwendige Betreuung, Aufwendungen für Besuche bei Ver-

wandten und Freunden, die Anschaffung von Hilfsmitteln, die Bezahlung von ärztlichen bzw.

pflegerischen Behandlungen oder Me-dikamenten, die von Versicherungennicht vollständig bezahlt werden,

modische Kleidung oder sonstige Güter des persönlichen Be-

darfs. Der Träger der Sozialhilfe muss solcheZuwendungen, sofern sie kein Luxussind, nach geltendem Recht akzeptie-ren, ohne dass seine eigenen Leistungeneingeschränkt werden.

Das Erbe verwalten

Der Testamentsvollstrecker hat also ei-ne schwierige und zeitaufwändige Auf-gabe. Er muss das Erbe verwalten undgleichzeitig über die Ausgaben zuguns-ten des Behinderten in dessen Sinn ent-scheiden. Hier sollte man eine Personwählen, die dieser Aufgabe gewachsenist, idealerweise aber auch enge Kon-takte zum behinderten Erben hat, umdessen Wünsche und Bedürfnisse ein-schätzen zu können. Damit sind allezentralen Aspekte bedacht. Kompliziert,aber inzwischen anerkannt.

Regelmäßige Überprüfung

Für nicht weit überdurchschnittlich ho-he Erbschaften wurde die Wirksamkeitdes Behindertentestaments in der Ver-gangenheit auch gerichtlich bestätigt(Bundesgerichtshof 1990 und 1993). In-zwischen setzt der Bundesgerichtshofoffenbar die Wirksamkeit des Behinder-tentestaments ohne große Diskussionvoraus (vgl. Bundesgerichtshof, Urteilvom 8. Dezember 2004). Natürlich soll-te ein bereits abgeschlossenes Testa-ment gleichwohl immer wieder über-prüft werden. Nicht nur das Recht kannsich ändern, auch unsere Lebensum-stände sind in ständigem Wandel undkönnen Einfluss auf unseren letzten Wil-len haben.

Natürlich kann ein Behindertentes-tament auch weitere Anordnungen ent-halten, zum Beispiel Regelungen zurVerteilung des Nachlasses.

Vormund und Betreuer

Eltern minderjähriger Kinder werdenmeist noch regeln wollen, wer sich imFalle ihres Todes um die Kinder küm-mern soll. Sie werden also einen Vor-

vorgeschriebene Form ist er unwirksamund unbeachtlich!

Da ist zunächst das „eigenhändige“Testament: Es muss in allen Teilenhandschriftlich niedergelegt und unter-schrieben sein. Es soll mit Datum undOrt versehen sein. Nur Ehegatten kön-nen ein so genanntes gemeinschaftli-ches Testament errichten, das unterUmständen auch eine wechselseitigeBindung nach sich zieht. Auch das ei-genhändige Testament kann beimAmtsgericht in Verwahrung gegebenwerden.

Daneben besteht die Möglichkeit, einnotarielles Testament zu errichten. DerNotar übernimmt Beratung, Formulie-rung und Abfassung des letzten Willensund beurkundet diesen. Er kümmertsich um die amtliche Verwahrung.

Im Erbvertrag können schließlichvon zwei oder mehr Personen, zum Bei-spiel auch von Ehegatten oder Lebens-gefährten, neben widerruflichen auchbindende Regelungen getroffen werden.Für seine Errichtung ist ausschließlichder Notar zuständig.

6. Erbrechtliche Beratung

Wer daran denkt, ein Behindertentesta-ment zu errichten, der sollte dies kei-nesfalls ohne kompetente Beratung tun,die auf die spezielle Lebenssituation derFamilie eingeht. Jeder Mensch ist an-ders. Ein Behindertentestament von derStange gibt es nicht. Und: Schlechter Ratist teuer, manchmal unbezahlbar! Glei-ches gilt für fehlenden Rat.

Zur erbrechtlichen Beratung wegeneines Behindertentestaments kann mansich z. B. wenden an:– eine Rechtsanwältin oder einen Rechts-anwalt, am besten mit Tätigkeits-schwerpunkt im Erbrecht;– eine Notarin oder einen Notar derWahl, unabhängig vom Wohnort.

Fachleute, die nach ihrer eigenenEinschätzung über Kompetenz auf demGebiet des Behindertentestaments ver-fügen, findet man im Internet unterwww.lebenshilfe.de (Stichwort: Rechts-beraterliste).

7. Ein Wort zu den Kosten

Ob Anwalt oder Notar – in jedem Fallegilt: Die konkret anfallenden Kosten undGebühren sollte man im Voraus erfra-gen! Das erspart Überraschungen.

Die Notarkosten richten sich aus-schließlich nach den gesetzlichen Re-

Diese Rollen und Posten gilt es im Behindertentestament zu verteilen:

– Welche Personen berufe ich zu mei-nen Erben? Zu welchen Quoten?

– Wem soll der für das Kind mit Be-hinderung zugedachte Erbteil nachdessen Tod zufallen? Wer soll also sogenannter Nacherbe werden?

– Wer soll Testamentsvollstreckerwerden, also das dem Kind mit Be-hinderung im Testament zugewand-te Vermögen verwalten?

– Wer soll Vormund bzw. rechtlicherBetreuer werden, also die gesamtePersonen- und Vermögenssorge fürdas Kind mit Behinderung überneh-men?

mund benennen. Ist das geistig behin-derte Kind erwachsen, muss möglicher-weise ein rechtlicher Betreuer vom Vor-mundschaftsgericht bestellt werden.Auch hier können im Testament Emp-fehlungen ausgesprochen werden, diefür das Gericht allerdings nicht bindendsind. Zu beachten ist dabei, dass diePerson des Testamentsvollstreckers unddie des Betreuers bzw. Vormunds nichtidentisch sein sollten.

Es gibt beim Behindertentestamentalso eine ganze Anzahl von Rollen zu be-setzen. Wer für welche Position in Fra-ge kommt, muss sorgfältig bedacht wer-den. In allen Fällen ist auch an eine aus-reichende Anzahl von Ersatzpersonenzu denken und deren Reihenfolge klar-zustellen. Denn das Testament entfaltetja erst nach dem Tode des ElternteilsWirkung und soll über die gesamte Le-benszeit des Kindes mit Behinderunggelten!

5. Auch auf die Form kommt es an!

Um ein Behindertentestament zu er-richten, genügt wie bei jedem Testa-ment der gute Wille allein nicht. Es mussin die richtige Form gebracht werden.Hierfür sieht das Gesetz im Wesentli-chen drei Wege vor, wobei die jeweili-gen Anforderungen penibel beachtetwerden müssen. Sonst ist der letzte Wil-le meist nicht das Papier wert, auf demer steht: Bei einem Verstoß gegen die

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PSYCHOLOGIE

24Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

te Denken teils auf Zufallslernen auf-baut, könnte dies der frühe Beweis fürdie diesbezüglich atypische Entwicklungbei Down-Syndrom sein.

Weitere Studien fanden ebenso Be-weise über einen atypischen Verlaufdieses Entwicklungsbereichs. So wurdeu.a. festgestellt, dass die Kinder längerbrauchten, um von Stufe V (an einerSchnur ziehen, um ein Spielzeug zu be-kommen) zu Stufe VI (gezieltes Vorge-hen, beim Hereingeben einer Kette in ei-ne Tasse) zu gelangen. Dieser verlang-samte Übergang von der einen in dienächste Stufe war jedoch nicht deutlichin anderen Bereichen, wie bei der Ob-jektpermanenz oder der Imitation vonGesten. Verzögerung bei der Entwick-lung desinstrumentellen Denkens imSäuglingsalter kann die Ursache sein fürdie später auftretenden spezifischenSchwierigkeiten, Strategien zur Pro-blemlösung zu entwickeln.

Aus verschiedenen Studien geht her-vor, dass während die unterschiedli-chen sensomotorischen Entwicklungs-bereiche sich mehr oder weniger gleich-mäßig weiterentwickeln, das zielorien-tierte Denkeneinen atypischen und ver-langsamten Entwicklungsweg folgt.

Auch nach der Säuglingszeit gibt esBeweise dafür, dass die Fähigkeit, Hilfs-mittel einzusetzen, um ihre Ziele zu er-reichen, bei Kindern mit Down-Syn-drom weiterhin verzögert ist. Ruskin etal. 1994 berichten, dass Kleinkinder inihrer Studie bedeutend weniger zielge-richtete Handlungen ausführten, um einbestimmtes Ziel zu erreichen (z.B. Klöt-ze durch passende Löcher stecken), alsnicht beeinträchtigte Kinder im gleichenEntwicklungsalter.

Ähnlich fand auch unser Team her-aus, dass diese Kinder weniger guteStrategien entwickelten, z.B. um dasProblem zu lösen, wie sie einen ge-

wünschten Gegenstand aus einer Plas-tikbox holen konnten. Nicht nur im Ver-gleich zu Kindern, die sich normal ent-wickelten, sondern auch zu Kindern mitanderen Lernverzögerungen.

Weiter fiel auf, dass Kinder mit Down-Syndrom weniger Freude an kau-salen Zusammenhängen zeigten und ei-nen viel weniger positiven Gesichtsaus-druck hatten während solcher zielge-richteter Handlungen als andere Kin-der. Es ist anzunehmen, dass diesefreudlose Beschäftigung mit Aufgaben,bei denen strategisches Denken erfor-derlich ist, eine wichtige Rolle bei derEntwicklung des Motivationsverhaltensspielt.

Primäre phänotypische Folge: das soziale Funktionieren/Verhalten

Zu der Entwicklungsverzögerung im in-strumentellen Denken bei kleinen Kin-dern mit Down-Syndrom kommen rela-tive Stärken im sozial-emotionalen Be-reich. Schon im Alter von drei Jahrenzeigen viele dieser Kinder deutlicheStärken im sozialen Funktionieren, ge-messen mit der Vineland Adaptive Be-havior Scales. Einige Studien gebenzwar an, keine großen Unterschiede imTemperament zwischen Kindern mitund ohne Down-Syndrom feststellen zukönnen, viele andere dagegen berich-ten, dass Kleinkinder mit Down-Syn-drom öfter eine aufgeweckte Stim-mungslage haben, mehr auf Musik an-sprechen und weniger anstrengend sindals gleichaltrige andere Kinder.

Die gute visuelle Imitation von Klein-kindern mit Down-Syndrom wird be-schrieben als der Beweis einer „ange-borenen sozialen Kompetenz“. Was dasfrühe Anschauen betrifft, stellt Crown etal. (1992) fest, dass diese Babys ihreMütter länger anschauen als Säuglinge,die sich normal entwickeln, sogar schonim Alter von vier Monaten. Dieses Ver-halten kann die Kontaktaufnahme zuanderen Menschen begünstigen. Die Er-gebnisse wurden bestätigt in einer Stu-die von Gunn et al., die erwähnt, dasssechs bis neun Monate alte Babys mitDown-Syndrom fast die Hälfte ihrer In-teraktionszeit damit verbrachten, ihreMütter anzuschauen, und eine Studievon Kasari et al. erwähnt, dass die Kin-der während unsicherer Situationenvermehrt ihre Eltern anschauen.

Aber ... die Kinder nützen dieses in-tensive Anschauen nicht als ein Mittel

zum Zweck, um Informationen zu be-kommen.

Weitere Zeugnisse sozialer Kompe-tenz bei Säuglingen sind der verstärkteEinsatz von melodischen, vokalischenund emotionalen Lauten. Schon vierMonate alte Babys mit Down-Syndromlautieren, wenn sie mit Personen (nichtjedoch mit Objekten) interagieren. Die-se soziale Kompetenz scheint währendder ganzen Kleinkindzeit bis in die Vor-schuljahre anzudauern.

Mit 17,5 Monaten zeigen Kinder mitDown-Syndrom ähnliche Reaktionen inder Interaktion mit der Mutter wie sichnormal entwickelnde Kinder. In einer„fremden Situation“ wirken 24 Monatealte Kinder mit Down-Syndrom sehr be-unruhigt, wenn ihre Mütter nicht dasind, sie weinen dann häufig, macheneinen unglücklichen, ängstlichen Ein-druck und schauen häufig zur Tür – Ver-haltensweisen, die man auch bei ande-ren Kindern beobachten kann.

In verschiedenen Bereichen, wie inbestimmten nonverbalen sozialen Inter-aktionen, beim Rollenspiel oder in Spie-len, wobei man sich abwechselt, zeigenKinder mit Down-Syndrom deutlicheStärken im Vergleich zu Kindern ohneSyndrom.

Ein weiterer interessanter Aspekt imsozial-emotionalen Verhalten ist dieFähigkeit, positive Gefühle zu vermittelndurch das wiederholte Zeigen der Emo-tionen, z.B. durch Anlachen und Lächeln.Dies bestätigen verschiedene Studien.Vermehrtes Lachen und Lächeln wurdeauch bei älteren Kindern und Teena-gern mit Down-Syndrom festgestellt.

Bruch in der Entwicklung der bewussten Kommunikation

Sobald frühe kognitive und soziale Fer-tigkeiten entstehen, überschneiden siesich mit der Entwicklung von nonverba-len Kommunikationsfertigkeiten. Kin-der fangen normalerweise mit neun bis13 Monaten an, bewusst zu kommuni-zieren. Sie tun das z.B. im gemeinsamenSpiel, wobei die Aufmerksamkeit desKindes und des Erwachsenen auf dasgleiche Spielzeug gerichtet ist, oder beider Entwicklung ihres Frageverhaltens.Bei dieser bewussten Kommunikationhat man einen wichtigen Unterschiedzwischen Kindern mit Down-Syndromund Kindern ohne Behinderung odermit einer anderen geistigen Behinde-rung festgestellt.

Babys mit Down-Syndrom schauen ihre Mütter

länger und intensiver an als andere Babys

M E D I Z I N

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 21

erreichten Lebensalters zu verzeichnen,gleichzeitig eine bedeutende Abnahmeder Todesfälle von Kindern mit Down-Syndrom unter fünf Jahren.

Es gab diesbezüglich wenig Unter-schiede bei den verschiedenen Ge-schlechtern, das Sterbealter bei Män-nern und Frauen mit Down-Syndromwar fast gleich. Wohl gab es erheblicheUnterschiede beim erreichten Lebensal-ter, wenn man die weiße mit derschwarzen Bevölkerung verglich odermit Menschen anderer ethnischer Grup-pen.

Todesursachen

Insgesamt wurden 17 medizinische Pro-bleme als Todesursache bei Menschenmit Down-Syndrom aufgelistet. Auf denSterbeurkunden wurden als Todesursa-che angeborene Herzfehler, Demenz, ei-ne Unterfunktion der Schilddrüse, Epi-lepsien, Lungenentzündung, Grippe,Hepatitis und Leukämie eindeutig häu-figer genannt als bei Menschen ohne dasSyndrom.

Sehr häufig wurde in der Alters-gruppe von 40 bis 49 Jahren Demenz alsTodesursache genannt, jedoch kam diesbei den unter 40-Jährigen und bei denüber 60-Jährigen viel weniger vor.

Probleme mit den Atemwegen, Lun-genentzündung oder Grippe als Todes-ursache nahmen mit dem Alter zu.

Bei Kindern mit Down-Syndrom un-ter zehn Jahren stand dreimal häufigerLeukämie auf der Sterbeurkunde als beiKindern ohne das Syndrom. Mit zuneh-mendem Alter nahm Leukämie als To-desursache ab und wurde nach dem 40.Lebensjahr nicht mehr genannt.

Im Gegensatz zur Leukämie wurdenandere Formen von Krebs viel wenigererwähnt als erwartet. Dies galt für alleAltersgruppen, für beide Geschechterund für alle drei ethnischen Bevölke-rungsgruppen.

Es gibt verschiedene Begründungen,weshalb Menschen mit Down-Syndromweniger anfällig sind für bösartige Tu-more. Erstens wird erwähnt, dass sieweniger gefährdet sind durch Umwelt-faktoren, wie Tabak, Alkohol oder dasAusüben bestimmter Berufe, die zu ei-nem erhöhten Krebsrisiko beitragen.

Eine andere Möglichkeit wären Geneauf dem Chromosom 21, die der Ent-wicklung von Tumoren entgegenwir-ken.

Außerdem wurde diskutiert, ob die Tat-sache, dass die Zellen von Menschen mitDown-Syndrom sich weniger schnell ver-mehren, eine mögliche Ursache seinkönnte. Dieser verlangsamte Prozesskann sich auch auf das Entstehen vonbösartigen tumorbildenden Zellen be-ziehen.

Die Autoren der Studie weisen dar-auf hin, dass die Daten aus Sterbeur-kunden nicht immer korrekt und voll-ständig sind, dies gilt in gleichen Maßenauch für Sterbeurkunden von Menschenmit Down-Syndrom. Auch ist es nichtganz sichergestellt, ob alle Todesfällebei Down-Syndrom erfasst wurden.

Es wurde (auf Grund der Zahlen aus17 verschiedenen Bundesstaaten) ange-nommen, dass das Down-Syndrom auf10000 Geburten bei 9,2 lebend gebore-nen Kindern auftritt. In einer stabilenGesellschaft, in der sich Geburtsrate undSterberate die Waage halten und Migra-tion ausgeklammert wird, wurde beiMenschen mit Down-Syndrom nur 61 %der erwarteten Todesfälle festgestellt.Dies ist darauf zurückzuführen, dassdiese Menschen während der letzten 20Jahre immer älter wurden und dasdurchschnittliche Lebensalter steigtnoch immer an.

So sind zunächst bei Down-Syndromerheblich weniger Todesfälle als Gebur-ten (auch wenn diese Zahl durch präna-tale Diagnostik und selektive Schwan-gerschaftsabbrüche auch rückläufig ist)zu verzeichnen, bis dort ein neuesGleichgewicht entsteht. Die Gesamtzahlder Menschen mit Down-Syndromnimmt also vorläufig noch zu.

Quelle:Quanhe Yang, Sonja A. Rasmussen,

J.M. FriedmanMortality associated with Down’s syndrome in

the USA from 1983 to 1997The Lancet, Vol 359, March 23, 2002

Zöliakie und Psychose

Über die Zusammenhänge zwischenZöliakie und psychiatrischen/psy-

chologischen Auffälligkeiten wurde inder medizinischen Literatur in letzterZeit verschiedentlich berichtet. Da Zö-liakie eine medizinische Komplikation

ist, die bei Menschen mit Down-Syn-drom vermehrt auftritt (siehe auch Arti-kel Dr. Storm Seite 18), sollten diese Zu-sammenhänge auch bei dieser Patien-tengruppe berücksichtigt werden.

So erschien in La Presse Médicale,2002; 31 .1551-3 ein Fallbericht übereine Frau mit Down-Syndrom, die ver-schiedene psychiatrische Probleme hat-te und bei der eine so genannte stille Zö-liakie diagnostiziert wurde. Auch beiden letzten Down-Syndrom-Kongressenwurde mündlich über einige ähnlicheFälle berichtet.

La Presse Médicale zufolge wurdenbei einer 41-jährigen Frau, die noch zuHause bei ihren Eltern wohnte und diebis dahin unauffällig war, relativ plötz-lich Depressionen, Halluzinationen, An-orexia und autistische Verhaltenswei-sen festgestellt. Ein erhöhter Titer derGliadin-Antikörper im Blut wies auf Zö-liakie hin, die Darmbiopsie bestätigtedies jedoch nicht. Deshalb wurde einestille Zöliakie angenommen. Zwölf Mo-nate später mit einer glutenfreien Diätkonnte eine dauerhafte Verbesserungsowohl der psychotischen Symptome alsauch der Depression festgestellt wer-den.

Eine abweichende Interaktion zwi-schen Immunsystem und Gluten hatnicht nur Folgen für den Darm (als Zö-liakie, sondern kann sich auch – vor al-lem bei Personen, die dazu genetischdisponiert sind, wie diejenigen mit Down-Syndrom – im Gehirn auswirken(als Psychose). Bei dieser Patientin wur-de dieser Zusammenhang eindeutignachgewiesen.

Schlussfolgerung

Dieser Fall zeigt, dass bevor man psy-chische Auffälligkeiten bei einer Personmit Down-Syndrom als Folge einer Alz-heimer-Erkrankung oder Demenz an-nimmt, eine Untersuchung nach Zölia-kie nützlich sein kann. Falls nämlich tat-sächlich diese Diagnose zutrifft, könnteeine glutenfreie Ernährung die Sympto-me einer psychiatrischen Störung ver-bessern oder können diese Symptomeganz verschwinden.

Quelle:J. Serratrice, P. Disdier, Kaladjan et al.

Psychose rélévant une maladie coeliaquesilencieuse chez une jeune femme ayant

une trisomie 21La Presse Medical 2002; 31:1551-3

ERWACHSENE

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200549

investieren alles, um ihren Kindern jedemögliche Förderung zukommen zu las-sen; Physiotherapie, Ergotherapie, Lo-gopädie, sie kämpfen um Integration imSchulsystem schon von Kindergartenta-gen an. Aber mit dem Beenden des Schul-systems im Alter von spätestens 21 Jah-ren enden auch sämtliche vom Staatvorgesehenen Bildungsmaßnahmen.

Menschen mit Down-Syndrommöchten gerne weiterlernen

Junge Menschen mit Down-Syndromkönnen zwar auch an der „GraduationCeremony“ teilnehmen wie alle anderenMitschüler, aber sie bekommen keinvollständiges Schulabschlusszeugnis,das gleichwertig wäre mit dem andererSchulabsolventen. Ihr „Graduation Pa-per“ ist ein „Zertifikat der Anwesenheit“oder ein „Zertifikat über hervorragendeLeistungen“ und spiegelt ihre jeweiligenindividuellen Leistungen wider.

Viele von den betroffenen jungenMenschen lernen gerne und vermissendie Möglichkeit, nach der Schule weiter-zumachen. Eine von diesen jungenMenschen ist Christina Mailhot. IhreMutter beobachtete voller Sorge ihreEntwicklung, als sie mit der Schule fer-tig war. Christina fand eine Arbeit alsEinpackerin im Supermarkt, war dortsehr unglücklich und verfiel in Depres-sionen. Als alleinerziehende Muttermachte sich Frau Mailhot große Sorgen,denn der Job als Einpackerin würde ih-re Tochter, wenn sie selber nicht mehrda wäre, in der Zukunft nicht ernährenkönnen.

Christina wurde als eine von sechsStudentinnen vom Strive-Programm an-genommen – 65 hatten sich beworben.An der Universität teilt sich Christinaein Appartment mit einer anderen Stu-dentin aus dem gleichen Programm undmit einer Beraterin, die dafür sorgt, dassChristina kochen lernt und ihre Rech-nungen pünktlich bezahlt. Sie besuchtbesonderen Unterricht, der ihr hilft, sichan das Campusleben anzupassen. Siebesucht außerdem Deutschunterricht,um die Muttersprache ihrer Mutter zulernen.

Christina hofft, eines Tages als Ver-fechterin für die Anliegen von Menschenmit Behinderungen eine Karriere ma-chen zu können. „Ich glaube, dass diemeisten Menschen überhaupt nicht wis-sen, dass wir auch ein Gehirn haben,wir sind genauso normal wie alle ande-

ren auch, und das müssen sie akzeptie-ren!“, sagt Christina.

Irvin Shapell, ein Herausgeber vonBüchern über Kinder mit Behinderun-gen, war maßgeblich an der Gründungund Entwicklung des Strive-Programmsbeteiligt. Sein behinderter Sohn Jakewar damals 21.

„Ich wollte, dass Jake die gleichenChancen bekommt wie seine Geschwis-ter, dass er einen Job bekommt und dieAnerkennung, die ihm wichtig ist. Ichwollte, dass er in einer Gemeinde lebt,mit richtigen Nachbarn, genauso wie Sieund ich.“ Jake starb viel zu früh an denFolgen einer Herzentzündung. Sein Va-ter ist beim Programm geblieben undkämpft weiter um bessere Bildungs-chancen für Menschen mit geistiger Be-hinderung. „Colleges sollten einsehen,dass sie diesen Menschen nie eine Chan-ce gegeben haben; dies sollten siewenigstens tun“, sagt er.

Zusammen mit Gleichaltrigen

Eine wichtige Überlegung in der Ent-wicklung der Bildungsprogramme ist,dass junge Menschen zwischen 18 und25 Jahren nicht mehr in den HighSchools unter 14-Jährigen sitzen wol-len. Auch wenn der Inhalt des Lernstof-fes der gleiche wäre – es ist einfach nichteine altersadäquate Umgebung für jun-ge Erwachsene. Unter Gleichaltrigen aufdem Campus ist die Situation sofort ei-ne völlig andere.

Qualifizierter Abschluss?

Nur sehr wenige Colleges bieten dieMöglichkeit für geistig behinderte Stu-denten, „Scheine“ zu erwerben. Diemeisten schaffen nur die Möglichkeit,Kurse zu besuchen, ohne offizielle An-erkennung. Eine Ausnahme ist dasCommunity College of Baltimore Coun-ty. Es bietet ein Zwei-Semester-Pro-gramm in Childcare (Kinderversorgung)an. Die Kurse sind speziell für geistig Be-hinderte konzipiert, die Praktika laufenunter engmaschiger Aufsicht und derAbschluss ist ein staatlich anerkanntesZertifikat als Kinderbetreuerin.

Melissa Silvermann ist eine von zweiMenschen mit Down-Syndrom, die 2003erfolgreich das Programm abgeschlos-sen haben. Sie arbeitet inzwischen alsHelferin in einem Frühförderzentrum inder Nähe ihrer Wohnung. Sie verdientnur sechs Dollar die Stunde (auch in denUSA wenig), aber sie genießt die Arbeitmit Kindern. „Ihre staatliche Anerken-nung hat ihr Türen geöffnet und Mög-lichkeiten gegeben, die sie sonst nichtgehabt hätte“, sagt ihre Mutter.

In einigen wenigen Fällen habenMenschen mit geistiger Behinderung einCollege besucht ohne die Unterstützungdurch ein besonderes Programm. Ka-therine Apostolides, eine 21-Jährige ausPittsburgh mit Down-Syndrom und ei-ner sehr starken Lernbeeinträchtigung,ist eine davon. Sie besucht das BeckerCollege in Massachusetts.

Ihre Eltern haben von Anfang andarauf bestanden, dass Katherine einenormale Schule besucht. „Meine Freun-de und Verwandten dachten, ich binverrückt. Sie dachten, ich akzeptiere dieTatsache nicht, dass meine Tochter geis-tig behindert ist“, sagt ihre Mutter.

Katherine hat ein Graduation-Di-plom an ihrer High School erworben,dort hat sie auch für die Schulzeitunggeschrieben und war bei den Cheerlea-

Miguel Martin Cifre, kein amerikanischer

Student, sondern ein selbstbewusster junger

Mann aus Mallorca, der zurzeit eine Lehre

zum Hilfskoch bei ASNIMOmacht.

Beim Kongress war er zuständig für das

Kuchenangebot.

52 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

W O H N E N

Juni dieses Jahres zog unsere 25-jähri-ge Tochter Karen in eine eigene Woh-

nung. Sie benutzt das Modell „sharedownership“ von einer Housing Associa-tion, das ihr mehr Sicherheit gibt, alswenn sie einen regulären Mietvertraghätte. Karen bekommt von der Sozial-verwaltung Geld in einen Fonds einge-zahlt. Mein Mann, mein Bruder und ichsind die Verwalter. Um selbstständig zuwohnen, hat Karen Unterstützung vonvier Assistentinnen, jede von ihnen ar-beitet zirka 19 Stunden in der Woche,sie werden aus dem Fonds bezahlt.

Von 1997 bis 2000 besuchte Karendas Derwen College in Shropshire, wosie enorm viele neue Fertigkeiten ge-lernt hatte, sowohl im sozialen wie imkognitiven Bereich. Dort machte sieauch zum ersten Mal die Erfahrung, wiees ist, nicht mehr zu Hause zu wohnen,genau wie ihre Schwester, die drei Jah-re lang zwecks Studium in einer ande-ren Stadt lebte.

Ein Jahr nachdem Karen aus Der-wen zurückkam, zog sie zusammen miteinem jungen Mann mit Down-Syndromin eine Dreizimmerwohnung. Es gab so-wohl einen Nachtdienst (sleep-in) wieeinen Tagesassistenten, die von unter-schiedlichen Organisationen vermitteltwurden. Nach neun Monaten scheitertedieses Experiment.

Wir schauten uns dann einige Wohn-gruppen an und realisierten schon bald,dass so ein Modell – mit drei, vier odermehr Personen, nur auf Grund eines ge-meinsamen niedrigen IQ, zusammen ineine Wohngruppe „gesteckt“ zu werden– für Karen keine gute Basis sein konn-te, langfristig erfolgreiche Beziehungenaufzubauen. Karen selbst war auch garnicht interessiert.

Die eigene Wohnung gibt Karen jetztdie Möglichkeit, vollständig unabhängigzu sein. Karen ist eine ganz normale,durchschnittliche junge Dame mit Down-Syndrom. Sie braucht jemanden in derNähe während der Nacht und siebraucht jemanden, der ihr hilft beim Ko-

chen, beim Umgang mit Geld, beim Or-ganisieren ihrer Freizeitaktivitäten. Je-den Morgen verlässt sie um halb neunihre Wohnung und fährt selbstständigmit dem öffentlichen Verkehr zum Col-lege. Bald nachdem sie nachmittagswieder zu Hause ist, kommt eine ihrervier Assistentinnen, begleitet sie zu ih-rer Jugendgruppe und hilft ihr bei al-lem, wofür sie Hilfe braucht.

Drei Teammitglieder sind Studentin-nen, eine macht eine Ausbildung alsHeilerziehungspflegerin, eine lernt Er-gotherapeutin und die Dritte studiertSprachen. Die Vierte ist eine erfahreneSozialpädagogin, die Karens Unabhän-gigkeit enorm positiv gegenüberstehtund sie begeistert fördert.

Wir empfinden es als einen Vorteil,dass die Assistentinnen jeweils nur Teil-zeit arbeiten. Sie sind einfach „frischer“und sehen manches aus einer anderenSicht als Fachleute, die Vollzeit inWohngruppen arbeiten.

Was ist Unabhängigkeit?

Unabhängigkeit bedeutet nicht, dassder Mensch mit einer Einschränkung je-den einzelnen Handgriff selbst aus-führen können muss. Es betrifft viel-mehr die Art und Weise, wie die Personwohnt und dass sie die Möglichkeit hat,eigene Entscheidungen zu treffen. Ka-ren bestimmt selbst, was sie essenmöchte oder wie sie ihre Freizeit gestal-tet, um nur einige der Entscheidungenzu nennen, die tagtäglich getroffen wer-den müssen. Ein weiterer Vorteil vondem direct payment (persönliches Bud-get) war, dass Karen (mit Hilfe ihres Be-treuers und von uns) die Menschen, diebei ihr arbeiten sollten, selbst befragenund auswählen konnte. Auch die ganzeEinrichtung ihrer Wohnung hat sieselbst ausgesucht.

Eigene Wohnung, nicht zu nah undnicht zu fern

Karen wohnt nur fünfzehn Minuten zuFuß von uns entfernt, so sind wir nahegenug, dass wenn notwendig, wir gleich

da sind, aber weit genug, dass Karennicht einfach hier ihre Wäsche ablädt,damit ich das übernehme.

Große Fortschritte

Wir staunen, welche Fortschritte Karenin den vier Monaten seit sie ausgezogenist, gemacht hat. Als sie in ihre Woh-nung zog, beschränkten sich ihre Kennt-nisse was Technik anbelangt auf das Be-dienen eines Videorecorders, eines CD-Players und einer Mikrowelle, wobei je-mand ihr noch sagen musste, wie vieleMinuten eingestellt werden sollten.

Sie hatte keine Ahnung, wie man ei-ne Waschmaschine bedient, noch konn-te sie allein etwas kochen, außer viel-leicht eine Fertigsuppe.

Kürzlich hatte eine ihrer Assisten-tinnen sich verspätet und ich konnte un-möglich einspringen, so musste Karendie Zeit allein überbrücken. Als die As-sistentin bei Karen ankam, hatte sie dieWaschmachine schon angemacht undallein eine ganze Mahlzeit vorbereitet.Sie hatte Kartoffeln geschält, gekochtund einen Kartoffelbrei gemacht, Gemü-se gekocht und Fisch gegrillt, alles aufihren Rollwagen gestellt, ins Esszimmergerollt und den Tisch gedeckt. Zwei Wo-chen später erzählte eine andere Assis-tentin, dass Karen nun auch angefangenhat, selbstständig ihre Kleider zu bü-geln.

Wenn ich mit Karen telefoniere, binich beeindruckt, wie ihre Sprache sichverbessert hat. Wissend, dass sie für daseigene Telefon verantwortlich ist undsich auch Menschen verständlich ma-chen muss, die nicht an ihre sonst ver-waschene Sprache gewöhnt sind, hatdazu geführt, dass sich ihre Artikulati-on, ihre Grammatik und die Fähigkeit,sich auszudrücken, sehr gebessert ha-ben.

Freilich hat es während dieser vierMonate einige Unregelmäßigkeiten, Kopf-zerbrechen und haarige Momente gege-ben, aber das waren eigentlich allesKleinigkeiten. Karens Selbstbewusst-sein und ihr Gefühl von Humor sind in-dessen enorm gewachsen.

Quelle: Journal, Down’s SyndromeAssociation, Issue 107, Winter 2005.

Mit freundlicher Genehmigung der DSA.

Karen zieht in eine eigene Wohnung– weitergehen und gehen lassenCathy Slater

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P S Y C H O L O G I E

22 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

In den letzten 20 Jahren haben Wis-senschaftler damit angefangen, ein

spezifisches Verhaltensprofil, d.h. eineReihe bestimmter Verhaltensweisen,die man bei Personen mit Down-Syn-drom häufig findet, genauer zu untersu-chen. Dieser Down-Syndrom-Verhaltens-phänotyp umfasst neueren Studien zu-folge relative Stärke in einigen Berei-chen der visuellen Wahrnehmung undder visuellen Verarbeitung sowie im So-zialverhalten. Andererseits findet manrelative Defizite in verbalen Verarbei-tungsprozessen und in einigen Berei-chen der motorischen Funktion. Spra-che wurde beschrieben als „größter de-fizitärer Bereich“ mit speziellen Schwie-rigkeiten in der expressiven Sprache.Einen anderen Aspekt, für den sich dieForschung interessiert, ist die persön-lichkeitsabhängige Motivation bei Men-schen mit Down-Syndrom.

Seit Jahrzehnten beschäftigt mansich u.a. damit, Gemeinsamkeiten in derIndividualität von Personen mit Down-Syndrom zu beschreiben, am häufigsten

wird ein Stereotyp genannt, das sowohleinen angenehmen, liebenswerten alsauch einen passiven Persönlichkeitsstilumfasst.

Dieses Stereotyp wird, wie verschie-dene Studien aussagen, von Eltern vonKindern mit Down-Syndrom bestätigt.In einer Untersuchung wurden mehr als50 Prozent der elfjährigen Kinder mitDown-Syndrom als „herzlich“, „liebens-würdig“, „freundlich“ oder „kommt gutmit anderen aus“ beschrieben. Eingroßer Prozentsatz der Kinder in dieserStudie wurde außerdem als fröhlich,spontan und lustig beschrieben. EinigeEltern nannten weiter die positive Stim-mungslage und die Vorhersagbarkeitdes Verhaltens und bestätigten damitdie mehr positiven, angenehmen Aspek-te des Persönlichkeitsprofils.

Andere Eltern jedoch erwähnten vorallem das niedrigere Aktivitätsniveau,weniger Ausdauer und eine größere Ab-lenkbarkeit als bei anderen Kindern undbestätigten also die eher negativenAspekte des Stereotyps.

Eine genauere Untersuchung des Moti-vationsverhaltens bei Down-Syndromdeutet darauf hin, dass dies ein sehrkomplexes Phänomen ist.

So wird in einigen wissenschaftli-chen Untersuchungen beschrieben, dassMenschen mit Down-Syndrom mit die-ser spezifischen Antriebsschwäche we-niger Ausdauer beim Lösen von Aufga-ben zeigen, gleichzeitig aber mehr so-ziale Verhaltensweisen benutzen, umvon der Aufgabe abzulenken. Zu demgeringen Durchhaltevermögen kommtmanchmal noch eine gewisse Sturheit,die ebenfalls in Studien über Tempera-ment bei Down-Syndrom beschriebenwird.

Obwohl Untersucher bis jetzt den po-sitiven Persönlichkeitsmerkmalen mehrAufmerksamkeit geschenkt haben, kön-nen gerade ein geringes Durchhaltever-mögen und bockige Verhaltensweisenweit reichende Folgen für die Entwick-lung haben. Einige Forscher sind derMeinung, dass diese Merkmale zu eini-gen der Ungereimtheiten, die wir in denEntwicklungsleistungen bei jungen Kin-dern mit Down-Syndrom beobachten,beitragen.

Schwankende Leistungen beeinflussen Testergebnisse

Verschiedene Studien sagen aus, dassjunge Kinder mit Down-Syndrom im Al-ter zwischen sechs Monaten und vierJahren bei genau gleichen Tests an un-terschiedlichen Zeitpunkten bedeuten-de Rückfälle zeigten. Diese Regressionwar die Folge der Verweigerung desKindes, sich mit der Aufgabe zu be-schäftigen.

Tatsächlich hat dieses Phänomen beiimmer mehr Wissenschaftlern Interessefür das Motivationsverhalten der Kindermit Down-Syndrom geweckt. JenniferWishart und Kollegen haben festgestellt,dass wenn Kinder mit Down-Syndromin Testsituationen mit kognitiven Her-ausforderungen konfrontiert werden,sie – viel häufiger als andere Kinder –versuchen, die Aufgaben mit sowohl po-sitiven wie auch negativen Verhaltens-weisen zu vermeiden.

Bei kleinen Kindern kann diesesVerhalten darin bestehen, dass sie sichweigern hinzuschauen, versuchen, vomStuhl wegzukommen, oder plötzlich zuweinen anfangen. Bei älteren Kindernstellte man fest, dass sie versuchten, denUntersucher/die Untersucherin einzu-

Das Entstehen eines Syndrom-spezifischen Persönlichkeitsprofils beikleinen Kindern mit Down-SyndromDeborah J. Fidler

Kinder mit Down-Syndrom sind freundlich, herzlich undangenehm, gleichzeitig jedoch häufig antriebsschwachund schwer zu motivieren, neue Aufgaben zu erledigen.Darüber hinaus wenden sie ihre sozialen Fähigkeitenhäufig mit Erfolg an, um Anstrengungen auszuweichen.Sind oben genannte Charakterzüge Teil des Phänotyps?Oder entstehen sie erst nach und nach und sind eherdie Folgen anderer primärer Aspekte des Phänotyps?Das würde dann nämlich bedeuten, dass wir durch gezielte Förderung gegensteuern könnten! Deborah J. Fidler von der Colorado State University inFort Collins, USA ging in ihrem hervorragenden Vortragbeim europäischen Down-Syndrom-Kongress in Mallorcadieser Frage nach.

PSYCHOLOGIE

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200523

beziehen in eine gemeinsame soziale In-teraktion, die ihn/sie von der zu erledi-genden Aufgabe ablenken sollte.

So versuchten diese Kinder z.B. dieAufmerksamkeit des Untersuchers aufetwas anders zu lenken, indem sie aufetwas zeigten, und/oder sie benutzen sogenannte „Partytricks“, wie in die Hän-de klatschen, winken oder anlächeln.Wishart beschreibt dieses Vermei-dungsverhalten bei kognitiven Heraus-forderungen oder „Ausblend“-Verhaltenals ein ganz spezifisches Merkmal imVerhalten der Kinder mit Down-Syn-drom in Testsituationen.

Dieses Verhalten hat nicht nur Fol-gen für die Testergebnisse in Untersu-chungssituationen, sondern beeinflusstwahrscheinlich auch andere Funktions-bereiche, besonders das Mitmachen inLern- und Fördersituationen. Wishartargumentiert, dass anscheinend schonvon einem sehr frühen Alter an die Kin-der Gelegenheiten, um neue Fertigkei-ten zu lernen, vermeiden, schon erlern-te Fertigkeiten schlecht oder nicht nut-zen und dass sie oft Fertigkeiten wederkonsolidieren noch in ihrem Repertoireaufnehmen.

Wenn dies stimmt, könnte ein bes-seres Verständnis für die herabgesetzteMotivation bei Menschen mit Down-Syndrom Fachleuten eine einmalige Ge-legenheit bieten, die Effektivität vonFörder- und Lernprogrammen zu ver-bessern. Dies könnte zutreffen für Lern-programme für Kinder und Erwachse-ne, die dieses Profil schon entwickelt ha-ben, aber ganz speziell für Programmein der Frühförderung, wo man noch dieMöglichkeit hat, zu verhindern, dass einsolches Profil überhaupt entsteht. Umeffektive Fördermaßnahmen zu planen,ist es wichtig zu verstehen, wie es zudiesem Persönlichkeitsprofil kommt.

Was ist die Ursache dieses spezifischen Motivations-Profils?

Wie entwickelt sich über die Jahre die-ses Profil, das eine positive Stimmungs-lage und Soziabilität mit einem geringenDurchhaltevermögen und das so ge-nannte „Ausblend“-Verhalten miteinan-der verbindet?

Im Gegensatz zu anderen Aspektendes Down-Syndrom-Verhaltensphäno-typs, die ihre Ursachen in der genetischbedingten Entwicklung des Gehirns ha-ben (z.B. gute visuelle und schlechtereverbale Fähigkeiten), entsteht dieses

Persönlichkeitsprofil als sekundäre phä-notypische Folge. Das bedeutet, dassdieses Profil das Ergebnis ist von denBeziehungen zwischen den primärenkognitiven und sozial-emotionalen As-pekten des Syndroms.

Im Folgenden werden wir die Über-schneidung von frühen Stärken im Sozi-alverhalten mit den kognitiven Defizitenund Schwächen beim zielorientiertenDenkenuntersuchen und wie diese ge-meinsam zum Entstehen des besonde-ren Persönlichkeitsprofils beitragen –ein Profil, das auf ein übermäßiges Ver-trauen in ein gefälliges Sozialverhaltenbaut, auf Kosten eines mehr beharrli-chen motivationsorientierten Verhal-tens.

Primäre phänotypische Folge: die kognitive Einschränkung

Einer der wichtigsten kognitiven Mei-lensteine bei einem kleinen Kind, dassich normal entwickelt, ist die Fähigkeit,Hilfsmittel einzusetzen, um seine Zielezu erreichen. Diese Fähigkeit beginntsich während der ersten zwei bis achtLebensmonate zu entwickeln. In seinerfrühesten Form beinhaltet dieses ziel-orientierte Denken im Allgemeinen dasZusammenfügen einer Reihe von Hand-lungen, um ein Ziel zu erreichen, z.B. aneiner Schnur zu ziehen, um ein Spiel-zeug zu bekommen, das an dieserSchnur festgebunden ist.

Normalerweise zeigen sich Kinderzwischen zwei und acht Monaten sehrlernfähig, wenn sie – per Zufall – mer-ken, dass bei der Bewegung eines Arms

oder Beins eine Belohnung folgt (z.B. ei-ne Musik erklingt). Mit rund acht Mona-ten entdecken Kleinkinder, wie manuel-le Fertigkeiten eingesetzt werden kön-nen, um neue Ziele zu erreichen. So er-möglichen dann neue Fertigkeiten wieReichen und Greifen es dem Kind, eineganze Reihe unterschiedlicher Ziele zuerreichen. Diese neuen Strategien wer-den als Mittel benutzt, den erwünschtenEndzustand herbeizuführen.

Die Literatur über die Entwicklungdes handlungsorientierten Denkens beiSäuglingen und Kleinkindern mit Down-Syndrom beschreibt aber, dass dies ei-nen Bereich größter Herausforderungfür diese Kinder darstellt. In einer Stu-die über „Zufallslernen“ – (das eine Vor-stufe ist vom handlungsorientiertenDenken, nämlich sich die Wirkung sei-nes Handeln vorstellen zu können)schnitten drei Monate alte Säuglinge mitDown-Syndrom noch ähnlich gut ab wiesich regulär entwickelnde Kinder. Diesgalt sowohl für Aufgaben, wobei manein Bein bewegen muss, um eine Ver-stärkung zu bekommen, wie für dasLerntempo und die Merkfähigkeit.

Jedoch stellte das gleiche Untersu-chungsteam fest, dass einige Zeit späterbei neun Monate alten Kindern mit Down-Syndrom im Vergleich zu den an-deren Kindern das Zufallslernen deut-lich beeinträchtigt war. Die Autoren die-ser Studien geben an, dass bei Kindernmit Down-Syndrom während des erstenLebensjahrs die Fähigkeit des „Zufalls-lernens und der Konditionierung ab-nimmt“. Wenn das handlungsorientier-

Winken oder lachen,

aber keine Aufgaben

machen!

Kinder mit Down-

Syndrom entwickeln

schon sehr früh eine

Reihe wirkungsvoller

Strategien, sich

charmant aus der

Affaire zu ziehen!

V E R S C H I E D E N E S

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 51

Jazzband „Together“ aus Österreich

Die Jazzband TOGETHER, ein Projekt der Landesmusik-schule Ried im Innkreis, besteht heuer fünf Jahre. DieBand unter der Leitung von Gerald Endstrasser kannseit ihrer Gründung auf über 50 öffentliche Auftritteverweisen, hat drei in Fachkreisen sehr beachtete CDsgemacht, war mehrmals Gast in Rundfunk und Fernse-hen – und hat auch für die Zukunft noch große Pläne.Das Rhythmusgefühl des Schlagzeugers Georg Jungwirthund die Idee, diese Begabung – auch als Beispiel dafür,was Menschen mit Behinderung leisten können – zu för-dern, waren 1999 eine spannende Herausforderung anden Musikpädagogen Endstrasser.

Eine Schlagzeugklasse an der Landes-musikschule Ried. Hier ist mit Ge-

rald Endstrasser ein Lehrer am Werk,der einfach Schlagzeugunterricht gibtund nicht aus Mitleid eine musikalischeAktion Sorgenkind veranstaltet, wasvielleicht nur der freundliche Ausdruckvon Ausgrenzung und die positiv ge-wendete Diskriminierung wäre.

Gerald Endstrasser über die Gedan-ken, die ihm kamen, als er Georg ken-nen lernte: „Georg Jungwirth wurde ander Musikschule Ried i. I. wie jeder an-dere Schüler aufgenommen. Auf dieFrage seiner Mutter, ob ich eine Mög-lichkeit fände, ihn in Schlagzeug auszu-bilden, hatte ich zwei Gedanken dazu:Einerseits bekennt sich das Oberöster-

reichische Landesmusikschulwerk zurBreitenbildung. Damit meine ich, dassGroß und Klein, talentiert oder untalen-tiert aufgenommen werden soll. Ande-rerseits liegt es doch in der Pädagogikdes jeweiligen Lehrers, wie weit er im-stande ist, dem Schüler über Schwächen,hinwegzuhelfen. Und gerade dies warfür mich als Lehrer interessant.“

Und so entspann sich ein Unter-richtsverhältnis zwischen Georg, deraufgrund des massiven Einsatzes seinerEltern einer der ersten Schüler inOberösterreich war, der sowohl anVolks- wie Hauptschule Integrations-klassen besuchte und der inzwischen ineiner Geschützten Werkstätte arbeitet,und einem Schlagzeuglehrer, der über-

haupt nicht der extrem geduldige Typist, der sich aber pädagogisch und me-thodisch herausgefordert sah und zuimmer neuen unkonventionellen Lösun-gen fand, von denen inzwischen auchdie anderen Schüler der Klasse profitie-ren. Inzwischen lernen in der Endstras-ser-Klasse auch andere Schüler mit be-sonderen Bedürfnissen.

Die Landesmusikschule Ried im Inn-kreis unter Leitung von Edi Geroldingersteht der Einbindung von behindertenMenschen als Schüler/-innen der Lan-desmusikschule außerordentlich positivgegenüber. Befragt, wie viele behinder-te Musikschüler/-innen in der LMS Riedunterrichtet werden, erklärte Geroldin-ger, darüber gäbe es deswegen keinespezifischen Aufzeichnungen, weil dieSchüler/-innen mit Behinderung nichtanders behandelt würden als andereSchüler/-innen. Es gibt keine „Behin-dertenliste“!

Georgs musikalische Karriere aberhat einen besonderen Verlauf genom-men – gut, dass dessen musikalischesPotenzial erkannt wurde. Bei einem Fa-milienkonzert hatte sich ein Trio aus Ge-orgs Klarinette spielendem Vater, Georgan den Drums und seinem Lehrer am Pi-ano entwickelt – aus dieser Keimzellewuchs die fünfköpfige Gruppe Togetherheraus.

Die Jazzband „Together“ oder „integriert ist, wer gebraucht wird“

Jede Jazz-Formation braucht einenSchlagzeuger. Georg Jungwirth spieltSchlagzeug. Er spielt bei der Band „To-gether“ Schlagzeug. Er wird also ge-braucht, es geht nicht ohne Schlagzeu-ger. Und daher ist er genauso integriertwie die anderen Musiker. Dass er mitDown-Syndrom zur Welt gekommen ist,heißt nicht, dass er arm ist oder bemit-leidenswert. Er ist schlicht und einfachanders. Niemanden interessiert, was ernicht so gut kann. Tatsache ist, dass erein sehr ausgeprägtes Rhythmusgefühlhat, dass er der Coolste in der Band ist,keine Nervosität vor dem Auftritt kenntund sich am wohlsten fühlt, wenn ihmviele Leute zuhören.

Quelle:Musikschule – Wozu?, Prof. Dr. Peter Röbke

Flyer der Jazzband TogetherPresseinformationen

ERWACHSENE

50Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

ders. Sie hatte sich fest vorgenommen,dass sie ein College besuchen würde. Ih-re Eltern haben jahrelang gesucht, ehesie ein College gefunden haben, das sieaufnehmen wollte.

Im Becker College hat sie verschie-dene Assistenzdienste, einschließlichder Hilfe einer Nachhilfelehrerin undBe-raterin, die mit im Studentenwohnheimwohnt. Die wird von der Familie be-zahlt, damit sie zehn Stunden wöchent-lich mit Katherine arbeitet. Katherinehat Schwierigkeiten gehabt, am CollegeFreundschaften zu schließen. Sie hatauch einen Kurs wieder gestrichen, derzu viel auswendiges Lernen medizini-schen Vokabulars verlangte. Aber siehat schon einige Scheine und macht er-staunliche Fortschritte. Sie ist die ersteStudentin mit geistiger Behinderung amBecker College und hat dort Vorbild-funktion.

Für viele Colleges bedeutet die Auf-nahme von geistig behinderten Studen-ten gleich eine gute Möglichkeit, damitandere Studenten der Psychologie, derPädagogik und anderer sozialer FächerErfahrungen sammeln und direkt aufdem Campus eine Art Praktikum ma-chen können.

Die behinderten Studenten müssenteilweise doppelt so viele Studienge-bühren bezahlen, das Geld wird zumTeil für Tutoren und für die studenti-schen Assistenzkräfte verwendet.

Die Colleges sehen ihre Beteiligungan diesen Programmen als freiwilligeLeistung. Es ist noch nicht Teil eines of-fiziellen Bildungsprogramms oder derstaatlichen Bildungsverpflichtung.

Caroline Forsberg, Direktorin desBehindertenberatungsdienstes an derState University of New York, sieht die-se Programme sehr skeptisch. Sie zwei-felt daran, ob die behinderten Studentenwirklich irgendetwas in den normalenVorlesungen und Kursen lernen. „DieAssistenten und die Helfer machen amEnde doch die ganzen Aufgaben“, sagtsie, „die Studenten selber machen kaumetwas. Die bekommen bei weitem nichtdie Erfahrung und Ausbildung, wie dieEltern glauben.“

Der Direktor des Strive-Programmsbetont, dass ein Hauptziel des Pro-gramms darin besteht, die beteiligtenStudenten zu befähigen, ein weitge-hendst selbstständiges Leben zu führen.Sein Ziel ist es, die Kosten der staatli-chen Hilfen auf 5000 US-Dollar jährlich

zu reduzieren – im Vergleich zu den45000, die sonst aufgewendet werdenfür den durchschnittlichen behindertenErwachsenen. „Es ist ein kalkuliertes Ri-siko und basiert auf guten Ideen.“

Zusätzliches Kursprogramm für die „Striver“

An einem Donnerstagmorgen sammelnsich die Teilnehmer am Strive-Pro-gramm für einen Kurs, der zweimalwöchentlich stattfindet. Darin üben siedie Fähigkeiten, die sie brauchen, ummit dem Campusleben klarzukommenund das Beste aus ihren zwei Jahrendort herauszuholen. Fähigkeiten, die sieauch danach noch brauchen, wenn siewoanders weitermachen.

Der Tag fängt an mit einem „openstage“. Die meisten Studenten lesen einkurzes Gedicht oder eine Geschichtevor, die sie selber geschrieben haben.Jeff Goranites, 22, erfreut sein Publikummit einer Elvis-Presley-Imitation. Da-nach gibt es eine Reflektionsrunde, inder die Studenten erzählen, wie es ih-nen denn damit ergangen ist, vor Publi-kum zu sprechen. Danach erstellen siegeschriebene Stundenpläne, damit kei-ner eine Vorlesung oder einen Kursusverpasst.

Pablo Pineda ist der erste und bis jetzteinzige Europäer mit Down-Syn-

drom, der an einer Universität studierthat. 2004 schloss er an der Universitätin Malaga, Spanien mit gutem Erfolg einStudium in der Psychopädagogik ab,nachdem er davor schon das Diplom alsGrundschullehrer erworben hatte. Da-mals nach der Geburt von Pablo vor 31Jahren sagten die Ärzte seinen Eltern,er würde nur die einfachsten Dinge ler-nen können. Die Eltern glaubten diesnicht und haben Pablo von Anfang anzur Selbstständigkeit erzogen. Pablo be-suchte die Regelschule und wurde dortvon seinem Tutor, der fest an seineFähigkeiten glaubte, unterstützt.

Pablo arbeitet jetzt für Malagas Sozi-aldienst als Berater für Familien mit be-hinderten Kindern.

Sie sind alle hier und dort Schwierigkei-ten begegnet in ihrer Eingewöhnungs-phase am College. Christina Mailhot wareinmal sehr verletzt, als eine fremdeStudentin im Vorbeigehen „Vollidiot“gesagt hat. Ihre Mutter hätte gerne einöffentliches Verbot von solchen Beleidi-gungen den Behinderten gegenüber.

Noel Thompson hatte Schwierigkei-ten, als er sich um eine Stelle beim Cam-pus-Radio beworben hat – aber seineMutter hat von einer Intervention abge-sehen, um das Verhältnis zum Collegeallgemein nicht zu gefährden.

Zum größten Teil klappt das Pro-gramm aber sehr gut und die Studentengenießen ihre Zeit am College. Jeder derbehinderten Studenten belegt mindes-tens einen regulären Kursus pro Semes-ter, z.B. Chinesisch, Musik oder Psycho-logie.

Es ist schwer vorauszusagen, wieweit die einzelnen Studenten in ihrenakademischen Leistungen kommen wer-den, da die Bandbreite der Begabungenenorm ist. Aber es gibt sehr viel Enthu-siasmus und Motivation, und das ist dasWichtigste.

Quelle: The Chronicle of higher Education,11.02.2005

Pablo Pineda studierte in Malaga

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PSYCHOLOGIE

22Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

In den letzten 20 Jahren haben Wis-senschaftler damit angefangen, ein

spezifisches Verhaltensprofil, d.h. eineReihe bestimmter Verhaltensweisen,die man bei Personen mit Down-Syn-drom häufig findet, genauer zu untersu-chen. Dieser Down-Syndrom-Verhaltens-phänotyp umfasst neueren Studien zu-folge relative Stärke in einigen Berei-chen der visuellen Wahrnehmung undder visuellen Verarbeitung sowie im So-zialverhalten. Andererseits findet manrelative Defizite in verbalen Verarbei-tungsprozessen und in einigen Berei-chen der motorischen Funktion. Spra-che wurde beschrieben als „größter de-fizitärer Bereich“ mit speziellen Schwie-rigkeiten in der expressiven Sprache.Einen anderen Aspekt, für den sich dieForschung interessiert, ist die persön-lichkeitsabhängige Motivation bei Men-schen mit Down-Syndrom.

Seit Jahrzehnten beschäftigt mansich u.a. damit, Gemeinsamkeiten in derIndividualität von Personen mit Down-Syndrom zu beschreiben, am häufigsten

wird ein Stereotyp genannt, das sowohleinen angenehmen, liebenswerten alsauch einen passiven Persönlichkeitsstilumfasst.

Dieses Stereotyp wird, wie verschie-dene Studien aussagen, von Eltern vonKindern mit Down-Syndrom bestätigt.In einer Untersuchung wurden mehr als50 Prozent der elfjährigen Kinder mitDown-Syndrom als „herzlich“, „liebens-würdig“, „freundlich“ oder „kommt gutmit anderen aus“ beschrieben. Eingroßer Prozentsatz der Kinder in dieserStudie wurde außerdem als fröhlich,spontan und lustig beschrieben. EinigeEltern nannten weiter die positive Stim-mungslage und die Vorhersagbarkeitdes Verhaltens und bestätigten damitdie mehr positiven, angenehmen Aspek-te des Persönlichkeitsprofils.

Andere Eltern jedoch erwähnten vorallem das niedrigere Aktivitätsniveau,weniger Ausdauer und eine größere Ab-lenkbarkeit als bei anderen Kindern undbestätigten also die eher negativenAspekte des Stereotyps.

Eine genauere Untersuchung des Moti-vationsverhaltens bei Down-Syndromdeutet darauf hin, dass dies ein sehrkomplexes Phänomen ist.

So wird in einigen wissenschaftli-chen Untersuchungen beschrieben, dassMenschen mit Down-Syndrom mit die-ser spezifischen Antriebsschwäche we-niger Ausdauer beim Lösen von Aufga-ben zeigen, gleichzeitig aber mehr so-ziale Verhaltensweisen benutzen, umvon der Aufgabe abzulenken. Zu demgeringen Durchhaltevermögen kommtmanchmal noch eine gewisse Sturheit,die ebenfalls in Studien über Tempera-ment bei Down-Syndrom beschriebenwird.

Obwohl Untersucher bis jetzt den po-sitiven Persönlichkeitsmerkmalen mehrAufmerksamkeit geschenkt haben, kön-nen gerade ein geringes Durchhaltever-mögen und bockige Verhaltensweisenweit reichende Folgen für die Entwick-lung haben. Einige Forscher sind derMeinung, dass diese Merkmale zu eini-gen der Ungereimtheiten, die wir in denEntwicklungsleistungen bei jungen Kin-dern mit Down-Syndrom beobachten,beitragen.

Schwankende Leistungen beeinflussen Testergebnisse

Verschiedene Studien sagen aus, dassjunge Kinder mit Down-Syndrom im Al-ter zwischen sechs Monaten und vierJahren bei genau gleichen Tests an un-terschiedlichen Zeitpunkten bedeuten-de Rückfälle zeigten. Diese Regressionwar die Folge der Verweigerung desKindes, sich mit der Aufgabe zu be-schäftigen.

Tatsächlich hat dieses Phänomen beiimmer mehr Wissenschaftlern Interessefür das Motivationsverhalten der Kindermit Down-Syndrom geweckt. JenniferWishart und Kollegen haben festgestellt,dass wenn Kinder mit Down-Syndromin Testsituationen mit kognitiven Her-ausforderungen konfrontiert werden,sie – viel häufiger als andere Kinder –versuchen, die Aufgaben mit sowohl po-sitiven wie auch negativen Verhaltens-weisen zu vermeiden.

Bei kleinen Kindern kann diesesVerhalten darin bestehen, dass sie sichweigern hinzuschauen, versuchen, vomStuhl wegzukommen, oder plötzlich zuweinen anfangen. Bei älteren Kindernstellte man fest, dass sie versuchten, denUntersucher/die Untersucherin einzu-

Das Entstehen eines Syndrom-spezifischen Persönlichkeitsprofils beikleinen Kindern mit Down-SyndromDeborah J. Fidler

Kinder mit Down-Syndrom sind freundlich, herzlich undangenehm, gleichzeitig jedoch häufig antriebsschwachund schwer zu motivieren, neue Aufgaben zu erledigen.Darüber hinaus wenden sie ihre sozialen Fähigkeitenhäufig mit Erfolg an, um Anstrengungen auszuweichen.Sind oben genannte Charakterzüge Teil des Phänotyps?Oder entstehen sie erst nach und nach und sind eherdie Folgen anderer primärer Aspekte des Phänotyps?Das würde dann nämlich bedeuten, dass wir durch gezielte Förderung gegensteuern könnten! Deborah J. Fidler von der Colorado State University inFort Collins, USA ging in ihrem hervorragenden Vortragbeim europäischen Down-Syndrom-Kongress in Mallorcadieser Frage nach.

P S Y C H O L O G I E

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 23

beziehen in eine gemeinsame soziale In-teraktion, die ihn/sie von der zu erledi-genden Aufgabe ablenken sollte.

So versuchten diese Kinder z.B. dieAufmerksamkeit des Untersuchers aufetwas anders zu lenken, indem sie aufetwas zeigten, und/oder sie benutzen sogenannte „Partytricks“, wie in die Hän-de klatschen, winken oder anlächeln.Wishart beschreibt dieses Vermei-dungsverhalten bei kognitiven Heraus-forderungen oder „Ausblend“-Verhaltenals ein ganz spezifisches Merkmal imVerhalten der Kinder mit Down-Syn-drom in Testsituationen.

Dieses Verhalten hat nicht nur Fol-gen für die Testergebnisse in Untersu-chungssituationen, sondern beeinflusstwahrscheinlich auch andere Funktions-bereiche, besonders das Mitmachen inLern- und Fördersituationen. Wishartargumentiert, dass anscheinend schonvon einem sehr frühen Alter an die Kin-der Gelegenheiten, um neue Fertigkei-ten zu lernen, vermeiden, schon erlern-te Fertigkeiten schlecht oder nicht nut-zen und dass sie oft Fertigkeiten wederkonsolidieren noch in ihrem Repertoireaufnehmen.

Wenn dies stimmt, könnte ein bes-seres Verständnis für die herabgesetzteMotivation bei Menschen mit Down-Syndrom Fachleuten eine einmalige Ge-legenheit bieten, die Effektivität vonFörder- und Lernprogrammen zu ver-bessern. Dies könnte zutreffen für Lern-programme für Kinder und Erwachse-ne, die dieses Profil schon entwickelt ha-ben, aber ganz speziell für Programmein der Frühförderung, wo man noch dieMöglichkeit hat, zu verhindern, dass einsolches Profil überhaupt entsteht. Umeffektive Fördermaßnahmen zu planen,ist es wichtig zu verstehen, wie es zudiesem Persönlichkeitsprofil kommt.

Was ist die Ursache dieses spezifischen Motivations-Profils?

Wie entwickelt sich über die Jahre die-ses Profil, das eine positive Stimmungs-lage und Soziabilität mit einem geringenDurchhaltevermögen und das so ge-nannte „Ausblend“-Verhalten miteinan-der verbindet?

Im Gegensatz zu anderen Aspektendes Down-Syndrom-Verhaltensphäno-typs, die ihre Ursachen in der genetischbedingten Entwicklung des Gehirns ha-ben (z.B. gute visuelle und schlechtereverbale Fähigkeiten), entsteht dieses

Persönlichkeitsprofil als sekundäre phä-notypische Folge. Das bedeutet, dassdieses Profil das Ergebnis ist von denBeziehungen zwischen den primärenkognitiven und sozial-emotionalen As-pekten des Syndroms.

Im Folgenden werden wir die Über-schneidung von frühen Stärken im Sozi-alverhalten mit den kognitiven Defizitenund Schwächen beim zielorientiertenDenken untersuchen und wie diese ge-meinsam zum Entstehen des besonde-ren Persönlichkeitsprofils beitragen –ein Profil, das auf ein übermäßiges Ver-trauen in ein gefälliges Sozialverhaltenbaut, auf Kosten eines mehr beharrli-chen motivationsorientierten Verhal-tens.

Primäre phänotypische Folge: die kognitive Einschränkung

Einer der wichtigsten kognitiven Mei-lensteine bei einem kleinen Kind, dassich normal entwickelt, ist die Fähigkeit,Hilfsmittel einzusetzen, um seine Zielezu erreichen. Diese Fähigkeit beginntsich während der ersten zwei bis achtLebensmonate zu entwickeln. In seinerfrühesten Form beinhaltet dieses ziel-orientierte Denken im Allgemeinen dasZusammenfügen einer Reihe von Hand-lungen, um ein Ziel zu erreichen, z.B. aneiner Schnur zu ziehen, um ein Spiel-zeug zu bekommen, das an dieserSchnur festgebunden ist.

Normalerweise zeigen sich Kinderzwischen zwei und acht Monaten sehrlernfähig, wenn sie – per Zufall – mer-ken, dass bei der Bewegung eines Arms

oder Beins eine Belohnung folgt (z.B. ei-ne Musik erklingt). Mit rund acht Mona-ten entdecken Kleinkinder, wie manuel-le Fertigkeiten eingesetzt werden kön-nen, um neue Ziele zu erreichen. So er-möglichen dann neue Fertigkeiten wieReichen und Greifen es dem Kind, eineganze Reihe unterschiedlicher Ziele zuerreichen. Diese neuen Strategien wer-den als Mittel benutzt, den erwünschtenEndzustand herbeizuführen.

Die Literatur über die Entwicklungdes handlungsorientierten Denkens beiSäuglingen und Kleinkindern mit Down-Syndrom beschreibt aber, dass dies ei-nen Bereich größter Herausforderungfür diese Kinder darstellt. In einer Stu-die über „Zufallslernen“ – (das eine Vor-stufe ist vom handlungsorientiertenDenken, nämlich sich die Wirkung sei-nes Handeln vorstellen zu können)schnitten drei Monate alte Säuglinge mitDown-Syndrom noch ähnlich gut ab wiesich regulär entwickelnde Kinder. Diesgalt sowohl für Aufgaben, wobei manein Bein bewegen muss, um eine Ver-stärkung zu bekommen, wie für dasLerntempo und die Merkfähigkeit.

Jedoch stellte das gleiche Untersu-chungsteam fest, dass einige Zeit späterbei neun Monate alten Kindern mit Down-Syndrom im Vergleich zu den an-deren Kindern das Zufallslernen deut-lich beeinträchtigt war. Die Autoren die-ser Studien geben an, dass bei Kindernmit Down-Syndrom während des erstenLebensjahrs die Fähigkeit des „Zufalls-lernens und der Konditionierung ab-nimmt“. Wenn das handlungsorientier-

Winken oder lachen,

aber keine Aufgaben

machen!

Kinder mit Down-

Syndrom entwickeln

schon sehr früh eine

Reihe wirkungsvoller

Strategien, sich

charmant aus der

Affaire zu ziehen!

VERSCHIEDENES

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200551

Jazzband „Together“ aus Österreich

Die Jazzband TOGETHER, ein Projekt der Landesmusik-schule Ried im Innkreis, besteht heuer fünf Jahre. DieBand unter der Leitung von Gerald Endstrasser kannseit ihrer Gründung auf über 50 öffentliche Auftritteverweisen, hat drei in Fachkreisen sehr beachtete CDsgemacht, war mehrmals Gast in Rundfunk und Fernse-hen – und hat auch für die Zukunft noch große Pläne.Das Rhythmusgefühl des Schlagzeugers Georg Jungwirthund die Idee, diese Begabung – auch als Beispiel dafür,was Menschen mit Behinderung leisten können – zu för-dern, waren 1999 eine spannende Herausforderung anden Musikpädagogen Endstrasser.

Eine Schlagzeugklasse an der Landes-musikschule Ried. Hier ist mit Ge-

rald Endstrasser ein Lehrer am Werk,der einfach Schlagzeugunterricht gibtund nicht aus Mitleid eine musikalischeAktion Sorgenkind veranstaltet, wasvielleicht nur der freundliche Ausdruckvon Ausgrenzung und die positiv ge-wendete Diskriminierung wäre.

Gerald Endstrasser über die Gedan-ken, die ihm kamen, als er Georg ken-nen lernte: „Georg Jungwirth wurde ander Musikschule Ried i. I. wie jeder an-dere Schüler aufgenommen. Auf dieFrage seiner Mutter, ob ich eine Mög-lichkeit fände, ihn in Schlagzeug auszu-bilden, hatte ich zwei Gedanken dazu:Einerseits bekennt sich das Oberöster-

reichische Landesmusikschulwerk zurBreitenbildung. Damit meine ich, dassGroß und Klein, talentiert oder untalen-tiert aufgenommen werden soll. Ande-rerseits liegt es doch in der Pädagogikdes jeweiligen Lehrers, wie weit er im-stande ist, dem Schüler über Schwächen,hinwegzuhelfen. Und gerade dies warfür mich als Lehrer interessant.“

Und so entspann sich ein Unter-richtsverhältnis zwischen Georg, deraufgrund des massiven Einsatzes seinerEltern einer der ersten Schüler inOberösterreich war, der sowohl anVolks- wie Hauptschule Integrations-klassen besuchte und der inzwischen ineiner Geschützten Werkstätte arbeitet,und einem Schlagzeuglehrer, der über-

haupt nicht der extrem geduldige Typist, der sich aber pädagogisch und me-thodisch herausgefordert sah und zuimmer neuen unkonventionellen Lösun-gen fand, von denen inzwischen auchdie anderen Schüler der Klasse profitie-ren. Inzwischen lernen in der Endstras-ser-Klasse auch andere Schüler mit be-sonderen Bedürfnissen.

Die Landesmusikschule Ried im Inn-kreis unter Leitung von Edi Geroldingersteht der Einbindung von behindertenMenschen als Schüler/-innen der Lan-desmusikschule außerordentlich positivgegenüber. Befragt, wie viele behinder-te Musikschüler/-innen in der LMS Riedunterrichtet werden, erklärte Geroldin-ger, darüber gäbe es deswegen keinespezifischen Aufzeichnungen, weil dieSchüler/-innen mit Behinderung nichtanders behandelt würden als andereSchüler/-innen. Es gibt keine „Behin-dertenliste“!

Georgs musikalische Karriere aberhat einen besonderen Verlauf genom-men – gut, dass dessen musikalischesPotenzial erkannt wurde. Bei einem Fa-milienkonzert hatte sich ein Trio aus Ge-orgs Klarinette spielendem Vater, Georgan den Drums und seinem Lehrer am Pi-ano entwickelt – aus dieser Keimzellewuchs die fünfköpfige Gruppe Togetherheraus.

Die Jazzband „Together“ oder „integriert ist, wer gebraucht wird“

Jede Jazz-Formation braucht einenSchlagzeuger. Georg Jungwirth spieltSchlagzeug. Er spielt bei der Band „To-gether“ Schlagzeug. Er wird also ge-braucht, es geht nicht ohne Schlagzeu-ger. Und daher ist er genauso integriertwie die anderen Musiker. Dass er mitDown-Syndrom zur Welt gekommen ist,heißt nicht, dass er arm ist oder bemit-leidenswert. Er ist schlicht und einfachanders. Niemanden interessiert, was ernicht so gut kann. Tatsache ist, dass erein sehr ausgeprägtes Rhythmusgefühlhat, dass er der Coolste in der Band ist,keine Nervosität vor dem Auftritt kenntund sich am wohlsten fühlt, wenn ihmviele Leute zuhören.

Quelle:Musikschule – Wozu?, Prof. Dr. Peter Röbke

Flyer der Jazzband TogetherPresseinformationen

E R W A C H S E N E

50 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

ders. Sie hatte sich fest vorgenommen,dass sie ein College besuchen würde. Ih-re Eltern haben jahrelang gesucht, ehesie ein College gefunden haben, das sieaufnehmen wollte.

Im Becker College hat sie verschie-dene Assistenzdienste, einschließlichder Hilfe einer Nachhilfelehrerin und Be-raterin, die mit im Studentenwohnheimwohnt. Die wird von der Familie be-zahlt, damit sie zehn Stunden wöchent-lich mit Katherine arbeitet. Katherinehat Schwierigkeiten gehabt, am CollegeFreundschaften zu schließen. Sie hatauch einen Kurs wieder gestrichen, derzu viel auswendiges Lernen medizini-schen Vokabulars verlangte. Aber siehat schon einige Scheine und macht er-staunliche Fortschritte. Sie ist die ersteStudentin mit geistiger Behinderung amBecker College und hat dort Vorbild-funktion.

Für viele Colleges bedeutet die Auf-nahme von geistig behinderten Studen-ten gleich eine gute Möglichkeit, damitandere Studenten der Psychologie, derPädagogik und anderer sozialer FächerErfahrungen sammeln und direkt aufdem Campus eine Art Praktikum ma-chen können.

Die behinderten Studenten müssenteilweise doppelt so viele Studienge-bühren bezahlen, das Geld wird zumTeil für Tutoren und für die studenti-schen Assistenzkräfte verwendet.

Die Colleges sehen ihre Beteiligungan diesen Programmen als freiwilligeLeistung. Es ist noch nicht Teil eines of-fiziellen Bildungsprogramms oder derstaatlichen Bildungsverpflichtung.

Caroline Forsberg, Direktorin desBehindertenberatungsdienstes an derState University of New York, sieht die-se Programme sehr skeptisch. Sie zwei-felt daran, ob die behinderten Studentenwirklich irgendetwas in den normalenVorlesungen und Kursen lernen. „DieAssistenten und die Helfer machen amEnde doch die ganzen Aufgaben“, sagtsie, „die Studenten selber machen kaumetwas. Die bekommen bei weitem nichtdie Erfahrung und Ausbildung, wie dieEltern glauben.“

Der Direktor des Strive-Programmsbetont, dass ein Hauptziel des Pro-gramms darin besteht, die beteiligtenStudenten zu befähigen, ein weitge-hendst selbstständiges Leben zu führen.Sein Ziel ist es, die Kosten der staatli-chen Hilfen auf 5000 US-Dollar jährlich

zu reduzieren – im Vergleich zu den45000, die sonst aufgewendet werdenfür den durchschnittlichen behindertenErwachsenen. „Es ist ein kalkuliertes Ri-siko und basiert auf guten Ideen.“

Zusätzliches Kursprogramm für die „Striver“

An einem Donnerstagmorgen sammelnsich die Teilnehmer am Strive-Pro-gramm für einen Kurs, der zweimalwöchentlich stattfindet. Darin üben siedie Fähigkeiten, die sie brauchen, ummit dem Campusleben klarzukommenund das Beste aus ihren zwei Jahrendort herauszuholen. Fähigkeiten, die sieauch danach noch brauchen, wenn siewoanders weitermachen.

Der Tag fängt an mit einem „openstage“. Die meisten Studenten lesen einkurzes Gedicht oder eine Geschichtevor, die sie selber geschrieben haben.Jeff Goranites, 22, erfreut sein Publikummit einer Elvis-Presley-Imitation. Da-nach gibt es eine Reflektionsrunde, inder die Studenten erzählen, wie es ih-nen denn damit ergangen ist, vor Publi-kum zu sprechen. Danach erstellen siegeschriebene Stundenpläne, damit kei-ner eine Vorlesung oder einen Kursusverpasst.

Pablo Pineda ist der erste und bis jetzteinzige Europäer mit Down-Syn-

drom, der an einer Universität studierthat. 2004 schloss er an der Universitätin Malaga, Spanien mit gutem Erfolg einStudium in der Psychopädagogik ab,nachdem er davor schon das Diplom alsGrundschullehrer erworben hatte. Da-mals nach der Geburt von Pablo vor 31Jahren sagten die Ärzte seinen Eltern,er würde nur die einfachsten Dinge ler-nen können. Die Eltern glaubten diesnicht und haben Pablo von Anfang anzur Selbstständigkeit erzogen. Pablo be-suchte die Regelschule und wurde dortvon seinem Tutor, der fest an seineFähigkeiten glaubte, unterstützt.

Pablo arbeitet jetzt für Malagas Sozi-aldienst als Berater für Familien mit be-hinderten Kindern.

Sie sind alle hier und dort Schwierigkei-ten begegnet in ihrer Eingewöhnungs-phase am College. Christina Mailhot wareinmal sehr verletzt, als eine fremdeStudentin im Vorbeigehen „Vollidiot“gesagt hat. Ihre Mutter hätte gerne einöffentliches Verbot von solchen Beleidi-gungen den Behinderten gegenüber.

Noel Thompson hatte Schwierigkei-ten, als er sich um eine Stelle beim Cam-pus-Radio beworben hat – aber seineMutter hat von einer Intervention abge-sehen, um das Verhältnis zum Collegeallgemein nicht zu gefährden.

Zum größten Teil klappt das Pro-gramm aber sehr gut und die Studentengenießen ihre Zeit am College. Jeder derbehinderten Studenten belegt mindes-tens einen regulären Kursus pro Semes-ter, z.B. Chinesisch, Musik oder Psycho-logie.

Es ist schwer vorauszusagen, wieweit die einzelnen Studenten in ihrenakademischen Leistungen kommen wer-den, da die Bandbreite der Begabungenenorm ist. Aber es gibt sehr viel Enthu-siasmus und Motivation, und das ist dasWichtigste.

Quelle: The Chronicle of higher Education,11.02.2005

Pablo Pineda studierte in Malaga

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24 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

te Denken teils auf Zufallslernen auf-baut, könnte dies der frühe Beweis fürdie diesbezüglich atypische Entwicklungbei Down-Syndrom sein.

Weitere Studien fanden ebenso Be-weise über einen atypischen Verlaufdieses Entwicklungsbereichs. So wurdeu.a. festgestellt, dass die Kinder längerbrauchten, um von Stufe V (an einerSchnur ziehen, um ein Spielzeug zu be-kommen) zu Stufe VI (gezieltes Vorge-hen, beim Hereingeben einer Kette in ei-ne Tasse) zu gelangen. Dieser verlang-samte Übergang von der einen in dienächste Stufe war jedoch nicht deutlichin anderen Bereichen, wie bei der Ob-jektpermanenz oder der Imitation vonGesten. Verzögerung bei der Entwick-lung des instrumentellen Denkens imSäuglingsalter kann die Ursache sein fürdie später auftretenden spezifischenSchwierigkeiten, Strategien zur Pro-blemlösung zu entwickeln.

Aus verschiedenen Studien geht her-vor, dass während die unterschiedli-chen sensomotorischen Entwicklungs-bereiche sich mehr oder weniger gleich-mäßig weiterentwickeln, das zielorien-tierte Denken einen atypischen und ver-langsamten Entwicklungsweg folgt.

Auch nach der Säuglingszeit gibt esBeweise dafür, dass die Fähigkeit, Hilfs-mittel einzusetzen, um ihre Ziele zu er-reichen, bei Kindern mit Down-Syn-drom weiterhin verzögert ist. Ruskin etal. 1994 berichten, dass Kleinkinder inihrer Studie bedeutend weniger zielge-richtete Handlungen ausführten, um einbestimmtes Ziel zu erreichen (z.B. Klöt-ze durch passende Löcher stecken), alsnicht beeinträchtigte Kinder im gleichenEntwicklungsalter.

Ähnlich fand auch unser Team her-aus, dass diese Kinder weniger guteStrategien entwickelten, z.B. um dasProblem zu lösen, wie sie einen ge-

wünschten Gegenstand aus einer Plas-tikbox holen konnten. Nicht nur im Ver-gleich zu Kindern, die sich normal ent-wickelten, sondern auch zu Kindern mitanderen Lernverzögerungen.

Weiter fiel auf, dass Kinder mit Down-Syndrom weniger Freude an kau-salen Zusammenhängen zeigten und ei-nen viel weniger positiven Gesichtsaus-druck hatten während solcher zielge-richteter Handlungen als andere Kin-der. Es ist anzunehmen, dass diesefreudlose Beschäftigung mit Aufgaben,bei denen strategisches Denken erfor-derlich ist, eine wichtige Rolle bei derEntwicklung des Motivationsverhaltensspielt.

Primäre phänotypische Folge: das soziale Funktionieren/Verhalten

Zu der Entwicklungsverzögerung im in-strumentellen Denken bei kleinen Kin-dern mit Down-Syndrom kommen rela-tive Stärken im sozial-emotionalen Be-reich. Schon im Alter von drei Jahrenzeigen viele dieser Kinder deutlicheStärken im sozialen Funktionieren, ge-messen mit der Vineland Adaptive Be-havior Scales. Einige Studien gebenzwar an, keine großen Unterschiede imTemperament zwischen Kindern mitund ohne Down-Syndrom feststellen zukönnen, viele andere dagegen berich-ten, dass Kleinkinder mit Down-Syn-drom öfter eine aufgeweckte Stim-mungslage haben, mehr auf Musik an-sprechen und weniger anstrengend sindals gleichaltrige andere Kinder.

Die gute visuelle Imitation von Klein-kindern mit Down-Syndrom wird be-schrieben als der Beweis einer „ange-borenen sozialen Kompetenz“. Was dasfrühe Anschauen betrifft, stellt Crown etal. (1992) fest, dass diese Babys ihreMütter länger anschauen als Säuglinge,die sich normal entwickeln, sogar schonim Alter von vier Monaten. Dieses Ver-halten kann die Kontaktaufnahme zuanderen Menschen begünstigen. Die Er-gebnisse wurden bestätigt in einer Stu-die von Gunn et al., die erwähnt, dasssechs bis neun Monate alte Babys mitDown-Syndrom fast die Hälfte ihrer In-teraktionszeit damit verbrachten, ihreMütter anzuschauen, und eine Studievon Kasari et al. erwähnt, dass die Kin-der während unsicherer Situationenvermehrt ihre Eltern anschauen.

Aber ... die Kinder nützen dieses in-tensive Anschauen nicht als ein Mittel

zum Zweck, um Informationen zu be-kommen.

Weitere Zeugnisse sozialer Kompe-tenz bei Säuglingen sind der verstärkteEinsatz von melodischen, vokalischenund emotionalen Lauten. Schon vierMonate alte Babys mit Down-Syndromlautieren, wenn sie mit Personen (nichtjedoch mit Objekten) interagieren. Die-se soziale Kompetenz scheint währendder ganzen Kleinkindzeit bis in die Vor-schuljahre anzudauern.

Mit 17,5 Monaten zeigen Kinder mitDown-Syndrom ähnliche Reaktionen inder Interaktion mit der Mutter wie sichnormal entwickelnde Kinder. In einer„fremden Situation“ wirken 24 Monatealte Kinder mit Down-Syndrom sehr be-unruhigt, wenn ihre Mütter nicht dasind, sie weinen dann häufig, macheneinen unglücklichen, ängstlichen Ein-druck und schauen häufig zur Tür – Ver-haltensweisen, die man auch bei ande-ren Kindern beobachten kann.

In verschiedenen Bereichen, wie inbestimmten nonverbalen sozialen Inter-aktionen, beim Rollenspiel oder in Spie-len, wobei man sich abwechselt, zeigenKinder mit Down-Syndrom deutlicheStärken im Vergleich zu Kindern ohneSyndrom.

Ein weiterer interessanter Aspekt imsozial-emotionalen Verhalten ist dieFähigkeit, positive Gefühle zu vermittelndurch das wiederholte Zeigen der Emo-tionen, z.B. durch Anlachen und Lächeln.Dies bestätigen verschiedene Studien.Vermehrtes Lachen und Lächeln wurdeauch bei älteren Kindern und Teena-gern mit Down-Syndrom festgestellt.

Bruch in der Entwicklung der bewussten Kommunikation

Sobald frühe kognitive und soziale Fer-tigkeiten entstehen, überschneiden siesich mit der Entwicklung von nonverba-len Kommunikationsfertigkeiten. Kin-der fangen normalerweise mit neun bis13 Monaten an, bewusst zu kommuni-zieren. Sie tun das z.B. im gemeinsamenSpiel, wobei die Aufmerksamkeit desKindes und des Erwachsenen auf dasgleiche Spielzeug gerichtet ist, oder beider Entwicklung ihres Frageverhaltens.Bei dieser bewussten Kommunikationhat man einen wichtigen Unterschiedzwischen Kindern mit Down-Syndromund Kindern ohne Behinderung odermit einer anderen geistigen Behinde-rung festgestellt.

Babys mit Down-Syndrom schauen ihre Mütter

länger und intensiver an als andere Babys

MEDIZIN

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200521

erreichten Lebensalters zu verzeichnen,gleichzeitig eine bedeutende Abnahmeder Todesfälle von Kindern mitDown-Syndrom unter fünf Jahren.

Es gab diesbezüglich wenig Unter-schiede bei den verschiedenen Ge-schlechtern, das Sterbealter bei Män-nern und Frauen mit Down-Syndromwar fast gleich. Wohl gab es erheblicheUnterschiede beim erreichten Lebensal-ter, wenn man die weiße mit derschwarzen Bevölkerung verglich odermit Menschen anderer ethnischer Grup-pen.

Todesursachen

Insgesamt wurden 17 medizinische Pro-bleme als Todesursache bei MenschenmitDown-Syndrom aufgelistet. Auf denSterbeurkunden wurden als Todesursa-che angeborene Herzfehler, Demenz, ei-ne Unterfunktion der Schilddrüse, Epi-lepsien, Lungenentzündung, Grippe,Hepatitis und Leukämie eindeutig häu-figer genannt als bei Menschen ohne dasSyndrom.

Sehr häufig wurde in der Alters-gruppe von 40 bis 49 Jahren Demenz alsTodesursache genannt, jedoch kam diesbei den unter 40-Jährigen und bei denüber 60-Jährigen viel weniger vor.

Probleme mit den Atemwegen, Lun-genentzündung oder Grippe als Todes-ursache nahmen mit dem Alter zu.

Bei Kindern mit Down-Syndrom un-ter zehn Jahren stand dreimal häufigerLeukämie auf der Sterbeurkunde als beiKindern ohne das Syndrom. Mit zuneh-mendem Alter nahm Leukämie als To-desursache ab und wurde nach dem 40.Lebensjahr nicht mehr genannt.

Im Gegensatz zur Leukämie wurdenandere Formen von Krebs viel wenigererwähnt als erwartet. Dies galt für alleAltersgruppen, für beide Geschechterund für alle drei ethnischen Bevölke-rungsgruppen.

Es gibt verschiedene Begründungen,weshalb Menschen mit Down-Syndromweniger anfällig sind für bösartige Tu-more. Erstens wird erwähnt, dass sieweniger gefährdet sind durch Umwelt-faktoren, wie Tabak, Alkohol oder dasAusüben bestimmter Berufe, die zu ei-nem erhöhten Krebsrisiko beitragen.

Eine andere Möglichkeit wären Geneauf dem Chromosom 21, die der Ent-wicklung von Tumoren entgegenwir-ken.

Außerdem wurde diskutiert, ob die Tat-sache, dass die Zellen von Menschen mitDown-Syndrom sich weniger schnell ver-mehren, eine mögliche Ursache seinkönnte. Dieser verlangsamte Prozesskann sich auch auf das Entstehen vonbösartigen tumorbildenden Zellen be-ziehen.

Die Autoren der Studie weisen dar-auf hin, dass die Daten aus Sterbeur-kunden nicht immer korrekt und voll-ständig sind, dies gilt in gleichen Maßenauch für Sterbeurkunden von Menschenmit Down-Syndrom. Auch ist es nichtganz sichergestellt, ob alle Todesfällebei Down-Syndrom erfasst wurden.

Es wurde (auf Grund der Zahlen aus17 verschiedenen Bundesstaaten) ange-nommen, dass das Down-Syndrom auf10000 Geburten bei 9,2 lebend gebore-nen Kindern auftritt. In einer stabilenGesellschaft, in der sich Geburtsrate undSterberate die Waage halten und Migra-tion ausgeklammert wird, wurde beiMenschen mit Down-Syndrom nur 61 %der erwarteten Todesfälle festgestellt.Dies ist darauf zurückzuführen, dassdiese Menschen während der letzten 20Jahre immer älter wurden und dasdurchschnittliche Lebensalter steigtnoch immer an.

So sind zunächst bei Down-Syndromerheblich weniger Todesfälle als Gebur-ten (auch wenn diese Zahl durch präna-tale Diagnostik und selektive Schwan-gerschaftsabbrüche auch rückläufig ist)zu verzeichnen, bis dort ein neuesGleichgewicht entsteht. Die Gesamtzahlder Menschen mit Down-Syndromnimmt also vorläufig noch zu.

Quelle:Quanhe Yang, Sonja A. Rasmussen,

J.M. FriedmanMortality associated with Down’s syndrome in

the USA from 1983 to 1997The Lancet, Vol 359, March 23, 2002

Zöliakie und Psychose

Über die Zusammenhänge zwischenZöliakie und psychiatrischen/psy-

chologischen Auffälligkeiten wurde inder medizinischen Literatur in letzterZeit verschiedentlich berichtet. Da Zö-liakie eine medizinische Komplikation

ist, die bei Menschen mit Down-Syn-drom vermehrt auftritt (siehe auch Arti-kel Dr. Storm Seite 18), sollten diese Zu-sammenhänge auch bei dieser Patien-tengruppe berücksichtigt werden.

So erschien in La Presse Médicale,2002; 31 .1551-3 ein Fallbericht übereine Frau mit Down-Syndrom, die ver-schiedene psychiatrische Probleme hat-te und bei der eine so genannte stille Zö-liakie diagnostiziert wurde. Auch beiden letzten Down-Syndrom-Kongressenwurde mündlich über einige ähnlicheFälle berichtet.

La Presse Médicale zufolge wurdenbei einer 41-jährigen Frau, die noch zuHause bei ihren Eltern wohnte und diebis dahin unauffällig war, relativ plötz-lich Depressionen, Halluzinationen, An-orexia und autistische Verhaltenswei-sen festgestellt. Ein erhöhter Titer derGliadin-Antikörper im Blut wies auf Zö-liakie hin, die Darmbiopsie bestätigtedies jedoch nicht. Deshalb wurde einestille Zöliakie angenommen. Zwölf Mo-nate später mit einer glutenfreien Diätkonnte eine dauerhafte Verbesserungsowohl der psychotischen Symptome alsauch der Depression festgestellt wer-den.

Eine abweichende Interaktion zwi-schen Immunsystem und Gluten hatnicht nur Folgen für den Darm (als Zö-liakie, sondern kann sich auch – vor al-lem bei Personen, die dazu genetischdisponiert sind, wie diejenigen mit Down-Syndrom – im Gehirn auswirken(als Psychose). Bei dieser Patientin wur-de dieser Zusammenhang eindeutignachgewiesen.

Schlussfolgerung

Dieser Fall zeigt, dass bevor man psy-chische Auffälligkeiten bei einer Personmit Down-Syndrom als Folge einer Alz-heimer-Erkrankung oder Demenz an-nimmt, eine Untersuchung nach Zölia-kie nützlich sein kann. Falls nämlich tat-sächlich diese Diagnose zutrifft, könnteeine glutenfreie Ernährung die Sympto-me einer psychiatrischen Störung ver-bessern oder können diese Symptomeganz verschwinden.

Quelle:J. Serratrice, P. Disdier, Kaladjan et al.

Psychose rélévant une maladie coeliaquesilencieuse chez une jeune femme ayant

une trisomie 21La Presse Medical 2002; 31:1551-3

E R W A C H S E N E

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 49

investieren alles, um ihren Kindern jedemögliche Förderung zukommen zu las-sen; Physiotherapie, Ergotherapie, Lo-gopädie, sie kämpfen um Integration imSchulsystem schon von Kindergartenta-gen an. Aber mit dem Beenden des Schul-systems im Alter von spätestens 21 Jah-ren enden auch sämtliche vom Staatvorgesehenen Bildungsmaßnahmen.

Menschen mit Down-Syndrommöchten gerne weiterlernen

Junge Menschen mit Down-Syndromkönnen zwar auch an der „GraduationCeremony“ teilnehmen wie alle anderenMitschüler, aber sie bekommen keinvollständiges Schulabschlusszeugnis,das gleichwertig wäre mit dem andererSchulabsolventen. Ihr „Graduation Pa-per“ ist ein „Zertifikat der Anwesenheit“oder ein „Zertifikat über hervorragendeLeistungen“ und spiegelt ihre jeweiligenindividuellen Leistungen wider.

Viele von den betroffenen jungenMenschen lernen gerne und vermissendie Möglichkeit, nach der Schule weiter-zumachen. Eine von diesen jungenMenschen ist Christina Mailhot. IhreMutter beobachtete voller Sorge ihreEntwicklung, als sie mit der Schule fer-tig war. Christina fand eine Arbeit alsEinpackerin im Supermarkt, war dortsehr unglücklich und verfiel in Depres-sionen. Als alleinerziehende Muttermachte sich Frau Mailhot große Sorgen,denn der Job als Einpackerin würde ih-re Tochter, wenn sie selber nicht mehrda wäre, in der Zukunft nicht ernährenkönnen.

Christina wurde als eine von sechsStudentinnen vom Strive-Programm an-genommen – 65 hatten sich beworben.An der Universität teilt sich Christinaein Appartment mit einer anderen Stu-dentin aus dem gleichen Programm undmit einer Beraterin, die dafür sorgt, dassChristina kochen lernt und ihre Rech-nungen pünktlich bezahlt. Sie besuchtbesonderen Unterricht, der ihr hilft, sichan das Campusleben anzupassen. Siebesucht außerdem Deutschunterricht,um die Muttersprache ihrer Mutter zulernen.

Christina hofft, eines Tages als Ver-fechterin für die Anliegen von Menschenmit Behinderungen eine Karriere ma-chen zu können. „Ich glaube, dass diemeisten Menschen überhaupt nicht wis-sen, dass wir auch ein Gehirn haben,wir sind genauso normal wie alle ande-

ren auch, und das müssen sie akzeptie-ren!“, sagt Christina.

Irvin Shapell, ein Herausgeber vonBüchern über Kinder mit Behinderun-gen, war maßgeblich an der Gründungund Entwicklung des Strive-Programmsbeteiligt. Sein behinderter Sohn Jakewar damals 21.

„Ich wollte, dass Jake die gleichenChancen bekommt wie seine Geschwis-ter, dass er einen Job bekommt und dieAnerkennung, die ihm wichtig ist. Ichwollte, dass er in einer Gemeinde lebt,mit richtigen Nachbarn, genauso wie Sieund ich.“ Jake starb viel zu früh an denFolgen einer Herzentzündung. Sein Va-ter ist beim Programm geblieben undkämpft weiter um bessere Bildungs-chancen für Menschen mit geistiger Be-hinderung. „Colleges sollten einsehen,dass sie diesen Menschen nie eine Chan-ce gegeben haben; dies sollten siewenigstens tun“, sagt er.

Zusammen mit Gleichaltrigen

Eine wichtige Überlegung in der Ent-wicklung der Bildungsprogramme ist,dass junge Menschen zwischen 18 und25 Jahren nicht mehr in den HighSchools unter 14-Jährigen sitzen wol-len. Auch wenn der Inhalt des Lernstof-fes der gleiche wäre – es ist einfach nichteine altersadäquate Umgebung für jun-ge Erwachsene. Unter Gleichaltrigen aufdem Campus ist die Situation sofort ei-ne völlig andere.

Qualifizierter Abschluss?

Nur sehr wenige Colleges bieten dieMöglichkeit für geistig behinderte Stu-denten, „Scheine“ zu erwerben. Diemeisten schaffen nur die Möglichkeit,Kurse zu besuchen, ohne offizielle An-erkennung. Eine Ausnahme ist dasCommunity College of Baltimore Coun-ty. Es bietet ein Zwei-Semester-Pro-gramm in Childcare (Kinderversorgung)an. Die Kurse sind speziell für geistig Be-hinderte konzipiert, die Praktika laufenunter engmaschiger Aufsicht und derAbschluss ist ein staatlich anerkanntesZertifikat als Kinderbetreuerin.

Melissa Silvermann ist eine von zweiMenschen mit Down-Syndrom, die 2003erfolgreich das Programm abgeschlos-sen haben. Sie arbeitet inzwischen alsHelferin in einem Frühförderzentrum inder Nähe ihrer Wohnung. Sie verdientnur sechs Dollar die Stunde (auch in denUSA wenig), aber sie genießt die Arbeitmit Kindern. „Ihre staatliche Anerken-nung hat ihr Türen geöffnet und Mög-lichkeiten gegeben, die sie sonst nichtgehabt hätte“, sagt ihre Mutter.

In einigen wenigen Fällen habenMenschen mit geistiger Behinderung einCollege besucht ohne die Unterstützungdurch ein besonderes Programm. Ka-therine Apostolides, eine 21-Jährige ausPittsburgh mit Down-Syndrom und ei-ner sehr starken Lernbeeinträchtigung,ist eine davon. Sie besucht das BeckerCollege in Massachusetts.

Ihre Eltern haben von Anfang andarauf bestanden, dass Katherine einenormale Schule besucht. „Meine Freun-de und Verwandten dachten, ich binverrückt. Sie dachten, ich akzeptiere dieTatsache nicht, dass meine Tochter geis-tig behindert ist“, sagt ihre Mutter.

Katherine hat ein Graduation-Di-plom an ihrer High School erworben,dort hat sie auch für die Schulzeitunggeschrieben und war bei den Cheerlea-

Miguel Martin Cifre, kein amerikanischer

Student, sondern ein selbstbewusster junger

Mann aus Mallorca, der zurzeit eine Lehre

zum Hilfskoch bei ASNIMO macht.

Beim Kongress war er zuständig für das

Kuchenangebot.

52Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

WOHNEN

Juni dieses Jahres zog unsere 25-jähri-ge Tochter Karen in eine eigene Woh-

nung. Sie benutzt das Modell „sharedownership“ von einer Housing Associa-tion, das ihr mehr Sicherheit gibt, alswenn sie einen regulären Mietvertraghätte. Karen bekommt von der Sozial-verwaltung Geld in einen Fonds einge-zahlt. MeinMann, mein Bruder und ichsind die Verwalter. Um selbstständig zuwohnen, hat Karen Unterstützung vonvier Assistentinnen, jede von ihnen ar-beitet zirka 19 Stunden in der Woche,sie werden aus dem Fonds bezahlt.

Von 1997 bis 2000 besuchte Karendas Derwen College in Shropshire, wosie enorm viele neue Fertigkeiten ge-lernt hatte, sowohl im sozialen wie imkognitiven Bereich. Dort machte sieauch zum ersten Mal die Erfahrung, wiees ist, nicht mehr zu Hause zu wohnen,genau wie ihre Schwester, die drei Jah-re lang zwecks Studium in einer ande-ren Stadt lebte.

Ein Jahr nachdem Karen aus Der-wen zurückkam, zog sie zusammen miteinem jungen Mann mit Down-Syndromin eine Dreizimmerwohnung. Es gab so-wohl einen Nachtdienst (sleep-in) wieeinen Tagesassistenten, die von unter-schiedlichen Organisationen vermitteltwurden. Nach neun Monaten scheitertedieses Experiment.

Wir schauten uns dann einige Wohn-gruppen an und realisierten schon bald,dass so ein Modell – mit drei, vier odermehr Personen, nur auf Grund eines ge-meinsamen niedrigen IQ, zusammen ineine Wohngruppe „gesteckt“ zu werden– für Karen keine gute Basis sein konn-te, langfristig erfolgreiche Beziehungenaufzubauen. Karen selbst war auch garnicht interessiert.

Die eigene Wohnung gibt Karen jetztdie Möglichkeit, vollständig unabhängigzu sein. Karen ist eine ganz normale,durchschnittliche junge Dame mit Down-Syndrom. Sie braucht jemanden in derNähe während der Nacht und siebraucht jemanden, der ihr hilft beim Ko-

chen, beim Umgang mit Geld, beim Or-ganisieren ihrer Freizeitaktivitäten. Je-den Morgen verlässt sie um halb neunihre Wohnung und fährt selbstständigmit dem öffentlichen Verkehr zum Col-lege. Bald nachdem sie nachmittagswieder zu Hause ist, kommt eine ihrervier Assistentinnen, begleitet sie zu ih-rer Jugendgruppe und hilft ihr bei al-lem, wofür sie Hilfe braucht.

Drei Teammitglieder sind Studentin-nen, eine macht eine Ausbildung alsHeilerziehungspflegerin, eine lernt Er-gotherapeutin und die Dritte studiertSprachen. Die Vierte ist eine erfahreneSozialpädagogin, die Karens Unabhän-gigkeit enorm positiv gegenüberstehtund sie begeistert fördert.

Wir empfinden es als einen Vorteil,dass die Assistentinnen jeweils nur Teil-zeit arbeiten. Sie sind einfach „frischer“und sehen manches aus einer anderenSicht als Fachleute, die Vollzeit inWohngruppen arbeiten.

Was ist Unabhängigkeit?

Unabhängigkeit bedeutet nicht, dassder Mensch mit einer Einschränkung je-den einzelnen Handgriff selbst aus-führen können muss. Es betrifft viel-mehr die Art und Weise, wie die Personwohnt und dass sie die Möglichkeit hat,eigene Entscheidungen zu treffen. Ka-ren bestimmt selbst, was sie essenmöchte oder wie sie ihre Freizeit gestal-tet, um nur einige der Entscheidungenzu nennen, die tagtäglich getroffen wer-den müssen. Ein weiterer Vorteil vondem direct payment (persönliches Bud-get) war, dass Karen (mit Hilfe ihres Be-treuers und von uns) die Menschen, diebei ihr arbeiten sollten, selbst befragenund auswählen konnte. Auch die ganzeEinrichtung ihrer Wohnung hat sieselbst ausgesucht.

Eigene Wohnung, nicht zu nah undnicht zu fern

Karen wohnt nur fünfzehn Minuten zuFuß von uns entfernt, so sind wir nahegenug, dass wenn notwendig, wir gleich

da sind, aber weit genug, dass Karennicht einfach hier ihre Wäsche ablädt,damit ich das übernehme.

Große Fortschritte

Wir staunen, welche Fortschritte Karenin den vier Monaten seit sie ausgezogenist, gemacht hat. Als sie in ihre Woh-nung zog, beschränkten sich ihre Kennt-nisse was Technik anbelangt auf das Be-dienen eines Videorecorders, eines CD-Players und einer Mikrowelle, wobei je-mand ihr noch sagen musste, wie vieleMinuten eingestellt werden sollten.

Sie hatte keine Ahnung, wie man ei-ne Waschmaschine bedient, noch konn-te sie allein etwas kochen, außer viel-leicht eine Fertigsuppe.

Kürzlich hatte eine ihrer Assisten-tinnen sich verspätet und ich konnte un-möglich einspringen, so musste Karendie Zeit allein überbrücken. Als die As-sistentin bei Karen ankam, hatte sie dieWaschmachine schon angemacht undallein eine ganze Mahlzeit vorbereitet.Sie hatte Kartoffeln geschält, gekochtund einen Kartoffelbrei gemacht, Gemü-se gekocht und Fisch gegrillt, alles aufihren Rollwagen gestellt, ins Esszimmergerollt und den Tisch gedeckt. Zwei Wo-chen später erzählte eine andere Assis-tentin, dass Karen nun auch angefangenhat, selbstständig ihre Kleider zu bü-geln.

Wenn ich mit Karen telefoniere, binich beeindruckt, wie ihre Sprache sichverbessert hat. Wissend, dass sie für daseigene Telefon verantwortlich ist undsich auch Menschen verständlich ma-chen muss, die nicht an ihre sonst ver-waschene Sprache gewöhnt sind, hatdazu geführt, dass sich ihre Artikulati-on, ihre Grammatik und die Fähigkeit,sich auszudrücken, sehr gebessert ha-ben.

Freilich hat es während dieser vierMonate einige Unregelmäßigkeiten, Kopf-zerbrechen und haarige Momente gege-ben, aber das waren eigentlich allesKleinigkeiten. Karens Selbstbewusst-sein und ihr Gefühl von Humor sind in-dessen enorm gewachsen.

Quelle: Journal, Down’s SyndromeAssociation, Issue 107, Winter 2005.

Mit freundlicher Genehmigung der DSA.

Karen zieht in eine eigene Wohnung– weitergehen und gehen lassenCathy Slater

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PSYCHOLOGIE

28Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

samt ihren Wünschen, Ängsten undFähigkeiten – zu entwickeln und diesesWissen im Alltag zu nutzen.

Die beiden letzten Intelligenzen be-schreiben auch das von anderen Auto-ren mit emotionaler Intelligenz (EQ) be-schriebene Verständnis für Gefühlsvor-gänge, das dazu benutzt werden kann,in anderen positive Empfindungen zuwecken, Konflikte zu lösen oder zu Hau-se und im Alltag vermittelnd zu wirken.

Untersuchungen der letzten Jahrelassen vermuten, dass soziale und emo-tionale Fähigkeiten den „Erfolg“ im Le-ben vielleicht noch stärker bestimmenals die so genannten intellektuellenFähigkeiten eines Menschen. Die im Ge-gensatz zum Intelligenzquotienten (IQ)mit emotionaler Intelligenz (EQ) be-schriebenen Eigenschaften umfassenz.B.

Mitgefühl Ausdruck und Verstehen von Gefühlen Kontrolle über seine Stimmungen Unabhängigkeit Anpassungsfähigkeit Beliebtheit Fähigkeit zur zwischenmenschlichenProblemlösung Ausdauer Freundschaftlichkeit Respekt Optimismus

Die Theorie der multiplen Intelli-genzen beruht auf der Annahme, dassExpertentum sowohl in der Schule alsauch in anderen Bereichen auf vielenWegen erreichbar ist. Über das Gesamt-bündel der Intelligenzen verfügen wiralle, es repräsentiert in gewisser Hin-sicht das intellektuelle Erbe der biologi-schen Art, doch unsere Stärken und un-sere Intelligenzprofile sind nicht iden-tisch, weil die verschiedenen Intelligen-zen individuell unterschiedlich starkausgebildet sind. Wenn also die geisti-gen Möglichkeiten mit den unterschied-lichen Stärken, Interessen und Strategi-en tatsächlich individuell ausgeprägtsind, dann lohnt es zu überlegen, obzentrale Lerninhalte nicht auf vielfältigeArt unterrichtet und vor allem beurteiltwerden können.

Sind Menschen mit Down-Syndromintelligent?

Um noch einmal zusammenfassend aufdie eingangs gestellte Frage zurückzu-

kommen, ob Menschen mit Down-Syn-drom intelligent sind, so sollte sie – un-ter Berücksichtigung der Theorie dermultiplen Intelligenzen – mit „Ja“ be-antwortet werden.

Betrachtet man u.a. die Subintelli-genzen der emotionalen, musikalischenund körperlich-kinästhetischen Intelli-genzen, so zeichnen sich viele Men-schen mit Down-Syndrom gerade durchdiese Fähigkeiten aus, die es im Kinder-garten, in der Schule, aber auch im spä-teren Leben in der Berufswelt zu ent-decken, zu fördern und einzusetzen gilt.

„Die Aufgabe für das nächste Jahr-hundert besteht nicht nur darin, unserBewusstsein für die Vielfalt unserer In-telligenzen und deren adäquaten Ge-brauch zu sensibilisieren. Wir müssenuns darüber hinaus überlegen, wie In-telligenz und Moral zusammenwirkenkönnen, damit eine Welt zum Wohleund zum Gefallen der sehr verschieden-artigen Bevölkerung unseres Planetenentstehen kann. Intelligenz ist ein Kapi-tal, aber – um Ralph Waldo EmersonsDiktum zu zitieren – „Charakter ist mehrals Intellekt“, eine Einsicht, die für dasIndividuum ebenso gilt wie für die Ge-sellschaft“ (Howard Gardner).

Dr. med. Wolfgang Storm Kinderklinik St.-Vincenz-Krankenhaus Husener Straße 81 33098 Paderborn

Weiterführende Literatur

1. Gardner, H.: Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen. Klett-

Cotta, Stuttgart (2001)

2. Gardner, H.: Intelligenzen. Die Vielfalt desmenschlichen Geistes. Klett-Cotta, Stuttgart

(2002)

3. Goleman, D.: Emotionale Intelligenz.Deutscher Taschenbuchverlag, München

(1995)

Bindungssicherheit

An der Universität Potsdam wurdevon Hellgard Rauh und Claudine

Calvet eine Langzeitstudie durchgeführtüber die Bindungsqualität bei Kindernmit Down-Syndrom. Die Ergebnisse die-ser Studie wurden veröffentlicht in derZeitschrift: Kindheit und Entwicklung,13 (4), 217 – 225, Hogrefe Verlag, Göt-tingen 2004, aus der auch folgende Zu-sammenfassung entnommen wurde:

Ist Bindungssicherheit entwicklungs-fördernd für Kinder mit DS?

Die Erfassung und die Bedeutung derBindungsqualität bei Kindern mit Down-Syndrom ist wissenschaftlich umstrit-ten. Anhand von Längsschnittdaten beiinsgesamt 16 Kindern mit Bindungs-qualifikation im Entwicklungsalter von13 bis 15 Monaten (Lebensalter um 24Monate) wird aufgezeigt, dass die Ver-haltensentwicklung dieser Kinder inBayley-Entwicklungssituationen (IBR-Ratings) im ersten bis zum fünften Le-bensjahr in sinnvoller Beziehung zu ih-rer Bindungsentwicklung stand. Ab demfortgeschrittenen Vorschulalter ent-wickelten sich Kinder mit sicherer Bin-dung vor allem in der sprachlichen undin der sozial-kognitiven Entwicklunggünstiger als Kinder mit unsicherer Bin-dungsbeziehung.

Bindungssicherheit scheint sich inden ersten Jahren vor allem im Verhal-ten der Kinder und erst nahe demSchulalter auch in Testleistungen aus-zuwirken.

Was ist Bindung?Unter Bindung versteht man eineemotionale Beziehung zwischenMenschen, die sich z.B. in Form derKontaktsuche, Aufrechterhaltungder Nähe zur Bezugsperson insbe-sondere angesichts fremder Perso-nen oder unvertrauter Ereignisse(z.B. dem so genannten Fremdeln,der so genannten Acht-Monate-Angst bei Kindern) oder der so ge-nannten Trennungsangst (Furcht vorAbwesenheit oder Abwendung einerBezugsperson) äußert. Bindung undnachfolgende Ablösung gelten alswesentliche Voraussetzung einerharmonischen Persönlichkeits- undsozialen Entwicklung.

P S Y C H O L O G I E

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 25

Der Unterschied besteht darin, dassKinder mit Down-Syndrom die nicht-lautsprachliche Kommunikation (Ges-ten, Mimik etc.) nicht als Mittel zumZweck einsetzen, d.h. sie benutzen die-se Fähigkeit in herausfordernden Situa-tionen nicht, um Informationen zu be-kommen, damit sie ein Problem lösenkönnen, so wie andere Kinder das tun.Und dies obwohl die frühe nonverbalesoziale Kommunikation eine relativeStärke dieser Kinder ist. Hier wird deut-lich sichtbar, dass es einen Bruch gibtzwischen dem instrumentellen Gestiku-lieren (Gesten, um zu einem Ziel zu ge-langen) und dem sozialen Gestikulieren(gestikulieren auf Grund der Soziabi-lität).

Interessanterweise treten diese Defi-zite speziell nur in Problemlösungssi-tuationen auf. Bei sozialen Routine-übungen benutzen die Kinder sehr wohlGesten, Blickkontakt, Mimik etc., um einZiel zu erreichen. Es scheint also nichtdaran zu liegen, dass die Kinder dieseTaktiken nicht beherrschen, sie benut-zen sie jedoch nicht gezielt in für sie kognitiv herausfordernden Situationen,um das Verhalten anderer dadurch zubeeinflussen.

Wechselwirkung zwischen den Entwicklungsbereichen

Wir nehmen an, dass zwischen den bei-den Entwicklungsdomänen – die relati-ve Stärke im sozialen Verhalten und dieDefizite in der Entwicklung von strate-

gischem Denken – eine Beziehung be-steht, die zu dem spezifischen Motivati-onsverhalten, der geringeren Ausdauerund dem Sich-Verlassen auf soziale Stra-tegien führt.

Ein geringes Durchhaltevermögenkönnte die indirekte Folge der auftre-tenden Schwierigkeiten beim instru-mentellen und strategischen Denkensein. Klein- und Vorschulkinder mit Down-Syndrom, die sich aus herausfor-dernden Situationen ausblenden, ma-chen dies, weil sie nicht in der Lagesind, neue brauchbare Strategien zuentwickeln, um die Aufgaben zu lösen.Sie sehen einfach keine andere Mög-lichkeiten, um sich aus der „Situation zuretten“. So ist – unserer Meinung nach –diese passive und wenig motivierte Hal-tung direkt verbunden mit den primä-ren Defiziten im instrumentellen Über-legen und mehr allgemein mit den ko-gnitiven Einschränkungen.

Außerdem scheint es für diese Kin-der ganz selbstverständlich zu sein,dass wenn sie sich nicht imstande se-hen, in schwierigen Situationen neueStrategien zu entwickeln, sie sich lieberauf ihre Stärken, ihre sozialen Fähig-keiten verlassen.

So entwickeln sie über die Jahre ei-nen Stil, wobei sie immer dann, wenn eskompliziert wird, beharrlich ihren Charme und ihre anderen positiven so-zialen Verhaltensweisen einsetzen. Diesführt häufig dazu, dass ihre Bezugsper-sonen aufgeben – die Aufgaben bleibenunerledigt.

Oder sie verlassen sich auf eine an-dere soziale Strategie, nämlich sich pas-siv zu verhalten und einfach auf Hilfe-stellung zu warten, die sie dann auchbekommen – die Bezugsperson löstdann die Aufgabe.

Diese beiden sozialen Strategienwurden wiederholt auch in Testsituatio-nen festgestellt. Und sogar wenn dieKinder diese Taktiken nicht anwenden,bauen sie lieber auf Verweigerung und„stellen auf stur“, als dass sie versuchen,neue wirkungsvollere Strategien zu ent-wickeln, um eine Aufgabe zu lösen. Esfällt ihnen schwer, sich von diesem„Verstocktsein“ zu lösen.

Intervention

Wenn diese Antriebsschwäche, diesemangelnde Motivation eine Folge derprimären phänotypischen Merkmale ist,dann müsste es möglich sein, diesen

Kinder mit Down-Syndrom lachen mehr!

Wenn wir unsere Fotosammlung durchschauen,

können wir dies bestätigen.

Entwicklungsweg durch gezielte undzeitlich richtig eingesetzte Förderung zuverändern.

Man kann sich z.B. darauf konzen-trieren, Fertigkeiten zum frühen Pro-blemlösen zu üben. So ließe sich daspersönliche Motivationsverhalten viel-leicht günstig beeinflussen.

Weiter kann man, wenn die Kinderein mentales Alter von neun bis 13 Mo-naten erreicht haben, ganz gezielt ihrenonverbale Kommunikation so steuern,dass sie lernen, diese auch als Mittel ein-zusetzen, um Informationen zur Pro-blemlösung zu bekommen.

Ein anderer wichtiger Bereich derFörderung könnte das Einüben vonHandlungsabläufen sein. Kleinkindermit Down-Syndrom sind nicht in der La-ge, selbst effektive Handlungssequenzenauszudenken und auszuführen, um einbestimmtes Ziel zu erreichen. Wenn dierichtige Strategie, um ein Problem zu lö-sen, eine Reihe unterschiedlicher Hand-lungen erfordert, stellt dies eine Über-forderung der Kinder dar (z.B. denSchlüsselbund zu finden, den richtigenSchlüssel herauszusuchen und die Türaufzuschließen). Solche komplexerenAufgaben zu lösen, kann man gezieltfördern.

Schlusswort

Wir wollen versuchen, das Motivations-Verhalten bei Menschen mit Down-Syn-drom zu verbessern, dabei die positivenAspekte des Profils (soziale Motivation)zu behalten und die negativen Aspektezu verringern (z.B. Ausblend-Verhal-ten).

Auch wenn wir zurzeit noch am An-fang unserer Arbeit stehen und wir die-se Vorgehensweise als Hypothese an-nehmen, weisen doch erste Erfolge dar-auf hin, dass dieser Weg effektiv ist.

Kleinen Kindern mit Down-Syndromzu helfen, ihre eigenen Fähigkeiten zuerkennen, um effektive Strategien zurProblemlösung zu entwickeln, wird ganzallgemein ihre akademischen Fähigkei-ten verbessern, ihre Selbstständigkeitfördern und insgesamt auch positiveFolgen für ihr späteres Leben als Er-wachsene haben.

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200545

ERWACHSENE

herauszufinden, welche Fertigkeitenunterrichtet werden müssen, haben wirversucht, auf die folgenden Fragen eineAntwort zu finden: „Welche Kompeten-zen sind auf jeden Fall notwendig, umalleine außerhalb des Hauses zurecht-zukommen?“, und außerdem: „Was brau-che ich für mein tägliches Leben, für dieArbeit, für die Freizeit?“

Daraus entsprang eine Liste mit Fä-higkeiten, die man in fünf Bereiche, dieZiele dieses Erziehungsplans, untertei-len kann:

Kommunikation: Fragen stellen kön-nen, die eigenen Daten nennen können,öffentliche Telefone benutzen können ...

Orientierung: Lesen und Befolgen vonStraßenschildern, sich an bestimmtenGebäuden orientieren können, die Hal-testellen von Bus, U-Bahn und Taxi fin-den …

Verhalten im Straßenverkehr: Über-queren von Straßen, Ampeln …

Der Umgang mit Geld: Geldscheine,Münzen und den Wert des Geldes ken-nen lernen, bezahlen können, Rückgeldzählen …

Nutzung von Dienstleistungen: dasrichtige Geschäft bzw. die richtige Be-hörde aufsuchen, sich zurechtfinden inRestaurants und Cafés, im Kino, beimKegeln, in Postämtern, in öffentlichenVerkehrsmitteln …

Organisation des Kurses

Die Kurse finden am Nachmittag statt,die Treffen dauern jeweils ungefähr dreiStunden. Die Jugendlichen treffen sicheinmal wöchentlich. Die Gruppe bestehtaus acht bis zehn Jugendlichen mit Down-Syndrom und drei bis vier Assis-tenten. Nach einer gemeinsamen Rundeteilen sie sich in Zweier- oder Dreier-Gruppen plus einem Helfer und einemFreiwilligen oder Zivi, die alle für APIDarbeiten, auf. Die mit den Jugendlichenbesprochenen Aktivitäten stammen ausden oben genannten fünf Bereichen undwerden meistens innerhalb der Klein-gruppe realisiert.

Aber Selbstständigkeit bedeutetmehr, als nur einige neue Sachkennt-nisse zu erwerben. Auch das Gefühl zuhaben, richtig erwachsen zu sein, vomStatus eines Kindes zu dem eines Er-wachsenen zu wechseln und als er-wachsener Mensch behandelt zu wer-den, ist wichtig. Die Jugendlichen müs-sen neue „erwachsene“ Verhaltenswei-sen lernen und lernen, Schwierigkeiten,die unvermeidbar auftreten werden, zumeistern.

Das Lernambiente muss positiv undanregend sein und der Realität entspre-chen, damit die Jugendlichen sich mitihrer neuen Rolle als Erwachsene iden-tifizieren können.

So entstand der „Klub der Jugendli-chen“. Das positive Klima hilft den Ju-gendlichen bei ihrer Identifikation alsErwachsene, regt die Kommunikationund das Entstehen von Freundschafteninnerhalb der Gruppe an.

Die Arbeitsmethode

Folgende Punkte sind bei der Umset-zung des Kursprogramms wichtig.

Das Üben in der konkreten SituationWir sehen die eigene Motivation der Ju-gendlichen als besten Motor, die Ziele zuerreichen, und üben daher ausschließ-lich in konkreten Situationen. Das heißtzum Beispiel, das notwendige Geld di-rekt beim Imbissstand abzuzählen, umden Hamburger kaufen zu können, dasTelefon zu benutzen, um einen abwe-senden Freund anzurufen, einen Ort mitjemandem auszumachen, an dem mansich tatsächlich nachmittags trifft, etc.

Dies steht im deutlichen Kontrastzum Lernen durch sture, sich wieder-holende Übungen, fern der Realität, wiees manchmal in der Schule passiert. Wo-bei oft auch noch davon ausgegangenwird, dass eine Person mit geistiger Be-hinderung leichter auf die mechanischeWeise und nur durch Wiederholunglernt.

Aber es ist gerade die realistische Si-tuation und nicht eine erfundene, diemotiviert. Die Jugendlichen reagierenäußerst sensibel, wenn man sie nichtfür voll nimmt. Keiner von ihnen wirdfreiwillig zum Milchkaufen gehen, wennnoch genug Milch im Kühlschrank istoder wenn sie wissen, dass die Mutter

Selbst einkaufen gehen

zu können, ist ein

wichtiger Schritt in

Richtung Selbststän-

digkeit.

Wenn man dann auch

noch selbst bestimmen

kann und darf, was

man heute essen will,

umso besser.

Es schadet bestimmt nicht,

wenn man weiß, wie man mit

einem Rasenmäher umgeht

E R W A C H S E N E

48 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

„Ich mag meine Selbstständigkeit“

Noel Thompson ist ganz begeistert vonseinem neuen Leben an der Universitätim US-Bundesstaat Maine. Er studiertMarktwirtschaft mit dem SchwerpunktUnternehmensführung und hat ein be-zahltes Praktikum in einer örtlichenBank, wo er Büroarbeit und Werbungmacht. Er beteiligt sich eifrig in einemWohltätigkeitsverein auf dem Campus,der ein Sommer-Camp-Hospiz für tod-kranke Kinder organisiert. Er genießtdie Freundschaften, die er am Collegegefunden hat, und die gelegentlichenHeimwehattacken sind halb so schlimm,sie werden durch das gute Gefühl überseine neue Selbstständigkeit wettge-macht.

Das „Strive“(Streber)-Programm

Seine Einstellung würde jedem Studen-ten Ehre machen – aber Mr. Thompsonist nicht ein x-beliebiger Student: Er hatDown-Syndrom, er ist geistig behindert.Er hat die Aufnahme am College ge-schafft durch seine eigenen Anstren-gungen und mit der Hilfe von Strive Uni-versity, einer Organisation, die seit kur-zem ein Zwei-Jahres-Programm für Stu-denten mit geistigen Behinderungen anUniversitäten und Colleges anbietet(Strive bedeutet „Streber“).

Mr. Thompson sagt, dass das Pro-gramm ihm das Selbstbewusstsein ge-geben hat zu überlegen, ob er später indie Werbung geht oder eventuell Disk-jockey wird. Bis dahin hört er sich eini-ge sehr interessante Vorlesungen an.„Ich möchte gern auch Physik studieren“,sagt er, „das habe ich noch nie gehabt.“

Mr. Thompson ist 24 Jahre alt. Er isteiner von sechs jungen Leuten mit Down-Syndrom, die im vergangenen

Herbst in dem Strive-Programm einge-schrieben wurden. Dieses Programmwurde an der Universität von SouthernMaine begonnen, es läuft über eine ge-meinnützige Organisation und richtetsich an junge Leute mit Behinderungen.

Das Programm ist Teil einer neuenBewegung, an der sich ca. 50 Collegesund Universitäten beteiligen, die weite-re Bildungsmöglichkeiten für Schülermit geistiger Behinderung nach Ab-schluss der High School schaffen wollen.Es ist eine Antwort auf die wachsendeNachfrage und trotz der relativ hohenKosten und obwohl diese neue Aufgabenicht zu den traditionellen Aufgabenvon Hochschulen gehört, werden lau-fend weitere Möglichkeiten geschaffen.

Zusammenarbeit mit der NDDS

Die NDSS (National Down Syndrome So-ciety) arbeitet mit öffentlichen und pri-vaten Colleges in New Jersey zusam-men, um ein Modell herauszuarbeiten,das Bildungsmaßnahmen anbietet für18- bis 25-Jährige mit geistigen Behin-derungen. „Es gibt großes Interesse anunserem Programm“, betont die Direk-torin. „Es reflektiert den enormen An-stieg der Erwartungen, die Eltern vongeistig behinderten Kindern haben. Ichglaube, es spiegelt den gesamten Fort-schritt in der Erziehung dieser Kinderwider.“

Kritiker und Befürworter

Kritiker des Programms stellen in Fra-ge, ob Menschen mit geistiger Behinde-rung überhaupt ein Diplom erwerbenkönnen, trotz der intensiven Unterstüt-zung, die diese Studenten erfahren, undtrotz der zusätzlichen mühevollen Jah-re, die oft benötigt werden. Viele Ver-

antwortliche an den Universitäten wei-gern sich, ihre Angebote und Kurse zumodifizieren und den Bedürfnissen vongeistig Behinderten in irgendeiner Wei-se anzupassen.

Befürworter des Programms räu-men ein, dass Menschen mit geistigenBehinderungen ihre Grenzen haben.Aber da Colleges und Universitäten so-wieso einen großen Anteil an Studentenhaben, die völlig unrealistische akade-mische Vorstellungen oder Karrierean-sprüche haben, sagen sie, dass es nurlogisch sei, dass man auch Menschenmit geistiger Behinderung selber ihreGrenzen erfahren lassen sollte und nichtvon vornherein verhindern soll, dass siees überhaupt versuchen.

„Menschen mit geistiger Behinde-rung wollen mehr als das, was bislangerreichbar war“, sagt Stephanie SmithLee, Direktorin im Bildungsministeriumfür Sonderpädagogik, die selber eineTochter mit Down-Syndrom hat. „Siehaben größere Träume als früher.“

Kein Leben in Armut

Nur ein sehr kleiner Prozentsatz von Er-wachsenen mit geistiger Behinderunghat bis jetzt Zugang zu Colleges oderUniversitäten. Für die meisten endet dasöffentliche Bildungssystem mit 21,wenn die normale integrative HighSchool beendet ist. Die Arbeitsauswahlist begrenzt; Behinderten-Werkstättenoder niedrig bezahlte ungelernte Arbei-ten als Raumpfleger, Gärtner oder in derFast-Food-Industrie schränken die be-ruflichen Möglichkeiten stark ein undverurteilen diese Menschen zu einemLeben in Armut.

Viele Eltern machen sich ernste Sor-gen über die Zukunft ihrer Kinder. Sie

Studenten mit Down-Syndrom an amerikanischen Colleges und UniversitätenPeter Schmidt

Übersetzung: Gundula Meyer-Eppler

Dass junge Menschen mit Down-Syndrom in den USA ganz regulär dieHigh School besuchen, ist uns allen schon lange bekannt. Aber nun gibt es auch die ersten Studenten mit Down-Syndrom an den Universitäten. Wie funktioniert das und kann das überhaupt funktionieren?

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P S Y C H O L O G I E

26 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Menschen mit Down-Syndrom wer-den Persönlichkeiten zugeordnet,

die durch eine geistige Behinderungcharakterisiert sind. Diese Behinderungorientiert sich vor allem am Intelligenz-quotienten (IQ), erkennbar am histori-schen Synonym der „mongoloiden Idio-tie“ für Down-Syndrom. Idiotie beziehtsich hierbei auf einen IQ unter 25 mitdefinitionsgemäß völliger Bildungsun-fähigkeit, wobei die schweren Fälle we-der sprechen, gehen noch selbstständigessen und sich sauber halten können.

Vorsichtige und einfühlsame Versuche,auf die Chromosomenstörung hinwei-sende Verdachtssymptome mit Down-Syndrom zu beschreiben, scheitern auchheute noch oft an der Unkenntnis überdiesen Begriff. Es ist deswegen oft not-wendig, mit dem veralteten und unzu-treffenden Namen „mongoloid“ oder

„Mongolismus“ den Eltern die Art derBehinderung ihres Kindes anzudeuten.Dies jedoch oft mit katastrophalen Fol-gen: Glauben doch viele Betroffene ausfrüheren Erfahrungen zu wissen bzw.zu erahnen, welch düstere Gegebenhei-ten nun auf sie zukommen werden.

Ein Blick in Lexika bzw. Schulbücherreicht meist aus. Der Begriff „mongolo-id“ steht für Schwachsinn, „mongoloideIdiotie“ für Personen, die weder selbst-ständig essen und trinken, geschweigedenn mit der Umwelt kommunizierenoder gar lesen und schreiben lernenkönnen. Nach den Vorstellungen vielerLaien, aber auch bei Ärzten, scheint diesnoch Realität zu sein.

Historische Etikettierung negativ

Es ist die historische Etikettierung die-ser Kinder als „mongoloid“, die in derVergangenheit zu ausschließlich negati-ven Auswirkungen in unter anderem so-zialer, emotionaler und kognitiver Hin-sicht geführt hat. Diese negative Etiket-tierung war ein äußerst wirksamer „Mo-tor“ für die Entstehung gleichförmigerAnschauungen und Reaktionen, die sichWege in der Familie und Gesellschaftgebahnt haben, um so letztlich zur Aus-sonderung und Isolierung zu führen.

Dieses einmal entstandene Etikettdiente als Orientierungshilfe, aus der dieGesellschaft ihre Verhaltensweisen,Vorstellungen und Erwartungen diesernicht integrierten Gruppe gegenüber re-

krutierte. Wenn Kinder mit einem Down-Syndrom geboren werden und späterim Kindergarten oder in der Schule wei-teren Eingang in die Gesellschaft findenwollen, werden sie von einer Umwelt,die diese negative Etikettierung über-nommen hat, in einer Art und Weise be-handelt, dass sie den vorgegebenen Sta-tus, den ihnen die Gesellschaft auferlegthat, akzeptieren müssen.

Ein völlig anderes Bild heute – abertrotzdem ...

Vergleicht man die Entwicklungsmög-lichkeiten von Kindern mit Down-Syn-drom aus der Zeit vor über 20 bis 25Jahren mit denen aus der heutigen Zeit,so sind deutliche Unterschiede nicht zuübersehen, sodass der Begriff einer„mongoloiden Idiotie“ keineswegs mehraufrechterhalten werden kann. DieGrenzen der Entwicklungsmöglichkei-ten sind zum gegenwärtigen Zeitpunktnoch nicht absehbar. Fähigkeiten, diez.B. vor 15 bis 20 Jahren noch als illu-sorisch angesehen wurden (z.B. Lesen,Schreiben), gelten heute zum Teil alsselbstverständlich. Neue und Erfolg ver-sprechende Arbeitsbereiche werden inAngriff genommen.

Trotzdem werden auch heute nochKinder mit einer vermeintlichen geisti-gen Behinderung anlässlich eines Schul-aufnahmeverfahrens anhand des getes-teten Intelligenzquotienten beurteilt, obsie als lernbehindert (IQ > 70) oder geis-tig behindert (IQ < 70) eingestuft wer-den. Dies hat nicht selten zur Konse-quenz, dass immer noch uneinsichtigeSchulleiter bzw. Schulräte meinen, Kin-der mit einem IQ < 70 keiner lernbehin-derten oder vor allem integrativenSchulklasse zumuten zu können.

Gelten also Kinder mit Down-Syn-drom trotz der erreichten Fortschritte insozialer und kognitiver Hinsicht auchweiterhin als unintelligent oder beruhtdie Beurteilung mittels der Bestimmungdes Intelligenzquotienten auf falschenVoraussetzungen?

Was ist Intelligenz?

Eine kurze Beschreibung des BegriffesIntelligenz definiert sie als „die Fähig-keit, zielgerichtet zu handeln, rationalzu denken und sich wirkungsvoll mitseiner Umwelt auseinander zu setzen“.Hierbei unterscheidet man Vorbedin-gungen, z.B. Lernfähigkeit und Ge-dächtnis, ferner den Kenntnisstand,

Sind Menschen mit Down-Syndrom intelligent? Wolfgang Storm

Unter Berücksichtigung der Theorie der multiplen Intel-ligenzen kann die Frage, ob Menschen mit Down-Syndromintelligent sind, mit „Ja“ beantwortet werden. Betrachtet man unter anderem die Subintelligenzen deremotionalen, musikalischen und körperlich-kinästheti-schen Intelligenzen, so zeichnen sich viele Menschen mit Down-Syndrom gerade durch diese Fähigkeiten aus,die es im Kindergarten, in der Schule, aber auch im spä-teren Leben in der Berufswelt zu entdecken, zu fördernund einzusetzen gilt.

Welche Vorstellungenwerden bei den Elterngeweckt, wenn sie nachder Geburt darüber auf-geklärt werden, nun einKind mit Down-Syndromin ihrer Mitte zu haben?

PSYCHOLOGIE

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200527

mittels dem verschiedene Probleme je-weils zu lösen sind, sowie die eigentlicheIntelligenz mit mehreren Teilleistungenwie Verständnis, Denken und Lösungs-produktion. Es ist daher augenfällig,dass Intelligenz nicht eine einzelne spe-zifische Funktion ist, sondern eine viel-fältige und flexible Eigenschaft desmenschlichen Verhaltens bezeichnet,die in die funktionelle Sphäre der so ge-nannten höheren menschlichen Hirnleis-tungen eingebettet ist. Diese umfassen,die bewussten Aktivitäten der gegen-ständlichen Wahrnehmung, des Ler-nens, des Gedächtnisses, des Denkens,der Vorstellungskraft, der Sprache, desPlanens, zielvollen Wollens und Han-delns.

Intelligenz messen

Schon lange gibt es Bemühungen, die„geistigen“ Unterschiede zwischen bio-logischen Arten (z.B. Hund, Schimpan-se, Mensch), aber auch zwischen be-stimmten Gruppen der Spezies Mensch,wie Säuglingen, Kindern, Erwachsenenoder den „Schwachsinnigen“ und den„Genies“, zu erforschen. Dies gipfelte zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Ent-wicklung von Verfahren, „Intelligenz“zu messen. Als Maßeinheit wurde dabeider Begriff des Intelligenzquotienten (IQ)entwickelt, der Zahl für das Verhältnisdes geistigen Entwicklungsstandes zumLebensalter, die mit 100 zu multiplizie-ren ist:

Das Intelligenzalter wurde definiert alsjene Höhe der geistigen Leistungsfähig-keit, die ein normales Kind von durch-schnittlicher Begabung in einem be-stimmten Lebensalter hat. So bekommtein Mädchen ein IA von acht Jahren,wenn seine Denkleistungen (gemessenmit einem Intelligenztest) den Leistun-gen anderer achtjähriger Mädchen mitnormaler Begabung entsprechen. Er-zielt eine Zehnjährige z.B. nur das glei-che Resultat, so muss man ihr IA ent-sprechend niedriger ansetzen.

Bei den Intelligenztests liegt bis heu-te eine starke Gewichtung auf Wortge-dächtnis, sprachlichem, numerischem

und logischem Denken sowie der Fähig-keit, Alltagsprobleme zu lösen.

Intelligenztests gelten als techni-sches Mittel zur Auslese von Personenfür schulische, akademische oder beruf-liche Nischen. „Intelligenz ist das, wasder Intelligenztest misst“ ist ein Slogan,der als extremer Standpunkt in diesemZusammenhang gerne zitiert wird.

Gefahren der IntelligenztestsDoch schon die ersten Intelligenztestsfanden ihre Kritiker. So wurden dieOberflächlichkeit der Fragen und derenkulturelle Einseitigkeit kritisiert und aufdie Risiken hingewiesen, die eine Beur-teilung des geistigen Potenzials einesMenschen mit der Methode eines einzi-gen, kurzen Tests in mündlicher oderschriftlicher Form mit sich bringenkönnte. Es wurde z.B. festgestellt, dassdie Fähigkeit, sinnvoll mit neuen Infor-mationen umzugehen oder sie an ver-schiedene Kontexte anzupassen, kei-neswegs mit Erfolgen bei der Lösungvon Problemen im traditionellen IQ-Testzusammenfällt. Dieses Resultat kannkaum überraschen, wenn man erlebthat, wie Personen mit hohem IQ insSchleudern geraten, sobald sie sichaußerhalb des schulischen Milieus be-währen müssen.

Die Etikettierung von Menschennach ihrem Intelligenzquotienten kannstimulieren, ebenso aber auch einen-gend wirken. Die Einstufung als „geistigbehindert“ mit einem IQ < 70 wird leichtdamit gleich gesetzt, dass diese Indivi-duen nur auf eine ganz bestimmte Artlernen und arbeiten könnten, eine Cha-rakterisierung, die so gut wie nie zu-trifft. Derartige Etikettierungen könnenBemühungen erschweren, für unter-schiedliche Menschen die besten Lern-bedingungen zu schaffen.

Es ist wichtig, sich klar zu machen,dass der Begriff „geistig behindert“ Kin-der und Erwachsene mit ganz unter-schiedlichen Fähigkeiten beschreibt. Ei-nige behinderte Menschen können einnormales Leben fast ohne fremde Hilfeführen, andere dagegen brauchen eingroßes Maß an Fürsorge. Beides istmeist nicht am IQ ablesbar.

Die Idee der multiplen Intelligenzen

Dem Konzept der Intelligenz, das lin-guistische, logisch-mathematische undräumliche Fähigkeiten als die eigentli-chen Bereiche der Intelligenz annimmt

(= Themen der meisten üblichen Intelli-genztests), sind durch die Idee der mul-tiplen Intelligenzen durch den amerika-nischen Psychologen Howard Gardnerneue Dimensionen hinzugefügt worden.

Bei der traditionellen Einengung desIntelligenzbegriffs auf das sprachlicheund logische Vermögen war außer Achtgeblieben, dass wir auch andere, sehrunterschiedliche Elemente wie die In-halte von Raum, Musik oder die Inhalteder eigenen und der Psyche andererMenschen verarbeiten können. SeinenUmfang wie ein Elastikband erweiternd,muss der Begriff Intelligenz diese ver-schiedenen Inhalte einbeziehen. Wirmüssen über die Problemlösungsfähig-keit hinausdenken und uns mehr auf dieFähigkeit des Menschen zur Gestaltungvon Produkten konzentrieren, die eineoder mehrere Intelligenzen nutzt.

Gardner nennt als Intelligenzen die linguistische: Sensibilität für die

gesprochene und die geschriebeneSprache, die Fähigkeit, Sprachen zu ler-nen, und die Fähigkeit, Sprache zu be-stimmten Zwecken zu gebrauchen,

die logisch-mathematische: Fähigkeit,Probleme logisch zu analysieren, ma-thematische Operationen durchzu-führen und wissenschaftliche Fragen zuuntersuchen,

die musikalische: Begabung zu musi-zieren, zum Komponieren und Sinn fürdie musikalischen Prinzipien,

die räumliche: der theoretische undpraktische Sinn einerseits für die Struk-turen großer Räume, andererseits aberauch für das Erfassen der engen, be-grenzten Raumfelder,

die körperlich-kinästhetische: Potenzi-al, den Körper und einzelne Körperteile(z.B. Hand oder Mund) zur Problemlö-sung oder zur Gestaltung von Produkteneinzusetzen,

die interpersonale: Fähigkeit, Absich-ten, Motive und Wünsche anderer Men-schen zu verstehen und dementspre-chend in der Lage zu sein, erfolgreichmit ihnen zu kooperieren,

die intrapersonale: Fähigkeit, sichselbst zu verstehen, ein lebensgerechtesBild der eigenen Persönlichkeit – mit-

Intelligenzalter (IA)IQ = _______________ x 100

Lebensalter

E R W A C H S E N E

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 47

den Mitarbeitern und durch die genaueBeobachtung, mit welchen Schwierig-keiten die Kursteilnehmer zu kämpfenhaben und wie Fortschritte erzielt wer-den, können die Kurse erfolgreich sein.

Die Begleiter (ausschließlich jungeLeute, um ein möglichst effektives Zu-sammenarbeiten mit den Jugendlichenund ein gutes Klima zu garantieren),werden durch freiwillige Jugendlicheunterstützt, durch deren Mitarbeit dieArbeitsgruppen eine ideale Besetzungbekommen. Diese Freiwilligen unter-stützen den Begleiter und schließen soauch das Risiko aus, dass die Jugendli-chen zu viel vom Begleiter abhängigwerden.

Während des Jahres werden die El-tern regelmäßig an gemeinsamen El-ternabenden über die Erfahrungen mitden Jugendlichen informiert. Zusätzlichtreffen sie sich mit den Begleitern in ei-ner kleinen Runde, um Genaueres überihre Tochter oder ihren Sohn zu erfah-ren. Auch die Erfahrungen, die die El-tern zu Hause mit den Jugendlichen ma-chen, können ausgetauscht werden. Beidiesen Gesprächen bekommen die El-tern Anregungen, wie sie die Entwick-lung der Selbstständigkeit ihrer Kinderweiter unterstützen können, und eswird ihnen Mut gemacht, ihren Kindernmehr Freiraum zu gewähren.

Wir sehen es als unsere Aufgabe an,durch unser Kursangebot Familien beimschwierigen Ablöseprozess zu unter-stützen und Jugendliche zu ermutigenund so kompetent zu machen, dass sieein weitgehendes selbstständiges Lebenführen können.

Rif. Bibliografici: Anna Contardi „Versol’autonomia“ ed Carocci 2004

“Ragazzi in gamba” video prodotto dall’ AIPD/anche il portafoglio e stato brevettato e viene

prodotto dall’ AIPD)

Menschen mit geistiger Behinderungim Alltag unterstützen

Beide hier vorgestellten Bücher richten sich zwar in erster Linie an Mitarbeiter der Behindertenhilfe undzukünftige Gruppenleiter. Aber auch für Familienan-gehörige der Bewohner und andere Betroffene könnendie Informationen hilfreich sein.

Anleitung zur Selbstständigkeit

Autoren: Marja Appel und Willem KleineSchaarsVerlag: Lebenshilfe VerlagISBN 3-407-55830-9

Das Buch zeigt, wie Menschen mitgeistiger Behinderung aus Abhän-

gigkeit und Dauerversorgung in Wohn-stätten zu mehr Eigenverantwortungund Selbstständigkeit geführt werdenkönnen.

Es beschreibt ein Konzept aus denNiederlanden, dessen zentrale Katego-rien Gleichberechtigung, Selbstbestim-mung und Selbstverantwortung heißen.Um diese Ziele zu erreichen, entwickelndie Autoren ihre Betreuungsmethodikunabhängig vom Grad der Behinde-rung: richtiges Zuhören, angemesseneSprache, Aufstellen und Verändern vonRegeln, Mitbestimmung und Gleichbe-rechtigung der Bewohner.

An Fall- und Lehrbeispielen sowie il-lustrierten Arbeitsbögen für den Alltagwird dies vertieft. Das Buch ist eine guteErgänzung zu „Herausforderndes Ver-halten von Menschen mit geistiger Be-hinderung“ vom Jacques Heijkoop.

Durch Gleichberechtigung zurSelbstbestimmung

Autor: Willem Kleine SchaarsVerlag: BeltzISBN 3-407-55990-9

Was ist zu tun, damit sich ein auffremde Hilfe angewiesener

Mensch zur Selbstständigkeit ent-wickeln kann? Wann ist er überfordert,wann fühlt er sich bevormundet? DiesesBuch ist die Fortsetzung von „Anleitungzur Selbstständigkeit“ und bietet prakti-sche Hilfen.

Der Trend zur Selbstständigkeit hatsich in der Behindertenhilfe weiterent-wickelt, das bestätigen die Entwicklun-gen auf dem Gebiet kleinerer Wohnfor-men und der Dezentralisierung von Ein-richtungen, beim persönlichen Budgetund der neuen Sicht auf die Arbeit be-hinderter Menschen, die sich immerstärker auf den regulären Arbeitsmarktausbreitet.

Die vorgestellte Methodik ist aus ei-ner Vision heraus entstanden, dass dieUnterstützung von Klienten ihrem eige-nen Prozess auf dem Weg zur Selbst-ständigkeit ein wertvolles Gut ist. ImMittelpunkt dieser Methodik steht derKlient.

ERWACHSENE

46Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

nachher sowieso zum Einkaufen gehtund die Milch selbst mitnehmen kann,(die Familien berichteten über eine ganzeReihe ähnlicher Erfahrungen).

Wenn die Jugendlichen aber als Er-wachsene behandelt werden, mit einbe-zogen werden und das Gefühl haben,wichtig zu sein, werden sie auch moti-viert sein, Aufgaben zu erledigen.

Die aktive Miteinbindung der Jugend-lichen bei der Wahl der Aktivitäten

Selber auswählen und mitbestim-men zu dürfen, welche Ziele wichtigsind, mit welchen Aktivitäten und inwelchen Situationen sie geübt werdensollten, gibt den Jugendlichen das Ge-fühl, ernst genommen zu werden.

Sie bestimmen alles selbst, nicht nurdie eher nebensächlichen Dinge, wie dieWahl der Vesper, sondern auch wichti-ge Punkte wie das Thema und den Ab-lauf des Wochenend-Projekts oder wiegroß die Arbeitsgruppe sein soll.

Oft erleben diese Jugendlichen näm-lich, dass auch wenn ihnen eine aktiveRolle zugeteilt wird, dies immer in Formvon „Hilfe“ ausgedrückt wird („Hilfst dumir beim Kochen? Hilfst du mir beimEinkaufen?, usw.“) – ein bisschen so wieman es mit kleinen Kindern tut, um siezu aktivieren, aber ohne viel von ihrenFähigkeiten zu halten.

Sie merken das natürlich und sinddeshalb oft wenig hilfsbereit („Warummuss ich das denn machen, wenn du esauch machen kannst und ich gar nichtnotwendig bin?“). Eine Haltung, diemanchmal als Unfähigkeit angesehenwird.

Bei allen Aktivitäten muss der Jugendli-che im Mittelpunkt stehen, jedoch alsselbstständiger, kompetenter Partnerund nicht als ein hilfebedürftiges Kind.

Sich als Erwachsener anerkannt zufühlen, verstärkt die Motivation, weiteran der eigenen Selbstständigkeit zu ar-beiten

Die Art, wie man mit den Jugendli-chen umgeht, wie man mit ihnenspricht, die Aktivitäten, die man für dieNachmittage vorschlägt, sollten alters-gerecht sein (Kino, Diskothek, Bowling,Fast Food, usw.)

Sie als Erwachsene anzuerkennenbedeutet aber auch, dafür zu sorgen,dass Gespräche auf einer realistischenEbene geführt werden und dass man aufunrealistische Berichte oder Fantasie-geschichten nicht weiter eingeht. Mansollte ihnen helfen, sich mit realen Be-gebenheiten zu beschäftigen.

Individuelle Ziele und StrategienAusgehend von den vorhandenen Fä-higkeiten werden jedes Jahr für jedenJugendlichen bestimmte individuelleZiele festgelegt, die ihm auf den Weg indie Selbstständigkeit weiterhelfen. Fürdie Einschätzung der Fähigkeiten ver-wenden die Begleiter speziell entwickel-te Beobachtungsbögen, die mindestenszweimal pro Jahr ausgefüllt werden.Nach den ersten zwei Kursmonaten,werden fünf konkrete Ziele mit dem Ju-gendlichen besprochen und welcheSchritte notwendig sind, diese Ziele zuerreichen, um ihn in diesen Bereichenkompetent zu machen. Die fünf Zielewerden in Form eines fünfeckigenSterns dargestellt und beinhalten z.B.Aufgaben, wie die eigene Gruppe an ir-gendeinen bestimmten Ort zu führen,allein zum Einkaufen zu gehen, usw.

Für jeden Jugendlichen werdenaußerdem individuelle Strategien ent-wickelt, auf Grund vorhandener Fähig-keiten, um ihn autonom zu machen. Sosoll der Jugendliche, der lesen kann,Produkte in Geschäften finden, indemer den Produktnamen liest, wenn er je-doch nicht lesen kann, wird er dazu an-geregt, sich zu merken, wie die Ver-packung des Produktes aussieht, unddie wieder zu erkennen.

Jede zu erlernende Fähigkeit stehtnicht für sich allein, sondern ist einSchritt auf dem Weg zu dem Ziel „es zuschaffen“, „zurechtzukommen“.

Bei der Entwicklung der Aktivitätenmacht man sich auch Gedanken darü-ber, welche Gegenstände verwendetwerden können, um die Ausführung ei-niger Aufgaben zu erleichtern, die alsHilfsmittel fungieren, um bestimmteZiele der angestrebten Autonomie bes-ser zu erreichen.

Zum Beispiel ist es nützlich, vor al-lem für die schüchternen, sprachlichnicht so kompetenten Jugendlichen,Kärtchen dabei zu haben mit Standard-fragen und Bemerkungen, die ihnenbeim Einüben bestimmter Fähigkeitenund beim Sammeln von Informationenbehilflich sein können.

Als sehr geeignet für alle Kursteil-nehmer erwies sich ein spezieller Geld-beutel, in dem das Geld übersichtlich ge-ordnet ist und der in der Handhabe sehrpraktisch ist.

Aus der Praxis mit den Jugendlichenlernen wir dauernd dazu. Um bestimm-te Aufgaben zu erleichtern, schlagen wirz.B. den Gebrauch von ergometrischenMessern und speziellen Scheren voroder empfehlen Messbecher statt einerKüchenwaage oder einen Gasanzünderstatt Streichhölzern.

Mit Ausnahme des Geldbeutels, derextra für die Jugendlichen erfunden undhergestellt wurde, sieht man aus derWahl dieser Hilfsmittel, wie einfach essein kann, durch sorgfältiges Beobach-ten und mit ein bisschen Kreativität ge-eignete Gegenstände, die es schon imHandel gibt, zu finden, die es den Ju-gendlichen erleichtern, trotz ihrerSchwierigkeiten eine gewisse Selbst-ständigkeit zu erreichen.

Das Team und die Eltern

Sowohl in Rom als auch in anderenStädten haben die Begleiter, die mit denJugendlichen zusammenarbeiten, einesozialpädagogische Ausbildung und er-halten dann von dem Verein eine spezi-elle Fortbildung über die Ziele und In-halte des Projektes. Der Koordinatorund Kursleiter ist immer ein Sozial-Pädagoge, manchmal auch ein Psycho-loge. Die Assistenten und der Kursleitertreffen sich regelmäßig einmal wöchent-lich zur Besprechung des Programms,um die Aktivitäten auszuwählen und zuüberlegen, welche Ressourcen genutztwerden können oder wie die eigeneKreativität der Assistenten eingebrachtwerden kann.

Nur durch den ständigen Dialog mit

Auf den Markt zu gehen und ein wenig zu

bummeln, auch das kann man lernen

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PSYCHOLOGIE

26Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Menschen mit Down-Syndrom wer-den Persönlichkeiten zugeordnet,

die durch eine geistige Behinderungcharakterisiert sind. Diese Behinderungorientiert sich vor allem am Intelligenz-quotienten (IQ), erkennbar am histori-schen Synonym der „mongoloiden Idio-tie“ für Down-Syndrom. Idiotie beziehtsich hierbei auf einen IQ unter 25 mitdefinitionsgemäß völliger Bildungsun-fähigkeit, wobei die schweren Fälle we-der sprechen, gehen noch selbstständigessen und sich sauber halten können.

Vorsichtige und einfühlsame Versuche,auf die Chromosomenstörung hinwei-sende Verdachtssymptome mit Down-Syndrom zu beschreiben, scheitern auchheute noch oft an der Unkenntnis überdiesen Begriff. Es ist deswegen oft not-wendig, mit dem veralteten und unzu-treffenden Namen „mongoloid“ oder

„Mongolismus“ den Eltern die Art derBehinderung ihres Kindes anzudeuten.Dies jedoch oft mit katastrophalen Fol-gen: Glauben doch viele Betroffene ausfrüheren Erfahrungen zu wissen bzw.zu erahnen, welch düstere Gegebenhei-ten nun auf sie zukommen werden.

Ein Blick in Lexika bzw. Schulbücherreicht meist aus. Der Begriff „mongolo-id“ steht für Schwachsinn, „mongoloideIdiotie“ für Personen, die weder selbst-ständig essen und trinken, geschweigedenn mit der Umwelt kommunizierenoder gar lesen und schreiben lernenkönnen. Nach den Vorstellungen vielerLaien, aber auch bei Ärzten, scheint diesnoch Realität zu sein.

Historische Etikettierung negativ

Es ist die historische Etikettierung die-ser Kinder als „mongoloid“, die in derVergangenheit zu ausschließlich negati-ven Auswirkungen in unter anderem so-zialer, emotionaler und kognitiver Hin-sicht geführt hat. Diese negative Etiket-tierung war ein äußerst wirksamer „Mo-tor“ für die Entstehung gleichförmigerAnschauungen und Reaktionen, die sichWege in der Familie und Gesellschaftgebahnt haben, um so letztlich zur Aus-sonderung und Isolierung zu führen.

Dieses einmal entstandene Etikettdiente als Orientierungshilfe, aus der dieGesellschaft ihre Verhaltensweisen,Vorstellungen und Erwartungen diesernicht integrierten Gruppe gegenüber re-

krutierte. Wenn Kinder mit einem Down-Syndrom geboren werden und späterim Kindergarten oder in der Schule wei-teren Eingang in die Gesellschaft findenwollen, werden sie von einer Umwelt,die diese negative Etikettierung über-nommen hat, in einer Art und Weise be-handelt, dass sie den vorgegebenen Sta-tus, den ihnen die Gesellschaft auferlegthat, akzeptieren müssen.

Ein völlig anderes Bild heute – abertrotzdem ...

Vergleicht man die Entwicklungsmög-lichkeiten von Kindern mit Down-Syn-drom aus der Zeit vor über 20 bis 25Jahren mit denen aus der heutigen Zeit,so sind deutliche Unterschiede nicht zuübersehen, sodass der Begriff einer„mongoloiden Idiotie“ keineswegs mehraufrechterhalten werden kann. DieGrenzen der Entwicklungsmöglichkei-ten sind zum gegenwärtigen Zeitpunktnoch nicht absehbar. Fähigkeiten, diez.B. vor 15 bis 20 Jahren noch als illu-sorisch angesehen wurden (z.B. Lesen,Schreiben), gelten heute zum Teil alsselbstverständlich. Neue und Erfolg ver-sprechende Arbeitsbereiche werden inAngriff genommen.

Trotzdem werden auch heute nochKinder mit einer vermeintlichen geisti-gen Behinderung anlässlich eines Schul-aufnahmeverfahrens anhand des getes-teten Intelligenzquotienten beurteilt, obsie als lernbehindert (IQ > 70) oder geis-tig behindert (IQ < 70) eingestuft wer-den. Dies hat nicht selten zur Konse-quenz, dass immer noch uneinsichtigeSchulleiter bzw. Schulräte meinen, Kin-der mit einem IQ < 70 keiner lernbehin-derten oder vor allem integrativenSchulklasse zumuten zu können.

Gelten also Kinder mit Down-Syn-drom trotz der erreichten Fortschritte insozialer und kognitiver Hinsicht auchweiterhin als unintelligent oder beruhtdie Beurteilung mittels der Bestimmungdes Intelligenzquotienten auf falschenVoraussetzungen?

Was ist Intelligenz?

Eine kurze Beschreibung des BegriffesIntelligenz definiert sie als „die Fähig-keit, zielgerichtet zu handeln, rationalzu denken und sich wirkungsvoll mitseiner Umwelt auseinander zu setzen“.Hierbei unterscheidet man Vorbedin-gungen, z.B. Lernfähigkeit und Ge-dächtnis, ferner den Kenntnisstand,

Sind Menschen mit Down-Syndrom intelligent? Wolfgang Storm

Unter Berücksichtigung der Theorie der multiplen Intel-ligenzen kann die Frage, ob Menschen mit Down-Syndromintelligent sind, mit „Ja“ beantwortet werden. Betrachtet man unter anderem die Subintelligenzen deremotionalen, musikalischen und körperlich-kinästheti-schen Intelligenzen, so zeichnen sich viele Menschen mit Down-Syndrom gerade durch diese Fähigkeiten aus,die es im Kindergarten, in der Schule, aber auch im spä-teren Leben in der Berufswelt zu entdecken, zu fördernund einzusetzen gilt.

Welche Vorstellungenwerden bei den Elterngeweckt, wenn sie nachder Geburt darüber auf-geklärt werden, nun einKind mit Down-Syndromin ihrer Mitte zu haben?

P S Y C H O L O G I E

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 27

mittels dem verschiedene Probleme je-weils zu lösen sind, sowie die eigentlicheIntelligenz mit mehreren Teilleistungenwie Verständnis, Denken und Lösungs-produktion. Es ist daher augenfällig,dass Intelligenz nicht eine einzelne spe-zifische Funktion ist, sondern eine viel-fältige und flexible Eigenschaft desmenschlichen Verhaltens bezeichnet,die in die funktionelle Sphäre der so ge-nannten höheren menschlichen Hirnleis-tungen eingebettet ist. Diese umfassen,die bewussten Aktivitäten der gegen-ständlichen Wahrnehmung, des Ler-nens, des Gedächtnisses, des Denkens,der Vorstellungskraft, der Sprache, desPlanens, zielvollen Wollens und Han-delns.

Intelligenz messen

Schon lange gibt es Bemühungen, die„geistigen“ Unterschiede zwischen bio-logischen Arten (z.B. Hund, Schimpan-se, Mensch), aber auch zwischen be-stimmten Gruppen der Spezies Mensch,wie Säuglingen, Kindern, Erwachsenenoder den „Schwachsinnigen“ und den„Genies“, zu erforschen. Dies gipfelte zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Ent-wicklung von Verfahren, „Intelligenz“zu messen. Als Maßeinheit wurde dabeider Begriff des Intelligenzquotienten (IQ)entwickelt, der Zahl für das Verhältnisdes geistigen Entwicklungsstandes zumLebensalter, die mit 100 zu multiplizie-ren ist:

Das Intelligenzalter wurde definiert alsjene Höhe der geistigen Leistungsfähig-keit, die ein normales Kind von durch-schnittlicher Begabung in einem be-stimmten Lebensalter hat. So bekommtein Mädchen ein IA von acht Jahren,wenn seine Denkleistungen (gemessenmit einem Intelligenztest) den Leistun-gen anderer achtjähriger Mädchen mitnormaler Begabung entsprechen. Er-zielt eine Zehnjährige z.B. nur das glei-che Resultat, so muss man ihr IA ent-sprechend niedriger ansetzen.

Bei den Intelligenztests liegt bis heu-te eine starke Gewichtung auf Wortge-dächtnis, sprachlichem, numerischem

und logischem Denken sowie der Fähig-keit, Alltagsprobleme zu lösen.

Intelligenztests gelten als techni-sches Mittel zur Auslese von Personenfür schulische, akademische oder beruf-liche Nischen. „Intelligenz ist das, wasder Intelligenztest misst“ ist ein Slogan,der als extremer Standpunkt in diesemZusammenhang gerne zitiert wird.

Gefahren der IntelligenztestsDoch schon die ersten Intelligenztestsfanden ihre Kritiker. So wurden dieOberflächlichkeit der Fragen und derenkulturelle Einseitigkeit kritisiert und aufdie Risiken hingewiesen, die eine Beur-teilung des geistigen Potenzials einesMenschen mit der Methode eines einzi-gen, kurzen Tests in mündlicher oderschriftlicher Form mit sich bringenkönnte. Es wurde z.B. festgestellt, dassdie Fähigkeit, sinnvoll mit neuen Infor-mationen umzugehen oder sie an ver-schiedene Kontexte anzupassen, kei-neswegs mit Erfolgen bei der Lösungvon Problemen im traditionellen IQ-Testzusammenfällt. Dieses Resultat kannkaum überraschen, wenn man erlebthat, wie Personen mit hohem IQ insSchleudern geraten, sobald sie sichaußerhalb des schulischen Milieus be-währen müssen.

Die Etikettierung von Menschennach ihrem Intelligenzquotienten kannstimulieren, ebenso aber auch einen-gend wirken. Die Einstufung als „geistigbehindert“ mit einem IQ < 70 wird leichtdamit gleich gesetzt, dass diese Indivi-duen nur auf eine ganz bestimmte Artlernen und arbeiten könnten, eine Cha-rakterisierung, die so gut wie nie zu-trifft. Derartige Etikettierungen könnenBemühungen erschweren, für unter-schiedliche Menschen die besten Lern-bedingungen zu schaffen.

Es ist wichtig, sich klar zu machen,dass der Begriff „geistig behindert“ Kin-der und Erwachsene mit ganz unter-schiedlichen Fähigkeiten beschreibt. Ei-nige behinderte Menschen können einnormales Leben fast ohne fremde Hilfeführen, andere dagegen brauchen eingroßes Maß an Fürsorge. Beides istmeist nicht am IQ ablesbar.

Die Idee der multiplen Intelligenzen

Dem Konzept der Intelligenz, das lin-guistische, logisch-mathematische undräumliche Fähigkeiten als die eigentli-chen Bereiche der Intelligenz annimmt

(= Themen der meisten üblichen Intelli-genztests), sind durch die Idee der mul-tiplen Intelligenzen durch den amerika-nischen Psychologen Howard Gardnerneue Dimensionen hinzugefügt worden.

Bei der traditionellen Einengung desIntelligenzbegriffs auf das sprachlicheund logische Vermögen war außer Achtgeblieben, dass wir auch andere, sehrunterschiedliche Elemente wie die In-halte von Raum, Musik oder die Inhalteder eigenen und der Psyche andererMenschen verarbeiten können. SeinenUmfang wie ein Elastikband erweiternd,muss der Begriff Intelligenz diese ver-schiedenen Inhalte einbeziehen. Wirmüssen über die Problemlösungsfähig-keit hinausdenken und uns mehr auf dieFähigkeit des Menschen zur Gestaltungvon Produkten konzentrieren, die eineoder mehrere Intelligenzen nutzt.

Gardner nennt als Intelligenzen die linguistische: Sensibilität für die

gesprochene und die geschriebeneSprache, die Fähigkeit, Sprachen zu ler-nen, und die Fähigkeit, Sprache zu be-stimmten Zwecken zu gebrauchen,

die logisch-mathematische: Fähigkeit,Probleme logisch zu analysieren, ma-thematische Operationen durchzu-führen und wissenschaftliche Fragen zuuntersuchen,

die musikalische: Begabung zu musi-zieren, zum Komponieren und Sinn fürdie musikalischen Prinzipien,

die räumliche: der theoretische undpraktische Sinn einerseits für die Struk-turen großer Räume, andererseits aberauch für das Erfassen der engen, be-grenzten Raumfelder,

die körperlich-kinästhetische: Potenzi-al, den Körper und einzelne Körperteile(z.B. Hand oder Mund) zur Problemlö-sung oder zur Gestaltung von Produkteneinzusetzen,

die interpersonale: Fähigkeit, Absich-ten, Motive und Wünsche anderer Men-schen zu verstehen und dementspre-chend in der Lage zu sein, erfolgreichmit ihnen zu kooperieren,

die intrapersonale: Fähigkeit, sichselbst zu verstehen, ein lebensgerechtesBild der eigenen Persönlichkeit – mit-

Intelligenzalter (IA)IQ = _______________ x 100

Lebensalter

ERWACHSENE

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200547

den Mitarbeitern und durch die genaueBeobachtung, mit welchen Schwierig-keiten die Kursteilnehmer zu kämpfenhaben und wie Fortschritte erzielt wer-den, können die Kurse erfolgreich sein.

Die Begleiter (ausschließlich jungeLeute, um ein möglichst effektives Zu-sammenarbeiten mit den Jugendlichenund ein gutes Klima zu garantieren),werden durch freiwillige Jugendlicheunterstützt, durch deren Mitarbeit dieArbeitsgruppen eine ideale Besetzungbekommen. Diese Freiwilligen unter-stützen den Begleiter und schließen soauch das Risiko aus, dass die Jugendli-chen zu viel vom Begleiter abhängigwerden.

Während des Jahres werden die El-tern regelmäßig an gemeinsamen El-ternabenden über die Erfahrungen mitden Jugendlichen informiert. Zusätzlichtreffen sie sich mit den Begleitern in ei-ner kleinen Runde, um Genaueres überihre Tochter oder ihren Sohn zu erfah-ren. Auch die Erfahrungen, die die El-tern zu Hause mit den Jugendlichen ma-chen, können ausgetauscht werden. Beidiesen Gesprächen bekommen die El-tern Anregungen, wie sie die Entwick-lung der Selbstständigkeit ihrer Kinderweiter unterstützen können, und eswird ihnen Mut gemacht, ihren Kindernmehr Freiraum zu gewähren.

Wir sehen es als unsere Aufgabe an,durch unser Kursangebot Familien beimschwierigen Ablöseprozess zu unter-stützen und Jugendliche zu ermutigenund so kompetent zu machen, dass sieein weitgehendes selbstständiges Lebenführen können.

Rif. Bibliografici: Anna Contardi „Versol’autonomia“ ed Carocci 2004

“Ragazzi in gamba” video prodotto dall’ AIPD/anche il portafoglio e stato brevettato e viene

prodotto dall’ AIPD)

Menschen mit geistiger Behinderungim Alltag unterstützen

Beide hier vorgestellten Bücher richten sich zwar in erster Linie an Mitarbeiter der Behindertenhilfe undzukünftige Gruppenleiter. Aber auch für Familienan-gehörige der Bewohner und andere Betroffene könnendie Informationen hilfreich sein.

Anleitung zur Selbstständigkeit

Autoren:Marja Appel und Willem KleineSchaarsVerlag: Lebenshilfe VerlagISBN 3-407-55830-9

Das Buch zeigt, wie Menschen mitgeistiger Behinderung aus Abhän-

gigkeit und Dauerversorgung in Wohn-stätten zu mehr Eigenverantwortungund Selbstständigkeit geführt werdenkönnen.

Es beschreibt ein Konzept aus denNiederlanden, dessen zentrale Katego-rien Gleichberechtigung, Selbstbestim-mung und Selbstverantwortung heißen.Um diese Ziele zu erreichen, entwickelndie Autoren ihre Betreuungsmethodikunabhängig vom Grad der Behinde-rung: richtiges Zuhören, angemesseneSprache, Aufstellen und Verändern vonRegeln, Mitbestimmung und Gleichbe-rechtigung der Bewohner.

An Fall- und Lehrbeispielen sowie il-lustrierten Arbeitsbögen für den Alltagwird dies vertieft. Das Buch ist eine guteErgänzung zu „Herausforderndes Ver-halten von Menschen mit geistiger Be-hinderung“ vom Jacques Heijkoop.

Durch Gleichberechtigung zurSelbstbestimmung

Autor: Willem Kleine SchaarsVerlag: BeltzISBN 3-407-55990-9

Was ist zu tun, damit sich ein auffremde Hilfe angewiesener

Menschzur Selbstständigkeit ent-wickeln kann? Wann ist er überfordert,wann fühlt er sich bevormundet? DiesesBuch ist die Fortsetzung von „Anleitungzur Selbstständigkeit“ und bietet prakti-sche Hilfen.

Der Trend zur Selbstständigkeit hatsich in der Behindertenhilfe weiterent-wickelt, das bestätigen die Entwicklun-gen auf dem Gebiet kleinerer Wohnfor-men und der Dezentralisierung von Ein-richtungen, beim persönlichen Budgetund der neuen Sicht auf die Arbeit be-hinderter Menschen, die sich immerstärker auf den regulären Arbeitsmarktausbreitet.

Die vorgestellte Methodik ist aus ei-ner Vision heraus entstanden, dass dieUnterstützung von Klienten ihrem eige-nen Prozess auf dem Weg zur Selbst-ständigkeit ein wertvolles Gut ist. ImMittelpunkt dieser Methodik steht derKlient.

E R W A C H S E N E

46 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

nachher sowieso zum Einkaufen gehtund die Milch selbst mitnehmen kann,(die Familien berichteten über eine ganzeReihe ähnlicher Erfahrungen).

Wenn die Jugendlichen aber als Er-wachsene behandelt werden, mit einbe-zogen werden und das Gefühl haben,wichtig zu sein, werden sie auch moti-viert sein, Aufgaben zu erledigen.

Die aktive Miteinbindung der Jugend-lichen bei der Wahl der Aktivitäten

Selber auswählen und mitbestim-men zu dürfen, welche Ziele wichtigsind, mit welchen Aktivitäten und inwelchen Situationen sie geübt werdensollten, gibt den Jugendlichen das Ge-fühl, ernst genommen zu werden.

Sie bestimmen alles selbst, nicht nurdie eher nebensächlichen Dinge, wie dieWahl der Vesper, sondern auch wichti-ge Punkte wie das Thema und den Ab-lauf des Wochenend-Projekts oder wiegroß die Arbeitsgruppe sein soll.

Oft erleben diese Jugendlichen näm-lich, dass auch wenn ihnen eine aktiveRolle zugeteilt wird, dies immer in Formvon „Hilfe“ ausgedrückt wird („Hilfst dumir beim Kochen? Hilfst du mir beimEinkaufen?, usw.“) – ein bisschen so wieman es mit kleinen Kindern tut, um siezu aktivieren, aber ohne viel von ihrenFähigkeiten zu halten.

Sie merken das natürlich und sinddeshalb oft wenig hilfsbereit („Warummuss ich das denn machen, wenn du esauch machen kannst und ich gar nichtnotwendig bin?“). Eine Haltung, diemanchmal als Unfähigkeit angesehenwird.

Bei allen Aktivitäten muss der Jugendli-che im Mittelpunkt stehen, jedoch alsselbstständiger, kompetenter Partnerund nicht als ein hilfebedürftiges Kind.

Sich als Erwachsener anerkannt zufühlen, verstärkt die Motivation, weiteran der eigenen Selbstständigkeit zu ar-beiten

Die Art, wie man mit den Jugendli-chen umgeht, wie man mit ihnenspricht, die Aktivitäten, die man für dieNachmittage vorschlägt, sollten alters-gerecht sein (Kino, Diskothek, Bowling,Fast Food, usw.)

Sie als Erwachsene anzuerkennenbedeutet aber auch, dafür zu sorgen,dass Gespräche auf einer realistischenEbene geführt werden und dass man aufunrealistische Berichte oder Fantasie-geschichten nicht weiter eingeht. Mansollte ihnen helfen, sich mit realen Be-gebenheiten zu beschäftigen.

Individuelle Ziele und StrategienAusgehend von den vorhandenen Fä-higkeiten werden jedes Jahr für jedenJugendlichen bestimmte individuelleZiele festgelegt, die ihm auf den Weg indie Selbstständigkeit weiterhelfen. Fürdie Einschätzung der Fähigkeiten ver-wenden die Begleiter speziell entwickel-te Beobachtungsbögen, die mindestenszweimal pro Jahr ausgefüllt werden.Nach den ersten zwei Kursmonaten,werden fünf konkrete Ziele mit dem Ju-gendlichen besprochen und welcheSchritte notwendig sind, diese Ziele zuerreichen, um ihn in diesen Bereichenkompetent zu machen. Die fünf Zielewerden in Form eines fünfeckigenSterns dargestellt und beinhalten z.B.Aufgaben, wie die eigene Gruppe an ir-gendeinen bestimmten Ort zu führen,allein zum Einkaufen zu gehen, usw.

Für jeden Jugendlichen werdenaußerdem individuelle Strategien ent-wickelt, auf Grund vorhandener Fähig-keiten, um ihn autonom zu machen. Sosoll der Jugendliche, der lesen kann,Produkte in Geschäften finden, indemer den Produktnamen liest, wenn er je-doch nicht lesen kann, wird er dazu an-geregt, sich zu merken, wie die Ver-packung des Produktes aussieht, unddie wieder zu erkennen.

Jede zu erlernende Fähigkeit stehtnicht für sich allein, sondern ist einSchritt auf dem Weg zu dem Ziel „es zuschaffen“, „zurechtzukommen“.

Bei der Entwicklung der Aktivitätenmacht man sich auch Gedanken darü-ber, welche Gegenstände verwendetwerden können, um die Ausführung ei-niger Aufgaben zu erleichtern, die alsHilfsmittel fungieren, um bestimmteZiele der angestrebten Autonomie bes-ser zu erreichen.

Zum Beispiel ist es nützlich, vor al-lem für die schüchternen, sprachlichnicht so kompetenten Jugendlichen,Kärtchen dabei zu haben mit Standard-fragen und Bemerkungen, die ihnenbeim Einüben bestimmter Fähigkeitenund beim Sammeln von Informationenbehilflich sein können.

Als sehr geeignet für alle Kursteil-nehmer erwies sich ein spezieller Geld-beutel, in dem das Geld übersichtlich ge-ordnet ist und der in der Handhabe sehrpraktisch ist.

Aus der Praxis mit den Jugendlichenlernen wir dauernd dazu. Um bestimm-te Aufgaben zu erleichtern, schlagen wirz.B. den Gebrauch von ergometrischenMessern und speziellen Scheren voroder empfehlen Messbecher statt einerKüchenwaage oder einen Gasanzünderstatt Streichhölzern.

Mit Ausnahme des Geldbeutels, derextra für die Jugendlichen erfunden undhergestellt wurde, sieht man aus derWahl dieser Hilfsmittel, wie einfach essein kann, durch sorgfältiges Beobach-ten und mit ein bisschen Kreativität ge-eignete Gegenstände, die es schon imHandel gibt, zu finden, die es den Ju-gendlichen erleichtern, trotz ihrerSchwierigkeiten eine gewisse Selbst-ständigkeit zu erreichen.

Das Team und die Eltern

Sowohl in Rom als auch in anderenStädten haben die Begleiter, die mit denJugendlichen zusammenarbeiten, einesozialpädagogische Ausbildung und er-halten dann von dem Verein eine spezi-elle Fortbildung über die Ziele und In-halte des Projektes. Der Koordinatorund Kursleiter ist immer ein Sozial-Pädagoge, manchmal auch ein Psycho-loge. Die Assistenten und der Kursleitertreffen sich regelmäßig einmal wöchent-lich zur Besprechung des Programms,um die Aktivitäten auszuwählen und zuüberlegen, welche Ressourcen genutztwerden können oder wie die eigeneKreativität der Assistenten eingebrachtwerden kann.

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28 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

samt ihren Wünschen, Ängsten undFähigkeiten – zu entwickeln und diesesWissen im Alltag zu nutzen.

Die beiden letzten Intelligenzen be-schreiben auch das von anderen Auto-ren mit emotionaler Intelligenz (EQ) be-schriebene Verständnis für Gefühlsvor-gänge, das dazu benutzt werden kann,in anderen positive Empfindungen zuwecken, Konflikte zu lösen oder zu Hau-se und im Alltag vermittelnd zu wirken.

Untersuchungen der letzten Jahrelassen vermuten, dass soziale und emo-tionale Fähigkeiten den „Erfolg“ im Le-ben vielleicht noch stärker bestimmenals die so genannten intellektuellenFähigkeiten eines Menschen. Die im Ge-gensatz zum Intelligenzquotienten (IQ)mit emotionaler Intelligenz (EQ) be-schriebenen Eigenschaften umfassenz.B.

Mitgefühl Ausdruck und Verstehen von Gefühlen Kontrolle über seine Stimmungen Unabhängigkeit Anpassungsfähigkeit Beliebtheit Fähigkeit zur zwischenmenschlichenProblemlösung Ausdauer Freundschaftlichkeit Respekt Optimismus

Die Theorie der multiplen Intelli-genzen beruht auf der Annahme, dassExpertentum sowohl in der Schule alsauch in anderen Bereichen auf vielenWegen erreichbar ist. Über das Gesamt-bündel der Intelligenzen verfügen wiralle, es repräsentiert in gewisser Hin-sicht das intellektuelle Erbe der biologi-schen Art, doch unsere Stärken und un-sere Intelligenzprofile sind nicht iden-tisch, weil die verschiedenen Intelligen-zen individuell unterschiedlich starkausgebildet sind. Wenn also die geisti-gen Möglichkeiten mit den unterschied-lichen Stärken, Interessen und Strategi-en tatsächlich individuell ausgeprägtsind, dann lohnt es zu überlegen, obzentrale Lerninhalte nicht auf vielfältigeArt unterrichtet und vor allem beurteiltwerden können.

Sind Menschen mit Down-Syndromintelligent?

Um noch einmal zusammenfassend aufdie eingangs gestellte Frage zurückzu-

kommen, ob Menschen mit Down-Syn-drom intelligent sind, so sollte sie – un-ter Berücksichtigung der Theorie dermultiplen Intelligenzen – mit „Ja“ be-antwortet werden.

Betrachtet man u.a. die Subintelli-genzen der emotionalen, musikalischenund körperlich-kinästhetischen Intelli-genzen, so zeichnen sich viele Men-schen mit Down-Syndrom gerade durchdiese Fähigkeiten aus, die es im Kinder-garten, in der Schule, aber auch im spä-teren Leben in der Berufswelt zu ent-decken, zu fördern und einzusetzen gilt.

„Die Aufgabe für das nächste Jahr-hundert besteht nicht nur darin, unserBewusstsein für die Vielfalt unserer In-telligenzen und deren adäquaten Ge-brauch zu sensibilisieren. Wir müssenuns darüber hinaus überlegen, wie In-telligenz und Moral zusammenwirkenkönnen, damit eine Welt zum Wohleund zum Gefallen der sehr verschieden-artigen Bevölkerung unseres Planetenentstehen kann. Intelligenz ist ein Kapi-tal, aber – um Ralph Waldo EmersonsDiktum zu zitieren – „Charakter ist mehrals Intellekt“, eine Einsicht, die für dasIndividuum ebenso gilt wie für die Ge-sellschaft“ (Howard Gardner).

Dr. med. Wolfgang Storm Kinderklinik St.-Vincenz-Krankenhaus Husener Straße 81 33098 Paderborn

Weiterführende Literatur

1. Gardner, H.: Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen. Klett-

Cotta, Stuttgart (2001)

2. Gardner, H.: Intelligenzen. Die Vielfalt desmenschlichen Geistes. Klett-Cotta, Stuttgart

(2002)

3. Goleman, D.: Emotionale Intelligenz.Deutscher Taschenbuchverlag, München

(1995)

Bindungssicherheit

An der Universität Potsdam wurdevon Hellgard Rauh und Claudine

Calvet eine Langzeitstudie durchgeführtüber die Bindungsqualität bei Kindernmit Down-Syndrom. Die Ergebnisse die-ser Studie wurden veröffentlicht in derZeitschrift: Kindheit und Entwicklung,13 (4), 217 – 225, Hogrefe Verlag, Göt-tingen 2004, aus der auch folgende Zu-sammenfassung entnommen wurde:

Ist Bindungssicherheit entwicklungs-fördernd für Kinder mit DS?

Die Erfassung und die Bedeutung derBindungsqualität bei Kindern mit Down-Syndrom ist wissenschaftlich umstrit-ten. Anhand von Längsschnittdaten beiinsgesamt 16 Kindern mit Bindungs-qualifikation im Entwicklungsalter von13 bis 15 Monaten (Lebensalter um 24Monate) wird aufgezeigt, dass die Ver-haltensentwicklung dieser Kinder inBayley-Entwicklungssituationen (IBR-Ratings) im ersten bis zum fünften Le-bensjahr in sinnvoller Beziehung zu ih-rer Bindungsentwicklung stand. Ab demfortgeschrittenen Vorschulalter ent-wickelten sich Kinder mit sicherer Bin-dung vor allem in der sprachlichen undin der sozial-kognitiven Entwicklunggünstiger als Kinder mit unsicherer Bin-dungsbeziehung.

Bindungssicherheit scheint sich inden ersten Jahren vor allem im Verhal-ten der Kinder und erst nahe demSchulalter auch in Testleistungen aus-zuwirken.

Was ist Bindung?Unter Bindung versteht man eineemotionale Beziehung zwischenMenschen, die sich z.B. in Form derKontaktsuche, Aufrechterhaltungder Nähe zur Bezugsperson insbe-sondere angesichts fremder Perso-nen oder unvertrauter Ereignisse(z.B. dem so genannten Fremdeln,der so genannten Acht-Monate-Angst bei Kindern) oder der so ge-nannten Trennungsangst (Furcht vorAbwesenheit oder Abwendung einerBezugsperson) äußert. Bindung undnachfolgende Ablösung gelten alswesentliche Voraussetzung einerharmonischen Persönlichkeits- undsozialen Entwicklung.

PSYCHOLOGIE

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200525

Der Unterschied besteht darin, dassKinder mit Down-Syndrom die nicht-lautsprachliche Kommunikation (Ges-ten, Mimik etc.) nicht als Mittel zumZweck einsetzen, d.h. sie benutzen die-se Fähigkeit in herausfordernden Situa-tionen nicht, um Informationen zu be-kommen, damit sie ein Problem lösenkönnen, so wie andere Kinder das tun.Und dies obwohl die frühe nonverbalesoziale Kommunikation eine relativeStärke dieser Kinder ist. Hier wird deut-lich sichtbar, dass es einen Bruch gibtzwischen dem instrumentellen Gestiku-lieren (Gesten, um zu einem Ziel zu ge-langen) und dem sozialen Gestikulieren(gestikulieren auf Grund der Soziabi-lität).

Interessanterweise treten diese Defi-zite speziell nur in Problemlösungssi-tuationen auf. Bei sozialen Routine-übungen benutzen die Kinder sehr wohlGesten, Blickkontakt, Mimik etc., um einZiel zu erreichen. Es scheint also nichtdaran zu liegen, dass die Kinder dieseTaktiken nicht beherrschen, sie benut-zen sie jedoch nicht gezielt in für sie kognitiv herausfordernden Situationen,um das Verhalten anderer dadurch zubeeinflussen.

Wechselwirkung zwischen den Entwicklungsbereichen

Wir nehmen an, dass zwischen den bei-den Entwicklungsdomänen – die relati-ve Stärke im sozialen Verhalten und dieDefizite in der Entwicklung von strate-

gischem Denken – eine Beziehung be-steht, die zu dem spezifischen Motivati-onsverhalten, der geringeren Ausdauerund dem Sich-Verlassen auf soziale Stra-tegien führt.

Ein geringes Durchhaltevermögenkönnte die indirekte Folge der auftre-tenden Schwierigkeiten beim instru-mentellen und strategischen Denkensein. Klein- und Vorschulkinder mit Down-Syndrom, die sich aus herausfor-dernden Situationen ausblenden, ma-chen dies, weil sie nicht in der Lagesind, neue brauchbare Strategien zuentwickeln, um die Aufgaben zu lösen.Sie sehen einfach keine andere Mög-lichkeiten, um sich aus der „Situation zuretten“. So ist – unserer Meinung nach –diese passive und wenig motivierte Hal-tung direkt verbunden mit den primä-ren Defiziten im instrumentellen Über-legen und mehr allgemein mit den ko-gnitiven Einschränkungen.

Außerdem scheint es für diese Kin-der ganz selbstverständlich zu sein,dass wenn sie sich nicht imstande se-hen, in schwierigen Situationen neueStrategien zu entwickeln, sie sich lieberauf ihre Stärken, ihre sozialen Fähig-keiten verlassen.

So entwickeln sie über die Jahre ei-nen Stil, wobei sie immer dann, wenn eskompliziert wird, beharrlich ihren Charme und ihre anderen positiven so-zialen Verhaltensweisen einsetzen. Diesführt häufig dazu, dass ihre Bezugsper-sonen aufgeben – die Aufgaben bleibenunerledigt.

Oder sie verlassen sich auf eine an-dere soziale Strategie, nämlich sich pas-siv zu verhalten und einfach auf Hilfe-stellung zu warten, die sie dann auchbekommen – die Bezugsperson löstdann die Aufgabe.

Diese beiden sozialen Strategienwurden wiederholt auch in Testsituatio-nen festgestellt. Und sogar wenn dieKinder diese Taktiken nicht anwenden,bauen sie lieber auf Verweigerung und„stellen auf stur“, als dass sie versuchen,neue wirkungsvollere Strategien zu ent-wickeln, um eine Aufgabe zu lösen. Esfällt ihnen schwer, sich von diesem„Verstocktsein“ zu lösen.

Intervention

Wenn diese Antriebsschwäche, diesemangelnde Motivation eine Folge derprimären phänotypischen Merkmale ist,dann müsste es möglich sein, diesen

Kinder mit Down-Syndrom lachen mehr!

Wenn wir unsere Fotosammlung durchschauen,

können wir dies bestätigen.

Entwicklungsweg durch gezielte undzeitlich richtig eingesetzte Förderung zuverändern.

Man kann sich z.B. darauf konzen-trieren, Fertigkeiten zum frühen Pro-blemlösen zu üben. So ließe sich daspersönliche Motivationsverhalten viel-leicht günstig beeinflussen.

Weiter kann man, wenn die Kinderein mentales Alter von neun bis 13 Mo-naten erreicht haben, ganz gezielt ihrenonverbale Kommunikation so steuern,dass sie lernen, diese auch als Mittel ein-zusetzen, um Informationen zur Pro-blemlösung zu bekommen.

Ein anderer wichtiger Bereich derFörderung könnte das Einüben vonHandlungsabläufen sein. Kleinkindermit Down-Syndrom sind nicht in der La-ge, selbst effektive Handlungssequenzenauszudenken und auszuführen, um einbestimmtes Ziel zu erreichen. Wenn dierichtige Strategie, um ein Problem zu lö-sen, eine Reihe unterschiedlicher Hand-lungen erfordert, stellt dies eine Über-forderung der Kinder dar (z.B. denSchlüsselbund zu finden, den richtigenSchlüssel herauszusuchen und die Türaufzuschließen). Solche komplexerenAufgaben zu lösen, kann man gezieltfördern.

Schlusswort

Wir wollen versuchen, das Motivations-Verhalten bei Menschen mit Down-Syn-drom zu verbessern, dabei die positivenAspekte des Profils (soziale Motivation)zu behalten und die negativen Aspektezu verringern (z.B. Ausblend-Verhal-ten).

Auch wenn wir zurzeit noch am An-fang unserer Arbeit stehen und wir die-se Vorgehensweise als Hypothese an-nehmen, weisen doch erste Erfolge dar-auf hin, dass dieser Weg effektiv ist.

Kleinen Kindern mit Down-Syndromzu helfen, ihre eigenen Fähigkeiten zuerkennen, um effektive Strategien zurProblemlösung zu entwickeln, wird ganzallgemein ihre akademischen Fähigkei-ten verbessern, ihre Selbstständigkeitfördern und insgesamt auch positiveFolgen für ihr späteres Leben als Er-wachsene haben.

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 45

E R W A C H S E N E

herauszufinden, welche Fertigkeitenunterrichtet werden müssen, haben wirversucht, auf die folgenden Fragen eineAntwort zu finden: „Welche Kompeten-zen sind auf jeden Fall notwendig, umalleine außerhalb des Hauses zurecht-zukommen?“, und außerdem: „Was brau-che ich für mein tägliches Leben, für dieArbeit, für die Freizeit?“

Daraus entsprang eine Liste mit Fä-higkeiten, die man in fünf Bereiche, dieZiele dieses Erziehungsplans, untertei-len kann:

Kommunikation: Fragen stellen kön-nen, die eigenen Daten nennen können,öffentliche Telefone benutzen können ...

Orientierung: Lesen und Befolgen vonStraßenschildern, sich an bestimmtenGebäuden orientieren können, die Hal-testellen von Bus, U-Bahn und Taxi fin-den …

Verhalten im Straßenverkehr: Über-queren von Straßen, Ampeln …

Der Umgang mit Geld: Geldscheine,Münzen und den Wert des Geldes ken-nen lernen, bezahlen können, Rückgeldzählen …

Nutzung von Dienstleistungen: dasrichtige Geschäft bzw. die richtige Be-hörde aufsuchen, sich zurechtfinden inRestaurants und Cafés, im Kino, beimKegeln, in Postämtern, in öffentlichenVerkehrsmitteln …

Organisation des Kurses

Die Kurse finden am Nachmittag statt,die Treffen dauern jeweils ungefähr dreiStunden. Die Jugendlichen treffen sicheinmal wöchentlich. Die Gruppe bestehtaus acht bis zehn Jugendlichen mit Down-Syndrom und drei bis vier Assis-tenten. Nach einer gemeinsamen Rundeteilen sie sich in Zweier- oder Dreier-Gruppen plus einem Helfer und einemFreiwilligen oder Zivi, die alle für APIDarbeiten, auf. Die mit den Jugendlichenbesprochenen Aktivitäten stammen ausden oben genannten fünf Bereichen undwerden meistens innerhalb der Klein-gruppe realisiert.

Aber Selbstständigkeit bedeutetmehr, als nur einige neue Sachkennt-nisse zu erwerben. Auch das Gefühl zuhaben, richtig erwachsen zu sein, vomStatus eines Kindes zu dem eines Er-wachsenen zu wechseln und als er-wachsener Mensch behandelt zu wer-den, ist wichtig. Die Jugendlichen müs-sen neue „erwachsene“ Verhaltenswei-sen lernen und lernen, Schwierigkeiten,die unvermeidbar auftreten werden, zumeistern.

Das Lernambiente muss positiv undanregend sein und der Realität entspre-chen, damit die Jugendlichen sich mitihrer neuen Rolle als Erwachsene iden-tifizieren können.

So entstand der „Klub der Jugendli-chen“. Das positive Klima hilft den Ju-gendlichen bei ihrer Identifikation alsErwachsene, regt die Kommunikationund das Entstehen von Freundschafteninnerhalb der Gruppe an.

Die Arbeitsmethode

Folgende Punkte sind bei der Umset-zung des Kursprogramms wichtig.

Das Üben in der konkreten SituationWir sehen die eigene Motivation der Ju-gendlichen als besten Motor, die Ziele zuerreichen, und üben daher ausschließ-lich in konkreten Situationen. Das heißtzum Beispiel, das notwendige Geld di-rekt beim Imbissstand abzuzählen, umden Hamburger kaufen zu können, dasTelefon zu benutzen, um einen abwe-senden Freund anzurufen, einen Ort mitjemandem auszumachen, an dem mansich tatsächlich nachmittags trifft, etc.

Dies steht im deutlichen Kontrastzum Lernen durch sture, sich wieder-holende Übungen, fern der Realität, wiees manchmal in der Schule passiert. Wo-bei oft auch noch davon ausgegangenwird, dass eine Person mit geistiger Be-hinderung leichter auf die mechanischeWeise und nur durch Wiederholunglernt.

Aber es ist gerade die realistische Si-tuation und nicht eine erfundene, diemotiviert. Die Jugendlichen reagierenäußerst sensibel, wenn man sie nichtfür voll nimmt. Keiner von ihnen wirdfreiwillig zum Milchkaufen gehen, wennnoch genug Milch im Kühlschrank istoder wenn sie wissen, dass die Mutter

Selbst einkaufen gehen

zu können, ist ein

wichtiger Schritt in

Richtung Selbststän-

digkeit.

Wenn man dann auch

noch selbst bestimmen

kann und darf, was

man heute essen will,

umso besser.

Es schadet bestimmt nicht,

wenn man weiß, wie man mit

einem Rasenmäher umgeht

ERWACHSENE

48Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

„Ich mag meine Selbstständigkeit“

Noel Thompson ist ganz begeistert vonseinem neuen Leben an der Universitätim US-Bundesstaat Maine. Er studiertMarktwirtschaft mit dem SchwerpunktUnternehmensführung und hat ein be-zahltes Praktikum in einer örtlichenBank, wo er Büroarbeit und Werbungmacht. Er beteiligt sich eifrig in einemWohltätigkeitsverein auf dem Campus,der ein Sommer-Camp-Hospiz für tod-kranke Kinder organisiert. Er genießtdie Freundschaften, die er am Collegegefunden hat, und die gelegentlichenHeimwehattacken sind halb so schlimm,sie werden durch das gute Gefühl überseine neue Selbstständigkeit wettge-macht.

Das „Strive“(Streber)-Programm

Seine Einstellung würde jedem Studen-ten Ehre machen – aber Mr.Thompsonist nicht ein x-beliebiger Student: Er hatDown-Syndrom, er ist geistig behindert.Er hat die Aufnahme am College ge-schafft durch seine eigenen Anstren-gungen und mit der Hilfe von Strive Uni-versity, einer Organisation, die seit kur-zem ein Zwei-Jahres-Programm für Stu-denten mit geistigen Behinderungen anUniversitäten und Colleges anbietet(Strive bedeutet „Streber“).

Mr. Thompson sagt, dass das Pro-gramm ihm das Selbstbewusstsein ge-geben hat zu überlegen, ob er später indie Werbung geht oder eventuell Disk-jockey wird. Bis dahin hört er sich eini-ge sehr interessante Vorlesungen an.„Ich möchte gern auch Physik studieren“,sagt er, „das habe ich noch nie gehabt.“

Mr. Thompson ist 24 Jahre alt. Er isteiner von sechs jungen Leuten mit Down-Syndrom, die im vergangenen

Herbst in dem Strive-Programm einge-schrieben wurden. Dieses Programmwurde an der Universität von SouthernMaine begonnen, es läuft über eine ge-meinnützige Organisation und richtetsich an junge Leute mit Behinderungen.

Das Programm ist Teil einer neuenBewegung, an der sich ca. 50 Collegesund Universitäten beteiligen, die weite-re Bildungsmöglichkeiten für Schülermit geistiger Behinderung nach Ab-schluss der High School schaffen wollen.Es ist eine Antwort auf die wachsendeNachfrage und trotz der relativ hohenKosten und obwohl diese neue Aufgabenicht zu den traditionellen Aufgabenvon Hochschulen gehört, werden lau-fend weitere Möglichkeiten geschaffen.

Zusammenarbeit mit der NDDS

Die NDSS (National Down Syndrome So-ciety) arbeitet mit öffentlichen und pri-vaten Colleges in New Jersey zusam-men, um ein Modell herauszuarbeiten,das Bildungsmaßnahmen anbietet für18- bis 25-Jährige mit geistigen Behin-derungen. „Es gibt großes Interesse anunserem Programm“, betont die Direk-torin. „Es reflektiert den enormen An-stieg der Erwartungen, die Eltern vongeistig behinderten Kindern haben. Ichglaube, es spiegelt den gesamten Fort-schritt in der Erziehung dieser Kinderwider.“

Kritiker und Befürworter

Kritiker des Programms stellen in Fra-ge, ob Menschen mit geistiger Behinde-rung überhaupt ein Diplom erwerbenkönnen, trotz der intensiven Unterstüt-zung, die diese Studenten erfahren, undtrotz der zusätzlichen mühevollen Jah-re, die oft benötigt werden. Viele Ver-

antwortliche an den Universitäten wei-gern sich, ihre Angebote und Kurse zumodifizieren und den Bedürfnissen vongeistig Behinderten in irgendeiner Wei-se anzupassen.

Befürworter des Programms räu-men ein, dass Menschen mit geistigenBehinderungen ihre Grenzen haben.Aber da Colleges und Universitäten so-wieso einen großen Anteil an Studentenhaben, die völlig unrealistische akade-mische Vorstellungen oder Karrierean-sprüche haben, sagen sie, dass es nurlogisch sei, dass man auch Menschenmit geistiger Behinderung selber ihreGrenzen erfahren lassen sollte und nichtvon vornherein verhindern soll, dass siees überhaupt versuchen.

„Menschen mit geistiger Behinde-rung wollen mehr als das, was bislangerreichbar war“, sagt Stephanie SmithLee, Direktorin im Bildungsministeriumfür Sonderpädagogik, die selber eineTochter mit Down-Syndrom hat. „Siehaben größere Träume als früher.“

Kein Leben in Armut

Nur ein sehr kleiner Prozentsatz von Er-wachsenen mit geistiger Behinderunghat bis jetzt Zugang zu Colleges oderUniversitäten. Für die meisten endet dasöffentliche Bildungssystem mit 21,wenn die normale integrative HighSchool beendet ist. Die Arbeitsauswahlist begrenzt; Behinderten-Werkstättenoder niedrig bezahlte ungelernte Arbei-ten als Raumpfleger, Gärtner oder in derFast-Food-Industrie schränken die be-ruflichen Möglichkeiten stark ein undverurteilen diese Menschen zu einemLeben in Armut.

Viele Eltern machen sich ernste Sor-gen über die Zukunft ihrer Kinder. Sie

Studenten mit Down-Syndrom an amerikanischen Colleges und UniversitätenPeter Schmidt

Übersetzung: Gundula Meyer-Eppler

Dass junge Menschen mit Down-Syndrom in den USA ganz regulär dieHigh School besuchen, ist uns allen schon lange bekannt. Aber nun gibt es auch die ersten Studenten mit Down-Syndrom an den Universitäten. Wie funktioniert das und kann das überhaupt funktionieren?

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32Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

Es ist wichtig, auf dieser Sprachstufeerst mit dem Üben von Zwei- und Drei-wortsätzen anzufangen, bevor man sichden eindeutigen formalen Strukturenzuwendet (grammatikalische Eintei-lung, Satzstrukturen etc., die noch überdem Niveau der aktuellen Kommunika-tion liegen; cf. Rondal & Edwards, 1997).

Erste wichtige semantische Relatio-nen sind u.a. Objektpermanenz, Besitz-verhältnisse, qualitative und quantitati-ve Eigenschaften, intransitive Bezie-hungen (der Junge lächelt) und transiti-ve Beziehungen (der Milchmann bringtdie Milch), Bestätigung, Verneinung,Akzeptanz, Ablehnung und Verweige-rung.

Förderung im Schulalter

Angesichts des verzögerten Spracher-werbs bei Kindern mit Down-Syndromwerden diese Kinder während ihrer ge-samten Grund- und Hauptschulzeit wei-tere Sprachförderung brauchen.

Diese Förderung sollte in enger Zu-sammenarbeit mit den Schulen und denLehrern geplant und ausgeführt wer-den. Genau dies ist jedoch ein sehr kom-plexes Problem und wir sind in unserenLändern heutzutage noch weit von einerzufrieden stellenden Lösung entfernt.

Es müssen Teams von Spezialistenmit Lehrern (die dann hoffentlich besserinformiert und ausgebildet sind, als diesheute häufig der Fall ist) zusammenar-beiten bei der Ausführung von weiter-führenden individuellen Sprachförder-programmen für das einzelne Kind, so-wohl in Sonderschulen wie in einer in-tegrativen Schulumgebung.

Weiterführende Förderung derSprache im Erwachsenenalter

Wissenschaftliche Studien zeigen, dasses auch bei jungen Erwachsenen mitDown-Syndrom noch möglich ist, ver-schiedene Aspekte ihrer Sprache deut-lich zu verbessern.

Besonders in den Bereichen Wort-schatz, Semantik (Bedeutung), Pragma-tik (die Verwendung von Sprache) istdas Weiterlernen noch möglich (aller-dings mit großen individuellen Unter-schieden).

4. Förderung zum Erhalt der Fähigkeiten auch im hohen Alter

Es scheint, dass bei den meisten Men-schen mit dem Syndrom der neuropsy-chologische Abbau – unabhängig von ei-

ner Alzheimer-Erkrankung – früher ein-setzt (Brown, 1985; Thopsom, 1999;van Buggenhout et al., 2001).

Die Disposition zu einem früh ein-setzenden Alterungsprozess bei Down-Syndrom könnte in Verbindung stehenmit einer Überproduktion von Genenauf Chromosom 21, speziell von SOD,Superoxyd-Dismutase, das mit verant-wortlich ist für das Entstehen von Alz-heimer, sowie von Genen, die auf ande-ren Chromosomen lokalisiert sind. (Roy-ston, Pickering-Brown, & Owen, 1994)

Es findet vor dem 50. Lebensjahr beider rezeptiven wie bei der produktivenSprache kein eindeutiger Abbau statt.Dies bestätigen Untersuchungen vonRondal & Comblain (1996, 2002), Das,Divis, Alexander, Parills & Naglieri(1995), und Ergebnisse aus den Lang-zeitstudien von Devenny, Hill, Patxot,Silverman & Wisniewski (1992), BurtLoveland, Chen, Chuang, Lewis & Cerry(1995) und George, Thewis, Van derLinden, Salmon & Rondal (2001).

Wie dieser Prozess bei diesem Per-sonenkreis nach dem 50. Lebensjahr ge-nau abläuft, ist bis heute nicht klar, weildazu systematische Daten fehlen. Wahr-scheinlich handelt es sich um einen all-mählichen Abbau über Jahre, so wiedies auch von Menschen ohne mentaleBehinderung berichtet wird (Rondal &Edwards, 1997).

Dies rechtfertigt meiner Ansichtnach das Einführen eines besonderenBereichs innerhalb unserer Förderpro-gramme, der dem Erhalt von sprachli-chen Fähigkeiten von älteren und altenPersonen mit Down-Syndrom gewidmetist. Bis jetzt geschieht in diesem Bereichsehr wenig oder gar nichts. Durch ge-zielte Maßnahmen kann man hoffen,den Prozess eines verfrühten Sprachab-baus zu verlangsamen (natürlich wür-den auch andere Entwicklungsbereichevon ähnlichen Bestrebungen profitieren).

Was wäre das Ziel eines solchen Pro-gramms? Folgende Aspekten haben Pri-orität:

1. Damit eventuelle Veränderungenim auditiven System rechtzeitig entdecktwerden, soll man sorgfältig beobachten,ob der älter werdende Mensch mitDown-Syndrom noch entsprechend aufSprache, Geräusche etc. reagiert.

2. Das möglichst häufige Benutzenvon bekanntem Wortschatz (Sprachpro-duktion) soll stets ermutigt werden, da-

mit der zunehmenden Schwierigkeit,Wörter aus dem semantischen Gedächt-nis abzurufen, entgegengewirkt wird.

3. Rezeptive und produktive Sprach-prozesse sollen stimuliert werden, umdem Verlangsamen dieser Prozesse ent-gegenzuwirken.

4. Es sollen wieder und weiter Kon-versation und Sprachverständnis geübtwerden – Bereiche, die häufig schon ein-geschränkt waren.

Zusammenfassung

Es ist wichtig, sich bei Menschen mitDown-Syndrom auf eine lebenslangeFörderung von Sprache (und von ande-ren Bereichen genauso) einzustellen,damit maximale Effizienz erreicht wird.

Man muss sich in diesem Zusam-menhang auch bewusst sein, dass ob-wohl in den Industrieländern die Zahlder Menschen mit Down-Syndrom ab-nimmt (bedingt durch die pränatale Dia-gnose und die damit verbundenen Prak-tiken des so genannten therapeutischenAborts), die Zahl der älteren und altenMenschen mit Down-Syndrom zunächstund auch in den kommenden Dekadenzunehmen wird.

Heute schätzt man, dass die durch-schnittliche Lebenserwartung für Men-schen mit Down-Syndrom bei ca. 60Jahren liegt.

Die geschätzte Zuwachsrate von er-wachsenen Menschen in den nächstenDekaden liegt bei über 200 % (Steffelaar& Evenhuis, 1989).

Es ist deshalb logisch und notwendig,für eine schnelle Entwicklung effektive-rer Förderprogramme für Menschenmit Down-Syndrom zu sorgen, damitdieser Personenkreis optimal gefördertwerden kann und einen möglichst ho-hen Entwicklungsstand erreicht. Dennje höher das erreichte Entwicklungsni-veau des Einzelnen ist, desto besser istwahrscheinlich seine Lebensqualität,desto nützlicher wird diese Person fürdie Gesellschaft sein und desto geringerwerden, langfristig gesehen, die gesam-ten sozialen Ressourcen sein, die diesePerson benötigt.

P U B L I K A T I O N E N

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 29

Liebe DichIn dieser Ausgabe von Leben mit Down-Syndrom werdenan verschiedenen Stellen die so genannte emotionaleIntelligenz und die guten sozialen Fähigkeiten von Menschen mit Down-Syndrom erwähnt. Der Film „LiebeDich“ zeigt konkret, was das bedeutet. Ein wunderbarerDokumentarfilm, den man hervorragend bei Informations-veranstaltungen und im Rahmenprgramm bei Tagungenoder Mitgliederversammlungen einsetzen kann. Und ereignet sich gut für Eltern und Begleiter sowie für diejungen Menschen mit Down-Syndrom selbst als Disku-tiergrundlage über Themen wie Freundschaft, Partner-schaft, Sexualität und Liebe.

Liebe Dich ... zeigt Menschen, die dasDown-Syndrom haben, privat und

als Schauspieler auf der Bühne – im oftausverkauften Berliner RambaZamba-Theater. Der Film zeigt die beein-druckende emotionale Stärke der be-hinderten Menschen, zeigt ihre Kunst-fertigkeit auf der Bühne, ihre Lebenslustund Lebensfreude. Liebe Dich ... ist einFilm über Menschen, die ihr großesHerz verschenken. Ihr Umgang mit be-ruflichen und privaten Dingen konfron-tiert uns mit unseren inneren Grenzen.

Liebe Dich ... sagt Moritz zu Nele,Liebe Dich ... sagt Nele zu Moritz. LiebeDich ... – immer wieder, mitten im Ge-spräch, auf der Probe, zur Mutter, zurRegisseurin, zum Spielpartner, sagt ei-ner der behinderten Schauspieler desTheaters RambaZamba diesen Satz.Umwerfend zärtlich und direkt. Liebe

dich ... erzählt von dieser ungewöhnli-chen Theatertruppe. Auf wunderbareWeise lässt er uns begreifen, wie sehrdas Leben und die künstlerische Arbeitder Darsteller miteinander verbundensind.

„Wir sind zwei Kolleginnen“, sagtNeles Mutter, die Schauspielerin AngelaWinkler, mit zärtlicher Bewunderungfür ihre Tochter. Aber wir erfahren auch,wie schwer es für sie anfangs war, dieBehinderung ihres Kindes anzuneh-men. Ebenso wie für die Regisseurin Gi-sela Höhne, die Mutter von Moritz, undauch Julianes Eltern. „Der Umweg zuJuliane“ hat ihr Vater sein Tagebuch ausdieser Zeit überschrieben. „Sie hat unsin Besitz genommen“, sagt die Mutter.„Liebe Dich ...“ – ein langer Weg.

Immer wieder werden im Film dieGeschichten von Nele, Moritz und Julia-ne mit denen der anderen Spieler er-

gänzt. Immer wieder gehen Gesprächein Szenen aus den Aufführungen über, indenen sich die Geschichten auf faszinie-rende Weise weiterzuerzählen scheinen.

Großartige Darsteller sind da zu se-hen, berührende und hinreißend komi-sche Momente. Und wenn es in demneuen Stück, an dem sie gerade proben,um eine Welt geht, in der nur noch per-fekte Menschen Platz haben sollen, be-greift man, dass sie nicht nur fürs Lebengern spielen, sie spielen auch um ihr Le-ben.

Der Film lässt ahnen, dass ein Lebenohne die antrainierten Gesellschafts-und Konventionsfilter nicht nur anders,sondern auch besonders sein kann. Manspürt, was es bedeutet, behindert zusein, wenn Juliane, die Siebzehnjährige,die das Down-Syndrom hat, von sichsagt: „... ist mir doch egal, wenn ich be-hindert bin – ich bin ein ganz normalerMensch!“, und vergisst ihre Behinde-rung völlig, wenn man sie tanzen sieht.

In Theaterstücken, die die Regisseu-rin entlang eines Grundthemas durchImprovisation über Monate hinweg mitden Spielern entwickelt, spiegeln sichlebensweltliche Bezüge der geistig be-hinderten Menschen. Theaterregisseu-rin Gisela Höhne gelingt mit ihrenStücken, die Kunst dieser Menschen zufassen.

Es gibt die großen und lauten Mo-mente vor Publikum und die intimenMinuten zwischen zweien: Freunden,Eltern und Kindern, Brüdern undSchwestern, Verliebten. Mehr und mehrwird der Film zur Liebesgeschichte zwi-schen Moritz und Nele, die beide dasDown-Syndrom haben, die einfach ihrHerz verschenken, großzügig und unge-schützt.

Liebe Dich, ein Film von Sylvie Ba-nuls und Sabina Engel in Koproduk-tion mit dem ZDF, in Zusammenar-beit mit Arte, gefördert durch FFF-Bayern.

Liebe Dich ist als DVD (92 Minuten,Farbe) zu bestellen unter:www.basisdvd.de oderper Fax: 030 / 791 15 51Preis für private Nutzer: 24,90 Euromit Vorführrecht: 150 Euro

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200541

FÖRDERUNG

Schwierigkeiten bei der Bewegungsko-ordination der Sprechmuskulatur führt.

Ein Kind mit Down-Syndrom kannsowohl sprechmotorische Störungen alsauch Planungs- und Steuerungsstörun-gen haben. Die Behandlungsansätze sindunterschiedlich. Bei Beeinträchtigungen,die auf eine Schwäche der Sprechmus-kulatur zurückzuführen sind, bestehtdie Intervention darin, diese Muskulaturzu stärken. Dies kann schon lange vordem eigentlichen Spracherwerb anfan-gen, u.a. beim Üben von richtigenSchluck-, Saug- und Kaumustern undbei den unterschiedlichsten Sprachan-bahnungsübungen. Die Behandlung dermotorischen Schwierigkeiten kann des-halb schon viel früher eingesetzt werdenals Techniken, die die Sprechapraxiebehandeln.

Tests

Wie kann man feststellen, ob ein Kinddie typischen Merkmale einer Sprech-apraxie zeigt? In erster Linie geschiehtdies durch Beobachtungen der Eltern inZusammenarbeit mit einer Logopädin.Berücksichtigt werden dabei die allge-meine Sprech- und Sprachentwicklungdes Kindes, seine Mundmotorik, Lippen,Zunge, Gaumenbewegungen beim Es-sen und Sprechen. Es wird festgestellt,welche artikulatorischen und phonolo-gischen Fehler das Kind macht, wie sei-ne Sprache bei Spontanunterhaltungenist, etc.

Erst seit einiger Zeit gibt es speziellentwickelte Testbatterien, um eineSprechapraxie festzustellen. Bei diesenTests ist es erforderlich, dass das Kindschon sprechen kann. Die Kinder wer-den u.a. aufgefordert, Wörter, Phrasenoder Sätze nachzusprechen.

Es ist oft nicht einfach, sich ein ge-naues Bild von den Fehlern des Kindeszu machen, weil diese unregelmäßigauftreten und außerdem sehr schwan-kend sind. Tests, die z.B. im Abstandvon zwei Wochen durchgeführt werden,können ganz unterschiedliche Ergeb-nisse zeigen. Aber auch das ist typischfür die Sprechapraxie.

Behandlung

Die Therapie für sowohl Kinder ohne alsmit Down-Syndrom, die eine Sprech-apraxie haben, richtet sich gezielt aufÜben und Einpauken. Die Behandlunggeht in kleinen Schritten, langsam undgründlich voran. Nur bei häufigem kon-

sequentem Wiederholen der richtigenSprechbewegungsabläufe, wobei mansehr strukturiert vorgeht, kann man Er-folge feststellen.

Ich bin der Meinung, dass diese The-rapie am effektivsten ist, wenn sich dasKind und die Sprachtherapeutin in ei-nem ruhigen, separaten Raum aufhal-ten. Zwar ist in unseren Schulen einesolche „pull out“-Maßnahme (Therapeutnimmt das Kind für die Therapie ausder Klasse) nicht erwünscht, sondernman bevorzugt die „push in“-Therapie“(Therapeut arbeitet mit dem Kind in dereigenen Klasse), in diesem Fall halte iches jedoch für besser, das Kind für einesolche Therapieeinheit aus der Klassezu nehmen. Es muss sich voll konzen-trieren können auf die Sprachübungen,der übliche Geräuschpegel im Schul-zimmer würde das Kind dabei zu sehrablenken.

Freilich wird eine Therapieeinheit,die nur ein- oder zweimal wöchentlichdurchgeführt wird, die Sprechmusternicht groß verändern. Intensives Trai-ning zu Hause mit vielen kurzen, aberregelmäßigen Übungseinheiten ist füreine Verbesserung unbedingt erforder-lich. Es gibt bestimmte Dinge, die manbeachten sollte, und viele Spiele, Übun-gen, die man tun kann:

– Arbeiten Sie z.B. mit Bildern oderZeichnungen, um dem Kind zu zeigen,wo im Mund und wie die einzelnen Lau-te gemacht werden.– Ein strukturiertes Vorgehen ist wich-tig, von den leichten zu den komplizier-ten Lauten, von Einzellauten zu Doppel-lauten etc.– Arbeiten Sie zuerst wieder an „einfa-cher“ Sprache (Einwortsätze, Zweiwort-sätze) und bauen Sie dann allmählichweiter auf.– Verwenden Sie Gebärden als Unter-stützung beim Sprechen.– Sprechen Sie gemeinsam mit demKind, übertrieben langsam und deut-lich.– Singen oder rhythmisches Sprechenkönnen den Sprachfluss erleichtern.

Die meisten Behandlungspläne fürKinder mit einer Apraxie enthalten alswichtigsten Bestandteil konsequentes,regelmäßiges Üben – Drill eben! Es gehtum mehr taktile und kinästhetische Er-fahrungen. Einige Programme kombi-nieren Sprechübungen mit grobmotori-schen Bewegungen.

Tipps

Zum Schluss noch einige Tipps für zuHause:– Sprechen Sie klar und deutlich.– Singen Sie Lieder, mit begleitendenHandbewegungen und mit sich wieder-holenden Strophen. Diese Wiederholun-gen geben dem Kind die Möglichkeit, öf-ter den gleichen Satz zu sprechen.–Versuchen Sie, weniger schnell zusprechen und langsamer zu singen!(In den USA gibt es eine CD mit 26 be-kannten Kinderliedern in einer ver-langsamten Ausgabe, die sehr hilfreichist für Kinder mit Apraxie, weil sie hierbesser mitsingen können!) – Lesen Sie dem Kind Geschichten vor,in denen sich bestimmte Sätze wieder-holen oder bei denen vorhersehbar ist,welche Sätze folgen. Diese Sätze kanndas Kind lernen, mitzusprechen oderauch mitzusingen. Auch wenn es nichtden ganzen Satz schafft, dann vielleichteinige Worte oder jeweils das letzteWort. Dies vermittelt dem Kind ein po-sitives Gefühl: Es kann Wörter richtigaussprechen!

Benutzen Sie im Alltag viele Stan-dardausdrücke: „Bis später“, „alles ok“,„ja bitte“, „geht schon“. Diese kann dasKind häufig einsetzen und so üben.

– Sagen Sie nicht: „Wenn du dasWort ,Keks‘ richtig sagst, bekommst dueines!“ Das Kind kann vielleicht in die-sem Moment das Wort Keks gar nichtrichtig sagen und gerät so noch mehrunter Stress und bekommt auch einnächstes Mal dieses Wort nicht über dieLippen. Das Kind soll lieber Bilder oderGebärden zur Unterstützung seinerSprache einsetzen und sein Bemühensoll gewürdigt werden. Einsatz von Bil-dern oder Wörtern auf dem Kühl-schrank z.B. können dem Kind helfen,seine Wünsche zu äußern.

Die Motivation zu kommunizierenmuss erhalten bleiben. Das Kind sollnicht frustiert aufgeben. Deshalb müs-sen wir mit viel Fantasie und Gedulddas Kind während dieser schwierigenLernzeit begleiten.

Warum eine Erziehung zur Selbstständigkeit?

Die ganze Erwicklung und das Heran-wachsen eines Kindes können als einProzess betrachtet werden, der von derAbhängigkeit in die Selbstständigkeitführt und der abgeschlossen ist, wenndas Kind erwachsen und arbeitsfähigist, ein Bürger mit Rechten und Pflichtenwird und Beziehungen zu anderen Er-wachsenen aufbaut.

Auf dem Weg in die Selbstständigkeitstößt das behinderte Kind auf zwei Ar-ten von Hindernissen: zum einen dieSchwierigkeiten, die direkt durch seineBehinderung entstehen, zum anderendas oft ängstliche und ambivalente Ver-halten seines Umfeldes, das es manch-mal daran hindert, sein Potenzial trotzseiner benachteiligten Situation vollauszuschöpfen

Oft entwickeln die Eltern, aber auchandere, die mit dem behinderten Kindzu tun haben – manchmal seine eigenenAssistenten und Lehrer, ihm gegenübereine sehr unterstützende und beschüt-zende Haltung, die den Weg in die Un-abhängigkeit erschwert. Es scheint fast,als ob man durch viel Liebe und Zunei-gung und durch Verhätscheln versu-chen wolle, die Unbequemlichkeit seinerBehinderung wieder gut zu machen.Wenn der behinderte Mensch aber im-mer wie ein kleines Kind behandeltwird, bleibt er unfähig, selbst etwas zutun, und folglich auf Unterstützung an-gewiesen. Er braucht dann auf Dauer je-

manden, der ihm zur Seite steht und fürihn handelt.

Aber es hat sich in den letzten Jah-ren unter denen, die sich um Menschenmit einer geistigen Behinderung küm-mern, etwas geändert. Man ist immermehr davon überzeugt, wie wichtig dieErziehung zur Selbstständigkeit für dieEntwicklung und die soziale Integrationfür diesen Personenkreis ist.

Jeder wird einsehen, dass es z.B.einfacher für einen Kindergarten ist, einbehindertes Kind aufzunehmen, dasschon selbstständig auf die Toilette ge-hen oder selbstständig essen kann, sichauf etwas konzentrieren kann und sichan die Regeln hält. Wenn solche Fähig-keiten schon vorhanden sind, erleich-tern sie weiteres Lernen in dem Kinder-garten. Selbstständigkeit ist auch dieGrundvoraussetzung für die Aufnahmeder Jugendlichen und Erwachsenen mitBehinderung an einem Arbeitsplatz undin der Gesellschaft allgemein.

Viele Ziele jedoch, vor allem im Be-reich der Außen-Autonomie (Selbststän-digkeit außerhalb der Familie?) sind imfamiliären Bereich schwer zu erreichen.

Das Einüben solcher Fertigkeitenfällt außerdem in eine Zeit, in der die Ju-gendlichen genauso wie die anderenHeranwachsenden anfangen, sich vonden Eltern loszulösen, Kritik von den El-tern schlecht vertragen und den Auffor-derungen ihrer Eltern nicht mehr sogern nachkommen.

Gleichzeitig ist es häufig auch für die

Eltern schwierig zu erkennen und zu ak-zeptieren, dass ihre Kinder groß wer-den, und sie diesen Prozess irgendwieunterstützen müssen.

Das Kursprogramm von AIPDkommt gut an

Um diesen Bedürfnissen gerecht zu wer-den und als Reaktion auf die Anfragenvon Eltern wurde 1989 in Rom durchdie AIPD ein Kursprogramm zur Erzie-hung zur Selbstständigkeit für Personenmit Down-Syndrom entwickelt, das sichan Jugendliche zwischen 15 und 20 Jah-ren richtet.

Heute gehört dieser Kurs zu einerder wichtigsten Aktivitäten des Vereinsund in Rom nehmen jährlich 50 bis 60Jugendliche daran teil. Motiviert durchdie Erfahrungen in Rom, hat die Idee inanderen Städten, wo der Verein ansäs-sig ist, Fuß gefasst, dort entstanden wei-tere Kurse. Zurzeit gibt es Kurse zurSelbstständigkeit in 20 verschiedenenStädten und viele andere Organisatio-nen, Kommunen und soziale Zentrenhaben sich von diesem AIPD-Modell in-spirieren lassen. In Rom sind angeregtdurch unser Kursprogramm weitereAngebote mit der gleichen Zielsetzungund nach der gleichen Methode arbei-tend auch im Wohn- und Freizeitbereichentstanden.

Der Kursaufbau

Um einen Arbeitsplan für die Erziehungzur Selbstständigkeit zu erstellen, um

Erziehung zur sozialen Selbstständigkeitbei Jugendlichen mit Down-SyndromAnna Contardi

Übersetzung: Judith Halder

So selbstständig wie nur möglich sollte das Ziel der Erziehung sein. Das ist nicht im-mer einfach für Eltern behinderter Kinder. Einerseits trauen sie ihren Kindern vielesnicht zu, andererseits entwickeln sie ihnen gegenüber oft eine sehr beschützendeHaltung, die den Weg in die Unabhängigkeit eher erschwert. Dazu kommen noch dieSchwierigkeiten, die Jugendliche auf Grund ihrer Behinderung sowieso haben. Der italienische Down-Syndrom-Verein AIPD bietet ein spezielles Kursprogramm an,um die Selbstständigkeit von Personen mit Down-Syndrom zu fördern.

E R W A C H S E N E

44 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

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30 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

F Ö R D E R U N G

Sprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom – ein Leben langJean Rondal

Bei den beiden letzten Down-Syndrom-Kongressen in Genua und in Palma de Mallorca fasste Jean Rondal in seinem Vortrag zusammen,was bei der Sprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom beachtetwerden sollte. Er betonte, wie wichtig und dringend notwendig es sei, effektivere Förderprogramme für diesen Personenkreis zu entwickeln,damit ein möglichst hoher Entwicklungsstand erreicht wird. Denn jehöher das erreichte Entwicklungsniveau des Einzelnen ist, desto mehrwird dies zur Verbesserung seiner Lebensqualität beitragen, desto nützlicher wird diese Person für die Gesellschaft sein und desto geringerwerden die sozialen Ressourcen sein, die man für ihn langfristig aufbringen muss.

Das wichtigste Ziel von Sprachförde-rung ist es logischerweise, bei Men-

schen mit ernsthaften Sprachproblemenden Entwicklungsverlauf und das schließ-lich erreichte Niveau ihrer sprachlichenFertigkeiten wesentlich zu verbessern.

Bei Menschen mit genetischen Syn-dromen, wie u.a. Down-Syndrom, diemit einer Entwicklungsverzögerung ein-hergehen, geht es darum, die Entwick-lung so zu beeinflussen, dass dadurchein Niveau erreicht wird, das man sonstmöglicherweise nicht erreicht hätte.

Kenntnisse erforderlich

Um effektiv fördern zu können, ist eswesentlich, dass man über möglichstviele Kenntnisse betreffend das patholo-gische Bild der Behinderungsart, ihreMerkmale und ihren Entwicklungsver-lauf verfügt. Dies ist ebenfalls logisch, je-doch hapert es in der Praxis häufig aneben diesen Kenntnissen.

Dabei ist über den Verlauf und dietypischen Merkmalen der Sprachent-wicklung bei Menschen mit Down-Syn-drom heute durch zahlreiche Publika-tionen auf diesem Gebiet, vor allem ausden letzten 25 Jahren, relativ viel be-kannt.

Sprache bei Menschen mit Down-Syndrom

Die Sprachentwicklung und die Ent-

wicklung der Sprechfähigkeit von Perso-nen mit Down-Syndrom können am bes-ten umschrieben werden – unter der Ver-wendung von Oberbegriffen – als ge-kennzeichnet durch Defizite im forma-len Bereich in Verbindung mit einer bes-ser erhaltenen semantischen undpragmatischen Veranlagung (Rondal &Edwards, 1997).

Außerdem gibt es bedeutende indi-viduelle Unterschiede in der Entwick-lung und der Sprachkompetenz (cf.Rondal, 1995, 2003).

Artikulatorische und co-artikulatori-sche Probleme sind die Regel, vor allembei den schwierigeren Phonemen in denverschiedenen Sprachen.

Gleichzeitig liegt häufig eine verzö-gerte und unvollständige Reifung derphonetischen Diskriminierung vor.

Morphosyntaktische Einschränkun-gen verringern die Länge und die for-male Komplexität der Äußerungen.

Die Flexionsmorphologie kann pro-blematisch und unbeständig sein.

Die Sprachproduktion von Neben-sätzen und komplexen Sätzen ist einge-schränkt. Dies gilt ebenso für das Ver-ständnis solcher Sätze.

Oft fehlt bei längeren sprachlichenÄußerungen der Zusammenhang.

Im Gegensatz dazu werden norma-lerweise keine speziellen Schwierigkei-ten bei der konkreten Deutung von Wör-

tern oder einfachen semantischenStrukturen in zusammengesetzter Spra-che festgestellt.

Außerdem entspricht das sprachli-che Handeln, was den sozialen und in-haltlichen Aspekt betrifft, durchaus demmentalen Alter, allerdings mit einge-schränkten formalen Mitteln.

Auch die räumlichen, zeitlichen undsozialen Deixis und Voraussetzungenentsprechen dem mentalen Entwick-lungsalter.

Das Verstehen von zusammenhän-genden, erzählerischen, beschreiben-den und argumentativen Äußerungenverbessert sich bei zunehmendem Ent-wicklungsalter.

Förderung der Sprache langfristiganlegen

Aus dem heutigen Wissensstand überdie Sprachentwicklung und den Sprach-gebrauch bei Menschen mit Down-Syn-drom können wir schließen, dass wiram besten von einer langfristig angeleg-ten Förderung ausgehen müssen. Dies-bezüglich können wir vier verschiedenePhasen unterscheiden:1. Frühe Förderung2. Förderung im Schulalter 3. Weiterführende Förderung im Er-

wachsenenalter4. Förderung zum Erhalt der Fähigkei-

ten auch im hohen Alter

FÖRDERUNG

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200531

Jede Phase hat ihre spezifischen Inhal-te und Ziele, die ich hier kurz umschrei-ben möchte. Dabei werde ich aus Zeit-gründen nur ausführlicher auf einer-seits das prelinguistische Training undandererseits auf das Training zum Er-halt erworbener Fähigkeiten im Altereingehen. Beide Bereiche sind wenig be-kannt und werden noch ungenügendpraktiziert.

Frühe Förderung der Sprache

In Belgien wird Frühförderung rechtlichdefiniert als die unterstützenden Hilfenfür ein Kind mit Behinderung und seineFamilie sowie die technischen Hilfen,die von den ersten Monaten bis zumsechsten Lebensjahr angeboten werdenkönnen.

Heutzutage wird die Notwendigkeitvon Frühförderung für Kinder mit Down-Syndrom von niemand mehr inFrage gestellt. Die Hauptgründe möchteich hier kurz in Erinnerung rufen:

1. In den Industriestaaten wird heut-zutage Down-Syndrom vor oder direktnach der Geburt diagnostiziert, dies er-möglicht ein Handeln direkt von Anfangan.

2. Es ist nicht nur möglich, früh mitFörderung anzufangen, es ist auchhöchst empfehlenswert, dies zu tun,wenn man die bestmöglichen Ergebnis-se bei vielen Entwicklungsaspekten beieinem Kind mit Down-Syndrom errei-chen will.

Darüber hinaus bauen die Entwick-lungen der wichtigsten kognitiven undsprachlichen Systeme und Subsystemeaufeinander auf. Dies bedeutet, dass je-der Zuwachs in den ersten Entwick-lungsstadien positive Auswirkungen aufweitere Fertigkeiten und auf das Niveau,das schließlich erreicht wird, habenwird.

3. Wenn es, wie viele Wissenschaft-ler heute meinen, kritische oder sensiblePerioden für das Erwerben von Basis-fertigkeiten gibt (darunter vor allem dieSprache), wobei besondere Reifungspe-rioden, Lebenserfahrungen und senso-rische Reize interagieren, wird es nochwichtiger, Frühförderung so zu gestal-ten, dass es dem Kind ermöglicht wird,sich besser und schneller zu entwickeln.

Hypothese der Verzögerung bestätigt

Wissenschaftliche Studien aus den letz-ten 25 Jahren bestätigen, dass Men-

schen mit Down-Syndrom in ihrer mo-torischen, kognitiven, emotionalen, af-fektiven, sprachlichen und sozialen Ent-wicklung die gleiche Folge an Schrittendurchlaufen wie Personen, die in ihrerEntwicklung nicht eingeschränkt sind.

Deshalb kann man heute auf die Fra-ge, die viele Jahre lang gestellt wurde,ob nun die Entwicklung bei Down-Syn-drom bloß verzögert sei (und nichtkomplett) oder tatsächlich von einernormal verlaufenden Entwicklung ab-weicht, eindeutig antworten mit: Es liegteine Verzögerung vor.

Dies hat bedeutende Auswirkungenauf die Förderung. Die Tatsache, dassEntwicklung bei Down-Syndrom schein-bar eine „Kopie“ von der normalen Ent-wicklung ist, aber mit einem zeitlich an-deren Verlauf und am Ende unvollstän-dig – beim schließlich erreichten Ent-wicklungsstand stellt man tatsächlichgroße individuelle Unterschiede fest,verursacht durch den Einfluss konstitu-tioneller und umweltbedingter Faktoren– gibt uns erstens einen genauen Ar-beitsplan und zweitens eine sensibleHandhabe, um die Effektivität der För-derung zu testen.

1. ArbeitsplanAus der normalen Entwicklung könnenwir automatisch die Schritte ableiten,die wir bei unserem Förderangebot be-folgen und bevorzugen sollten, um dasWeiterkommen des Kindes innerhalb ei-ner Sequenz von Entwicklungsschrittenin den einzelnen Bereichen (hier z.B.der Spracherwerb) von Stufe A nach B,C, usw. möglichst zu beschleunigen.

2. Beurteilung des FörderprogrammsDas jeweilige Tempo, womit wir dasKind innerhalb einer Sequenz von Ent-wicklungsschritten vom Level A nach B,C usw. bewegen können, sowie die Sta-bilität seiner erlernten Fertigkeiten sindwichtige Hinweise bei der Beurteilungvon dem Wert, der Bedeutung und derEffektivität eines Förderprogramms.

Frühe Sprachförderung/Prelinguisti-sches Training/Sprachanbahnung

Folgende Ziele sollten Teil jedes Pro-gramms sein, das sich mit der prelin-guistischen Förderung von Kindern mitDown-Syndrom befasst:

Sensibilisierung des Babys für dieNuancen und die melodischen Merk-male der mütterlichen Stimme undSprache, indem es konsequent, nuan-ciert und abwechslungsreich angespro-

chen wird.Sensibilisierung des Babys für die Re-

gelmäßigkeit in der mütterlichen Spra-che, was Rhythmik und den Gebrauchvon Silben, Vokalen und Konsonantenbetrifft, um die phonetische Diskrimi-nierung in einfacher Umgangssprachezu fördern.

In den nächsten Monaten soll man denVersuchen des Babys, zu vokalisierenund zu babbeln, viel Aufmerksamkeitschenken, diese Versuche „würdigen“,darauf reagieren und so verstärken,dass die Lautproduktion des Babys all-mählich immer mehr Lautmuster der esumgebenden Sprache erhält.

Etwas später sollte sorgfältig auf dieersten Protowörter und erste Versuchedes Kindes, sich mitzuteilen, geachtetwerden. Diese wahrzunehmen und sys-tematisch zu verstärken ist wichtig.

Gleichzeitig sollen in der fortgeschrit-tenen Lallphase und beim Benutzen vonProtowörtern die nonverbale Kommuni-kation und die Imitation durch Gebär-den gefördert werden.

Symbolisches Spiel und die Kreativitätdes Kindes sollen gefördert werden, weilsie einen ähnlichen Ausgangspunkt ha-ben wie die frühe Sprache.

Lexikalisches, semantisches und morphosyntaktisches Training

Die lexikalische Entwicklung (Aufbaudes Wortschatzes) bei Kindern mit Down-Syndrom ist verzögert undmanchmal erschwert. Um diese Ent-wicklung zu fördern, muss an verschie-denen Aspekten gearbeitet werden.Kurz zusammengefasst sind dies:

das lexikalische Symbolisme, d.h. dasVerständnis, dass Wörter (Reihenfolgenvon Lauten) für bestimmte Objekte, Ka-tegorien etc. stehen

die Entwicklung des Kurzzeit- und desLangzeitgedächtnisses

die artikulatorische und co-artikulato-rische Entwicklung.Die lexikalischen Strategien, die mandazu benutzt, sind für Kinder mit Down-Syndrom die gleichen wie für sich nor-mal entwickelnde Kinder.

Semantisches und morpho-syntaktisches Training

Grammatik basiert auf den semanti-schen Relationen – die zusammenhän-genden Bedeutungsstrukturen, die eszwischen (nicht innerhalb der Wörter)Wörtern gibt.

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 43

F Ö R D E R U N G

„1 mal 2 ist 2“ (2 Finger ausstrecken)„2 mal 2 ist 4“ (weitere zwei Finger da-zu) usw.Das Kind rechnet bis zum Ergebnis „10mal 2 ist 20“ hoch und dann auch wie-der zurück!

LOCI-Methode

Und um nun diese Ergebnisreihe zufestigen, kommt die LOCI-Methode zumEinsatz.

Helfen Sie dem Kind, die Rechnun-gen der Malreihe von 2 inklusive Ergeb-nis an seinem Gesicht „abzulegen“.

Tasten Sie auf sein Kinn und spre-chen dazu: „1 mal 2 ist 2.“ Tasten Sie aufseine Nase und sprechen Sie dazu: „2mal 2 ist 4.“

Diese beiden Gesichtsplätze sindzunächst ausreichend. Das Kind be-nötigt Zeit, zwei völlig unterschiedlicheInformationen miteinander in Verbin-dung zu bringen. Wiederholen Sie im-mer wieder diese beiden Malrechnun-gen und berühren Sie dabei sowohl Ihreigenes Gesicht als auch jenes Ihres Kin-des. Vielleicht übernimmt es ja schonbald selbst die Führung. Wenn es diesebeiden Gesichtsplätze sicher beherrscht,nehmen Sie einen weiteren dazu (linkeWange). Nach zahlreichen Wiederho-lungen dann den nächsten (rechte Wan-ge). So lange, bis alle Malrechnungender Zweierreihe einen Gesichtsplatz zu-geordnet bekommen haben.

Diese Strategie unterstützt die Ab-speicherung und die Festigung.linke Wange: „3 mal 2 ist 6“rechte Wange: „4 mal 2 ist 8“linkes Ohr: „5 mal 2 ist 10“

rechtes Ohr: „6 mal 2 ist 12“linke Augenbraue: „7 mal 2 ist 14“rechte Augenbraue: „8 mal 2 ist 16“Stirn: „9 mal 2 ist 18“Haare: „10 mal 2 ist 20“

Für weitere Malreihen unbedingt ande-re Körperplätze suchen, z.B. die Dreier-reihe im Brust- und Schulterbereich, dieViererreihe an der linken Hand usw.

Der Kopfbereich ist und bleibtzwecks Klarheit und Eindeutigkeit fürdie Zweierreihe reserviert.

Kommt Ihnen das alles komisch vor?Wahrscheinlich nur deshalb, weil esnicht vertraut ist. Probieren Sie es docheinmal aus, die Erfahrung zeigt, dassdie Kinder meist großen Spaß daran ha-ben.

Und: Haben Sie für die Malreihen Ih-re Körperplätze gefunden, lassen sichauch In-Rechnungen auf die gleiche Artund Weise lösen.

Zum Abschluss noch ein weises Zitatvon Konfuzius (500 v. Chr.):„Lass es mich hören und ich werde esvergessen. Lass es mich sehen und ichwerde es erinnern. Lass es mich tun undich werde es verstehen.“

müssen keine Stäbchen für die Veran-schaulichung der Zehner mehr zum Ein-satz kommen. Diese Funktion überneh-men dann die Knöchel an den Finger-wurzeln. Diese Strategie ermöglichtauch das Rechnen im Zahlenraum 100ausschließlich mit unseren Fingern.

Und darüber hinaus ist es wohl legi-tim, Additionen und Subtraktionendurch „Untereinanderschreiben“ zu lö-sen, oder? Tun wir ja schließlich auch.Und dann gibt’s ja auch immer noch denTaschenrechner.

Das Einmaleins

So, und wie ist das nun mit dem „Klei-nen Einmaleins“?

Dazu ein kleiner Ausflug in die Ge-schichte der großen römischen Redner.Diese hatten sich eine Strategie ange-eignet, um auch bei langen Reden nichtden roten Faden zu verlieren. Sie unter-teilten sich ihre Reden in einzelne mar-kante Stichwörter (ähnlich wie kleineZwischenüberschriften). Standen sie ineiner Säulenhalle, so „hefteten“ sie ge-danklich an jede der zahlreichen Säulenje ein Stichwort ihrer Rede. Und wäh-rend sie nun sprachen, wanderte ihrBlick immer zur nächsten Säule, undschon war das nächste Stichwort da.Weiter ging’s. In großen Hallen angeb-lich bis zu fünf Stunden pro Redner. Da-mals gab es aber noch keinen Fernse-her, also hatten die Zuhörer vermutlichauch mehr Zeit.

Diese Strategie findet heute im Ge-dächtnistraining weite Verbreitung undwird als „LOCI-Methode“ bezeichnet.Loci bedeutet „Orte“.

Und nun zurück zum „Kleinen Ein-maleins“: Auch hier wenden wir die LO-CI-Methode an.

Ein Beispiel an der Malreihe von 2: Zunächst ist es nötig, den Begriff

„mal“ mit allen Sinnen zu begreifen, al-so lange vor dem Rechnen mit dem Mal-nehmen zu experimentieren.

Etwa so: 10 Schüsseln aufstellen, injede Schüssel 2 Murmeln legen. Verbalbegleiten.

Oder: 3 Kinder bekommen je 2 Ma-rillen. Wichtig ist dabei, das eigene Tunsprachlich zu beschreiben. Also: „Ein-mal zwei, zweimal zwei, dreimal zwei.“Das Ergebnis ist vorerst noch nicht vonBedeutung.

Um auch zum Rechnen zu kommen,wird mit den Fingern hochgezählt. Ge-nauso wie bei den Additionen.

Informationen

Wenn Sie nun mehr Fragen als Antworten haben, lade ich Sie ein,mit mir Kontakt aufzunehmen.Mag. Bernadette WieserInstitut Leben Lachen LernenVordernbergerstraße 22, 8700 Leoben, ÖsterreichTel.: 0043/3842/26852E-Mailto:[email protected]: www.down-syndrom.atSie können auch den mobilen Work-shop „Rechnen lernen mit links undrechts“ besuchen, zur Abklärung vonZeit und Ort rufen Sie mich am bes-ten an!

42Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

„Spielen ist die einzige Art, richtig verstehen zu lernen.“ Frederic Vester, der Autor des großartigen Buches „Denken,lernen, vergessen“, fasst in einem einzigen Satz die zentra-le Botschaft des vierteiligen Artikels „Rechnen lernen mitlinks und rechts“ zusammen. Wenn es gelingt, unseren Kindern Lerninhalte spielerisch zuvermitteln, so werden sie diese auch spielend bewältigen.Und genau in dieser spielerischen Vermittlung liegt diegroße Kunst des Lehrenden. Niemand muss ein gelernterPädagoge sein, um Kinder motivieren und begeistern zukönnen. Es genügt, auf deren Signale zu hören, ihre Inter-essen mit einzubeziehen und „komplizierte Sachverhalte“,wie eben die Mathematik, mit allen Sinnen begreifbar zumachen.Dies habe ich in den bisher erschienenen Artikeln zu ver-mitteln versucht. Ich danke den zahlreichen Lesern/-innenherzlich, die die unterschiedlichen Anregungen gleich aus-probiert und mir ihre Erfahrungen mitgeteilt haben. Bittemachen Sie weiter, ich notiere alle Erfahrungsberichte undlerne viel dabei! Besonders lustig sind jene Schilderungenvon Alltagssituationen, in denen Spiele aus den unterschied-lichen Teilleistungsbereichen oder Rechenoperationenaufunkonventionelle und kreative Weise zum Einsatz kommen.Spiele jeder Art sind ein großartiges und unterhaltsamesTraining für unsere grauen Zellen. Viele davon eignen sichauch zwischendurch für Wartezeiten, für Autofahrten oderfür „Durchhänger“. Und das Beste daran: Die Materialiendafür haben Sie immer mit: Ihre Finger. Zur Erinnerung: Wenn es dann über den Zehner geht, müs-sen es unterwegs nicht unbedingt die Zehnerstäbchen sein.Diese lassen sich auch durch Essbesteck, Strohhalme, Holz-stöckchen, echtes Geld usw. ersetzen. Wichtig ist, nichtstarr an Vorgaben hängen zu bleiben, sondern flexibel aufSituationen zu reagieren und mit Spaß bei der Sache zusein.

Große Zahlenräume

In diesem vierten und letzten Teil desArtikels „Rechnen lernen mit links undrechts“ beschreibe ich Ihnen noch kurzden Aufbau von großen Zahlenräumen.Wenn Sie den bisherigen Ausführungenkonsequent gefolgt sind, ergeben sichdie weiteren Schritte als logischeSchlussfolgerung.

Geht es über den Zahlenraum 100hinaus, verwenden wir 100-er Platten,die die Kinder aus zehn aneinander ge-klebten Zehnerstäbchen leicht selberherstellen können. Diese Hunderterplat-ten haben also eine Größe von 10 mal 10Zentimetern und werden grün bemalt.Grün deshalb, da in vielen Mathema-tikbüchern die Hunderter mit grünerFarbe hervorgehoben werden.

Und geht es sogar noch hoch zumTausender, so benötigen wir einen Wür-fel, der 10 Zentimeter hoch, 10 Zenti-meter breit und 10 Zentimeter lang ist.Also genauso groß wie 10 Hunderter-platten. Auch hier ist es wichtig, dass dieKinder diesen Tausenderwürfel selbstherstellen, um bereits beim Tun einenEinblick in die Mächtigkeit der Menge zubekommen.

Nun wird nach genau jenem Schemaweitergerechnet, wie bereits im letztenHeft beschrieben.

Damit es unseren Kindern auch ge-lingt, den Umgang mit Geld allmählichzu erlernen, empfiehlt es sich, anstattvon Zehnerstäbchen und Hunderterta-feln Spielgeld (und von Zeit zu Zeit auchechtes Geld) zu verwenden.

Diese Umstellung bereitet keineSchwierigkeiten, meist sind die Kindersogar sehr stolz darauf, nun „wie dieGroßen“ rechnen zu können. Dass indieser Phase auch ein Taschengeld fäl-lig wird, versteht sich wohl von selbst.

Und noch ein Ausblick in die Zu-kunft: Ob die Rechenkompetenzen vonMenschen mit Down-Syndrom so weitentwickelt werden können, dass ihnenim Erwachsenenalter „das Rechnen imKopf“ gelingt, kann ich zurzeit wederbejahen noch verneinen. Dazu fehlen imAugenblick einfach die Erfahrungswerte.

Was aber gelingt: unabhängig zuwerden von Materialien. Das heißt, ineiner weiteren Stufe der Abstraktion

Rechnen lernen mit links und rechts!Bernadette Wieser

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30Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

Sprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom – ein Leben langJean Rondal

Bei den beiden letzten Down-Syndrom-Kongressen in Genua und in Palma de Mallorca fasste Jean Rondal in seinem Vortrag zusammen,was bei der Sprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom beachtetwerden sollte. Er betonte, wie wichtig und dringend notwendig es sei, effektivere Förderprogramme für diesen Personenkreis zu entwickeln,damit ein möglichst hoher Entwicklungsstand erreicht wird. Denn jehöher das erreichte Entwicklungsniveau des Einzelnen ist, desto mehrwird dies zur Verbesserung seiner Lebensqualität beitragen, desto nützlicher wird diese Person für die Gesellschaft sein und desto geringerwerden die sozialen Ressourcen sein, die man für ihn langfristig aufbringen muss.

Das wichtigste Ziel von Sprachförde-rung ist es logischerweise, bei Men-

schen mit ernsthaften Sprachproblemenden Entwicklungsverlauf und das schließ-lich erreichte Niveau ihrer sprachlichenFertigkeiten wesentlich zu verbessern.

Bei Menschen mit genetischen Syn-dromen, wie u.a. Down-Syndrom, diemit einer Entwicklungsverzögerung ein-hergehen, geht es darum, die Entwick-lung so zu beeinflussen, dass dadurchein Niveau erreicht wird, das man sonstmöglicherweise nicht erreicht hätte.

Kenntnisse erforderlich

Um effektiv fördern zu können, ist eswesentlich, dass man über möglichstviele Kenntnisse betreffend das patholo-gische Bild der Behinderungsart, ihreMerkmale und ihren Entwicklungsver-lauf verfügt. Dies ist ebenfalls logisch, je-doch hapert es in der Praxis häufig aneben diesen Kenntnissen.

Dabei ist über den Verlauf und dietypischen Merkmalen der Sprachent-wicklung bei Menschen mit Down-Syn-drom heute durch zahlreiche Publika-tionen auf diesem Gebiet, vor allem ausden letzten 25 Jahren, relativ viel be-kannt.

Sprache bei Menschen mit Down-Syndrom

Die Sprachentwicklung und die Ent-

wicklung der Sprechfähigkeit von Perso-nen mit Down-Syndrom können am bes-tenumschrieben werden – unter der Ver-wendung von Oberbegriffen – als ge-kennzeichnet durch Defizite im forma-len Bereichin Verbindung mit einer bes-ser erhaltenen semantischen undpragmatischen Veranlagung (Rondal &Edwards, 1997).

Außerdem gibt es bedeutende indi-viduelle Unterschiede in der Entwick-lung und der Sprachkompetenz (cf.Rondal, 1995, 2003).

Artikulatorische und co-artikulatori-sche Probleme sind die Regel, vor allembei den schwierigeren Phonemen in denverschiedenen Sprachen.

Gleichzeitig liegt häufig eine verzö-gerte und unvollständige Reifung derphonetischen Diskriminierung vor.

Morphosyntaktische Einschränkun-gen verringern die Länge und die for-male Komplexität der Äußerungen.

Die Flexionsmorphologie kann pro-blematisch und unbeständig sein.

Die Sprachproduktion von Neben-sätzen und komplexen Sätzen ist einge-schränkt. Dies gilt ebenso für das Ver-ständnis solcher Sätze.

Oft fehlt bei längeren sprachlichenÄußerungen der Zusammenhang.

Im Gegensatz dazu werden norma-lerweise keine speziellen Schwierigkei-ten bei der konkreten Deutung von Wör-

tern oder einfachen semantischenStrukturen in zusammengesetzter Spra-che festgestellt.

Außerdem entspricht das sprachli-che Handeln, was den sozialen und in-haltlichen Aspekt betrifft, durchaus demmentalen Alter, allerdings mit einge-schränkten formalen Mitteln.

Auch die räumlichen, zeitlichen undsozialen Deixis und Voraussetzungenentsprechen dem mentalen Entwick-lungsalter.

Das Verstehen von zusammenhän-genden, erzählerischen, beschreiben-den und argumentativen Äußerungenverbessert sich bei zunehmendem Ent-wicklungsalter.

Förderung der Sprache langfristiganlegen

Aus dem heutigen Wissensstand überdie Sprachentwicklung und den Sprach-gebrauch bei Menschen mit Down-Syn-drom können wir schließen, dass wiram besten von einer langfristig angeleg-ten Förderung ausgehen müssen. Dies-bezüglich können wir vier verschiedenePhasen unterscheiden:1. Frühe Förderung2. Förderung im Schulalter 3. Weiterführende Förderung im Er-

wachsenenalter4. Förderung zum Erhalt der Fähigkei-

ten auch im hohen Alter

F Ö R D E R U N G

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 31

Jede Phase hat ihre spezifischen Inhal-te und Ziele, die ich hier kurz umschrei-ben möchte. Dabei werde ich aus Zeit-gründen nur ausführlicher auf einer-seits das prelinguistische Training undandererseits auf das Training zum Er-halt erworbener Fähigkeiten im Altereingehen. Beide Bereiche sind wenig be-kannt und werden noch ungenügendpraktiziert.

Frühe Förderung der Sprache

In Belgien wird Frühförderung rechtlichdefiniert als die unterstützenden Hilfenfür ein Kind mit Behinderung und seineFamilie sowie die technischen Hilfen,die von den ersten Monaten bis zumsechsten Lebensjahr angeboten werdenkönnen.

Heutzutage wird die Notwendigkeitvon Frühförderung für Kinder mit Down-Syndrom von niemand mehr inFrage gestellt. Die Hauptgründe möchteich hier kurz in Erinnerung rufen:

1. In den Industriestaaten wird heut-zutage Down-Syndrom vor oder direktnach der Geburt diagnostiziert, dies er-möglicht ein Handeln direkt von Anfangan.

2. Es ist nicht nur möglich, früh mitFörderung anzufangen, es ist auchhöchst empfehlenswert, dies zu tun,wenn man die bestmöglichen Ergebnis-se bei vielen Entwicklungsaspekten beieinem Kind mit Down-Syndrom errei-chen will.

Darüber hinaus bauen die Entwick-lungen der wichtigsten kognitiven undsprachlichen Systeme und Subsystemeaufeinander auf. Dies bedeutet, dass je-der Zuwachs in den ersten Entwick-lungsstadien positive Auswirkungen aufweitere Fertigkeiten und auf das Niveau,das schließlich erreicht wird, habenwird.

3. Wenn es, wie viele Wissenschaft-ler heute meinen, kritische oder sensiblePerioden für das Erwerben von Basis-fertigkeiten gibt (darunter vor allem dieSprache), wobei besondere Reifungspe-rioden, Lebenserfahrungen und senso-rische Reize interagieren, wird es nochwichtiger, Frühförderung so zu gestal-ten, dass es dem Kind ermöglicht wird,sich besser und schneller zu entwickeln.

Hypothese der Verzögerung bestätigt

Wissenschaftliche Studien aus den letz-ten 25 Jahren bestätigen, dass Men-

schen mit Down-Syndrom in ihrer mo-torischen, kognitiven, emotionalen, af-fektiven, sprachlichen und sozialen Ent-wicklung die gleiche Folge an Schrittendurchlaufen wie Personen, die in ihrerEntwicklung nicht eingeschränkt sind.

Deshalb kann man heute auf die Fra-ge, die viele Jahre lang gestellt wurde,ob nun die Entwicklung bei Down-Syn-drom bloß verzögert sei (und nichtkomplett) oder tatsächlich von einernormal verlaufenden Entwicklung ab-weicht, eindeutig antworten mit: Es liegteine Verzögerung vor.

Dies hat bedeutende Auswirkungenauf die Förderung. Die Tatsache, dassEntwicklung bei Down-Syndrom schein-bar eine „Kopie“ von der normalen Ent-wicklung ist, aber mit einem zeitlich an-deren Verlauf und am Ende unvollstän-dig – beim schließlich erreichten Ent-wicklungsstand stellt man tatsächlichgroße individuelle Unterschiede fest,verursacht durch den Einfluss konstitu-tioneller und umweltbedingter Faktoren– gibt uns erstens einen genauen Ar-beitsplan und zweitens eine sensibleHandhabe, um die Effektivität der För-derung zu testen.

1. ArbeitsplanAus der normalen Entwicklung könnenwir automatisch die Schritte ableiten,die wir bei unserem Förderangebot be-folgen und bevorzugen sollten, um dasWeiterkommen des Kindes innerhalb ei-ner Sequenz von Entwicklungsschrittenin den einzelnen Bereichen (hier z.B.der Spracherwerb) von Stufe A nach B,C, usw. möglichst zu beschleunigen.

2. Beurteilung des FörderprogrammsDas jeweilige Tempo, womit wir dasKind innerhalb einer Sequenz von Ent-wicklungsschritten vom Level A nach B,C usw. bewegen können, sowie die Sta-bilität seiner erlernten Fertigkeiten sindwichtige Hinweise bei der Beurteilungvon dem Wert, der Bedeutung und derEffektivität eines Förderprogramms.

Frühe Sprachförderung/Prelinguisti-sches Training/Sprachanbahnung

Folgende Ziele sollten Teil jedes Pro-gramms sein, das sich mit der prelin-guistischen Förderung von Kindern mitDown-Syndrom befasst:

Sensibilisierung des Babys für dieNuancen und die melodischen Merk-male der mütterlichen Stimme undSprache, indem es konsequent, nuan-ciert und abwechslungsreich angespro-

chen wird.Sensibilisierung des Babys für die Re-

gelmäßigkeit in der mütterlichen Spra-che, was Rhythmik und den Gebrauchvon Silben, Vokalen und Konsonantenbetrifft, um die phonetische Diskrimi-nierung in einfacher Umgangssprachezu fördern.

In den nächsten Monaten soll man denVersuchen des Babys, zu vokalisierenund zu babbeln, viel Aufmerksamkeitschenken, diese Versuche „würdigen“,darauf reagieren und so verstärken,dass die Lautproduktion des Babys all-mählich immer mehr Lautmuster der esumgebenden Sprache erhält.

Etwas später sollte sorgfältig auf dieersten Protowörter und erste Versuchedes Kindes, sich mitzuteilen, geachtetwerden. Diese wahrzunehmen und sys-tematisch zu verstärken ist wichtig.

Gleichzeitig sollen in der fortgeschrit-tenen Lallphase und beim Benutzen vonProtowörtern die nonverbale Kommuni-kation und die Imitation durch Gebär-den gefördert werden.

Symbolisches Spiel und die Kreativitätdes Kindes sollen gefördert werden, weilsie einen ähnlichen Ausgangspunkt ha-ben wie die frühe Sprache.

Lexikalisches, semantisches und morphosyntaktisches Training

Die lexikalische Entwicklung (Aufbaudes Wortschatzes) bei Kindern mit Down-Syndrom ist verzögert undmanchmal erschwert. Um diese Ent-wicklung zu fördern, muss an verschie-denen Aspekten gearbeitet werden.Kurz zusammengefasst sind dies:

das lexikalische Symbolisme, d.h. dasVerständnis, dass Wörter (Reihenfolgenvon Lauten) für bestimmte Objekte, Ka-tegorien etc. stehen

die Entwicklung des Kurzzeit- und desLangzeitgedächtnisses

die artikulatorische und co-artikulato-rische Entwicklung.Die lexikalischen Strategien, die mandazu benutzt, sind für Kinder mit Down-Syndrom die gleichen wie für sich nor-mal entwickelnde Kinder.

Semantisches und morpho-syntaktisches Training

Grammatik basiert auf den semanti-schen Relationen – die zusammenhän-genden Bedeutungsstrukturen, die eszwischen (nicht innerhalb der Wörter)Wörtern gibt.

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200543

FÖRDERUNG

„1 mal 2 ist 2“ (2 Finger ausstrecken)„2 mal 2 ist 4“ (weitere zwei Finger da-zu) usw.Das Kind rechnet bis zum Ergebnis „10mal 2 ist 20“ hoch und dann auch wie-der zurück!

LOCI-Methode

Und um nun diese Ergebnisreihe zufestigen, kommt die LOCI-Methode zumEinsatz.

Helfen Sie dem Kind, die Rechnun-gen der Malreihe von 2 inklusive Ergeb-nis an seinem Gesicht „abzulegen“.

Tasten Sie auf sein Kinn und spre-chen dazu: „1 mal 2 ist 2.“ Tasten Sie aufseine Nase und sprechen Sie dazu: „2mal 2 ist 4.“

Diese beiden Gesichtsplätze sindzunächst ausreichend. Das Kind be-nötigt Zeit, zwei völlig unterschiedlicheInformationen miteinander in Verbin-dung zu bringen. Wiederholen Sie im-mer wieder diese beiden Malrechnun-gen und berühren Sie dabei sowohl Ihreigenes Gesicht als auch jenes Ihres Kin-des. Vielleicht übernimmt es ja schonbald selbst die Führung. Wenn es diesebeiden Gesichtsplätze sicher beherrscht,nehmen Sie einen weiteren dazu (linkeWange). Nach zahlreichen Wiederho-lungen dann den nächsten (rechte Wan-ge). So lange, bis alle Malrechnungender Zweierreihe einen Gesichtsplatz zu-geordnet bekommen haben.

Diese Strategie unterstützt die Ab-speicherung und die Festigung.linke Wange: „3 mal 2 ist 6“rechte Wange: „4 mal 2 ist 8“linkes Ohr: „5 mal 2 ist 10“

rechtes Ohr: „6 mal 2 ist 12“linke Augenbraue: „7 mal 2 ist 14“rechte Augenbraue: „8 mal 2 ist 16“Stirn: „9 mal 2 ist 18“Haare: „10 mal 2 ist 20“

Für weitere Malreihen unbedingt ande-re Körperplätze suchen, z.B. die Dreier-reihe im Brust- und Schulterbereich, dieViererreihe an der linken Hand usw.

Der Kopfbereich ist und bleibtzwecks Klarheit und Eindeutigkeit fürdie Zweierreihe reserviert.

Kommt Ihnen das alles komisch vor?Wahrscheinlich nur deshalb, weil esnicht vertraut ist. Probieren Sie es docheinmal aus, die Erfahrung zeigt, dassdie Kinder meist großen Spaß daran ha-ben.

Und: Haben Sie für die Malreihen Ih-re Körperplätze gefunden, lassen sichauch In-Rechnungen auf die gleiche Artund Weise lösen.

Zum Abschluss noch ein weises Zitatvon Konfuzius (500 v. Chr.):„Lass es mich hören und ich werde esvergessen. Lass es mich sehen und ichwerde es erinnern. Lass es mich tun undich werde es verstehen.“

müssen keine Stäbchen für die Veran-schaulichung der Zehner mehr zum Ein-satz kommen. Diese Funktion überneh-men dann die Knöchel an den Finger-wurzeln. Diese Strategie ermöglichtauch das Rechnen im Zahlenraum 100ausschließlich mit unseren Fingern.

Und darüber hinaus ist es wohl legi-tim, Additionen und Subtraktionendurch „Untereinanderschreiben“ zu lö-sen, oder? Tun wir ja schließlich auch.Und dann gibt’s ja auch immer noch denTaschenrechner.

Das Einmaleins

So, und wie ist das nun mit dem „Klei-nen Einmaleins“?

Dazu ein kleiner Ausflug in die Ge-schichte der großen römischen Redner.Diese hatten sich eine Strategie ange-eignet, um auch bei langen Reden nichtden roten Faden zu verlieren. Sie unter-teilten sich ihre Reden in einzelne mar-kante Stichwörter (ähnlich wie kleineZwischenüberschriften). Standen sie ineiner Säulenhalle, so „hefteten“ sie ge-danklich an jede der zahlreichen Säulenje ein Stichwort ihrer Rede. Und wäh-rend sie nun sprachen, wanderte ihrBlick immer zur nächsten Säule, undschon war das nächste Stichwort da.Weiter ging’s. In großen Hallen angeb-lich bis zu fünf Stunden pro Redner. Da-mals gab es aber noch keinen Fernse-her, also hatten die Zuhörer vermutlichauch mehr Zeit.

Diese Strategie findet heute im Ge-dächtnistraining weite Verbreitung undwird als „LOCI-Methode“ bezeichnet.Loci bedeutet „Orte“.

Und nun zurück zum „Kleinen Ein-maleins“: Auch hier wenden wir die LO-CI-Methode an.

Ein Beispiel an der Malreihe von 2: Zunächst ist es nötig, den Begriff

„mal“ mit allen Sinnen zu begreifen, al-so lange vor dem Rechnen mit dem Mal-nehmen zu experimentieren.

Etwa so: 10 Schüsseln aufstellen, injede Schüssel 2 Murmeln legen. Verbalbegleiten.

Oder: 3 Kinder bekommen je 2 Ma-rillen. Wichtig ist dabei, das eigene Tunsprachlich zu beschreiben. Also: „Ein-mal zwei, zweimal zwei, dreimal zwei.“Das Ergebnis ist vorerst noch nicht vonBedeutung.

Um auch zum Rechnen zu kommen,wird mit den Fingern hochgezählt. Ge-nauso wie bei den Additionen.

Informationen

Wenn Sie nun mehr Fragen als Antworten haben, lade ich Sie ein,mit mir Kontakt aufzunehmen.Mag. Bernadette WieserInstitut Leben Lachen LernenVordernbergerstraße 22, 8700 Leoben, ÖsterreichTel.: 0043/3842/26852E-Mailto:[email protected]: www.down-syndrom.atSie können auch den mobilen Work-shop „Rechnen lernen mit links undrechts“ besuchen, zur Abklärung vonZeit und Ort rufen Sie mich am bes-ten an!

42 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

F Ö R D E R U N G

„Spielen ist die einzige Art, richtig verstehen zu lernen.“ Frederic Vester, der Autor des großartigen Buches „Denken,lernen, vergessen“, fasst in einem einzigen Satz die zentra-le Botschaft des vierteiligen Artikels „Rechnen lernen mitlinks und rechts“ zusammen. Wenn es gelingt, unseren Kindern Lerninhalte spielerisch zuvermitteln, so werden sie diese auch spielend bewältigen.Und genau in dieser spielerischen Vermittlung liegt diegroße Kunst des Lehrenden. Niemand muss ein gelernterPädagoge sein, um Kinder motivieren und begeistern zukönnen. Es genügt, auf deren Signale zu hören, ihre Inter-essen mit einzubeziehen und „komplizierte Sachverhalte“,wie eben die Mathematik, mit allen Sinnen begreifbar zumachen.Dies habe ich in den bisher erschienenen Artikeln zu ver-mitteln versucht. Ich danke den zahlreichen Lesern/-innenherzlich, die die unterschiedlichen Anregungen gleich aus-probiert und mir ihre Erfahrungen mitgeteilt haben. Bittemachen Sie weiter, ich notiere alle Erfahrungsberichte undlerne viel dabei! Besonders lustig sind jene Schilderungenvon Alltagssituationen, in denen Spiele aus den unterschied-lichen Teilleistungsbereichen oder Rechenoperationen aufunkonventionelle und kreative Weise zum Einsatz kommen.Spiele jeder Art sind ein großartiges und unterhaltsamesTraining für unsere grauen Zellen. Viele davon eignen sichauch zwischendurch für Wartezeiten, für Autofahrten oderfür „Durchhänger“. Und das Beste daran: Die Materialiendafür haben Sie immer mit: Ihre Finger. Zur Erinnerung: Wenn es dann über den Zehner geht, müs-sen es unterwegs nicht unbedingt die Zehnerstäbchen sein.Diese lassen sich auch durch Essbesteck, Strohhalme, Holz-stöckchen, echtes Geld usw. ersetzen. Wichtig ist, nichtstarr an Vorgaben hängen zu bleiben, sondern flexibel aufSituationen zu reagieren und mit Spaß bei der Sache zusein.

Große Zahlenräume

In diesem vierten und letzten Teil desArtikels „Rechnen lernen mit links undrechts“ beschreibe ich Ihnen noch kurzden Aufbau von großen Zahlenräumen.Wenn Sie den bisherigen Ausführungenkonsequent gefolgt sind, ergeben sichdie weiteren Schritte als logischeSchlussfolgerung.

Geht es über den Zahlenraum 100hinaus, verwenden wir 100-er Platten,die die Kinder aus zehn aneinander ge-klebten Zehnerstäbchen leicht selberherstellen können. Diese Hunderterplat-ten haben also eine Größe von 10 mal 10Zentimetern und werden grün bemalt.Grün deshalb, da in vielen Mathema-tikbüchern die Hunderter mit grünerFarbe hervorgehoben werden.

Und geht es sogar noch hoch zumTausender, so benötigen wir einen Wür-fel, der 10 Zentimeter hoch, 10 Zenti-meter breit und 10 Zentimeter lang ist.Also genauso groß wie 10 Hunderter-platten. Auch hier ist es wichtig, dass dieKinder diesen Tausenderwürfel selbstherstellen, um bereits beim Tun einenEinblick in die Mächtigkeit der Menge zubekommen.

Nun wird nach genau jenem Schemaweitergerechnet, wie bereits im letztenHeft beschrieben.

Damit es unseren Kindern auch ge-lingt, den Umgang mit Geld allmählichzu erlernen, empfiehlt es sich, anstattvon Zehnerstäbchen und Hunderterta-feln Spielgeld (und von Zeit zu Zeit auchechtes Geld) zu verwenden.

Diese Umstellung bereitet keineSchwierigkeiten, meist sind die Kindersogar sehr stolz darauf, nun „wie dieGroßen“ rechnen zu können. Dass indieser Phase auch ein Taschengeld fäl-lig wird, versteht sich wohl von selbst.

Und noch ein Ausblick in die Zu-kunft: Ob die Rechenkompetenzen vonMenschen mit Down-Syndrom so weitentwickelt werden können, dass ihnenim Erwachsenenalter „das Rechnen imKopf“ gelingt, kann ich zurzeit wederbejahen noch verneinen. Dazu fehlen imAugenblick einfach die Erfahrungswerte.

Was aber gelingt: unabhängig zuwerden von Materialien. Das heißt, ineiner weiteren Stufe der Abstraktion

Rechnen lernen mit links und rechts!Bernadette Wieser

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32 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

F Ö R D E R U N G

Es ist wichtig, auf dieser Sprachstufeerst mit dem Üben von Zwei- und Drei-wortsätzen anzufangen, bevor man sichden eindeutigen formalen Strukturenzuwendet (grammatikalische Eintei-lung, Satzstrukturen etc., die noch überdem Niveau der aktuellen Kommunika-tion liegen; cf. Rondal & Edwards, 1997).

Erste wichtige semantische Relatio-nen sind u.a. Objektpermanenz, Besitz-verhältnisse, qualitative und quantitati-ve Eigenschaften, intransitive Bezie-hungen (der Junge lächelt) und transiti-ve Beziehungen (der Milchmann bringtdie Milch), Bestätigung, Verneinung,Akzeptanz, Ablehnung und Verweige-rung.

Förderung im Schulalter

Angesichts des verzögerten Spracher-werbs bei Kindern mit Down-Syndromwerden diese Kinder während ihrer ge-samten Grund- und Hauptschulzeit wei-tere Sprachförderung brauchen.

Diese Förderung sollte in enger Zu-sammenarbeit mit den Schulen und denLehrern geplant und ausgeführt wer-den. Genau dies ist jedoch ein sehr kom-plexes Problem und wir sind in unserenLändern heutzutage noch weit von einerzufrieden stellenden Lösung entfernt.

Es müssen Teams von Spezialistenmit Lehrern (die dann hoffentlich besserinformiert und ausgebildet sind, als diesheute häufig der Fall ist) zusammenar-beiten bei der Ausführung von weiter-führenden individuellen Sprachförder-programmen für das einzelne Kind, so-wohl in Sonderschulen wie in einer in-tegrativen Schulumgebung.

Weiterführende Förderung derSprache im Erwachsenenalter

Wissenschaftliche Studien zeigen, dasses auch bei jungen Erwachsenen mitDown-Syndrom noch möglich ist, ver-schiedene Aspekte ihrer Sprache deut-lich zu verbessern.

Besonders in den Bereichen Wort-schatz, Semantik (Bedeutung), Pragma-tik (die Verwendung von Sprache) istdas Weiterlernen noch möglich (aller-dings mit großen individuellen Unter-schieden).

4. Förderung zum Erhalt der Fähigkeiten auch im hohen Alter

Es scheint, dass bei den meisten Men-schen mit dem Syndrom der neuropsy-chologische Abbau – unabhängig von ei-

ner Alzheimer-Erkrankung – früher ein-setzt (Brown, 1985; Thopsom, 1999;van Buggenhout et al., 2001).

Die Disposition zu einem früh ein-setzenden Alterungsprozess bei Down-Syndrom könnte in Verbindung stehenmit einer Überproduktion von Genenauf Chromosom 21, speziell von SOD,Superoxyd-Dismutase, das mit verant-wortlich ist für das Entstehen von Alz-heimer, sowie von Genen, die auf ande-ren Chromosomen lokalisiert sind. (Roy-ston, Pickering-Brown, & Owen, 1994)

Es findet vor dem 50. Lebensjahr beider rezeptiven wie bei der produktivenSprache kein eindeutiger Abbau statt.Dies bestätigen Untersuchungen vonRondal & Comblain (1996, 2002), Das,Divis, Alexander, Parills & Naglieri(1995), und Ergebnisse aus den Lang-zeitstudien von Devenny, Hill, Patxot,Silverman & Wisniewski (1992), BurtLoveland, Chen, Chuang, Lewis & Cerry(1995) und George, Thewis, Van derLinden, Salmon & Rondal (2001).

Wie dieser Prozess bei diesem Per-sonenkreis nach dem 50. Lebensjahr ge-nau abläuft, ist bis heute nicht klar, weildazu systematische Daten fehlen. Wahr-scheinlich handelt es sich um einen all-mählichen Abbau über Jahre, so wiedies auch von Menschen ohne mentaleBehinderung berichtet wird (Rondal &Edwards, 1997).

Dies rechtfertigt meiner Ansichtnach das Einführen eines besonderenBereichs innerhalb unserer Förderpro-gramme, der dem Erhalt von sprachli-chen Fähigkeiten von älteren und altenPersonen mit Down-Syndrom gewidmetist. Bis jetzt geschieht in diesem Bereichsehr wenig oder gar nichts. Durch ge-zielte Maßnahmen kann man hoffen,den Prozess eines verfrühten Sprachab-baus zu verlangsamen (natürlich wür-den auch andere Entwicklungsbereichevon ähnlichen Bestrebungen profitieren).

Was wäre das Ziel eines solchen Pro-gramms? Folgende Aspekten haben Pri-orität:

1. Damit eventuelle Veränderungenim auditiven System rechtzeitig entdecktwerden, soll man sorgfältig beobachten,ob der älter werdende Mensch mitDown-Syndrom noch entsprechend aufSprache, Geräusche etc. reagiert.

2. Das möglichst häufige Benutzenvon bekanntem Wortschatz (Sprachpro-duktion) soll stets ermutigt werden, da-

mit der zunehmenden Schwierigkeit,Wörter aus dem semantischen Gedächt-nis abzurufen, entgegengewirkt wird.

3. Rezeptive und produktive Sprach-prozesse sollen stimuliert werden, umdem Verlangsamen dieser Prozesse ent-gegenzuwirken.

4. Es sollen wieder und weiter Kon-versation und Sprachverständnis geübtwerden – Bereiche, die häufig schon ein-geschränkt waren.

Zusammenfassung

Es ist wichtig, sich bei Menschen mitDown-Syndrom auf eine lebenslangeFörderung von Sprache (und von ande-ren Bereichen genauso) einzustellen,damit maximale Effizienz erreicht wird.

Man muss sich in diesem Zusam-menhang auch bewusst sein, dass ob-wohl in den Industrieländern die Zahlder Menschen mit Down-Syndrom ab-nimmt (bedingt durch die pränatale Dia-gnose und die damit verbundenen Prak-tiken des so genannten therapeutischenAborts), die Zahl der älteren und altenMenschen mit Down-Syndrom zunächstund auch in den kommenden Dekadenzunehmen wird.

Heute schätzt man, dass die durch-schnittliche Lebenserwartung für Men-schen mit Down-Syndrom bei ca. 60Jahren liegt.

Die geschätzte Zuwachsrate von er-wachsenen Menschen in den nächstenDekaden liegt bei über 200 % (Steffelaar& Evenhuis, 1989).

Es ist deshalb logisch und notwendig,für eine schnelle Entwicklung effektive-rer Förderprogramme für Menschenmit Down-Syndrom zu sorgen, damitdieser Personenkreis optimal gefördertwerden kann und einen möglichst ho-hen Entwicklungsstand erreicht. Dennje höher das erreichte Entwicklungsni-veau des Einzelnen ist, desto besser istwahrscheinlich seine Lebensqualität,desto nützlicher wird diese Person fürdie Gesellschaft sein und desto geringerwerden, langfristig gesehen, die gesam-ten sozialen Ressourcen sein, die diesePerson benötigt.

PUBLIKATIONEN

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200529

Liebe DichIn dieser Ausgabe von Leben mit Down-Syndrom werdenan verschiedenen Stellen die so genannte emotionaleIntelligenz und die guten sozialen Fähigkeiten von Menschen mit Down-Syndrom erwähnt. Der Film „LiebeDich“ zeigt konkret, was das bedeutet. Ein wunderbarerDokumentarfilm, den man hervorragend bei Informations-veranstaltungen und im Rahmenprgramm bei Tagungenoder Mitgliederversammlungen einsetzen kann. Und ereignet sich gut für Eltern und Begleiter sowie für diejungen Menschen mit Down-Syndrom selbst als Disku-tiergrundlage über Themen wie Freundschaft, Partner-schaft, Sexualität und Liebe.

Liebe Dich ... zeigt Menschen, die dasDown-Syndrom haben, privat und

als Schauspieler auf der Bühne – im oftausverkauften Berliner RambaZamba-Theater. Der Film zeigt die beein-druckende emotionale Stärke der be-hinderten Menschen, zeigt ihre Kunst-fertigkeit auf der Bühne, ihre Lebenslustund Lebensfreude. Liebe Dich ... ist einFilm über Menschen, die ihr großesHerz verschenken. Ihr Umgang mit be-ruflichen und privaten Dingen konfron-tiert uns mit unseren inneren Grenzen.

Liebe Dich ... sagt Moritz zu Nele,Liebe Dich ... sagt Nele zu Moritz. LiebeDich ... – immer wieder, mitten im Ge-spräch, auf der Probe, zur Mutter, zurRegisseurin, zum Spielpartner, sagt ei-ner der behinderten Schauspieler desTheaters RambaZamba diesen Satz.Umwerfend zärtlich und direkt. Liebe

dich ... erzählt von dieser ungewöhnli-chen Theatertruppe. Auf wunderbareWeise lässt er uns begreifen, wie sehrdas Leben und die künstlerische Arbeitder Darsteller miteinander verbundensind.

„Wir sind zwei Kolleginnen“, sagtNeles Mutter, die Schauspielerin AngelaWinkler, mit zärtlicher Bewunderungfür ihre Tochter. Aber wir erfahren auch,wie schwer es für sie anfangs war, dieBehinderung ihres Kindes anzuneh-men. Ebenso wie für die Regisseurin Gi-sela Höhne, die Mutter von Moritz, undauch Julianes Eltern. „Der Umweg zuJuliane“ hat ihr Vater sein Tagebuch ausdieser Zeit überschrieben. „Sie hat unsin Besitz genommen“, sagt die Mutter.„Liebe Dich ...“ – ein langer Weg.

Immer wieder werden im Film dieGeschichten von Nele, Moritz und Julia-ne mit denen der anderen Spieler er-

gänzt. Immer wieder gehen Gesprächein Szenen aus den Aufführungen über, indenen sich die Geschichten auf faszinie-rende Weise weiterzuerzählen scheinen.

Großartige Darsteller sind da zu se-hen, berührende und hinreißend komi-sche Momente. Und wenn es in demneuen Stück, an dem sie gerade proben,um eine Welt geht, in der nur noch per-fekte Menschen Platz haben sollen, be-greift man, dass sie nicht nur fürs Lebengern spielen, sie spielen auch um ihr Le-ben.

Der Film lässt ahnen, dass ein Lebenohne die antrainierten Gesellschafts-und Konventionsfilter nicht nur anders,sondern auch besonders sein kann. Manspürt, was es bedeutet, behindert zusein, wenn Juliane, die Siebzehnjährige,die das Down-Syndrom hat, von sichsagt: „... ist mir doch egal, wenn ich be-hindert bin – ich bin ein ganz normalerMensch!“, und vergisst ihre Behinde-rung völlig, wenn man sie tanzen sieht.

In Theaterstücken, die die Regisseu-rin entlang eines Grundthemas durchImprovisation über Monate hinweg mitden Spielern entwickelt, spiegeln sichlebensweltliche Bezüge der geistig be-hinderten Menschen. Theaterregisseu-rin Gisela Höhne gelingt mit ihrenStücken, die Kunst dieser Menschen zufassen.

Es gibt die großen und lauten Mo-mente vor Publikum und die intimenMinuten zwischen zweien: Freunden,Eltern und Kindern, Brüdern undSchwestern, Verliebten. Mehr und mehrwird der Film zur Liebesgeschichte zwi-schen Moritz und Nele, die beide dasDown-Syndrom haben, die einfach ihrHerz verschenken, großzügig und unge-schützt.

Liebe Dich, ein Film von Sylvie Ba-nuls und Sabina Engel in Koproduk-tion mit dem ZDF, in Zusammenar-beit mit Arte, gefördert durch FFF-Bayern.

Liebe Dich ist als DVD(92 Minuten,Farbe) zu bestellen unter:www.basisdvd.de oderper Fax: 030 / 791 15 51Preis für private Nutzer: 24,90 Euromit Vorführrecht: 150 Euro

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 41

F Ö R D E R U N G

Schwierigkeiten bei der Bewegungsko-ordination der Sprechmuskulatur führt.

Ein Kind mit Down-Syndrom kannsowohl sprechmotorische Störungen alsauch Planungs- und Steuerungsstörun-gen haben. Die Behandlungsansätze sindunterschiedlich. Bei Beeinträchtigungen,die auf eine Schwäche der Sprechmus-kulatur zurückzuführen sind, bestehtdie Intervention darin, diese Muskulaturzu stärken. Dies kann schon lange vordem eigentlichen Spracherwerb anfan-gen, u.a. beim Üben von richtigenSchluck-, Saug- und Kaumustern undbei den unterschiedlichsten Sprachan-bahnungsübungen. Die Behandlung dermotorischen Schwierigkeiten kann des-halb schon viel früher eingesetzt werdenals Techniken, die die Sprechapraxiebehandeln.

Tests

Wie kann man feststellen, ob ein Kinddie typischen Merkmale einer Sprech-apraxie zeigt? In erster Linie geschiehtdies durch Beobachtungen der Eltern inZusammenarbeit mit einer Logopädin.Berücksichtigt werden dabei die allge-meine Sprech- und Sprachentwicklungdes Kindes, seine Mundmotorik, Lippen,Zunge, Gaumenbewegungen beim Es-sen und Sprechen. Es wird festgestellt,welche artikulatorischen und phonolo-gischen Fehler das Kind macht, wie sei-ne Sprache bei Spontanunterhaltungenist, etc.

Erst seit einiger Zeit gibt es speziellentwickelte Testbatterien, um eineSprechapraxie festzustellen. Bei diesenTests ist es erforderlich, dass das Kindschon sprechen kann. Die Kinder wer-den u.a. aufgefordert, Wörter, Phrasenoder Sätze nachzusprechen.

Es ist oft nicht einfach, sich ein ge-naues Bild von den Fehlern des Kindeszu machen, weil diese unregelmäßigauftreten und außerdem sehr schwan-kend sind. Tests, die z.B. im Abstandvon zwei Wochen durchgeführt werden,können ganz unterschiedliche Ergeb-nisse zeigen. Aber auch das ist typischfür die Sprechapraxie.

Behandlung

Die Therapie für sowohl Kinder ohne alsmit Down-Syndrom, die eine Sprech-apraxie haben, richtet sich gezielt aufÜben und Einpauken. Die Behandlunggeht in kleinen Schritten, langsam undgründlich voran. Nur bei häufigem kon-

sequentem Wiederholen der richtigenSprechbewegungsabläufe, wobei mansehr strukturiert vorgeht, kann man Er-folge feststellen.

Ich bin der Meinung, dass diese The-rapie am effektivsten ist, wenn sich dasKind und die Sprachtherapeutin in ei-nem ruhigen, separaten Raum aufhal-ten. Zwar ist in unseren Schulen einesolche „pull out“-Maßnahme (Therapeutnimmt das Kind für die Therapie ausder Klasse) nicht erwünscht, sondernman bevorzugt die „push in“-Therapie“(Therapeut arbeitet mit dem Kind in dereigenen Klasse), in diesem Fall halte iches jedoch für besser, das Kind für einesolche Therapieeinheit aus der Klassezu nehmen. Es muss sich voll konzen-trieren können auf die Sprachübungen,der übliche Geräuschpegel im Schul-zimmer würde das Kind dabei zu sehrablenken.

Freilich wird eine Therapieeinheit,die nur ein- oder zweimal wöchentlichdurchgeführt wird, die Sprechmusternicht groß verändern. Intensives Trai-ning zu Hause mit vielen kurzen, aberregelmäßigen Übungseinheiten ist füreine Verbesserung unbedingt erforder-lich. Es gibt bestimmte Dinge, die manbeachten sollte, und viele Spiele, Übun-gen, die man tun kann:

– Arbeiten Sie z.B. mit Bildern oderZeichnungen, um dem Kind zu zeigen,wo im Mund und wie die einzelnen Lau-te gemacht werden.– Ein strukturiertes Vorgehen ist wich-tig, von den leichten zu den komplizier-ten Lauten, von Einzellauten zu Doppel-lauten etc.– Arbeiten Sie zuerst wieder an „einfa-cher“ Sprache (Einwortsätze, Zweiwort-sätze) und bauen Sie dann allmählichweiter auf.– Verwenden Sie Gebärden als Unter-stützung beim Sprechen.– Sprechen Sie gemeinsam mit demKind, übertrieben langsam und deut-lich.– Singen oder rhythmisches Sprechenkönnen den Sprachfluss erleichtern.

Die meisten Behandlungspläne fürKinder mit einer Apraxie enthalten alswichtigsten Bestandteil konsequentes,regelmäßiges Üben – Drill eben! Es gehtum mehr taktile und kinästhetische Er-fahrungen. Einige Programme kombi-nieren Sprechübungen mit grobmotori-schen Bewegungen.

Tipps

Zum Schluss noch einige Tipps für zuHause:– Sprechen Sie klar und deutlich.– Singen Sie Lieder, mit begleitendenHandbewegungen und mit sich wieder-holenden Strophen. Diese Wiederholun-gen geben dem Kind die Möglichkeit, öf-ter den gleichen Satz zu sprechen.– Versuchen Sie, weniger schnell zusprechen und langsamer zu singen!(In den USA gibt es eine CD mit 26 be-kannten Kinderliedern in einer ver-langsamten Ausgabe, die sehr hilfreichist für Kinder mit Apraxie, weil sie hierbesser mitsingen können!) – Lesen Sie dem Kind Geschichten vor,in denen sich bestimmte Sätze wieder-holen oder bei denen vorhersehbar ist,welche Sätze folgen. Diese Sätze kanndas Kind lernen, mitzusprechen oderauch mitzusingen. Auch wenn es nichtden ganzen Satz schafft, dann vielleichteinige Worte oder jeweils das letzteWort. Dies vermittelt dem Kind ein po-sitives Gefühl: Es kann Wörter richtigaussprechen!

Benutzen Sie im Alltag viele Stan-dardausdrücke: „Bis später“, „alles ok“,„ja bitte“, „geht schon“. Diese kann dasKind häufig einsetzen und so üben.

– Sagen Sie nicht: „Wenn du dasWort ,Keks‘ richtig sagst, bekommst dueines!“ Das Kind kann vielleicht in die-sem Moment das Wort Keks gar nichtrichtig sagen und gerät so noch mehrunter Stress und bekommt auch einnächstes Mal dieses Wort nicht über dieLippen. Das Kind soll lieber Bilder oderGebärden zur Unterstützung seinerSprache einsetzen und sein Bemühensoll gewürdigt werden. Einsatz von Bil-dern oder Wörtern auf dem Kühl-schrank z.B. können dem Kind helfen,seine Wünsche zu äußern.

Die Motivation zu kommunizierenmuss erhalten bleiben. Das Kind sollnicht frustiert aufgeben. Deshalb müs-sen wir mit viel Fantasie und Gedulddas Kind während dieser schwierigenLernzeit begleiten.

Warum eine Erziehung zur Selbstständigkeit?

Die ganze Erwicklung und das Heran-wachsen eines Kindes können als einProzess betrachtet werden, der von derAbhängigkeit in die Selbstständigkeitführt und der abgeschlossen ist, wenndas Kind erwachsen und arbeitsfähigist, ein Bürger mit Rechten und Pflichtenwird und Beziehungen zu anderen Er-wachsenen aufbaut.

Auf dem Weg in die Selbstständigkeitstößt das behinderte Kind auf zwei Ar-ten von Hindernissen: zum einen dieSchwierigkeiten, die direkt durch seineBehinderung entstehen, zum anderendas oft ängstliche und ambivalente Ver-halten seines Umfeldes, das es manch-mal daran hindert, sein Potenzial trotzseiner benachteiligten Situation vollauszuschöpfen

Oft entwickeln die Eltern, aber auchandere, die mit dem behinderten Kindzu tun haben – manchmal seine eigenenAssistenten und Lehrer, ihm gegenübereine sehr unterstützende und beschüt-zende Haltung, die den Weg in die Un-abhängigkeit erschwert. Es scheint fast,als ob man durch viel Liebe und Zunei-gung und durch Verhätscheln versu-chen wolle, die Unbequemlichkeit seinerBehinderung wieder gut zu machen.Wenn der behinderte Mensch aber im-mer wie ein kleines Kind behandeltwird, bleibt er unfähig, selbst etwas zutun, und folglich auf Unterstützung an-gewiesen. Er braucht dann auf Dauer je-

manden, der ihm zur Seite steht und fürihn handelt.

Aber es hat sich in den letzten Jah-ren unter denen, die sich um Menschenmit einer geistigen Behinderung küm-mern, etwas geändert. Man ist immermehr davon überzeugt, wie wichtig dieErziehung zur Selbstständigkeit für dieEntwicklung und die soziale Integrationfür diesen Personenkreis ist.

Jeder wird einsehen, dass es z.B.einfacher für einen Kindergarten ist, einbehindertes Kind aufzunehmen, dasschon selbstständig auf die Toilette ge-hen oder selbstständig essen kann, sichauf etwas konzentrieren kann und sichan die Regeln hält. Wenn solche Fähig-keiten schon vorhanden sind, erleich-tern sie weiteres Lernen in dem Kinder-garten. Selbstständigkeit ist auch dieGrundvoraussetzung für die Aufnahmeder Jugendlichen und Erwachsenen mitBehinderung an einem Arbeitsplatz undin der Gesellschaft allgemein.

Viele Ziele jedoch, vor allem im Be-reich der Außen-Autonomie (Selbststän-digkeit außerhalb der Familie?) sind imfamiliären Bereich schwer zu erreichen.

Das Einüben solcher Fertigkeitenfällt außerdem in eine Zeit, in der die Ju-gendlichen genauso wie die anderenHeranwachsenden anfangen, sich vonden Eltern loszulösen, Kritik von den El-tern schlecht vertragen und den Auffor-derungen ihrer Eltern nicht mehr sogern nachkommen.

Gleichzeitig ist es häufig auch für die

Eltern schwierig zu erkennen und zu ak-zeptieren, dass ihre Kinder groß wer-den, und sie diesen Prozess irgendwieunterstützen müssen.

Das Kursprogramm von AIPDkommt gut an

Um diesen Bedürfnissen gerecht zu wer-den und als Reaktion auf die Anfragenvon Eltern wurde 1989 in Rom durchdie AIPD ein Kursprogramm zur Erzie-hung zur Selbstständigkeit für Personenmit Down-Syndrom entwickelt, das sichan Jugendliche zwischen 15 und 20 Jah-ren richtet.

Heute gehört dieser Kurs zu einerder wichtigsten Aktivitäten des Vereinsund in Rom nehmen jährlich 50 bis 60Jugendliche daran teil. Motiviert durchdie Erfahrungen in Rom, hat die Idee inanderen Städten, wo der Verein ansäs-sig ist, Fuß gefasst, dort entstanden wei-tere Kurse. Zurzeit gibt es Kurse zurSelbstständigkeit in 20 verschiedenenStädten und viele andere Organisatio-nen, Kommunen und soziale Zentrenhaben sich von diesem AIPD-Modell in-spirieren lassen. In Rom sind angeregtdurch unser Kursprogramm weitereAngebote mit der gleichen Zielsetzungund nach der gleichen Methode arbei-tend auch im Wohn- und Freizeitbereichentstanden.

Der Kursaufbau

Um einen Arbeitsplan für die Erziehungzur Selbstständigkeit zu erstellen, um

Erziehung zur sozialen Selbstständigkeitbei Jugendlichen mit Down-SyndromAnna Contardi

Übersetzung: Judith Halder

So selbstständig wie nur möglich sollte das Ziel der Erziehung sein. Das ist nicht im-mer einfach für Eltern behinderter Kinder. Einerseits trauen sie ihren Kindern vielesnicht zu, andererseits entwickeln sie ihnen gegenüber oft eine sehr beschützendeHaltung, die den Weg in die Unabhängigkeit eher erschwert. Dazu kommen noch dieSchwierigkeiten, die Jugendliche auf Grund ihrer Behinderung sowieso haben. Der italienische Down-Syndrom-Verein AIPD bietet ein spezielles Kursprogramm an,um die Selbstständigkeit von Personen mit Down-Syndrom zu fördern.

ERWACHSENE

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36Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

wird aber aus allen Untersuchungen,wie die allgemeine Verständigungs-fähigkeit des Kindes durch den Einsatzvon Gebärden verbessert wird und wiedas Sprechenlernen nicht beeinträch-tigt, sondern gefördert wird.

Nachdrücklich muss aber daraufverwiesen werden, dass Gebärden insinnvollen Lebenskontexten erworbenwerden, die den Zusammenhang dermotorisch ausgeführten Gebärde mitdem bezeichneten Objekt oder der Akti-on verdeutlichen.

Einsatz von Wortkarten

Ob auch die Wortkarten für die weiteresprachliche Förderung eingesetzt wer-den, sollte man abhängig von den Mög-lichkeiten und Interessen des Kindesentscheiden. Bei den ersten spieleri-schen Übungen mit den Wörtern kön-nen dann begleitende Gebärden durch-aus eine Erinnerungshilfe darstellen.Noch nicht sprechende Kinder sind zu-dem in der Lage, so ihre tatsächlicheLesekompetenz zu zeigen.

Einsatz der Gebärdenkarte als Hilfebei der Kommunikation

Bei einigen nicht bzw. noch nicht spre-chenden Kindern im Kindergarten- undim Schulalter vor allem mit autistischemVerhalten, die nicht in der Lage waren,Gebärden durch Imitation zu lernen, ha-ben sich die Gebärden-Karten als einebesondere Möglichkeit erwiesen, dieVerständigung mit Symbolen zu erler-nen. Dazu wurden dann ein oder zweiGebärdenabbildungen bezogen auf diebekannten Bedürfnisse und Vorliebendes Kindes ausgewählt (z.B. essen oderanziehen – in der Bedeutung von raus-gehen). Die Karten werden auf derRückseite mit einem Klettband verse-hen. Im Gruppen- bzw. Klassenraumwird an einer besonderen Stelle eben-falls ein Klettband befestigt und daranwerden die Gebärdenkarten aufge-hängt. Wenn das Kind durch sein Ver-halten (z.B. durch Anfassen und durchaufforderndes Ziehen in eine bestimm-te Richtung) deutlich macht, dass es z.B.essen möchte, geht die Erzieherin mitihm zum Klettband, nimmt die Karte mitder Gebärde „essen“ ab und gibt sie demKind in die Hand. Sie verbalisiert dann„Du möchtest essen“ und gebärdet dazuentsprechend. So kann das Kind manch-mal lernen, seine Bedürfnisse durch Ho-len der Karte kontextunabhängig deut-

lich zu machen. Ein 14-jähriges, nicht sprechendes

Mädchen lernte auf diese Weise, sich zu-nehmend besser verständlich zu ma-chen, und konnte nach wenigen Mona-ten 15 Gebärdenkarten sinnvoll zurKommunikation einsetzen und zwei Ge-bärden benutzen. Bei diesem Verfahrenwerden bewusst nicht die Bildkarten,sondern nur die Gebärdenkarten einge-setzt. Es wird damit vermieden, gleich-zeitig zwei unterschiedliche Systemeeinzusetzen (Bilder von konkreten Din-gen und Abbildungen von Gebärden fürVerben u.a.). Gegenüber anderen Bild-systemen liegt der Vorteil dieses Ver-fahrens darin, dass mit Gebärden vielenicht bildhafte Aussagen (wie fertig,mehr, traurig) dargestellt werden kön-nen und zudem eine Weiterentwicklungzum eigenen Gebärden und damit zuraktiven Mitteilung möglich ist.

Es ist erstaunlich, wie schnell man-che Kinder die Gebärdenkarten „lesen“können. Durch die Verbalisierung unddas begleitende Gebärden verstehendann viele auch nach einiger Zeit denZusammenhang von Gebärden undsprachlicher Kommunikation immerbesser und beginnen – anfangs noch mitUnterstützung –, die Gebärden selbereinzusetzen. Manchmal gelingt es dannauch noch, ein begleitendes Lautierenanzuregen. Wichtig ist jedoch, dass dieKinder damit eine Möglichkeit erhalten,sich besser verständlich zu machen. Da-mit kann auch problematisches Verhal-ten in einigen Situationen verringertwerden.

Zusammenfassung: Gebärden-unter-stützte Kommunikation ist eindeutigförderlich für den Spracherwerb

Das Verfahren der Gebärden-unter-stützten Kommunikation wird in derFrühförderung von Kindern mit Down-Syndrom von mir schon fast 15 Jahreangeboten – anfangs noch etwas zöger-lich und eher bei Kindern, die besondersdeutliche Probleme im Spracherwerbzeigten. Aufgrund der vielen guten Er-fahrungen sind wir heute sicher, dassGebärden eine wichtige Hilfe sind aufdem Weg zum Sprechen für die meistenKinder mit Down-Syndrom, aber auchfür Kinder mit anderen deutlichen Be-einträchtigungen, die sich auf den Spracherwerb auswirken.

Seit einigen Jahren stehen uns jetztdie GuK-Karten zur Verfügung, ein für

Kinder besonders geeignetes Arbeits-material, optisch ansprechend gestaltet,stabil und vielseitig verwendbar.

Viele Eltern und Therapeuten be-richten über die Fortschritte der Kindermit GuK und über die gemeinsameFreude an gelungener Kommunikation.In einem viel beachteten Fernsehfilmkonnte die günstige sprachliche Ent-wicklung von drei Kindern mit Down-Syndrom über eineinhalb Jahre doku-mentiert werden (arte: Ich kann dasschon).

Trotz dieser vielen positiven Erfah-rungen halten sich hartnäckig dieunbewiesenen Behauptungen, Gebärdenwürden sich nachteilig auf den Sprach-erwerb auswirken, Gebärden würdengerade bei „sprachfaulen“ Kindern mitDown-Syndrom dazu führen, sich dieAnstrengungen der Verbalsprache zuersparen, oder Gebärden wären gene-rell für die Lautsprache eine Sackgasse.

Dieser ablehnenden oder skepti-schen Einstellung ist begründet zu wi-dersprechen. Aufgrund langjährigerund vielfältiger Erfahrung konnte nach-gewiesen werden, dass die Gebärden-unterstützte Kommunikation eindeutigförderlich für den Spracherwerb ist.

Literatur:B.E.B. e.V.: Schau doch meine Hände an.

Diakonie-Verlag Reutlingen 1998Cibbens, J.: Der Einsatz von Gebärdensprache

bei Kindern mit Down-Syndrom. In: LmDS, Nr. 19, 1995, S. 12-14

Grimm, H.: Störungen der Sprachentwicklung.Göttingen 2003

Maisch, G., Wisch, F.: Gebärden-Lexikon.Hamburg 1996

Opitz, K.: Gebärden als Chance und Schlüsselzur Kommunikation im Spracherwerb von

Kindern mit Down-Syndrom. Unveröff.Examensarbeit, Anglistische Linguistik der

Universität Mannheim, 2002Wilken, E.: Sprachförderung bei Kindern mit

Down-Syndrom. Berlin 2003Wolken, E.-M.: Förderung der Sprache und

Kommunikation von Kindern mit Down-Syndrom durch GuK – Befragung von Experten

bezüglich der Anwendung von GuK. Unveröff.Examensarbeit in Sonderpädagogik,

Universität Hannover 2004

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 33

F Ö R D E R U N G

Spracherwerb und GebärdenErfahrungen mit GuKEtta Wilken

Seit fast fünf Jahren gibt es jetzt schon die GuK-Karten.Die Methode der Gebärden-unterstützten Kommunikati-on ist inzwischen sehr verbreitet und es besteht weiter-hin großes Interesse an dem schönen Kartenmaterial.Frau Wilken, die das Konzept entwickelt hat, fasst indiesem Artikel nochmals das Wichtigste zum Spracher-werb und zum Einsatz von Gebärden zusammen. Außerdem berichtet sie über verschiedene Erfahrungen,die mit der Methode gemacht wurden.

Bei Kindern mit Down-Syndrom gibtes große Unterschiede in der indivi-

duellen Ausprägung gesundheitlicherProbleme und syndromtypischer Merk-male. Die individuellen Kompetenzpro-file weisen eine erhebliche Variabilitätauf und auch die zeitliche Streuung indem Erreichen von so genannten „Mei-lensteinen“ der Entwicklung ist sehrgroß. Mit zunehmendem Alter geht die-se „Schere“ immer mehr auseinanderund führt zu einer progressiven Diffe-renz.

Dabei wird die Bedeutung der ein-zelnen organischen Veränderungen undder gesundheitlichen Bedingungen fürdiese individuellen Unterschiede durch-aus widersprüchlich interpretiert. Auchdie Relevanz bestimmter Fördermaß-nahmen und besonderer Therapien fürdie Entwicklung wird verschieden be-wertet. Einigkeit besteht aber darin,dass die syndrombedingten Abweichun-gen im Vergleich mit Kindern, die sichdurchschnittlich entwickeln, nicht alleinals „Verzögerung“ oder „verlangsamtesLernen“ erklärt werden können. Viel-mehr liegen typische Abweichungenvor, die zu einer asynchronen Entwick-lung führen und damit eine normalewechselseitige Beeinflussung der ver-schiedenen Kompetenzbereiche we-sentlich erschweren (vgl. Wilken, S. 40).

Bedingt durch die Hypotonie ist vorallem in den ersten Lebensjahren diemotorische Entwicklung, besonders dieFeinmotorik, deutlich verzögert, wird

dann jedoch weniger auffällig, auchwenn einige typische Abweichungenz.B. in Ausdauer und Koordination er-kennbar bleiben.

Besonders beim eigentlichen Sprach-erwerb ergeben sich aufgrund von viel-fältigen syndromtypischen Beeinträchti-gungen Verzögerungen und erheblichequalitative und quantitative Abweichun-gen. Dabei sind die Unterschiede zwi-schen den einzelnen Kindern sehr groß:Während einige nur wenige Worte spre-chen lernen, können andere sich diffe-renziert und gut verständlich verständi-gen.

Die kognitiven Einschränkungen zei-gen sich deutlicher, wenn bei den ande-ren Kindern, die sich durchschnittlichentwickeln, etwa ab einem Alter von 24bis 30 Monaten, differenzierte sprachli-che Fähigkeiten wie Fragen und Ver-muten, Vergleichen und Kategorisierenfür die weitere Entwicklung eine zuneh-mende Bedeutung haben. Kindern mitDown-Syndrom stehen diese Fähigkei-ten verzögert und oft nur eingeschränktzur Verfügung. Viele haben deshalbSchwierigkeiten, den Schritt vom senso-motorischen zum symbolischen Denkenzu vollziehen. Während sie oft anschau-liche und konkrete Aufgaben noch rechtgut bewältigen können, fallen ihnenSymbolisierungen, das Anwenden vonOrdnungskriterien oder das Kurzzeitge-dächtnis betreffende Merkaufgaben auf-grund der sprachlichen Einschränkun-gen oft schwer.

Große Unterschiede

Auffällig bei Kindern mit Down-Syn-drom sind jedoch nicht nur die großeninterindividuellen Unterschiede, son-dern typisch sind auch die intraindivi-duellen Abweichungen in den verschie-denen Bereichen der Sprachkompetenz.Während die Artikulationsfähigkeit meis-tens besonders beeinträchtigt ist, ent-sprechen die lexikalischen, semanti-schen und syntaktischen Fähigkeiten et-wa dem Niveau ihrer allgemeinen ko-gnitiven Entwicklung und die pragmati-schen und sozial-sprachlichen Fähig-keiten liegen sogar oft deutlich darüber.

So befand sich z.B. ein zehnjährigesMädchen „bei seiner Artikulationsfähig-keit auf dem Niveau eines Zweijährigen,bei seiner semantischen und syntakti-schen Entwicklung auf dem Niveau ei-nes Dreijährigen und bei seiner prag-matischen Entwicklung auf dem Niveaueines Vierjährigen“ (Rondal, zit. n.Grimm, S. 87). Aufgrund dieser Diskre-panzen in den verschiedenen Bereichender Sprachentwicklung sollte deshalbkeine überwiegende Orientierung ander Sprachproduktion erfolgen, sonderneine differenzierte Erfassung der indivi-duellen sprachlichen Kompetenzen vor-genommen werden, da Kinder mit Down-Syndrom sonst aufgrund ihrerSchwierigkeiten beim Sprechen in ihrentatsächlichen Fähigkeiten oft unter-schätzt werden.

Spezialisten der gestischen Kommunikation

„Wenn man jedoch eine größere Tiefen-schärfe bei der Analyse des Kommuni-kationsverhaltens anlegt, wird es mög-lich zu erkennen, ... dass Down-Syn-drom-Kinder zwar in ihrem Wortver-ständnis und ihrer Wortproduktion mitparallelisierten jüngeren Kontrollkin-dern vergleichbar sind, nicht aber inihrem Gebrauch kommunikativer Ges-ten. Hier zeigen die betroffenen Kinderein deutlich höheres Niveau“ (Grimm, S. 89). Sehr treffend bezeichnet Grimmdeshalb die Kinder als „Spezialisten dergestischen Kommunikation“ und schluss-folgert, „das vergleichsweise hohe gesti-sche Niveau muss sowohl bei der Dia-gnose als auch bei der Therapie Berück-sichtigung finden“ (ebd.).

Die speziellen Beeinträchtigungender Artikulation werden vor allem durchdie syndromtypischen Veränderungender motorisch-funktionellen sprachli-

FÖRDERUNG

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200537

Bestellen: GuK-Gebärden-Alphabet

Seit März 2005 liegt die Gebärden-Über-sicht der jeweiligen GuK1- und GuK2-Schachtel bei. Der Preis hat sich auchdeswegen etwas erhöht. Diejenigen, dieGuK schon länger benutzen und inter-essiert an einer Übersicht sind, könnendie Liste im InfoCenter bestellen. Preisjeweils fünf Euro (inkl. Porto und Ver-sandkosten).

Da die großen Gebärdenkarten oftnach inhaltlichen Kriterien (Spiel-

zeug, Tiere, Essen/Trinken) zusammenmit den Bildern oder auch den Wort-karten geordnet und dann z.B. in kleineFotoalben sortiert werden, ist das Nach-sehen einer einzelnen Gebärde oft etwasmühsam.

Darum gibt es jetzt kleine, alphabe-tisch geordnete Abbildungen der GuK-Gebärden. Diese Gebärdenbilder sollenvor allem eine schnelle Orientierung er-möglichen und das Erinnern an einzel-ne Gebärden für die Bezugspersonen er-leichtern – sie sind nicht für die Kindergedacht und auch nicht geeignet, um da-mit die Gebärden zu erlernen. Aber siebieten über die schnelle Orientierunghinaus auch noch andere ergänzendeVerwendungsmöglichkeiten:

Die kleinen Abbildungen können leichtfotokopiert und dann in Bilderbücherund in Kinderliederbücher eingeklebtwerden. Beim Betrachten der Bücherund beim Singen der Lieder sind danndie passenden Gebärden gleich präsent.

Im Kindergarten und in der Schulekönnen einzelne ausgewählte kopierteKärtchen auch gut als „Beschriftung“eingesetzt werden, da die Kinder oft er-staunlich schnell in der Lage sind, dieseAbbildungen zu „lesen“. Auf das beimEssen benutzte Platzdeckchen könneneinige wichtige Gebärden geklebt wer-den (z.B. „mehr“ oder „fertig“), auf diedie Kinder dann zeigen und so lernen,dazu auch entsprechend zu gebärden.

Die kleinen Gebärdenbilder sind auchgeeignet zum Erstellen eines individuel-len Protokolls über den Verlauf desSpracherwerbs mit den Gebärden. Dazuwird die Gebärde kopiert, aufgeklebtund daneben das Datum geschrieben,wann sie eingeführt wurde. In einerweiteren Spalte wird eingetragen, wanndas Kind die Gebärde spontan einge-setzt hat, und eventuell daneben in einerdritten Spalte, wann das Kind das Wortzuerst gesprochen hat. Solche Listen er-lauben einen schnellen Überblick und

zudem können sie auch Skeptiker davonüberzeugen, wie positiv sich Gebärdenauf den Spracherwerb auswirken!Außerdem ist es sehr motivierend fürEltern und für Pädagogen, die mit demKind arbeiten, diese Listen mit den zeit-lichen Angaben zur sprachlichen Ent-wicklung zu lesen.

Neu: Liste mit alphabetisch geordneten Abbildungender GuK-Gebärden

Die alphabetische Ordnung der Gebärdenbilder soll eine schnelle Orientierungermöglichen und das Erinnern erleichtern. Nicht geeignet sind diese kleinenAbbildungen, um damit die Gebärden zu erlernen.

40 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

F Ö R D E R U N G

Sprechapraxie ist. Eine Theorie besagt,dass Bewegungsabläufe, also auch dieder Sprechmuskulatur, sich durch Er-fahrung und Übung entwickeln. Frühepräverbale Fertigkeiten wie u.a. saugenund schlucken sind die Grundlage zurEntwicklung der Sprechbewegungen.Das Sprechen ist ein motorisches Out-put-System, ist aber abhängig von sen-sorischen und kognitiven Entwicklungs-prozessen. Wenn die Wahrnehmung ei-nes Kindes gestört ist, es Probleme beimSehen, Hören oder im taktilen Bereichhat und es die sensorischen Informatio-nen, die es bekommt, nicht integrierenkann, wird es ihm auch schwer fallen,die Bewegungen, die nötig sind für eineklare, deutliche Aussprache, zu koordi-nieren.

Durch das Wahrnehmen von Lautenin seiner Umgebung und das eigenefrühe Gurren und Lallen bilden sich all-mählich Bewegungsvorstellungen imGehirn des Kindes. Diese Bewegungs-muster sind dann zu jeder Zeit abrufbarund sorgen dafür, dass die sprechmoto-rischen Bewegungen fast wie automa-tisch ablaufen.

Weil Kinder mit Down-Syndrom De-fizite sowohl in der Wahrnehmung wieim Bereich der Motorik aufweisen, kön-nen sie einerseits nicht so viele Ein-drücke sammeln, wie nötig wären, umgute Bewegungsvorstellungen zu bilden,und andererseits haben sie wenigerÜbung bei der Anwendung solcher Mus-ter.

Zusätzlich gibt es viele Kinder, dieSchwierigkeiten haben, Reize und In-formationen, die sie aus ihrer Umweltbekommen, auch richtig zu verarbeiten.Deshalb kann zum Beispiel die sensori-sche Integrationstherapie für diese Kin-der sehr hilfreich sein.

Hat man gute, starke Bewegungs-vorstellungen, kann man Laute schnellund genau, fast schon automatisch wie-dergeben. Hat man solche Vorstellun-gen nicht oder nur unvollständig, kannman Laute gar nicht richtig oder nur un-ter größter Anstrengung produzieren.Der Prozess läuft nicht automatisch ab,sondern man muss sich jeden proble-matischen Laut bewusst machen.

Eine weitere Theorie besagt, dassdie kindliche Sprechapraxie damit zu-sammenhängt, dass der Transport vonInformationen zwischen beiden Hirn-hälften gestört ist. Die beiden Bereichearbeiten nicht gut zusammen, was zu

Muster in der Sprechentwicklung

Fangen spät zu sprechen anRuhige Babys, Eltern sagen, dass die

Kinder nur wenig gurren und lallenSprachlaute entwickeln sich langsa-

mer als üblichKinder entwickeln oft selbst Gebär-

den, um zu kommunizierenLangsame Fortschritte auch in einer

logopädischen Therapie; brauchenintensives Training und viel Unter-stützung

Wörter kommen und verschwindenwieder; kann plötzlich ein Wort sa-gen, dann Monate lang nicht mehr

Kann ein Wort ab und zu richtig aus-sprechen, dann aber wieder nicht

Merkmale der Bewegungsabläufe

Willkürliche Bewegungen, um Lau-te, Silben und Worte zu imitieren,sind schwierig

Keine direkte Sprechmuskelstörung,dies kann hinzukommen, ist abernicht Teil der Sprechapraxie

Häufige Probleme bei Saug-,Schluck- und Kaubewegungen

Erhebliche Anstrengungen der Ge-sichtsmuskulatur beim Versuch, einWort zu sagen

Orale Apraxie: Schwierigkeiten beiMundbewegungen wie beim Zusam-menziehen der Lippen oder beimKüsschenwerfen

Apraxie der Gliedmaßen; willkürli-che Handbewegungen fallen demKind schwer, dies könnte das Benut-zen von Gebärden erschweren

Merkmale der Lautproduktion

Lassen Laute oder Silben ausFügen Laute hinzuVerlängern LauteVerzerren VokaleBenutzen wechselnde ErsatzlauteBringen Lippen und Zunge in die

richtige Position, sprechen die Lautetrotzdem falsch aus

Verwechseln häufig die Reihenfolgeder Laute: „Efelant“ statt „Elefant“

Die meisten Artikulationsfehler tre-ten auf, wenn mehrere Konsonantenhintereinander kommen: Glas, Brot

Gefolgt durch Fehler bei Reibelau-ten (f, v, s, z); bei Affrikaten (pf, tz);bei Verschlusslauten (p, b) und beiNasallauten (n, ng)

Die meisten Fehler kommen vor beiLauten, die zuletzt gelernt werden,wie s und z

Weglassen der AnfangslauteProbleme mit der Stimmhaftigkeit in

Lauten wie p oder b

Allgemeine verbale Produktions-muster

Fehler sind schwankend. Je länger das Wort, desto schwieri-

ger Hinzufügen von Silben, z.B. „ham-

burgeburgburger“ bei längeren,mehr komplexen Wörtern; es siehtfast so aus, als ob das Kind, wenn eseinmal den Anfang gemacht hat,nicht aufhören kann

Obwohl einzelne Wörter gut ver-standen werden, sind sie in Sätzenoft unverständlich

Sprache in einer Konversation(connected speech) ist oft unver-ständlich

Häufig wird sehr schnell gesprochenSprachrhythmus, Intonation und

Sprachmelodie weichen oft ab

Sprachentwicklung

Die rezeptive Sprache von Kindernmit einer Sprechapraxie ist besser alsihre expressive Sprache; das Gleichegilt für Kinder mit Down-Syndrom

Das Vokabular ist geringerGrammatikalische und syntaktische

Fehler sind üblichDas richtige Weitergeben von Nach-

richten oder Geschichten gelingt häu-fig nicht

Symptome einer Sprechapraxiebei Kindern

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chen Grundlagen verursacht und ma-chen entsprechende frühe entwick-lungsbegleitende Hilfen erforderlich.Um die ungünstigen Auswirkungen deslänger andauernden präverbalen Stadi-ums und des verzögerten Lautspracher-werbs auf die allgemeine Entwicklungzu beeinflussen, sind ergänzende Kom-munikationsformen für die Unterstüt-zung basaler kognitiver und sozialerFähigkeiten wichtig (vgl. Wilken, S. 58).

Für die Förderung sollte auch das inverschiedenen Untersuchungen festge-stellte vergleichsweise hohe Niveau dergestischen Kommunikation bei Kindernmit Down-Syndrom berücksichtigt wer-den. Es ist zu erklären mit der besserensimultanen Erfassung visueller und tak-tiler Informationen, während Gehörtessukzessiv aufgenommen und verarbei-tet werden muss. Zudem ist davon aus-zugehen, dass die Übertragung auditi-ver Informationen im Gehirn durch un-vollständige Prozesse der neuronalenEntwicklung behindert wird. GeradeGebärden können deshalb eine wichtigeHilfe sein, da sie sowohl das geringereauditive Kurzzeitgedächtnis und die be-einträchtigte auditive Diskriminationausgleichen können als auch durch vi-suelle und taktile Wahrnehmung einennachweislichen Laut- bzw. Worterinne-rungseffekt bewirken.

Zusammenhangvon Gebärden undSprache

Interessant sind die in verschiedenenStudien nachgewiesenen Parallelen zwi-schen der Entwicklung von Gebärden-sprache und Lautsprache (vgl. Cibbens,S. 12). Bei beiden Kommunikationsfor-men muss das Kind ein basales Ver-ständnis für die einzelnen Elemente desSystems und ihrer Beziehungen zuein-ander haben. Diese übergeordnetenStrukturprinzipien sind offensichtlichbei Gebärden und Lautsprache gleich.Deshalb kann ein Kind, das gelernt hat,sich mit Gebärden zu verständigen, dieerworbenen grundlegenden Prinzipienauf die gesprochene Sprache übertra-gen und in die neue Zeichenproduktionübersetzen. Erhellende Bedeutung überden Zusammenhang von Gebärden undSprache kommt auch verschiedenen

Untersuchungen zu, die die Auswirkun-gen von Hirnschädigungen auf das Ver-ständnis und die Produktion von Spra-che sowie Gebärden ermittelten. Dabeizeigte sich, dass für die Gebärdenspra-che die gleichen Hirnregionen zuständigsind wie für die Lautsprache. Diese Er-gebnisse lassen die Schlussfolgerung zu,dass die Kinder, die zuerst mit Gebär-den kommunizieren lernen, damitgrundlegende sprachliche Kompeten-zen erwerben und dann nur einen rela-tiv geringen Transfer leisten müssen,wenn sie mit dem Sprechen beginnen.Es erklärt, warum Gebärden den Spracherwerb nicht verzögern, sonderntatsächlich einen „Beschleunigungsef-fekt“ haben.

Falsch: Die Gebärdensprache ist derTod der Lautsprache

Aber noch immer berichten Eltern, dassman ihnen nachdrücklich abgeratenhat, Gebärden zu gebrauchen. „Die Ge-bärdensprache ist der Tod der Laut-sprache – das weiß man doch!“, warnach Mitteilung einer Mutter die Ant-wort einer Logopädin. Hier werden dieArgumente, die in der Gehörlosen-pädagogik lange diskutiert wurden undauch dort in dieser pauschalen Formmittlerweile überholt sind, unreflektiertauf hörende Kinder übertragen, die auf-grund sehr spezieller Probleme Gebär-den zur Unterstützung der Kommunika-tion erhalten.

Richtig: Gebärden haben eindeutigeinen positiven Einfluss auf diesprachliche Entwicklung

Alle vorliegenden Untersuchungen undEinzelberichte von Eltern und Thera-peuten über den Verlauf des Spracher-werbs mit der Gebärden-unterstütztenKommunikation belegen eindrücklich,wie dadurch die Mitteilungsmöglichkei-ten der Kinder verbessert werden, esweniger frustrierende Situationen gibtund das Sprechenlernen gefördert wird.Den Kindern wird die Bedeutung vonSprache bewusst und sie erfahren dieMöglichkeiten, aktiv verschiedene Si-tuationen zu beeinflussen. Die visuelleVerdeutlichung einer Mitteilung durchdie Gebärde lenkt die Aufmerksamkeitund unterstützt das Verstehen. „Die Au-gen machen den Ohren Beine!“, weilsichtbare Reize die Wahrnehmung vonakustischen Signalen beschleunigen.

Viele Kinder lautieren verstärkt

beim Gebärden, oft entsprechen die Sil-ben den Wörtern und die produziertenLaute nähern sich den Wörtern zuneh-mend an. So sagt ein Kind vielleicht„aff“, wenn es „Saft“ und „a-a-ne“, wennes „Banane“ gebärdet. Die Verbindungvon Wort und Gebärde bedeutet einemotorische Merkstütze und erleichtertden Kindern, sich besser an die Wörterzu erinnern. Einige wiederholenmanchmal die Gebärde, bis ihnen dannoffenbar auch das zugehörige Wort ein-fällt.

Es kann deshalb nachdrücklich fest-gestellt werden, dass Gebärden sich po-sitiv auf die sprachliche Entwicklungvon Kindern mit Down-Syndrom aus-wirken und keinesfalls zu Verzögerun-gen des Lautspracherwerbs führen.

Welche Gebärden?

DGS – Die Deutsche Gebärden-sprache

Die Deutsche Gebärdensprache (DGS)ist ein eigenständiges Sprachsystem derGehörlosen. Allerdings gibt es keine all-gemein gültige Gebärden-Hochspracheverglichen mit dem Hochdeutsch, son-dern viele Dialekte mit verschiedenenGebärden für einzelne Begriffe. So fin-den sich z.B. im DGS-Lexikon drei ver-schiedene Gebärden für Hund. Gebär-den bezeichnen immer ein Wortfeld;deshalb gibt es nicht für jedes einzelneWort eine entsprechende Gebärde. Sosteht z.B. das gleiche Zeichen für „bas-teln, Konstruktion, Montage und Tüfte-lei“. Die DGS hat eigenständige gram-matische Regeln. Das Verb steht z.B. im-mer in Endstellung, Zeitangaben amAnfang, Fragewörter am Satzende. DerSatz: „Wann besuchst du mich mor-gen?“, wird gebärdet: „Morgen du michbesuchen wann?“ Einige Gebärden un-terscheiden sich nicht in der Handbe-wegung, sondern haben eine unter-schiedliche Bedeutung abhängig vonder begleitenden Mimik, von der Hand-stellung oder vom Ausführungsort vordem Körper.

Makaton

Makaton ist in Großbritannien ent-wickelt worden auf der Grundlage derenglischen Gebärdensprache. In Deutsch-land erfolgte eine Anpassung an die DGSmit einigen motorischen Vereinfachun-

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200535

FÖRDERUNG

gen. (Die englischen Makaton-Gebärdensind nicht identisch mit den deutschen!)Die Gebärden sind nach Schwierigkeits-grad in acht Stufen gegliedert und aus-gewählt vor allem nach ihrer Bedeutungfür die Kommunikation in Institutionen.Ergänzt werden die Gebärdenabbildun-gen durch spezielle Symbolkarten.

Lautsprachbegleitende Gebärden(LBG)

Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG)sind aus der deutschen Gebärdenspra-che abgeleitet. Aber die Grammatik ent-spricht der Lautsprache und deshalbkann begleitend zum Gebärden gespro-chen werden. Auch Artikel können ge-bärdet werden und sogar „die“ Singularist von „die“ Plural zu unterscheiden.Trotzdem sind einige besondere Regelnzu beachten. So muss eine Verbtren-nung durch das Einschieben von Hilfs-verben vermieden werden (z.B. bei ab-schneiden, aus-ziehen, ein-kaufen; sowird „Ich kaufe ein“ zu „Ich will einkau-fen“). LBG ist eine Kunstsprache, die fürden Unterricht gehörloser Kinder ent-wickelt wurde. Sie ist für die normaleKommunikation Gehörloser zu langsamund nicht differenziert genug, auch fürbegleitendes Gebärden beim Spielenoder Arbeiten ist sie wenig geeignet.

Gebärdensammlung: „Schau dochmeine Hände an“

„Schau doch meine Hände an“ ist eineSammlung von Gebärden, die vor allemfür die Arbeit mit nicht sprechenden geis-tig behinderten Personen zusammenge-stellt wurden. Dabei erfolgte eine teil-weise Orientierung an der DGS und motorisch schwierige oder abstrakteGebärden sowie zusammengesetzte Gebärdenzeichen wurden durch einfa-chere Handzeichen ersetzt. Diese Ge-bärdensammlung ist in Einrichtungenfür geistig Behinderte sehr gebräuch-lich.

Die Gebärden-unterstützte Kommunikation (GuK)

Die Gebärden-unterstützte Kommuni-kation (GuK) ist entwickelt für kleineKinder, die noch nicht sprechen. Damitsollen die Mitteilungsfähigkeit ermög-licht, kognitive sprachliche Grundlagengefördert und der Spracherwerb unter-stützt werden. Für die meisten Kindermit Down-Syndrom stellen Gebärden ei-nen Zwischenschritt auf dem Weg in die

Sprache dar. Nur wenige sind dauerhaftauf Gebärden angewiesen. Die meistenGebärden von GuK I beziehen sich auf„Schau doch meine Hände an“, beimAufbauwortschatz von GuK II wurdenergänzend Gebärden nach der DGS dar-gestellt (vgl. Wilken, S. 121).

Welche Gebärden für welches Kind?

Bei der Frage, welche Gebärden manfür ein Kind auswählt, ist es wichtig, dieindividuellen Fähigkeiten und Proble-me, das Lebensalter und das Förderzielzu reflektieren. Alle Gebärden ermögli-chen den Kindern eine bessere Verstän-digung – und das ist das Wichtigste!

Für jüngere Kinder, die hören kön-nen, aber aufgrund von Beeinträchti-gungen Schwierigkeiten beim Spracher-werb haben, hat sich die Gebärden-un-terstützte Kommunikation bewährt. DieGuK-Karten bieten ein geeignetes Ar-beitsmaterial aufgrund der ansprechen-den graphischen Gestaltung und dervielfältigen Möglichkeiten, Gebärden,Bilder und Schrift zu kombinieren.

Erfahrungen mitGuK

Das wesentliche Ziel von GuK ist es, dieSchwierigkeiten in der Kommunikationmit noch nicht sprechenden Kindern zuverringern und den Spracherwerb zufördern. In verschiedenen Examens-,Diplom- und Magisterarbeiten ist des-halb der Frage nachgegangen worden,ob Gebärden sich tatsächlich förderlichauf das Sprechenlernen auswirkten. In-teressant ist auch, welche Gebärden vonden Kindern zuerst gelernt wurden.

So haben einige Kinder als erste Ge-bärde Essen, Trinken, Spielen einge-setzt, manche Kinder Auto, Haus,nochmal, mehr oder Licht/Lampe. EinKind gebärdete im Alter von zwei Jah-ren oben, unten, hoch, Achtung/horch,Butzemann, Blume, Hund, Katze, Ente,Biene, bauen, trinken, winken, schlafen,alle/alle, fertig.

Ein Kind konnte mit zwei Jahren 60verschiedene Gebärden. Danach wurdedie Lautsprache so gut, dass nach undnach auf Gebärden verzichtet wurde.Ein anderes Kind konnte mit einem Jahrbereits fünf Gebärden und mit zwei Jah-ren 150. Im Alter von drei Jahren wur-den nur noch zehn Gebärden eingesetzt.

Ein Kind hat mit einem Jahr schon Essenund Trinken gebärdet, mit zwei Jahrenzusätzlich da, verschiedene Tiere undSpiele, mit drei Jahren weitere Gebär-den für Ereignisse im Kindergarten, mitvier Jahren Gebärden für Farben, Fahr-zeuge und einzelne Tätigkeiten (Opitz, S.55, Antworten aus Elternfragebogen).

Die meisten Kinder lernen Gebärdenim 2. oder 3. Lebensjahr; dabei werdendie Gebärden überwiegend von den El-tern in sinnvollem Kontext vermittelt.Ergänzend setzten viele Eltern Finger-spiele und Kinderlieder ein. Viele Kin-der erfinden auch selber einzelne Ge-bärden.

Oft wird von den Eltern betont, dassdurch die Gebärden die Kommunikationmit dem Kind erleichtert wird und dassfür das Kind weniger frustrierende Si-tuationen entstehen.

Festgestellt wurde z.B.: „Ich kannmein Kind besser verstehen“; „Mankann sich mit seinem Kind besser ver-ständigen und Wünsche erfüllen“; „Manguckt als Mutter selbst mehr hin, wenndas Kind etwas äußern möchte, undwartet länger auf eine Reaktion“; „BeimBilderbuch-Anschauen bekomme ich alsMutter durch Gebärden Rückmeldung,ob mein Kind den Inhalt der Seite oderdes Buches verstanden hat“ (Wolken, S.171).

Interessant ist auch ein Beispiel, dasein sehr hohes Kommunikationsniveauveranschaulicht: Ein Junge im Alter vondreieinhalb Jahren spricht Mama, Papaund nein. Er fragt: „Papa?“ Die Mutterantwortet: „Papa ist auf der Arbeit.“ K.gebärdet Auto und Arbeit. M.: „Ja, Papaist mit dem Auto zur Arbeit gefahren.“K. gebärdet ich und groß. M.: „Lukas istgroß?“ K.: „Nein (verb.)“ und gebärdetich, groß, Auto und Arbeit. Die Mutterübersetzt: „Wenn du groß bist, fährst duauch mit dem Auto zur Arbeit.“ Der Jun-ge nickt und freut sich über die Bestäti-gung (Opitz, S. 78).

Die vorliegenden Ergebnisse ausverschiedenen Erhebungen belegennachdrücklich, dass die Kinder durchGebärden früher kommunizieren kön-nen. Mit wachsenden lautsprachlichenFähigkeiten werden dann nach undnach die Gebärden abgelegt. Es gibt je-doch große individuelle Unterschiede,wie schnell ein Kind Gebärden lernt undseinen Gebärden-Wortschatz erweitertund auch wie lange es dauert, bis es mitdem Sprechen beginnt. Sehr deutlich

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 39

F Ö R D E R U N G

ansehen – etwas, aus dem das Kind vonselbst herauswächst.

Eine Sprechapraxie verschwindet je-doch nicht automatisch, wenn das Kindälter wird. Es sind spezielle Behand-lungsmethoden notwendig, um den Zu-stand zu verbessern. Eine Sprechapra-xie scheint auch nicht mit den kogniti-ven Fähigkeiten zusammenzuhängen,denn sie kommt genauso vor bei Kin-dern mit einer Lerneinschränkung wieohne eine Beeinträchtigung.

Die meisten Kinder lernen die Laute,indem sie den Menschen, die zu ihnensprechen, zuhören und zuschauen. Kin-der imitieren die Wörter, die sie von an-deren hören, und üben diese, währendsie selbst sprechen. Ein ganz natürlicherProzess, der anscheinend wie von selbstabläuft. Kindern mit einer Apraxie mussman die Fähigkeiten, die nötig sind,Laute oder Lautfolgen zu erzeugen, je-doch richtig beibringen, indem man sieganz bewusst mit ihnen übt.

Ich bin davon überzeugt, dass vieleKinder mit Down-Syndrom dieses Pro-blem haben, aber es wird nur selten alssolches erkannt oder behandelt.

Bisher war es nicht üblich, bei Kin-dern mit Down-Syndrom von einerApraxie zu sprechen. Dies stammt wohldaher, dass die Fachleute, die ursprüng-lich dieses Phänomen beschrieben, sichin ihren Studien nur mit Personen be-schäftigten, die folgenden Kriterien ent-sprachen:– eine „normale“ Intelligenz,– kein Hörverlust, – keine Muskelschwäche oder Lähmung.

Die Beschreibungen für die Sprech-apraxie wurden nicht auf andere Ziel-gruppen übertragen, was bedeutete,dass die meisten Kinder mit Down-Syn-drom, wenn nicht alle, hier gar nieberücksichtigt wurden.

Nun wurden in einer ersten rezentenStudie sieben Kinder mit Down-Syn-drom, deren Sprache man nur schwerverstehen kann, mit dem so genannten„Apraxia Profil“ getestet. Alle siebenzeigten eindeutige Merkmale der ent-wicklungsbedingten Sprechapraxie.

Vorläufige Ergebnisse einer anderenStudie, in der es darum ging, festzustel-len, ob die Apraxie ein weit verbreitetesProblem bei Down-Syndrom ist, be-stätigten, dass die meisten Kinder keinesolche Diagnose hatten. Von den mehr

als 1300 Familien, die befragt wurden,war nur 16 % der Eltern mitgeteilt wor-den, dass ihr Kind eine Apraxie hatte,während 61 % der Familien davon aus-gingen und dies so von Fachleuten be-stätigt bekamen, dass die Artikulations-probleme ihres Kindes durch die gerin-ge orofaziale Muskelspannung verur-sacht wurden.

Die Untersuchung zeigte außerdem,dass Kinder mit Down-Syndrom, bei de-nen eine Apraxie diagnostiziert wurde,später angefangen hatten zu sprechen(im Durchschnitt mit fünf Jahren) unddass sie von Anfang an schlechter zuverstehen waren als andere Kinder mit Down-Syndrom.

Unsere Daten sind noch nicht kom-plett ausgewertet, aber alles deutet dar-auf hin, dass viel mehr Kinder eineApraxie haben, als wir es uns bis jetztbewusst waren.

Schwierigkeiten mit der Aussprachewerden bei Kindern mit Down-Syndromhauptsächlich als ein motorisches Pro-blem gesehen und auch so behandelt.Dabei ist, wenn beim Kind tatsächlicheine Apraxie vorliegt, eine Therapie, diesich nur auf die Mundmotorik be-schränkt, lediglich die halbe Sache. Die-se Therapie ist zwar wichtig, um diemundmotorischen Fertigkeiten des Kin-des zu verbessern, sie behebt jedochnicht das Problem der Planung undSteuerung der Sprechbewegungen.

Symptome

Entwicklungsbedingte Sprechapraxiewird beschrieben als eine Vielzahl un-terschiedlicher Sprachauffälligkeiten.Für eine Diagnose ist nie ein einzelnesSymptom ausschlaggebend, sondern esmuss eine Kombination verschiedenerMerkmale vorliegen. Die am häufigstengenannten Symptome sind:

– Das Kind ringt um Worte, es musssich beim Sprechen oder beim Versuchzu sprechen enorm anstrengen. Trotz-dem wollen die richtigen Laute oft ein-fach nicht über die Lippen.

– Fehler sind nicht eindeutig. Einmalkann es einen Laut oder eine Lautkom-bination deutlich aussprechen, dannwieder hat es damit große Probleme.

– Ein begrenztes Lautrepertoire. DasKind scheint nur eine kleine AnzahlLaute zu verwenden. Es werden mehrVokale benutzt, Konsonanten häufigausgelassen, was die Sprache schlechtverständlich macht.

– Automatisierte Phrasen und Abfol-gen können ganz deutlich sein, aber dieVerständlichkeit der Spontansprache istschlecht. Es kann z.B. sehr deutlich: „Istmir egal“ oder „Weiß ich nicht“ sagen,aber hat in einem Gespräch oder wennihm eine Frage gestellt wird, großeSchwierigkeiten.

– Schwierigkeiten bei der Kombina-tion und der richtigen Reihenfolge vonPhonemen. So kann das Kind in der La-ge sein, gewisse einzelne Laute zu imi-tieren und zu produzieren, aber beimVersuch, diese in Wörtern zu kombinie-ren, hat es Schwierigkeiten, vor allemwenn das Wort länger und komplexerwird. Es kann zwar „ham“ sagen, aberwenn es versucht, das Wort „Hambur-ger“ auszusprechen, kann es sein, dassnur „hangurber“ kommt, die „Banane“wird zu „nabana“ usw. Laute und Silbenwerden häufig verwechselt. Dieses Ver-wechseln nennt man auch Metathese.

– Je länger die Äußerung, desto un-deutlicher die Aussprache. So geht einWort wie „key“ problemlos, „monkey“oder „monkeybars“ schafft das Kindaber nicht.

– Schwierigkeiten mit der Sprach-melodie. Das Kind spricht sehr langsamoder sehr schnell oder mit einer stetswechselnden Geschwindigkeit.

Viele andere Symptome einerSprechapraxie können bei Kindern mitDown-Syndrom festgestellt werden. Inder Tabelle auf Seite 40 sind die Sym-ptome in verschiedene Kategorien un-terteilt. Wenn Sie die Sprachmuster Ih-res Kindes feststellen wollen, kann Ih-nen diese Übersicht hilfreich sein.

Alle Kinder mit einer Sprechapraxieweisen Schwierigkeiten bei der Steue-rung der Artikulationsbewegungen auf.Darüber hinaus gibt es noch eine Viel-zahl anderer falscher Muster und Fehlerbeim Sprechen.

Bei einigen Kindern entwickelt sichdie Sprache sehr langsam, bei anderenfallen zunächst keine Besonderheitenauf, ihre Sprache scheint sich normal zuentwickeln, sie bekommen erst dannSchwierigkeiten, wenn Sprache mehrkomplex wird. Dies ist vielleicht einGrund, weshalb die Apraxie nicht gleichdiagnostiziert wird. Die Auffälligkeitensind oft sehr subtil.

Ursachen von Sprechapraxie

Wir wissen nicht, was die Ursache von

38Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

Viele Kinder mit Down-Syndrom ha-ben Schwierigkeiten, durchgehend

deutlich zu sprechen. Das eine Mal kannIhr Kind klar und deutlich seine Schwes-ter rufen: „Bonnie, komm her!“ Ein an-deres Mal verwechselt es vielleicht dieBuchstaben in ihrem Namen, lässt Wör-ter oder Silben weg und sagt nur: „Nob-bie, komm!“ Noch ein anderes Mal ringtes um Worte und kann trotz großer An-strengung den Namen gar nicht aus-sprechen.

Wieso gelingt es ihm das eine Mal, „Bon-nie“ deutlich zu sagen, aber ein anderesMal nicht. Wieso hat das Kind großeSchwierigkeiten, eine Limo zu bestellen,aber wenn die Kellnerin einen Momentspäter fragt: „Mit oder ohne Eis?“, sagtes ganz deutlich: „Das ist mir egal.“ Undwarum hat es mehr Schwierigkeiten miteinem Wort in einem kurzen Satz alsmit dem gleichen Wort in einem länge-ren Satz? Zum Beispiel kann er dasWort „Pop“ sagen, aber hat Probleme,

wenn „pop“ Teil ist von „Komm, wir ho-len uns jetzt Popcorn im Laden!“.

Diese Problematik und diese Inkon-sequenz sind typisch für eine beein-trächtigte Fähigkeit, Artikulationsbewe-gungen zu planen, eine so genannte ent-wicklungsbedingte Sprechapraxie. Einesolche Apraxie kann eine der Kompo-nenten sein, die die Verständlichkeit derSprache Ihres Kindes beeinflussen. BeiMenschen mit Down-Syndrom wird die-ser Aspekt häufig übersehen.

Was ist eine Sprechapraxie?

Obwohl viele Kinder mit Down-Syn-drom die Sprachcharakteristika einerApraxie aufweisen, wird dieser Begriffin Zusammenhang mit ihren sprachli-chen Schwierigkeiten noch kaum ver-wendet. Unter einer Sprechapraxie ver-steht man Störungen beim Planen, Kom-binieren und Organisieren, bei der Ab-folge und der Produktion von Phonemen(Kombinationen von Konsonanten undVokalen). Wenn nun ein Kind Problemebei der Steuerung motorischer Sprech-bewegungen und mit der Abfolge derLaute hat, beschreibt man dies mit einerentwicklungsbedingten Sprechapraxie.

Es gibt in letzter Zeit unter Fachleu-ten eine Diskussion über den BegriffApraxie. Dieser wurde bisher haupt-sächlich benutzt, um Erwachsene oderKinder zu beschreiben, die über einenormale Sprache verfügten, aber nacheinem Schlaganfall oder einem Hirn-trauma Schwierigkeiten haben, Infor-mationen zu verarbeiten und Laute inWorte zu verwandeln. Die Therapie insolchen Fällen zielt darauf, die verlorengegangenen Fähigkeiten wieder herzu-stellen.

Der Begriff „EntwicklungsbedingteSprechapraxie“ wird benutzt bei Kin-dern, die ähnliche Probleme haben beider Planung von Artikulationsbewegun-gen, ohne dass eine hirnschädigungsbe-dingte Beeinträchtigung vorliegt. DieseKinder sind erst dabei, das Sprechen zulernen. Hier geht es nicht darum,sprachliche Fähigkeiten wieder zu ge-winnen, die sie verloren haben, sondernum Probleme beim Lernen von Spracheüberhaupt.

In den USA wollen die Versicherun-gen meistens nicht für die Behand-lungskosten dieser Apraxie aufkommen,weil sie es als ein Entwicklungsproblem

Sprechapraxie bei Kindernund Erwachsenen mit Down-Syndrom„Gestern hast du es doch richtig gesagt – wieso denn heute nicht?“Libby Kumin

Störungen der Artikulation und die dadurch bedingtemangelhafte Verständlichkeit der Sprache bei Menschenmit Down-Syndrom sind ein bekanntes Problem. Ist die Ursache für die Artikulationsstörungen nur in den orofazialen Beeinträchtigungen und den durch die Hypotonie bedingten motorischen Schwierigkeiten zusuchen oder liegt bei manchen Kindern zusätzlich eineSprechapraxie vor?

Libby Kumin, tätig als Direktorin der Abteilung Sprach-pathologie und Audiologie am Loyola College in Balti-more, USA, arbeitet seit vielen Jahren als Beraterin deramerikanischen Down-Syndrom-Association. Sie grün-dete schon 1983 ein spezielles Sprachförderinstitut fürKinder mit Down-Syndrom. Von Libby Kumin erschienen unter anderem „Communi-cation Skills in Children with Down Syndrome“ und„Classroom Language Skills for Children with DownSyndrome“, zwei hervorragende Ratgeber für Elternund Lehrer, die es verdienen, ins Deutsche übersetzt zuwerden.

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34Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

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chen Grundlagen verursacht und ma-chen entsprechende frühe entwick-lungsbegleitende Hilfen erforderlich.Um die ungünstigen Auswirkungen deslänger andauernden präverbalen Stadi-ums und des verzögerten Lautspracher-werbs auf die allgemeine Entwicklungzu beeinflussen, sind ergänzende Kom-munikationsformen für die Unterstüt-zung basaler kognitiver und sozialerFähigkeiten wichtig (vgl. Wilken, S. 58).

Für die Förderung sollte auch das inverschiedenen Untersuchungen festge-stellte vergleichsweise hohe Niveau dergestischen Kommunikation bei Kindernmit Down-Syndrom berücksichtigt wer-den. Es ist zu erklären mit der besserensimultanen Erfassung visueller und tak-tiler Informationen, während Gehörtessukzessiv aufgenommen und verarbei-tet werden muss. Zudem ist davon aus-zugehen, dass die Übertragung auditi-ver Informationen im Gehirn durch un-vollständige Prozesse der neuronalenEntwicklung behindert wird. GeradeGebärden können deshalb eine wichtigeHilfe sein, da sie sowohl das geringereauditive Kurzzeitgedächtnis und die be-einträchtigte auditive Diskriminationausgleichen können als auch durch vi-suelle und taktile Wahrnehmung einennachweislichen Laut- bzw. Worterinne-rungseffekt bewirken.

Zusammenhangvon Gebärden undSprache

Interessant sind die in verschiedenenStudien nachgewiesenen Parallelen zwi-schen der Entwicklung von Gebärden-sprache und Lautsprache (vgl. Cibbens,S. 12). Bei beiden Kommunikationsfor-men muss das Kind ein basales Ver-ständnis für die einzelnen Elemente desSystems und ihrer Beziehungen zuein-ander haben. Diese übergeordnetenStrukturprinzipien sind offensichtlichbei Gebärden und Lautsprache gleich.Deshalb kann ein Kind, das gelernt hat,sich mit Gebärden zu verständigen, dieerworbenen grundlegenden Prinzipienauf die gesprochene Sprache übertra-gen und in die neue Zeichenproduktionübersetzen. Erhellende Bedeutung überden Zusammenhang von Gebärden undSprache kommt auch verschiedenen

Untersuchungen zu, die die Auswirkun-gen von Hirnschädigungen auf das Ver-ständnis und die Produktion von Spra-che sowie Gebärden ermittelten. Dabeizeigte sich, dass für die Gebärdenspra-che die gleichen Hirnregionen zuständigsind wie für die Lautsprache. Diese Er-gebnisse lassen die Schlussfolgerung zu,dass die Kinder, die zuerst mit Gebär-den kommunizieren lernen, damitgrundlegende sprachliche Kompeten-zen erwerben und dann nur einen rela-tiv geringen Transfer leisten müssen,wenn sie mit dem Sprechen beginnen.Es erklärt, warum Gebärden den Spracherwerb nicht verzögern, sonderntatsächlich einen „Beschleunigungsef-fekt“ haben.

Falsch: Die Gebärdensprache ist derTod der Lautsprache

Aber noch immer berichten Eltern, dassman ihnen nachdrücklich abgeratenhat, Gebärden zu gebrauchen. „Die Ge-bärdensprache ist der Tod der Laut-sprache – das weiß man doch!“, warnach Mitteilung einer Mutter die Ant-wort einer Logopädin. Hier werden dieArgumente, die in der Gehörlosen-pädagogik lange diskutiert wurden undauch dort in dieser pauschalen Formmittlerweile überholt sind, unreflektiertauf hörende Kinder übertragen, die auf-grund sehr spezieller Probleme Gebär-den zur Unterstützung der Kommunika-tion erhalten.

Richtig: Gebärden haben eindeutigeinen positiven Einfluss auf diesprachliche Entwicklung

Alle vorliegenden Untersuchungen undEinzelberichte von Eltern und Thera-peuten über den Verlauf des Spracher-werbs mit der Gebärden-unterstütztenKommunikation belegen eindrücklich,wie dadurch die Mitteilungsmöglichkei-ten der Kinder verbessert werden, esweniger frustrierende Situationen gibtund das Sprechenlernen gefördert wird.Den Kindern wird die Bedeutung vonSprache bewusst und sie erfahren dieMöglichkeiten, aktiv verschiedene Si-tuationen zu beeinflussen. Die visuelleVerdeutlichung einer Mitteilung durchdie Gebärde lenkt die Aufmerksamkeitund unterstützt das Verstehen. „Die Au-gen machen den Ohren Beine!“, weilsichtbare Reize die Wahrnehmung vonakustischen Signalen beschleunigen.

Viele Kinder lautieren verstärkt

beim Gebärden, oft entsprechen die Sil-ben den Wörtern und die produziertenLaute nähern sich den Wörtern zuneh-mend an. So sagt ein Kind vielleicht„aff“, wenn es „Saft“ und „a-a-ne“, wennes „Banane“ gebärdet. Die Verbindungvon Wort und Gebärde bedeutet einemotorische Merkstütze und erleichtertden Kindern, sich besser an die Wörterzu erinnern. Einige wiederholenmanchmal die Gebärde, bis ihnen dannoffenbar auch das zugehörige Wort ein-fällt.

Es kann deshalb nachdrücklich fest-gestellt werden, dass Gebärden sich po-sitiv auf die sprachliche Entwicklungvon Kindern mit Down-Syndrom aus-wirken und keinesfalls zu Verzögerun-gen des Lautspracherwerbs führen.

Welche Gebärden?

DGS – Die Deutsche Gebärden-sprache

Die Deutsche Gebärdensprache (DGS)ist ein eigenständiges Sprachsystem derGehörlosen. Allerdings gibt es keine all-gemein gültige Gebärden-Hochspracheverglichen mit dem Hochdeutsch, son-dern viele Dialekte mit verschiedenenGebärden für einzelne Begriffe. So fin-den sich z.B. im DGS-Lexikon drei ver-schiedene Gebärden für Hund. Gebär-den bezeichnen immer ein Wortfeld;deshalb gibt es nicht für jedes einzelneWort eine entsprechende Gebärde. Sosteht z.B. das gleiche Zeichen für „bas-teln, Konstruktion, Montage und Tüfte-lei“. Die DGS hat eigenständige gram-matische Regeln. Das Verb steht z.B. im-mer in Endstellung, Zeitangaben amAnfang, Fragewörter am Satzende. DerSatz: „Wann besuchst du mich mor-gen?“, wird gebärdet: „Morgen du michbesuchen wann?“ Einige Gebärden un-terscheiden sich nicht in der Handbe-wegung, sondern haben eine unter-schiedliche Bedeutung abhängig vonder begleitenden Mimik, von der Hand-stellung oder vom Ausführungsort vordem Körper.

Makaton

Makaton ist in Großbritannien ent-wickelt worden auf der Grundlage derenglischen Gebärdensprache. In Deutsch-land erfolgte eine Anpassung an die DGSmit einigen motorischen Vereinfachun-

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 35

F Ö R D E R U N G

gen. (Die englischen Makaton-Gebärdensind nicht identisch mit den deutschen!)Die Gebärden sind nach Schwierigkeits-grad in acht Stufen gegliedert und aus-gewählt vor allem nach ihrer Bedeutungfür die Kommunikation in Institutionen.Ergänzt werden die Gebärdenabbildun-gen durch spezielle Symbolkarten.

Lautsprachbegleitende Gebärden(LBG)

Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG)sind aus der deutschen Gebärdenspra-che abgeleitet. Aber die Grammatik ent-spricht der Lautsprache und deshalbkann begleitend zum Gebärden gespro-chen werden. Auch Artikel können ge-bärdet werden und sogar „die“ Singularist von „die“ Plural zu unterscheiden.Trotzdem sind einige besondere Regelnzu beachten. So muss eine Verbtren-nung durch das Einschieben von Hilfs-verben vermieden werden (z.B. bei ab-schneiden, aus-ziehen, ein-kaufen; sowird „Ich kaufe ein“ zu „Ich will einkau-fen“). LBG ist eine Kunstsprache, die fürden Unterricht gehörloser Kinder ent-wickelt wurde. Sie ist für die normaleKommunikation Gehörloser zu langsamund nicht differenziert genug, auch fürbegleitendes Gebärden beim Spielenoder Arbeiten ist sie wenig geeignet.

Gebärdensammlung: „Schau dochmeine Hände an“

„Schau doch meine Hände an“ ist eineSammlung von Gebärden, die vor allemfür die Arbeit mit nicht sprechenden geis-tig behinderten Personen zusammenge-stellt wurden. Dabei erfolgte eine teil-weise Orientierung an der DGS und motorisch schwierige oder abstrakteGebärden sowie zusammengesetzte Gebärdenzeichen wurden durch einfa-chere Handzeichen ersetzt. Diese Ge-bärdensammlung ist in Einrichtungenfür geistig Behinderte sehr gebräuch-lich.

Die Gebärden-unterstützte Kommunikation (GuK)

Die Gebärden-unterstützte Kommuni-kation (GuK) ist entwickelt für kleineKinder, die noch nicht sprechen. Damitsollen die Mitteilungsfähigkeit ermög-licht, kognitive sprachliche Grundlagengefördert und der Spracherwerb unter-stützt werden. Für die meisten Kindermit Down-Syndrom stellen Gebärden ei-nen Zwischenschritt auf dem Weg in die

Sprache dar. Nur wenige sind dauerhaftauf Gebärden angewiesen. Die meistenGebärden von GuK I beziehen sich auf„Schau doch meine Hände an“, beimAufbauwortschatz von GuK II wurdenergänzend Gebärden nach der DGS dar-gestellt (vgl. Wilken, S. 121).

Welche Gebärden für welches Kind?

Bei der Frage, welche Gebärden manfür ein Kind auswählt, ist es wichtig, dieindividuellen Fähigkeiten und Proble-me, das Lebensalter und das Förderzielzu reflektieren. Alle Gebärden ermögli-chen den Kindern eine bessere Verstän-digung – und das ist das Wichtigste!

Für jüngere Kinder, die hören kön-nen, aber aufgrund von Beeinträchti-gungen Schwierigkeiten beim Spracher-werb haben, hat sich die Gebärden-un-terstützte Kommunikation bewährt. DieGuK-Karten bieten ein geeignetes Ar-beitsmaterial aufgrund der ansprechen-den graphischen Gestaltung und dervielfältigen Möglichkeiten, Gebärden,Bilder und Schrift zu kombinieren.

Erfahrungen mitGuK

Das wesentliche Ziel von GuK ist es, dieSchwierigkeiten in der Kommunikationmit noch nicht sprechenden Kindern zuverringern und den Spracherwerb zufördern. In verschiedenen Examens-,Diplom- und Magisterarbeiten ist des-halb der Frage nachgegangen worden,ob Gebärden sich tatsächlich förderlichauf das Sprechenlernen auswirkten. In-teressant ist auch, welche Gebärden vonden Kindern zuerst gelernt wurden.

So haben einige Kinder als erste Ge-bärde Essen, Trinken, Spielen einge-setzt, manche Kinder Auto, Haus,nochmal, mehr oder Licht/Lampe. EinKind gebärdete im Alter von zwei Jah-ren oben, unten, hoch, Achtung/horch,Butzemann, Blume, Hund, Katze, Ente,Biene, bauen, trinken, winken, schlafen,alle/alle, fertig.

Ein Kind konnte mit zwei Jahren 60verschiedene Gebärden. Danach wurdedie Lautsprache so gut, dass nach undnach auf Gebärden verzichtet wurde.Ein anderes Kind konnte mit einem Jahrbereits fünf Gebärden und mit zwei Jah-ren 150. Im Alter von drei Jahren wur-den nur noch zehn Gebärden eingesetzt.

Ein Kind hat mit einem Jahr schon Essenund Trinken gebärdet, mit zwei Jahrenzusätzlich da, verschiedene Tiere undSpiele, mit drei Jahren weitere Gebär-den für Ereignisse im Kindergarten, mitvier Jahren Gebärden für Farben, Fahr-zeuge und einzelne Tätigkeiten (Opitz, S.55, Antworten aus Elternfragebogen).

Die meisten Kinder lernen Gebärdenim 2. oder 3. Lebensjahr; dabei werdendie Gebärden überwiegend von den El-tern in sinnvollem Kontext vermittelt.Ergänzend setzten viele Eltern Finger-spiele und Kinderlieder ein. Viele Kin-der erfinden auch selber einzelne Ge-bärden.

Oft wird von den Eltern betont, dassdurch die Gebärden die Kommunikationmit dem Kind erleichtert wird und dassfür das Kind weniger frustrierende Si-tuationen entstehen.

Festgestellt wurde z.B.: „Ich kannmein Kind besser verstehen“; „Mankann sich mit seinem Kind besser ver-ständigen und Wünsche erfüllen“; „Manguckt als Mutter selbst mehr hin, wenndas Kind etwas äußern möchte, undwartet länger auf eine Reaktion“; „BeimBilderbuch-Anschauen bekomme ich alsMutter durch Gebärden Rückmeldung,ob mein Kind den Inhalt der Seite oderdes Buches verstanden hat“ (Wolken, S.171).

Interessant ist auch ein Beispiel, dasein sehr hohes Kommunikationsniveauveranschaulicht: Ein Junge im Alter vondreieinhalb Jahren spricht Mama, Papaund nein. Er fragt: „Papa?“ Die Mutterantwortet: „Papa ist auf der Arbeit.“ K.gebärdet Auto und Arbeit. M.: „Ja, Papaist mit dem Auto zur Arbeit gefahren.“K. gebärdet ich und groß. M.: „Lukas istgroß?“ K.: „Nein (verb.)“ und gebärdetich, groß, Auto und Arbeit. Die Mutterübersetzt: „Wenn du groß bist, fährst duauch mit dem Auto zur Arbeit.“ Der Jun-ge nickt und freut sich über die Bestäti-gung (Opitz, S. 78).

Die vorliegenden Ergebnisse ausverschiedenen Erhebungen belegennachdrücklich, dass die Kinder durchGebärden früher kommunizieren kön-nen. Mit wachsenden lautsprachlichenFähigkeiten werden dann nach undnach die Gebärden abgelegt. Es gibt je-doch große individuelle Unterschiede,wie schnell ein Kind Gebärden lernt undseinen Gebärden-Wortschatz erweitertund auch wie lange es dauert, bis es mitdem Sprechen beginnt. Sehr deutlich

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200539

FÖRDERUNG

ansehen – etwas, aus dem das Kind vonselbst herauswächst.

Eine Sprechapraxie verschwindet je-doch nicht automatisch, wenn das Kindälter wird. Es sind spezielle Behand-lungsmethoden notwendig, um den Zu-stand zu verbessern. Eine Sprechapra-xie scheint auch nicht mit den kogniti-ven Fähigkeiten zusammenzuhängen,denn sie kommt genauso vor bei Kin-dern mit einer Lerneinschränkung wieohne eine Beeinträchtigung.

Die meisten Kinder lernen die Laute,indem sie den Menschen, die zu ihnensprechen, zuhören und zuschauen. Kin-der imitieren die Wörter, die sie von an-deren hören, und üben diese, währendsie selbst sprechen. Ein ganz natürlicherProzess, der anscheinend wie von selbstabläuft. Kindern mit einer Apraxie mussman die Fähigkeiten, die nötig sind,Laute oder Lautfolgen zu erzeugen, je-doch richtig beibringen, indem man sieganz bewusst mit ihnen übt.

Ich bin davon überzeugt, dass vieleKinder mit Down-Syndrom dieses Pro-blem haben, aber es wird nur selten alssolches erkannt oder behandelt.

Bisher war es nicht üblich, bei Kin-dern mit Down-Syndrom von einerApraxie zu sprechen. Dies stammt wohldaher, dass die Fachleute, die ursprüng-lich dieses Phänomen beschrieben, sichin ihren Studien nur mit Personen be-schäftigten, die folgenden Kriterien ent-sprachen:– eine „normale“ Intelligenz,– kein Hörverlust, – keine Muskelschwäche oder Lähmung.

Die Beschreibungen für die Sprech-apraxie wurden nicht auf andere Ziel-gruppen übertragen, was bedeutete,dass die meisten Kinder mit Down-Syn-drom, wenn nicht alle, hier gar nieberücksichtigt wurden.

Nun wurden in einer ersten rezentenStudie sieben Kinder mit Down-Syn-drom, deren Sprache man nur schwerverstehen kann, mit dem so genannten„Apraxia Profil“ getestet. Alle siebenzeigten eindeutige Merkmale der ent-wicklungsbedingten Sprechapraxie.

Vorläufige Ergebnisse einer anderenStudie, in der es darum ging, festzustel-len, ob die Apraxie ein weit verbreitetesProblem bei Down-Syndrom ist, be-stätigten, dass die meisten Kinder keinesolche Diagnose hatten. Von den mehr

als 1300 Familien, die befragt wurden,war nur 16 % der Eltern mitgeteilt wor-den, dass ihr Kind eine Apraxie hatte,während 61 % der Familien davon aus-gingen und dies so von Fachleuten be-stätigt bekamen, dass die Artikulations-probleme ihres Kindes durch die gerin-ge orofaziale Muskelspannung verur-sacht wurden.

Die Untersuchung zeigte außerdem,dass Kinder mit Down-Syndrom, bei de-nen eine Apraxie diagnostiziert wurde,später angefangen hatten zu sprechen(im Durchschnitt mit fünf Jahren) unddass sie von Anfang an schlechter zuverstehen waren als andere Kinder mit Down-Syndrom.

Unsere Daten sind noch nicht kom-plett ausgewertet, aber alles deutet dar-auf hin, dass viel mehr Kinder eineApraxie haben, als wir es uns bis jetztbewusst waren.

Schwierigkeiten mit der Aussprachewerden bei Kindern mit Down-Syndromhauptsächlich als ein motorisches Pro-blem gesehen und auch so behandelt.Dabei ist, wenn beim Kind tatsächlicheine Apraxie vorliegt, eine Therapie, diesich nur auf die Mundmotorik be-schränkt, lediglich die halbe Sache. Die-se Therapie ist zwar wichtig, um diemundmotorischen Fertigkeiten des Kin-des zu verbessern, sie behebt jedochnicht das Problem der Planung undSteuerung der Sprechbewegungen.

Symptome

Entwicklungsbedingte Sprechapraxiewird beschrieben als eine Vielzahl un-terschiedlicher Sprachauffälligkeiten.Für eine Diagnose ist nie ein einzelnesSymptom ausschlaggebend, sondern esmuss eine Kombination verschiedenerMerkmale vorliegen. Die am häufigstengenannten Symptome sind:

– Das Kind ringt um Worte, es musssich beim Sprechen oder beim Versuchzu sprechen enorm anstrengen. Trotz-dem wollen die richtigen Laute oft ein-fach nicht über die Lippen.

– Fehler sind nicht eindeutig. Einmalkann es einen Laut oder eine Lautkom-bination deutlich aussprechen, dannwieder hat es damit große Probleme.

– Ein begrenztes Lautrepertoire. DasKind scheint nur eine kleine AnzahlLaute zu verwenden. Es werden mehrVokale benutzt, Konsonanten häufigausgelassen, was die Sprache schlechtverständlich macht.

– Automatisierte Phrasen und Abfol-gen können ganz deutlich sein, aber dieVerständlichkeit der Spontansprache istschlecht. Es kann z.B. sehr deutlich: „Istmir egal“ oder „Weiß ich nicht“ sagen,aber hat in einem Gespräch oder wennihm eine Frage gestellt wird, großeSchwierigkeiten.

–Schwierigkeiten bei der Kombina-tion und der richtigen Reihenfolge vonPhonemen. So kann das Kind in der La-ge sein, gewisse einzelne Laute zu imi-tieren und zu produzieren, aber beimVersuch, diese in Wörtern zu kombinie-ren, hat es Schwierigkeiten, vor allemwenn das Wort länger und komplexerwird. Es kann zwar „ham“ sagen, aberwenn es versucht, das Wort „Hambur-ger“ auszusprechen, kann es sein, dassnur „hangurber“ kommt, die „Banane“wird zu „nabana“ usw. Laute und Silbenwerden häufig verwechselt. Dieses Ver-wechseln nennt man auch Metathese.

– Je länger die Äußerung, desto un-deutlicher die Aussprache. So geht einWort wie „key“ problemlos, „monkey“oder „monkeybars“ schafft das Kindaber nicht.

– Schwierigkeiten mit der Sprach-melodie. Das Kind spricht sehr langsamoder sehr schnell oder mit einer stetswechselnden Geschwindigkeit.

Viele andere Symptome einerSprechapraxie können bei Kindern mitDown-Syndrom festgestellt werden. Inder Tabelle auf Seite 40 sind die Sym-ptome in verschiedene Kategorien un-terteilt. Wenn Sie die Sprachmuster Ih-res Kindes feststellen wollen, kann Ih-nen diese Übersicht hilfreich sein.

Alle Kinder mit einer Sprechapraxieweisen Schwierigkeiten bei der Steue-rung der Artikulationsbewegungen auf.Darüber hinaus gibt es noch eine Viel-zahl anderer falscher Muster und Fehlerbeim Sprechen.

Bei einigen Kindern entwickelt sichdie Sprache sehr langsam, bei anderenfallen zunächst keine Besonderheitenauf, ihre Sprache scheint sich normal zuentwickeln, sie bekommen erst dannSchwierigkeiten, wenn Sprache mehrkomplex wird. Dies ist vielleicht einGrund, weshalb die Apraxie nicht gleichdiagnostiziert wird. Die Auffälligkeitensind oft sehr subtil.

Ursachen von Sprechapraxie

Wir wissen nicht, was die Ursache von

38 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

F Ö R D E R U N G

Viele Kinder mit Down-Syndrom ha-ben Schwierigkeiten, durchgehend

deutlich zu sprechen. Das eine Mal kannIhr Kind klar und deutlich seine Schwes-ter rufen: „Bonnie, komm her!“ Ein an-deres Mal verwechselt es vielleicht dieBuchstaben in ihrem Namen, lässt Wör-ter oder Silben weg und sagt nur: „Nob-bie, komm!“ Noch ein anderes Mal ringtes um Worte und kann trotz großer An-strengung den Namen gar nicht aus-sprechen.

Wieso gelingt es ihm das eine Mal, „Bon-nie“ deutlich zu sagen, aber ein anderesMal nicht. Wieso hat das Kind großeSchwierigkeiten, eine Limo zu bestellen,aber wenn die Kellnerin einen Momentspäter fragt: „Mit oder ohne Eis?“, sagtes ganz deutlich: „Das ist mir egal.“ Undwarum hat es mehr Schwierigkeiten miteinem Wort in einem kurzen Satz alsmit dem gleichen Wort in einem länge-ren Satz? Zum Beispiel kann er dasWort „Pop“ sagen, aber hat Probleme,

wenn „pop“ Teil ist von „Komm, wir ho-len uns jetzt Popcorn im Laden!“.

Diese Problematik und diese Inkon-sequenz sind typisch für eine beein-trächtigte Fähigkeit, Artikulationsbewe-gungen zu planen, eine so genannte ent-wicklungsbedingte Sprechapraxie. Einesolche Apraxie kann eine der Kompo-nenten sein, die die Verständlichkeit derSprache Ihres Kindes beeinflussen. BeiMenschen mit Down-Syndrom wird die-ser Aspekt häufig übersehen.

Was ist eine Sprechapraxie?

Obwohl viele Kinder mit Down-Syn-drom die Sprachcharakteristika einerApraxie aufweisen, wird dieser Begriffin Zusammenhang mit ihren sprachli-chen Schwierigkeiten noch kaum ver-wendet. Unter einer Sprechapraxie ver-steht man Störungen beim Planen, Kom-binieren und Organisieren, bei der Ab-folge und der Produktion von Phonemen(Kombinationen von Konsonanten undVokalen). Wenn nun ein Kind Problemebei der Steuerung motorischer Sprech-bewegungen und mit der Abfolge derLaute hat, beschreibt man dies mit einerentwicklungsbedingten Sprechapraxie.

Es gibt in letzter Zeit unter Fachleu-ten eine Diskussion über den BegriffApraxie. Dieser wurde bisher haupt-sächlich benutzt, um Erwachsene oderKinder zu beschreiben, die über einenormale Sprache verfügten, aber nacheinem Schlaganfall oder einem Hirn-trauma Schwierigkeiten haben, Infor-mationen zu verarbeiten und Laute inWorte zu verwandeln. Die Therapie insolchen Fällen zielt darauf, die verlorengegangenen Fähigkeiten wieder herzu-stellen.

Der Begriff „EntwicklungsbedingteSprechapraxie“ wird benutzt bei Kin-dern, die ähnliche Probleme haben beider Planung von Artikulationsbewegun-gen, ohne dass eine hirnschädigungsbe-dingte Beeinträchtigung vorliegt. DieseKinder sind erst dabei, das Sprechen zulernen. Hier geht es nicht darum,sprachliche Fähigkeiten wieder zu ge-winnen, die sie verloren haben, sondernum Probleme beim Lernen von Spracheüberhaupt.

In den USA wollen die Versicherun-gen meistens nicht für die Behand-lungskosten dieser Apraxie aufkommen,weil sie es als ein Entwicklungsproblem

Sprechapraxie bei Kindernund Erwachsenen mit Down-Syndrom„Gestern hast du es doch richtig gesagt – wieso denn heute nicht?“Libby Kumin

Störungen der Artikulation und die dadurch bedingtemangelhafte Verständlichkeit der Sprache bei Menschenmit Down-Syndrom sind ein bekanntes Problem. Ist die Ursache für die Artikulationsstörungen nur in den orofazialen Beeinträchtigungen und den durch die Hypotonie bedingten motorischen Schwierigkeiten zusuchen oder liegt bei manchen Kindern zusätzlich eineSprechapraxie vor?

Libby Kumin, tätig als Direktorin der Abteilung Sprach-pathologie und Audiologie am Loyola College in Balti-more, USA, arbeitet seit vielen Jahren als Beraterin deramerikanischen Down-Syndrom-Association. Sie grün-dete schon 1983 ein spezielles Sprachförderinstitut fürKinder mit Down-Syndrom. Von Libby Kumin erschienen unter anderem „Communi-cation Skills in Children with Down Syndrome“ und„Classroom Language Skills for Children with DownSyndrome“, zwei hervorragende Ratgeber für Elternund Lehrer, die es verdienen, ins Deutsche übersetzt zuwerden.

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wird aber aus allen Untersuchungen,wie die allgemeine Verständigungs-fähigkeit des Kindes durch den Einsatzvon Gebärden verbessert wird und wiedas Sprechenlernen nicht beeinträch-tigt, sondern gefördert wird.

Nachdrücklich muss aber daraufverwiesen werden, dass Gebärden insinnvollen Lebenskontexten erworbenwerden, die den Zusammenhang dermotorisch ausgeführten Gebärde mitdem bezeichneten Objekt oder der Akti-on verdeutlichen.

Einsatz von Wortkarten

Ob auch die Wortkarten für die weiteresprachliche Förderung eingesetzt wer-den, sollte man abhängig von den Mög-lichkeiten und Interessen des Kindesentscheiden. Bei den ersten spieleri-schen Übungen mit den Wörtern kön-nen dann begleitende Gebärden durch-aus eine Erinnerungshilfe darstellen.Noch nicht sprechende Kinder sind zu-dem in der Lage, so ihre tatsächlicheLesekompetenz zu zeigen.

Einsatz der Gebärdenkarte als Hilfebei der Kommunikation

Bei einigen nicht bzw. noch nicht spre-chenden Kindern im Kindergarten- undim Schulalter vor allem mit autistischemVerhalten, die nicht in der Lage waren,Gebärden durch Imitation zu lernen, ha-ben sich die Gebärden-Karten als einebesondere Möglichkeit erwiesen, dieVerständigung mit Symbolen zu erler-nen. Dazu wurden dann ein oder zweiGebärdenabbildungen bezogen auf diebekannten Bedürfnisse und Vorliebendes Kindes ausgewählt (z.B. essen oderanziehen – in der Bedeutung von raus-gehen). Die Karten werden auf derRückseite mit einem Klettband verse-hen. Im Gruppen- bzw. Klassenraumwird an einer besonderen Stelle eben-falls ein Klettband befestigt und daranwerden die Gebärdenkarten aufge-hängt. Wenn das Kind durch sein Ver-halten (z.B. durch Anfassen und durchaufforderndes Ziehen in eine bestimm-te Richtung) deutlich macht, dass es z.B.essen möchte, geht die Erzieherin mitihm zum Klettband, nimmt die Karte mitder Gebärde „essen“ ab und gibt sie demKind in die Hand. Sie verbalisiert dann„Du möchtest essen“ und gebärdet dazuentsprechend. So kann das Kind manch-mal lernen, seine Bedürfnisse durch Ho-len der Karte kontextunabhängig deut-

lich zu machen. Ein 14-jähriges, nicht sprechendes

Mädchen lernte auf diese Weise, sich zu-nehmend besser verständlich zu ma-chen, und konnte nach wenigen Mona-ten 15 Gebärdenkarten sinnvoll zurKommunikation einsetzen und zwei Ge-bärden benutzen. Bei diesem Verfahrenwerden bewusst nicht die Bildkarten,sondern nur die Gebärdenkarten einge-setzt. Es wird damit vermieden, gleich-zeitig zwei unterschiedliche Systemeeinzusetzen (Bilder von konkreten Din-gen und Abbildungen von Gebärden fürVerben u.a.). Gegenüber anderen Bild-systemen liegt der Vorteil dieses Ver-fahrens darin, dass mit Gebärden vielenicht bildhafte Aussagen (wie fertig,mehr, traurig) dargestellt werden kön-nen und zudem eine Weiterentwicklungzum eigenen Gebärden und damit zuraktiven Mitteilung möglich ist.

Es ist erstaunlich, wie schnell man-che Kinder die Gebärdenkarten „lesen“können. Durch die Verbalisierung unddas begleitende Gebärden verstehendann viele auch nach einiger Zeit denZusammenhang von Gebärden undsprachlicher Kommunikation immerbesser und beginnen – anfangs noch mitUnterstützung –, die Gebärden selbereinzusetzen. Manchmal gelingt es dannauch noch, ein begleitendes Lautierenanzuregen. Wichtig ist jedoch, dass dieKinder damit eine Möglichkeit erhalten,sich besser verständlich zu machen. Da-mit kann auch problematisches Verhal-ten in einigen Situationen verringertwerden.

Zusammenfassung: Gebärden-unter-stützte Kommunikation ist eindeutigförderlich für den Spracherwerb

Das Verfahren der Gebärden-unter-stützten Kommunikation wird in derFrühförderung von Kindern mit Down-Syndrom von mir schon fast 15 Jahreangeboten – anfangs noch etwas zöger-lich und eher bei Kindern, die besondersdeutliche Probleme im Spracherwerbzeigten. Aufgrund der vielen guten Er-fahrungen sind wir heute sicher, dassGebärden eine wichtige Hilfe sind aufdem Weg zum Sprechen für die meistenKinder mit Down-Syndrom, aber auchfür Kinder mit anderen deutlichen Be-einträchtigungen, die sich auf den Spracherwerb auswirken.

Seit einigen Jahren stehen uns jetztdie GuK-Karten zur Verfügung, ein für

Kinder besonders geeignetes Arbeits-material, optisch ansprechend gestaltet,stabil und vielseitig verwendbar.

Viele Eltern und Therapeuten be-richten über die Fortschritte der Kindermit GuK und über die gemeinsameFreude an gelungener Kommunikation.In einem viel beachteten Fernsehfilmkonnte die günstige sprachliche Ent-wicklung von drei Kindern mit Down-Syndrom über eineinhalb Jahre doku-mentiert werden (arte: Ich kann dasschon).

Trotz dieser vielen positiven Erfah-rungen halten sich hartnäckig dieunbewiesenen Behauptungen, Gebärdenwürden sich nachteilig auf den Sprach-erwerb auswirken, Gebärden würdengerade bei „sprachfaulen“ Kindern mitDown-Syndrom dazu führen, sich dieAnstrengungen der Verbalsprache zuersparen, oder Gebärden wären gene-rell für die Lautsprache eine Sackgasse.

Dieser ablehnenden oder skepti-schen Einstellung ist begründet zu wi-dersprechen. Aufgrund langjährigerund vielfältiger Erfahrung konnte nach-gewiesen werden, dass die Gebärden-unterstützte Kommunikation eindeutigförderlich für den Spracherwerb ist.

Literatur:B.E.B. e.V.: Schau doch meine Hände an.

Diakonie-Verlag Reutlingen 1998Cibbens, J.: Der Einsatz von Gebärdensprache

bei Kindern mit Down-Syndrom. In: LmDS, Nr. 19, 1995, S. 12-14

Grimm, H.: Störungen der Sprachentwicklung.Göttingen 2003

Maisch, G., Wisch, F.: Gebärden-Lexikon.Hamburg 1996

Opitz, K.: Gebärden als Chance und Schlüsselzur Kommunikation im Spracherwerb von

Kindern mit Down-Syndrom. Unveröff.Examensarbeit, Anglistische Linguistik der

Universität Mannheim, 2002Wilken, E.: Sprachförderung bei Kindern mit

Down-Syndrom. Berlin 2003Wolken, E.-M.: Förderung der Sprache und

Kommunikation von Kindern mit Down-Syndrom durch GuK – Befragung von Experten

bezüglich der Anwendung von GuK. Unveröff.Examensarbeit in Sonderpädagogik,

Universität Hannover 2004

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200533

FÖRDERUNG

Spracherwerb und GebärdenErfahrungen mit GuKEtta Wilken

Seit fast fünf Jahren gibt es jetzt schon die GuK-Karten.Die Methode der Gebärden-unterstützten Kommunikati-on ist inzwischen sehr verbreitet und es besteht weiter-hin großes Interesse an dem schönen Kartenmaterial.Frau Wilken, die das Konzept entwickelt hat, fasst indiesem Artikel nochmals das Wichtigste zum Spracher-werb und zum Einsatz von Gebärden zusammen. Außerdem berichtet sie über verschiedene Erfahrungen,die mit der Methode gemacht wurden.

Bei Kindern mit Down-Syndrom gibtes große Unterschiede in der indivi-

duellen Ausprägung gesundheitlicherProbleme und syndromtypischer Merk-male. Die individuellen Kompetenzpro-file weisen eine erhebliche Variabilitätauf und auch die zeitliche Streuung indem Erreichen von so genannten „Mei-lensteinen“ der Entwicklung ist sehrgroß. Mit zunehmendem Alter geht die-se „Schere“ immer mehr auseinanderund führt zu einer progressiven Diffe-renz.

Dabei wird die Bedeutung der ein-zelnen organischen Veränderungen undder gesundheitlichen Bedingungen fürdiese individuellen Unterschiede durch-aus widersprüchlich interpretiert. Auchdie Relevanz bestimmter Fördermaß-nahmen und besonderer Therapien fürdie Entwicklung wird verschieden be-wertet. Einigkeit besteht aber darin,dass die syndrombedingten Abweichun-gen im Vergleich mit Kindern, die sichdurchschnittlich entwickeln, nicht alleinals „Verzögerung“ oder „verlangsamtesLernen“ erklärt werden können. Viel-mehr liegen typische Abweichungenvor, die zu einer asynchronen Entwick-lung führen und damit eine normalewechselseitige Beeinflussung der ver-schiedenen Kompetenzbereiche we-sentlich erschweren (vgl. Wilken, S. 40).

Bedingt durch die Hypotonie ist vorallem in den ersten Lebensjahren diemotorische Entwicklung, besonders dieFeinmotorik, deutlich verzögert, wird

dann jedoch weniger auffällig, auchwenn einige typische Abweichungenz.B. in Ausdauer und Koordination er-kennbar bleiben.

Besonders beim eigentlichen Sprach-erwerb ergeben sich aufgrund von viel-fältigen syndromtypischen Beeinträchti-gungen Verzögerungen und erheblichequalitative und quantitative Abweichun-gen. Dabei sind die Unterschiede zwi-schen den einzelnen Kindern sehr groß:Während einige nur wenige Worte spre-chen lernen, können andere sich diffe-renziert und gut verständlich verständi-gen.

Die kognitiven Einschränkungen zei-gen sich deutlicher, wenn bei den ande-ren Kindern, die sich durchschnittlichentwickeln, etwa ab einem Alter von 24bis 30 Monaten, differenzierte sprachli-che Fähigkeiten wie Fragen und Ver-muten, Vergleichen und Kategorisierenfür die weitere Entwicklung eine zuneh-mende Bedeutung haben. Kindern mitDown-Syndrom stehen diese Fähigkei-ten verzögert und oft nur eingeschränktzur Verfügung. Viele haben deshalbSchwierigkeiten, den Schritt vom senso-motorischen zum symbolischen Denkenzu vollziehen. Während sie oft anschau-liche und konkrete Aufgaben noch rechtgut bewältigen können, fallen ihnenSymbolisierungen, das Anwenden vonOrdnungskriterien oder das Kurzzeitge-dächtnis betreffende Merkaufgaben auf-grund der sprachlichen Einschränkun-gen oft schwer.

Große Unterschiede

Auffällig bei Kindern mit Down-Syn-drom sind jedoch nicht nur die großeninterindividuellen Unterschiede, son-dern typisch sind auch die intraindivi-duellen Abweichungen in den verschie-denen Bereichen der Sprachkompetenz.Während die Artikulationsfähigkeit meis-tens besonders beeinträchtigt ist, ent-sprechen die lexikalischen, semanti-schen und syntaktischen Fähigkeiten et-wa dem Niveau ihrer allgemeinen ko-gnitiven Entwicklung und die pragmati-schen und sozial-sprachlichen Fähig-keiten liegen sogar oft deutlich darüber.

So befand sich z.B. ein zehnjährigesMädchen „bei seiner Artikulationsfähig-keit auf dem Niveau eines Zweijährigen,bei seiner semantischen und syntakti-schen Entwicklung auf dem Niveau ei-nes Dreijährigen und bei seiner prag-matischen Entwicklung auf dem Niveaueines Vierjährigen“ (Rondal, zit. n.Grimm, S. 87). Aufgrund dieser Diskre-panzen in den verschiedenen Bereichender Sprachentwicklung sollte deshalbkeine überwiegende Orientierung ander Sprachproduktion erfolgen, sonderneine differenzierte Erfassung der indivi-duellen sprachlichen Kompetenzen vor-genommen werden, da Kinder mit Down-Syndrom sonst aufgrund ihrerSchwierigkeiten beim Sprechen in ihrentatsächlichen Fähigkeiten oft unter-schätzt werden.

Spezialisten der gestischen Kommunikation

„Wenn man jedoch eine größere Tiefen-schärfe bei der Analyse des Kommuni-kationsverhaltens anlegt, wird es mög-lich zu erkennen, ... dass Down-Syn-drom-Kinder zwar in ihrem Wortver-ständnis und ihrer Wortproduktion mitparallelisierten jüngeren Kontrollkin-dern vergleichbar sind, nicht aber inihrem Gebrauch kommunikativer Ges-ten. Hier zeigen die betroffenen Kinderein deutlich höheres Niveau“ (Grimm, S. 89). Sehr treffend bezeichnet Grimmdeshalb die Kinder als „Spezialisten dergestischen Kommunikation“ und schluss-folgert, „das vergleichsweise hohe gesti-sche Niveau muss sowohl bei der Dia-gnose als auch bei der Therapie Berück-sichtigung finden“ (ebd.).

Die speziellen Beeinträchtigungender Artikulation werden vor allem durchdie syndromtypischen Veränderungender motorisch-funktionellen sprachli-

F Ö R D E R U N G

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 37

Bestellen: GuK-Gebärden-Alphabet

Seit März 2005 liegt die Gebärden-Über-sicht der jeweiligen GuK1- und GuK2-Schachtel bei. Der Preis hat sich auchdeswegen etwas erhöht. Diejenigen, dieGuK schon länger benutzen und inter-essiert an einer Übersicht sind, könnendie Liste im InfoCenter bestellen. Preisjeweils fünf Euro (inkl. Porto und Ver-sandkosten).

Da die großen Gebärdenkarten oftnach inhaltlichen Kriterien (Spiel-

zeug, Tiere, Essen/Trinken) zusammenmit den Bildern oder auch den Wort-karten geordnet und dann z.B. in kleineFotoalben sortiert werden, ist das Nach-sehen einer einzelnen Gebärde oft etwasmühsam.

Darum gibt es jetzt kleine, alphabe-tisch geordnete Abbildungen der GuK-Gebärden. Diese Gebärdenbilder sollenvor allem eine schnelle Orientierung er-möglichen und das Erinnern an einzel-ne Gebärden für die Bezugspersonen er-leichtern – sie sind nicht für die Kindergedacht und auch nicht geeignet, um da-mit die Gebärden zu erlernen. Aber siebieten über die schnelle Orientierunghinaus auch noch andere ergänzendeVerwendungsmöglichkeiten:

Die kleinen Abbildungen können leichtfotokopiert und dann in Bilderbücherund in Kinderliederbücher eingeklebtwerden. Beim Betrachten der Bücherund beim Singen der Lieder sind danndie passenden Gebärden gleich präsent.

Im Kindergarten und in der Schulekönnen einzelne ausgewählte kopierteKärtchen auch gut als „Beschriftung“eingesetzt werden, da die Kinder oft er-staunlich schnell in der Lage sind, dieseAbbildungen zu „lesen“. Auf das beimEssen benutzte Platzdeckchen könneneinige wichtige Gebärden geklebt wer-den (z.B. „mehr“ oder „fertig“), auf diedie Kinder dann zeigen und so lernen,dazu auch entsprechend zu gebärden.

Die kleinen Gebärdenbilder sind auchgeeignet zum Erstellen eines individuel-len Protokolls über den Verlauf desSpracherwerbs mit den Gebärden. Dazuwird die Gebärde kopiert, aufgeklebtund daneben das Datum geschrieben,wann sie eingeführt wurde. In einerweiteren Spalte wird eingetragen, wanndas Kind die Gebärde spontan einge-setzt hat, und eventuell daneben in einerdritten Spalte, wann das Kind das Wortzuerst gesprochen hat. Solche Listen er-lauben einen schnellen Überblick und

zudem können sie auch Skeptiker davonüberzeugen, wie positiv sich Gebärdenauf den Spracherwerb auswirken!Außerdem ist es sehr motivierend fürEltern und für Pädagogen, die mit demKind arbeiten, diese Listen mit den zeit-lichen Angaben zur sprachlichen Ent-wicklung zu lesen.

Neu: Liste mit alphabetisch geordneten Abbildungender GuK-Gebärden

Die alphabetische Ordnung der Gebärdenbilder soll eine schnelle Orientierungermöglichen und das Erinnern erleichtern. Nicht geeignet sind diese kleinenAbbildungen, um damit die Gebärden zu erlernen.

40Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

Sprechapraxie ist. Eine Theorie besagt,dass Bewegungsabläufe, also auch dieder Sprechmuskulatur, sich durch Er-fahrung und Übung entwickeln. Frühepräverbale Fertigkeiten wie u.a. saugenund schlucken sind die Grundlage zurEntwicklung der Sprechbewegungen.Das Sprechen ist ein motorisches Out-put-System, ist aber abhängig von sen-sorischen und kognitiven Entwicklungs-prozessen. Wenn die Wahrnehmung ei-nes Kindes gestört ist, es Probleme beimSehen, Hören oder im taktilen Bereichhat und es die sensorischen Informatio-nen, die es bekommt, nicht integrierenkann, wird es ihm auch schwer fallen,die Bewegungen, die nötig sind für eineklare, deutliche Aussprache, zu koordi-nieren.

Durch das Wahrnehmen von Lautenin seiner Umgebung und das eigenefrühe Gurren und Lallen bilden sich all-mählich Bewegungsvorstellungen imGehirn des Kindes. Diese Bewegungs-muster sind dann zu jeder Zeit abrufbarund sorgen dafür, dass die sprechmoto-rischen Bewegungen fast wie automa-tisch ablaufen.

Weil Kinder mitDown-Syndrom De-fizite sowohl in der Wahrnehmung wieim Bereich der Motorik aufweisen, kön-nen sie einerseits nicht so viele Ein-drücke sammeln, wie nötig wären, umgute Bewegungsvorstellungen zu bilden,und andererseits haben sie wenigerÜbung bei der Anwendung solcher Mus-ter.

Zusätzlich gibt es viele Kinder, dieSchwierigkeiten haben, Reize und In-formationen, die sie aus ihrer Umweltbekommen, auch richtig zu verarbeiten.Deshalb kann zum Beispiel die sensori-sche Integrationstherapie für diese Kin-der sehr hilfreich sein.

Hat man gute, starke Bewegungs-vorstellungen, kann man Laute schnellund genau, fast schon automatisch wie-dergeben. Hat man solche Vorstellun-gen nicht oder nur unvollständig, kannman Laute gar nicht richtig oder nur un-ter größter Anstrengung produzieren.Der Prozess läuft nicht automatisch ab,sondern man muss sich jeden proble-matischen Laut bewusst machen.

Eine weitere Theorie besagt, dassdie kindliche Sprechapraxie damit zu-sammenhängt, dass der Transport vonInformationen zwischen beiden Hirn-hälften gestört ist. Die beiden Bereichearbeiten nicht gut zusammen, was zu

Muster in der Sprechentwicklung

Fangen spät zu sprechen anRuhige Babys, Eltern sagen, dass die

Kinder nur wenig gurren und lallenSprachlaute entwickeln sich langsa-

mer als üblichKinder entwickeln oft selbst Gebär-

den, um zu kommunizierenLangsame Fortschritte auch in einer

logopädischen Therapie; brauchenintensives Training und viel Unter-stützung

Wörter kommen und verschwindenwieder; kann plötzlich ein Wort sa-gen, dann Monate lang nicht mehr

Kann ein Wort ab und zu richtig aus-sprechen, dann aber wieder nicht

Merkmale der Bewegungsabläufe

Willkürliche Bewegungen, um Lau-te, Silben und Worte zu imitieren,sind schwierig

Keine direkte Sprechmuskelstörung,dies kann hinzukommen, ist abernicht Teil der Sprechapraxie

Häufige Probleme bei Saug-,Schluck- und Kaubewegungen

Erhebliche Anstrengungen der Ge-sichtsmuskulatur beim Versuch, einWort zu sagen

Orale Apraxie: Schwierigkeiten beiMundbewegungen wie beim Zusam-menziehen der Lippen oder beimKüsschenwerfen

Apraxie der Gliedmaßen; willkürli-che Handbewegungen fallen demKind schwer, dies könnte das Benut-zen von Gebärden erschweren

Merkmale der Lautproduktion

Lassen Laute oder Silben ausFügen Laute hinzuVerlängern LauteVerzerren VokaleBenutzen wechselnde ErsatzlauteBringen Lippen und Zunge in die

richtige Position, sprechen die Lautetrotzdem falsch aus

Verwechseln häufig die Reihenfolgeder Laute: „Efelant“ statt „Elefant“

Die meisten Artikulationsfehler tre-ten auf, wenn mehrere Konsonantenhintereinander kommen: Glas, Brot

Gefolgt durch Fehler bei Reibelau-ten (f, v, s, z); bei Affrikaten (pf, tz);bei Verschlusslauten (p, b) und beiNasallauten (n, ng)

Die meisten Fehler kommen vor beiLauten, die zuletzt gelernt werden,wie s und z

Weglassen der AnfangslauteProbleme mit der Stimmhaftigkeit in

Lauten wie p oder b

Allgemeine verbale Produktions-muster

Fehler sind schwankend. Je länger das Wort, desto schwieri-

ger Hinzufügen von Silben, z.B. „ham-

burgeburgburger“ bei längeren,mehr komplexen Wörtern; es siehtfast so aus, als ob das Kind, wenn eseinmal den Anfang gemacht hat,nicht aufhören kann

Obwohl einzelne Wörter gut ver-standen werden, sind sie in Sätzenoft unverständlich

Sprache in einer Konversation(connected speech) ist oft unver-ständlich

Häufig wird sehr schnell gesprochenSprachrhythmus, Intonation und

Sprachmelodie weichen oft ab

Sprachentwicklung

Die rezeptive Sprache von Kindernmit einer Sprechapraxie ist besser alsihre expressive Sprache; das Gleichegilt für Kinder mitDown-Syndrom

Das Vokabular ist geringerGrammatikalische und syntaktische

Fehler sind üblichDas richtige Weitergeben von Nach-

richten oder Geschichten gelingt häu-fig nicht

Symptome einer Sprechapraxiebei Kindern

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36 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

F Ö R D E R U N G

wird aber aus allen Untersuchungen,wie die allgemeine Verständigungs-fähigkeit des Kindes durch den Einsatzvon Gebärden verbessert wird und wiedas Sprechenlernen nicht beeinträch-tigt, sondern gefördert wird.

Nachdrücklich muss aber daraufverwiesen werden, dass Gebärden insinnvollen Lebenskontexten erworbenwerden, die den Zusammenhang dermotorisch ausgeführten Gebärde mitdem bezeichneten Objekt oder der Akti-on verdeutlichen.

Einsatz von Wortkarten

Ob auch die Wortkarten für die weiteresprachliche Förderung eingesetzt wer-den, sollte man abhängig von den Mög-lichkeiten und Interessen des Kindesentscheiden. Bei den ersten spieleri-schen Übungen mit den Wörtern kön-nen dann begleitende Gebärden durch-aus eine Erinnerungshilfe darstellen.Noch nicht sprechende Kinder sind zu-dem in der Lage, so ihre tatsächlicheLesekompetenz zu zeigen.

Einsatz der Gebärdenkarte als Hilfebei der Kommunikation

Bei einigen nicht bzw. noch nicht spre-chenden Kindern im Kindergarten- undim Schulalter vor allem mit autistischemVerhalten, die nicht in der Lage waren,Gebärden durch Imitation zu lernen, ha-ben sich die Gebärden-Karten als einebesondere Möglichkeit erwiesen, dieVerständigung mit Symbolen zu erler-nen. Dazu wurden dann ein oder zweiGebärdenabbildungen bezogen auf diebekannten Bedürfnisse und Vorliebendes Kindes ausgewählt (z.B. essen oderanziehen – in der Bedeutung von raus-gehen). Die Karten werden auf derRückseite mit einem Klettband verse-hen. Im Gruppen- bzw. Klassenraumwird an einer besonderen Stelle eben-falls ein Klettband befestigt und daranwerden die Gebärdenkarten aufge-hängt. Wenn das Kind durch sein Ver-halten (z.B. durch Anfassen und durchaufforderndes Ziehen in eine bestimm-te Richtung) deutlich macht, dass es z.B.essen möchte, geht die Erzieherin mitihm zum Klettband, nimmt die Karte mitder Gebärde „essen“ ab und gibt sie demKind in die Hand. Sie verbalisiert dann„Du möchtest essen“ und gebärdet dazuentsprechend. So kann das Kind manch-mal lernen, seine Bedürfnisse durch Ho-len der Karte kontextunabhängig deut-

lich zu machen. Ein 14-jähriges, nicht sprechendes

Mädchen lernte auf diese Weise, sich zu-nehmend besser verständlich zu ma-chen, und konnte nach wenigen Mona-ten 15 Gebärdenkarten sinnvoll zurKommunikation einsetzen und zwei Ge-bärden benutzen. Bei diesem Verfahrenwerden bewusst nicht die Bildkarten,sondern nur die Gebärdenkarten einge-setzt. Es wird damit vermieden, gleich-zeitig zwei unterschiedliche Systemeeinzusetzen (Bilder von konkreten Din-gen und Abbildungen von Gebärden fürVerben u.a.). Gegenüber anderen Bild-systemen liegt der Vorteil dieses Ver-fahrens darin, dass mit Gebärden vielenicht bildhafte Aussagen (wie fertig,mehr, traurig) dargestellt werden kön-nen und zudem eine Weiterentwicklungzum eigenen Gebärden und damit zuraktiven Mitteilung möglich ist.

Es ist erstaunlich, wie schnell man-che Kinder die Gebärdenkarten „lesen“können. Durch die Verbalisierung unddas begleitende Gebärden verstehendann viele auch nach einiger Zeit denZusammenhang von Gebärden undsprachlicher Kommunikation immerbesser und beginnen – anfangs noch mitUnterstützung –, die Gebärden selbereinzusetzen. Manchmal gelingt es dannauch noch, ein begleitendes Lautierenanzuregen. Wichtig ist jedoch, dass dieKinder damit eine Möglichkeit erhalten,sich besser verständlich zu machen. Da-mit kann auch problematisches Verhal-ten in einigen Situationen verringertwerden.

Zusammenfassung: Gebärden-unter-stützte Kommunikation ist eindeutigförderlich für den Spracherwerb

Das Verfahren der Gebärden-unter-stützten Kommunikation wird in derFrühförderung von Kindern mit Down-Syndrom von mir schon fast 15 Jahreangeboten – anfangs noch etwas zöger-lich und eher bei Kindern, die besondersdeutliche Probleme im Spracherwerbzeigten. Aufgrund der vielen guten Er-fahrungen sind wir heute sicher, dassGebärden eine wichtige Hilfe sind aufdem Weg zum Sprechen für die meistenKinder mit Down-Syndrom, aber auchfür Kinder mit anderen deutlichen Be-einträchtigungen, die sich auf den Spracherwerb auswirken.

Seit einigen Jahren stehen uns jetztdie GuK-Karten zur Verfügung, ein für

Kinder besonders geeignetes Arbeits-material, optisch ansprechend gestaltet,stabil und vielseitig verwendbar.

Viele Eltern und Therapeuten be-richten über die Fortschritte der Kindermit GuK und über die gemeinsameFreude an gelungener Kommunikation.In einem viel beachteten Fernsehfilmkonnte die günstige sprachliche Ent-wicklung von drei Kindern mit Down-Syndrom über eineinhalb Jahre doku-mentiert werden (arte: Ich kann dasschon).

Trotz dieser vielen positiven Erfah-rungen halten sich hartnäckig dieunbewiesenen Behauptungen, Gebärdenwürden sich nachteilig auf den Sprach-erwerb auswirken, Gebärden würdengerade bei „sprachfaulen“ Kindern mitDown-Syndrom dazu führen, sich dieAnstrengungen der Verbalsprache zuersparen, oder Gebärden wären gene-rell für die Lautsprache eine Sackgasse.

Dieser ablehnenden oder skepti-schen Einstellung ist begründet zu wi-dersprechen. Aufgrund langjährigerund vielfältiger Erfahrung konnte nach-gewiesen werden, dass die Gebärden-unterstützte Kommunikation eindeutigförderlich für den Spracherwerb ist.

Literatur:B.E.B. e.V.: Schau doch meine Hände an.

Diakonie-Verlag Reutlingen 1998Cibbens, J.: Der Einsatz von Gebärdensprache

bei Kindern mit Down-Syndrom. In: LmDS, Nr. 19, 1995, S. 12-14

Grimm, H.: Störungen der Sprachentwicklung.Göttingen 2003

Maisch, G., Wisch, F.: Gebärden-Lexikon.Hamburg 1996

Opitz, K.: Gebärden als Chance und Schlüsselzur Kommunikation im Spracherwerb von

Kindern mit Down-Syndrom. Unveröff.Examensarbeit, Anglistische Linguistik der

Universität Mannheim, 2002Wilken, E.: Sprachförderung bei Kindern mit

Down-Syndrom. Berlin 2003Wolken, E.-M.: Förderung der Sprache und

Kommunikation von Kindern mit Down-Syndrom durch GuK – Befragung von Experten

bezüglich der Anwendung von GuK. Unveröff.Examensarbeit in Sonderpädagogik,

Universität Hannover 2004

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200533

FÖRDERUNG

Spracherwerb und GebärdenErfahrungen mit GuKEtta Wilken

Seit fast fünf Jahren gibt es jetzt schon die GuK-Karten.Die Methode der Gebärden-unterstützten Kommunikati-on ist inzwischen sehr verbreitet und es besteht weiter-hin großes Interesse an dem schönen Kartenmaterial.Frau Wilken, die das Konzept entwickelt hat, fasst indiesem Artikel nochmals das Wichtigste zum Spracher-werb und zum Einsatz von Gebärden zusammen. Außerdem berichtet sie über verschiedene Erfahrungen,die mit der Methode gemacht wurden.

Bei Kindern mit Down-Syndrom gibtes große Unterschiede in der indivi-

duellen Ausprägung gesundheitlicherProbleme und syndromtypischer Merk-male. Die individuellen Kompetenzpro-file weisen eine erhebliche Variabilitätauf und auch die zeitliche Streuung indem Erreichen von so genannten „Mei-lensteinen“ der Entwicklung ist sehrgroß. Mit zunehmendem Alter geht die-se „Schere“ immer mehr auseinanderund führt zu einer progressiven Diffe-renz.

Dabei wird die Bedeutung der ein-zelnen organischen Veränderungen undder gesundheitlichen Bedingungen fürdiese individuellen Unterschiede durch-aus widersprüchlich interpretiert. Auchdie Relevanz bestimmter Fördermaß-nahmen und besonderer Therapien fürdie Entwicklung wird verschieden be-wertet. Einigkeit besteht aber darin,dass die syndrombedingten Abweichun-gen im Vergleich mit Kindern, die sichdurchschnittlich entwickeln, nicht alleinals „Verzögerung“ oder „verlangsamtesLernen“ erklärt werden können. Viel-mehr liegen typische Abweichungenvor, die zu einer asynchronen Entwick-lung führen und damit eine normalewechselseitige Beeinflussung der ver-schiedenen Kompetenzbereiche we-sentlich erschweren (vgl. Wilken, S. 40).

Bedingt durch die Hypotonie ist vorallem in den ersten Lebensjahren diemotorische Entwicklung, besonders dieFeinmotorik, deutlich verzögert, wird

dann jedoch weniger auffällig, auchwenn einige typische Abweichungenz.B. in Ausdauer und Koordination er-kennbar bleiben.

Besonders beim eigentlichen Sprach-erwerb ergeben sich aufgrund von viel-fältigen syndromtypischen Beeinträchti-gungen Verzögerungen und erheblichequalitative und quantitative Abweichun-gen. Dabei sind die Unterschiede zwi-schen den einzelnen Kindern sehr groß:Während einige nur wenige Worte spre-chen lernen, können andere sich diffe-renziert und gut verständlich verständi-gen.

Die kognitiven Einschränkungen zei-gen sich deutlicher, wenn bei den ande-ren Kindern, die sich durchschnittlichentwickeln, etwa ab einem Alter von 24bis 30 Monaten, differenzierte sprachli-che Fähigkeiten wie Fragen und Ver-muten, Vergleichen und Kategorisierenfür die weitere Entwicklung eine zuneh-mende Bedeutung haben. Kindern mitDown-Syndrom stehen diese Fähigkei-ten verzögert und oft nur eingeschränktzur Verfügung. Viele haben deshalbSchwierigkeiten, den Schritt vom senso-motorischen zum symbolischen Denkenzu vollziehen. Während sie oft anschau-liche und konkrete Aufgaben noch rechtgut bewältigen können, fallen ihnenSymbolisierungen, das Anwenden vonOrdnungskriterien oder das Kurzzeitge-dächtnis betreffende Merkaufgaben auf-grund der sprachlichen Einschränkun-gen oft schwer.

Große Unterschiede

Auffällig bei Kindern mit Down-Syn-drom sind jedoch nicht nur die großeninterindividuellen Unterschiede, son-dern typisch sind auch die intraindivi-duellen Abweichungen in den verschie-denen Bereichen der Sprachkompetenz.Während die Artikulationsfähigkeit meis-tens besonders beeinträchtigt ist, ent-sprechen die lexikalischen, semanti-schen und syntaktischen Fähigkeiten et-wa dem Niveau ihrer allgemeinen ko-gnitiven Entwicklung und die pragmati-schen und sozial-sprachlichen Fähig-keiten liegen sogar oft deutlich darüber.

So befand sich z.B. ein zehnjährigesMädchen „bei seiner Artikulationsfähig-keit auf dem Niveau eines Zweijährigen,bei seiner semantischen und syntakti-schen Entwicklung auf dem Niveau ei-nes Dreijährigen und bei seiner prag-matischen Entwicklung auf dem Niveaueines Vierjährigen“ (Rondal, zit. n.Grimm, S. 87). Aufgrund dieser Diskre-panzen in den verschiedenen Bereichender Sprachentwicklung sollte deshalbkeine überwiegende Orientierung ander Sprachproduktion erfolgen, sonderneine differenzierte Erfassung der indivi-duellen sprachlichen Kompetenzen vor-genommen werden, da Kinder mit Down-Syndrom sonst aufgrund ihrerSchwierigkeiten beim Sprechen in ihrentatsächlichen Fähigkeiten oft unter-schätzt werden.

Spezialisten der gestischen Kommunikation

„Wenn man jedoch eine größere Tiefen-schärfe bei der Analyse des Kommuni-kationsverhaltens anlegt, wird es mög-lich zu erkennen, ... dass Down-Syn-drom-Kinder zwar in ihrem Wortver-ständnis und ihrer Wortproduktion mitparallelisierten jüngeren Kontrollkin-dern vergleichbar sind, nicht aber inihrem Gebrauch kommunikativer Ges-ten. Hier zeigen die betroffenen Kinderein deutlich höheres Niveau“ (Grimm, S. 89). Sehr treffend bezeichnet Grimmdeshalb die Kinder als „Spezialisten dergestischen Kommunikation“ und schluss-folgert, „das vergleichsweise hohe gesti-sche Niveau muss sowohl bei der Dia-gnose als auch bei der Therapie Berück-sichtigung finden“ (ebd.).

Die speziellen Beeinträchtigungender Artikulation werden vor allem durchdie syndromtypischen Veränderungender motorisch-funktionellen sprachli-

F Ö R D E R U N G

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 37

Bestellen: GuK-Gebärden-Alphabet

Seit März 2005 liegt die Gebärden-Über-sicht der jeweiligen GuK1- und GuK2-Schachtel bei. Der Preis hat sich auchdeswegen etwas erhöht. Diejenigen, dieGuK schon länger benutzen und inter-essiert an einer Übersicht sind, könnendie Liste im InfoCenter bestellen. Preisjeweils fünf Euro (inkl. Porto und Ver-sandkosten).

Da die großen Gebärdenkarten oftnach inhaltlichen Kriterien (Spiel-

zeug, Tiere, Essen/Trinken) zusammenmit den Bildern oder auch den Wort-karten geordnet und dann z.B. in kleineFotoalben sortiert werden, ist das Nach-sehen einer einzelnen Gebärde oft etwasmühsam.

Darum gibt es jetzt kleine, alphabe-tisch geordnete Abbildungen der GuK-Gebärden. Diese Gebärdenbilder sollenvor allem eine schnelle Orientierung er-möglichen und das Erinnern an einzel-ne Gebärden für die Bezugspersonen er-leichtern – sie sind nicht für die Kindergedacht und auch nicht geeignet, um da-mit die Gebärden zu erlernen. Aber siebieten über die schnelle Orientierunghinaus auch noch andere ergänzendeVerwendungsmöglichkeiten:

Die kleinen Abbildungen können leichtfotokopiert und dann in Bilderbücherund in Kinderliederbücher eingeklebtwerden. Beim Betrachten der Bücherund beim Singen der Lieder sind danndie passenden Gebärden gleich präsent.

Im Kindergarten und in der Schulekönnen einzelne ausgewählte kopierteKärtchen auch gut als „Beschriftung“eingesetzt werden, da die Kinder oft er-staunlich schnell in der Lage sind, dieseAbbildungen zu „lesen“. Auf das beimEssen benutzte Platzdeckchen könneneinige wichtige Gebärden geklebt wer-den (z.B. „mehr“ oder „fertig“), auf diedie Kinder dann zeigen und so lernen,dazu auch entsprechend zu gebärden.

Die kleinen Gebärdenbilder sind auchgeeignet zum Erstellen eines individuel-len Protokolls über den Verlauf desSpracherwerbs mit den Gebärden. Dazuwird die Gebärde kopiert, aufgeklebtund daneben das Datum geschrieben,wann sie eingeführt wurde. In einerweiteren Spalte wird eingetragen, wanndas Kind die Gebärde spontan einge-setzt hat, und eventuell daneben in einerdritten Spalte, wann das Kind das Wortzuerst gesprochen hat. Solche Listen er-lauben einen schnellen Überblick und

zudem können sie auch Skeptiker davonüberzeugen, wie positiv sich Gebärdenauf den Spracherwerb auswirken!Außerdem ist es sehr motivierend fürEltern und für Pädagogen, die mit demKind arbeiten, diese Listen mit den zeit-lichen Angaben zur sprachlichen Ent-wicklung zu lesen.

Neu: Liste mit alphabetisch geordneten Abbildungender GuK-Gebärden

Die alphabetische Ordnung der Gebärdenbilder soll eine schnelle Orientierungermöglichen und das Erinnern erleichtern. Nicht geeignet sind diese kleinenAbbildungen, um damit die Gebärden zu erlernen.

40Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

Sprechapraxie ist. Eine Theorie besagt,dass Bewegungsabläufe, also auch dieder Sprechmuskulatur, sich durch Er-fahrung und Übung entwickeln. Frühepräverbale Fertigkeiten wie u.a. saugenund schlucken sind die Grundlage zurEntwicklung der Sprechbewegungen.Das Sprechen ist ein motorisches Out-put-System, ist aber abhängig von sen-sorischen und kognitiven Entwicklungs-prozessen. Wenn die Wahrnehmung ei-nes Kindes gestört ist, es Probleme beimSehen, Hören oder im taktilen Bereichhat und es die sensorischen Informatio-nen, die es bekommt, nicht integrierenkann, wird es ihm auch schwer fallen,die Bewegungen, die nötig sind für eineklare, deutliche Aussprache, zu koordi-nieren.

Durch das Wahrnehmen von Lautenin seiner Umgebung und das eigenefrühe Gurren und Lallen bilden sich all-mählich Bewegungsvorstellungen imGehirn des Kindes. Diese Bewegungs-muster sind dann zu jeder Zeit abrufbarund sorgen dafür, dass die sprechmoto-rischen Bewegungen fast wie automa-tisch ablaufen.

Weil Kinder mitDown-Syndrom De-fizite sowohl in der Wahrnehmung wieim Bereich der Motorik aufweisen, kön-nen sie einerseits nicht so viele Ein-drücke sammeln, wie nötig wären, umgute Bewegungsvorstellungen zu bilden,und andererseits haben sie wenigerÜbung bei der Anwendung solcher Mus-ter.

Zusätzlich gibt es viele Kinder, dieSchwierigkeiten haben, Reize und In-formationen, die sie aus ihrer Umweltbekommen, auch richtig zu verarbeiten.Deshalb kann zum Beispiel die sensori-sche Integrationstherapie für diese Kin-der sehr hilfreich sein.

Hat man gute, starke Bewegungs-vorstellungen, kann man Laute schnellund genau, fast schon automatisch wie-dergeben. Hat man solche Vorstellun-gen nicht oder nur unvollständig, kannman Laute gar nicht richtig oder nur un-ter größter Anstrengung produzieren.Der Prozess läuft nicht automatisch ab,sondern man muss sich jeden proble-matischen Laut bewusst machen.

Eine weitere Theorie besagt, dassdie kindliche Sprechapraxie damit zu-sammenhängt, dass der Transport vonInformationen zwischen beiden Hirn-hälften gestört ist. Die beiden Bereichearbeiten nicht gut zusammen, was zu

Muster in der Sprechentwicklung

Fangen spät zu sprechen anRuhige Babys, Eltern sagen, dass die

Kinder nur wenig gurren und lallenSprachlaute entwickeln sich langsa-

mer als üblichKinder entwickeln oft selbst Gebär-

den, um zu kommunizierenLangsame Fortschritte auch in einer

logopädischen Therapie; brauchenintensives Training und viel Unter-stützung

Wörter kommen und verschwindenwieder; kann plötzlich ein Wort sa-gen, dann Monate lang nicht mehr

Kann ein Wort ab und zu richtig aus-sprechen, dann aber wieder nicht

Merkmale der Bewegungsabläufe

Willkürliche Bewegungen, um Lau-te, Silben und Worte zu imitieren,sind schwierig

Keine direkte Sprechmuskelstörung,dies kann hinzukommen, ist abernicht Teil der Sprechapraxie

Häufige Probleme bei Saug-,Schluck- und Kaubewegungen

Erhebliche Anstrengungen der Ge-sichtsmuskulatur beim Versuch, einWort zu sagen

Orale Apraxie: Schwierigkeiten beiMundbewegungen wie beim Zusam-menziehen der Lippen oder beimKüsschenwerfen

Apraxie der Gliedmaßen; willkürli-che Handbewegungen fallen demKind schwer, dies könnte das Benut-zen von Gebärden erschweren

Merkmale der Lautproduktion

Lassen Laute oder Silben ausFügen Laute hinzuVerlängern LauteVerzerren VokaleBenutzen wechselnde ErsatzlauteBringen Lippen und Zunge in die

richtige Position, sprechen die Lautetrotzdem falsch aus

Verwechseln häufig die Reihenfolgeder Laute: „Efelant“ statt „Elefant“

Die meisten Artikulationsfehler tre-ten auf, wenn mehrere Konsonantenhintereinander kommen: Glas, Brot

Gefolgt durch Fehler bei Reibelau-ten (f, v, s, z); bei Affrikaten (pf, tz);bei Verschlusslauten (p, b) und beiNasallauten (n, ng)

Die meisten Fehler kommen vor beiLauten, die zuletzt gelernt werden,wie s und z

Weglassen der AnfangslauteProbleme mit der Stimmhaftigkeit in

Lauten wie p oder b

Allgemeine verbale Produktions-muster

Fehler sind schwankend. Je länger das Wort, desto schwieri-

ger Hinzufügen von Silben, z.B. „ham-

burgeburgburger“ bei längeren,mehr komplexen Wörtern; es siehtfast so aus, als ob das Kind, wenn eseinmal den Anfang gemacht hat,nicht aufhören kann

Obwohl einzelne Wörter gut ver-standen werden, sind sie in Sätzenoft unverständlich

Sprache in einer Konversation(connected speech) ist oft unver-ständlich

Häufig wird sehr schnell gesprochenSprachrhythmus, Intonation und

Sprachmelodie weichen oft ab

Sprachentwicklung

Die rezeptive Sprache von Kindernmit einer Sprechapraxie ist besser alsihre expressive Sprache; das Gleichegilt für Kinder mitDown-Syndrom

Das Vokabular ist geringerGrammatikalische und syntaktische

Fehler sind üblichDas richtige Weitergeben von Nach-

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Symptome einer Sprechapraxiebei Kindern

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34Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

chen Grundlagen verursacht und ma-chen entsprechende frühe entwick-lungsbegleitende Hilfen erforderlich.Um die ungünstigen Auswirkungen deslänger andauernden präverbalen Stadi-ums und des verzögerten Lautspracher-werbs auf die allgemeine Entwicklungzu beeinflussen, sind ergänzende Kom-munikationsformen für die Unterstüt-zung basaler kognitiver und sozialerFähigkeiten wichtig (vgl. Wilken, S. 58).

Für die Förderung sollte auch das inverschiedenen Untersuchungen festge-stellte vergleichsweise hohe Niveau dergestischen Kommunikation bei Kindernmit Down-Syndrom berücksichtigt wer-den. Es ist zu erklären mit der besserensimultanen Erfassung visueller und tak-tiler Informationen, während Gehörtessukzessiv aufgenommen und verarbei-tet werden muss. Zudem ist davon aus-zugehen, dass die Übertragung auditi-ver Informationen im Gehirn durch un-vollständige Prozesse der neuronalenEntwicklung behindert wird. GeradeGebärden können deshalb eine wichtigeHilfe sein, da sie sowohl das geringereauditive Kurzzeitgedächtnis und die be-einträchtigte auditive Diskriminationausgleichen können als auch durch vi-suelle und taktile Wahrnehmung einennachweislichen Laut- bzw. Worterinne-rungseffekt bewirken.

Zusammenhangvon Gebärden undSprache

Interessant sind die in verschiedenenStudien nachgewiesenen Parallelen zwi-schen der Entwicklung von Gebärden-sprache und Lautsprache (vgl. Cibbens,S. 12). Bei beiden Kommunikationsfor-men muss das Kind ein basales Ver-ständnis für die einzelnen Elemente desSystems und ihrer Beziehungen zuein-ander haben. Diese übergeordnetenStrukturprinzipien sind offensichtlichbei Gebärden und Lautsprache gleich.Deshalb kann ein Kind, das gelernt hat,sich mit Gebärden zu verständigen, dieerworbenen grundlegenden Prinzipienauf die gesprochene Sprache übertra-gen und in die neue Zeichenproduktionübersetzen. Erhellende Bedeutung überden Zusammenhang von Gebärden undSprache kommt auch verschiedenen

Untersuchungen zu, die die Auswirkun-gen von Hirnschädigungen auf das Ver-ständnis und die Produktion von Spra-che sowie Gebärden ermittelten. Dabeizeigte sich, dass für die Gebärdenspra-che die gleichen Hirnregionen zuständigsind wie für die Lautsprache. Diese Er-gebnisse lassen die Schlussfolgerung zu,dass die Kinder, die zuerst mit Gebär-den kommunizieren lernen, damitgrundlegende sprachliche Kompeten-zen erwerben und dann nur einen rela-tiv geringen Transfer leisten müssen,wenn sie mit dem Sprechen beginnen.Es erklärt, warum Gebärden den Spracherwerb nicht verzögern, sonderntatsächlich einen „Beschleunigungsef-fekt“ haben.

Falsch: Die Gebärdensprache ist derTod der Lautsprache

Aber noch immer berichten Eltern, dassman ihnen nachdrücklich abgeratenhat, Gebärden zu gebrauchen. „Die Ge-bärdensprache ist der Tod der Laut-sprache – das weiß man doch!“, warnach Mitteilung einer Mutter die Ant-wort einer Logopädin. Hier werden dieArgumente, die in der Gehörlosen-pädagogik lange diskutiert wurden undauch dort in dieser pauschalen Formmittlerweile überholt sind, unreflektiertauf hörende Kinder übertragen, die auf-grund sehr spezieller Probleme Gebär-den zur Unterstützung der Kommunika-tion erhalten.

Richtig: Gebärden haben eindeutigeinen positiven Einfluss auf diesprachliche Entwicklung

Alle vorliegenden Untersuchungen undEinzelberichte von Eltern und Thera-peuten über den Verlauf des Spracher-werbs mit der Gebärden-unterstütztenKommunikation belegen eindrücklich,wie dadurch die Mitteilungsmöglichkei-ten der Kinder verbessert werden, esweniger frustrierende Situationen gibtund das Sprechenlernen gefördert wird.Den Kindern wird die Bedeutung vonSprache bewusst und sie erfahren dieMöglichkeiten, aktiv verschiedene Si-tuationen zu beeinflussen. Die visuelleVerdeutlichung einer Mitteilung durchdie Gebärde lenkt die Aufmerksamkeitund unterstützt das Verstehen. „Die Au-gen machen den Ohren Beine!“, weilsichtbare Reize die Wahrnehmung vonakustischen Signalen beschleunigen.

Viele Kinder lautieren verstärkt

beim Gebärden, oft entsprechen die Sil-ben den Wörtern und die produziertenLaute nähern sich den Wörtern zuneh-mend an. So sagt ein Kind vielleicht„aff“, wenn es „Saft“ und „a-a-ne“, wennes „Banane“ gebärdet. Die Verbindungvon Wort und Gebärde bedeutet einemotorische Merkstütze und erleichtertden Kindern, sich besser an die Wörterzu erinnern. Einige wiederholenmanchmal die Gebärde, bis ihnen dannoffenbar auch das zugehörige Wort ein-fällt.

Es kann deshalb nachdrücklich fest-gestellt werden, dass Gebärden sich po-sitiv auf die sprachliche Entwicklungvon Kindern mit Down-Syndrom aus-wirken und keinesfalls zu Verzögerun-gen des Lautspracherwerbs führen.

Welche Gebärden?

DGS – Die Deutsche Gebärden-sprache

Die Deutsche Gebärdensprache (DGS)ist ein eigenständiges Sprachsystem derGehörlosen. Allerdings gibt es keine all-gemein gültige Gebärden-Hochspracheverglichen mit dem Hochdeutsch, son-dern viele Dialekte mit verschiedenenGebärden für einzelne Begriffe. So fin-den sich z.B. im DGS-Lexikon drei ver-schiedene Gebärden für Hund. Gebär-den bezeichnen immer ein Wortfeld;deshalb gibt es nicht für jedes einzelneWort eine entsprechende Gebärde. Sosteht z.B. das gleiche Zeichen für „bas-teln, Konstruktion, Montage und Tüfte-lei“. Die DGS hat eigenständige gram-matische Regeln. Das Verb steht z.B. im-mer in Endstellung, Zeitangaben amAnfang, Fragewörter am Satzende. DerSatz: „Wann besuchst du mich mor-gen?“, wird gebärdet: „Morgen du michbesuchen wann?“ Einige Gebärden un-terscheiden sich nicht in der Handbe-wegung, sondern haben eine unter-schiedliche Bedeutung abhängig vonder begleitenden Mimik, von der Hand-stellung oder vom Ausführungsort vordem Körper.

Makaton

Makaton ist in Großbritannien ent-wickelt worden auf der Grundlage derenglischen Gebärdensprache. In Deutsch-land erfolgte eine Anpassung an die DGSmit einigen motorischen Vereinfachun-

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 35

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gen. (Die englischen Makaton-Gebärdensind nicht identisch mit den deutschen!)Die Gebärden sind nach Schwierigkeits-grad in acht Stufen gegliedert und aus-gewählt vor allem nach ihrer Bedeutungfür die Kommunikation in Institutionen.Ergänzt werden die Gebärdenabbildun-gen durch spezielle Symbolkarten.

Lautsprachbegleitende Gebärden(LBG)

Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG)sind aus der deutschen Gebärdenspra-che abgeleitet. Aber die Grammatik ent-spricht der Lautsprache und deshalbkann begleitend zum Gebärden gespro-chen werden. Auch Artikel können ge-bärdet werden und sogar „die“ Singularist von „die“ Plural zu unterscheiden.Trotzdem sind einige besondere Regelnzu beachten. So muss eine Verbtren-nung durch das Einschieben von Hilfs-verben vermieden werden (z.B. bei ab-schneiden, aus-ziehen, ein-kaufen; sowird „Ich kaufe ein“ zu „Ich will einkau-fen“). LBG ist eine Kunstsprache, die fürden Unterricht gehörloser Kinder ent-wickelt wurde. Sie ist für die normaleKommunikation Gehörloser zu langsamund nicht differenziert genug, auch fürbegleitendes Gebärden beim Spielenoder Arbeiten ist sie wenig geeignet.

Gebärdensammlung: „Schau dochmeine Hände an“

„Schau doch meine Hände an“ ist eineSammlung von Gebärden, die vor allemfür die Arbeit mit nicht sprechenden geis-tig behinderten Personen zusammenge-stellt wurden. Dabei erfolgte eine teil-weise Orientierung an der DGS und motorisch schwierige oder abstrakteGebärden sowie zusammengesetzte Gebärdenzeichen wurden durch einfa-chere Handzeichen ersetzt. Diese Ge-bärdensammlung ist in Einrichtungenfür geistig Behinderte sehr gebräuch-lich.

Die Gebärden-unterstützte Kommunikation (GuK)

Die Gebärden-unterstützte Kommuni-kation (GuK) ist entwickelt für kleineKinder, die noch nicht sprechen. Damitsollen die Mitteilungsfähigkeit ermög-licht, kognitive sprachliche Grundlagengefördert und der Spracherwerb unter-stützt werden. Für die meisten Kindermit Down-Syndrom stellen Gebärden ei-nen Zwischenschritt auf dem Weg in die

Sprache dar. Nur wenige sind dauerhaftauf Gebärden angewiesen. Die meistenGebärden von GuK I beziehen sich auf„Schau doch meine Hände an“, beimAufbauwortschatz von GuK II wurdenergänzend Gebärden nach der DGS dar-gestellt (vgl. Wilken, S. 121).

Welche Gebärden für welches Kind?

Bei der Frage, welche Gebärden manfür ein Kind auswählt, ist es wichtig, dieindividuellen Fähigkeiten und Proble-me, das Lebensalter und das Förderzielzu reflektieren. Alle Gebärden ermögli-chen den Kindern eine bessere Verstän-digung – und das ist das Wichtigste!

Für jüngere Kinder, die hören kön-nen, aber aufgrund von Beeinträchti-gungen Schwierigkeiten beim Spracher-werb haben, hat sich die Gebärden-un-terstützte Kommunikation bewährt. DieGuK-Karten bieten ein geeignetes Ar-beitsmaterial aufgrund der ansprechen-den graphischen Gestaltung und dervielfältigen Möglichkeiten, Gebärden,Bilder und Schrift zu kombinieren.

Erfahrungen mitGuK

Das wesentliche Ziel von GuK ist es, dieSchwierigkeiten in der Kommunikationmit noch nicht sprechenden Kindern zuverringern und den Spracherwerb zufördern. In verschiedenen Examens-,Diplom- und Magisterarbeiten ist des-halb der Frage nachgegangen worden,ob Gebärden sich tatsächlich förderlichauf das Sprechenlernen auswirkten. In-teressant ist auch, welche Gebärden vonden Kindern zuerst gelernt wurden.

So haben einige Kinder als erste Ge-bärde Essen, Trinken, Spielen einge-setzt, manche Kinder Auto, Haus,nochmal, mehr oder Licht/Lampe. EinKind gebärdete im Alter von zwei Jah-ren oben, unten, hoch, Achtung/horch,Butzemann, Blume, Hund, Katze, Ente,Biene, bauen, trinken, winken, schlafen,alle/alle, fertig.

Ein Kind konnte mit zwei Jahren 60verschiedene Gebärden. Danach wurdedie Lautsprache so gut, dass nach undnach auf Gebärden verzichtet wurde.Ein anderes Kind konnte mit einem Jahrbereits fünf Gebärden und mit zwei Jah-ren 150. Im Alter von drei Jahren wur-den nur noch zehn Gebärden eingesetzt.

Ein Kind hat mit einem Jahr schon Essenund Trinken gebärdet, mit zwei Jahrenzusätzlich da, verschiedene Tiere undSpiele, mit drei Jahren weitere Gebär-den für Ereignisse im Kindergarten, mitvier Jahren Gebärden für Farben, Fahr-zeuge und einzelne Tätigkeiten (Opitz, S.55, Antworten aus Elternfragebogen).

Die meisten Kinder lernen Gebärdenim 2. oder 3. Lebensjahr; dabei werdendie Gebärden überwiegend von den El-tern in sinnvollem Kontext vermittelt.Ergänzend setzten viele Eltern Finger-spiele und Kinderlieder ein. Viele Kin-der erfinden auch selber einzelne Ge-bärden.

Oft wird von den Eltern betont, dassdurch die Gebärden die Kommunikationmit dem Kind erleichtert wird und dassfür das Kind weniger frustrierende Si-tuationen entstehen.

Festgestellt wurde z.B.: „Ich kannmein Kind besser verstehen“; „Mankann sich mit seinem Kind besser ver-ständigen und Wünsche erfüllen“; „Manguckt als Mutter selbst mehr hin, wenndas Kind etwas äußern möchte, undwartet länger auf eine Reaktion“; „BeimBilderbuch-Anschauen bekomme ich alsMutter durch Gebärden Rückmeldung,ob mein Kind den Inhalt der Seite oderdes Buches verstanden hat“ (Wolken, S.171).

Interessant ist auch ein Beispiel, dasein sehr hohes Kommunikationsniveauveranschaulicht: Ein Junge im Alter vondreieinhalb Jahren spricht Mama, Papaund nein. Er fragt: „Papa?“ Die Mutterantwortet: „Papa ist auf der Arbeit.“ K.gebärdet Auto und Arbeit. M.: „Ja, Papaist mit dem Auto zur Arbeit gefahren.“K. gebärdet ich und groß. M.: „Lukas istgroß?“ K.: „Nein (verb.)“ und gebärdetich, groß, Auto und Arbeit. Die Mutterübersetzt: „Wenn du groß bist, fährst duauch mit dem Auto zur Arbeit.“ Der Jun-ge nickt und freut sich über die Bestäti-gung (Opitz, S. 78).

Die vorliegenden Ergebnisse ausverschiedenen Erhebungen belegennachdrücklich, dass die Kinder durchGebärden früher kommunizieren kön-nen. Mit wachsenden lautsprachlichenFähigkeiten werden dann nach undnach die Gebärden abgelegt. Es gibt je-doch große individuelle Unterschiede,wie schnell ein Kind Gebärden lernt undseinen Gebärden-Wortschatz erweitertund auch wie lange es dauert, bis es mitdem Sprechen beginnt. Sehr deutlich

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200539

FÖRDERUNG

ansehen – etwas, aus dem das Kind vonselbst herauswächst.

Eine Sprechapraxie verschwindet je-doch nicht automatisch, wenn das Kindälter wird. Es sind spezielle Behand-lungsmethoden notwendig, um den Zu-stand zu verbessern. Eine Sprechapra-xie scheint auch nicht mit den kogniti-ven Fähigkeiten zusammenzuhängen,denn sie kommt genauso vor bei Kin-dern mit einer Lerneinschränkung wieohne eine Beeinträchtigung.

Die meisten Kinder lernen die Laute,indem sie den Menschen, die zu ihnensprechen, zuhören und zuschauen. Kin-der imitieren die Wörter, die sie von an-deren hören, und üben diese, währendsie selbst sprechen. Ein ganz natürlicherProzess, der anscheinend wie von selbstabläuft. Kindern mit einer Apraxie mussman die Fähigkeiten, die nötig sind,Laute oder Lautfolgen zu erzeugen, je-doch richtig beibringen, indem man sieganz bewusst mit ihnen übt.

Ich bin davon überzeugt, dass vieleKinder mit Down-Syndrom dieses Pro-blem haben, aber es wird nur selten alssolches erkannt oder behandelt.

Bisher war es nicht üblich, bei Kin-dern mit Down-Syndrom von einerApraxie zu sprechen. Dies stammt wohldaher, dass die Fachleute, die ursprüng-lich dieses Phänomen beschrieben, sichin ihren Studien nur mit Personen be-schäftigten, die folgenden Kriterien ent-sprachen:– eine „normale“ Intelligenz,– kein Hörverlust, – keine Muskelschwäche oder Lähmung.

Die Beschreibungen für die Sprech-apraxie wurden nicht auf andere Ziel-gruppen übertragen, was bedeutete,dass die meisten Kinder mit Down-Syn-drom, wenn nicht alle, hier gar nieberücksichtigt wurden.

Nun wurden in einer ersten rezentenStudie sieben Kinder mit Down-Syn-drom, deren Sprache man nur schwerverstehen kann, mit dem so genannten„Apraxia Profil“ getestet. Alle siebenzeigten eindeutige Merkmale der ent-wicklungsbedingten Sprechapraxie.

Vorläufige Ergebnisse einer anderenStudie, in der es darum ging, festzustel-len, ob die Apraxie ein weit verbreitetesProblem bei Down-Syndrom ist, be-stätigten, dass die meisten Kinder keinesolche Diagnose hatten. Von den mehr

als 1300 Familien, die befragt wurden,war nur 16 % der Eltern mitgeteilt wor-den, dass ihr Kind eine Apraxie hatte,während 61 % der Familien davon aus-gingen und dies so von Fachleuten be-stätigt bekamen, dass die Artikulations-probleme ihres Kindes durch die gerin-ge orofaziale Muskelspannung verur-sacht wurden.

Die Untersuchung zeigte außerdem,dass Kinder mit Down-Syndrom, bei de-nen eine Apraxie diagnostiziert wurde,später angefangen hatten zu sprechen(im Durchschnitt mit fünf Jahren) unddass sie von Anfang an schlechter zuverstehen waren als andere Kinder mit Down-Syndrom.

Unsere Daten sind noch nicht kom-plett ausgewertet, aber alles deutet dar-auf hin, dass viel mehr Kinder eineApraxie haben, als wir es uns bis jetztbewusst waren.

Schwierigkeiten mit der Aussprachewerden bei Kindern mit Down-Syndromhauptsächlich als ein motorisches Pro-blem gesehen und auch so behandelt.Dabei ist, wenn beim Kind tatsächlicheine Apraxie vorliegt, eine Therapie, diesich nur auf die Mundmotorik be-schränkt, lediglich die halbe Sache. Die-se Therapie ist zwar wichtig, um diemundmotorischen Fertigkeiten des Kin-des zu verbessern, sie behebt jedochnicht das Problem der Planung undSteuerung der Sprechbewegungen.

Symptome

Entwicklungsbedingte Sprechapraxiewird beschrieben als eine Vielzahl un-terschiedlicher Sprachauffälligkeiten.Für eine Diagnose ist nie ein einzelnesSymptom ausschlaggebend, sondern esmuss eine Kombination verschiedenerMerkmale vorliegen. Die am häufigstengenannten Symptome sind:

– Das Kind ringt um Worte, es musssich beim Sprechen oder beim Versuchzu sprechen enorm anstrengen. Trotz-dem wollen die richtigen Laute oft ein-fach nicht über die Lippen.

– Fehler sind nicht eindeutig. Einmalkann es einen Laut oder eine Lautkom-bination deutlich aussprechen, dannwieder hat es damit große Probleme.

– Ein begrenztes Lautrepertoire. DasKind scheint nur eine kleine AnzahlLaute zu verwenden. Es werden mehrVokale benutzt, Konsonanten häufigausgelassen, was die Sprache schlechtverständlich macht.

– Automatisierte Phrasen und Abfol-gen können ganz deutlich sein, aber dieVerständlichkeit der Spontansprache istschlecht. Es kann z.B. sehr deutlich: „Istmir egal“ oder „Weiß ich nicht“ sagen,aber hat in einem Gespräch oder wennihm eine Frage gestellt wird, großeSchwierigkeiten.

–Schwierigkeiten bei der Kombina-tion und der richtigen Reihenfolge vonPhonemen. So kann das Kind in der La-ge sein, gewisse einzelne Laute zu imi-tieren und zu produzieren, aber beimVersuch, diese in Wörtern zu kombinie-ren, hat es Schwierigkeiten, vor allemwenn das Wort länger und komplexerwird. Es kann zwar „ham“ sagen, aberwenn es versucht, das Wort „Hambur-ger“ auszusprechen, kann es sein, dassnur „hangurber“ kommt, die „Banane“wird zu „nabana“ usw. Laute und Silbenwerden häufig verwechselt. Dieses Ver-wechseln nennt man auch Metathese.

– Je länger die Äußerung, desto un-deutlicher die Aussprache. So geht einWort wie „key“ problemlos, „monkey“oder „monkeybars“ schafft das Kindaber nicht.

– Schwierigkeiten mit der Sprach-melodie. Das Kind spricht sehr langsamoder sehr schnell oder mit einer stetswechselnden Geschwindigkeit.

Viele andere Symptome einerSprechapraxie können bei Kindern mitDown-Syndrom festgestellt werden. Inder Tabelle auf Seite 40 sind die Sym-ptome in verschiedene Kategorien un-terteilt. Wenn Sie die Sprachmuster Ih-res Kindes feststellen wollen, kann Ih-nen diese Übersicht hilfreich sein.

Alle Kinder mit einer Sprechapraxieweisen Schwierigkeiten bei der Steue-rung der Artikulationsbewegungen auf.Darüber hinaus gibt es noch eine Viel-zahl anderer falscher Muster und Fehlerbeim Sprechen.

Bei einigen Kindern entwickelt sichdie Sprache sehr langsam, bei anderenfallen zunächst keine Besonderheitenauf, ihre Sprache scheint sich normal zuentwickeln, sie bekommen erst dannSchwierigkeiten, wenn Sprache mehrkomplex wird. Dies ist vielleicht einGrund, weshalb die Apraxie nicht gleichdiagnostiziert wird. Die Auffälligkeitensind oft sehr subtil.

Ursachen von Sprechapraxie

Wir wissen nicht, was die Ursache von

38 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

F Ö R D E R U N G

Viele Kinder mit Down-Syndrom ha-ben Schwierigkeiten, durchgehend

deutlich zu sprechen. Das eine Mal kannIhr Kind klar und deutlich seine Schwes-ter rufen: „Bonnie, komm her!“ Ein an-deres Mal verwechselt es vielleicht dieBuchstaben in ihrem Namen, lässt Wör-ter oder Silben weg und sagt nur: „Nob-bie, komm!“ Noch ein anderes Mal ringtes um Worte und kann trotz großer An-strengung den Namen gar nicht aus-sprechen.

Wieso gelingt es ihm das eine Mal, „Bon-nie“ deutlich zu sagen, aber ein anderesMal nicht. Wieso hat das Kind großeSchwierigkeiten, eine Limo zu bestellen,aber wenn die Kellnerin einen Momentspäter fragt: „Mit oder ohne Eis?“, sagtes ganz deutlich: „Das ist mir egal.“ Undwarum hat es mehr Schwierigkeiten miteinem Wort in einem kurzen Satz alsmit dem gleichen Wort in einem länge-ren Satz? Zum Beispiel kann er dasWort „Pop“ sagen, aber hat Probleme,

wenn „pop“ Teil ist von „Komm, wir ho-len uns jetzt Popcorn im Laden!“.

Diese Problematik und diese Inkon-sequenz sind typisch für eine beein-trächtigte Fähigkeit, Artikulationsbewe-gungen zu planen, eine so genannte ent-wicklungsbedingte Sprechapraxie. Einesolche Apraxie kann eine der Kompo-nenten sein, die die Verständlichkeit derSprache Ihres Kindes beeinflussen. BeiMenschen mit Down-Syndrom wird die-ser Aspekt häufig übersehen.

Was ist eine Sprechapraxie?

Obwohl viele Kinder mit Down-Syn-drom die Sprachcharakteristika einerApraxie aufweisen, wird dieser Begriffin Zusammenhang mit ihren sprachli-chen Schwierigkeiten noch kaum ver-wendet. Unter einer Sprechapraxie ver-steht man Störungen beim Planen, Kom-binieren und Organisieren, bei der Ab-folge und der Produktion von Phonemen(Kombinationen von Konsonanten undVokalen). Wenn nun ein Kind Problemebei der Steuerung motorischer Sprech-bewegungen und mit der Abfolge derLaute hat, beschreibt man dies mit einerentwicklungsbedingten Sprechapraxie.

Es gibt in letzter Zeit unter Fachleu-ten eine Diskussion über den BegriffApraxie. Dieser wurde bisher haupt-sächlich benutzt, um Erwachsene oderKinder zu beschreiben, die über einenormale Sprache verfügten, aber nacheinem Schlaganfall oder einem Hirn-trauma Schwierigkeiten haben, Infor-mationen zu verarbeiten und Laute inWorte zu verwandeln. Die Therapie insolchen Fällen zielt darauf, die verlorengegangenen Fähigkeiten wieder herzu-stellen.

Der Begriff „EntwicklungsbedingteSprechapraxie“ wird benutzt bei Kin-dern, die ähnliche Probleme haben beider Planung von Artikulationsbewegun-gen, ohne dass eine hirnschädigungsbe-dingte Beeinträchtigung vorliegt. DieseKinder sind erst dabei, das Sprechen zulernen. Hier geht es nicht darum,sprachliche Fähigkeiten wieder zu ge-winnen, die sie verloren haben, sondernum Probleme beim Lernen von Spracheüberhaupt.

In den USA wollen die Versicherun-gen meistens nicht für die Behand-lungskosten dieser Apraxie aufkommen,weil sie es als ein Entwicklungsproblem

Sprechapraxie bei Kindernund Erwachsenen mit Down-Syndrom„Gestern hast du es doch richtig gesagt – wieso denn heute nicht?“Libby Kumin

Störungen der Artikulation und die dadurch bedingtemangelhafte Verständlichkeit der Sprache bei Menschenmit Down-Syndrom sind ein bekanntes Problem. Ist die Ursache für die Artikulationsstörungen nur in den orofazialen Beeinträchtigungen und den durch die Hypotonie bedingten motorischen Schwierigkeiten zusuchen oder liegt bei manchen Kindern zusätzlich eineSprechapraxie vor?

Libby Kumin, tätig als Direktorin der Abteilung Sprach-pathologie und Audiologie am Loyola College in Balti-more, USA, arbeitet seit vielen Jahren als Beraterin deramerikanischen Down-Syndrom-Association. Sie grün-dete schon 1983 ein spezielles Sprachförderinstitut fürKinder mit Down-Syndrom. Von Libby Kumin erschienen unter anderem „Communi-cation Skills in Children with Down Syndrome“ und„Classroom Language Skills for Children with DownSyndrome“, zwei hervorragende Ratgeber für Elternund Lehrer, die es verdienen, ins Deutsche übersetzt zuwerden.

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Für die Förderung sollte auch das inverschiedenen Untersuchungen festge-stellte vergleichsweise hohe Niveau dergestischen Kommunikation bei Kindernmit Down-Syndrom berücksichtigt wer-den. Es ist zu erklären mit der besserensimultanen Erfassung visueller und tak-tiler Informationen, während Gehörtessukzessiv aufgenommen und verarbei-tet werden muss. Zudem ist davon aus-zugehen, dass die Übertragung auditi-ver Informationen im Gehirn durch un-vollständige Prozesse der neuronalenEntwicklung behindert wird. GeradeGebärden können deshalb eine wichtigeHilfe sein, da sie sowohl das geringereauditive Kurzzeitgedächtnis und die be-einträchtigte auditive Diskriminationausgleichen können als auch durch vi-suelle und taktile Wahrnehmung einennachweislichen Laut- bzw. Worterinne-rungseffekt bewirken.

Zusammenhangvon Gebärden undSprache

Interessant sind die in verschiedenenStudien nachgewiesenen Parallelen zwi-schen der Entwicklung von Gebärden-sprache und Lautsprache (vgl. Cibbens,S. 12). Bei beiden Kommunikationsfor-men muss das Kind ein basales Ver-ständnis für die einzelnen Elemente desSystems und ihrer Beziehungen zuein-ander haben. Diese übergeordnetenStrukturprinzipien sind offensichtlichbei Gebärden und Lautsprache gleich.Deshalb kann ein Kind, das gelernt hat,sich mit Gebärden zu verständigen, dieerworbenen grundlegenden Prinzipienauf die gesprochene Sprache übertra-gen und in die neue Zeichenproduktionübersetzen. Erhellende Bedeutung überden Zusammenhang von Gebärden undSprache kommt auch verschiedenen

Untersuchungen zu, die die Auswirkun-gen von Hirnschädigungen auf das Ver-ständnis und die Produktion von Spra-che sowie Gebärden ermittelten. Dabeizeigte sich, dass für die Gebärdenspra-che die gleichen Hirnregionen zuständigsind wie für die Lautsprache. Diese Er-gebnisse lassen die Schlussfolgerung zu,dass die Kinder, die zuerst mit Gebär-den kommunizieren lernen, damitgrundlegende sprachliche Kompeten-zen erwerben und dann nur einen rela-tiv geringen Transfer leisten müssen,wenn sie mit dem Sprechen beginnen.Es erklärt, warum Gebärden den Spracherwerb nicht verzögern, sonderntatsächlich einen „Beschleunigungsef-fekt“ haben.

Falsch: Die Gebärdensprache ist derTod der Lautsprache

Aber noch immer berichten Eltern, dassman ihnen nachdrücklich abgeratenhat, Gebärden zu gebrauchen. „Die Ge-bärdensprache ist der Tod der Laut-sprache – das weiß man doch!“, warnach Mitteilung einer Mutter die Ant-wort einer Logopädin. Hier werden dieArgumente, die in der Gehörlosen-pädagogik lange diskutiert wurden undauch dort in dieser pauschalen Formmittlerweile überholt sind, unreflektiertauf hörende Kinder übertragen, die auf-grund sehr spezieller Probleme Gebär-den zur Unterstützung der Kommunika-tion erhalten.

Richtig: Gebärden haben eindeutigeinen positiven Einfluss auf diesprachliche Entwicklung

Alle vorliegenden Untersuchungen undEinzelberichte von Eltern und Thera-peuten über den Verlauf des Spracher-werbs mit der Gebärden-unterstütztenKommunikation belegen eindrücklich,wie dadurch die Mitteilungsmöglichkei-ten der Kinder verbessert werden, esweniger frustrierende Situationen gibtund das Sprechenlernen gefördert wird.Den Kindern wird die Bedeutung vonSprache bewusst und sie erfahren dieMöglichkeiten, aktiv verschiedene Si-tuationen zu beeinflussen. Die visuelleVerdeutlichung einer Mitteilung durchdie Gebärde lenkt die Aufmerksamkeitund unterstützt das Verstehen. „Die Au-gen machen den Ohren Beine!“, weilsichtbare Reize die Wahrnehmung vonakustischen Signalen beschleunigen.

Viele Kinder lautieren verstärkt

beim Gebärden, oft entsprechen die Sil-ben den Wörtern und die produziertenLaute nähern sich den Wörtern zuneh-mend an. So sagt ein Kind vielleicht„aff“, wenn es „Saft“ und „a-a-ne“, wennes „Banane“ gebärdet. Die Verbindungvon Wort und Gebärde bedeutet einemotorische Merkstütze und erleichtertden Kindern, sich besser an die Wörterzu erinnern. Einige wiederholenmanchmal die Gebärde, bis ihnen dannoffenbar auch das zugehörige Wort ein-fällt.

Es kann deshalb nachdrücklich fest-gestellt werden, dass Gebärden sich po-sitiv auf die sprachliche Entwicklungvon Kindern mit Down-Syndrom aus-wirken und keinesfalls zu Verzögerun-gen des Lautspracherwerbs führen.

Welche Gebärden?

DGS – Die Deutsche Gebärden-sprache

Die Deutsche Gebärdensprache (DGS)ist ein eigenständiges Sprachsystem derGehörlosen. Allerdings gibt es keine all-gemein gültige Gebärden-Hochspracheverglichen mit dem Hochdeutsch, son-dern viele Dialekte mit verschiedenenGebärden für einzelne Begriffe. So fin-den sich z.B. im DGS-Lexikon drei ver-schiedene Gebärden für Hund. Gebär-den bezeichnen immer ein Wortfeld;deshalb gibt es nicht für jedes einzelneWort eine entsprechende Gebärde. Sosteht z.B. das gleiche Zeichen für „bas-teln, Konstruktion, Montage und Tüfte-lei“. Die DGS hat eigenständige gram-matische Regeln. Das Verb steht z.B. im-mer in Endstellung, Zeitangaben amAnfang, Fragewörter am Satzende. DerSatz: „Wann besuchst du mich mor-gen?“, wird gebärdet: „Morgen du michbesuchen wann?“ Einige Gebärden un-terscheiden sich nicht in der Handbe-wegung, sondern haben eine unter-schiedliche Bedeutung abhängig vonder begleitenden Mimik, von der Hand-stellung oder vom Ausführungsort vordem Körper.

Makaton

Makaton ist in Großbritannien ent-wickelt worden auf der Grundlage derenglischen Gebärdensprache. In Deutsch-land erfolgte eine Anpassung an die DGSmit einigen motorischen Vereinfachun-

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FÖRDERUNG

gen. (Die englischen Makaton-Gebärdensind nicht identisch mit den deutschen!)Die Gebärden sind nach Schwierigkeits-grad in acht Stufen gegliedert und aus-gewählt vor allem nach ihrer Bedeutungfür die Kommunikation in Institutionen.Ergänzt werden die Gebärdenabbildun-gen durch spezielle Symbolkarten.

Lautsprachbegleitende Gebärden(LBG)

Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG)sind aus der deutschen Gebärdenspra-che abgeleitet. Aber die Grammatik ent-spricht der Lautsprache und deshalbkann begleitend zum Gebärden gespro-chen werden. Auch Artikel können ge-bärdet werden und sogar „die“ Singularist von „die“ Plural zu unterscheiden.Trotzdem sind einige besondere Regelnzu beachten. So muss eine Verbtren-nung durch das Einschieben von Hilfs-verben vermieden werden (z.B. bei ab-schneiden, aus-ziehen, ein-kaufen; sowird „Ich kaufe ein“ zu „Ich will einkau-fen“). LBG ist eine Kunstsprache, die fürden Unterricht gehörloser Kinder ent-wickelt wurde. Sie ist für die normaleKommunikation Gehörloser zu langsamund nicht differenziert genug, auch fürbegleitendes Gebärden beim Spielenoder Arbeiten ist sie wenig geeignet.

Gebärdensammlung: „Schau dochmeine Hände an“

„Schau doch meine Hände an“ ist eineSammlung von Gebärden, die vor allemfür die Arbeit mit nicht sprechenden geis-tig behinderten Personen zusammenge-stellt wurden. Dabei erfolgte eine teil-weise Orientierung an der DGS und motorisch schwierige oder abstrakteGebärden sowie zusammengesetzte Gebärdenzeichen wurden durch einfa-chere Handzeichen ersetzt. Diese Ge-bärdensammlung ist in Einrichtungenfür geistig Behinderte sehr gebräuch-lich.

Die Gebärden-unterstützte Kommunikation (GuK)

Die Gebärden-unterstützte Kommuni-kation (GuK) ist entwickelt für kleineKinder, die noch nicht sprechen. Damitsollen die Mitteilungsfähigkeit ermög-licht, kognitive sprachliche Grundlagengefördert und der Spracherwerb unter-stützt werden. Für die meisten Kindermit Down-Syndrom stellen Gebärden ei-nen Zwischenschritt auf dem Weg in die

Sprache dar. Nur wenige sind dauerhaftauf Gebärden angewiesen. Die meistenGebärden von GuK I beziehen sich auf„Schau doch meine Hände an“, beimAufbauwortschatz von GuK II wurdenergänzend Gebärden nach der DGS dar-gestellt (vgl. Wilken, S. 121).

Welche Gebärden für welches Kind?

Bei der Frage, welche Gebärden manfür ein Kind auswählt, ist es wichtig, dieindividuellen Fähigkeiten und Proble-me, das Lebensalter und das Förderzielzu reflektieren. Alle Gebärden ermögli-chen den Kindern eine bessere Verstän-digung – und das ist das Wichtigste!

Für jüngere Kinder, die hören kön-nen, aber aufgrund von Beeinträchti-gungen Schwierigkeiten beim Spracher-werb haben, hat sich die Gebärden-un-terstützte Kommunikation bewährt. DieGuK-Karten bieten ein geeignetes Ar-beitsmaterial aufgrund der ansprechen-den graphischen Gestaltung und dervielfältigen Möglichkeiten, Gebärden,Bilder und Schrift zu kombinieren.

Erfahrungen mitGuK

Das wesentliche Ziel von GuK ist es, dieSchwierigkeiten in der Kommunikationmit noch nicht sprechenden Kindern zuverringern und den Spracherwerb zufördern. In verschiedenen Examens-,Diplom- und Magisterarbeiten ist des-halb der Frage nachgegangen worden,ob Gebärden sich tatsächlich förderlichauf das Sprechenlernen auswirkten. In-teressant ist auch, welche Gebärden vonden Kindern zuerst gelernt wurden.

So haben einige Kinder als erste Ge-bärde Essen, Trinken, Spielen einge-setzt, manche Kinder Auto, Haus,nochmal, mehr oder Licht/Lampe. EinKind gebärdete im Alter von zwei Jah-ren oben, unten, hoch, Achtung/horch,Butzemann, Blume, Hund, Katze, Ente,Biene, bauen, trinken, winken, schlafen,alle/alle, fertig.

Ein Kind konnte mit zwei Jahren 60verschiedene Gebärden. Danach wurdedie Lautsprache so gut, dass nach undnach auf Gebärden verzichtet wurde.Ein anderes Kind konnte mit einem Jahrbereits fünf Gebärden und mit zwei Jah-ren 150. Im Alter von drei Jahren wur-den nur noch zehn Gebärden eingesetzt.

Ein Kind hat mit einem Jahr schon Essenund Trinken gebärdet, mit zwei Jahrenzusätzlich da, verschiedene Tiere undSpiele, mit drei Jahren weitere Gebär-den für Ereignisse im Kindergarten, mitvier Jahren Gebärden für Farben, Fahr-zeuge und einzelne Tätigkeiten (Opitz, S.55, Antworten aus Elternfragebogen).

Die meisten Kinder lernen Gebärdenim 2. oder 3. Lebensjahr; dabei werdendie Gebärden überwiegend von den El-tern in sinnvollem Kontext vermittelt.Ergänzend setzten viele Eltern Finger-spiele und Kinderlieder ein. Viele Kin-der erfinden auch selber einzelne Ge-bärden.

Oft wird von den Eltern betont, dassdurch die Gebärden die Kommunikationmit dem Kind erleichtert wird und dassfür das Kind weniger frustrierende Si-tuationen entstehen.

Festgestellt wurde z.B.: „Ich kannmein Kind besser verstehen“; „Mankann sich mit seinem Kind besser ver-ständigen und Wünsche erfüllen“; „Manguckt als Mutter selbst mehr hin, wenndas Kind etwas äußern möchte, undwartet länger auf eine Reaktion“; „BeimBilderbuch-Anschauen bekomme ich alsMutter durch Gebärden Rückmeldung,ob mein Kind den Inhalt der Seite oderdes Buches verstanden hat“ (Wolken, S.171).

Interessant ist auch ein Beispiel, dasein sehr hohes Kommunikationsniveauveranschaulicht: Ein Junge im Alter vondreieinhalb Jahren spricht Mama, Papaund nein. Er fragt: „Papa?“ Die Mutterantwortet: „Papa ist auf der Arbeit.“ K.gebärdet Auto und Arbeit. M.: „Ja, Papaist mit dem Auto zur Arbeit gefahren.“K. gebärdet ich und groß. M.: „Lukas istgroß?“ K.: „Nein (verb.)“ und gebärdetich, groß, Auto und Arbeit. Die Mutterübersetzt: „Wenn du groß bist, fährst duauch mit dem Auto zur Arbeit.“ Der Jun-ge nickt und freut sich über die Bestäti-gung (Opitz, S. 78).

Die vorliegenden Ergebnisse ausverschiedenen Erhebungen belegennachdrücklich, dass die Kinder durchGebärden früher kommunizieren kön-nen. Mit wachsenden lautsprachlichenFähigkeiten werden dann nach undnach die Gebärden abgelegt. Es gibt je-doch große individuelle Unterschiede,wie schnell ein Kind Gebärden lernt undseinen Gebärden-Wortschatz erweitertund auch wie lange es dauert, bis es mitdem Sprechen beginnt. Sehr deutlich

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 39

F Ö R D E R U N G

ansehen – etwas, aus dem das Kind vonselbst herauswächst.

Eine Sprechapraxie verschwindet je-doch nicht automatisch, wenn das Kindälter wird. Es sind spezielle Behand-lungsmethoden notwendig, um den Zu-stand zu verbessern. Eine Sprechapra-xie scheint auch nicht mit den kogniti-ven Fähigkeiten zusammenzuhängen,denn sie kommt genauso vor bei Kin-dern mit einer Lerneinschränkung wieohne eine Beeinträchtigung.

Die meisten Kinder lernen die Laute,indem sie den Menschen, die zu ihnensprechen, zuhören und zuschauen. Kin-der imitieren die Wörter, die sie von an-deren hören, und üben diese, währendsie selbst sprechen. Ein ganz natürlicherProzess, der anscheinend wie von selbstabläuft. Kindern mit einer Apraxie mussman die Fähigkeiten, die nötig sind,Laute oder Lautfolgen zu erzeugen, je-doch richtig beibringen, indem man sieganz bewusst mit ihnen übt.

Ich bin davon überzeugt, dass vieleKinder mit Down-Syndrom dieses Pro-blem haben, aber es wird nur selten alssolches erkannt oder behandelt.

Bisher war es nicht üblich, bei Kin-dern mit Down-Syndrom von einerApraxie zu sprechen. Dies stammt wohldaher, dass die Fachleute, die ursprüng-lich dieses Phänomen beschrieben, sichin ihren Studien nur mit Personen be-schäftigten, die folgenden Kriterien ent-sprachen:– eine „normale“ Intelligenz,– kein Hörverlust, – keine Muskelschwäche oder Lähmung.

Die Beschreibungen für die Sprech-apraxie wurden nicht auf andere Ziel-gruppen übertragen, was bedeutete,dass die meisten Kinder mit Down-Syn-drom, wenn nicht alle, hier gar nieberücksichtigt wurden.

Nun wurden in einer ersten rezentenStudie sieben Kinder mit Down-Syn-drom, deren Sprache man nur schwerverstehen kann, mit dem so genannten„Apraxia Profil“ getestet. Alle siebenzeigten eindeutige Merkmale der ent-wicklungsbedingten Sprechapraxie.

Vorläufige Ergebnisse einer anderenStudie, in der es darum ging, festzustel-len, ob die Apraxie ein weit verbreitetesProblem bei Down-Syndrom ist, be-stätigten, dass die meisten Kinder keinesolche Diagnose hatten. Von den mehr

als 1300 Familien, die befragt wurden,war nur 16 % der Eltern mitgeteilt wor-den, dass ihr Kind eine Apraxie hatte,während 61 % der Familien davon aus-gingen und dies so von Fachleuten be-stätigt bekamen, dass die Artikulations-probleme ihres Kindes durch die gerin-ge orofaziale Muskelspannung verur-sacht wurden.

Die Untersuchung zeigte außerdem,dass Kinder mit Down-Syndrom, bei de-nen eine Apraxie diagnostiziert wurde,später angefangen hatten zu sprechen(im Durchschnitt mit fünf Jahren) unddass sie von Anfang an schlechter zuverstehen waren als andere Kinder mit Down-Syndrom.

Unsere Daten sind noch nicht kom-plett ausgewertet, aber alles deutet dar-auf hin, dass viel mehr Kinder eineApraxie haben, als wir es uns bis jetztbewusst waren.

Schwierigkeiten mit der Aussprachewerden bei Kindern mit Down-Syndromhauptsächlich als ein motorisches Pro-blem gesehen und auch so behandelt.Dabei ist, wenn beim Kind tatsächlicheine Apraxie vorliegt, eine Therapie, diesich nur auf die Mundmotorik be-schränkt, lediglich die halbe Sache. Die-se Therapie ist zwar wichtig, um diemundmotorischen Fertigkeiten des Kin-des zu verbessern, sie behebt jedochnicht das Problem der Planung undSteuerung der Sprechbewegungen.

Symptome

Entwicklungsbedingte Sprechapraxiewird beschrieben als eine Vielzahl un-terschiedlicher Sprachauffälligkeiten.Für eine Diagnose ist nie ein einzelnesSymptom ausschlaggebend, sondern esmuss eine Kombination verschiedenerMerkmale vorliegen. Die am häufigstengenannten Symptome sind:

– Das Kind ringt um Worte, es musssich beim Sprechen oder beim Versuchzu sprechen enorm anstrengen. Trotz-dem wollen die richtigen Laute oft ein-fach nicht über die Lippen.

– Fehler sind nicht eindeutig. Einmalkann es einen Laut oder eine Lautkom-bination deutlich aussprechen, dannwieder hat es damit große Probleme.

– Ein begrenztes Lautrepertoire. DasKind scheint nur eine kleine AnzahlLaute zu verwenden. Es werden mehrVokale benutzt, Konsonanten häufigausgelassen, was die Sprache schlechtverständlich macht.

– Automatisierte Phrasen und Abfol-gen können ganz deutlich sein, aber dieVerständlichkeit der Spontansprache istschlecht. Es kann z.B. sehr deutlich: „Istmir egal“ oder „Weiß ich nicht“ sagen,aber hat in einem Gespräch oder wennihm eine Frage gestellt wird, großeSchwierigkeiten.

– Schwierigkeiten bei der Kombina-tion und der richtigen Reihenfolge vonPhonemen. So kann das Kind in der La-ge sein, gewisse einzelne Laute zu imi-tieren und zu produzieren, aber beimVersuch, diese in Wörtern zu kombinie-ren, hat es Schwierigkeiten, vor allemwenn das Wort länger und komplexerwird. Es kann zwar „ham“ sagen, aberwenn es versucht, das Wort „Hambur-ger“ auszusprechen, kann es sein, dassnur „hangurber“ kommt, die „Banane“wird zu „nabana“ usw. Laute und Silbenwerden häufig verwechselt. Dieses Ver-wechseln nennt man auch Metathese.

– Je länger die Äußerung, desto un-deutlicher die Aussprache. So geht einWort wie „key“ problemlos, „monkey“oder „monkeybars“ schafft das Kindaber nicht.

– Schwierigkeiten mit der Sprach-melodie. Das Kind spricht sehr langsamoder sehr schnell oder mit einer stetswechselnden Geschwindigkeit.

Viele andere Symptome einerSprechapraxie können bei Kindern mitDown-Syndrom festgestellt werden. Inder Tabelle auf Seite 40 sind die Sym-ptome in verschiedene Kategorien un-terteilt. Wenn Sie die Sprachmuster Ih-res Kindes feststellen wollen, kann Ih-nen diese Übersicht hilfreich sein.

Alle Kinder mit einer Sprechapraxieweisen Schwierigkeiten bei der Steue-rung der Artikulationsbewegungen auf.Darüber hinaus gibt es noch eine Viel-zahl anderer falscher Muster und Fehlerbeim Sprechen.

Bei einigen Kindern entwickelt sichdie Sprache sehr langsam, bei anderenfallen zunächst keine Besonderheitenauf, ihre Sprache scheint sich normal zuentwickeln, sie bekommen erst dannSchwierigkeiten, wenn Sprache mehrkomplex wird. Dies ist vielleicht einGrund, weshalb die Apraxie nicht gleichdiagnostiziert wird. Die Auffälligkeitensind oft sehr subtil.

Ursachen von Sprechapraxie

Wir wissen nicht, was die Ursache von

38Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

Viele Kinder mit Down-Syndrom ha-ben Schwierigkeiten, durchgehend

deutlich zu sprechen. Das eine Mal kannIhr Kind klar und deutlich seine Schwes-ter rufen: „Bonnie, komm her!“ Ein an-deres Mal verwechselt es vielleicht dieBuchstaben in ihrem Namen, lässt Wör-ter oder Silben weg und sagt nur: „Nob-bie, komm!“ Noch ein anderes Mal ringtes um Worte und kann trotz großer An-strengung den Namen gar nicht aus-sprechen.

Wieso gelingt es ihm das eine Mal, „Bon-nie“ deutlich zu sagen, aber ein anderesMal nicht. Wieso hat das Kind großeSchwierigkeiten, eine Limo zu bestellen,aber wenn die Kellnerin einen Momentspäter fragt: „Mit oder ohne Eis?“, sagtes ganz deutlich: „Das ist mir egal.“ Undwarum hat es mehr Schwierigkeiten miteinem Wort in einem kurzen Satz alsmit dem gleichen Wort in einem länge-ren Satz? Zum Beispiel kann er dasWort „Pop“ sagen, aber hat Probleme,

wenn „pop“ Teil ist von „Komm, wir ho-len uns jetzt Popcorn im Laden!“.

Diese Problematik und diese Inkon-sequenz sind typisch für eine beein-trächtigte Fähigkeit, Artikulationsbewe-gungen zu planen, eine so genannte ent-wicklungsbedingte Sprechapraxie. Einesolche Apraxie kann eine der Kompo-nenten sein, die die Verständlichkeit derSprache Ihres Kindes beeinflussen. BeiMenschen mit Down-Syndrom wird die-ser Aspekt häufig übersehen.

Was ist eine Sprechapraxie?

Obwohl viele Kinder mit Down-Syn-drom die Sprachcharakteristika einerApraxie aufweisen, wird dieser Begriffin Zusammenhang mit ihren sprachli-chen Schwierigkeiten noch kaum ver-wendet. Unter einer Sprechapraxie ver-steht man Störungen beim Planen, Kom-binieren und Organisieren, bei der Ab-folge und der Produktion von Phonemen(Kombinationen von Konsonanten undVokalen). Wenn nun ein Kind Problemebei der Steuerung motorischer Sprech-bewegungen und mit der Abfolge derLaute hat, beschreibt man dies mit einerentwicklungsbedingten Sprechapraxie.

Es gibt in letzter Zeit unter Fachleu-ten eine Diskussion über den BegriffApraxie. Dieser wurde bisher haupt-sächlich benutzt, um Erwachsene oderKinder zu beschreiben, die über einenormale Sprache verfügten, aber nacheinem Schlaganfall oder einem Hirn-trauma Schwierigkeiten haben, Infor-mationen zu verarbeiten und Laute inWorte zu verwandeln. Die Therapie insolchen Fällen zielt darauf, die verlorengegangenen Fähigkeiten wieder herzu-stellen.

Der Begriff „EntwicklungsbedingteSprechapraxie“ wird benutzt bei Kin-dern, die ähnliche Probleme haben beider Planung von Artikulationsbewegun-gen, ohne dass eine hirnschädigungsbe-dingte Beeinträchtigung vorliegt. DieseKinder sind erst dabei, das Sprechen zulernen. Hier geht es nicht darum,sprachliche Fähigkeiten wieder zu ge-winnen, die sie verloren haben, sondernum Probleme beim Lernen von Spracheüberhaupt.

In den USA wollen die Versicherun-gen meistens nicht für die Behand-lungskosten dieser Apraxie aufkommen,weil sie es als ein Entwicklungsproblem

Sprechapraxie bei Kindernund Erwachsenen mit Down-Syndrom„Gestern hast du es doch richtig gesagt – wieso denn heute nicht?“Libby Kumin

Störungen der Artikulation und die dadurch bedingtemangelhafte Verständlichkeit der Sprache bei Menschenmit Down-Syndrom sind ein bekanntes Problem. Ist die Ursache für die Artikulationsstörungen nur in den orofazialen Beeinträchtigungen und den durch die Hypotonie bedingten motorischen Schwierigkeiten zusuchen oder liegt bei manchen Kindern zusätzlich eineSprechapraxie vor?

Libby Kumin, tätig als Direktorin der Abteilung Sprach-pathologie und Audiologie am Loyola College in Balti-more, USA, arbeitet seit vielen Jahren als Beraterin deramerikanischen Down-Syndrom-Association. Sie grün-dete schon 1983 ein spezielles Sprachförderinstitut fürKinder mit Down-Syndrom. Von Libby Kumin erschienen unter anderem „Communi-cation Skills in Children with Down Syndrome“ und„Classroom Language Skills for Children with DownSyndrome“, zwei hervorragende Ratgeber für Elternund Lehrer, die es verdienen, ins Deutsche übersetzt zuwerden.

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36Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

wird aber aus allen Untersuchungen,wie die allgemeine Verständigungs-fähigkeit des Kindes durch den Einsatzvon Gebärden verbessert wird und wiedas Sprechenlernen nicht beeinträch-tigt, sondern gefördert wird.

Nachdrücklich muss aber daraufverwiesen werden, dass Gebärden insinnvollen Lebenskontexten erworbenwerden, die den Zusammenhang dermotorisch ausgeführten Gebärde mitdem bezeichneten Objekt oder der Akti-on verdeutlichen.

Einsatz von Wortkarten

Ob auch die Wortkarten für die weiteresprachliche Förderung eingesetzt wer-den, sollte man abhängig von den Mög-lichkeiten und Interessen des Kindesentscheiden. Bei den ersten spieleri-schen Übungen mit den Wörtern kön-nen dann begleitende Gebärden durch-aus eine Erinnerungshilfe darstellen.Noch nicht sprechende Kinder sind zu-dem in der Lage, so ihre tatsächlicheLesekompetenz zu zeigen.

Einsatz der Gebärdenkarte als Hilfebei der Kommunikation

Bei einigen nicht bzw. noch nicht spre-chenden Kindern im Kindergarten- undim Schulalter vor allem mit autistischemVerhalten, die nicht in der Lage waren,Gebärden durch Imitation zu lernen, ha-ben sich die Gebärden-Karten als einebesondere Möglichkeit erwiesen, dieVerständigung mit Symbolen zu erler-nen. Dazu wurden dann ein oder zweiGebärdenabbildungen bezogen auf diebekannten Bedürfnisse und Vorliebendes Kindes ausgewählt (z.B. essen oderanziehen – in der Bedeutung von raus-gehen). Die Karten werden auf derRückseite mit einem Klettband verse-hen. Im Gruppen- bzw. Klassenraumwird an einer besonderen Stelle eben-falls ein Klettband befestigt und daranwerden die Gebärdenkarten aufge-hängt. Wenn das Kind durch sein Ver-halten (z.B. durch Anfassen und durchaufforderndes Ziehen in eine bestimm-te Richtung) deutlich macht, dass es z.B.essen möchte, geht die Erzieherin mitihm zum Klettband, nimmt die Karte mitder Gebärde „essen“ ab und gibt sie demKind in die Hand. Sie verbalisiert dann„Du möchtest essen“ und gebärdet dazuentsprechend. So kann das Kind manch-mal lernen, seine Bedürfnisse durch Ho-len der Karte kontextunabhängig deut-

lich zu machen. Ein 14-jähriges, nicht sprechendes

Mädchen lernte auf diese Weise, sich zu-nehmend besser verständlich zu ma-chen, und konnte nach wenigen Mona-ten 15 Gebärdenkarten sinnvoll zurKommunikation einsetzen und zwei Ge-bärden benutzen. Bei diesem Verfahrenwerden bewusst nicht die Bildkarten,sondern nur die Gebärdenkarten einge-setzt. Es wird damit vermieden, gleich-zeitig zwei unterschiedliche Systemeeinzusetzen (Bilder von konkreten Din-gen und Abbildungen von Gebärden fürVerben u.a.). Gegenüber anderen Bild-systemen liegt der Vorteil dieses Ver-fahrens darin, dass mit Gebärden vielenicht bildhafte Aussagen (wie fertig,mehr, traurig) dargestellt werden kön-nen und zudem eine Weiterentwicklungzum eigenen Gebärden und damit zuraktiven Mitteilung möglich ist.

Es ist erstaunlich, wie schnell man-che Kinder die Gebärdenkarten „lesen“können. Durch die Verbalisierung unddas begleitende Gebärden verstehendann viele auch nach einiger Zeit denZusammenhang von Gebärden undsprachlicher Kommunikation immerbesser und beginnen – anfangs noch mitUnterstützung –, die Gebärden selbereinzusetzen. Manchmal gelingt es dannauch noch, ein begleitendes Lautierenanzuregen. Wichtig ist jedoch, dass dieKinder damit eine Möglichkeit erhalten,sich besser verständlich zu machen. Da-mit kann auch problematisches Verhal-ten in einigen Situationen verringertwerden.

Zusammenfassung: Gebärden-unter-stützte Kommunikation ist eindeutigförderlich für den Spracherwerb

Das Verfahren der Gebärden-unter-stützten Kommunikation wird in derFrühförderung von Kindern mit Down-Syndrom von mir schon fast 15 Jahreangeboten – anfangs noch etwas zöger-lich und eher bei Kindern, die besondersdeutliche Probleme im Spracherwerbzeigten. Aufgrund der vielen guten Er-fahrungen sind wir heute sicher, dassGebärden eine wichtige Hilfe sind aufdem Weg zum Sprechen für die meistenKinder mit Down-Syndrom, aber auchfür Kinder mit anderen deutlichen Be-einträchtigungen, die sich auf den Spracherwerb auswirken.

Seit einigen Jahren stehen uns jetztdie GuK-Karten zur Verfügung, ein für

Kinder besonders geeignetes Arbeits-material, optisch ansprechend gestaltet,stabil und vielseitig verwendbar.

Viele Eltern und Therapeuten be-richten über die Fortschritte der Kindermit GuK und über die gemeinsameFreude an gelungener Kommunikation.In einem viel beachteten Fernsehfilmkonnte die günstige sprachliche Ent-wicklung von drei Kindern mit Down-Syndrom über eineinhalb Jahre doku-mentiert werden (arte: Ich kann dasschon).

Trotz dieser vielen positiven Erfah-rungen halten sich hartnäckig dieunbewiesenen Behauptungen, Gebärdenwürden sich nachteilig auf den Sprach-erwerb auswirken, Gebärden würdengerade bei „sprachfaulen“ Kindern mitDown-Syndrom dazu führen, sich dieAnstrengungen der Verbalsprache zuersparen, oder Gebärden wären gene-rell für die Lautsprache eine Sackgasse.

Dieser ablehnenden oder skepti-schen Einstellung ist begründet zu wi-dersprechen. Aufgrund langjährigerund vielfältiger Erfahrung konnte nach-gewiesen werden, dass die Gebärden-unterstützte Kommunikation eindeutigförderlich für den Spracherwerb ist.

Literatur:B.E.B. e.V.: Schau doch meine Hände an.

Diakonie-Verlag Reutlingen 1998Cibbens, J.: Der Einsatz von Gebärdensprache

bei Kindern mit Down-Syndrom. In: LmDS, Nr. 19, 1995, S. 12-14

Grimm, H.: Störungen der Sprachentwicklung.Göttingen 2003

Maisch, G., Wisch, F.: Gebärden-Lexikon.Hamburg 1996

Opitz, K.: Gebärden als Chance und Schlüsselzur Kommunikation im Spracherwerb von

Kindern mit Down-Syndrom. Unveröff.Examensarbeit, Anglistische Linguistik der

Universität Mannheim, 2002Wilken, E.: Sprachförderung bei Kindern mit

Down-Syndrom. Berlin 2003Wolken, E.-M.: Förderung der Sprache und

Kommunikation von Kindern mit Down-Syndrom durch GuK – Befragung von Experten

bezüglich der Anwendung von GuK. Unveröff.Examensarbeit in Sonderpädagogik,

Universität Hannover 2004

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 33

F Ö R D E R U N G

Spracherwerb und GebärdenErfahrungen mit GuKEtta Wilken

Seit fast fünf Jahren gibt es jetzt schon die GuK-Karten.Die Methode der Gebärden-unterstützten Kommunikati-on ist inzwischen sehr verbreitet und es besteht weiter-hin großes Interesse an dem schönen Kartenmaterial.Frau Wilken, die das Konzept entwickelt hat, fasst indiesem Artikel nochmals das Wichtigste zum Spracher-werb und zum Einsatz von Gebärden zusammen. Außerdem berichtet sie über verschiedene Erfahrungen,die mit der Methode gemacht wurden.

Bei Kindern mit Down-Syndrom gibtes große Unterschiede in der indivi-

duellen Ausprägung gesundheitlicherProbleme und syndromtypischer Merk-male. Die individuellen Kompetenzpro-file weisen eine erhebliche Variabilitätauf und auch die zeitliche Streuung indem Erreichen von so genannten „Mei-lensteinen“ der Entwicklung ist sehrgroß. Mit zunehmendem Alter geht die-se „Schere“ immer mehr auseinanderund führt zu einer progressiven Diffe-renz.

Dabei wird die Bedeutung der ein-zelnen organischen Veränderungen undder gesundheitlichen Bedingungen fürdiese individuellen Unterschiede durch-aus widersprüchlich interpretiert. Auchdie Relevanz bestimmter Fördermaß-nahmen und besonderer Therapien fürdie Entwicklung wird verschieden be-wertet. Einigkeit besteht aber darin,dass die syndrombedingten Abweichun-gen im Vergleich mit Kindern, die sichdurchschnittlich entwickeln, nicht alleinals „Verzögerung“ oder „verlangsamtesLernen“ erklärt werden können. Viel-mehr liegen typische Abweichungenvor, die zu einer asynchronen Entwick-lung führen und damit eine normalewechselseitige Beeinflussung der ver-schiedenen Kompetenzbereiche we-sentlich erschweren (vgl. Wilken, S. 40).

Bedingt durch die Hypotonie ist vorallem in den ersten Lebensjahren diemotorische Entwicklung, besonders dieFeinmotorik, deutlich verzögert, wird

dann jedoch weniger auffällig, auchwenn einige typische Abweichungenz.B. in Ausdauer und Koordination er-kennbar bleiben.

Besonders beim eigentlichen Sprach-erwerb ergeben sich aufgrund von viel-fältigen syndromtypischen Beeinträchti-gungen Verzögerungen und erheblichequalitative und quantitative Abweichun-gen. Dabei sind die Unterschiede zwi-schen den einzelnen Kindern sehr groß:Während einige nur wenige Worte spre-chen lernen, können andere sich diffe-renziert und gut verständlich verständi-gen.

Die kognitiven Einschränkungen zei-gen sich deutlicher, wenn bei den ande-ren Kindern, die sich durchschnittlichentwickeln, etwa ab einem Alter von 24bis 30 Monaten, differenzierte sprachli-che Fähigkeiten wie Fragen und Ver-muten, Vergleichen und Kategorisierenfür die weitere Entwicklung eine zuneh-mende Bedeutung haben. Kindern mitDown-Syndrom stehen diese Fähigkei-ten verzögert und oft nur eingeschränktzur Verfügung. Viele haben deshalbSchwierigkeiten, den Schritt vom senso-motorischen zum symbolischen Denkenzu vollziehen. Während sie oft anschau-liche und konkrete Aufgaben noch rechtgut bewältigen können, fallen ihnenSymbolisierungen, das Anwenden vonOrdnungskriterien oder das Kurzzeitge-dächtnis betreffende Merkaufgaben auf-grund der sprachlichen Einschränkun-gen oft schwer.

Große Unterschiede

Auffällig bei Kindern mit Down-Syn-drom sind jedoch nicht nur die großeninterindividuellen Unterschiede, son-dern typisch sind auch die intraindivi-duellen Abweichungen in den verschie-denen Bereichen der Sprachkompetenz.Während die Artikulationsfähigkeit meis-tens besonders beeinträchtigt ist, ent-sprechen die lexikalischen, semanti-schen und syntaktischen Fähigkeiten et-wa dem Niveau ihrer allgemeinen ko-gnitiven Entwicklung und die pragmati-schen und sozial-sprachlichen Fähig-keiten liegen sogar oft deutlich darüber.

So befand sich z.B. ein zehnjährigesMädchen „bei seiner Artikulationsfähig-keit auf dem Niveau eines Zweijährigen,bei seiner semantischen und syntakti-schen Entwicklung auf dem Niveau ei-nes Dreijährigen und bei seiner prag-matischen Entwicklung auf dem Niveaueines Vierjährigen“ (Rondal, zit. n.Grimm, S. 87). Aufgrund dieser Diskre-panzen in den verschiedenen Bereichender Sprachentwicklung sollte deshalbkeine überwiegende Orientierung ander Sprachproduktion erfolgen, sonderneine differenzierte Erfassung der indivi-duellen sprachlichen Kompetenzen vor-genommen werden, da Kinder mit Down-Syndrom sonst aufgrund ihrerSchwierigkeiten beim Sprechen in ihrentatsächlichen Fähigkeiten oft unter-schätzt werden.

Spezialisten der gestischen Kommunikation

„Wenn man jedoch eine größere Tiefen-schärfe bei der Analyse des Kommuni-kationsverhaltens anlegt, wird es mög-lich zu erkennen, ... dass Down-Syn-drom-Kinder zwar in ihrem Wortver-ständnis und ihrer Wortproduktion mitparallelisierten jüngeren Kontrollkin-dern vergleichbar sind, nicht aber inihrem Gebrauch kommunikativer Ges-ten. Hier zeigen die betroffenen Kinderein deutlich höheres Niveau“ (Grimm, S. 89). Sehr treffend bezeichnet Grimmdeshalb die Kinder als „Spezialisten dergestischen Kommunikation“ und schluss-folgert, „das vergleichsweise hohe gesti-sche Niveau muss sowohl bei der Dia-gnose als auch bei der Therapie Berück-sichtigung finden“ (ebd.).

Die speziellen Beeinträchtigungender Artikulation werden vor allem durchdie syndromtypischen Veränderungender motorisch-funktionellen sprachli-

FÖRDERUNG

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200537

Bestellen: GuK-Gebärden-Alphabet

Seit März 2005 liegt die Gebärden-Über-sicht der jeweiligen GuK1- und GuK2-Schachtel bei. Der Preis hat sich auchdeswegen etwas erhöht. Diejenigen, dieGuK schon länger benutzen und inter-essiert an einer Übersicht sind, könnendie Liste im InfoCenter bestellen. Preisjeweils fünf Euro (inkl. Porto und Ver-sandkosten).

Da die großen Gebärdenkarten oftnach inhaltlichen Kriterien (Spiel-

zeug, Tiere, Essen/Trinken) zusammenmit den Bildern oder auch den Wort-karten geordnet und dann z.B. in kleineFotoalben sortiert werden, ist das Nach-sehen einer einzelnen Gebärde oft etwasmühsam.

Darum gibt es jetzt kleine, alphabe-tisch geordnete Abbildungen der GuK-Gebärden. Diese Gebärdenbilder sollenvor allem eine schnelle Orientierung er-möglichen und das Erinnern an einzel-ne Gebärden für die Bezugspersonen er-leichtern – sie sind nicht für die Kindergedacht und auch nicht geeignet, um da-mit die Gebärden zu erlernen. Aber siebieten über die schnelle Orientierunghinaus auch noch andere ergänzendeVerwendungsmöglichkeiten:

Die kleinen Abbildungen können leichtfotokopiert und dann in Bilderbücherund in Kinderliederbücher eingeklebtwerden. Beim Betrachten der Bücherund beim Singen der Lieder sind danndie passenden Gebärden gleich präsent.

Im Kindergarten und in der Schulekönnen einzelne ausgewählte kopierteKärtchen auch gut als „Beschriftung“eingesetzt werden, da die Kinder oft er-staunlich schnell in der Lage sind, dieseAbbildungen zu „lesen“. Auf das beimEssen benutzte Platzdeckchen könneneinige wichtige Gebärden geklebt wer-den (z.B. „mehr“ oder „fertig“), auf diedie Kinder dann zeigen und so lernen,dazu auch entsprechend zu gebärden.

Die kleinen Gebärdenbilder sind auchgeeignet zum Erstellen eines individuel-len Protokolls über den Verlauf desSpracherwerbs mit den Gebärden. Dazuwird die Gebärde kopiert, aufgeklebtund daneben das Datum geschrieben,wann sie eingeführt wurde. In einerweiteren Spalte wird eingetragen, wanndas Kind die Gebärde spontan einge-setzt hat, und eventuell daneben in einerdritten Spalte, wann das Kind das Wortzuerst gesprochen hat. Solche Listen er-lauben einen schnellen Überblick und

zudem können sie auch Skeptiker davonüberzeugen, wie positiv sich Gebärdenauf den Spracherwerb auswirken!Außerdem ist es sehr motivierend fürEltern und für Pädagogen, die mit demKind arbeiten, diese Listen mit den zeit-lichen Angaben zur sprachlichen Ent-wicklung zu lesen.

Neu: Liste mit alphabetisch geordneten Abbildungender GuK-Gebärden

Die alphabetische Ordnung der Gebärdenbilder soll eine schnelle Orientierungermöglichen und das Erinnern erleichtern. Nicht geeignet sind diese kleinenAbbildungen, um damit die Gebärden zu erlernen.

40 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

F Ö R D E R U N G

Sprechapraxie ist. Eine Theorie besagt,dass Bewegungsabläufe, also auch dieder Sprechmuskulatur, sich durch Er-fahrung und Übung entwickeln. Frühepräverbale Fertigkeiten wie u.a. saugenund schlucken sind die Grundlage zurEntwicklung der Sprechbewegungen.Das Sprechen ist ein motorisches Out-put-System, ist aber abhängig von sen-sorischen und kognitiven Entwicklungs-prozessen. Wenn die Wahrnehmung ei-nes Kindes gestört ist, es Probleme beimSehen, Hören oder im taktilen Bereichhat und es die sensorischen Informatio-nen, die es bekommt, nicht integrierenkann, wird es ihm auch schwer fallen,die Bewegungen, die nötig sind für eineklare, deutliche Aussprache, zu koordi-nieren.

Durch das Wahrnehmen von Lautenin seiner Umgebung und das eigenefrühe Gurren und Lallen bilden sich all-mählich Bewegungsvorstellungen imGehirn des Kindes. Diese Bewegungs-muster sind dann zu jeder Zeit abrufbarund sorgen dafür, dass die sprechmoto-rischen Bewegungen fast wie automa-tisch ablaufen.

Weil Kinder mit Down-Syndrom De-fizite sowohl in der Wahrnehmung wieim Bereich der Motorik aufweisen, kön-nen sie einerseits nicht so viele Ein-drücke sammeln, wie nötig wären, umgute Bewegungsvorstellungen zu bilden,und andererseits haben sie wenigerÜbung bei der Anwendung solcher Mus-ter.

Zusätzlich gibt es viele Kinder, dieSchwierigkeiten haben, Reize und In-formationen, die sie aus ihrer Umweltbekommen, auch richtig zu verarbeiten.Deshalb kann zum Beispiel die sensori-sche Integrationstherapie für diese Kin-der sehr hilfreich sein.

Hat man gute, starke Bewegungs-vorstellungen, kann man Laute schnellund genau, fast schon automatisch wie-dergeben. Hat man solche Vorstellun-gen nicht oder nur unvollständig, kannman Laute gar nicht richtig oder nur un-ter größter Anstrengung produzieren.Der Prozess läuft nicht automatisch ab,sondern man muss sich jeden proble-matischen Laut bewusst machen.

Eine weitere Theorie besagt, dassdie kindliche Sprechapraxie damit zu-sammenhängt, dass der Transport vonInformationen zwischen beiden Hirn-hälften gestört ist. Die beiden Bereichearbeiten nicht gut zusammen, was zu

Muster in der Sprechentwicklung

Fangen spät zu sprechen anRuhige Babys, Eltern sagen, dass die

Kinder nur wenig gurren und lallenSprachlaute entwickeln sich langsa-

mer als üblichKinder entwickeln oft selbst Gebär-

den, um zu kommunizierenLangsame Fortschritte auch in einer

logopädischen Therapie; brauchenintensives Training und viel Unter-stützung

Wörter kommen und verschwindenwieder; kann plötzlich ein Wort sa-gen, dann Monate lang nicht mehr

Kann ein Wort ab und zu richtig aus-sprechen, dann aber wieder nicht

Merkmale der Bewegungsabläufe

Willkürliche Bewegungen, um Lau-te, Silben und Worte zu imitieren,sind schwierig

Keine direkte Sprechmuskelstörung,dies kann hinzukommen, ist abernicht Teil der Sprechapraxie

Häufige Probleme bei Saug-,Schluck- und Kaubewegungen

Erhebliche Anstrengungen der Ge-sichtsmuskulatur beim Versuch, einWort zu sagen

Orale Apraxie: Schwierigkeiten beiMundbewegungen wie beim Zusam-menziehen der Lippen oder beimKüsschenwerfen

Apraxie der Gliedmaßen; willkürli-che Handbewegungen fallen demKind schwer, dies könnte das Benut-zen von Gebärden erschweren

Merkmale der Lautproduktion

Lassen Laute oder Silben ausFügen Laute hinzuVerlängern LauteVerzerren VokaleBenutzen wechselnde ErsatzlauteBringen Lippen und Zunge in die

richtige Position, sprechen die Lautetrotzdem falsch aus

Verwechseln häufig die Reihenfolgeder Laute: „Efelant“ statt „Elefant“

Die meisten Artikulationsfehler tre-ten auf, wenn mehrere Konsonantenhintereinander kommen: Glas, Brot

Gefolgt durch Fehler bei Reibelau-ten (f, v, s, z); bei Affrikaten (pf, tz);bei Verschlusslauten (p, b) und beiNasallauten (n, ng)

Die meisten Fehler kommen vor beiLauten, die zuletzt gelernt werden,wie s und z

Weglassen der AnfangslauteProbleme mit der Stimmhaftigkeit in

Lauten wie p oder b

Allgemeine verbale Produktions-muster

Fehler sind schwankend. Je länger das Wort, desto schwieri-

ger Hinzufügen von Silben, z.B. „ham-

burgeburgburger“ bei längeren,mehr komplexen Wörtern; es siehtfast so aus, als ob das Kind, wenn eseinmal den Anfang gemacht hat,nicht aufhören kann

Obwohl einzelne Wörter gut ver-standen werden, sind sie in Sätzenoft unverständlich

Sprache in einer Konversation(connected speech) ist oft unver-ständlich

Häufig wird sehr schnell gesprochenSprachrhythmus, Intonation und

Sprachmelodie weichen oft ab

Sprachentwicklung

Die rezeptive Sprache von Kindernmit einer Sprechapraxie ist besser alsihre expressive Sprache; das Gleichegilt für Kinder mit Down-Syndrom

Das Vokabular ist geringerGrammatikalische und syntaktische

Fehler sind üblichDas richtige Weitergeben von Nach-

richten oder Geschichten gelingt häu-fig nicht

Symptome einer Sprechapraxiebei Kindern

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32 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

F Ö R D E R U N G

Es ist wichtig, auf dieser Sprachstufeerst mit dem Üben von Zwei- und Drei-wortsätzen anzufangen, bevor man sichden eindeutigen formalen Strukturenzuwendet (grammatikalische Eintei-lung, Satzstrukturen etc., die noch überdem Niveau der aktuellen Kommunika-tion liegen; cf. Rondal & Edwards, 1997).

Erste wichtige semantische Relatio-nen sind u.a. Objektpermanenz, Besitz-verhältnisse, qualitative und quantitati-ve Eigenschaften, intransitive Bezie-hungen (der Junge lächelt) und transiti-ve Beziehungen (der Milchmann bringtdie Milch), Bestätigung, Verneinung,Akzeptanz, Ablehnung und Verweige-rung.

Förderung im Schulalter

Angesichts des verzögerten Spracher-werbs bei Kindern mit Down-Syndromwerden diese Kinder während ihrer ge-samten Grund- und Hauptschulzeit wei-tere Sprachförderung brauchen.

Diese Förderung sollte in enger Zu-sammenarbeit mit den Schulen und denLehrern geplant und ausgeführt wer-den. Genau dies ist jedoch ein sehr kom-plexes Problem und wir sind in unserenLändern heutzutage noch weit von einerzufrieden stellenden Lösung entfernt.

Es müssen Teams von Spezialistenmit Lehrern (die dann hoffentlich besserinformiert und ausgebildet sind, als diesheute häufig der Fall ist) zusammenar-beiten bei der Ausführung von weiter-führenden individuellen Sprachförder-programmen für das einzelne Kind, so-wohl in Sonderschulen wie in einer in-tegrativen Schulumgebung.

Weiterführende Förderung derSprache im Erwachsenenalter

Wissenschaftliche Studien zeigen, dasses auch bei jungen Erwachsenen mitDown-Syndrom noch möglich ist, ver-schiedene Aspekte ihrer Sprache deut-lich zu verbessern.

Besonders in den Bereichen Wort-schatz, Semantik (Bedeutung), Pragma-tik (die Verwendung von Sprache) istdas Weiterlernen noch möglich (aller-dings mit großen individuellen Unter-schieden).

4. Förderung zum Erhalt der Fähigkeiten auch im hohen Alter

Es scheint, dass bei den meisten Men-schen mit dem Syndrom der neuropsy-chologische Abbau – unabhängig von ei-

ner Alzheimer-Erkrankung – früher ein-setzt (Brown, 1985; Thopsom, 1999;van Buggenhout et al., 2001).

Die Disposition zu einem früh ein-setzenden Alterungsprozess bei Down-Syndrom könnte in Verbindung stehenmit einer Überproduktion von Genenauf Chromosom 21, speziell von SOD,Superoxyd-Dismutase, das mit verant-wortlich ist für das Entstehen von Alz-heimer, sowie von Genen, die auf ande-ren Chromosomen lokalisiert sind. (Roy-ston, Pickering-Brown, & Owen, 1994)

Es findet vor dem 50. Lebensjahr beider rezeptiven wie bei der produktivenSprache kein eindeutiger Abbau statt.Dies bestätigen Untersuchungen vonRondal & Comblain (1996, 2002), Das,Divis, Alexander, Parills & Naglieri(1995), und Ergebnisse aus den Lang-zeitstudien von Devenny, Hill, Patxot,Silverman & Wisniewski (1992), BurtLoveland, Chen, Chuang, Lewis & Cerry(1995) und George, Thewis, Van derLinden, Salmon & Rondal (2001).

Wie dieser Prozess bei diesem Per-sonenkreis nach dem 50. Lebensjahr ge-nau abläuft, ist bis heute nicht klar, weildazu systematische Daten fehlen. Wahr-scheinlich handelt es sich um einen all-mählichen Abbau über Jahre, so wiedies auch von Menschen ohne mentaleBehinderung berichtet wird (Rondal &Edwards, 1997).

Dies rechtfertigt meiner Ansichtnach das Einführen eines besonderenBereichs innerhalb unserer Förderpro-gramme, der dem Erhalt von sprachli-chen Fähigkeiten von älteren und altenPersonen mit Down-Syndrom gewidmetist. Bis jetzt geschieht in diesem Bereichsehr wenig oder gar nichts. Durch ge-zielte Maßnahmen kann man hoffen,den Prozess eines verfrühten Sprachab-baus zu verlangsamen (natürlich wür-den auch andere Entwicklungsbereichevon ähnlichen Bestrebungen profitieren).

Was wäre das Ziel eines solchen Pro-gramms? Folgende Aspekten haben Pri-orität:

1. Damit eventuelle Veränderungenim auditiven System rechtzeitig entdecktwerden, soll man sorgfältig beobachten,ob der älter werdende Mensch mitDown-Syndrom noch entsprechend aufSprache, Geräusche etc. reagiert.

2. Das möglichst häufige Benutzenvon bekanntem Wortschatz (Sprachpro-duktion) soll stets ermutigt werden, da-

mit der zunehmenden Schwierigkeit,Wörter aus dem semantischen Gedächt-nis abzurufen, entgegengewirkt wird.

3. Rezeptive und produktive Sprach-prozesse sollen stimuliert werden, umdem Verlangsamen dieser Prozesse ent-gegenzuwirken.

4. Es sollen wieder und weiter Kon-versation und Sprachverständnis geübtwerden – Bereiche, die häufig schon ein-geschränkt waren.

Zusammenfassung

Es ist wichtig, sich bei Menschen mitDown-Syndrom auf eine lebenslangeFörderung von Sprache (und von ande-ren Bereichen genauso) einzustellen,damit maximale Effizienz erreicht wird.

Man muss sich in diesem Zusam-menhang auch bewusst sein, dass ob-wohl in den Industrieländern die Zahlder Menschen mit Down-Syndrom ab-nimmt (bedingt durch die pränatale Dia-gnose und die damit verbundenen Prak-tiken des so genannten therapeutischenAborts), die Zahl der älteren und altenMenschen mit Down-Syndrom zunächstund auch in den kommenden Dekadenzunehmen wird.

Heute schätzt man, dass die durch-schnittliche Lebenserwartung für Men-schen mit Down-Syndrom bei ca. 60Jahren liegt.

Die geschätzte Zuwachsrate von er-wachsenen Menschen in den nächstenDekaden liegt bei über 200 % (Steffelaar& Evenhuis, 1989).

Es ist deshalb logisch und notwendig,für eine schnelle Entwicklung effektive-rer Förderprogramme für Menschenmit Down-Syndrom zu sorgen, damitdieser Personenkreis optimal gefördertwerden kann und einen möglichst ho-hen Entwicklungsstand erreicht. Dennje höher das erreichte Entwicklungsni-veau des Einzelnen ist, desto besser istwahrscheinlich seine Lebensqualität,desto nützlicher wird diese Person fürdie Gesellschaft sein und desto geringerwerden, langfristig gesehen, die gesam-ten sozialen Ressourcen sein, die diesePerson benötigt.

PUBLIKATIONEN

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200529

Liebe DichIn dieser Ausgabe von Leben mit Down-Syndrom werdenan verschiedenen Stellen die so genannte emotionaleIntelligenz und die guten sozialen Fähigkeiten von Menschen mit Down-Syndrom erwähnt. Der Film „LiebeDich“ zeigt konkret, was das bedeutet. Ein wunderbarerDokumentarfilm, den man hervorragend bei Informations-veranstaltungen und im Rahmenprgramm bei Tagungenoder Mitgliederversammlungen einsetzen kann. Und ereignet sich gut für Eltern und Begleiter sowie für diejungen Menschen mit Down-Syndrom selbst als Disku-tiergrundlage über Themen wie Freundschaft, Partner-schaft, Sexualität und Liebe.

Liebe Dich ... zeigt Menschen, die dasDown-Syndrom haben, privat und

als Schauspieler auf der Bühne – im oftausverkauften Berliner RambaZamba-Theater. Der Film zeigt die beein-druckende emotionale Stärke der be-hinderten Menschen, zeigt ihre Kunst-fertigkeit auf der Bühne, ihre Lebenslustund Lebensfreude. Liebe Dich ... ist einFilm über Menschen, die ihr großesHerz verschenken. Ihr Umgang mit be-ruflichen und privaten Dingen konfron-tiert uns mit unseren inneren Grenzen.

Liebe Dich ... sagt Moritz zu Nele,Liebe Dich ... sagt Nele zu Moritz. LiebeDich ... – immer wieder, mitten im Ge-spräch, auf der Probe, zur Mutter, zurRegisseurin, zum Spielpartner, sagt ei-ner der behinderten Schauspieler desTheaters RambaZamba diesen Satz.Umwerfend zärtlich und direkt. Liebe

dich ... erzählt von dieser ungewöhnli-chen Theatertruppe. Auf wunderbareWeise lässt er uns begreifen, wie sehrdas Leben und die künstlerische Arbeitder Darsteller miteinander verbundensind.

„Wir sind zwei Kolleginnen“, sagtNeles Mutter, die Schauspielerin AngelaWinkler, mit zärtlicher Bewunderungfür ihre Tochter. Aber wir erfahren auch,wie schwer es für sie anfangs war, dieBehinderung ihres Kindes anzuneh-men. Ebenso wie für die Regisseurin Gi-sela Höhne, die Mutter von Moritz, undauch Julianes Eltern. „Der Umweg zuJuliane“ hat ihr Vater sein Tagebuch ausdieser Zeit überschrieben. „Sie hat unsin Besitz genommen“, sagt die Mutter.„Liebe Dich ...“ – ein langer Weg.

Immer wieder werden im Film dieGeschichten von Nele, Moritz und Julia-ne mit denen der anderen Spieler er-

gänzt. Immer wieder gehen Gesprächein Szenen aus den Aufführungen über, indenen sich die Geschichten auf faszinie-rende Weise weiterzuerzählen scheinen.

Großartige Darsteller sind da zu se-hen, berührende und hinreißend komi-sche Momente. Und wenn es in demneuen Stück, an dem sie gerade proben,um eine Welt geht, in der nur noch per-fekte Menschen Platz haben sollen, be-greift man, dass sie nicht nur fürs Lebengern spielen, sie spielen auch um ihr Le-ben.

Der Film lässt ahnen, dass ein Lebenohne die antrainierten Gesellschafts-und Konventionsfilter nicht nur anders,sondern auch besonders sein kann. Manspürt, was es bedeutet, behindert zusein, wenn Juliane, die Siebzehnjährige,die das Down-Syndrom hat, von sichsagt: „... ist mir doch egal, wenn ich be-hindert bin – ich bin ein ganz normalerMensch!“, und vergisst ihre Behinde-rung völlig, wenn man sie tanzen sieht.

In Theaterstücken, die die Regisseu-rin entlang eines Grundthemas durchImprovisation über Monate hinweg mitden Spielern entwickelt, spiegeln sichlebensweltliche Bezüge der geistig be-hinderten Menschen. Theaterregisseu-rin Gisela Höhne gelingt mit ihrenStücken, die Kunst dieser Menschen zufassen.

Es gibt die großen und lauten Mo-mente vor Publikum und die intimenMinuten zwischen zweien: Freunden,Eltern und Kindern, Brüdern undSchwestern, Verliebten. Mehr und mehrwird der Film zur Liebesgeschichte zwi-schen Moritz und Nele, die beide dasDown-Syndrom haben, die einfach ihrHerz verschenken, großzügig und unge-schützt.

Liebe Dich, ein Film von Sylvie Ba-nuls und Sabina Engel in Koproduk-tion mit dem ZDF, in Zusammenar-beit mit Arte, gefördert durch FFF-Bayern.

Liebe Dich ist als DVD(92 Minuten,Farbe) zu bestellen unter:www.basisdvd.de oderper Fax: 030 / 791 15 51Preis für private Nutzer: 24,90 Euromit Vorführrecht: 150 Euro

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 41

F Ö R D E R U N G

Schwierigkeiten bei der Bewegungsko-ordination der Sprechmuskulatur führt.

Ein Kind mit Down-Syndrom kannsowohl sprechmotorische Störungen alsauch Planungs- und Steuerungsstörun-gen haben. Die Behandlungsansätze sindunterschiedlich. Bei Beeinträchtigungen,die auf eine Schwäche der Sprechmus-kulatur zurückzuführen sind, bestehtdie Intervention darin, diese Muskulaturzu stärken. Dies kann schon lange vordem eigentlichen Spracherwerb anfan-gen, u.a. beim Üben von richtigenSchluck-, Saug- und Kaumustern undbei den unterschiedlichsten Sprachan-bahnungsübungen. Die Behandlung dermotorischen Schwierigkeiten kann des-halb schon viel früher eingesetzt werdenals Techniken, die die Sprechapraxiebehandeln.

Tests

Wie kann man feststellen, ob ein Kinddie typischen Merkmale einer Sprech-apraxie zeigt? In erster Linie geschiehtdies durch Beobachtungen der Eltern inZusammenarbeit mit einer Logopädin.Berücksichtigt werden dabei die allge-meine Sprech- und Sprachentwicklungdes Kindes, seine Mundmotorik, Lippen,Zunge, Gaumenbewegungen beim Es-sen und Sprechen. Es wird festgestellt,welche artikulatorischen und phonolo-gischen Fehler das Kind macht, wie sei-ne Sprache bei Spontanunterhaltungenist, etc.

Erst seit einiger Zeit gibt es speziellentwickelte Testbatterien, um eineSprechapraxie festzustellen. Bei diesenTests ist es erforderlich, dass das Kindschon sprechen kann. Die Kinder wer-den u.a. aufgefordert, Wörter, Phrasenoder Sätze nachzusprechen.

Es ist oft nicht einfach, sich ein ge-naues Bild von den Fehlern des Kindeszu machen, weil diese unregelmäßigauftreten und außerdem sehr schwan-kend sind. Tests, die z.B. im Abstandvon zwei Wochen durchgeführt werden,können ganz unterschiedliche Ergeb-nisse zeigen. Aber auch das ist typischfür die Sprechapraxie.

Behandlung

Die Therapie für sowohl Kinder ohne alsmit Down-Syndrom, die eine Sprech-apraxie haben, richtet sich gezielt aufÜben und Einpauken. Die Behandlunggeht in kleinen Schritten, langsam undgründlich voran. Nur bei häufigem kon-

sequentem Wiederholen der richtigenSprechbewegungsabläufe, wobei mansehr strukturiert vorgeht, kann man Er-folge feststellen.

Ich bin der Meinung, dass diese The-rapie am effektivsten ist, wenn sich dasKind und die Sprachtherapeutin in ei-nem ruhigen, separaten Raum aufhal-ten. Zwar ist in unseren Schulen einesolche „pull out“-Maßnahme (Therapeutnimmt das Kind für die Therapie ausder Klasse) nicht erwünscht, sondernman bevorzugt die „push in“-Therapie“(Therapeut arbeitet mit dem Kind in dereigenen Klasse), in diesem Fall halte iches jedoch für besser, das Kind für einesolche Therapieeinheit aus der Klassezu nehmen. Es muss sich voll konzen-trieren können auf die Sprachübungen,der übliche Geräuschpegel im Schul-zimmer würde das Kind dabei zu sehrablenken.

Freilich wird eine Therapieeinheit,die nur ein- oder zweimal wöchentlichdurchgeführt wird, die Sprechmusternicht groß verändern. Intensives Trai-ning zu Hause mit vielen kurzen, aberregelmäßigen Übungseinheiten ist füreine Verbesserung unbedingt erforder-lich. Es gibt bestimmte Dinge, die manbeachten sollte, und viele Spiele, Übun-gen, die man tun kann:

– Arbeiten Sie z.B. mit Bildern oderZeichnungen, um dem Kind zu zeigen,wo im Mund und wie die einzelnen Lau-te gemacht werden.– Ein strukturiertes Vorgehen ist wich-tig, von den leichten zu den komplizier-ten Lauten, von Einzellauten zu Doppel-lauten etc.– Arbeiten Sie zuerst wieder an „einfa-cher“ Sprache (Einwortsätze, Zweiwort-sätze) und bauen Sie dann allmählichweiter auf.– Verwenden Sie Gebärden als Unter-stützung beim Sprechen.– Sprechen Sie gemeinsam mit demKind, übertrieben langsam und deut-lich.– Singen oder rhythmisches Sprechenkönnen den Sprachfluss erleichtern.

Die meisten Behandlungspläne fürKinder mit einer Apraxie enthalten alswichtigsten Bestandteil konsequentes,regelmäßiges Üben – Drill eben! Es gehtum mehr taktile und kinästhetische Er-fahrungen. Einige Programme kombi-nieren Sprechübungen mit grobmotori-schen Bewegungen.

Tipps

Zum Schluss noch einige Tipps für zuHause:– Sprechen Sie klar und deutlich.– Singen Sie Lieder, mit begleitendenHandbewegungen und mit sich wieder-holenden Strophen. Diese Wiederholun-gen geben dem Kind die Möglichkeit, öf-ter den gleichen Satz zu sprechen.– Versuchen Sie, weniger schnell zusprechen und langsamer zu singen!(In den USA gibt es eine CD mit 26 be-kannten Kinderliedern in einer ver-langsamten Ausgabe, die sehr hilfreichist für Kinder mit Apraxie, weil sie hierbesser mitsingen können!) – Lesen Sie dem Kind Geschichten vor,in denen sich bestimmte Sätze wieder-holen oder bei denen vorhersehbar ist,welche Sätze folgen. Diese Sätze kanndas Kind lernen, mitzusprechen oderauch mitzusingen. Auch wenn es nichtden ganzen Satz schafft, dann vielleichteinige Worte oder jeweils das letzteWort. Dies vermittelt dem Kind ein po-sitives Gefühl: Es kann Wörter richtigaussprechen!

Benutzen Sie im Alltag viele Stan-dardausdrücke: „Bis später“, „alles ok“,„ja bitte“, „geht schon“. Diese kann dasKind häufig einsetzen und so üben.

– Sagen Sie nicht: „Wenn du dasWort ,Keks‘ richtig sagst, bekommst dueines!“ Das Kind kann vielleicht in die-sem Moment das Wort Keks gar nichtrichtig sagen und gerät so noch mehrunter Stress und bekommt auch einnächstes Mal dieses Wort nicht über dieLippen. Das Kind soll lieber Bilder oderGebärden zur Unterstützung seinerSprache einsetzen und sein Bemühensoll gewürdigt werden. Einsatz von Bil-dern oder Wörtern auf dem Kühl-schrank z.B. können dem Kind helfen,seine Wünsche zu äußern.

Die Motivation zu kommunizierenmuss erhalten bleiben. Das Kind sollnicht frustiert aufgeben. Deshalb müs-sen wir mit viel Fantasie und Gedulddas Kind während dieser schwierigenLernzeit begleiten.

Warum eine Erziehung zur Selbstständigkeit?

Die ganze Erwicklung und das Heran-wachsen eines Kindes können als einProzess betrachtet werden, der von derAbhängigkeit in die Selbstständigkeitführt und der abgeschlossen ist, wenndas Kind erwachsen und arbeitsfähigist, ein Bürger mit Rechten und Pflichtenwird und Beziehungen zu anderen Er-wachsenen aufbaut.

Auf dem Weg in die Selbstständigkeitstößt das behinderte Kind auf zwei Ar-ten von Hindernissen: zum einen dieSchwierigkeiten, die direkt durch seineBehinderung entstehen, zum anderendas oft ängstliche und ambivalente Ver-halten seines Umfeldes, das es manch-mal daran hindert, sein Potenzial trotzseiner benachteiligten Situation vollauszuschöpfen

Oft entwickeln die Eltern, aber auchandere, die mit dem behinderten Kindzu tun haben – manchmal seine eigenenAssistenten und Lehrer, ihm gegenübereine sehr unterstützende und beschüt-zende Haltung, die den Weg in die Un-abhängigkeit erschwert. Es scheint fast,als ob man durch viel Liebe und Zunei-gung und durch Verhätscheln versu-chen wolle, die Unbequemlichkeit seinerBehinderung wieder gut zu machen.Wenn der behinderte Mensch aber im-mer wie ein kleines Kind behandeltwird, bleibt er unfähig, selbst etwas zutun, und folglich auf Unterstützung an-gewiesen. Er braucht dann auf Dauer je-

manden, der ihm zur Seite steht und fürihn handelt.

Aber es hat sich in den letzten Jah-ren unter denen, die sich um Menschenmit einer geistigen Behinderung küm-mern, etwas geändert. Man ist immermehr davon überzeugt, wie wichtig dieErziehung zur Selbstständigkeit für dieEntwicklung und die soziale Integrationfür diesen Personenkreis ist.

Jeder wird einsehen, dass es z.B.einfacher für einen Kindergarten ist, einbehindertes Kind aufzunehmen, dasschon selbstständig auf die Toilette ge-hen oder selbstständig essen kann, sichauf etwas konzentrieren kann und sichan die Regeln hält. Wenn solche Fähig-keiten schon vorhanden sind, erleich-tern sie weiteres Lernen in dem Kinder-garten. Selbstständigkeit ist auch dieGrundvoraussetzung für die Aufnahmeder Jugendlichen und Erwachsenen mitBehinderung an einem Arbeitsplatz undin der Gesellschaft allgemein.

Viele Ziele jedoch, vor allem im Be-reich der Außen-Autonomie (Selbststän-digkeit außerhalb der Familie?) sind imfamiliären Bereich schwer zu erreichen.

Das Einüben solcher Fertigkeitenfällt außerdem in eine Zeit, in der die Ju-gendlichen genauso wie die anderenHeranwachsenden anfangen, sich vonden Eltern loszulösen, Kritik von den El-tern schlecht vertragen und den Auffor-derungen ihrer Eltern nicht mehr sogern nachkommen.

Gleichzeitig ist es häufig auch für die

Eltern schwierig zu erkennen und zu ak-zeptieren, dass ihre Kinder groß wer-den, und sie diesen Prozess irgendwieunterstützen müssen.

Das Kursprogramm von AIPDkommt gut an

Um diesen Bedürfnissen gerecht zu wer-den und als Reaktion auf die Anfragenvon Eltern wurde 1989 in Rom durchdie AIPD ein Kursprogramm zur Erzie-hung zur Selbstständigkeit für Personenmit Down-Syndrom entwickelt, das sichan Jugendliche zwischen 15 und 20 Jah-ren richtet.

Heute gehört dieser Kurs zu einerder wichtigsten Aktivitäten des Vereinsund in Rom nehmen jährlich 50 bis 60Jugendliche daran teil. Motiviert durchdie Erfahrungen in Rom, hat die Idee inanderen Städten, wo der Verein ansäs-sig ist, Fuß gefasst, dort entstanden wei-tere Kurse. Zurzeit gibt es Kurse zurSelbstständigkeit in 20 verschiedenenStädten und viele andere Organisatio-nen, Kommunen und soziale Zentrenhaben sich von diesem AIPD-Modell in-spirieren lassen. In Rom sind angeregtdurch unser Kursprogramm weitereAngebote mit der gleichen Zielsetzungund nach der gleichen Methode arbei-tend auch im Wohn- und Freizeitbereichentstanden.

Der Kursaufbau

Um einen Arbeitsplan für die Erziehungzur Selbstständigkeit zu erstellen, um

Erziehung zur sozialen Selbstständigkeitbei Jugendlichen mit Down-SyndromAnna Contardi

Übersetzung: Judith Halder

So selbstständig wie nur möglich sollte das Ziel der Erziehung sein. Das ist nicht im-mer einfach für Eltern behinderter Kinder. Einerseits trauen sie ihren Kindern vielesnicht zu, andererseits entwickeln sie ihnen gegenüber oft eine sehr beschützendeHaltung, die den Weg in die Unabhängigkeit eher erschwert. Dazu kommen noch dieSchwierigkeiten, die Jugendliche auf Grund ihrer Behinderung sowieso haben. Der italienische Down-Syndrom-Verein AIPD bietet ein spezielles Kursprogramm an,um die Selbstständigkeit von Personen mit Down-Syndrom zu fördern.

ERWACHSENE

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30Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

Sprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom – ein Leben langJean Rondal

Bei den beiden letzten Down-Syndrom-Kongressen in Genua und in Palma de Mallorca fasste Jean Rondal in seinem Vortrag zusammen,was bei der Sprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom beachtetwerden sollte. Er betonte, wie wichtig und dringend notwendig es sei, effektivere Förderprogramme für diesen Personenkreis zu entwickeln,damit ein möglichst hoher Entwicklungsstand erreicht wird. Denn jehöher das erreichte Entwicklungsniveau des Einzelnen ist, desto mehrwird dies zur Verbesserung seiner Lebensqualität beitragen, desto nützlicher wird diese Person für die Gesellschaft sein und desto geringerwerden die sozialen Ressourcen sein, die man für ihn langfristig aufbringen muss.

Das wichtigste Ziel von Sprachförde-rung ist es logischerweise, bei Men-

schen mit ernsthaften Sprachproblemenden Entwicklungsverlauf und das schließ-lich erreichte Niveau ihrer sprachlichenFertigkeiten wesentlich zu verbessern.

Bei Menschen mit genetischen Syn-dromen, wie u.a. Down-Syndrom, diemit einer Entwicklungsverzögerung ein-hergehen, geht es darum, die Entwick-lung so zu beeinflussen, dass dadurchein Niveau erreicht wird, das man sonstmöglicherweise nicht erreicht hätte.

Kenntnisse erforderlich

Um effektiv fördern zu können, ist eswesentlich, dass man über möglichstviele Kenntnisse betreffend das patholo-gische Bild der Behinderungsart, ihreMerkmale und ihren Entwicklungsver-lauf verfügt. Dies ist ebenfalls logisch, je-doch hapert es in der Praxis häufig aneben diesen Kenntnissen.

Dabei ist über den Verlauf und dietypischen Merkmalen der Sprachent-wicklung bei Menschen mit Down-Syn-drom heute durch zahlreiche Publika-tionen auf diesem Gebiet, vor allem ausden letzten 25 Jahren, relativ viel be-kannt.

Sprache bei Menschen mit Down-Syndrom

Die Sprachentwicklung und die Ent-

wicklung der Sprechfähigkeit von Perso-nen mit Down-Syndrom können am bes-tenumschrieben werden – unter der Ver-wendung von Oberbegriffen – als ge-kennzeichnet durch Defizite im forma-len Bereichin Verbindung mit einer bes-ser erhaltenen semantischen undpragmatischen Veranlagung (Rondal &Edwards, 1997).

Außerdem gibt es bedeutende indi-viduelle Unterschiede in der Entwick-lung und der Sprachkompetenz (cf.Rondal, 1995, 2003).

Artikulatorische und co-artikulatori-sche Probleme sind die Regel, vor allembei den schwierigeren Phonemen in denverschiedenen Sprachen.

Gleichzeitig liegt häufig eine verzö-gerte und unvollständige Reifung derphonetischen Diskriminierung vor.

Morphosyntaktische Einschränkun-gen verringern die Länge und die for-male Komplexität der Äußerungen.

Die Flexionsmorphologie kann pro-blematisch und unbeständig sein.

Die Sprachproduktion von Neben-sätzen und komplexen Sätzen ist einge-schränkt. Dies gilt ebenso für das Ver-ständnis solcher Sätze.

Oft fehlt bei längeren sprachlichenÄußerungen der Zusammenhang.

Im Gegensatz dazu werden norma-lerweise keine speziellen Schwierigkei-ten bei der konkreten Deutung von Wör-

tern oder einfachen semantischenStrukturen in zusammengesetzter Spra-che festgestellt.

Außerdem entspricht das sprachli-che Handeln, was den sozialen und in-haltlichen Aspekt betrifft, durchaus demmentalen Alter, allerdings mit einge-schränkten formalen Mitteln.

Auch die räumlichen, zeitlichen undsozialen Deixis und Voraussetzungenentsprechen dem mentalen Entwick-lungsalter.

Das Verstehen von zusammenhän-genden, erzählerischen, beschreiben-den und argumentativen Äußerungenverbessert sich bei zunehmendem Ent-wicklungsalter.

Förderung der Sprache langfristiganlegen

Aus dem heutigen Wissensstand überdie Sprachentwicklung und den Sprach-gebrauch bei Menschen mit Down-Syn-drom können wir schließen, dass wiram besten von einer langfristig angeleg-ten Förderung ausgehen müssen. Dies-bezüglich können wir vier verschiedenePhasen unterscheiden:1. Frühe Förderung2. Förderung im Schulalter 3. Weiterführende Förderung im Er-

wachsenenalter4. Förderung zum Erhalt der Fähigkei-

ten auch im hohen Alter

F Ö R D E R U N G

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 31

Jede Phase hat ihre spezifischen Inhal-te und Ziele, die ich hier kurz umschrei-ben möchte. Dabei werde ich aus Zeit-gründen nur ausführlicher auf einer-seits das prelinguistische Training undandererseits auf das Training zum Er-halt erworbener Fähigkeiten im Altereingehen. Beide Bereiche sind wenig be-kannt und werden noch ungenügendpraktiziert.

Frühe Förderung der Sprache

In Belgien wird Frühförderung rechtlichdefiniert als die unterstützenden Hilfenfür ein Kind mit Behinderung und seineFamilie sowie die technischen Hilfen,die von den ersten Monaten bis zumsechsten Lebensjahr angeboten werdenkönnen.

Heutzutage wird die Notwendigkeitvon Frühförderung für Kinder mit Down-Syndrom von niemand mehr inFrage gestellt. Die Hauptgründe möchteich hier kurz in Erinnerung rufen:

1. In den Industriestaaten wird heut-zutage Down-Syndrom vor oder direktnach der Geburt diagnostiziert, dies er-möglicht ein Handeln direkt von Anfangan.

2. Es ist nicht nur möglich, früh mitFörderung anzufangen, es ist auchhöchst empfehlenswert, dies zu tun,wenn man die bestmöglichen Ergebnis-se bei vielen Entwicklungsaspekten beieinem Kind mit Down-Syndrom errei-chen will.

Darüber hinaus bauen die Entwick-lungen der wichtigsten kognitiven undsprachlichen Systeme und Subsystemeaufeinander auf. Dies bedeutet, dass je-der Zuwachs in den ersten Entwick-lungsstadien positive Auswirkungen aufweitere Fertigkeiten und auf das Niveau,das schließlich erreicht wird, habenwird.

3. Wenn es, wie viele Wissenschaft-ler heute meinen, kritische oder sensiblePerioden für das Erwerben von Basis-fertigkeiten gibt (darunter vor allem dieSprache), wobei besondere Reifungspe-rioden, Lebenserfahrungen und senso-rische Reize interagieren, wird es nochwichtiger, Frühförderung so zu gestal-ten, dass es dem Kind ermöglicht wird,sich besser und schneller zu entwickeln.

Hypothese der Verzögerung bestätigt

Wissenschaftliche Studien aus den letz-ten 25 Jahren bestätigen, dass Men-

schen mit Down-Syndrom in ihrer mo-torischen, kognitiven, emotionalen, af-fektiven, sprachlichen und sozialen Ent-wicklung die gleiche Folge an Schrittendurchlaufen wie Personen, die in ihrerEntwicklung nicht eingeschränkt sind.

Deshalb kann man heute auf die Fra-ge, die viele Jahre lang gestellt wurde,ob nun die Entwicklung bei Down-Syn-drom bloß verzögert sei (und nichtkomplett) oder tatsächlich von einernormal verlaufenden Entwicklung ab-weicht, eindeutig antworten mit: Es liegteine Verzögerung vor.

Dies hat bedeutende Auswirkungenauf die Förderung. Die Tatsache, dassEntwicklung bei Down-Syndrom schein-bar eine „Kopie“ von der normalen Ent-wicklung ist, aber mit einem zeitlich an-deren Verlauf und am Ende unvollstän-dig – beim schließlich erreichten Ent-wicklungsstand stellt man tatsächlichgroße individuelle Unterschiede fest,verursacht durch den Einfluss konstitu-tioneller und umweltbedingter Faktoren– gibt uns erstens einen genauen Ar-beitsplan und zweitens eine sensibleHandhabe, um die Effektivität der För-derung zu testen.

1. ArbeitsplanAus der normalen Entwicklung könnenwir automatisch die Schritte ableiten,die wir bei unserem Förderangebot be-folgen und bevorzugen sollten, um dasWeiterkommen des Kindes innerhalb ei-ner Sequenz von Entwicklungsschrittenin den einzelnen Bereichen (hier z.B.der Spracherwerb) von Stufe A nach B,C, usw. möglichst zu beschleunigen.

2. Beurteilung des FörderprogrammsDas jeweilige Tempo, womit wir dasKind innerhalb einer Sequenz von Ent-wicklungsschritten vom Level A nach B,C usw. bewegen können, sowie die Sta-bilität seiner erlernten Fertigkeiten sindwichtige Hinweise bei der Beurteilungvon dem Wert, der Bedeutung und derEffektivität eines Förderprogramms.

Frühe Sprachförderung/Prelinguisti-sches Training/Sprachanbahnung

Folgende Ziele sollten Teil jedes Pro-gramms sein, das sich mit der prelin-guistischen Förderung von Kindern mitDown-Syndrom befasst:

Sensibilisierung des Babys für dieNuancen und die melodischen Merk-male der mütterlichen Stimme undSprache, indem es konsequent, nuan-ciert und abwechslungsreich angespro-

chen wird.Sensibilisierung des Babys für die Re-

gelmäßigkeit in der mütterlichen Spra-che, was Rhythmik und den Gebrauchvon Silben, Vokalen und Konsonantenbetrifft, um die phonetische Diskrimi-nierung in einfacher Umgangssprachezu fördern.

In den nächsten Monaten soll man denVersuchen des Babys, zu vokalisierenund zu babbeln, viel Aufmerksamkeitschenken, diese Versuche „würdigen“,darauf reagieren und so verstärken,dass die Lautproduktion des Babys all-mählich immer mehr Lautmuster der esumgebenden Sprache erhält.

Etwas später sollte sorgfältig auf dieersten Protowörter und erste Versuchedes Kindes, sich mitzuteilen, geachtetwerden. Diese wahrzunehmen und sys-tematisch zu verstärken ist wichtig.

Gleichzeitig sollen in der fortgeschrit-tenen Lallphase und beim Benutzen vonProtowörtern die nonverbale Kommuni-kation und die Imitation durch Gebär-den gefördert werden.

Symbolisches Spiel und die Kreativitätdes Kindes sollen gefördert werden, weilsie einen ähnlichen Ausgangspunkt ha-ben wie die frühe Sprache.

Lexikalisches, semantisches und morphosyntaktisches Training

Die lexikalische Entwicklung (Aufbaudes Wortschatzes) bei Kindern mit Down-Syndrom ist verzögert undmanchmal erschwert. Um diese Ent-wicklung zu fördern, muss an verschie-denen Aspekten gearbeitet werden.Kurz zusammengefasst sind dies:

das lexikalische Symbolisme, d.h. dasVerständnis, dass Wörter (Reihenfolgenvon Lauten) für bestimmte Objekte, Ka-tegorien etc. stehen

die Entwicklung des Kurzzeit- und desLangzeitgedächtnisses

die artikulatorische und co-artikulato-rische Entwicklung.Die lexikalischen Strategien, die mandazu benutzt, sind für Kinder mit Down-Syndrom die gleichen wie für sich nor-mal entwickelnde Kinder.

Semantisches und morpho-syntaktisches Training

Grammatik basiert auf den semanti-schen Relationen – die zusammenhän-genden Bedeutungsstrukturen, die eszwischen (nicht innerhalb der Wörter)Wörtern gibt.

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200543

FÖRDERUNG

„1 mal 2 ist 2“ (2 Finger ausstrecken)„2 mal 2 ist 4“ (weitere zwei Finger da-zu) usw.Das Kind rechnet bis zum Ergebnis „10mal 2 ist 20“ hoch und dann auch wie-der zurück!

LOCI-Methode

Und um nun diese Ergebnisreihe zufestigen, kommt die LOCI-Methode zumEinsatz.

Helfen Sie dem Kind, die Rechnun-gen der Malreihe von 2 inklusive Ergeb-nis an seinem Gesicht „abzulegen“.

Tasten Sie auf sein Kinn und spre-chen dazu: „1 mal 2 ist 2.“ Tasten Sie aufseine Nase und sprechen Sie dazu: „2mal 2 ist 4.“

Diese beiden Gesichtsplätze sindzunächst ausreichend. Das Kind be-nötigt Zeit, zwei völlig unterschiedlicheInformationen miteinander in Verbin-dung zu bringen. Wiederholen Sie im-mer wieder diese beiden Malrechnun-gen und berühren Sie dabei sowohl Ihreigenes Gesicht als auch jenes Ihres Kin-des. Vielleicht übernimmt es ja schonbald selbst die Führung. Wenn es diesebeiden Gesichtsplätze sicher beherrscht,nehmen Sie einen weiteren dazu (linkeWange). Nach zahlreichen Wiederho-lungen dann den nächsten (rechte Wan-ge). So lange, bis alle Malrechnungender Zweierreihe einen Gesichtsplatz zu-geordnet bekommen haben.

Diese Strategie unterstützt die Ab-speicherung und die Festigung.linke Wange: „3 mal 2 ist 6“rechte Wange: „4 mal 2 ist 8“linkes Ohr: „5 mal 2 ist 10“

rechtes Ohr: „6 mal 2 ist 12“linke Augenbraue: „7 mal 2 ist 14“rechte Augenbraue: „8 mal 2 ist 16“Stirn: „9 mal 2 ist 18“Haare: „10 mal 2 ist 20“

Für weitere Malreihen unbedingt ande-re Körperplätze suchen, z.B. die Dreier-reihe im Brust- und Schulterbereich, dieViererreihe an der linken Hand usw.

Der Kopfbereich ist und bleibtzwecks Klarheit und Eindeutigkeit fürdie Zweierreihe reserviert.

Kommt Ihnen das alles komisch vor?Wahrscheinlich nur deshalb, weil esnicht vertraut ist. Probieren Sie es docheinmal aus, die Erfahrung zeigt, dassdie Kinder meist großen Spaß daran ha-ben.

Und: Haben Sie für die Malreihen Ih-re Körperplätze gefunden, lassen sichauch In-Rechnungen auf die gleiche Artund Weise lösen.

Zum Abschluss noch ein weises Zitatvon Konfuzius (500 v. Chr.):„Lass es mich hören und ich werde esvergessen. Lass es mich sehen und ichwerde es erinnern. Lass es mich tun undich werde es verstehen.“

müssen keine Stäbchen für die Veran-schaulichung der Zehner mehr zum Ein-satz kommen. Diese Funktion überneh-men dann die Knöchel an den Finger-wurzeln. Diese Strategie ermöglichtauch das Rechnen im Zahlenraum 100ausschließlich mit unseren Fingern.

Und darüber hinaus ist es wohl legi-tim, Additionen und Subtraktionendurch „Untereinanderschreiben“ zu lö-sen, oder? Tun wir ja schließlich auch.Und dann gibt’s ja auch immer noch denTaschenrechner.

Das Einmaleins

So, und wie ist das nun mit dem „Klei-nen Einmaleins“?

Dazu ein kleiner Ausflug in die Ge-schichte der großen römischen Redner.Diese hatten sich eine Strategie ange-eignet, um auch bei langen Reden nichtden roten Faden zu verlieren. Sie unter-teilten sich ihre Reden in einzelne mar-kante Stichwörter (ähnlich wie kleineZwischenüberschriften). Standen sie ineiner Säulenhalle, so „hefteten“ sie ge-danklich an jede der zahlreichen Säulenje ein Stichwort ihrer Rede. Und wäh-rend sie nun sprachen, wanderte ihrBlick immer zur nächsten Säule, undschon war das nächste Stichwort da.Weiter ging’s. In großen Hallen angeb-lich bis zu fünf Stunden pro Redner. Da-mals gab es aber noch keinen Fernse-her, also hatten die Zuhörer vermutlichauch mehr Zeit.

Diese Strategie findet heute im Ge-dächtnistraining weite Verbreitung undwird als „LOCI-Methode“ bezeichnet.Loci bedeutet „Orte“.

Und nun zurück zum „Kleinen Ein-maleins“: Auch hier wenden wir die LO-CI-Methode an.

Ein Beispiel an der Malreihe von 2: Zunächst ist es nötig, den Begriff

„mal“ mit allen Sinnen zu begreifen, al-so lange vor dem Rechnen mit dem Mal-nehmen zu experimentieren.

Etwa so: 10 Schüsseln aufstellen, injede Schüssel 2 Murmeln legen. Verbalbegleiten.

Oder: 3 Kinder bekommen je 2 Ma-rillen. Wichtig ist dabei, das eigene Tunsprachlich zu beschreiben. Also: „Ein-mal zwei, zweimal zwei, dreimal zwei.“Das Ergebnis ist vorerst noch nicht vonBedeutung.

Um auch zum Rechnen zu kommen,wird mit den Fingern hochgezählt. Ge-nauso wie bei den Additionen.

Informationen

Wenn Sie nun mehr Fragen als Antworten haben, lade ich Sie ein,mit mir Kontakt aufzunehmen.Mag. Bernadette WieserInstitut Leben Lachen LernenVordernbergerstraße 22, 8700 Leoben, ÖsterreichTel.: 0043/3842/26852E-Mailto:[email protected]: www.down-syndrom.atSie können auch den mobilen Work-shop „Rechnen lernen mit links undrechts“ besuchen, zur Abklärung vonZeit und Ort rufen Sie mich am bes-ten an!

42 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

F Ö R D E R U N G

„Spielen ist die einzige Art, richtig verstehen zu lernen.“ Frederic Vester, der Autor des großartigen Buches „Denken,lernen, vergessen“, fasst in einem einzigen Satz die zentra-le Botschaft des vierteiligen Artikels „Rechnen lernen mitlinks und rechts“ zusammen. Wenn es gelingt, unseren Kindern Lerninhalte spielerisch zuvermitteln, so werden sie diese auch spielend bewältigen.Und genau in dieser spielerischen Vermittlung liegt diegroße Kunst des Lehrenden. Niemand muss ein gelernterPädagoge sein, um Kinder motivieren und begeistern zukönnen. Es genügt, auf deren Signale zu hören, ihre Inter-essen mit einzubeziehen und „komplizierte Sachverhalte“,wie eben die Mathematik, mit allen Sinnen begreifbar zumachen.Dies habe ich in den bisher erschienenen Artikeln zu ver-mitteln versucht. Ich danke den zahlreichen Lesern/-innenherzlich, die die unterschiedlichen Anregungen gleich aus-probiert und mir ihre Erfahrungen mitgeteilt haben. Bittemachen Sie weiter, ich notiere alle Erfahrungsberichte undlerne viel dabei! Besonders lustig sind jene Schilderungenvon Alltagssituationen, in denen Spiele aus den unterschied-lichen Teilleistungsbereichen oder Rechenoperationen aufunkonventionelle und kreative Weise zum Einsatz kommen.Spiele jeder Art sind ein großartiges und unterhaltsamesTraining für unsere grauen Zellen. Viele davon eignen sichauch zwischendurch für Wartezeiten, für Autofahrten oderfür „Durchhänger“. Und das Beste daran: Die Materialiendafür haben Sie immer mit: Ihre Finger. Zur Erinnerung: Wenn es dann über den Zehner geht, müs-sen es unterwegs nicht unbedingt die Zehnerstäbchen sein.Diese lassen sich auch durch Essbesteck, Strohhalme, Holz-stöckchen, echtes Geld usw. ersetzen. Wichtig ist, nichtstarr an Vorgaben hängen zu bleiben, sondern flexibel aufSituationen zu reagieren und mit Spaß bei der Sache zusein.

Große Zahlenräume

In diesem vierten und letzten Teil desArtikels „Rechnen lernen mit links undrechts“ beschreibe ich Ihnen noch kurzden Aufbau von großen Zahlenräumen.Wenn Sie den bisherigen Ausführungenkonsequent gefolgt sind, ergeben sichdie weiteren Schritte als logischeSchlussfolgerung.

Geht es über den Zahlenraum 100hinaus, verwenden wir 100-er Platten,die die Kinder aus zehn aneinander ge-klebten Zehnerstäbchen leicht selberherstellen können. Diese Hunderterplat-ten haben also eine Größe von 10 mal 10Zentimetern und werden grün bemalt.Grün deshalb, da in vielen Mathema-tikbüchern die Hunderter mit grünerFarbe hervorgehoben werden.

Und geht es sogar noch hoch zumTausender, so benötigen wir einen Wür-fel, der 10 Zentimeter hoch, 10 Zenti-meter breit und 10 Zentimeter lang ist.Also genauso groß wie 10 Hunderter-platten. Auch hier ist es wichtig, dass dieKinder diesen Tausenderwürfel selbstherstellen, um bereits beim Tun einenEinblick in die Mächtigkeit der Menge zubekommen.

Nun wird nach genau jenem Schemaweitergerechnet, wie bereits im letztenHeft beschrieben.

Damit es unseren Kindern auch ge-lingt, den Umgang mit Geld allmählichzu erlernen, empfiehlt es sich, anstattvon Zehnerstäbchen und Hunderterta-feln Spielgeld (und von Zeit zu Zeit auchechtes Geld) zu verwenden.

Diese Umstellung bereitet keineSchwierigkeiten, meist sind die Kindersogar sehr stolz darauf, nun „wie dieGroßen“ rechnen zu können. Dass indieser Phase auch ein Taschengeld fäl-lig wird, versteht sich wohl von selbst.

Und noch ein Ausblick in die Zu-kunft: Ob die Rechenkompetenzen vonMenschen mit Down-Syndrom so weitentwickelt werden können, dass ihnenim Erwachsenenalter „das Rechnen imKopf“ gelingt, kann ich zurzeit wederbejahen noch verneinen. Dazu fehlen imAugenblick einfach die Erfahrungswerte.

Was aber gelingt: unabhängig zuwerden von Materialien. Das heißt, ineiner weiteren Stufe der Abstraktion

Rechnen lernen mit links und rechts!Bernadette Wieser

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Sprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom – ein Leben langJean Rondal

Bei den beiden letzten Down-Syndrom-Kongressen in Genua und in Palma de Mallorca fasste Jean Rondal in seinem Vortrag zusammen,was bei der Sprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom beachtetwerden sollte. Er betonte, wie wichtig und dringend notwendig es sei, effektivere Förderprogramme für diesen Personenkreis zu entwickeln,damit ein möglichst hoher Entwicklungsstand erreicht wird. Denn jehöher das erreichte Entwicklungsniveau des Einzelnen ist, desto mehrwird dies zur Verbesserung seiner Lebensqualität beitragen, desto nützlicher wird diese Person für die Gesellschaft sein und desto geringerwerden die sozialen Ressourcen sein, die man für ihn langfristig aufbringen muss.

Das wichtigste Ziel von Sprachförde-rung ist es logischerweise, bei Men-

schen mit ernsthaften Sprachproblemenden Entwicklungsverlauf und das schließ-lich erreichte Niveau ihrer sprachlichenFertigkeiten wesentlich zu verbessern.

Bei Menschen mit genetischen Syn-dromen, wie u.a. Down-Syndrom, diemit einer Entwicklungsverzögerung ein-hergehen, geht es darum, die Entwick-lung so zu beeinflussen, dass dadurchein Niveau erreicht wird, das man sonstmöglicherweise nicht erreicht hätte.

Kenntnisse erforderlich

Um effektiv fördern zu können, ist eswesentlich, dass man über möglichstviele Kenntnisse betreffend das patholo-gische Bild der Behinderungsart, ihreMerkmale und ihren Entwicklungsver-lauf verfügt. Dies ist ebenfalls logisch, je-doch hapert es in der Praxis häufig aneben diesen Kenntnissen.

Dabei ist über den Verlauf und dietypischen Merkmalen der Sprachent-wicklung bei Menschen mit Down-Syn-drom heute durch zahlreiche Publika-tionen auf diesem Gebiet, vor allem ausden letzten 25 Jahren, relativ viel be-kannt.

Sprache bei Menschen mit Down-Syndrom

Die Sprachentwicklung und die Ent-

wicklung der Sprechfähigkeit von Perso-nen mit Down-Syndrom können am bes-ten umschrieben werden – unter der Ver-wendung von Oberbegriffen – als ge-kennzeichnet durch Defizite im forma-len Bereich in Verbindung mit einer bes-ser erhaltenen semantischen undpragmatischen Veranlagung (Rondal &Edwards, 1997).

Außerdem gibt es bedeutende indi-viduelle Unterschiede in der Entwick-lung und der Sprachkompetenz (cf.Rondal, 1995, 2003).

Artikulatorische und co-artikulatori-sche Probleme sind die Regel, vor allembei den schwierigeren Phonemen in denverschiedenen Sprachen.

Gleichzeitig liegt häufig eine verzö-gerte und unvollständige Reifung derphonetischen Diskriminierung vor.

Morphosyntaktische Einschränkun-gen verringern die Länge und die for-male Komplexität der Äußerungen.

Die Flexionsmorphologie kann pro-blematisch und unbeständig sein.

Die Sprachproduktion von Neben-sätzen und komplexen Sätzen ist einge-schränkt. Dies gilt ebenso für das Ver-ständnis solcher Sätze.

Oft fehlt bei längeren sprachlichenÄußerungen der Zusammenhang.

Im Gegensatz dazu werden norma-lerweise keine speziellen Schwierigkei-ten bei der konkreten Deutung von Wör-

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Außerdem entspricht das sprachli-che Handeln, was den sozialen und in-haltlichen Aspekt betrifft, durchaus demmentalen Alter, allerdings mit einge-schränkten formalen Mitteln.

Auch die räumlichen, zeitlichen undsozialen Deixis und Voraussetzungenentsprechen dem mentalen Entwick-lungsalter.

Das Verstehen von zusammenhän-genden, erzählerischen, beschreiben-den und argumentativen Äußerungenverbessert sich bei zunehmendem Ent-wicklungsalter.

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Aus dem heutigen Wissensstand überdie Sprachentwicklung und den Sprach-gebrauch bei Menschen mit Down-Syn-drom können wir schließen, dass wiram besten von einer langfristig angeleg-ten Förderung ausgehen müssen. Dies-bezüglich können wir vier verschiedenePhasen unterscheiden:1. Frühe Förderung2. Förderung im Schulalter 3. Weiterführende Förderung im Er-

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200531

Jede Phase hat ihre spezifischen Inhal-te und Ziele, die ich hier kurz umschrei-ben möchte. Dabei werde ich aus Zeit-gründen nur ausführlicher auf einer-seits das prelinguistische Training undandererseits auf das Training zum Er-halt erworbener Fähigkeiten im Altereingehen. Beide Bereiche sind wenig be-kannt und werden noch ungenügendpraktiziert.

Frühe Förderung der Sprache

In Belgien wird Frühförderung rechtlichdefiniert als die unterstützenden Hilfenfür ein Kind mit Behinderung und seineFamilie sowie die technischen Hilfen,die von den ersten Monaten bis zumsechsten Lebensjahr angeboten werdenkönnen.

Heutzutage wird die Notwendigkeitvon Frühförderung für Kinder mit Down-Syndrom von niemand mehr inFrage gestellt. Die Hauptgründe möchteich hier kurz in Erinnerung rufen:

1. In den Industriestaaten wird heut-zutage Down-Syndrom vor oder direktnach der Geburt diagnostiziert, dies er-möglicht ein Handeln direkt von Anfangan.

2. Es ist nicht nur möglich, früh mitFörderung anzufangen, es ist auchhöchst empfehlenswert, dies zu tun,wenn man die bestmöglichen Ergebnis-se bei vielen Entwicklungsaspekten beieinem Kind mit Down-Syndrom errei-chen will.

Darüber hinaus bauen die Entwick-lungen der wichtigsten kognitiven undsprachlichen Systeme und Subsystemeaufeinander auf. Dies bedeutet, dass je-der Zuwachs in den ersten Entwick-lungsstadien positive Auswirkungen aufweitere Fertigkeiten und auf das Niveau,das schließlich erreicht wird, habenwird.

3. Wenn es, wie viele Wissenschaft-ler heute meinen, kritische oder sensiblePerioden für das Erwerben von Basis-fertigkeiten gibt (darunter vor allem dieSprache), wobei besondere Reifungspe-rioden, Lebenserfahrungen und senso-rische Reize interagieren, wird es nochwichtiger, Frühförderung so zu gestal-ten, dass es dem Kind ermöglicht wird,sich besser und schneller zu entwickeln.

Hypothese der Verzögerung bestätigt

Wissenschaftliche Studien aus den letz-ten 25 Jahren bestätigen, dass Men-

schen mit Down-Syndrom in ihrer mo-torischen, kognitiven, emotionalen, af-fektiven, sprachlichen und sozialen Ent-wicklung die gleiche Folge an Schrittendurchlaufen wie Personen, die in ihrerEntwicklung nicht eingeschränkt sind.

Deshalb kann man heute auf die Fra-ge, die viele Jahre lang gestellt wurde,ob nun die Entwicklung bei Down-Syn-drom bloß verzögert sei (und nichtkomplett) oder tatsächlich von einernormal verlaufenden Entwicklung ab-weicht, eindeutig antworten mit: Es liegteine Verzögerung vor.

Dies hat bedeutende Auswirkungenauf die Förderung. Die Tatsache, dassEntwicklung bei Down-Syndrom schein-bar eine „Kopie“ von der normalen Ent-wicklung ist, aber mit einem zeitlich an-deren Verlauf und am Ende unvollstän-dig – beim schließlich erreichten Ent-wicklungsstand stellt man tatsächlichgroße individuelle Unterschiede fest,verursacht durch den Einfluss konstitu-tioneller und umweltbedingter Faktoren– gibt uns erstens einen genauen Ar-beitsplan und zweitens eine sensibleHandhabe, um die Effektivität der För-derung zu testen.

1. ArbeitsplanAus der normalen Entwicklung könnenwir automatisch die Schritte ableiten,die wir bei unserem Förderangebot be-folgen und bevorzugen sollten, um dasWeiterkommen des Kindes innerhalb ei-ner Sequenz von Entwicklungsschrittenin den einzelnen Bereichen (hier z.B.der Spracherwerb) von Stufe A nach B,C, usw. möglichst zu beschleunigen.

2. Beurteilung des FörderprogrammsDas jeweilige Tempo, womit wir dasKind innerhalb einer Sequenz von Ent-wicklungsschritten vom Level A nach B,C usw. bewegen können, sowie die Sta-bilität seiner erlernten Fertigkeiten sindwichtige Hinweise bei der Beurteilungvon dem Wert, der Bedeutung und derEffektivität eines Förderprogramms.

Frühe Sprachförderung/Prelinguisti-sches Training/Sprachanbahnung

Folgende Ziele sollten Teil jedes Pro-gramms sein, das sich mit der prelin-guistischen Förderung von Kindern mitDown-Syndrom befasst:

Sensibilisierung des Babys für dieNuancen und die melodischen Merk-male der mütterlichen Stimme undSprache, indem es konsequent, nuan-ciert und abwechslungsreich angespro-

chen wird.Sensibilisierung des Babys für die Re-

gelmäßigkeit in der mütterlichen Spra-che, was Rhythmik und den Gebrauchvon Silben, Vokalen und Konsonantenbetrifft, um die phonetische Diskrimi-nierung in einfacher Umgangssprachezu fördern.

In den nächsten Monaten soll man denVersuchen des Babys, zu vokalisierenund zu babbeln, viel Aufmerksamkeitschenken, diese Versuche „würdigen“,darauf reagieren und so verstärken,dass die Lautproduktion des Babys all-mählich immer mehr Lautmuster der esumgebenden Sprache erhält.

Etwas später sollte sorgfältig auf dieersten Protowörter und erste Versuchedes Kindes, sich mitzuteilen, geachtetwerden. Diese wahrzunehmen und sys-tematisch zu verstärken ist wichtig.

Gleichzeitig sollen in der fortgeschrit-tenen Lallphase und beim Benutzen vonProtowörtern die nonverbale Kommuni-kation und die Imitation durch Gebär-den gefördert werden.

Symbolisches Spiel und die Kreativitätdes Kindes sollen gefördert werden, weilsie einen ähnlichen Ausgangspunkt ha-ben wie die frühe Sprache.

Lexikalisches, semantisches und morphosyntaktisches Training

Die lexikalische Entwicklung (Aufbaudes Wortschatzes) bei Kindern mit Down-Syndrom ist verzögert undmanchmal erschwert. Um diese Ent-wicklung zu fördern, muss an verschie-denen Aspekten gearbeitet werden.Kurz zusammengefasst sind dies:

das lexikalische Symbolisme, d.h. dasVerständnis, dass Wörter (Reihenfolgenvon Lauten) für bestimmte Objekte, Ka-tegorien etc. stehen

die Entwicklung des Kurzzeit- und desLangzeitgedächtnisses

die artikulatorische und co-artikulato-rische Entwicklung.Die lexikalischen Strategien, die mandazu benutzt, sind für Kinder mit Down-Syndrom die gleichen wie für sich nor-mal entwickelnde Kinder.

Semantisches und morpho-syntaktisches Training

Grammatik basiert auf den semanti-schen Relationen – die zusammenhän-genden Bedeutungsstrukturen, die eszwischen (nicht innerhalb der Wörter)Wörtern gibt.

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 43

F Ö R D E R U N G

„1 mal 2 ist 2“ (2 Finger ausstrecken)„2 mal 2 ist 4“ (weitere zwei Finger da-zu) usw.Das Kind rechnet bis zum Ergebnis „10mal 2 ist 20“ hoch und dann auch wie-der zurück!

LOCI-Methode

Und um nun diese Ergebnisreihe zufestigen, kommt die LOCI-Methode zumEinsatz.

Helfen Sie dem Kind, die Rechnun-gen der Malreihe von 2 inklusive Ergeb-nis an seinem Gesicht „abzulegen“.

Tasten Sie auf sein Kinn und spre-chen dazu: „1 mal 2 ist 2.“ Tasten Sie aufseine Nase und sprechen Sie dazu: „2mal 2 ist 4.“

Diese beiden Gesichtsplätze sindzunächst ausreichend. Das Kind be-nötigt Zeit, zwei völlig unterschiedlicheInformationen miteinander in Verbin-dung zu bringen. Wiederholen Sie im-mer wieder diese beiden Malrechnun-gen und berühren Sie dabei sowohl Ihreigenes Gesicht als auch jenes Ihres Kin-des. Vielleicht übernimmt es ja schonbald selbst die Führung. Wenn es diesebeiden Gesichtsplätze sicher beherrscht,nehmen Sie einen weiteren dazu (linkeWange). Nach zahlreichen Wiederho-lungen dann den nächsten (rechte Wan-ge). So lange, bis alle Malrechnungender Zweierreihe einen Gesichtsplatz zu-geordnet bekommen haben.

Diese Strategie unterstützt die Ab-speicherung und die Festigung.linke Wange: „3 mal 2 ist 6“rechte Wange: „4 mal 2 ist 8“linkes Ohr: „5 mal 2 ist 10“

rechtes Ohr: „6 mal 2 ist 12“linke Augenbraue: „7 mal 2 ist 14“rechte Augenbraue: „8 mal 2 ist 16“Stirn: „9 mal 2 ist 18“Haare: „10 mal 2 ist 20“

Für weitere Malreihen unbedingt ande-re Körperplätze suchen, z.B. die Dreier-reihe im Brust- und Schulterbereich, dieViererreihe an der linken Hand usw.

Der Kopfbereich ist und bleibtzwecks Klarheit und Eindeutigkeit fürdie Zweierreihe reserviert.

Kommt Ihnen das alles komisch vor?Wahrscheinlich nur deshalb, weil esnicht vertraut ist. Probieren Sie es docheinmal aus, die Erfahrung zeigt, dassdie Kinder meist großen Spaß daran ha-ben.

Und: Haben Sie für die Malreihen Ih-re Körperplätze gefunden, lassen sichauch In-Rechnungen auf die gleiche Artund Weise lösen.

Zum Abschluss noch ein weises Zitatvon Konfuzius (500 v. Chr.):„Lass es mich hören und ich werde esvergessen. Lass es mich sehen und ichwerde es erinnern. Lass es mich tun undich werde es verstehen.“

müssen keine Stäbchen für die Veran-schaulichung der Zehner mehr zum Ein-satz kommen. Diese Funktion überneh-men dann die Knöchel an den Finger-wurzeln. Diese Strategie ermöglichtauch das Rechnen im Zahlenraum 100ausschließlich mit unseren Fingern.

Und darüber hinaus ist es wohl legi-tim, Additionen und Subtraktionendurch „Untereinanderschreiben“ zu lö-sen, oder? Tun wir ja schließlich auch.Und dann gibt’s ja auch immer noch denTaschenrechner.

Das Einmaleins

So, und wie ist das nun mit dem „Klei-nen Einmaleins“?

Dazu ein kleiner Ausflug in die Ge-schichte der großen römischen Redner.Diese hatten sich eine Strategie ange-eignet, um auch bei langen Reden nichtden roten Faden zu verlieren. Sie unter-teilten sich ihre Reden in einzelne mar-kante Stichwörter (ähnlich wie kleineZwischenüberschriften). Standen sie ineiner Säulenhalle, so „hefteten“ sie ge-danklich an jede der zahlreichen Säulenje ein Stichwort ihrer Rede. Und wäh-rend sie nun sprachen, wanderte ihrBlick immer zur nächsten Säule, undschon war das nächste Stichwort da.Weiter ging’s. In großen Hallen angeb-lich bis zu fünf Stunden pro Redner. Da-mals gab es aber noch keinen Fernse-her, also hatten die Zuhörer vermutlichauch mehr Zeit.

Diese Strategie findet heute im Ge-dächtnistraining weite Verbreitung undwird als „LOCI-Methode“ bezeichnet.Loci bedeutet „Orte“.

Und nun zurück zum „Kleinen Ein-maleins“: Auch hier wenden wir die LO-CI-Methode an.

Ein Beispiel an der Malreihe von 2: Zunächst ist es nötig, den Begriff

„mal“ mit allen Sinnen zu begreifen, al-so lange vor dem Rechnen mit dem Mal-nehmen zu experimentieren.

Etwa so: 10 Schüsseln aufstellen, injede Schüssel 2 Murmeln legen. Verbalbegleiten.

Oder: 3 Kinder bekommen je 2 Ma-rillen. Wichtig ist dabei, das eigene Tunsprachlich zu beschreiben. Also: „Ein-mal zwei, zweimal zwei, dreimal zwei.“Das Ergebnis ist vorerst noch nicht vonBedeutung.

Um auch zum Rechnen zu kommen,wird mit den Fingern hochgezählt. Ge-nauso wie bei den Additionen.

Informationen

Wenn Sie nun mehr Fragen als Antworten haben, lade ich Sie ein,mit mir Kontakt aufzunehmen.Mag. Bernadette WieserInstitut Leben Lachen LernenVordernbergerstraße 22, 8700 Leoben, ÖsterreichTel.: 0043/3842/26852E-Mailto:[email protected]: www.down-syndrom.atSie können auch den mobilen Work-shop „Rechnen lernen mit links undrechts“ besuchen, zur Abklärung vonZeit und Ort rufen Sie mich am bes-ten an!

42Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

„Spielen ist die einzige Art, richtig verstehen zu lernen.“ Frederic Vester, der Autor des großartigen Buches „Denken,lernen, vergessen“, fasst in einem einzigen Satz die zentra-le Botschaft des vierteiligen Artikels „Rechnen lernen mitlinks und rechts“ zusammen. Wenn es gelingt, unseren Kindern Lerninhalte spielerisch zuvermitteln, so werden sie diese auch spielend bewältigen.Und genau in dieser spielerischen Vermittlung liegt diegroße Kunst des Lehrenden. Niemand muss ein gelernterPädagoge sein, um Kinder motivieren und begeistern zukönnen. Es genügt, auf deren Signale zu hören, ihre Inter-essen mit einzubeziehen und „komplizierte Sachverhalte“,wie eben die Mathematik, mit allen Sinnen begreifbar zumachen.Dies habe ich in den bisher erschienenen Artikeln zu ver-mitteln versucht. Ich danke den zahlreichen Lesern/-innenherzlich, die die unterschiedlichen Anregungen gleich aus-probiert und mir ihre Erfahrungen mitgeteilt haben. Bittemachen Sie weiter, ich notiere alle Erfahrungsberichte undlerne viel dabei! Besonders lustig sind jene Schilderungenvon Alltagssituationen, in denen Spiele aus den unterschied-lichen Teilleistungsbereichen oder Rechenoperationenaufunkonventionelle und kreative Weise zum Einsatz kommen.Spiele jeder Art sind ein großartiges und unterhaltsamesTraining für unsere grauen Zellen. Viele davon eignen sichauch zwischendurch für Wartezeiten, für Autofahrten oderfür „Durchhänger“. Und das Beste daran: Die Materialiendafür haben Sie immer mit: Ihre Finger. Zur Erinnerung: Wenn es dann über den Zehner geht, müs-sen es unterwegs nicht unbedingt die Zehnerstäbchen sein.Diese lassen sich auch durch Essbesteck, Strohhalme, Holz-stöckchen, echtes Geld usw. ersetzen. Wichtig ist, nichtstarr an Vorgaben hängen zu bleiben, sondern flexibel aufSituationen zu reagieren und mit Spaß bei der Sache zusein.

Große Zahlenräume

In diesem vierten und letzten Teil desArtikels „Rechnen lernen mit links undrechts“ beschreibe ich Ihnen noch kurzden Aufbau von großen Zahlenräumen.Wenn Sie den bisherigen Ausführungenkonsequent gefolgt sind, ergeben sichdie weiteren Schritte als logischeSchlussfolgerung.

Geht es über den Zahlenraum 100hinaus, verwenden wir 100-er Platten,die die Kinder aus zehn aneinander ge-klebten Zehnerstäbchen leicht selberherstellen können. Diese Hunderterplat-ten haben also eine Größe von 10 mal 10Zentimetern und werden grün bemalt.Grün deshalb, da in vielen Mathema-tikbüchern die Hunderter mit grünerFarbe hervorgehoben werden.

Und geht es sogar noch hoch zumTausender, so benötigen wir einen Wür-fel, der 10 Zentimeter hoch, 10 Zenti-meter breit und 10 Zentimeter lang ist.Also genauso groß wie 10 Hunderter-platten. Auch hier ist es wichtig, dass dieKinder diesen Tausenderwürfel selbstherstellen, um bereits beim Tun einenEinblick in die Mächtigkeit der Menge zubekommen.

Nun wird nach genau jenem Schemaweitergerechnet, wie bereits im letztenHeft beschrieben.

Damit es unseren Kindern auch ge-lingt, den Umgang mit Geld allmählichzu erlernen, empfiehlt es sich, anstattvon Zehnerstäbchen und Hunderterta-feln Spielgeld (und von Zeit zu Zeit auchechtes Geld) zu verwenden.

Diese Umstellung bereitet keineSchwierigkeiten, meist sind die Kindersogar sehr stolz darauf, nun „wie dieGroßen“ rechnen zu können. Dass indieser Phase auch ein Taschengeld fäl-lig wird, versteht sich wohl von selbst.

Und noch ein Ausblick in die Zu-kunft: Ob die Rechenkompetenzen vonMenschen mit Down-Syndrom so weitentwickelt werden können, dass ihnenim Erwachsenenalter „das Rechnen imKopf“ gelingt, kann ich zurzeit wederbejahen noch verneinen. Dazu fehlen imAugenblick einfach die Erfahrungswerte.

Was aber gelingt: unabhängig zuwerden von Materialien. Das heißt, ineiner weiteren Stufe der Abstraktion

Rechnen lernen mit links und rechts!Bernadette Wieser

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32Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

FÖRDERUNG

Es ist wichtig, auf dieser Sprachstufeerst mit dem Üben von Zwei- und Drei-wortsätzen anzufangen, bevor man sichden eindeutigen formalen Strukturenzuwendet (grammatikalische Eintei-lung, Satzstrukturen etc., die noch überdem Niveau der aktuellen Kommunika-tion liegen; cf. Rondal & Edwards, 1997).

Erste wichtige semantische Relatio-nen sind u.a. Objektpermanenz, Besitz-verhältnisse, qualitative und quantitati-ve Eigenschaften, intransitive Bezie-hungen (der Junge lächelt) und transiti-ve Beziehungen (der Milchmann bringtdie Milch), Bestätigung, Verneinung,Akzeptanz, Ablehnung und Verweige-rung.

Förderung im Schulalter

Angesichts des verzögerten Spracher-werbs bei Kindern mit Down-Syndromwerden diese Kinder während ihrer ge-samten Grund- und Hauptschulzeit wei-tere Sprachförderung brauchen.

Diese Förderung sollte in enger Zu-sammenarbeit mit den Schulen und denLehrern geplant und ausgeführt wer-den. Genau dies ist jedoch ein sehr kom-plexes Problem und wir sind in unserenLändern heutzutage noch weit von einerzufrieden stellenden Lösung entfernt.

Es müssen Teams von Spezialistenmit Lehrern (die dann hoffentlich besserinformiert und ausgebildet sind, als diesheute häufig der Fall ist) zusammenar-beiten bei der Ausführung von weiter-führenden individuellen Sprachförder-programmen für das einzelne Kind, so-wohl in Sonderschulen wie in einer in-tegrativen Schulumgebung.

Weiterführende Förderung derSprache im Erwachsenenalter

Wissenschaftliche Studien zeigen, dasses auch bei jungen Erwachsenen mitDown-Syndrom noch möglich ist, ver-schiedene Aspekte ihrer Sprache deut-lich zu verbessern.

Besonders in den Bereichen Wort-schatz, Semantik (Bedeutung), Pragma-tik (die Verwendung von Sprache) istdas Weiterlernen noch möglich (aller-dings mit großen individuellen Unter-schieden).

4. Förderung zum Erhalt der Fähigkeiten auch im hohen Alter

Es scheint, dass bei den meisten Men-schen mit dem Syndrom der neuropsy-chologische Abbau – unabhängig von ei-

ner Alzheimer-Erkrankung – früher ein-setzt (Brown, 1985; Thopsom, 1999;van Buggenhout et al., 2001).

Die Disposition zu einem früh ein-setzenden Alterungsprozess bei Down-Syndrom könnte in Verbindung stehenmit einer Überproduktion von Genenauf Chromosom 21, speziell von SOD,Superoxyd-Dismutase, das mit verant-wortlich ist für das Entstehen von Alz-heimer, sowie von Genen, die auf ande-ren Chromosomen lokalisiert sind. (Roy-ston, Pickering-Brown, & Owen, 1994)

Es findet vor dem 50. Lebensjahr beider rezeptiven wie bei der produktivenSprache kein eindeutiger Abbau statt.Dies bestätigen Untersuchungen vonRondal & Comblain (1996, 2002), Das,Divis, Alexander, Parills & Naglieri(1995), und Ergebnisse aus den Lang-zeitstudien von Devenny, Hill, Patxot,Silverman & Wisniewski (1992), BurtLoveland, Chen, Chuang, Lewis & Cerry(1995) und George, Thewis, Van derLinden, Salmon & Rondal (2001).

Wie dieser Prozess bei diesem Per-sonenkreis nach dem 50. Lebensjahr ge-nau abläuft, ist bis heute nicht klar, weildazu systematische Daten fehlen. Wahr-scheinlich handelt es sich um einen all-mählichen Abbau über Jahre, so wiedies auch von Menschen ohne mentaleBehinderung berichtet wird (Rondal &Edwards, 1997).

Dies rechtfertigt meiner Ansichtnach das Einführen eines besonderenBereichs innerhalb unserer Förderpro-gramme, der dem Erhalt von sprachli-chen Fähigkeiten von älteren und altenPersonen mit Down-Syndrom gewidmetist. Bis jetzt geschieht in diesem Bereichsehr wenig oder gar nichts. Durch ge-zielte Maßnahmen kann man hoffen,den Prozess eines verfrühten Sprachab-baus zu verlangsamen (natürlich wür-den auch andere Entwicklungsbereichevon ähnlichen Bestrebungen profitieren).

Was wäre das Ziel eines solchen Pro-gramms? Folgende Aspekten haben Pri-orität:

1. Damit eventuelle Veränderungenim auditiven System rechtzeitig entdecktwerden, soll man sorgfältig beobachten,ob der älter werdende Mensch mitDown-Syndrom noch entsprechend aufSprache, Geräusche etc. reagiert.

2. Das möglichst häufige Benutzenvon bekanntem Wortschatz (Sprachpro-duktion) soll stets ermutigt werden, da-

mit der zunehmenden Schwierigkeit,Wörter aus dem semantischen Gedächt-nis abzurufen, entgegengewirkt wird.

3. Rezeptive und produktive Sprach-prozesse sollen stimuliert werden, umdem Verlangsamen dieser Prozesse ent-gegenzuwirken.

4. Es sollen wieder und weiter Kon-versation und Sprachverständnis geübtwerden – Bereiche, die häufig schon ein-geschränkt waren.

Zusammenfassung

Es ist wichtig, sich bei Menschen mitDown-Syndrom auf eine lebenslangeFörderung von Sprache (und von ande-ren Bereichen genauso) einzustellen,damit maximale Effizienz erreicht wird.

Man muss sich in diesem Zusam-menhang auch bewusst sein, dass ob-wohl in den Industrieländern die Zahlder Menschen mit Down-Syndrom ab-nimmt (bedingt durch die pränatale Dia-gnose und die damit verbundenen Prak-tiken des so genannten therapeutischenAborts), die Zahl der älteren und altenMenschen mit Down-Syndrom zunächstund auch in den kommenden Dekadenzunehmen wird.

Heute schätzt man, dass die durch-schnittliche Lebenserwartung für Men-schen mit Down-Syndrom bei ca. 60Jahren liegt.

Die geschätzte Zuwachsrate von er-wachsenen Menschen in den nächstenDekaden liegt bei über 200 % (Steffelaar& Evenhuis, 1989).

Es ist deshalb logisch und notwendig,für eine schnelle Entwicklung effektive-rer Förderprogramme für Menschenmit Down-Syndrom zu sorgen, damitdieser Personenkreis optimal gefördertwerden kann und einen möglichst ho-hen Entwicklungsstand erreicht. Dennje höher das erreichte Entwicklungsni-veau des Einzelnen ist, desto besser istwahrscheinlich seine Lebensqualität,desto nützlicher wird diese Person fürdie Gesellschaft sein und desto geringerwerden, langfristig gesehen, die gesam-ten sozialen Ressourcen sein, die diesePerson benötigt.

P U B L I K A T I O N E N

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 29

Liebe DichIn dieser Ausgabe von Leben mit Down-Syndrom werdenan verschiedenen Stellen die so genannte emotionaleIntelligenz und die guten sozialen Fähigkeiten von Menschen mit Down-Syndrom erwähnt. Der Film „LiebeDich“ zeigt konkret, was das bedeutet. Ein wunderbarerDokumentarfilm, den man hervorragend bei Informations-veranstaltungen und im Rahmenprgramm bei Tagungenoder Mitgliederversammlungen einsetzen kann. Und ereignet sich gut für Eltern und Begleiter sowie für diejungen Menschen mit Down-Syndrom selbst als Disku-tiergrundlage über Themen wie Freundschaft, Partner-schaft, Sexualität und Liebe.

Liebe Dich ... zeigt Menschen, die dasDown-Syndrom haben, privat und

als Schauspieler auf der Bühne – im oftausverkauften Berliner RambaZamba-Theater. Der Film zeigt die beein-druckende emotionale Stärke der be-hinderten Menschen, zeigt ihre Kunst-fertigkeit auf der Bühne, ihre Lebenslustund Lebensfreude. Liebe Dich ... ist einFilm über Menschen, die ihr großesHerz verschenken. Ihr Umgang mit be-ruflichen und privaten Dingen konfron-tiert uns mit unseren inneren Grenzen.

Liebe Dich ... sagt Moritz zu Nele,Liebe Dich ... sagt Nele zu Moritz. LiebeDich ... – immer wieder, mitten im Ge-spräch, auf der Probe, zur Mutter, zurRegisseurin, zum Spielpartner, sagt ei-ner der behinderten Schauspieler desTheaters RambaZamba diesen Satz.Umwerfend zärtlich und direkt. Liebe

dich ... erzählt von dieser ungewöhnli-chen Theatertruppe. Auf wunderbareWeise lässt er uns begreifen, wie sehrdas Leben und die künstlerische Arbeitder Darsteller miteinander verbundensind.

„Wir sind zwei Kolleginnen“, sagtNeles Mutter, die Schauspielerin AngelaWinkler, mit zärtlicher Bewunderungfür ihre Tochter. Aber wir erfahren auch,wie schwer es für sie anfangs war, dieBehinderung ihres Kindes anzuneh-men. Ebenso wie für die Regisseurin Gi-sela Höhne, die Mutter von Moritz, undauch Julianes Eltern. „Der Umweg zuJuliane“ hat ihr Vater sein Tagebuch ausdieser Zeit überschrieben. „Sie hat unsin Besitz genommen“, sagt die Mutter.„Liebe Dich ...“ – ein langer Weg.

Immer wieder werden im Film dieGeschichten von Nele, Moritz und Julia-ne mit denen der anderen Spieler er-

gänzt. Immer wieder gehen Gesprächein Szenen aus den Aufführungen über, indenen sich die Geschichten auf faszinie-rende Weise weiterzuerzählen scheinen.

Großartige Darsteller sind da zu se-hen, berührende und hinreißend komi-sche Momente. Und wenn es in demneuen Stück, an dem sie gerade proben,um eine Welt geht, in der nur noch per-fekte Menschen Platz haben sollen, be-greift man, dass sie nicht nur fürs Lebengern spielen, sie spielen auch um ihr Le-ben.

Der Film lässt ahnen, dass ein Lebenohne die antrainierten Gesellschafts-und Konventionsfilter nicht nur anders,sondern auch besonders sein kann. Manspürt, was es bedeutet, behindert zusein, wenn Juliane, die Siebzehnjährige,die das Down-Syndrom hat, von sichsagt: „... ist mir doch egal, wenn ich be-hindert bin – ich bin ein ganz normalerMensch!“, und vergisst ihre Behinde-rung völlig, wenn man sie tanzen sieht.

In Theaterstücken, die die Regisseu-rin entlang eines Grundthemas durchImprovisation über Monate hinweg mitden Spielern entwickelt, spiegeln sichlebensweltliche Bezüge der geistig be-hinderten Menschen. Theaterregisseu-rin Gisela Höhne gelingt mit ihrenStücken, die Kunst dieser Menschen zufassen.

Es gibt die großen und lauten Mo-mente vor Publikum und die intimenMinuten zwischen zweien: Freunden,Eltern und Kindern, Brüdern undSchwestern, Verliebten. Mehr und mehrwird der Film zur Liebesgeschichte zwi-schen Moritz und Nele, die beide dasDown-Syndrom haben, die einfach ihrHerz verschenken, großzügig und unge-schützt.

Liebe Dich, ein Film von Sylvie Ba-nuls und Sabina Engel in Koproduk-tion mit dem ZDF, in Zusammenar-beit mit Arte, gefördert durch FFF-Bayern.

Liebe Dich ist als DVD (92 Minuten,Farbe) zu bestellen unter:www.basisdvd.de oderper Fax: 030 / 791 15 51Preis für private Nutzer: 24,90 Euromit Vorführrecht: 150 Euro

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200541

FÖRDERUNG

Schwierigkeiten bei der Bewegungsko-ordination der Sprechmuskulatur führt.

Ein Kind mit Down-Syndrom kannsowohl sprechmotorische Störungen alsauch Planungs- und Steuerungsstörun-gen haben. Die Behandlungsansätze sindunterschiedlich. Bei Beeinträchtigungen,die auf eine Schwäche der Sprechmus-kulatur zurückzuführen sind, bestehtdie Intervention darin, diese Muskulaturzu stärken. Dies kann schon lange vordem eigentlichen Spracherwerb anfan-gen, u.a. beim Üben von richtigenSchluck-, Saug- und Kaumustern undbei den unterschiedlichsten Sprachan-bahnungsübungen. Die Behandlung dermotorischen Schwierigkeiten kann des-halb schon viel früher eingesetzt werdenals Techniken, die die Sprechapraxiebehandeln.

Tests

Wie kann man feststellen, ob ein Kinddie typischen Merkmale einer Sprech-apraxie zeigt? In erster Linie geschiehtdies durch Beobachtungen der Eltern inZusammenarbeit mit einer Logopädin.Berücksichtigt werden dabei die allge-meine Sprech- und Sprachentwicklungdes Kindes, seine Mundmotorik, Lippen,Zunge, Gaumenbewegungen beim Es-sen und Sprechen. Es wird festgestellt,welche artikulatorischen und phonolo-gischen Fehler das Kind macht, wie sei-ne Sprache bei Spontanunterhaltungenist, etc.

Erst seit einiger Zeit gibt es speziellentwickelte Testbatterien, um eineSprechapraxie festzustellen. Bei diesenTests ist es erforderlich, dass das Kindschon sprechen kann. Die Kinder wer-den u.a. aufgefordert, Wörter, Phrasenoder Sätze nachzusprechen.

Es ist oft nicht einfach, sich ein ge-naues Bild von den Fehlern des Kindeszu machen, weil diese unregelmäßigauftreten und außerdem sehr schwan-kend sind. Tests, die z.B. im Abstandvon zwei Wochen durchgeführt werden,können ganz unterschiedliche Ergeb-nisse zeigen. Aber auch das ist typischfür die Sprechapraxie.

Behandlung

Die Therapie für sowohl Kinder ohne alsmit Down-Syndrom, die eine Sprech-apraxie haben, richtet sich gezielt aufÜben und Einpauken. Die Behandlunggeht in kleinen Schritten, langsam undgründlich voran. Nur bei häufigem kon-

sequentem Wiederholen der richtigenSprechbewegungsabläufe, wobei mansehr strukturiert vorgeht, kann man Er-folge feststellen.

Ich bin der Meinung, dass diese The-rapie am effektivsten ist, wenn sich dasKind und die Sprachtherapeutin in ei-nem ruhigen, separaten Raum aufhal-ten. Zwar ist in unseren Schulen einesolche „pull out“-Maßnahme (Therapeutnimmt das Kind für die Therapie ausder Klasse) nicht erwünscht, sondernman bevorzugt die „push in“-Therapie“(Therapeut arbeitet mit dem Kind in dereigenen Klasse), in diesem Fall halte iches jedoch für besser, das Kind für einesolche Therapieeinheit aus der Klassezu nehmen. Es muss sich voll konzen-trieren können auf die Sprachübungen,der übliche Geräuschpegel im Schul-zimmer würde das Kind dabei zu sehrablenken.

Freilich wird eine Therapieeinheit,die nur ein- oder zweimal wöchentlichdurchgeführt wird, die Sprechmusternicht groß verändern. Intensives Trai-ning zu Hause mit vielen kurzen, aberregelmäßigen Übungseinheiten ist füreine Verbesserung unbedingt erforder-lich. Es gibt bestimmte Dinge, die manbeachten sollte, und viele Spiele, Übun-gen, die man tun kann:

– Arbeiten Sie z.B. mit Bildern oderZeichnungen, um dem Kind zu zeigen,wo im Mund und wie die einzelnen Lau-te gemacht werden.– Ein strukturiertes Vorgehen ist wich-tig, von den leichten zu den komplizier-ten Lauten, von Einzellauten zu Doppel-lauten etc.– Arbeiten Sie zuerst wieder an „einfa-cher“ Sprache (Einwortsätze, Zweiwort-sätze) und bauen Sie dann allmählichweiter auf.– Verwenden Sie Gebärden als Unter-stützung beim Sprechen.– Sprechen Sie gemeinsam mit demKind, übertrieben langsam und deut-lich.– Singen oder rhythmisches Sprechenkönnen den Sprachfluss erleichtern.

Die meisten Behandlungspläne fürKinder mit einer Apraxie enthalten alswichtigsten Bestandteil konsequentes,regelmäßiges Üben – Drill eben! Es gehtum mehr taktile und kinästhetische Er-fahrungen. Einige Programme kombi-nieren Sprechübungen mit grobmotori-schen Bewegungen.

Tipps

Zum Schluss noch einige Tipps für zuHause:– Sprechen Sie klar und deutlich.– Singen Sie Lieder, mit begleitendenHandbewegungen und mit sich wieder-holenden Strophen. Diese Wiederholun-gen geben dem Kind die Möglichkeit, öf-ter den gleichen Satz zu sprechen.–Versuchen Sie, weniger schnell zusprechen und langsamer zu singen!(In den USA gibt es eine CD mit 26 be-kannten Kinderliedern in einer ver-langsamten Ausgabe, die sehr hilfreichist für Kinder mit Apraxie, weil sie hierbesser mitsingen können!) – Lesen Sie dem Kind Geschichten vor,in denen sich bestimmte Sätze wieder-holen oder bei denen vorhersehbar ist,welche Sätze folgen. Diese Sätze kanndas Kind lernen, mitzusprechen oderauch mitzusingen. Auch wenn es nichtden ganzen Satz schafft, dann vielleichteinige Worte oder jeweils das letzteWort. Dies vermittelt dem Kind ein po-sitives Gefühl: Es kann Wörter richtigaussprechen!

Benutzen Sie im Alltag viele Stan-dardausdrücke: „Bis später“, „alles ok“,„ja bitte“, „geht schon“. Diese kann dasKind häufig einsetzen und so üben.

– Sagen Sie nicht: „Wenn du dasWort ,Keks‘ richtig sagst, bekommst dueines!“ Das Kind kann vielleicht in die-sem Moment das Wort Keks gar nichtrichtig sagen und gerät so noch mehrunter Stress und bekommt auch einnächstes Mal dieses Wort nicht über dieLippen. Das Kind soll lieber Bilder oderGebärden zur Unterstützung seinerSprache einsetzen und sein Bemühensoll gewürdigt werden. Einsatz von Bil-dern oder Wörtern auf dem Kühl-schrank z.B. können dem Kind helfen,seine Wünsche zu äußern.

Die Motivation zu kommunizierenmuss erhalten bleiben. Das Kind sollnicht frustiert aufgeben. Deshalb müs-sen wir mit viel Fantasie und Gedulddas Kind während dieser schwierigenLernzeit begleiten.

Warum eine Erziehung zur Selbstständigkeit?

Die ganze Erwicklung und das Heran-wachsen eines Kindes können als einProzess betrachtet werden, der von derAbhängigkeit in die Selbstständigkeitführt und der abgeschlossen ist, wenndas Kind erwachsen und arbeitsfähigist, ein Bürger mit Rechten und Pflichtenwird und Beziehungen zu anderen Er-wachsenen aufbaut.

Auf dem Weg in die Selbstständigkeitstößt das behinderte Kind auf zwei Ar-ten von Hindernissen: zum einen dieSchwierigkeiten, die direkt durch seineBehinderung entstehen, zum anderendas oft ängstliche und ambivalente Ver-halten seines Umfeldes, das es manch-mal daran hindert, sein Potenzial trotzseiner benachteiligten Situation vollauszuschöpfen

Oft entwickeln die Eltern, aber auchandere, die mit dem behinderten Kindzu tun haben – manchmal seine eigenenAssistenten und Lehrer, ihm gegenübereine sehr unterstützende und beschüt-zende Haltung, die den Weg in die Un-abhängigkeit erschwert. Es scheint fast,als ob man durch viel Liebe und Zunei-gung und durch Verhätscheln versu-chen wolle, die Unbequemlichkeit seinerBehinderung wieder gut zu machen.Wenn der behinderte Mensch aber im-mer wie ein kleines Kind behandeltwird, bleibt er unfähig, selbst etwas zutun, und folglich auf Unterstützung an-gewiesen. Er braucht dann auf Dauer je-

manden, der ihm zur Seite steht und fürihn handelt.

Aber es hat sich in den letzten Jah-ren unter denen, die sich um Menschenmit einer geistigen Behinderung küm-mern, etwas geändert. Man ist immermehr davon überzeugt, wie wichtig dieErziehung zur Selbstständigkeit für dieEntwicklung und die soziale Integrationfür diesen Personenkreis ist.

Jeder wird einsehen, dass es z.B.einfacher für einen Kindergarten ist, einbehindertes Kind aufzunehmen, dasschon selbstständig auf die Toilette ge-hen oder selbstständig essen kann, sichauf etwas konzentrieren kann und sichan die Regeln hält. Wenn solche Fähig-keiten schon vorhanden sind, erleich-tern sie weiteres Lernen in dem Kinder-garten. Selbstständigkeit ist auch dieGrundvoraussetzung für die Aufnahmeder Jugendlichen und Erwachsenen mitBehinderung an einem Arbeitsplatz undin der Gesellschaft allgemein.

Viele Ziele jedoch, vor allem im Be-reich der Außen-Autonomie (Selbststän-digkeit außerhalb der Familie?) sind imfamiliären Bereich schwer zu erreichen.

Das Einüben solcher Fertigkeitenfällt außerdem in eine Zeit, in der die Ju-gendlichen genauso wie die anderenHeranwachsenden anfangen, sich vonden Eltern loszulösen, Kritik von den El-tern schlecht vertragen und den Auffor-derungen ihrer Eltern nicht mehr sogern nachkommen.

Gleichzeitig ist es häufig auch für die

Eltern schwierig zu erkennen und zu ak-zeptieren, dass ihre Kinder groß wer-den, und sie diesen Prozess irgendwieunterstützen müssen.

Das Kursprogramm von AIPDkommt gut an

Um diesen Bedürfnissen gerecht zu wer-den und als Reaktion auf die Anfragenvon Eltern wurde 1989 in Rom durchdie AIPD ein Kursprogramm zur Erzie-hung zur Selbstständigkeit für Personenmit Down-Syndrom entwickelt, das sichan Jugendliche zwischen 15 und 20 Jah-ren richtet.

Heute gehört dieser Kurs zu einerder wichtigsten Aktivitäten des Vereinsund in Rom nehmen jährlich 50 bis 60Jugendliche daran teil. Motiviert durchdie Erfahrungen in Rom, hat die Idee inanderen Städten, wo der Verein ansäs-sig ist, Fuß gefasst, dort entstanden wei-tere Kurse. Zurzeit gibt es Kurse zurSelbstständigkeit in 20 verschiedenenStädten und viele andere Organisatio-nen, Kommunen und soziale Zentrenhaben sich von diesem AIPD-Modell in-spirieren lassen. In Rom sind angeregtdurch unser Kursprogramm weitereAngebote mit der gleichen Zielsetzungund nach der gleichen Methode arbei-tend auch im Wohn- und Freizeitbereichentstanden.

Der Kursaufbau

Um einen Arbeitsplan für die Erziehungzur Selbstständigkeit zu erstellen, um

Erziehung zur sozialen Selbstständigkeitbei Jugendlichen mit Down-SyndromAnna Contardi

Übersetzung: Judith Halder

So selbstständig wie nur möglich sollte das Ziel der Erziehung sein. Das ist nicht im-mer einfach für Eltern behinderter Kinder. Einerseits trauen sie ihren Kindern vielesnicht zu, andererseits entwickeln sie ihnen gegenüber oft eine sehr beschützendeHaltung, die den Weg in die Unabhängigkeit eher erschwert. Dazu kommen noch dieSchwierigkeiten, die Jugendliche auf Grund ihrer Behinderung sowieso haben. Der italienische Down-Syndrom-Verein AIPD bietet ein spezielles Kursprogramm an,um die Selbstständigkeit von Personen mit Down-Syndrom zu fördern.

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44 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

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P S Y C H O L O G I E

28 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

samt ihren Wünschen, Ängsten undFähigkeiten – zu entwickeln und diesesWissen im Alltag zu nutzen.

Die beiden letzten Intelligenzen be-schreiben auch das von anderen Auto-ren mit emotionaler Intelligenz (EQ) be-schriebene Verständnis für Gefühlsvor-gänge, das dazu benutzt werden kann,in anderen positive Empfindungen zuwecken, Konflikte zu lösen oder zu Hau-se und im Alltag vermittelnd zu wirken.

Untersuchungen der letzten Jahrelassen vermuten, dass soziale und emo-tionale Fähigkeiten den „Erfolg“ im Le-ben vielleicht noch stärker bestimmenals die so genannten intellektuellenFähigkeiten eines Menschen. Die im Ge-gensatz zum Intelligenzquotienten (IQ)mit emotionaler Intelligenz (EQ) be-schriebenen Eigenschaften umfassenz.B.

Mitgefühl Ausdruck und Verstehen von Gefühlen Kontrolle über seine Stimmungen Unabhängigkeit Anpassungsfähigkeit Beliebtheit Fähigkeit zur zwischenmenschlichenProblemlösung Ausdauer Freundschaftlichkeit Respekt Optimismus

Die Theorie der multiplen Intelli-genzen beruht auf der Annahme, dassExpertentum sowohl in der Schule alsauch in anderen Bereichen auf vielenWegen erreichbar ist. Über das Gesamt-bündel der Intelligenzen verfügen wiralle, es repräsentiert in gewisser Hin-sicht das intellektuelle Erbe der biologi-schen Art, doch unsere Stärken und un-sere Intelligenzprofile sind nicht iden-tisch, weil die verschiedenen Intelligen-zen individuell unterschiedlich starkausgebildet sind. Wenn also die geisti-gen Möglichkeiten mit den unterschied-lichen Stärken, Interessen und Strategi-en tatsächlich individuell ausgeprägtsind, dann lohnt es zu überlegen, obzentrale Lerninhalte nicht auf vielfältigeArt unterrichtet und vor allem beurteiltwerden können.

Sind Menschen mit Down-Syndromintelligent?

Um noch einmal zusammenfassend aufdie eingangs gestellte Frage zurückzu-

kommen, ob Menschen mit Down-Syn-drom intelligent sind, so sollte sie – un-ter Berücksichtigung der Theorie dermultiplen Intelligenzen – mit „Ja“ be-antwortet werden.

Betrachtet man u.a. die Subintelli-genzen der emotionalen, musikalischenund körperlich-kinästhetischen Intelli-genzen, so zeichnen sich viele Men-schen mit Down-Syndrom gerade durchdiese Fähigkeiten aus, die es im Kinder-garten, in der Schule, aber auch im spä-teren Leben in der Berufswelt zu ent-decken, zu fördern und einzusetzen gilt.

„Die Aufgabe für das nächste Jahr-hundert besteht nicht nur darin, unserBewusstsein für die Vielfalt unserer In-telligenzen und deren adäquaten Ge-brauch zu sensibilisieren. Wir müssenuns darüber hinaus überlegen, wie In-telligenz und Moral zusammenwirkenkönnen, damit eine Welt zum Wohleund zum Gefallen der sehr verschieden-artigen Bevölkerung unseres Planetenentstehen kann. Intelligenz ist ein Kapi-tal, aber – um Ralph Waldo EmersonsDiktum zu zitieren – „Charakter ist mehrals Intellekt“, eine Einsicht, die für dasIndividuum ebenso gilt wie für die Ge-sellschaft“ (Howard Gardner).

Dr. med. Wolfgang Storm Kinderklinik St.-Vincenz-Krankenhaus Husener Straße 81 33098 Paderborn

Weiterführende Literatur

1. Gardner, H.: Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen. Klett-

Cotta, Stuttgart (2001)

2. Gardner, H.: Intelligenzen. Die Vielfalt desmenschlichen Geistes. Klett-Cotta, Stuttgart

(2002)

3. Goleman, D.: Emotionale Intelligenz.Deutscher Taschenbuchverlag, München

(1995)

Bindungssicherheit

An der Universität Potsdam wurdevon Hellgard Rauh und Claudine

Calvet eine Langzeitstudie durchgeführtüber die Bindungsqualität bei Kindernmit Down-Syndrom. Die Ergebnisse die-ser Studie wurden veröffentlicht in derZeitschrift: Kindheit und Entwicklung,13 (4), 217 – 225, Hogrefe Verlag, Göt-tingen 2004, aus der auch folgende Zu-sammenfassung entnommen wurde:

Ist Bindungssicherheit entwicklungs-fördernd für Kinder mit DS?

Die Erfassung und die Bedeutung derBindungsqualität bei Kindern mit Down-Syndrom ist wissenschaftlich umstrit-ten. Anhand von Längsschnittdaten beiinsgesamt 16 Kindern mit Bindungs-qualifikation im Entwicklungsalter von13 bis 15 Monaten (Lebensalter um 24Monate) wird aufgezeigt, dass die Ver-haltensentwicklung dieser Kinder inBayley-Entwicklungssituationen (IBR-Ratings) im ersten bis zum fünften Le-bensjahr in sinnvoller Beziehung zu ih-rer Bindungsentwicklung stand. Ab demfortgeschrittenen Vorschulalter ent-wickelten sich Kinder mit sicherer Bin-dung vor allem in der sprachlichen undin der sozial-kognitiven Entwicklunggünstiger als Kinder mit unsicherer Bin-dungsbeziehung.

Bindungssicherheit scheint sich inden ersten Jahren vor allem im Verhal-ten der Kinder und erst nahe demSchulalter auch in Testleistungen aus-zuwirken.

Was ist Bindung?Unter Bindung versteht man eineemotionale Beziehung zwischenMenschen, die sich z.B. in Form derKontaktsuche, Aufrechterhaltungder Nähe zur Bezugsperson insbe-sondere angesichts fremder Perso-nen oder unvertrauter Ereignisse(z.B. dem so genannten Fremdeln,der so genannten Acht-Monate-Angst bei Kindern) oder der so ge-nannten Trennungsangst (Furcht vorAbwesenheit oder Abwendung einerBezugsperson) äußert. Bindung undnachfolgende Ablösung gelten alswesentliche Voraussetzung einerharmonischen Persönlichkeits- undsozialen Entwicklung.

PSYCHOLOGIE

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200525

Der Unterschied besteht darin, dassKinder mit Down-Syndrom die nicht-lautsprachliche Kommunikation (Ges-ten, Mimik etc.) nicht als Mittel zumZweck einsetzen, d.h. sie benutzen die-se Fähigkeit in herausfordernden Situa-tionen nicht, um Informationen zu be-kommen, damit sie ein Problem lösenkönnen, so wie andere Kinder das tun.Und dies obwohl die frühe nonverbalesoziale Kommunikation eine relativeStärke dieser Kinder ist. Hier wird deut-lich sichtbar, dass es einen Bruch gibtzwischen dem instrumentellen Gestiku-lieren (Gesten, um zu einem Ziel zu ge-langen) und dem sozialen Gestikulieren(gestikulieren auf Grund der Soziabi-lität).

Interessanterweise treten diese Defi-zite speziell nur in Problemlösungssi-tuationen auf. Bei sozialen Routine-übungen benutzen die Kinder sehr wohlGesten, Blickkontakt, Mimik etc., um einZiel zu erreichen. Es scheint also nichtdaran zu liegen, dass die Kinder dieseTaktiken nicht beherrschen, sie benut-zen sie jedoch nicht gezielt in für sie kognitiv herausfordernden Situationen,um das Verhalten anderer dadurch zubeeinflussen.

Wechselwirkung zwischen den Entwicklungsbereichen

Wir nehmen an, dass zwischen den bei-den Entwicklungsdomänen – die relati-ve Stärke im sozialen Verhalten und dieDefizite in der Entwicklung von strate-

gischem Denken – eine Beziehung be-steht, die zu dem spezifischen Motivati-onsverhalten, der geringeren Ausdauerund dem Sich-Verlassen auf soziale Stra-tegien führt.

Ein geringes Durchhaltevermögenkönnte die indirekte Folge der auftre-tenden Schwierigkeiten beim instru-mentellen und strategischen Denkensein. Klein- und Vorschulkinder mit Down-Syndrom, die sich aus herausfor-dernden Situationen ausblenden, ma-chen dies, weil sie nicht in der Lagesind, neue brauchbare Strategien zuentwickeln, um die Aufgaben zu lösen.Sie sehen einfach keine andere Mög-lichkeiten, um sich aus der „Situation zuretten“. So ist – unserer Meinung nach –diese passive und wenig motivierte Hal-tung direkt verbunden mit den primä-ren Defiziten im instrumentellen Über-legen und mehr allgemein mit den ko-gnitiven Einschränkungen.

Außerdem scheint es für diese Kin-der ganz selbstverständlich zu sein,dass wenn sie sich nicht imstande se-hen, in schwierigen Situationen neueStrategien zu entwickeln, sie sich lieberauf ihre Stärken, ihre sozialen Fähig-keiten verlassen.

So entwickeln sie über die Jahre ei-nen Stil, wobei sie immer dann, wenn eskompliziert wird, beharrlich ihren Charme und ihre anderen positiven so-zialen Verhaltensweisen einsetzen. Diesführt häufig dazu, dass ihre Bezugsper-sonen aufgeben – die Aufgaben bleibenunerledigt.

Oder sie verlassen sich auf eine an-dere soziale Strategie, nämlich sich pas-siv zu verhalten und einfach auf Hilfe-stellung zu warten, die sie dann auchbekommen – die Bezugsperson löstdann die Aufgabe.

Diese beiden sozialen Strategienwurden wiederholt auch in Testsituatio-nen festgestellt. Und sogar wenn dieKinder diese Taktiken nicht anwenden,bauen sie lieber auf Verweigerung und„stellen auf stur“, als dass sie versuchen,neue wirkungsvollere Strategien zu ent-wickeln, um eine Aufgabe zu lösen. Esfällt ihnen schwer, sich von diesem„Verstocktsein“ zu lösen.

Intervention

Wenn diese Antriebsschwäche, diesemangelnde Motivation eine Folge derprimären phänotypischen Merkmale ist,dann müsste es möglich sein, diesen

Kinder mit Down-Syndrom lachen mehr!

Wenn wir unsere Fotosammlung durchschauen,

können wir dies bestätigen.

Entwicklungsweg durch gezielte undzeitlich richtig eingesetzte Förderung zuverändern.

Man kann sich z.B. darauf konzen-trieren, Fertigkeiten zum frühen Pro-blemlösen zu üben. So ließe sich daspersönliche Motivationsverhalten viel-leicht günstig beeinflussen.

Weiter kann man, wenn die Kinderein mentales Alter von neun bis 13 Mo-naten erreicht haben, ganz gezielt ihrenonverbale Kommunikation so steuern,dass sie lernen, diese auch als Mittel ein-zusetzen, um Informationen zur Pro-blemlösung zu bekommen.

Ein anderer wichtiger Bereich derFörderung könnte das Einüben vonHandlungsabläufen sein. Kleinkindermit Down-Syndrom sind nicht in der La-ge, selbst effektive Handlungssequenzenauszudenken und auszuführen, um einbestimmtes Ziel zu erreichen. Wenn dierichtige Strategie, um ein Problem zu lö-sen, eine Reihe unterschiedlicher Hand-lungen erfordert, stellt dies eine Über-forderung der Kinder dar (z.B. denSchlüsselbund zu finden, den richtigenSchlüssel herauszusuchen und die Türaufzuschließen). Solche komplexerenAufgaben zu lösen, kann man gezieltfördern.

Schlusswort

Wir wollen versuchen, das Motivations-Verhalten bei Menschen mit Down-Syn-drom zu verbessern, dabei die positivenAspekte des Profils (soziale Motivation)zu behalten und die negativen Aspektezu verringern (z.B. Ausblend-Verhal-ten).

Auch wenn wir zurzeit noch am An-fang unserer Arbeit stehen und wir die-se Vorgehensweise als Hypothese an-nehmen, weisen doch erste Erfolge dar-auf hin, dass dieser Weg effektiv ist.

Kleinen Kindern mit Down-Syndromzu helfen, ihre eigenen Fähigkeiten zuerkennen, um effektive Strategien zurProblemlösung zu entwickeln, wird ganzallgemein ihre akademischen Fähigkei-ten verbessern, ihre Selbstständigkeitfördern und insgesamt auch positiveFolgen für ihr späteres Leben als Er-wachsene haben.

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 45

E R W A C H S E N E

herauszufinden, welche Fertigkeitenunterrichtet werden müssen, haben wirversucht, auf die folgenden Fragen eineAntwort zu finden: „Welche Kompeten-zen sind auf jeden Fall notwendig, umalleine außerhalb des Hauses zurecht-zukommen?“, und außerdem: „Was brau-che ich für mein tägliches Leben, für dieArbeit, für die Freizeit?“

Daraus entsprang eine Liste mit Fä-higkeiten, die man in fünf Bereiche, dieZiele dieses Erziehungsplans, untertei-len kann:

Kommunikation: Fragen stellen kön-nen, die eigenen Daten nennen können,öffentliche Telefone benutzen können ...

Orientierung: Lesen und Befolgen vonStraßenschildern, sich an bestimmtenGebäuden orientieren können, die Hal-testellen von Bus, U-Bahn und Taxi fin-den …

Verhalten im Straßenverkehr: Über-queren von Straßen, Ampeln …

Der Umgang mit Geld: Geldscheine,Münzen und den Wert des Geldes ken-nen lernen, bezahlen können, Rückgeldzählen …

Nutzung von Dienstleistungen: dasrichtige Geschäft bzw. die richtige Be-hörde aufsuchen, sich zurechtfinden inRestaurants und Cafés, im Kino, beimKegeln, in Postämtern, in öffentlichenVerkehrsmitteln …

Organisation des Kurses

Die Kurse finden am Nachmittag statt,die Treffen dauern jeweils ungefähr dreiStunden. Die Jugendlichen treffen sicheinmal wöchentlich. Die Gruppe bestehtaus acht bis zehn Jugendlichen mit Down-Syndrom und drei bis vier Assis-tenten. Nach einer gemeinsamen Rundeteilen sie sich in Zweier- oder Dreier-Gruppen plus einem Helfer und einemFreiwilligen oder Zivi, die alle für APIDarbeiten, auf. Die mit den Jugendlichenbesprochenen Aktivitäten stammen ausden oben genannten fünf Bereichen undwerden meistens innerhalb der Klein-gruppe realisiert.

Aber Selbstständigkeit bedeutetmehr, als nur einige neue Sachkennt-nisse zu erwerben. Auch das Gefühl zuhaben, richtig erwachsen zu sein, vomStatus eines Kindes zu dem eines Er-wachsenen zu wechseln und als er-wachsener Mensch behandelt zu wer-den, ist wichtig. Die Jugendlichen müs-sen neue „erwachsene“ Verhaltenswei-sen lernen und lernen, Schwierigkeiten,die unvermeidbar auftreten werden, zumeistern.

Das Lernambiente muss positiv undanregend sein und der Realität entspre-chen, damit die Jugendlichen sich mitihrer neuen Rolle als Erwachsene iden-tifizieren können.

So entstand der „Klub der Jugendli-chen“. Das positive Klima hilft den Ju-gendlichen bei ihrer Identifikation alsErwachsene, regt die Kommunikationund das Entstehen von Freundschafteninnerhalb der Gruppe an.

Die Arbeitsmethode

Folgende Punkte sind bei der Umset-zung des Kursprogramms wichtig.

Das Üben in der konkreten SituationWir sehen die eigene Motivation der Ju-gendlichen als besten Motor, die Ziele zuerreichen, und üben daher ausschließ-lich in konkreten Situationen. Das heißtzum Beispiel, das notwendige Geld di-rekt beim Imbissstand abzuzählen, umden Hamburger kaufen zu können, dasTelefon zu benutzen, um einen abwe-senden Freund anzurufen, einen Ort mitjemandem auszumachen, an dem mansich tatsächlich nachmittags trifft, etc.

Dies steht im deutlichen Kontrastzum Lernen durch sture, sich wieder-holende Übungen, fern der Realität, wiees manchmal in der Schule passiert. Wo-bei oft auch noch davon ausgegangenwird, dass eine Person mit geistiger Be-hinderung leichter auf die mechanischeWeise und nur durch Wiederholunglernt.

Aber es ist gerade die realistische Si-tuation und nicht eine erfundene, diemotiviert. Die Jugendlichen reagierenäußerst sensibel, wenn man sie nichtfür voll nimmt. Keiner von ihnen wirdfreiwillig zum Milchkaufen gehen, wennnoch genug Milch im Kühlschrank istoder wenn sie wissen, dass die Mutter

Selbst einkaufen gehen

zu können, ist ein

wichtiger Schritt in

Richtung Selbststän-

digkeit.

Wenn man dann auch

noch selbst bestimmen

kann und darf, was

man heute essen will,

umso besser.

Es schadet bestimmt nicht,

wenn man weiß, wie man mit

einem Rasenmäher umgeht

ERWACHSENE

48Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

„Ich mag meine Selbstständigkeit“

Noel Thompson ist ganz begeistert vonseinem neuen Leben an der Universitätim US-Bundesstaat Maine. Er studiertMarktwirtschaft mit dem SchwerpunktUnternehmensführung und hat ein be-zahltes Praktikum in einer örtlichenBank, wo er Büroarbeit und Werbungmacht. Er beteiligt sich eifrig in einemWohltätigkeitsverein auf dem Campus,der ein Sommer-Camp-Hospiz für tod-kranke Kinder organisiert. Er genießtdie Freundschaften, die er am Collegegefunden hat, und die gelegentlichenHeimwehattacken sind halb so schlimm,sie werden durch das gute Gefühl überseine neue Selbstständigkeit wettge-macht.

Das „Strive“(Streber)-Programm

Seine Einstellung würde jedem Studen-ten Ehre machen – aber Mr.Thompsonist nicht ein x-beliebiger Student: Er hatDown-Syndrom, er ist geistig behindert.Er hat die Aufnahme am College ge-schafft durch seine eigenen Anstren-gungen und mit der Hilfe von Strive Uni-versity, einer Organisation, die seit kur-zem ein Zwei-Jahres-Programm für Stu-denten mit geistigen Behinderungen anUniversitäten und Colleges anbietet(Strive bedeutet „Streber“).

Mr. Thompson sagt, dass das Pro-gramm ihm das Selbstbewusstsein ge-geben hat zu überlegen, ob er später indie Werbung geht oder eventuell Disk-jockey wird. Bis dahin hört er sich eini-ge sehr interessante Vorlesungen an.„Ich möchte gern auch Physik studieren“,sagt er, „das habe ich noch nie gehabt.“

Mr. Thompson ist 24 Jahre alt. Er isteiner von sechs jungen Leuten mit Down-Syndrom, die im vergangenen

Herbst in dem Strive-Programm einge-schrieben wurden. Dieses Programmwurde an der Universität von SouthernMaine begonnen, es läuft über eine ge-meinnützige Organisation und richtetsich an junge Leute mit Behinderungen.

Das Programm ist Teil einer neuenBewegung, an der sich ca. 50 Collegesund Universitäten beteiligen, die weite-re Bildungsmöglichkeiten für Schülermit geistiger Behinderung nach Ab-schluss der High School schaffen wollen.Es ist eine Antwort auf die wachsendeNachfrage und trotz der relativ hohenKosten und obwohl diese neue Aufgabenicht zu den traditionellen Aufgabenvon Hochschulen gehört, werden lau-fend weitere Möglichkeiten geschaffen.

Zusammenarbeit mit der NDDS

Die NDSS (National Down Syndrome So-ciety) arbeitet mit öffentlichen und pri-vaten Colleges in New Jersey zusam-men, um ein Modell herauszuarbeiten,das Bildungsmaßnahmen anbietet für18- bis 25-Jährige mit geistigen Behin-derungen. „Es gibt großes Interesse anunserem Programm“, betont die Direk-torin. „Es reflektiert den enormen An-stieg der Erwartungen, die Eltern vongeistig behinderten Kindern haben. Ichglaube, es spiegelt den gesamten Fort-schritt in der Erziehung dieser Kinderwider.“

Kritiker und Befürworter

Kritiker des Programms stellen in Fra-ge, ob Menschen mit geistiger Behinde-rung überhaupt ein Diplom erwerbenkönnen, trotz der intensiven Unterstüt-zung, die diese Studenten erfahren, undtrotz der zusätzlichen mühevollen Jah-re, die oft benötigt werden. Viele Ver-

antwortliche an den Universitäten wei-gern sich, ihre Angebote und Kurse zumodifizieren und den Bedürfnissen vongeistig Behinderten in irgendeiner Wei-se anzupassen.

Befürworter des Programms räu-men ein, dass Menschen mit geistigenBehinderungen ihre Grenzen haben.Aber da Colleges und Universitäten so-wieso einen großen Anteil an Studentenhaben, die völlig unrealistische akade-mische Vorstellungen oder Karrierean-sprüche haben, sagen sie, dass es nurlogisch sei, dass man auch Menschenmit geistiger Behinderung selber ihreGrenzen erfahren lassen sollte und nichtvon vornherein verhindern soll, dass siees überhaupt versuchen.

„Menschen mit geistiger Behinde-rung wollen mehr als das, was bislangerreichbar war“, sagt Stephanie SmithLee, Direktorin im Bildungsministeriumfür Sonderpädagogik, die selber eineTochter mit Down-Syndrom hat. „Siehaben größere Träume als früher.“

Kein Leben in Armut

Nur ein sehr kleiner Prozentsatz von Er-wachsenen mit geistiger Behinderunghat bis jetzt Zugang zu Colleges oderUniversitäten. Für die meisten endet dasöffentliche Bildungssystem mit 21,wenn die normale integrative HighSchool beendet ist. Die Arbeitsauswahlist begrenzt; Behinderten-Werkstättenoder niedrig bezahlte ungelernte Arbei-ten als Raumpfleger, Gärtner oder in derFast-Food-Industrie schränken die be-ruflichen Möglichkeiten stark ein undverurteilen diese Menschen zu einemLeben in Armut.

Viele Eltern machen sich ernste Sor-gen über die Zukunft ihrer Kinder. Sie

Studenten mit Down-Syndrom an amerikanischen Colleges und UniversitätenPeter Schmidt

Übersetzung: Gundula Meyer-Eppler

Dass junge Menschen mit Down-Syndrom in den USA ganz regulär dieHigh School besuchen, ist uns allen schon lange bekannt. Aber nun gibt es auch die ersten Studenten mit Down-Syndrom an den Universitäten. Wie funktioniert das und kann das überhaupt funktionieren?

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PSYCHOLOGIE

26Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Menschen mit Down-Syndrom wer-den Persönlichkeiten zugeordnet,

die durch eine geistige Behinderungcharakterisiert sind. Diese Behinderungorientiert sich vor allem am Intelligenz-quotienten (IQ), erkennbar am histori-schen Synonym der „mongoloiden Idio-tie“ für Down-Syndrom. Idiotie beziehtsich hierbei auf einen IQ unter 25 mitdefinitionsgemäß völliger Bildungsun-fähigkeit, wobei die schweren Fälle we-der sprechen, gehen noch selbstständigessen und sich sauber halten können.

Vorsichtige und einfühlsame Versuche,auf die Chromosomenstörung hinwei-sende Verdachtssymptome mit Down-Syndrom zu beschreiben, scheitern auchheute noch oft an der Unkenntnis überdiesen Begriff. Es ist deswegen oft not-wendig, mit dem veralteten und unzu-treffenden Namen „mongoloid“ oder

„Mongolismus“ den Eltern die Art derBehinderung ihres Kindes anzudeuten.Dies jedoch oft mit katastrophalen Fol-gen: Glauben doch viele Betroffene ausfrüheren Erfahrungen zu wissen bzw.zu erahnen, welch düstere Gegebenhei-ten nun auf sie zukommen werden.

Ein Blick in Lexika bzw. Schulbücherreicht meist aus. Der Begriff „mongolo-id“ steht für Schwachsinn, „mongoloideIdiotie“ für Personen, die weder selbst-ständig essen und trinken, geschweigedenn mit der Umwelt kommunizierenoder gar lesen und schreiben lernenkönnen. Nach den Vorstellungen vielerLaien, aber auch bei Ärzten, scheint diesnoch Realität zu sein.

Historische Etikettierung negativ

Es ist die historische Etikettierung die-ser Kinder als „mongoloid“, die in derVergangenheit zu ausschließlich negati-ven Auswirkungen in unter anderem so-zialer, emotionaler und kognitiver Hin-sicht geführt hat. Diese negative Etiket-tierung war ein äußerst wirksamer „Mo-tor“ für die Entstehung gleichförmigerAnschauungen und Reaktionen, die sichWege in der Familie und Gesellschaftgebahnt haben, um so letztlich zur Aus-sonderung und Isolierung zu führen.

Dieses einmal entstandene Etikettdiente als Orientierungshilfe, aus der dieGesellschaft ihre Verhaltensweisen,Vorstellungen und Erwartungen diesernicht integrierten Gruppe gegenüber re-

krutierte. Wenn Kinder mit einem Down-Syndrom geboren werden und späterim Kindergarten oder in der Schule wei-teren Eingang in die Gesellschaft findenwollen, werden sie von einer Umwelt,die diese negative Etikettierung über-nommen hat, in einer Art und Weise be-handelt, dass sie den vorgegebenen Sta-tus, den ihnen die Gesellschaft auferlegthat, akzeptieren müssen.

Ein völlig anderes Bild heute – abertrotzdem ...

Vergleicht man die Entwicklungsmög-lichkeiten von Kindern mit Down-Syn-drom aus der Zeit vor über 20 bis 25Jahren mit denen aus der heutigen Zeit,so sind deutliche Unterschiede nicht zuübersehen, sodass der Begriff einer„mongoloiden Idiotie“ keineswegs mehraufrechterhalten werden kann. DieGrenzen der Entwicklungsmöglichkei-ten sind zum gegenwärtigen Zeitpunktnoch nicht absehbar. Fähigkeiten, diez.B. vor 15 bis 20 Jahren noch als illu-sorisch angesehen wurden (z.B. Lesen,Schreiben), gelten heute zum Teil alsselbstverständlich. Neue und Erfolg ver-sprechende Arbeitsbereiche werden inAngriff genommen.

Trotzdem werden auch heute nochKinder mit einer vermeintlichen geisti-gen Behinderung anlässlich eines Schul-aufnahmeverfahrens anhand des getes-teten Intelligenzquotienten beurteilt, obsie als lernbehindert (IQ > 70) oder geis-tig behindert (IQ < 70) eingestuft wer-den. Dies hat nicht selten zur Konse-quenz, dass immer noch uneinsichtigeSchulleiter bzw. Schulräte meinen, Kin-der mit einem IQ < 70 keiner lernbehin-derten oder vor allem integrativenSchulklasse zumuten zu können.

Gelten also Kinder mit Down-Syn-drom trotz der erreichten Fortschritte insozialer und kognitiver Hinsicht auchweiterhin als unintelligent oder beruhtdie Beurteilung mittels der Bestimmungdes Intelligenzquotienten auf falschenVoraussetzungen?

Was ist Intelligenz?

Eine kurze Beschreibung des BegriffesIntelligenz definiert sie als „die Fähig-keit, zielgerichtet zu handeln, rationalzu denken und sich wirkungsvoll mitseiner Umwelt auseinander zu setzen“.Hierbei unterscheidet man Vorbedin-gungen, z.B. Lernfähigkeit und Ge-dächtnis, ferner den Kenntnisstand,

Sind Menschen mit Down-Syndrom intelligent? Wolfgang Storm

Unter Berücksichtigung der Theorie der multiplen Intel-ligenzen kann die Frage, ob Menschen mit Down-Syndromintelligent sind, mit „Ja“ beantwortet werden. Betrachtet man unter anderem die Subintelligenzen deremotionalen, musikalischen und körperlich-kinästheti-schen Intelligenzen, so zeichnen sich viele Menschen mit Down-Syndrom gerade durch diese Fähigkeiten aus,die es im Kindergarten, in der Schule, aber auch im spä-teren Leben in der Berufswelt zu entdecken, zu fördernund einzusetzen gilt.

Welche Vorstellungenwerden bei den Elterngeweckt, wenn sie nachder Geburt darüber auf-geklärt werden, nun einKind mit Down-Syndromin ihrer Mitte zu haben?

P S Y C H O L O G I E

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 27

mittels dem verschiedene Probleme je-weils zu lösen sind, sowie die eigentlicheIntelligenz mit mehreren Teilleistungenwie Verständnis, Denken und Lösungs-produktion. Es ist daher augenfällig,dass Intelligenz nicht eine einzelne spe-zifische Funktion ist, sondern eine viel-fältige und flexible Eigenschaft desmenschlichen Verhaltens bezeichnet,die in die funktionelle Sphäre der so ge-nannten höheren menschlichen Hirnleis-tungen eingebettet ist. Diese umfassen,die bewussten Aktivitäten der gegen-ständlichen Wahrnehmung, des Ler-nens, des Gedächtnisses, des Denkens,der Vorstellungskraft, der Sprache, desPlanens, zielvollen Wollens und Han-delns.

Intelligenz messen

Schon lange gibt es Bemühungen, die„geistigen“ Unterschiede zwischen bio-logischen Arten (z.B. Hund, Schimpan-se, Mensch), aber auch zwischen be-stimmten Gruppen der Spezies Mensch,wie Säuglingen, Kindern, Erwachsenenoder den „Schwachsinnigen“ und den„Genies“, zu erforschen. Dies gipfelte zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Ent-wicklung von Verfahren, „Intelligenz“zu messen. Als Maßeinheit wurde dabeider Begriff des Intelligenzquotienten (IQ)entwickelt, der Zahl für das Verhältnisdes geistigen Entwicklungsstandes zumLebensalter, die mit 100 zu multiplizie-ren ist:

Das Intelligenzalter wurde definiert alsjene Höhe der geistigen Leistungsfähig-keit, die ein normales Kind von durch-schnittlicher Begabung in einem be-stimmten Lebensalter hat. So bekommtein Mädchen ein IA von acht Jahren,wenn seine Denkleistungen (gemessenmit einem Intelligenztest) den Leistun-gen anderer achtjähriger Mädchen mitnormaler Begabung entsprechen. Er-zielt eine Zehnjährige z.B. nur das glei-che Resultat, so muss man ihr IA ent-sprechend niedriger ansetzen.

Bei den Intelligenztests liegt bis heu-te eine starke Gewichtung auf Wortge-dächtnis, sprachlichem, numerischem

und logischem Denken sowie der Fähig-keit, Alltagsprobleme zu lösen.

Intelligenztests gelten als techni-sches Mittel zur Auslese von Personenfür schulische, akademische oder beruf-liche Nischen. „Intelligenz ist das, wasder Intelligenztest misst“ ist ein Slogan,der als extremer Standpunkt in diesemZusammenhang gerne zitiert wird.

Gefahren der IntelligenztestsDoch schon die ersten Intelligenztestsfanden ihre Kritiker. So wurden dieOberflächlichkeit der Fragen und derenkulturelle Einseitigkeit kritisiert und aufdie Risiken hingewiesen, die eine Beur-teilung des geistigen Potenzials einesMenschen mit der Methode eines einzi-gen, kurzen Tests in mündlicher oderschriftlicher Form mit sich bringenkönnte. Es wurde z.B. festgestellt, dassdie Fähigkeit, sinnvoll mit neuen Infor-mationen umzugehen oder sie an ver-schiedene Kontexte anzupassen, kei-neswegs mit Erfolgen bei der Lösungvon Problemen im traditionellen IQ-Testzusammenfällt. Dieses Resultat kannkaum überraschen, wenn man erlebthat, wie Personen mit hohem IQ insSchleudern geraten, sobald sie sichaußerhalb des schulischen Milieus be-währen müssen.

Die Etikettierung von Menschennach ihrem Intelligenzquotienten kannstimulieren, ebenso aber auch einen-gend wirken. Die Einstufung als „geistigbehindert“ mit einem IQ < 70 wird leichtdamit gleich gesetzt, dass diese Indivi-duen nur auf eine ganz bestimmte Artlernen und arbeiten könnten, eine Cha-rakterisierung, die so gut wie nie zu-trifft. Derartige Etikettierungen könnenBemühungen erschweren, für unter-schiedliche Menschen die besten Lern-bedingungen zu schaffen.

Es ist wichtig, sich klar zu machen,dass der Begriff „geistig behindert“ Kin-der und Erwachsene mit ganz unter-schiedlichen Fähigkeiten beschreibt. Ei-nige behinderte Menschen können einnormales Leben fast ohne fremde Hilfeführen, andere dagegen brauchen eingroßes Maß an Fürsorge. Beides istmeist nicht am IQ ablesbar.

Die Idee der multiplen Intelligenzen

Dem Konzept der Intelligenz, das lin-guistische, logisch-mathematische undräumliche Fähigkeiten als die eigentli-chen Bereiche der Intelligenz annimmt

(= Themen der meisten üblichen Intelli-genztests), sind durch die Idee der mul-tiplen Intelligenzen durch den amerika-nischen Psychologen Howard Gardnerneue Dimensionen hinzugefügt worden.

Bei der traditionellen Einengung desIntelligenzbegriffs auf das sprachlicheund logische Vermögen war außer Achtgeblieben, dass wir auch andere, sehrunterschiedliche Elemente wie die In-halte von Raum, Musik oder die Inhalteder eigenen und der Psyche andererMenschen verarbeiten können. SeinenUmfang wie ein Elastikband erweiternd,muss der Begriff Intelligenz diese ver-schiedenen Inhalte einbeziehen. Wirmüssen über die Problemlösungsfähig-keit hinausdenken und uns mehr auf dieFähigkeit des Menschen zur Gestaltungvon Produkten konzentrieren, die eineoder mehrere Intelligenzen nutzt.

Gardner nennt als Intelligenzen die linguistische: Sensibilität für die

gesprochene und die geschriebeneSprache, die Fähigkeit, Sprachen zu ler-nen, und die Fähigkeit, Sprache zu be-stimmten Zwecken zu gebrauchen,

die logisch-mathematische: Fähigkeit,Probleme logisch zu analysieren, ma-thematische Operationen durchzu-führen und wissenschaftliche Fragen zuuntersuchen,

die musikalische: Begabung zu musi-zieren, zum Komponieren und Sinn fürdie musikalischen Prinzipien,

die räumliche: der theoretische undpraktische Sinn einerseits für die Struk-turen großer Räume, andererseits aberauch für das Erfassen der engen, be-grenzten Raumfelder,

die körperlich-kinästhetische: Potenzi-al, den Körper und einzelne Körperteile(z.B. Hand oder Mund) zur Problemlö-sung oder zur Gestaltung von Produkteneinzusetzen,

die interpersonale: Fähigkeit, Absich-ten, Motive und Wünsche anderer Men-schen zu verstehen und dementspre-chend in der Lage zu sein, erfolgreichmit ihnen zu kooperieren,

die intrapersonale: Fähigkeit, sichselbst zu verstehen, ein lebensgerechtesBild der eigenen Persönlichkeit – mit-

Intelligenzalter (IA)IQ = _______________ x 100

Lebensalter

ERWACHSENE

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200547

den Mitarbeitern und durch die genaueBeobachtung, mit welchen Schwierig-keiten die Kursteilnehmer zu kämpfenhaben und wie Fortschritte erzielt wer-den, können die Kurse erfolgreich sein.

Die Begleiter (ausschließlich jungeLeute, um ein möglichst effektives Zu-sammenarbeiten mit den Jugendlichenund ein gutes Klima zu garantieren),werden durch freiwillige Jugendlicheunterstützt, durch deren Mitarbeit dieArbeitsgruppen eine ideale Besetzungbekommen. Diese Freiwilligen unter-stützen den Begleiter und schließen soauch das Risiko aus, dass die Jugendli-chen zu viel vom Begleiter abhängigwerden.

Während des Jahres werden die El-tern regelmäßig an gemeinsamen El-ternabenden über die Erfahrungen mitden Jugendlichen informiert. Zusätzlichtreffen sie sich mit den Begleitern in ei-ner kleinen Runde, um Genaueres überihre Tochter oder ihren Sohn zu erfah-ren. Auch die Erfahrungen, die die El-tern zu Hause mit den Jugendlichen ma-chen, können ausgetauscht werden. Beidiesen Gesprächen bekommen die El-tern Anregungen, wie sie die Entwick-lung der Selbstständigkeit ihrer Kinderweiter unterstützen können, und eswird ihnen Mut gemacht, ihren Kindernmehr Freiraum zu gewähren.

Wir sehen es als unsere Aufgabe an,durch unser Kursangebot Familien beimschwierigen Ablöseprozess zu unter-stützen und Jugendliche zu ermutigenund so kompetent zu machen, dass sieein weitgehendes selbstständiges Lebenführen können.

Rif. Bibliografici: Anna Contardi „Versol’autonomia“ ed Carocci 2004

“Ragazzi in gamba” video prodotto dall’ AIPD/anche il portafoglio e stato brevettato e viene

prodotto dall’ AIPD)

Menschen mit geistiger Behinderungim Alltag unterstützen

Beide hier vorgestellten Bücher richten sich zwar in erster Linie an Mitarbeiter der Behindertenhilfe undzukünftige Gruppenleiter. Aber auch für Familienan-gehörige der Bewohner und andere Betroffene könnendie Informationen hilfreich sein.

Anleitung zur Selbstständigkeit

Autoren:Marja Appel und Willem KleineSchaarsVerlag: Lebenshilfe VerlagISBN 3-407-55830-9

Das Buch zeigt, wie Menschen mitgeistiger Behinderung aus Abhän-

gigkeit und Dauerversorgung in Wohn-stätten zu mehr Eigenverantwortungund Selbstständigkeit geführt werdenkönnen.

Es beschreibt ein Konzept aus denNiederlanden, dessen zentrale Katego-rien Gleichberechtigung, Selbstbestim-mung und Selbstverantwortung heißen.Um diese Ziele zu erreichen, entwickelndie Autoren ihre Betreuungsmethodikunabhängig vom Grad der Behinde-rung: richtiges Zuhören, angemesseneSprache, Aufstellen und Verändern vonRegeln, Mitbestimmung und Gleichbe-rechtigung der Bewohner.

An Fall- und Lehrbeispielen sowie il-lustrierten Arbeitsbögen für den Alltagwird dies vertieft. Das Buch ist eine guteErgänzung zu „Herausforderndes Ver-halten von Menschen mit geistiger Be-hinderung“ vom Jacques Heijkoop.

Durch Gleichberechtigung zurSelbstbestimmung

Autor: Willem Kleine SchaarsVerlag: BeltzISBN 3-407-55990-9

Was ist zu tun, damit sich ein auffremde Hilfe angewiesener

Menschzur Selbstständigkeit ent-wickeln kann? Wann ist er überfordert,wann fühlt er sich bevormundet? DiesesBuch ist die Fortsetzung von „Anleitungzur Selbstständigkeit“ und bietet prakti-sche Hilfen.

Der Trend zur Selbstständigkeit hatsich in der Behindertenhilfe weiterent-wickelt, das bestätigen die Entwicklun-gen auf dem Gebiet kleinerer Wohnfor-men und der Dezentralisierung von Ein-richtungen, beim persönlichen Budgetund der neuen Sicht auf die Arbeit be-hinderter Menschen, die sich immerstärker auf den regulären Arbeitsmarktausbreitet.

Die vorgestellte Methodik ist aus ei-ner Vision heraus entstanden, dass dieUnterstützung von Klienten ihrem eige-nen Prozess auf dem Weg zur Selbst-ständigkeit ein wertvolles Gut ist. ImMittelpunkt dieser Methodik steht derKlient.

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46 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

nachher sowieso zum Einkaufen gehtund die Milch selbst mitnehmen kann,(die Familien berichteten über eine ganzeReihe ähnlicher Erfahrungen).

Wenn die Jugendlichen aber als Er-wachsene behandelt werden, mit einbe-zogen werden und das Gefühl haben,wichtig zu sein, werden sie auch moti-viert sein, Aufgaben zu erledigen.

Die aktive Miteinbindung der Jugend-lichen bei der Wahl der Aktivitäten

Selber auswählen und mitbestim-men zu dürfen, welche Ziele wichtigsind, mit welchen Aktivitäten und inwelchen Situationen sie geübt werdensollten, gibt den Jugendlichen das Ge-fühl, ernst genommen zu werden.

Sie bestimmen alles selbst, nicht nurdie eher nebensächlichen Dinge, wie dieWahl der Vesper, sondern auch wichti-ge Punkte wie das Thema und den Ab-lauf des Wochenend-Projekts oder wiegroß die Arbeitsgruppe sein soll.

Oft erleben diese Jugendlichen näm-lich, dass auch wenn ihnen eine aktiveRolle zugeteilt wird, dies immer in Formvon „Hilfe“ ausgedrückt wird („Hilfst dumir beim Kochen? Hilfst du mir beimEinkaufen?, usw.“) – ein bisschen so wieman es mit kleinen Kindern tut, um siezu aktivieren, aber ohne viel von ihrenFähigkeiten zu halten.

Sie merken das natürlich und sinddeshalb oft wenig hilfsbereit („Warummuss ich das denn machen, wenn du esauch machen kannst und ich gar nichtnotwendig bin?“). Eine Haltung, diemanchmal als Unfähigkeit angesehenwird.

Bei allen Aktivitäten muss der Jugendli-che im Mittelpunkt stehen, jedoch alsselbstständiger, kompetenter Partnerund nicht als ein hilfebedürftiges Kind.

Sich als Erwachsener anerkannt zufühlen, verstärkt die Motivation, weiteran der eigenen Selbstständigkeit zu ar-beiten

Die Art, wie man mit den Jugendli-chen umgeht, wie man mit ihnenspricht, die Aktivitäten, die man für dieNachmittage vorschlägt, sollten alters-gerecht sein (Kino, Diskothek, Bowling,Fast Food, usw.)

Sie als Erwachsene anzuerkennenbedeutet aber auch, dafür zu sorgen,dass Gespräche auf einer realistischenEbene geführt werden und dass man aufunrealistische Berichte oder Fantasie-geschichten nicht weiter eingeht. Mansollte ihnen helfen, sich mit realen Be-gebenheiten zu beschäftigen.

Individuelle Ziele und StrategienAusgehend von den vorhandenen Fä-higkeiten werden jedes Jahr für jedenJugendlichen bestimmte individuelleZiele festgelegt, die ihm auf den Weg indie Selbstständigkeit weiterhelfen. Fürdie Einschätzung der Fähigkeiten ver-wenden die Begleiter speziell entwickel-te Beobachtungsbögen, die mindestenszweimal pro Jahr ausgefüllt werden.Nach den ersten zwei Kursmonaten,werden fünf konkrete Ziele mit dem Ju-gendlichen besprochen und welcheSchritte notwendig sind, diese Ziele zuerreichen, um ihn in diesen Bereichenkompetent zu machen. Die fünf Zielewerden in Form eines fünfeckigenSterns dargestellt und beinhalten z.B.Aufgaben, wie die eigene Gruppe an ir-gendeinen bestimmten Ort zu führen,allein zum Einkaufen zu gehen, usw.

Für jeden Jugendlichen werdenaußerdem individuelle Strategien ent-wickelt, auf Grund vorhandener Fähig-keiten, um ihn autonom zu machen. Sosoll der Jugendliche, der lesen kann,Produkte in Geschäften finden, indemer den Produktnamen liest, wenn er je-doch nicht lesen kann, wird er dazu an-geregt, sich zu merken, wie die Ver-packung des Produktes aussieht, unddie wieder zu erkennen.

Jede zu erlernende Fähigkeit stehtnicht für sich allein, sondern ist einSchritt auf dem Weg zu dem Ziel „es zuschaffen“, „zurechtzukommen“.

Bei der Entwicklung der Aktivitätenmacht man sich auch Gedanken darü-ber, welche Gegenstände verwendetwerden können, um die Ausführung ei-niger Aufgaben zu erleichtern, die alsHilfsmittel fungieren, um bestimmteZiele der angestrebten Autonomie bes-ser zu erreichen.

Zum Beispiel ist es nützlich, vor al-lem für die schüchternen, sprachlichnicht so kompetenten Jugendlichen,Kärtchen dabei zu haben mit Standard-fragen und Bemerkungen, die ihnenbeim Einüben bestimmter Fähigkeitenund beim Sammeln von Informationenbehilflich sein können.

Als sehr geeignet für alle Kursteil-nehmer erwies sich ein spezieller Geld-beutel, in dem das Geld übersichtlich ge-ordnet ist und der in der Handhabe sehrpraktisch ist.

Aus der Praxis mit den Jugendlichenlernen wir dauernd dazu. Um bestimm-te Aufgaben zu erleichtern, schlagen wirz.B. den Gebrauch von ergometrischenMessern und speziellen Scheren voroder empfehlen Messbecher statt einerKüchenwaage oder einen Gasanzünderstatt Streichhölzern.

Mit Ausnahme des Geldbeutels, derextra für die Jugendlichen erfunden undhergestellt wurde, sieht man aus derWahl dieser Hilfsmittel, wie einfach essein kann, durch sorgfältiges Beobach-ten und mit ein bisschen Kreativität ge-eignete Gegenstände, die es schon imHandel gibt, zu finden, die es den Ju-gendlichen erleichtern, trotz ihrerSchwierigkeiten eine gewisse Selbst-ständigkeit zu erreichen.

Das Team und die Eltern

Sowohl in Rom als auch in anderenStädten haben die Begleiter, die mit denJugendlichen zusammenarbeiten, einesozialpädagogische Ausbildung und er-halten dann von dem Verein eine spezi-elle Fortbildung über die Ziele und In-halte des Projektes. Der Koordinatorund Kursleiter ist immer ein Sozial-Pädagoge, manchmal auch ein Psycho-loge. Die Assistenten und der Kursleitertreffen sich regelmäßig einmal wöchent-lich zur Besprechung des Programms,um die Aktivitäten auszuwählen und zuüberlegen, welche Ressourcen genutztwerden können oder wie die eigeneKreativität der Assistenten eingebrachtwerden kann.

Nur durch den ständigen Dialog mit

Auf den Markt zu gehen und ein wenig zu

bummeln, auch das kann man lernen

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26 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Menschen mit Down-Syndrom wer-den Persönlichkeiten zugeordnet,

die durch eine geistige Behinderungcharakterisiert sind. Diese Behinderungorientiert sich vor allem am Intelligenz-quotienten (IQ), erkennbar am histori-schen Synonym der „mongoloiden Idio-tie“ für Down-Syndrom. Idiotie beziehtsich hierbei auf einen IQ unter 25 mitdefinitionsgemäß völliger Bildungsun-fähigkeit, wobei die schweren Fälle we-der sprechen, gehen noch selbstständigessen und sich sauber halten können.

Vorsichtige und einfühlsame Versuche,auf die Chromosomenstörung hinwei-sende Verdachtssymptome mit Down-Syndrom zu beschreiben, scheitern auchheute noch oft an der Unkenntnis überdiesen Begriff. Es ist deswegen oft not-wendig, mit dem veralteten und unzu-treffenden Namen „mongoloid“ oder

„Mongolismus“ den Eltern die Art derBehinderung ihres Kindes anzudeuten.Dies jedoch oft mit katastrophalen Fol-gen: Glauben doch viele Betroffene ausfrüheren Erfahrungen zu wissen bzw.zu erahnen, welch düstere Gegebenhei-ten nun auf sie zukommen werden.

Ein Blick in Lexika bzw. Schulbücherreicht meist aus. Der Begriff „mongolo-id“ steht für Schwachsinn, „mongoloideIdiotie“ für Personen, die weder selbst-ständig essen und trinken, geschweigedenn mit der Umwelt kommunizierenoder gar lesen und schreiben lernenkönnen. Nach den Vorstellungen vielerLaien, aber auch bei Ärzten, scheint diesnoch Realität zu sein.

Historische Etikettierung negativ

Es ist die historische Etikettierung die-ser Kinder als „mongoloid“, die in derVergangenheit zu ausschließlich negati-ven Auswirkungen in unter anderem so-zialer, emotionaler und kognitiver Hin-sicht geführt hat. Diese negative Etiket-tierung war ein äußerst wirksamer „Mo-tor“ für die Entstehung gleichförmigerAnschauungen und Reaktionen, die sichWege in der Familie und Gesellschaftgebahnt haben, um so letztlich zur Aus-sonderung und Isolierung zu führen.

Dieses einmal entstandene Etikettdiente als Orientierungshilfe, aus der dieGesellschaft ihre Verhaltensweisen,Vorstellungen und Erwartungen diesernicht integrierten Gruppe gegenüber re-

krutierte. Wenn Kinder mit einem Down-Syndrom geboren werden und späterim Kindergarten oder in der Schule wei-teren Eingang in die Gesellschaft findenwollen, werden sie von einer Umwelt,die diese negative Etikettierung über-nommen hat, in einer Art und Weise be-handelt, dass sie den vorgegebenen Sta-tus, den ihnen die Gesellschaft auferlegthat, akzeptieren müssen.

Ein völlig anderes Bild heute – abertrotzdem ...

Vergleicht man die Entwicklungsmög-lichkeiten von Kindern mit Down-Syn-drom aus der Zeit vor über 20 bis 25Jahren mit denen aus der heutigen Zeit,so sind deutliche Unterschiede nicht zuübersehen, sodass der Begriff einer„mongoloiden Idiotie“ keineswegs mehraufrechterhalten werden kann. DieGrenzen der Entwicklungsmöglichkei-ten sind zum gegenwärtigen Zeitpunktnoch nicht absehbar. Fähigkeiten, diez.B. vor 15 bis 20 Jahren noch als illu-sorisch angesehen wurden (z.B. Lesen,Schreiben), gelten heute zum Teil alsselbstverständlich. Neue und Erfolg ver-sprechende Arbeitsbereiche werden inAngriff genommen.

Trotzdem werden auch heute nochKinder mit einer vermeintlichen geisti-gen Behinderung anlässlich eines Schul-aufnahmeverfahrens anhand des getes-teten Intelligenzquotienten beurteilt, obsie als lernbehindert (IQ > 70) oder geis-tig behindert (IQ < 70) eingestuft wer-den. Dies hat nicht selten zur Konse-quenz, dass immer noch uneinsichtigeSchulleiter bzw. Schulräte meinen, Kin-der mit einem IQ < 70 keiner lernbehin-derten oder vor allem integrativenSchulklasse zumuten zu können.

Gelten also Kinder mit Down-Syn-drom trotz der erreichten Fortschritte insozialer und kognitiver Hinsicht auchweiterhin als unintelligent oder beruhtdie Beurteilung mittels der Bestimmungdes Intelligenzquotienten auf falschenVoraussetzungen?

Was ist Intelligenz?

Eine kurze Beschreibung des BegriffesIntelligenz definiert sie als „die Fähig-keit, zielgerichtet zu handeln, rationalzu denken und sich wirkungsvoll mitseiner Umwelt auseinander zu setzen“.Hierbei unterscheidet man Vorbedin-gungen, z.B. Lernfähigkeit und Ge-dächtnis, ferner den Kenntnisstand,

Sind Menschen mit Down-Syndrom intelligent? Wolfgang Storm

Unter Berücksichtigung der Theorie der multiplen Intel-ligenzen kann die Frage, ob Menschen mit Down-Syndromintelligent sind, mit „Ja“ beantwortet werden. Betrachtet man unter anderem die Subintelligenzen deremotionalen, musikalischen und körperlich-kinästheti-schen Intelligenzen, so zeichnen sich viele Menschen mit Down-Syndrom gerade durch diese Fähigkeiten aus,die es im Kindergarten, in der Schule, aber auch im spä-teren Leben in der Berufswelt zu entdecken, zu fördernund einzusetzen gilt.

Welche Vorstellungenwerden bei den Elterngeweckt, wenn sie nachder Geburt darüber auf-geklärt werden, nun einKind mit Down-Syndromin ihrer Mitte zu haben?

PSYCHOLOGIE

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200527

mittels dem verschiedene Probleme je-weils zu lösen sind, sowie die eigentlicheIntelligenz mit mehreren Teilleistungenwie Verständnis, Denken und Lösungs-produktion. Es ist daher augenfällig,dass Intelligenz nicht eine einzelne spe-zifische Funktion ist, sondern eine viel-fältige und flexible Eigenschaft desmenschlichen Verhaltens bezeichnet,die in die funktionelle Sphäre der so ge-nannten höheren menschlichen Hirnleis-tungen eingebettet ist. Diese umfassen,die bewussten Aktivitäten der gegen-ständlichen Wahrnehmung, des Ler-nens, des Gedächtnisses, des Denkens,der Vorstellungskraft, der Sprache, desPlanens, zielvollen Wollens und Han-delns.

Intelligenz messen

Schon lange gibt es Bemühungen, die„geistigen“ Unterschiede zwischen bio-logischen Arten (z.B. Hund, Schimpan-se, Mensch), aber auch zwischen be-stimmten Gruppen der Spezies Mensch,wie Säuglingen, Kindern, Erwachsenenoder den „Schwachsinnigen“ und den„Genies“, zu erforschen. Dies gipfelte zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Ent-wicklung von Verfahren, „Intelligenz“zu messen. Als Maßeinheit wurde dabeider Begriff des Intelligenzquotienten (IQ)entwickelt, der Zahl für das Verhältnisdes geistigen Entwicklungsstandes zumLebensalter, die mit 100 zu multiplizie-ren ist:

Das Intelligenzalter wurde definiert alsjene Höhe der geistigen Leistungsfähig-keit, die ein normales Kind von durch-schnittlicher Begabung in einem be-stimmten Lebensalter hat. So bekommtein Mädchen ein IA von acht Jahren,wenn seine Denkleistungen (gemessenmit einem Intelligenztest) den Leistun-gen anderer achtjähriger Mädchen mitnormaler Begabung entsprechen. Er-zielt eine Zehnjährige z.B. nur das glei-che Resultat, so muss man ihr IA ent-sprechend niedriger ansetzen.

Bei den Intelligenztests liegt bis heu-te eine starke Gewichtung auf Wortge-dächtnis, sprachlichem, numerischem

und logischem Denken sowie der Fähig-keit, Alltagsprobleme zu lösen.

Intelligenztests gelten als techni-sches Mittel zur Auslese von Personenfür schulische, akademische oder beruf-liche Nischen. „Intelligenz ist das, wasder Intelligenztest misst“ ist ein Slogan,der als extremer Standpunkt in diesemZusammenhang gerne zitiert wird.

Gefahren der IntelligenztestsDoch schon die ersten Intelligenztestsfanden ihre Kritiker. So wurden dieOberflächlichkeit der Fragen und derenkulturelle Einseitigkeit kritisiert und aufdie Risiken hingewiesen, die eine Beur-teilung des geistigen Potenzials einesMenschen mit der Methode eines einzi-gen, kurzen Tests in mündlicher oderschriftlicher Form mit sich bringenkönnte. Es wurde z.B. festgestellt, dassdie Fähigkeit, sinnvoll mit neuen Infor-mationen umzugehen oder sie an ver-schiedene Kontexte anzupassen, kei-neswegs mit Erfolgen bei der Lösungvon Problemen im traditionellen IQ-Testzusammenfällt. Dieses Resultat kannkaum überraschen, wenn man erlebthat, wie Personen mit hohem IQ insSchleudern geraten, sobald sie sichaußerhalb des schulischen Milieus be-währen müssen.

Die Etikettierung von Menschennach ihrem Intelligenzquotienten kannstimulieren, ebenso aber auch einen-gend wirken. Die Einstufung als „geistigbehindert“ mit einem IQ < 70 wird leichtdamit gleich gesetzt, dass diese Indivi-duen nur auf eine ganz bestimmte Artlernen und arbeiten könnten, eine Cha-rakterisierung, die so gut wie nie zu-trifft. Derartige Etikettierungen könnenBemühungen erschweren, für unter-schiedliche Menschen die besten Lern-bedingungen zu schaffen.

Es ist wichtig, sich klar zu machen,dass der Begriff „geistig behindert“ Kin-der und Erwachsene mit ganz unter-schiedlichen Fähigkeiten beschreibt. Ei-nige behinderte Menschen können einnormales Leben fast ohne fremde Hilfeführen, andere dagegen brauchen eingroßes Maß an Fürsorge. Beides istmeist nicht am IQ ablesbar.

Die Idee der multiplen Intelligenzen

Dem Konzept der Intelligenz, das lin-guistische, logisch-mathematische undräumliche Fähigkeiten als die eigentli-chen Bereiche der Intelligenz annimmt

(= Themen der meisten üblichen Intelli-genztests), sind durch die Idee der mul-tiplen Intelligenzen durch den amerika-nischen Psychologen Howard Gardnerneue Dimensionen hinzugefügt worden.

Bei der traditionellen Einengung desIntelligenzbegriffs auf das sprachlicheund logische Vermögen war außer Achtgeblieben, dass wir auch andere, sehrunterschiedliche Elemente wie die In-halte von Raum, Musik oder die Inhalteder eigenen und der Psyche andererMenschen verarbeiten können. SeinenUmfang wie ein Elastikband erweiternd,muss der Begriff Intelligenz diese ver-schiedenen Inhalte einbeziehen. Wirmüssen über die Problemlösungsfähig-keit hinausdenken und uns mehr auf dieFähigkeit des Menschen zur Gestaltungvon Produkten konzentrieren, die eineoder mehrere Intelligenzen nutzt.

Gardner nennt als Intelligenzen die linguistische: Sensibilität für die

gesprochene und die geschriebeneSprache, die Fähigkeit, Sprachen zu ler-nen, und die Fähigkeit, Sprache zu be-stimmten Zwecken zu gebrauchen,

die logisch-mathematische: Fähigkeit,Probleme logisch zu analysieren, ma-thematische Operationen durchzu-führen und wissenschaftliche Fragen zuuntersuchen,

die musikalische: Begabung zu musi-zieren, zum Komponieren und Sinn fürdie musikalischen Prinzipien,

die räumliche: der theoretische undpraktische Sinn einerseits für die Struk-turen großer Räume, andererseits aberauch für das Erfassen der engen, be-grenzten Raumfelder,

die körperlich-kinästhetische: Potenzi-al, den Körper und einzelne Körperteile(z.B. Hand oder Mund) zur Problemlö-sung oder zur Gestaltung von Produkteneinzusetzen,

die interpersonale: Fähigkeit, Absich-ten, Motive und Wünsche anderer Men-schen zu verstehen und dementspre-chend in der Lage zu sein, erfolgreichmit ihnen zu kooperieren,

die intrapersonale: Fähigkeit, sichselbst zu verstehen, ein lebensgerechtesBild der eigenen Persönlichkeit – mit-

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 47

den Mitarbeitern und durch die genaueBeobachtung, mit welchen Schwierig-keiten die Kursteilnehmer zu kämpfenhaben und wie Fortschritte erzielt wer-den, können die Kurse erfolgreich sein.

Die Begleiter (ausschließlich jungeLeute, um ein möglichst effektives Zu-sammenarbeiten mit den Jugendlichenund ein gutes Klima zu garantieren),werden durch freiwillige Jugendlicheunterstützt, durch deren Mitarbeit dieArbeitsgruppen eine ideale Besetzungbekommen. Diese Freiwilligen unter-stützen den Begleiter und schließen soauch das Risiko aus, dass die Jugendli-chen zu viel vom Begleiter abhängigwerden.

Während des Jahres werden die El-tern regelmäßig an gemeinsamen El-ternabenden über die Erfahrungen mitden Jugendlichen informiert. Zusätzlichtreffen sie sich mit den Begleitern in ei-ner kleinen Runde, um Genaueres überihre Tochter oder ihren Sohn zu erfah-ren. Auch die Erfahrungen, die die El-tern zu Hause mit den Jugendlichen ma-chen, können ausgetauscht werden. Beidiesen Gesprächen bekommen die El-tern Anregungen, wie sie die Entwick-lung der Selbstständigkeit ihrer Kinderweiter unterstützen können, und eswird ihnen Mut gemacht, ihren Kindernmehr Freiraum zu gewähren.

Wir sehen es als unsere Aufgabe an,durch unser Kursangebot Familien beimschwierigen Ablöseprozess zu unter-stützen und Jugendliche zu ermutigenund so kompetent zu machen, dass sieein weitgehendes selbstständiges Lebenführen können.

Rif. Bibliografici: Anna Contardi „Versol’autonomia“ ed Carocci 2004

“Ragazzi in gamba” video prodotto dall’ AIPD/anche il portafoglio e stato brevettato e viene

prodotto dall’ AIPD)

Menschen mit geistiger Behinderungim Alltag unterstützen

Beide hier vorgestellten Bücher richten sich zwar in erster Linie an Mitarbeiter der Behindertenhilfe undzukünftige Gruppenleiter. Aber auch für Familienan-gehörige der Bewohner und andere Betroffene könnendie Informationen hilfreich sein.

Anleitung zur Selbstständigkeit

Autoren: Marja Appel und Willem KleineSchaarsVerlag: Lebenshilfe VerlagISBN 3-407-55830-9

Das Buch zeigt, wie Menschen mitgeistiger Behinderung aus Abhän-

gigkeit und Dauerversorgung in Wohn-stätten zu mehr Eigenverantwortungund Selbstständigkeit geführt werdenkönnen.

Es beschreibt ein Konzept aus denNiederlanden, dessen zentrale Katego-rien Gleichberechtigung, Selbstbestim-mung und Selbstverantwortung heißen.Um diese Ziele zu erreichen, entwickelndie Autoren ihre Betreuungsmethodikunabhängig vom Grad der Behinde-rung: richtiges Zuhören, angemesseneSprache, Aufstellen und Verändern vonRegeln, Mitbestimmung und Gleichbe-rechtigung der Bewohner.

An Fall- und Lehrbeispielen sowie il-lustrierten Arbeitsbögen für den Alltagwird dies vertieft. Das Buch ist eine guteErgänzung zu „Herausforderndes Ver-halten von Menschen mit geistiger Be-hinderung“ vom Jacques Heijkoop.

Durch Gleichberechtigung zurSelbstbestimmung

Autor: Willem Kleine SchaarsVerlag: BeltzISBN 3-407-55990-9

Was ist zu tun, damit sich ein auffremde Hilfe angewiesener

Mensch zur Selbstständigkeit ent-wickeln kann? Wann ist er überfordert,wann fühlt er sich bevormundet? DiesesBuch ist die Fortsetzung von „Anleitungzur Selbstständigkeit“ und bietet prakti-sche Hilfen.

Der Trend zur Selbstständigkeit hatsich in der Behindertenhilfe weiterent-wickelt, das bestätigen die Entwicklun-gen auf dem Gebiet kleinerer Wohnfor-men und der Dezentralisierung von Ein-richtungen, beim persönlichen Budgetund der neuen Sicht auf die Arbeit be-hinderter Menschen, die sich immerstärker auf den regulären Arbeitsmarktausbreitet.

Die vorgestellte Methodik ist aus ei-ner Vision heraus entstanden, dass dieUnterstützung von Klienten ihrem eige-nen Prozess auf dem Weg zur Selbst-ständigkeit ein wertvolles Gut ist. ImMittelpunkt dieser Methodik steht derKlient.

ERWACHSENE

46Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

nachher sowieso zum Einkaufen gehtund die Milch selbst mitnehmen kann,(die Familien berichteten über eine ganzeReihe ähnlicher Erfahrungen).

Wenn die Jugendlichen aber als Er-wachsene behandelt werden, mit einbe-zogen werden und das Gefühl haben,wichtig zu sein, werden sie auch moti-viert sein, Aufgaben zu erledigen.

Die aktive Miteinbindung der Jugend-lichen bei der Wahl der Aktivitäten

Selber auswählen und mitbestim-men zu dürfen, welche Ziele wichtigsind, mit welchen Aktivitäten und inwelchen Situationen sie geübt werdensollten, gibt den Jugendlichen das Ge-fühl, ernst genommen zu werden.

Sie bestimmen alles selbst, nicht nurdie eher nebensächlichen Dinge, wie dieWahl der Vesper, sondern auch wichti-ge Punkte wie das Thema und den Ab-lauf des Wochenend-Projekts oder wiegroß die Arbeitsgruppe sein soll.

Oft erleben diese Jugendlichen näm-lich, dass auch wenn ihnen eine aktiveRolle zugeteilt wird, dies immer in Formvon „Hilfe“ ausgedrückt wird („Hilfst dumir beim Kochen? Hilfst du mir beimEinkaufen?, usw.“) – ein bisschen so wieman es mit kleinen Kindern tut, um siezu aktivieren, aber ohne viel von ihrenFähigkeiten zu halten.

Sie merken das natürlich und sinddeshalb oft wenig hilfsbereit („Warummuss ich das denn machen, wenn du esauch machen kannst und ich gar nichtnotwendig bin?“). Eine Haltung, diemanchmal als Unfähigkeit angesehenwird.

Bei allen Aktivitäten muss der Jugendli-che im Mittelpunkt stehen, jedoch alsselbstständiger, kompetenter Partnerund nicht als ein hilfebedürftiges Kind.

Sich als Erwachsener anerkannt zufühlen, verstärkt die Motivation, weiteran der eigenen Selbstständigkeit zu ar-beiten

Die Art, wie man mit den Jugendli-chen umgeht, wie man mit ihnenspricht, die Aktivitäten, die man für dieNachmittage vorschlägt, sollten alters-gerecht sein (Kino, Diskothek, Bowling,Fast Food, usw.)

Sie als Erwachsene anzuerkennenbedeutet aber auch, dafür zu sorgen,dass Gespräche auf einer realistischenEbene geführt werden und dass man aufunrealistische Berichte oder Fantasie-geschichten nicht weiter eingeht. Mansollte ihnen helfen, sich mit realen Be-gebenheiten zu beschäftigen.

Individuelle Ziele und StrategienAusgehend von den vorhandenen Fä-higkeiten werden jedes Jahr für jedenJugendlichen bestimmte individuelleZiele festgelegt, die ihm auf den Weg indie Selbstständigkeit weiterhelfen. Fürdie Einschätzung der Fähigkeiten ver-wenden die Begleiter speziell entwickel-te Beobachtungsbögen, die mindestenszweimal pro Jahr ausgefüllt werden.Nach den ersten zwei Kursmonaten,werden fünf konkrete Ziele mit dem Ju-gendlichen besprochen und welcheSchritte notwendig sind, diese Ziele zuerreichen, um ihn in diesen Bereichenkompetent zu machen. Die fünf Zielewerden in Form eines fünfeckigenSterns dargestellt und beinhalten z.B.Aufgaben, wie die eigene Gruppe an ir-gendeinen bestimmten Ort zu führen,allein zum Einkaufen zu gehen, usw.

Für jeden Jugendlichen werdenaußerdem individuelle Strategien ent-wickelt, auf Grund vorhandener Fähig-keiten, um ihn autonom zu machen. Sosoll der Jugendliche, der lesen kann,Produkte in Geschäften finden, indemer den Produktnamen liest, wenn er je-doch nicht lesen kann, wird er dazu an-geregt, sich zu merken, wie die Ver-packung des Produktes aussieht, unddie wieder zu erkennen.

Jede zu erlernende Fähigkeit stehtnicht für sich allein, sondern ist einSchritt auf dem Weg zu dem Ziel „es zuschaffen“, „zurechtzukommen“.

Bei der Entwicklung der Aktivitätenmacht man sich auch Gedanken darü-ber, welche Gegenstände verwendetwerden können, um die Ausführung ei-niger Aufgaben zu erleichtern, die alsHilfsmittel fungieren, um bestimmteZiele der angestrebten Autonomie bes-ser zu erreichen.

Zum Beispiel ist es nützlich, vor al-lem für die schüchternen, sprachlichnicht so kompetenten Jugendlichen,Kärtchen dabei zu haben mit Standard-fragen und Bemerkungen, die ihnenbeim Einüben bestimmter Fähigkeitenund beim Sammeln von Informationenbehilflich sein können.

Als sehr geeignet für alle Kursteil-nehmer erwies sich ein spezieller Geld-beutel, in dem das Geld übersichtlich ge-ordnet ist und der in der Handhabe sehrpraktisch ist.

Aus der Praxis mit den Jugendlichenlernen wir dauernd dazu. Um bestimm-te Aufgaben zu erleichtern, schlagen wirz.B. den Gebrauch von ergometrischenMessern und speziellen Scheren voroder empfehlen Messbecher statt einerKüchenwaage oder einen Gasanzünderstatt Streichhölzern.

Mit Ausnahme des Geldbeutels, derextra für die Jugendlichen erfunden undhergestellt wurde, sieht man aus derWahl dieser Hilfsmittel, wie einfach essein kann, durch sorgfältiges Beobach-ten und mit ein bisschen Kreativität ge-eignete Gegenstände, die es schon imHandel gibt, zu finden, die es den Ju-gendlichen erleichtern, trotz ihrerSchwierigkeiten eine gewisse Selbst-ständigkeit zu erreichen.

Das Team und die Eltern

Sowohl in Rom als auch in anderenStädten haben die Begleiter, die mit denJugendlichen zusammenarbeiten, einesozialpädagogische Ausbildung und er-halten dann von dem Verein eine spezi-elle Fortbildung über die Ziele und In-halte des Projektes. Der Koordinatorund Kursleiter ist immer ein Sozial-Pädagoge, manchmal auch ein Psycho-loge. Die Assistenten und der Kursleitertreffen sich regelmäßig einmal wöchent-lich zur Besprechung des Programms,um die Aktivitäten auszuwählen und zuüberlegen, welche Ressourcen genutztwerden können oder wie die eigeneKreativität der Assistenten eingebrachtwerden kann.

Nur durch den ständigen Dialog mit

Auf den Markt zu gehen und ein wenig zu

bummeln, auch das kann man lernen

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PSYCHOLOGIE

28Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

samt ihren Wünschen, Ängsten undFähigkeiten – zu entwickeln und diesesWissen im Alltag zu nutzen.

Die beiden letzten Intelligenzen be-schreiben auch das von anderen Auto-ren mit emotionaler Intelligenz (EQ) be-schriebene Verständnis für Gefühlsvor-gänge, das dazu benutzt werden kann,in anderen positive Empfindungen zuwecken, Konflikte zu lösen oder zu Hau-se und im Alltag vermittelnd zu wirken.

Untersuchungen der letzten Jahrelassen vermuten, dass soziale und emo-tionale Fähigkeiten den „Erfolg“ im Le-ben vielleicht noch stärker bestimmenals die so genannten intellektuellenFähigkeiten eines Menschen. Die im Ge-gensatz zum Intelligenzquotienten (IQ)mit emotionaler Intelligenz (EQ) be-schriebenen Eigenschaften umfassenz.B.

Mitgefühl Ausdruck und Verstehen von Gefühlen Kontrolle über seine Stimmungen Unabhängigkeit Anpassungsfähigkeit Beliebtheit Fähigkeit zur zwischenmenschlichenProblemlösung Ausdauer Freundschaftlichkeit Respekt Optimismus

Die Theorie der multiplen Intelli-genzen beruht auf der Annahme, dassExpertentum sowohl in der Schule alsauch in anderen Bereichen auf vielenWegen erreichbar ist. Über das Gesamt-bündel der Intelligenzen verfügen wiralle, es repräsentiert in gewisser Hin-sicht das intellektuelle Erbe der biologi-schen Art, doch unsere Stärken und un-sere Intelligenzprofile sind nicht iden-tisch, weil die verschiedenen Intelligen-zen individuell unterschiedlich starkausgebildet sind. Wenn also die geisti-gen Möglichkeiten mit den unterschied-lichen Stärken, Interessen und Strategi-en tatsächlich individuell ausgeprägtsind, dann lohnt es zu überlegen, obzentrale Lerninhalte nicht auf vielfältigeArt unterrichtet und vor allem beurteiltwerden können.

Sind Menschen mit Down-Syndromintelligent?

Um noch einmal zusammenfassend aufdie eingangs gestellte Frage zurückzu-

kommen, ob Menschen mit Down-Syn-drom intelligent sind, so sollte sie – un-ter Berücksichtigung der Theorie dermultiplen Intelligenzen – mit „Ja“ be-antwortet werden.

Betrachtet man u.a. die Subintelli-genzen der emotionalen, musikalischenund körperlich-kinästhetischen Intelli-genzen, so zeichnen sich viele Men-schen mit Down-Syndrom gerade durchdiese Fähigkeiten aus, die es im Kinder-garten, in der Schule, aber auch im spä-teren Leben in der Berufswelt zu ent-decken, zu fördern und einzusetzen gilt.

„Die Aufgabe für das nächste Jahr-hundert besteht nicht nur darin, unserBewusstsein für die Vielfalt unserer In-telligenzen und deren adäquaten Ge-brauch zu sensibilisieren. Wir müssenuns darüber hinaus überlegen, wie In-telligenz und Moral zusammenwirkenkönnen, damit eine Welt zum Wohleund zum Gefallen der sehr verschieden-artigen Bevölkerung unseres Planetenentstehen kann. Intelligenz ist ein Kapi-tal, aber – um Ralph Waldo EmersonsDiktum zu zitieren – „Charakter ist mehrals Intellekt“, eine Einsicht, die für dasIndividuum ebenso gilt wie für die Ge-sellschaft“ (Howard Gardner).

Dr. med. Wolfgang Storm Kinderklinik St.-Vincenz-Krankenhaus Husener Straße 81 33098 Paderborn

Weiterführende Literatur

1. Gardner, H.: Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen. Klett-

Cotta, Stuttgart (2001)

2. Gardner, H.: Intelligenzen. Die Vielfalt desmenschlichen Geistes. Klett-Cotta, Stuttgart

(2002)

3. Goleman, D.: Emotionale Intelligenz.Deutscher Taschenbuchverlag, München

(1995)

Bindungssicherheit

An der Universität Potsdam wurdevon Hellgard Rauh und Claudine

Calvet eine Langzeitstudie durchgeführtüber die Bindungsqualität bei Kindernmit Down-Syndrom. Die Ergebnisse die-ser Studie wurden veröffentlicht in derZeitschrift: Kindheit und Entwicklung,13 (4), 217 – 225, Hogrefe Verlag, Göt-tingen 2004, aus der auch folgende Zu-sammenfassung entnommen wurde:

Ist Bindungssicherheit entwicklungs-fördernd für Kinder mit DS?

Die Erfassung und die Bedeutung derBindungsqualität bei Kindern mit Down-Syndrom ist wissenschaftlich umstrit-ten. Anhand von Längsschnittdaten beiinsgesamt 16 Kindern mit Bindungs-qualifikation im Entwicklungsalter von13 bis 15 Monaten (Lebensalter um 24Monate) wird aufgezeigt, dass die Ver-haltensentwicklung dieser Kinder inBayley-Entwicklungssituationen (IBR-Ratings) im ersten bis zum fünften Le-bensjahr in sinnvoller Beziehung zu ih-rer Bindungsentwicklung stand. Ab demfortgeschrittenen Vorschulalter ent-wickelten sich Kinder mit sicherer Bin-dung vor allem in der sprachlichen undin der sozial-kognitiven Entwicklunggünstiger als Kinder mit unsicherer Bin-dungsbeziehung.

Bindungssicherheit scheint sich inden ersten Jahren vor allem im Verhal-ten der Kinder und erst nahe demSchulalter auch in Testleistungen aus-zuwirken.

Was ist Bindung?Unter Bindung versteht man eineemotionale Beziehung zwischenMenschen, die sich z.B. in Form derKontaktsuche, Aufrechterhaltungder Nähe zur Bezugsperson insbe-sondere angesichts fremder Perso-nen oder unvertrauter Ereignisse(z.B. dem so genannten Fremdeln,der so genannten Acht-Monate-Angst bei Kindern) oder der so ge-nannten Trennungsangst (Furcht vorAbwesenheit oder Abwendung einerBezugsperson) äußert. Bindung undnachfolgende Ablösung gelten alswesentliche Voraussetzung einerharmonischen Persönlichkeits- undsozialen Entwicklung.

P S Y C H O L O G I E

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 25

Der Unterschied besteht darin, dassKinder mit Down-Syndrom die nicht-lautsprachliche Kommunikation (Ges-ten, Mimik etc.) nicht als Mittel zumZweck einsetzen, d.h. sie benutzen die-se Fähigkeit in herausfordernden Situa-tionen nicht, um Informationen zu be-kommen, damit sie ein Problem lösenkönnen, so wie andere Kinder das tun.Und dies obwohl die frühe nonverbalesoziale Kommunikation eine relativeStärke dieser Kinder ist. Hier wird deut-lich sichtbar, dass es einen Bruch gibtzwischen dem instrumentellen Gestiku-lieren (Gesten, um zu einem Ziel zu ge-langen) und dem sozialen Gestikulieren(gestikulieren auf Grund der Soziabi-lität).

Interessanterweise treten diese Defi-zite speziell nur in Problemlösungssi-tuationen auf. Bei sozialen Routine-übungen benutzen die Kinder sehr wohlGesten, Blickkontakt, Mimik etc., um einZiel zu erreichen. Es scheint also nichtdaran zu liegen, dass die Kinder dieseTaktiken nicht beherrschen, sie benut-zen sie jedoch nicht gezielt in für sie kognitiv herausfordernden Situationen,um das Verhalten anderer dadurch zubeeinflussen.

Wechselwirkung zwischen den Entwicklungsbereichen

Wir nehmen an, dass zwischen den bei-den Entwicklungsdomänen – die relati-ve Stärke im sozialen Verhalten und dieDefizite in der Entwicklung von strate-

gischem Denken – eine Beziehung be-steht, die zu dem spezifischen Motivati-onsverhalten, der geringeren Ausdauerund dem Sich-Verlassen auf soziale Stra-tegien führt.

Ein geringes Durchhaltevermögenkönnte die indirekte Folge der auftre-tenden Schwierigkeiten beim instru-mentellen und strategischen Denkensein. Klein- und Vorschulkinder mit Down-Syndrom, die sich aus herausfor-dernden Situationen ausblenden, ma-chen dies, weil sie nicht in der Lagesind, neue brauchbare Strategien zuentwickeln, um die Aufgaben zu lösen.Sie sehen einfach keine andere Mög-lichkeiten, um sich aus der „Situation zuretten“. So ist – unserer Meinung nach –diese passive und wenig motivierte Hal-tung direkt verbunden mit den primä-ren Defiziten im instrumentellen Über-legen und mehr allgemein mit den ko-gnitiven Einschränkungen.

Außerdem scheint es für diese Kin-der ganz selbstverständlich zu sein,dass wenn sie sich nicht imstande se-hen, in schwierigen Situationen neueStrategien zu entwickeln, sie sich lieberauf ihre Stärken, ihre sozialen Fähig-keiten verlassen.

So entwickeln sie über die Jahre ei-nen Stil, wobei sie immer dann, wenn eskompliziert wird, beharrlich ihren Charme und ihre anderen positiven so-zialen Verhaltensweisen einsetzen. Diesführt häufig dazu, dass ihre Bezugsper-sonen aufgeben – die Aufgaben bleibenunerledigt.

Oder sie verlassen sich auf eine an-dere soziale Strategie, nämlich sich pas-siv zu verhalten und einfach auf Hilfe-stellung zu warten, die sie dann auchbekommen – die Bezugsperson löstdann die Aufgabe.

Diese beiden sozialen Strategienwurden wiederholt auch in Testsituatio-nen festgestellt. Und sogar wenn dieKinder diese Taktiken nicht anwenden,bauen sie lieber auf Verweigerung und„stellen auf stur“, als dass sie versuchen,neue wirkungsvollere Strategien zu ent-wickeln, um eine Aufgabe zu lösen. Esfällt ihnen schwer, sich von diesem„Verstocktsein“ zu lösen.

Intervention

Wenn diese Antriebsschwäche, diesemangelnde Motivation eine Folge derprimären phänotypischen Merkmale ist,dann müsste es möglich sein, diesen

Kinder mit Down-Syndrom lachen mehr!

Wenn wir unsere Fotosammlung durchschauen,

können wir dies bestätigen.

Entwicklungsweg durch gezielte undzeitlich richtig eingesetzte Förderung zuverändern.

Man kann sich z.B. darauf konzen-trieren, Fertigkeiten zum frühen Pro-blemlösen zu üben. So ließe sich daspersönliche Motivationsverhalten viel-leicht günstig beeinflussen.

Weiter kann man, wenn die Kinderein mentales Alter von neun bis 13 Mo-naten erreicht haben, ganz gezielt ihrenonverbale Kommunikation so steuern,dass sie lernen, diese auch als Mittel ein-zusetzen, um Informationen zur Pro-blemlösung zu bekommen.

Ein anderer wichtiger Bereich derFörderung könnte das Einüben vonHandlungsabläufen sein. Kleinkindermit Down-Syndrom sind nicht in der La-ge, selbst effektive Handlungssequenzenauszudenken und auszuführen, um einbestimmtes Ziel zu erreichen. Wenn dierichtige Strategie, um ein Problem zu lö-sen, eine Reihe unterschiedlicher Hand-lungen erfordert, stellt dies eine Über-forderung der Kinder dar (z.B. denSchlüsselbund zu finden, den richtigenSchlüssel herauszusuchen und die Türaufzuschließen). Solche komplexerenAufgaben zu lösen, kann man gezieltfördern.

Schlusswort

Wir wollen versuchen, das Motivations-Verhalten bei Menschen mit Down-Syn-drom zu verbessern, dabei die positivenAspekte des Profils (soziale Motivation)zu behalten und die negativen Aspektezu verringern (z.B. Ausblend-Verhal-ten).

Auch wenn wir zurzeit noch am An-fang unserer Arbeit stehen und wir die-se Vorgehensweise als Hypothese an-nehmen, weisen doch erste Erfolge dar-auf hin, dass dieser Weg effektiv ist.

Kleinen Kindern mit Down-Syndromzu helfen, ihre eigenen Fähigkeiten zuerkennen, um effektive Strategien zurProblemlösung zu entwickeln, wird ganzallgemein ihre akademischen Fähigkei-ten verbessern, ihre Selbstständigkeitfördern und insgesamt auch positiveFolgen für ihr späteres Leben als Er-wachsene haben.

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200545

ERWACHSENE

herauszufinden, welche Fertigkeitenunterrichtet werden müssen, haben wirversucht, auf die folgenden Fragen eineAntwort zu finden: „Welche Kompeten-zen sind auf jeden Fall notwendig, umalleine außerhalb des Hauses zurecht-zukommen?“, und außerdem: „Was brau-che ich für mein tägliches Leben, für dieArbeit, für die Freizeit?“

Daraus entsprang eine Liste mit Fä-higkeiten, die man in fünf Bereiche, dieZiele dieses Erziehungsplans, untertei-len kann:

Kommunikation: Fragen stellen kön-nen, die eigenen Daten nennen können,öffentliche Telefone benutzen können ...

Orientierung: Lesen und Befolgen vonStraßenschildern, sich an bestimmtenGebäuden orientieren können, die Hal-testellen von Bus, U-Bahn und Taxi fin-den …

Verhalten im Straßenverkehr: Über-queren von Straßen, Ampeln …

Der Umgang mit Geld: Geldscheine,Münzen und den Wert des Geldes ken-nen lernen, bezahlen können, Rückgeldzählen …

Nutzung von Dienstleistungen: dasrichtige Geschäft bzw. die richtige Be-hörde aufsuchen, sich zurechtfinden inRestaurants und Cafés, im Kino, beimKegeln, in Postämtern, in öffentlichenVerkehrsmitteln …

Organisation des Kurses

Die Kurse finden am Nachmittag statt,die Treffen dauern jeweils ungefähr dreiStunden. Die Jugendlichen treffen sicheinmal wöchentlich. Die Gruppe bestehtaus acht bis zehn Jugendlichen mit Down-Syndrom und drei bis vier Assis-tenten. Nach einer gemeinsamen Rundeteilen sie sich in Zweier- oder Dreier-Gruppen plus einem Helfer und einemFreiwilligen oder Zivi, die alle für APIDarbeiten, auf. Die mit den Jugendlichenbesprochenen Aktivitäten stammen ausden oben genannten fünf Bereichen undwerden meistens innerhalb der Klein-gruppe realisiert.

Aber Selbstständigkeit bedeutetmehr, als nur einige neue Sachkennt-nisse zu erwerben. Auch das Gefühl zuhaben, richtig erwachsen zu sein, vomStatus eines Kindes zu dem eines Er-wachsenen zu wechseln und als er-wachsener Mensch behandelt zu wer-den, ist wichtig. Die Jugendlichen müs-sen neue „erwachsene“ Verhaltenswei-sen lernen und lernen, Schwierigkeiten,die unvermeidbar auftreten werden, zumeistern.

Das Lernambiente muss positiv undanregend sein und der Realität entspre-chen, damit die Jugendlichen sich mitihrer neuen Rolle als Erwachsene iden-tifizieren können.

So entstand der „Klub der Jugendli-chen“. Das positive Klima hilft den Ju-gendlichen bei ihrer Identifikation alsErwachsene, regt die Kommunikationund das Entstehen von Freundschafteninnerhalb der Gruppe an.

Die Arbeitsmethode

Folgende Punkte sind bei der Umset-zung des Kursprogramms wichtig.

Das Üben in der konkreten SituationWir sehen die eigene Motivation der Ju-gendlichen als besten Motor, die Ziele zuerreichen, und üben daher ausschließ-lich in konkreten Situationen. Das heißtzum Beispiel, das notwendige Geld di-rekt beim Imbissstand abzuzählen, umden Hamburger kaufen zu können, dasTelefon zu benutzen, um einen abwe-senden Freund anzurufen, einen Ort mitjemandem auszumachen, an dem mansich tatsächlich nachmittags trifft, etc.

Dies steht im deutlichen Kontrastzum Lernen durch sture, sich wieder-holende Übungen, fern der Realität, wiees manchmal in der Schule passiert. Wo-bei oft auch noch davon ausgegangenwird, dass eine Person mit geistiger Be-hinderung leichter auf die mechanischeWeise und nur durch Wiederholunglernt.

Aber es ist gerade die realistische Si-tuation und nicht eine erfundene, diemotiviert. Die Jugendlichen reagierenäußerst sensibel, wenn man sie nichtfür voll nimmt. Keiner von ihnen wirdfreiwillig zum Milchkaufen gehen, wennnoch genug Milch im Kühlschrank istoder wenn sie wissen, dass die Mutter

Selbst einkaufen gehen

zu können, ist ein

wichtiger Schritt in

Richtung Selbststän-

digkeit.

Wenn man dann auch

noch selbst bestimmen

kann und darf, was

man heute essen will,

umso besser.

Es schadet bestimmt nicht,

wenn man weiß, wie man mit

einem Rasenmäher umgeht

E R W A C H S E N E

48 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

„Ich mag meine Selbstständigkeit“

Noel Thompson ist ganz begeistert vonseinem neuen Leben an der Universitätim US-Bundesstaat Maine. Er studiertMarktwirtschaft mit dem SchwerpunktUnternehmensführung und hat ein be-zahltes Praktikum in einer örtlichenBank, wo er Büroarbeit und Werbungmacht. Er beteiligt sich eifrig in einemWohltätigkeitsverein auf dem Campus,der ein Sommer-Camp-Hospiz für tod-kranke Kinder organisiert. Er genießtdie Freundschaften, die er am Collegegefunden hat, und die gelegentlichenHeimwehattacken sind halb so schlimm,sie werden durch das gute Gefühl überseine neue Selbstständigkeit wettge-macht.

Das „Strive“(Streber)-Programm

Seine Einstellung würde jedem Studen-ten Ehre machen – aber Mr. Thompsonist nicht ein x-beliebiger Student: Er hatDown-Syndrom, er ist geistig behindert.Er hat die Aufnahme am College ge-schafft durch seine eigenen Anstren-gungen und mit der Hilfe von Strive Uni-versity, einer Organisation, die seit kur-zem ein Zwei-Jahres-Programm für Stu-denten mit geistigen Behinderungen anUniversitäten und Colleges anbietet(Strive bedeutet „Streber“).

Mr. Thompson sagt, dass das Pro-gramm ihm das Selbstbewusstsein ge-geben hat zu überlegen, ob er später indie Werbung geht oder eventuell Disk-jockey wird. Bis dahin hört er sich eini-ge sehr interessante Vorlesungen an.„Ich möchte gern auch Physik studieren“,sagt er, „das habe ich noch nie gehabt.“

Mr. Thompson ist 24 Jahre alt. Er isteiner von sechs jungen Leuten mit Down-Syndrom, die im vergangenen

Herbst in dem Strive-Programm einge-schrieben wurden. Dieses Programmwurde an der Universität von SouthernMaine begonnen, es läuft über eine ge-meinnützige Organisation und richtetsich an junge Leute mit Behinderungen.

Das Programm ist Teil einer neuenBewegung, an der sich ca. 50 Collegesund Universitäten beteiligen, die weite-re Bildungsmöglichkeiten für Schülermit geistiger Behinderung nach Ab-schluss der High School schaffen wollen.Es ist eine Antwort auf die wachsendeNachfrage und trotz der relativ hohenKosten und obwohl diese neue Aufgabenicht zu den traditionellen Aufgabenvon Hochschulen gehört, werden lau-fend weitere Möglichkeiten geschaffen.

Zusammenarbeit mit der NDDS

Die NDSS (National Down Syndrome So-ciety) arbeitet mit öffentlichen und pri-vaten Colleges in New Jersey zusam-men, um ein Modell herauszuarbeiten,das Bildungsmaßnahmen anbietet für18- bis 25-Jährige mit geistigen Behin-derungen. „Es gibt großes Interesse anunserem Programm“, betont die Direk-torin. „Es reflektiert den enormen An-stieg der Erwartungen, die Eltern vongeistig behinderten Kindern haben. Ichglaube, es spiegelt den gesamten Fort-schritt in der Erziehung dieser Kinderwider.“

Kritiker und Befürworter

Kritiker des Programms stellen in Fra-ge, ob Menschen mit geistiger Behinde-rung überhaupt ein Diplom erwerbenkönnen, trotz der intensiven Unterstüt-zung, die diese Studenten erfahren, undtrotz der zusätzlichen mühevollen Jah-re, die oft benötigt werden. Viele Ver-

antwortliche an den Universitäten wei-gern sich, ihre Angebote und Kurse zumodifizieren und den Bedürfnissen vongeistig Behinderten in irgendeiner Wei-se anzupassen.

Befürworter des Programms räu-men ein, dass Menschen mit geistigenBehinderungen ihre Grenzen haben.Aber da Colleges und Universitäten so-wieso einen großen Anteil an Studentenhaben, die völlig unrealistische akade-mische Vorstellungen oder Karrierean-sprüche haben, sagen sie, dass es nurlogisch sei, dass man auch Menschenmit geistiger Behinderung selber ihreGrenzen erfahren lassen sollte und nichtvon vornherein verhindern soll, dass siees überhaupt versuchen.

„Menschen mit geistiger Behinde-rung wollen mehr als das, was bislangerreichbar war“, sagt Stephanie SmithLee, Direktorin im Bildungsministeriumfür Sonderpädagogik, die selber eineTochter mit Down-Syndrom hat. „Siehaben größere Träume als früher.“

Kein Leben in Armut

Nur ein sehr kleiner Prozentsatz von Er-wachsenen mit geistiger Behinderunghat bis jetzt Zugang zu Colleges oderUniversitäten. Für die meisten endet dasöffentliche Bildungssystem mit 21,wenn die normale integrative HighSchool beendet ist. Die Arbeitsauswahlist begrenzt; Behinderten-Werkstättenoder niedrig bezahlte ungelernte Arbei-ten als Raumpfleger, Gärtner oder in derFast-Food-Industrie schränken die be-ruflichen Möglichkeiten stark ein undverurteilen diese Menschen zu einemLeben in Armut.

Viele Eltern machen sich ernste Sor-gen über die Zukunft ihrer Kinder. Sie

Studenten mit Down-Syndrom an amerikanischen Colleges und UniversitätenPeter Schmidt

Übersetzung: Gundula Meyer-Eppler

Dass junge Menschen mit Down-Syndrom in den USA ganz regulär dieHigh School besuchen, ist uns allen schon lange bekannt. Aber nun gibt es auch die ersten Studenten mit Down-Syndrom an den Universitäten. Wie funktioniert das und kann das überhaupt funktionieren?

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24 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

te Denken teils auf Zufallslernen auf-baut, könnte dies der frühe Beweis fürdie diesbezüglich atypische Entwicklungbei Down-Syndrom sein.

Weitere Studien fanden ebenso Be-weise über einen atypischen Verlaufdieses Entwicklungsbereichs. So wurdeu.a. festgestellt, dass die Kinder längerbrauchten, um von Stufe V (an einerSchnur ziehen, um ein Spielzeug zu be-kommen) zu Stufe VI (gezieltes Vorge-hen, beim Hereingeben einer Kette in ei-ne Tasse) zu gelangen. Dieser verlang-samte Übergang von der einen in dienächste Stufe war jedoch nicht deutlichin anderen Bereichen, wie bei der Ob-jektpermanenz oder der Imitation vonGesten. Verzögerung bei der Entwick-lung des instrumentellen Denkens imSäuglingsalter kann die Ursache sein fürdie später auftretenden spezifischenSchwierigkeiten, Strategien zur Pro-blemlösung zu entwickeln.

Aus verschiedenen Studien geht her-vor, dass während die unterschiedli-chen sensomotorischen Entwicklungs-bereiche sich mehr oder weniger gleich-mäßig weiterentwickeln, das zielorien-tierte Denken einen atypischen und ver-langsamten Entwicklungsweg folgt.

Auch nach der Säuglingszeit gibt esBeweise dafür, dass die Fähigkeit, Hilfs-mittel einzusetzen, um ihre Ziele zu er-reichen, bei Kindern mit Down-Syn-drom weiterhin verzögert ist. Ruskin etal. 1994 berichten, dass Kleinkinder inihrer Studie bedeutend weniger zielge-richtete Handlungen ausführten, um einbestimmtes Ziel zu erreichen (z.B. Klöt-ze durch passende Löcher stecken), alsnicht beeinträchtigte Kinder im gleichenEntwicklungsalter.

Ähnlich fand auch unser Team her-aus, dass diese Kinder weniger guteStrategien entwickelten, z.B. um dasProblem zu lösen, wie sie einen ge-

wünschten Gegenstand aus einer Plas-tikbox holen konnten. Nicht nur im Ver-gleich zu Kindern, die sich normal ent-wickelten, sondern auch zu Kindern mitanderen Lernverzögerungen.

Weiter fiel auf, dass Kinder mit Down-Syndrom weniger Freude an kau-salen Zusammenhängen zeigten und ei-nen viel weniger positiven Gesichtsaus-druck hatten während solcher zielge-richteter Handlungen als andere Kin-der. Es ist anzunehmen, dass diesefreudlose Beschäftigung mit Aufgaben,bei denen strategisches Denken erfor-derlich ist, eine wichtige Rolle bei derEntwicklung des Motivationsverhaltensspielt.

Primäre phänotypische Folge: das soziale Funktionieren/Verhalten

Zu der Entwicklungsverzögerung im in-strumentellen Denken bei kleinen Kin-dern mit Down-Syndrom kommen rela-tive Stärken im sozial-emotionalen Be-reich. Schon im Alter von drei Jahrenzeigen viele dieser Kinder deutlicheStärken im sozialen Funktionieren, ge-messen mit der Vineland Adaptive Be-havior Scales. Einige Studien gebenzwar an, keine großen Unterschiede imTemperament zwischen Kindern mitund ohne Down-Syndrom feststellen zukönnen, viele andere dagegen berich-ten, dass Kleinkinder mit Down-Syn-drom öfter eine aufgeweckte Stim-mungslage haben, mehr auf Musik an-sprechen und weniger anstrengend sindals gleichaltrige andere Kinder.

Die gute visuelle Imitation von Klein-kindern mit Down-Syndrom wird be-schrieben als der Beweis einer „ange-borenen sozialen Kompetenz“. Was dasfrühe Anschauen betrifft, stellt Crown etal. (1992) fest, dass diese Babys ihreMütter länger anschauen als Säuglinge,die sich normal entwickeln, sogar schonim Alter von vier Monaten. Dieses Ver-halten kann die Kontaktaufnahme zuanderen Menschen begünstigen. Die Er-gebnisse wurden bestätigt in einer Stu-die von Gunn et al., die erwähnt, dasssechs bis neun Monate alte Babys mitDown-Syndrom fast die Hälfte ihrer In-teraktionszeit damit verbrachten, ihreMütter anzuschauen, und eine Studievon Kasari et al. erwähnt, dass die Kin-der während unsicherer Situationenvermehrt ihre Eltern anschauen.

Aber ... die Kinder nützen dieses in-tensive Anschauen nicht als ein Mittel

zum Zweck, um Informationen zu be-kommen.

Weitere Zeugnisse sozialer Kompe-tenz bei Säuglingen sind der verstärkteEinsatz von melodischen, vokalischenund emotionalen Lauten. Schon vierMonate alte Babys mit Down-Syndromlautieren, wenn sie mit Personen (nichtjedoch mit Objekten) interagieren. Die-se soziale Kompetenz scheint währendder ganzen Kleinkindzeit bis in die Vor-schuljahre anzudauern.

Mit 17,5 Monaten zeigen Kinder mitDown-Syndrom ähnliche Reaktionen inder Interaktion mit der Mutter wie sichnormal entwickelnde Kinder. In einer„fremden Situation“ wirken 24 Monatealte Kinder mit Down-Syndrom sehr be-unruhigt, wenn ihre Mütter nicht dasind, sie weinen dann häufig, macheneinen unglücklichen, ängstlichen Ein-druck und schauen häufig zur Tür – Ver-haltensweisen, die man auch bei ande-ren Kindern beobachten kann.

In verschiedenen Bereichen, wie inbestimmten nonverbalen sozialen Inter-aktionen, beim Rollenspiel oder in Spie-len, wobei man sich abwechselt, zeigenKinder mit Down-Syndrom deutlicheStärken im Vergleich zu Kindern ohneSyndrom.

Ein weiterer interessanter Aspekt imsozial-emotionalen Verhalten ist dieFähigkeit, positive Gefühle zu vermittelndurch das wiederholte Zeigen der Emo-tionen, z.B. durch Anlachen und Lächeln.Dies bestätigen verschiedene Studien.Vermehrtes Lachen und Lächeln wurdeauch bei älteren Kindern und Teena-gern mit Down-Syndrom festgestellt.

Bruch in der Entwicklung der bewussten Kommunikation

Sobald frühe kognitive und soziale Fer-tigkeiten entstehen, überschneiden siesich mit der Entwicklung von nonverba-len Kommunikationsfertigkeiten. Kin-der fangen normalerweise mit neun bis13 Monaten an, bewusst zu kommuni-zieren. Sie tun das z.B. im gemeinsamenSpiel, wobei die Aufmerksamkeit desKindes und des Erwachsenen auf dasgleiche Spielzeug gerichtet ist, oder beider Entwicklung ihres Frageverhaltens.Bei dieser bewussten Kommunikationhat man einen wichtigen Unterschiedzwischen Kindern mit Down-Syndromund Kindern ohne Behinderung odermit einer anderen geistigen Behinde-rung festgestellt.

Babys mit Down-Syndrom schauen ihre Mütter

länger und intensiver an als andere Babys

MEDIZIN

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200521

erreichten Lebensalters zu verzeichnen,gleichzeitig eine bedeutende Abnahmeder Todesfälle von Kindern mitDown-Syndrom unter fünf Jahren.

Es gab diesbezüglich wenig Unter-schiede bei den verschiedenen Ge-schlechtern, das Sterbealter bei Män-nern und Frauen mit Down-Syndromwar fast gleich. Wohl gab es erheblicheUnterschiede beim erreichten Lebensal-ter, wenn man die weiße mit derschwarzen Bevölkerung verglich odermit Menschen anderer ethnischer Grup-pen.

Todesursachen

Insgesamt wurden 17 medizinische Pro-bleme als Todesursache bei MenschenmitDown-Syndrom aufgelistet. Auf denSterbeurkunden wurden als Todesursa-che angeborene Herzfehler, Demenz, ei-ne Unterfunktion der Schilddrüse, Epi-lepsien, Lungenentzündung, Grippe,Hepatitis und Leukämie eindeutig häu-figer genannt als bei Menschen ohne dasSyndrom.

Sehr häufig wurde in der Alters-gruppe von 40 bis 49 Jahren Demenz alsTodesursache genannt, jedoch kam diesbei den unter 40-Jährigen und bei denüber 60-Jährigen viel weniger vor.

Probleme mit den Atemwegen, Lun-genentzündung oder Grippe als Todes-ursache nahmen mit dem Alter zu.

Bei Kindern mit Down-Syndrom un-ter zehn Jahren stand dreimal häufigerLeukämie auf der Sterbeurkunde als beiKindern ohne das Syndrom. Mit zuneh-mendem Alter nahm Leukämie als To-desursache ab und wurde nach dem 40.Lebensjahr nicht mehr genannt.

Im Gegensatz zur Leukämie wurdenandere Formen von Krebs viel wenigererwähnt als erwartet. Dies galt für alleAltersgruppen, für beide Geschechterund für alle drei ethnischen Bevölke-rungsgruppen.

Es gibt verschiedene Begründungen,weshalb Menschen mit Down-Syndromweniger anfällig sind für bösartige Tu-more. Erstens wird erwähnt, dass sieweniger gefährdet sind durch Umwelt-faktoren, wie Tabak, Alkohol oder dasAusüben bestimmter Berufe, die zu ei-nem erhöhten Krebsrisiko beitragen.

Eine andere Möglichkeit wären Geneauf dem Chromosom 21, die der Ent-wicklung von Tumoren entgegenwir-ken.

Außerdem wurde diskutiert, ob die Tat-sache, dass die Zellen von Menschen mitDown-Syndrom sich weniger schnell ver-mehren, eine mögliche Ursache seinkönnte. Dieser verlangsamte Prozesskann sich auch auf das Entstehen vonbösartigen tumorbildenden Zellen be-ziehen.

Die Autoren der Studie weisen dar-auf hin, dass die Daten aus Sterbeur-kunden nicht immer korrekt und voll-ständig sind, dies gilt in gleichen Maßenauch für Sterbeurkunden von Menschenmit Down-Syndrom. Auch ist es nichtganz sichergestellt, ob alle Todesfällebei Down-Syndrom erfasst wurden.

Es wurde (auf Grund der Zahlen aus17 verschiedenen Bundesstaaten) ange-nommen, dass das Down-Syndrom auf10000 Geburten bei 9,2 lebend gebore-nen Kindern auftritt. In einer stabilenGesellschaft, in der sich Geburtsrate undSterberate die Waage halten und Migra-tion ausgeklammert wird, wurde beiMenschen mit Down-Syndrom nur 61 %der erwarteten Todesfälle festgestellt.Dies ist darauf zurückzuführen, dassdiese Menschen während der letzten 20Jahre immer älter wurden und dasdurchschnittliche Lebensalter steigtnoch immer an.

So sind zunächst bei Down-Syndromerheblich weniger Todesfälle als Gebur-ten (auch wenn diese Zahl durch präna-tale Diagnostik und selektive Schwan-gerschaftsabbrüche auch rückläufig ist)zu verzeichnen, bis dort ein neuesGleichgewicht entsteht. Die Gesamtzahlder Menschen mit Down-Syndromnimmt also vorläufig noch zu.

Quelle:Quanhe Yang, Sonja A. Rasmussen,

J.M. FriedmanMortality associated with Down’s syndrome in

the USA from 1983 to 1997The Lancet, Vol 359, March 23, 2002

Zöliakie und Psychose

Über die Zusammenhänge zwischenZöliakie und psychiatrischen/psy-

chologischen Auffälligkeiten wurde inder medizinischen Literatur in letzterZeit verschiedentlich berichtet. Da Zö-liakie eine medizinische Komplikation

ist, die bei Menschen mit Down-Syn-drom vermehrt auftritt (siehe auch Arti-kel Dr. Storm Seite 18), sollten diese Zu-sammenhänge auch bei dieser Patien-tengruppe berücksichtigt werden.

So erschien in La Presse Médicale,2002; 31 .1551-3 ein Fallbericht übereine Frau mit Down-Syndrom, die ver-schiedene psychiatrische Probleme hat-te und bei der eine so genannte stille Zö-liakie diagnostiziert wurde. Auch beiden letzten Down-Syndrom-Kongressenwurde mündlich über einige ähnlicheFälle berichtet.

La Presse Médicale zufolge wurdenbei einer 41-jährigen Frau, die noch zuHause bei ihren Eltern wohnte und diebis dahin unauffällig war, relativ plötz-lich Depressionen, Halluzinationen, An-orexia und autistische Verhaltenswei-sen festgestellt. Ein erhöhter Titer derGliadin-Antikörper im Blut wies auf Zö-liakie hin, die Darmbiopsie bestätigtedies jedoch nicht. Deshalb wurde einestille Zöliakie angenommen. Zwölf Mo-nate später mit einer glutenfreien Diätkonnte eine dauerhafte Verbesserungsowohl der psychotischen Symptome alsauch der Depression festgestellt wer-den.

Eine abweichende Interaktion zwi-schen Immunsystem und Gluten hatnicht nur Folgen für den Darm (als Zö-liakie, sondern kann sich auch – vor al-lem bei Personen, die dazu genetischdisponiert sind, wie diejenigen mit Down-Syndrom – im Gehirn auswirken(als Psychose). Bei dieser Patientin wur-de dieser Zusammenhang eindeutignachgewiesen.

Schlussfolgerung

Dieser Fall zeigt, dass bevor man psy-chische Auffälligkeiten bei einer Personmit Down-Syndrom als Folge einer Alz-heimer-Erkrankung oder Demenz an-nimmt, eine Untersuchung nach Zölia-kie nützlich sein kann. Falls nämlich tat-sächlich diese Diagnose zutrifft, könnteeine glutenfreie Ernährung die Sympto-me einer psychiatrischen Störung ver-bessern oder können diese Symptomeganz verschwinden.

Quelle:J. Serratrice, P. Disdier, Kaladjan et al.

Psychose rélévant une maladie coeliaquesilencieuse chez une jeune femme ayant

une trisomie 21La Presse Medical 2002; 31:1551-3

E R W A C H S E N E

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 49

investieren alles, um ihren Kindern jedemögliche Förderung zukommen zu las-sen; Physiotherapie, Ergotherapie, Lo-gopädie, sie kämpfen um Integration imSchulsystem schon von Kindergartenta-gen an. Aber mit dem Beenden des Schul-systems im Alter von spätestens 21 Jah-ren enden auch sämtliche vom Staatvorgesehenen Bildungsmaßnahmen.

Menschen mit Down-Syndrommöchten gerne weiterlernen

Junge Menschen mit Down-Syndromkönnen zwar auch an der „GraduationCeremony“ teilnehmen wie alle anderenMitschüler, aber sie bekommen keinvollständiges Schulabschlusszeugnis,das gleichwertig wäre mit dem andererSchulabsolventen. Ihr „Graduation Pa-per“ ist ein „Zertifikat der Anwesenheit“oder ein „Zertifikat über hervorragendeLeistungen“ und spiegelt ihre jeweiligenindividuellen Leistungen wider.

Viele von den betroffenen jungenMenschen lernen gerne und vermissendie Möglichkeit, nach der Schule weiter-zumachen. Eine von diesen jungenMenschen ist Christina Mailhot. IhreMutter beobachtete voller Sorge ihreEntwicklung, als sie mit der Schule fer-tig war. Christina fand eine Arbeit alsEinpackerin im Supermarkt, war dortsehr unglücklich und verfiel in Depres-sionen. Als alleinerziehende Muttermachte sich Frau Mailhot große Sorgen,denn der Job als Einpackerin würde ih-re Tochter, wenn sie selber nicht mehrda wäre, in der Zukunft nicht ernährenkönnen.

Christina wurde als eine von sechsStudentinnen vom Strive-Programm an-genommen – 65 hatten sich beworben.An der Universität teilt sich Christinaein Appartment mit einer anderen Stu-dentin aus dem gleichen Programm undmit einer Beraterin, die dafür sorgt, dassChristina kochen lernt und ihre Rech-nungen pünktlich bezahlt. Sie besuchtbesonderen Unterricht, der ihr hilft, sichan das Campusleben anzupassen. Siebesucht außerdem Deutschunterricht,um die Muttersprache ihrer Mutter zulernen.

Christina hofft, eines Tages als Ver-fechterin für die Anliegen von Menschenmit Behinderungen eine Karriere ma-chen zu können. „Ich glaube, dass diemeisten Menschen überhaupt nicht wis-sen, dass wir auch ein Gehirn haben,wir sind genauso normal wie alle ande-

ren auch, und das müssen sie akzeptie-ren!“, sagt Christina.

Irvin Shapell, ein Herausgeber vonBüchern über Kinder mit Behinderun-gen, war maßgeblich an der Gründungund Entwicklung des Strive-Programmsbeteiligt. Sein behinderter Sohn Jakewar damals 21.

„Ich wollte, dass Jake die gleichenChancen bekommt wie seine Geschwis-ter, dass er einen Job bekommt und dieAnerkennung, die ihm wichtig ist. Ichwollte, dass er in einer Gemeinde lebt,mit richtigen Nachbarn, genauso wie Sieund ich.“ Jake starb viel zu früh an denFolgen einer Herzentzündung. Sein Va-ter ist beim Programm geblieben undkämpft weiter um bessere Bildungs-chancen für Menschen mit geistiger Be-hinderung. „Colleges sollten einsehen,dass sie diesen Menschen nie eine Chan-ce gegeben haben; dies sollten siewenigstens tun“, sagt er.

Zusammen mit Gleichaltrigen

Eine wichtige Überlegung in der Ent-wicklung der Bildungsprogramme ist,dass junge Menschen zwischen 18 und25 Jahren nicht mehr in den HighSchools unter 14-Jährigen sitzen wol-len. Auch wenn der Inhalt des Lernstof-fes der gleiche wäre – es ist einfach nichteine altersadäquate Umgebung für jun-ge Erwachsene. Unter Gleichaltrigen aufdem Campus ist die Situation sofort ei-ne völlig andere.

Qualifizierter Abschluss?

Nur sehr wenige Colleges bieten dieMöglichkeit für geistig behinderte Stu-denten, „Scheine“ zu erwerben. Diemeisten schaffen nur die Möglichkeit,Kurse zu besuchen, ohne offizielle An-erkennung. Eine Ausnahme ist dasCommunity College of Baltimore Coun-ty. Es bietet ein Zwei-Semester-Pro-gramm in Childcare (Kinderversorgung)an. Die Kurse sind speziell für geistig Be-hinderte konzipiert, die Praktika laufenunter engmaschiger Aufsicht und derAbschluss ist ein staatlich anerkanntesZertifikat als Kinderbetreuerin.

Melissa Silvermann ist eine von zweiMenschen mit Down-Syndrom, die 2003erfolgreich das Programm abgeschlos-sen haben. Sie arbeitet inzwischen alsHelferin in einem Frühförderzentrum inder Nähe ihrer Wohnung. Sie verdientnur sechs Dollar die Stunde (auch in denUSA wenig), aber sie genießt die Arbeitmit Kindern. „Ihre staatliche Anerken-nung hat ihr Türen geöffnet und Mög-lichkeiten gegeben, die sie sonst nichtgehabt hätte“, sagt ihre Mutter.

In einigen wenigen Fällen habenMenschen mit geistiger Behinderung einCollege besucht ohne die Unterstützungdurch ein besonderes Programm. Ka-therine Apostolides, eine 21-Jährige ausPittsburgh mit Down-Syndrom und ei-ner sehr starken Lernbeeinträchtigung,ist eine davon. Sie besucht das BeckerCollege in Massachusetts.

Ihre Eltern haben von Anfang andarauf bestanden, dass Katherine einenormale Schule besucht. „Meine Freun-de und Verwandten dachten, ich binverrückt. Sie dachten, ich akzeptiere dieTatsache nicht, dass meine Tochter geis-tig behindert ist“, sagt ihre Mutter.

Katherine hat ein Graduation-Di-plom an ihrer High School erworben,dort hat sie auch für die Schulzeitunggeschrieben und war bei den Cheerlea-

Miguel Martin Cifre, kein amerikanischer

Student, sondern ein selbstbewusster junger

Mann aus Mallorca, der zurzeit eine Lehre

zum Hilfskoch bei ASNIMO macht.

Beim Kongress war er zuständig für das

Kuchenangebot.

52Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

WOHNEN

Juni dieses Jahres zog unsere 25-jähri-ge Tochter Karen in eine eigene Woh-

nung. Sie benutzt das Modell „sharedownership“ von einer Housing Associa-tion, das ihr mehr Sicherheit gibt, alswenn sie einen regulären Mietvertraghätte. Karen bekommt von der Sozial-verwaltung Geld in einen Fonds einge-zahlt. MeinMann, mein Bruder und ichsind die Verwalter. Um selbstständig zuwohnen, hat Karen Unterstützung vonvier Assistentinnen, jede von ihnen ar-beitet zirka 19 Stunden in der Woche,sie werden aus dem Fonds bezahlt.

Von 1997 bis 2000 besuchte Karendas Derwen College in Shropshire, wosie enorm viele neue Fertigkeiten ge-lernt hatte, sowohl im sozialen wie imkognitiven Bereich. Dort machte sieauch zum ersten Mal die Erfahrung, wiees ist, nicht mehr zu Hause zu wohnen,genau wie ihre Schwester, die drei Jah-re lang zwecks Studium in einer ande-ren Stadt lebte.

Ein Jahr nachdem Karen aus Der-wen zurückkam, zog sie zusammen miteinem jungen Mann mit Down-Syndromin eine Dreizimmerwohnung. Es gab so-wohl einen Nachtdienst (sleep-in) wieeinen Tagesassistenten, die von unter-schiedlichen Organisationen vermitteltwurden. Nach neun Monaten scheitertedieses Experiment.

Wir schauten uns dann einige Wohn-gruppen an und realisierten schon bald,dass so ein Modell – mit drei, vier odermehr Personen, nur auf Grund eines ge-meinsamen niedrigen IQ, zusammen ineine Wohngruppe „gesteckt“ zu werden– für Karen keine gute Basis sein konn-te, langfristig erfolgreiche Beziehungenaufzubauen. Karen selbst war auch garnicht interessiert.

Die eigene Wohnung gibt Karen jetztdie Möglichkeit, vollständig unabhängigzu sein. Karen ist eine ganz normale,durchschnittliche junge Dame mit Down-Syndrom. Sie braucht jemanden in derNähe während der Nacht und siebraucht jemanden, der ihr hilft beim Ko-

chen, beim Umgang mit Geld, beim Or-ganisieren ihrer Freizeitaktivitäten. Je-den Morgen verlässt sie um halb neunihre Wohnung und fährt selbstständigmit dem öffentlichen Verkehr zum Col-lege. Bald nachdem sie nachmittagswieder zu Hause ist, kommt eine ihrervier Assistentinnen, begleitet sie zu ih-rer Jugendgruppe und hilft ihr bei al-lem, wofür sie Hilfe braucht.

Drei Teammitglieder sind Studentin-nen, eine macht eine Ausbildung alsHeilerziehungspflegerin, eine lernt Er-gotherapeutin und die Dritte studiertSprachen. Die Vierte ist eine erfahreneSozialpädagogin, die Karens Unabhän-gigkeit enorm positiv gegenüberstehtund sie begeistert fördert.

Wir empfinden es als einen Vorteil,dass die Assistentinnen jeweils nur Teil-zeit arbeiten. Sie sind einfach „frischer“und sehen manches aus einer anderenSicht als Fachleute, die Vollzeit inWohngruppen arbeiten.

Was ist Unabhängigkeit?

Unabhängigkeit bedeutet nicht, dassder Mensch mit einer Einschränkung je-den einzelnen Handgriff selbst aus-führen können muss. Es betrifft viel-mehr die Art und Weise, wie die Personwohnt und dass sie die Möglichkeit hat,eigene Entscheidungen zu treffen. Ka-ren bestimmt selbst, was sie essenmöchte oder wie sie ihre Freizeit gestal-tet, um nur einige der Entscheidungenzu nennen, die tagtäglich getroffen wer-den müssen. Ein weiterer Vorteil vondem direct payment (persönliches Bud-get) war, dass Karen (mit Hilfe ihres Be-treuers und von uns) die Menschen, diebei ihr arbeiten sollten, selbst befragenund auswählen konnte. Auch die ganzeEinrichtung ihrer Wohnung hat sieselbst ausgesucht.

Eigene Wohnung, nicht zu nah undnicht zu fern

Karen wohnt nur fünfzehn Minuten zuFuß von uns entfernt, so sind wir nahegenug, dass wenn notwendig, wir gleich

da sind, aber weit genug, dass Karennicht einfach hier ihre Wäsche ablädt,damit ich das übernehme.

Große Fortschritte

Wir staunen, welche Fortschritte Karenin den vier Monaten seit sie ausgezogenist, gemacht hat. Als sie in ihre Woh-nung zog, beschränkten sich ihre Kennt-nisse was Technik anbelangt auf das Be-dienen eines Videorecorders, eines CD-Players und einer Mikrowelle, wobei je-mand ihr noch sagen musste, wie vieleMinuten eingestellt werden sollten.

Sie hatte keine Ahnung, wie man ei-ne Waschmaschine bedient, noch konn-te sie allein etwas kochen, außer viel-leicht eine Fertigsuppe.

Kürzlich hatte eine ihrer Assisten-tinnen sich verspätet und ich konnte un-möglich einspringen, so musste Karendie Zeit allein überbrücken. Als die As-sistentin bei Karen ankam, hatte sie dieWaschmachine schon angemacht undallein eine ganze Mahlzeit vorbereitet.Sie hatte Kartoffeln geschält, gekochtund einen Kartoffelbrei gemacht, Gemü-se gekocht und Fisch gegrillt, alles aufihren Rollwagen gestellt, ins Esszimmergerollt und den Tisch gedeckt. Zwei Wo-chen später erzählte eine andere Assis-tentin, dass Karen nun auch angefangenhat, selbstständig ihre Kleider zu bü-geln.

Wenn ich mit Karen telefoniere, binich beeindruckt, wie ihre Sprache sichverbessert hat. Wissend, dass sie für daseigene Telefon verantwortlich ist undsich auch Menschen verständlich ma-chen muss, die nicht an ihre sonst ver-waschene Sprache gewöhnt sind, hatdazu geführt, dass sich ihre Artikulati-on, ihre Grammatik und die Fähigkeit,sich auszudrücken, sehr gebessert ha-ben.

Freilich hat es während dieser vierMonate einige Unregelmäßigkeiten, Kopf-zerbrechen und haarige Momente gege-ben, aber das waren eigentlich allesKleinigkeiten. Karens Selbstbewusst-sein und ihr Gefühl von Humor sind in-dessen enorm gewachsen.

Quelle: Journal, Down’s SyndromeAssociation, Issue 107, Winter 2005.

Mit freundlicher Genehmigung der DSA.

Karen zieht in eine eigene Wohnung– weitergehen und gehen lassenCathy Slater

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PSYCHOLOGIE

22Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

In den letzten 20 Jahren haben Wis-senschaftler damit angefangen, ein

spezifisches Verhaltensprofil, d.h. eineReihe bestimmter Verhaltensweisen,die man bei Personen mit Down-Syn-drom häufig findet, genauer zu untersu-chen. Dieser Down-Syndrom-Verhaltens-phänotyp umfasst neueren Studien zu-folge relative Stärke in einigen Berei-chen der visuellen Wahrnehmung undder visuellen Verarbeitung sowie im So-zialverhalten. Andererseits findet manrelative Defizite in verbalen Verarbei-tungsprozessen und in einigen Berei-chen der motorischen Funktion. Spra-che wurde beschrieben als „größter de-fizitärer Bereich“ mit speziellen Schwie-rigkeiten in der expressiven Sprache.Einen anderen Aspekt, für den sich dieForschung interessiert, ist die persön-lichkeitsabhängige Motivation bei Men-schen mit Down-Syndrom.

Seit Jahrzehnten beschäftigt mansich u.a. damit, Gemeinsamkeiten in derIndividualität von Personen mit Down-Syndrom zu beschreiben, am häufigsten

wird ein Stereotyp genannt, das sowohleinen angenehmen, liebenswerten alsauch einen passiven Persönlichkeitsstilumfasst.

Dieses Stereotyp wird, wie verschie-dene Studien aussagen, von Eltern vonKindern mit Down-Syndrom bestätigt.In einer Untersuchung wurden mehr als50 Prozent der elfjährigen Kinder mitDown-Syndrom als „herzlich“, „liebens-würdig“, „freundlich“ oder „kommt gutmit anderen aus“ beschrieben. Eingroßer Prozentsatz der Kinder in dieserStudie wurde außerdem als fröhlich,spontan und lustig beschrieben. EinigeEltern nannten weiter die positive Stim-mungslage und die Vorhersagbarkeitdes Verhaltens und bestätigten damitdie mehr positiven, angenehmen Aspek-te des Persönlichkeitsprofils.

Andere Eltern jedoch erwähnten vorallem das niedrigere Aktivitätsniveau,weniger Ausdauer und eine größere Ab-lenkbarkeit als bei anderen Kindern undbestätigten also die eher negativenAspekte des Stereotyps.

Eine genauere Untersuchung des Moti-vationsverhaltens bei Down-Syndromdeutet darauf hin, dass dies ein sehrkomplexes Phänomen ist.

So wird in einigen wissenschaftli-chen Untersuchungen beschrieben, dassMenschen mit Down-Syndrom mit die-ser spezifischen Antriebsschwäche we-niger Ausdauer beim Lösen von Aufga-ben zeigen, gleichzeitig aber mehr so-ziale Verhaltensweisen benutzen, umvon der Aufgabe abzulenken. Zu demgeringen Durchhaltevermögen kommtmanchmal noch eine gewisse Sturheit,die ebenfalls in Studien über Tempera-ment bei Down-Syndrom beschriebenwird.

Obwohl Untersucher bis jetzt den po-sitiven Persönlichkeitsmerkmalen mehrAufmerksamkeit geschenkt haben, kön-nen gerade ein geringes Durchhaltever-mögen und bockige Verhaltensweisenweit reichende Folgen für die Entwick-lung haben. Einige Forscher sind derMeinung, dass diese Merkmale zu eini-gen der Ungereimtheiten, die wir in denEntwicklungsleistungen bei jungen Kin-dern mit Down-Syndrom beobachten,beitragen.

Schwankende Leistungen beeinflussen Testergebnisse

Verschiedene Studien sagen aus, dassjunge Kinder mit Down-Syndrom im Al-ter zwischen sechs Monaten und vierJahren bei genau gleichen Tests an un-terschiedlichen Zeitpunkten bedeuten-de Rückfälle zeigten. Diese Regressionwar die Folge der Verweigerung desKindes, sich mit der Aufgabe zu be-schäftigen.

Tatsächlich hat dieses Phänomen beiimmer mehr Wissenschaftlern Interessefür das Motivationsverhalten der Kindermit Down-Syndrom geweckt. JenniferWishart und Kollegen haben festgestellt,dass wenn Kinder mit Down-Syndromin Testsituationen mit kognitiven Her-ausforderungen konfrontiert werden,sie – viel häufiger als andere Kinder –versuchen, die Aufgaben mit sowohl po-sitiven wie auch negativen Verhaltens-weisen zu vermeiden.

Bei kleinen Kindern kann diesesVerhalten darin bestehen, dass sie sichweigern hinzuschauen, versuchen, vomStuhl wegzukommen, oder plötzlich zuweinen anfangen. Bei älteren Kindernstellte man fest, dass sie versuchten, denUntersucher/die Untersucherin einzu-

Das Entstehen eines Syndrom-spezifischen Persönlichkeitsprofils beikleinen Kindern mit Down-SyndromDeborah J. Fidler

Kinder mit Down-Syndrom sind freundlich, herzlich undangenehm, gleichzeitig jedoch häufig antriebsschwachund schwer zu motivieren, neue Aufgaben zu erledigen.Darüber hinaus wenden sie ihre sozialen Fähigkeitenhäufig mit Erfolg an, um Anstrengungen auszuweichen.Sind oben genannte Charakterzüge Teil des Phänotyps?Oder entstehen sie erst nach und nach und sind eherdie Folgen anderer primärer Aspekte des Phänotyps?Das würde dann nämlich bedeuten, dass wir durch gezielte Förderung gegensteuern könnten! Deborah J. Fidler von der Colorado State University inFort Collins, USA ging in ihrem hervorragenden Vortragbeim europäischen Down-Syndrom-Kongress in Mallorcadieser Frage nach.

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 23

beziehen in eine gemeinsame soziale In-teraktion, die ihn/sie von der zu erledi-genden Aufgabe ablenken sollte.

So versuchten diese Kinder z.B. dieAufmerksamkeit des Untersuchers aufetwas anders zu lenken, indem sie aufetwas zeigten, und/oder sie benutzen sogenannte „Partytricks“, wie in die Hän-de klatschen, winken oder anlächeln.Wishart beschreibt dieses Vermei-dungsverhalten bei kognitiven Heraus-forderungen oder „Ausblend“-Verhaltenals ein ganz spezifisches Merkmal imVerhalten der Kinder mit Down-Syn-drom in Testsituationen.

Dieses Verhalten hat nicht nur Fol-gen für die Testergebnisse in Untersu-chungssituationen, sondern beeinflusstwahrscheinlich auch andere Funktions-bereiche, besonders das Mitmachen inLern- und Fördersituationen. Wishartargumentiert, dass anscheinend schonvon einem sehr frühen Alter an die Kin-der Gelegenheiten, um neue Fertigkei-ten zu lernen, vermeiden, schon erlern-te Fertigkeiten schlecht oder nicht nut-zen und dass sie oft Fertigkeiten wederkonsolidieren noch in ihrem Repertoireaufnehmen.

Wenn dies stimmt, könnte ein bes-seres Verständnis für die herabgesetzteMotivation bei Menschen mit Down-Syndrom Fachleuten eine einmalige Ge-legenheit bieten, die Effektivität vonFörder- und Lernprogrammen zu ver-bessern. Dies könnte zutreffen für Lern-programme für Kinder und Erwachse-ne, die dieses Profil schon entwickelt ha-ben, aber ganz speziell für Programmein der Frühförderung, wo man noch dieMöglichkeit hat, zu verhindern, dass einsolches Profil überhaupt entsteht. Umeffektive Fördermaßnahmen zu planen,ist es wichtig zu verstehen, wie es zudiesem Persönlichkeitsprofil kommt.

Was ist die Ursache dieses spezifischen Motivations-Profils?

Wie entwickelt sich über die Jahre die-ses Profil, das eine positive Stimmungs-lage und Soziabilität mit einem geringenDurchhaltevermögen und das so ge-nannte „Ausblend“-Verhalten miteinan-der verbindet?

Im Gegensatz zu anderen Aspektendes Down-Syndrom-Verhaltensphäno-typs, die ihre Ursachen in der genetischbedingten Entwicklung des Gehirns ha-ben (z.B. gute visuelle und schlechtereverbale Fähigkeiten), entsteht dieses

Persönlichkeitsprofil als sekundäre phä-notypische Folge. Das bedeutet, dassdieses Profil das Ergebnis ist von denBeziehungen zwischen den primärenkognitiven und sozial-emotionalen As-pekten des Syndroms.

Im Folgenden werden wir die Über-schneidung von frühen Stärken im Sozi-alverhalten mit den kognitiven Defizitenund Schwächen beim zielorientiertenDenken untersuchen und wie diese ge-meinsam zum Entstehen des besonde-ren Persönlichkeitsprofils beitragen –ein Profil, das auf ein übermäßiges Ver-trauen in ein gefälliges Sozialverhaltenbaut, auf Kosten eines mehr beharrli-chen motivationsorientierten Verhal-tens.

Primäre phänotypische Folge: die kognitive Einschränkung

Einer der wichtigsten kognitiven Mei-lensteine bei einem kleinen Kind, dassich normal entwickelt, ist die Fähigkeit,Hilfsmittel einzusetzen, um seine Zielezu erreichen. Diese Fähigkeit beginntsich während der ersten zwei bis achtLebensmonate zu entwickeln. In seinerfrühesten Form beinhaltet dieses ziel-orientierte Denken im Allgemeinen dasZusammenfügen einer Reihe von Hand-lungen, um ein Ziel zu erreichen, z.B. aneiner Schnur zu ziehen, um ein Spiel-zeug zu bekommen, das an dieserSchnur festgebunden ist.

Normalerweise zeigen sich Kinderzwischen zwei und acht Monaten sehrlernfähig, wenn sie – per Zufall – mer-ken, dass bei der Bewegung eines Arms

oder Beins eine Belohnung folgt (z.B. ei-ne Musik erklingt). Mit rund acht Mona-ten entdecken Kleinkinder, wie manuel-le Fertigkeiten eingesetzt werden kön-nen, um neue Ziele zu erreichen. So er-möglichen dann neue Fertigkeiten wieReichen und Greifen es dem Kind, eineganze Reihe unterschiedlicher Ziele zuerreichen. Diese neuen Strategien wer-den als Mittel benutzt, den erwünschtenEndzustand herbeizuführen.

Die Literatur über die Entwicklungdes handlungsorientierten Denkens beiSäuglingen und Kleinkindern mit Down-Syndrom beschreibt aber, dass dies ei-nen Bereich größter Herausforderungfür diese Kinder darstellt. In einer Stu-die über „Zufallslernen“ – (das eine Vor-stufe ist vom handlungsorientiertenDenken, nämlich sich die Wirkung sei-nes Handeln vorstellen zu können)schnitten drei Monate alte Säuglinge mitDown-Syndrom noch ähnlich gut ab wiesich regulär entwickelnde Kinder. Diesgalt sowohl für Aufgaben, wobei manein Bein bewegen muss, um eine Ver-stärkung zu bekommen, wie für dasLerntempo und die Merkfähigkeit.

Jedoch stellte das gleiche Untersu-chungsteam fest, dass einige Zeit späterbei neun Monate alten Kindern mit Down-Syndrom im Vergleich zu den an-deren Kindern das Zufallslernen deut-lich beeinträchtigt war. Die Autoren die-ser Studien geben an, dass bei Kindernmit Down-Syndrom während des erstenLebensjahrs die Fähigkeit des „Zufalls-lernens und der Konditionierung ab-nimmt“. Wenn das handlungsorientier-

Winken oder lachen,

aber keine Aufgaben

machen!

Kinder mit Down-

Syndrom entwickeln

schon sehr früh eine

Reihe wirkungsvoller

Strategien, sich

charmant aus der

Affaire zu ziehen!

VERSCHIEDENES

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200551

Jazzband „Together“ aus Österreich

Die Jazzband TOGETHER, ein Projekt der Landesmusik-schule Ried im Innkreis, besteht heuer fünf Jahre. DieBand unter der Leitung von Gerald Endstrasser kannseit ihrer Gründung auf über 50 öffentliche Auftritteverweisen, hat drei in Fachkreisen sehr beachtete CDsgemacht, war mehrmals Gast in Rundfunk und Fernse-hen – und hat auch für die Zukunft noch große Pläne.Das Rhythmusgefühl des Schlagzeugers Georg Jungwirthund die Idee, diese Begabung – auch als Beispiel dafür,was Menschen mit Behinderung leisten können – zu för-dern, waren 1999 eine spannende Herausforderung anden Musikpädagogen Endstrasser.

Eine Schlagzeugklasse an der Landes-musikschule Ried. Hier ist mit Ge-

rald Endstrasser ein Lehrer am Werk,der einfach Schlagzeugunterricht gibtund nicht aus Mitleid eine musikalischeAktion Sorgenkind veranstaltet, wasvielleicht nur der freundliche Ausdruckvon Ausgrenzung und die positiv ge-wendete Diskriminierung wäre.

Gerald Endstrasser über die Gedan-ken, die ihm kamen, als er Georg ken-nen lernte: „Georg Jungwirth wurde ander Musikschule Ried i. I. wie jeder an-dere Schüler aufgenommen. Auf dieFrage seiner Mutter, ob ich eine Mög-lichkeit fände, ihn in Schlagzeug auszu-bilden, hatte ich zwei Gedanken dazu:Einerseits bekennt sich das Oberöster-

reichische Landesmusikschulwerk zurBreitenbildung. Damit meine ich, dassGroß und Klein, talentiert oder untalen-tiert aufgenommen werden soll. Ande-rerseits liegt es doch in der Pädagogikdes jeweiligen Lehrers, wie weit er im-stande ist, dem Schüler über Schwächen,hinwegzuhelfen. Und gerade dies warfür mich als Lehrer interessant.“

Und so entspann sich ein Unter-richtsverhältnis zwischen Georg, deraufgrund des massiven Einsatzes seinerEltern einer der ersten Schüler inOberösterreich war, der sowohl anVolks- wie Hauptschule Integrations-klassen besuchte und der inzwischen ineiner Geschützten Werkstätte arbeitet,und einem Schlagzeuglehrer, der über-

haupt nicht der extrem geduldige Typist, der sich aber pädagogisch und me-thodisch herausgefordert sah und zuimmer neuen unkonventionellen Lösun-gen fand, von denen inzwischen auchdie anderen Schüler der Klasse profitie-ren. Inzwischen lernen in der Endstras-ser-Klasse auch andere Schüler mit be-sonderen Bedürfnissen.

Die Landesmusikschule Ried im Inn-kreis unter Leitung von Edi Geroldingersteht der Einbindung von behindertenMenschen als Schüler/-innen der Lan-desmusikschule außerordentlich positivgegenüber. Befragt, wie viele behinder-te Musikschüler/-innen in der LMS Riedunterrichtet werden, erklärte Geroldin-ger, darüber gäbe es deswegen keinespezifischen Aufzeichnungen, weil dieSchüler/-innen mit Behinderung nichtanders behandelt würden als andereSchüler/-innen. Es gibt keine „Behin-dertenliste“!

Georgs musikalische Karriere aberhat einen besonderen Verlauf genom-men – gut, dass dessen musikalischesPotenzial erkannt wurde. Bei einem Fa-milienkonzert hatte sich ein Trio aus Ge-orgs Klarinette spielendem Vater, Georgan den Drums und seinem Lehrer am Pi-ano entwickelt – aus dieser Keimzellewuchs die fünfköpfige Gruppe Togetherheraus.

Die Jazzband „Together“ oder „integriert ist, wer gebraucht wird“

Jede Jazz-Formation braucht einenSchlagzeuger. Georg Jungwirth spieltSchlagzeug. Er spielt bei der Band „To-gether“ Schlagzeug. Er wird also ge-braucht, es geht nicht ohne Schlagzeu-ger. Und daher ist er genauso integriertwie die anderen Musiker. Dass er mitDown-Syndrom zur Welt gekommen ist,heißt nicht, dass er arm ist oder bemit-leidenswert. Er ist schlicht und einfachanders. Niemanden interessiert, was ernicht so gut kann. Tatsache ist, dass erein sehr ausgeprägtes Rhythmusgefühlhat, dass er der Coolste in der Band ist,keine Nervosität vor dem Auftritt kenntund sich am wohlsten fühlt, wenn ihmviele Leute zuhören.

Quelle:Musikschule – Wozu?, Prof. Dr. Peter Röbke

Flyer der Jazzband TogetherPresseinformationen

E R W A C H S E N E

50 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

ders. Sie hatte sich fest vorgenommen,dass sie ein College besuchen würde. Ih-re Eltern haben jahrelang gesucht, ehesie ein College gefunden haben, das sieaufnehmen wollte.

Im Becker College hat sie verschie-dene Assistenzdienste, einschließlichder Hilfe einer Nachhilfelehrerin und Be-raterin, die mit im Studentenwohnheimwohnt. Die wird von der Familie be-zahlt, damit sie zehn Stunden wöchent-lich mit Katherine arbeitet. Katherinehat Schwierigkeiten gehabt, am CollegeFreundschaften zu schließen. Sie hatauch einen Kurs wieder gestrichen, derzu viel auswendiges Lernen medizini-schen Vokabulars verlangte. Aber siehat schon einige Scheine und macht er-staunliche Fortschritte. Sie ist die ersteStudentin mit geistiger Behinderung amBecker College und hat dort Vorbild-funktion.

Für viele Colleges bedeutet die Auf-nahme von geistig behinderten Studen-ten gleich eine gute Möglichkeit, damitandere Studenten der Psychologie, derPädagogik und anderer sozialer FächerErfahrungen sammeln und direkt aufdem Campus eine Art Praktikum ma-chen können.

Die behinderten Studenten müssenteilweise doppelt so viele Studienge-bühren bezahlen, das Geld wird zumTeil für Tutoren und für die studenti-schen Assistenzkräfte verwendet.

Die Colleges sehen ihre Beteiligungan diesen Programmen als freiwilligeLeistung. Es ist noch nicht Teil eines of-fiziellen Bildungsprogramms oder derstaatlichen Bildungsverpflichtung.

Caroline Forsberg, Direktorin desBehindertenberatungsdienstes an derState University of New York, sieht die-se Programme sehr skeptisch. Sie zwei-felt daran, ob die behinderten Studentenwirklich irgendetwas in den normalenVorlesungen und Kursen lernen. „DieAssistenten und die Helfer machen amEnde doch die ganzen Aufgaben“, sagtsie, „die Studenten selber machen kaumetwas. Die bekommen bei weitem nichtdie Erfahrung und Ausbildung, wie dieEltern glauben.“

Der Direktor des Strive-Programmsbetont, dass ein Hauptziel des Pro-gramms darin besteht, die beteiligtenStudenten zu befähigen, ein weitge-hendst selbstständiges Leben zu führen.Sein Ziel ist es, die Kosten der staatli-chen Hilfen auf 5000 US-Dollar jährlich

zu reduzieren – im Vergleich zu den45000, die sonst aufgewendet werdenfür den durchschnittlichen behindertenErwachsenen. „Es ist ein kalkuliertes Ri-siko und basiert auf guten Ideen.“

Zusätzliches Kursprogramm für die „Striver“

An einem Donnerstagmorgen sammelnsich die Teilnehmer am Strive-Pro-gramm für einen Kurs, der zweimalwöchentlich stattfindet. Darin üben siedie Fähigkeiten, die sie brauchen, ummit dem Campusleben klarzukommenund das Beste aus ihren zwei Jahrendort herauszuholen. Fähigkeiten, die sieauch danach noch brauchen, wenn siewoanders weitermachen.

Der Tag fängt an mit einem „openstage“. Die meisten Studenten lesen einkurzes Gedicht oder eine Geschichtevor, die sie selber geschrieben haben.Jeff Goranites, 22, erfreut sein Publikummit einer Elvis-Presley-Imitation. Da-nach gibt es eine Reflektionsrunde, inder die Studenten erzählen, wie es ih-nen denn damit ergangen ist, vor Publi-kum zu sprechen. Danach erstellen siegeschriebene Stundenpläne, damit kei-ner eine Vorlesung oder einen Kursusverpasst.

Pablo Pineda ist der erste und bis jetzteinzige Europäer mit Down-Syn-

drom, der an einer Universität studierthat. 2004 schloss er an der Universitätin Malaga, Spanien mit gutem Erfolg einStudium in der Psychopädagogik ab,nachdem er davor schon das Diplom alsGrundschullehrer erworben hatte. Da-mals nach der Geburt von Pablo vor 31Jahren sagten die Ärzte seinen Eltern,er würde nur die einfachsten Dinge ler-nen können. Die Eltern glaubten diesnicht und haben Pablo von Anfang anzur Selbstständigkeit erzogen. Pablo be-suchte die Regelschule und wurde dortvon seinem Tutor, der fest an seineFähigkeiten glaubte, unterstützt.

Pablo arbeitet jetzt für Malagas Sozi-aldienst als Berater für Familien mit be-hinderten Kindern.

Sie sind alle hier und dort Schwierigkei-ten begegnet in ihrer Eingewöhnungs-phase am College. Christina Mailhot wareinmal sehr verletzt, als eine fremdeStudentin im Vorbeigehen „Vollidiot“gesagt hat. Ihre Mutter hätte gerne einöffentliches Verbot von solchen Beleidi-gungen den Behinderten gegenüber.

Noel Thompson hatte Schwierigkei-ten, als er sich um eine Stelle beim Cam-pus-Radio beworben hat – aber seineMutter hat von einer Intervention abge-sehen, um das Verhältnis zum Collegeallgemein nicht zu gefährden.

Zum größten Teil klappt das Pro-gramm aber sehr gut und die Studentengenießen ihre Zeit am College. Jeder derbehinderten Studenten belegt mindes-tens einen regulären Kursus pro Semes-ter, z.B. Chinesisch, Musik oder Psycho-logie.

Es ist schwer vorauszusagen, wieweit die einzelnen Studenten in ihrenakademischen Leistungen kommen wer-den, da die Bandbreite der Begabungenenorm ist. Aber es gibt sehr viel Enthu-siasmus und Motivation, und das ist dasWichtigste.

Quelle: The Chronicle of higher Education,11.02.2005

Pablo Pineda studierte in Malaga

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22 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

In den letzten 20 Jahren haben Wis-senschaftler damit angefangen, ein

spezifisches Verhaltensprofil, d.h. eineReihe bestimmter Verhaltensweisen,die man bei Personen mit Down-Syn-drom häufig findet, genauer zu untersu-chen. Dieser Down-Syndrom-Verhaltens-phänotyp umfasst neueren Studien zu-folge relative Stärke in einigen Berei-chen der visuellen Wahrnehmung undder visuellen Verarbeitung sowie im So-zialverhalten. Andererseits findet manrelative Defizite in verbalen Verarbei-tungsprozessen und in einigen Berei-chen der motorischen Funktion. Spra-che wurde beschrieben als „größter de-fizitärer Bereich“ mit speziellen Schwie-rigkeiten in der expressiven Sprache.Einen anderen Aspekt, für den sich dieForschung interessiert, ist die persön-lichkeitsabhängige Motivation bei Men-schen mit Down-Syndrom.

Seit Jahrzehnten beschäftigt mansich u.a. damit, Gemeinsamkeiten in derIndividualität von Personen mit Down-Syndrom zu beschreiben, am häufigsten

wird ein Stereotyp genannt, das sowohleinen angenehmen, liebenswerten alsauch einen passiven Persönlichkeitsstilumfasst.

Dieses Stereotyp wird, wie verschie-dene Studien aussagen, von Eltern vonKindern mit Down-Syndrom bestätigt.In einer Untersuchung wurden mehr als50 Prozent der elfjährigen Kinder mitDown-Syndrom als „herzlich“, „liebens-würdig“, „freundlich“ oder „kommt gutmit anderen aus“ beschrieben. Eingroßer Prozentsatz der Kinder in dieserStudie wurde außerdem als fröhlich,spontan und lustig beschrieben. EinigeEltern nannten weiter die positive Stim-mungslage und die Vorhersagbarkeitdes Verhaltens und bestätigten damitdie mehr positiven, angenehmen Aspek-te des Persönlichkeitsprofils.

Andere Eltern jedoch erwähnten vorallem das niedrigere Aktivitätsniveau,weniger Ausdauer und eine größere Ab-lenkbarkeit als bei anderen Kindern undbestätigten also die eher negativenAspekte des Stereotyps.

Eine genauere Untersuchung des Moti-vationsverhaltens bei Down-Syndromdeutet darauf hin, dass dies ein sehrkomplexes Phänomen ist.

So wird in einigen wissenschaftli-chen Untersuchungen beschrieben, dassMenschen mit Down-Syndrom mit die-ser spezifischen Antriebsschwäche we-niger Ausdauer beim Lösen von Aufga-ben zeigen, gleichzeitig aber mehr so-ziale Verhaltensweisen benutzen, umvon der Aufgabe abzulenken. Zu demgeringen Durchhaltevermögen kommtmanchmal noch eine gewisse Sturheit,die ebenfalls in Studien über Tempera-ment bei Down-Syndrom beschriebenwird.

Obwohl Untersucher bis jetzt den po-sitiven Persönlichkeitsmerkmalen mehrAufmerksamkeit geschenkt haben, kön-nen gerade ein geringes Durchhaltever-mögen und bockige Verhaltensweisenweit reichende Folgen für die Entwick-lung haben. Einige Forscher sind derMeinung, dass diese Merkmale zu eini-gen der Ungereimtheiten, die wir in denEntwicklungsleistungen bei jungen Kin-dern mit Down-Syndrom beobachten,beitragen.

Schwankende Leistungen beeinflussen Testergebnisse

Verschiedene Studien sagen aus, dassjunge Kinder mit Down-Syndrom im Al-ter zwischen sechs Monaten und vierJahren bei genau gleichen Tests an un-terschiedlichen Zeitpunkten bedeuten-de Rückfälle zeigten. Diese Regressionwar die Folge der Verweigerung desKindes, sich mit der Aufgabe zu be-schäftigen.

Tatsächlich hat dieses Phänomen beiimmer mehr Wissenschaftlern Interessefür das Motivationsverhalten der Kindermit Down-Syndrom geweckt. JenniferWishart und Kollegen haben festgestellt,dass wenn Kinder mit Down-Syndromin Testsituationen mit kognitiven Her-ausforderungen konfrontiert werden,sie – viel häufiger als andere Kinder –versuchen, die Aufgaben mit sowohl po-sitiven wie auch negativen Verhaltens-weisen zu vermeiden.

Bei kleinen Kindern kann diesesVerhalten darin bestehen, dass sie sichweigern hinzuschauen, versuchen, vomStuhl wegzukommen, oder plötzlich zuweinen anfangen. Bei älteren Kindernstellte man fest, dass sie versuchten, denUntersucher/die Untersucherin einzu-

Das Entstehen eines Syndrom-spezifischen Persönlichkeitsprofils beikleinen Kindern mit Down-SyndromDeborah J. Fidler

Kinder mit Down-Syndrom sind freundlich, herzlich undangenehm, gleichzeitig jedoch häufig antriebsschwachund schwer zu motivieren, neue Aufgaben zu erledigen.Darüber hinaus wenden sie ihre sozialen Fähigkeitenhäufig mit Erfolg an, um Anstrengungen auszuweichen.Sind oben genannte Charakterzüge Teil des Phänotyps?Oder entstehen sie erst nach und nach und sind eherdie Folgen anderer primärer Aspekte des Phänotyps?Das würde dann nämlich bedeuten, dass wir durch gezielte Förderung gegensteuern könnten! Deborah J. Fidler von der Colorado State University inFort Collins, USA ging in ihrem hervorragenden Vortragbeim europäischen Down-Syndrom-Kongress in Mallorcadieser Frage nach.

PSYCHOLOGIE

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200523

beziehen in eine gemeinsame soziale In-teraktion, die ihn/sie von der zu erledi-genden Aufgabe ablenken sollte.

So versuchten diese Kinder z.B. dieAufmerksamkeit des Untersuchers aufetwas anders zu lenken, indem sie aufetwas zeigten, und/oder sie benutzen sogenannte „Partytricks“, wie in die Hän-de klatschen, winken oder anlächeln.Wishart beschreibt dieses Vermei-dungsverhalten bei kognitiven Heraus-forderungen oder „Ausblend“-Verhaltenals ein ganz spezifisches Merkmal imVerhalten der Kinder mit Down-Syn-drom in Testsituationen.

Dieses Verhalten hat nicht nur Fol-gen für die Testergebnisse in Untersu-chungssituationen, sondern beeinflusstwahrscheinlich auch andere Funktions-bereiche, besonders das Mitmachen inLern- und Fördersituationen. Wishartargumentiert, dass anscheinend schonvon einem sehr frühen Alter an die Kin-der Gelegenheiten, um neue Fertigkei-ten zu lernen, vermeiden, schon erlern-te Fertigkeiten schlecht oder nicht nut-zen und dass sie oft Fertigkeiten wederkonsolidieren noch in ihrem Repertoireaufnehmen.

Wenn dies stimmt, könnte ein bes-seres Verständnis für die herabgesetzteMotivation bei Menschen mit Down-Syndrom Fachleuten eine einmalige Ge-legenheit bieten, die Effektivität vonFörder- und Lernprogrammen zu ver-bessern. Dies könnte zutreffen für Lern-programme für Kinder und Erwachse-ne, die dieses Profil schon entwickelt ha-ben, aber ganz speziell für Programmein der Frühförderung, wo man noch dieMöglichkeit hat, zu verhindern, dass einsolches Profil überhaupt entsteht. Umeffektive Fördermaßnahmen zu planen,ist es wichtig zu verstehen, wie es zudiesem Persönlichkeitsprofil kommt.

Was ist die Ursache dieses spezifischen Motivations-Profils?

Wie entwickelt sich über die Jahre die-ses Profil, das eine positive Stimmungs-lage und Soziabilität mit einem geringenDurchhaltevermögen und das so ge-nannte „Ausblend“-Verhalten miteinan-der verbindet?

Im Gegensatz zu anderen Aspektendes Down-Syndrom-Verhaltensphäno-typs, die ihre Ursachen in der genetischbedingten Entwicklung des Gehirns ha-ben (z.B. gute visuelle und schlechtereverbale Fähigkeiten), entsteht dieses

Persönlichkeitsprofil als sekundäre phä-notypische Folge. Das bedeutet, dassdieses Profil das Ergebnis ist von denBeziehungen zwischen den primärenkognitiven und sozial-emotionalen As-pekten des Syndroms.

Im Folgenden werden wir die Über-schneidung von frühen Stärken im Sozi-alverhalten mit den kognitiven Defizitenund Schwächen beim zielorientiertenDenkenuntersuchen und wie diese ge-meinsam zum Entstehen des besonde-ren Persönlichkeitsprofils beitragen –ein Profil, das auf ein übermäßiges Ver-trauen in ein gefälliges Sozialverhaltenbaut, auf Kosten eines mehr beharrli-chen motivationsorientierten Verhal-tens.

Primäre phänotypische Folge: die kognitive Einschränkung

Einer der wichtigsten kognitiven Mei-lensteine bei einem kleinen Kind, dassich normal entwickelt, ist die Fähigkeit,Hilfsmittel einzusetzen, um seine Zielezu erreichen. Diese Fähigkeit beginntsich während der ersten zwei bis achtLebensmonate zu entwickeln. In seinerfrühesten Form beinhaltet dieses ziel-orientierte Denken im Allgemeinen dasZusammenfügen einer Reihe von Hand-lungen, um ein Ziel zu erreichen, z.B. aneiner Schnur zu ziehen, um ein Spiel-zeug zu bekommen, das an dieserSchnur festgebunden ist.

Normalerweise zeigen sich Kinderzwischen zwei und acht Monaten sehrlernfähig, wenn sie – per Zufall – mer-ken, dass bei der Bewegung eines Arms

oder Beins eine Belohnung folgt (z.B. ei-ne Musik erklingt). Mit rund acht Mona-ten entdecken Kleinkinder, wie manuel-le Fertigkeiten eingesetzt werden kön-nen, um neue Ziele zu erreichen. So er-möglichen dann neue Fertigkeiten wieReichen und Greifen es dem Kind, eineganze Reihe unterschiedlicher Ziele zuerreichen. Diese neuen Strategien wer-den als Mittel benutzt, den erwünschtenEndzustand herbeizuführen.

Die Literatur über die Entwicklungdes handlungsorientierten Denkens beiSäuglingen und Kleinkindern mit Down-Syndrom beschreibt aber, dass dies ei-nen Bereich größter Herausforderungfür diese Kinder darstellt. In einer Stu-die über „Zufallslernen“ – (das eine Vor-stufe ist vom handlungsorientiertenDenken, nämlich sich die Wirkung sei-nes Handeln vorstellen zu können)schnitten drei Monate alte Säuglinge mitDown-Syndrom noch ähnlich gut ab wiesich regulär entwickelnde Kinder. Diesgalt sowohl für Aufgaben, wobei manein Bein bewegen muss, um eine Ver-stärkung zu bekommen, wie für dasLerntempo und die Merkfähigkeit.

Jedoch stellte das gleiche Untersu-chungsteam fest, dass einige Zeit späterbei neun Monate alten Kindern mit Down-Syndrom im Vergleich zu den an-deren Kindern das Zufallslernen deut-lich beeinträchtigt war. Die Autoren die-ser Studien geben an, dass bei Kindernmit Down-Syndrom während des erstenLebensjahrs die Fähigkeit des „Zufalls-lernens und der Konditionierung ab-nimmt“. Wenn das handlungsorientier-

Winken oder lachen,

aber keine Aufgaben

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Kinder mit Down-

Syndrom entwickeln

schon sehr früh eine

Reihe wirkungsvoller

Strategien, sich

charmant aus der

Affaire zu ziehen!

V E R S C H I E D E N E S

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 51

Jazzband „Together“ aus Österreich

Die Jazzband TOGETHER, ein Projekt der Landesmusik-schule Ried im Innkreis, besteht heuer fünf Jahre. DieBand unter der Leitung von Gerald Endstrasser kannseit ihrer Gründung auf über 50 öffentliche Auftritteverweisen, hat drei in Fachkreisen sehr beachtete CDsgemacht, war mehrmals Gast in Rundfunk und Fernse-hen – und hat auch für die Zukunft noch große Pläne.Das Rhythmusgefühl des Schlagzeugers Georg Jungwirthund die Idee, diese Begabung – auch als Beispiel dafür,was Menschen mit Behinderung leisten können – zu för-dern, waren 1999 eine spannende Herausforderung anden Musikpädagogen Endstrasser.

Eine Schlagzeugklasse an der Landes-musikschule Ried. Hier ist mit Ge-

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Gerald Endstrasser über die Gedan-ken, die ihm kamen, als er Georg ken-nen lernte: „Georg Jungwirth wurde ander Musikschule Ried i. I. wie jeder an-dere Schüler aufgenommen. Auf dieFrage seiner Mutter, ob ich eine Mög-lichkeit fände, ihn in Schlagzeug auszu-bilden, hatte ich zwei Gedanken dazu:Einerseits bekennt sich das Oberöster-

reichische Landesmusikschulwerk zurBreitenbildung. Damit meine ich, dassGroß und Klein, talentiert oder untalen-tiert aufgenommen werden soll. Ande-rerseits liegt es doch in der Pädagogikdes jeweiligen Lehrers, wie weit er im-stande ist, dem Schüler über Schwächen,hinwegzuhelfen. Und gerade dies warfür mich als Lehrer interessant.“

Und so entspann sich ein Unter-richtsverhältnis zwischen Georg, deraufgrund des massiven Einsatzes seinerEltern einer der ersten Schüler inOberösterreich war, der sowohl anVolks- wie Hauptschule Integrations-klassen besuchte und der inzwischen ineiner Geschützten Werkstätte arbeitet,und einem Schlagzeuglehrer, der über-

haupt nicht der extrem geduldige Typist, der sich aber pädagogisch und me-thodisch herausgefordert sah und zuimmer neuen unkonventionellen Lösun-gen fand, von denen inzwischen auchdie anderen Schüler der Klasse profitie-ren. Inzwischen lernen in der Endstras-ser-Klasse auch andere Schüler mit be-sonderen Bedürfnissen.

Die Landesmusikschule Ried im Inn-kreis unter Leitung von Edi Geroldingersteht der Einbindung von behindertenMenschen als Schüler/-innen der Lan-desmusikschule außerordentlich positivgegenüber. Befragt, wie viele behinder-te Musikschüler/-innen in der LMS Riedunterrichtet werden, erklärte Geroldin-ger, darüber gäbe es deswegen keinespezifischen Aufzeichnungen, weil dieSchüler/-innen mit Behinderung nichtanders behandelt würden als andereSchüler/-innen. Es gibt keine „Behin-dertenliste“!

Georgs musikalische Karriere aberhat einen besonderen Verlauf genom-men – gut, dass dessen musikalischesPotenzial erkannt wurde. Bei einem Fa-milienkonzert hatte sich ein Trio aus Ge-orgs Klarinette spielendem Vater, Georgan den Drums und seinem Lehrer am Pi-ano entwickelt – aus dieser Keimzellewuchs die fünfköpfige Gruppe Togetherheraus.

Die Jazzband „Together“ oder „integriert ist, wer gebraucht wird“

Jede Jazz-Formation braucht einenSchlagzeuger. Georg Jungwirth spieltSchlagzeug. Er spielt bei der Band „To-gether“ Schlagzeug. Er wird also ge-braucht, es geht nicht ohne Schlagzeu-ger. Und daher ist er genauso integriertwie die anderen Musiker. Dass er mitDown-Syndrom zur Welt gekommen ist,heißt nicht, dass er arm ist oder bemit-leidenswert. Er ist schlicht und einfachanders. Niemanden interessiert, was ernicht so gut kann. Tatsache ist, dass erein sehr ausgeprägtes Rhythmusgefühlhat, dass er der Coolste in der Band ist,keine Nervosität vor dem Auftritt kenntund sich am wohlsten fühlt, wenn ihmviele Leute zuhören.

Quelle:Musikschule – Wozu?, Prof. Dr. Peter Röbke

Flyer der Jazzband TogetherPresseinformationen

ERWACHSENE

50Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

ders. Sie hatte sich fest vorgenommen,dass sie ein College besuchen würde. Ih-re Eltern haben jahrelang gesucht, ehesie ein College gefunden haben, das sieaufnehmen wollte.

Im Becker College hat sie verschie-dene Assistenzdienste, einschließlichder Hilfe einer Nachhilfelehrerin undBe-raterin, die mit im Studentenwohnheimwohnt. Die wird von der Familie be-zahlt, damit sie zehn Stunden wöchent-lich mit Katherine arbeitet. Katherinehat Schwierigkeiten gehabt, am CollegeFreundschaften zu schließen. Sie hatauch einen Kurs wieder gestrichen, derzu viel auswendiges Lernen medizini-schen Vokabulars verlangte. Aber siehat schon einige Scheine und macht er-staunliche Fortschritte. Sie ist die ersteStudentin mit geistiger Behinderung amBecker College und hat dort Vorbild-funktion.

Für viele Colleges bedeutet die Auf-nahme von geistig behinderten Studen-ten gleich eine gute Möglichkeit, damitandere Studenten der Psychologie, derPädagogik und anderer sozialer FächerErfahrungen sammeln und direkt aufdem Campus eine Art Praktikum ma-chen können.

Die behinderten Studenten müssenteilweise doppelt so viele Studienge-bühren bezahlen, das Geld wird zumTeil für Tutoren und für die studenti-schen Assistenzkräfte verwendet.

Die Colleges sehen ihre Beteiligungan diesen Programmen als freiwilligeLeistung. Es ist noch nicht Teil eines of-fiziellen Bildungsprogramms oder derstaatlichen Bildungsverpflichtung.

Caroline Forsberg, Direktorin desBehindertenberatungsdienstes an derState University of New York, sieht die-se Programme sehr skeptisch. Sie zwei-felt daran, ob die behinderten Studentenwirklich irgendetwas in den normalenVorlesungen und Kursen lernen. „DieAssistenten und die Helfer machen amEnde doch die ganzen Aufgaben“, sagtsie, „die Studenten selber machen kaumetwas. Die bekommen bei weitem nichtdie Erfahrung und Ausbildung, wie dieEltern glauben.“

Der Direktor des Strive-Programmsbetont, dass ein Hauptziel des Pro-gramms darin besteht, die beteiligtenStudenten zu befähigen, ein weitge-hendst selbstständiges Leben zu führen.Sein Ziel ist es, die Kosten der staatli-chen Hilfen auf 5000 US-Dollar jährlich

zu reduzieren – im Vergleich zu den45000, die sonst aufgewendet werdenfür den durchschnittlichen behindertenErwachsenen. „Es ist ein kalkuliertes Ri-siko und basiert auf guten Ideen.“

Zusätzliches Kursprogramm für die „Striver“

An einem Donnerstagmorgen sammelnsich die Teilnehmer am Strive-Pro-gramm für einen Kurs, der zweimalwöchentlich stattfindet. Darin üben siedie Fähigkeiten, die sie brauchen, ummit dem Campusleben klarzukommenund das Beste aus ihren zwei Jahrendort herauszuholen. Fähigkeiten, die sieauch danach noch brauchen, wenn siewoanders weitermachen.

Der Tag fängt an mit einem „openstage“. Die meisten Studenten lesen einkurzes Gedicht oder eine Geschichtevor, die sie selber geschrieben haben.Jeff Goranites, 22, erfreut sein Publikummit einer Elvis-Presley-Imitation. Da-nach gibt es eine Reflektionsrunde, inder die Studenten erzählen, wie es ih-nen denn damit ergangen ist, vor Publi-kum zu sprechen. Danach erstellen siegeschriebene Stundenpläne, damit kei-ner eine Vorlesung oder einen Kursusverpasst.

Pablo Pineda ist der erste und bis jetzteinzige Europäer mit Down-Syn-

drom, der an einer Universität studierthat. 2004 schloss er an der Universitätin Malaga, Spanien mit gutem Erfolg einStudium in der Psychopädagogik ab,nachdem er davor schon das Diplom alsGrundschullehrer erworben hatte. Da-mals nach der Geburt von Pablo vor 31Jahren sagten die Ärzte seinen Eltern,er würde nur die einfachsten Dinge ler-nen können. Die Eltern glaubten diesnicht und haben Pablo von Anfang anzur Selbstständigkeit erzogen. Pablo be-suchte die Regelschule und wurde dortvon seinem Tutor, der fest an seineFähigkeiten glaubte, unterstützt.

Pablo arbeitet jetzt für Malagas Sozi-aldienst als Berater für Familien mit be-hinderten Kindern.

Sie sind alle hier und dort Schwierigkei-ten begegnet in ihrer Eingewöhnungs-phase am College. Christina Mailhot wareinmal sehr verletzt, als eine fremdeStudentin im Vorbeigehen „Vollidiot“gesagt hat. Ihre Mutter hätte gerne einöffentliches Verbot von solchen Beleidi-gungen den Behinderten gegenüber.

Noel Thompson hatte Schwierigkei-ten, als er sich um eine Stelle beim Cam-pus-Radio beworben hat – aber seineMutter hat von einer Intervention abge-sehen, um das Verhältnis zum Collegeallgemein nicht zu gefährden.

Zum größten Teil klappt das Pro-gramm aber sehr gut und die Studentengenießen ihre Zeit am College. Jeder derbehinderten Studenten belegt mindes-tens einen regulären Kursus pro Semes-ter, z.B. Chinesisch, Musik oder Psycho-logie.

Es ist schwer vorauszusagen, wieweit die einzelnen Studenten in ihrenakademischen Leistungen kommen wer-den, da die Bandbreite der Begabungenenorm ist. Aber es gibt sehr viel Enthu-siasmus und Motivation, und das ist dasWichtigste.

Quelle: The Chronicle of higher Education,11.02.2005

Pablo Pineda studierte in Malaga

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PSYCHOLOGIE

24Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

te Denken teils auf Zufallslernen auf-baut, könnte dies der frühe Beweis fürdie diesbezüglich atypische Entwicklungbei Down-Syndrom sein.

Weitere Studien fanden ebenso Be-weise über einen atypischen Verlaufdieses Entwicklungsbereichs. So wurdeu.a. festgestellt, dass die Kinder längerbrauchten, um von Stufe V (an einerSchnur ziehen, um ein Spielzeug zu be-kommen) zu Stufe VI (gezieltes Vorge-hen, beim Hereingeben einer Kette in ei-ne Tasse) zu gelangen. Dieser verlang-samte Übergang von der einen in dienächste Stufe war jedoch nicht deutlichin anderen Bereichen, wie bei der Ob-jektpermanenz oder der Imitation vonGesten. Verzögerung bei der Entwick-lung desinstrumentellen Denkens imSäuglingsalter kann die Ursache sein fürdie später auftretenden spezifischenSchwierigkeiten, Strategien zur Pro-blemlösung zu entwickeln.

Aus verschiedenen Studien geht her-vor, dass während die unterschiedli-chen sensomotorischen Entwicklungs-bereiche sich mehr oder weniger gleich-mäßig weiterentwickeln, das zielorien-tierte Denkeneinen atypischen und ver-langsamten Entwicklungsweg folgt.

Auch nach der Säuglingszeit gibt esBeweise dafür, dass die Fähigkeit, Hilfs-mittel einzusetzen, um ihre Ziele zu er-reichen, bei Kindern mit Down-Syn-drom weiterhin verzögert ist. Ruskin etal. 1994 berichten, dass Kleinkinder inihrer Studie bedeutend weniger zielge-richtete Handlungen ausführten, um einbestimmtes Ziel zu erreichen (z.B. Klöt-ze durch passende Löcher stecken), alsnicht beeinträchtigte Kinder im gleichenEntwicklungsalter.

Ähnlich fand auch unser Team her-aus, dass diese Kinder weniger guteStrategien entwickelten, z.B. um dasProblem zu lösen, wie sie einen ge-

wünschten Gegenstand aus einer Plas-tikbox holen konnten. Nicht nur im Ver-gleich zu Kindern, die sich normal ent-wickelten, sondern auch zu Kindern mitanderen Lernverzögerungen.

Weiter fiel auf, dass Kinder mit Down-Syndrom weniger Freude an kau-salen Zusammenhängen zeigten und ei-nen viel weniger positiven Gesichtsaus-druck hatten während solcher zielge-richteter Handlungen als andere Kin-der. Es ist anzunehmen, dass diesefreudlose Beschäftigung mit Aufgaben,bei denen strategisches Denken erfor-derlich ist, eine wichtige Rolle bei derEntwicklung des Motivationsverhaltensspielt.

Primäre phänotypische Folge: das soziale Funktionieren/Verhalten

Zu der Entwicklungsverzögerung im in-strumentellen Denken bei kleinen Kin-dern mit Down-Syndrom kommen rela-tive Stärken im sozial-emotionalen Be-reich. Schon im Alter von drei Jahrenzeigen viele dieser Kinder deutlicheStärken im sozialen Funktionieren, ge-messen mit der Vineland Adaptive Be-havior Scales. Einige Studien gebenzwar an, keine großen Unterschiede imTemperament zwischen Kindern mitund ohne Down-Syndrom feststellen zukönnen, viele andere dagegen berich-ten, dass Kleinkinder mit Down-Syn-drom öfter eine aufgeweckte Stim-mungslage haben, mehr auf Musik an-sprechen und weniger anstrengend sindals gleichaltrige andere Kinder.

Die gute visuelle Imitation von Klein-kindern mit Down-Syndrom wird be-schrieben als der Beweis einer „ange-borenen sozialen Kompetenz“. Was dasfrühe Anschauen betrifft, stellt Crown etal. (1992) fest, dass diese Babys ihreMütter länger anschauen als Säuglinge,die sich normal entwickeln, sogar schonim Alter von vier Monaten. Dieses Ver-halten kann die Kontaktaufnahme zuanderen Menschen begünstigen. Die Er-gebnisse wurden bestätigt in einer Stu-die von Gunn et al., die erwähnt, dasssechs bis neun Monate alte Babys mitDown-Syndrom fast die Hälfte ihrer In-teraktionszeit damit verbrachten, ihreMütter anzuschauen, und eine Studievon Kasari et al. erwähnt, dass die Kin-der während unsicherer Situationenvermehrt ihre Eltern anschauen.

Aber ... die Kinder nützen dieses in-tensive Anschauen nicht als ein Mittel

zum Zweck, um Informationen zu be-kommen.

Weitere Zeugnisse sozialer Kompe-tenz bei Säuglingen sind der verstärkteEinsatz von melodischen, vokalischenund emotionalen Lauten. Schon vierMonate alte Babys mit Down-Syndromlautieren, wenn sie mit Personen (nichtjedoch mit Objekten) interagieren. Die-se soziale Kompetenz scheint währendder ganzen Kleinkindzeit bis in die Vor-schuljahre anzudauern.

Mit 17,5 Monaten zeigen Kinder mitDown-Syndrom ähnliche Reaktionen inder Interaktion mit der Mutter wie sichnormal entwickelnde Kinder. In einer„fremden Situation“ wirken 24 Monatealte Kinder mit Down-Syndrom sehr be-unruhigt, wenn ihre Mütter nicht dasind, sie weinen dann häufig, macheneinen unglücklichen, ängstlichen Ein-druck und schauen häufig zur Tür – Ver-haltensweisen, die man auch bei ande-ren Kindern beobachten kann.

In verschiedenen Bereichen, wie inbestimmten nonverbalen sozialen Inter-aktionen, beim Rollenspiel oder in Spie-len, wobei man sich abwechselt, zeigenKinder mit Down-Syndrom deutlicheStärken im Vergleich zu Kindern ohneSyndrom.

Ein weiterer interessanter Aspekt imsozial-emotionalen Verhalten ist dieFähigkeit, positive Gefühle zu vermittelndurch das wiederholte Zeigen der Emo-tionen, z.B. durch Anlachen und Lächeln.Dies bestätigen verschiedene Studien.Vermehrtes Lachen und Lächeln wurdeauch bei älteren Kindern und Teena-gern mit Down-Syndrom festgestellt.

Bruch in der Entwicklung der bewussten Kommunikation

Sobald frühe kognitive und soziale Fer-tigkeiten entstehen, überschneiden siesich mit der Entwicklung von nonverba-len Kommunikationsfertigkeiten. Kin-der fangen normalerweise mit neun bis13 Monaten an, bewusst zu kommuni-zieren. Sie tun das z.B. im gemeinsamenSpiel, wobei die Aufmerksamkeit desKindes und des Erwachsenen auf dasgleiche Spielzeug gerichtet ist, oder beider Entwicklung ihres Frageverhaltens.Bei dieser bewussten Kommunikationhat man einen wichtigen Unterschiedzwischen Kindern mit Down-Syndromund Kindern ohne Behinderung odermit einer anderen geistigen Behinde-rung festgestellt.

Babys mit Down-Syndrom schauen ihre Mütter

länger und intensiver an als andere Babys

M E D I Z I N

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 21

erreichten Lebensalters zu verzeichnen,gleichzeitig eine bedeutende Abnahmeder Todesfälle von Kindern mit Down-Syndrom unter fünf Jahren.

Es gab diesbezüglich wenig Unter-schiede bei den verschiedenen Ge-schlechtern, das Sterbealter bei Män-nern und Frauen mit Down-Syndromwar fast gleich. Wohl gab es erheblicheUnterschiede beim erreichten Lebensal-ter, wenn man die weiße mit derschwarzen Bevölkerung verglich odermit Menschen anderer ethnischer Grup-pen.

Todesursachen

Insgesamt wurden 17 medizinische Pro-bleme als Todesursache bei Menschenmit Down-Syndrom aufgelistet. Auf denSterbeurkunden wurden als Todesursa-che angeborene Herzfehler, Demenz, ei-ne Unterfunktion der Schilddrüse, Epi-lepsien, Lungenentzündung, Grippe,Hepatitis und Leukämie eindeutig häu-figer genannt als bei Menschen ohne dasSyndrom.

Sehr häufig wurde in der Alters-gruppe von 40 bis 49 Jahren Demenz alsTodesursache genannt, jedoch kam diesbei den unter 40-Jährigen und bei denüber 60-Jährigen viel weniger vor.

Probleme mit den Atemwegen, Lun-genentzündung oder Grippe als Todes-ursache nahmen mit dem Alter zu.

Bei Kindern mit Down-Syndrom un-ter zehn Jahren stand dreimal häufigerLeukämie auf der Sterbeurkunde als beiKindern ohne das Syndrom. Mit zuneh-mendem Alter nahm Leukämie als To-desursache ab und wurde nach dem 40.Lebensjahr nicht mehr genannt.

Im Gegensatz zur Leukämie wurdenandere Formen von Krebs viel wenigererwähnt als erwartet. Dies galt für alleAltersgruppen, für beide Geschechterund für alle drei ethnischen Bevölke-rungsgruppen.

Es gibt verschiedene Begründungen,weshalb Menschen mit Down-Syndromweniger anfällig sind für bösartige Tu-more. Erstens wird erwähnt, dass sieweniger gefährdet sind durch Umwelt-faktoren, wie Tabak, Alkohol oder dasAusüben bestimmter Berufe, die zu ei-nem erhöhten Krebsrisiko beitragen.

Eine andere Möglichkeit wären Geneauf dem Chromosom 21, die der Ent-wicklung von Tumoren entgegenwir-ken.

Außerdem wurde diskutiert, ob die Tat-sache, dass die Zellen von Menschen mitDown-Syndrom sich weniger schnell ver-mehren, eine mögliche Ursache seinkönnte. Dieser verlangsamte Prozesskann sich auch auf das Entstehen vonbösartigen tumorbildenden Zellen be-ziehen.

Die Autoren der Studie weisen dar-auf hin, dass die Daten aus Sterbeur-kunden nicht immer korrekt und voll-ständig sind, dies gilt in gleichen Maßenauch für Sterbeurkunden von Menschenmit Down-Syndrom. Auch ist es nichtganz sichergestellt, ob alle Todesfällebei Down-Syndrom erfasst wurden.

Es wurde (auf Grund der Zahlen aus17 verschiedenen Bundesstaaten) ange-nommen, dass das Down-Syndrom auf10000 Geburten bei 9,2 lebend gebore-nen Kindern auftritt. In einer stabilenGesellschaft, in der sich Geburtsrate undSterberate die Waage halten und Migra-tion ausgeklammert wird, wurde beiMenschen mit Down-Syndrom nur 61 %der erwarteten Todesfälle festgestellt.Dies ist darauf zurückzuführen, dassdiese Menschen während der letzten 20Jahre immer älter wurden und dasdurchschnittliche Lebensalter steigtnoch immer an.

So sind zunächst bei Down-Syndromerheblich weniger Todesfälle als Gebur-ten (auch wenn diese Zahl durch präna-tale Diagnostik und selektive Schwan-gerschaftsabbrüche auch rückläufig ist)zu verzeichnen, bis dort ein neuesGleichgewicht entsteht. Die Gesamtzahlder Menschen mit Down-Syndromnimmt also vorläufig noch zu.

Quelle:Quanhe Yang, Sonja A. Rasmussen,

J.M. FriedmanMortality associated with Down’s syndrome in

the USA from 1983 to 1997The Lancet, Vol 359, March 23, 2002

Zöliakie und Psychose

Über die Zusammenhänge zwischenZöliakie und psychiatrischen/psy-

chologischen Auffälligkeiten wurde inder medizinischen Literatur in letzterZeit verschiedentlich berichtet. Da Zö-liakie eine medizinische Komplikation

ist, die bei Menschen mit Down-Syn-drom vermehrt auftritt (siehe auch Arti-kel Dr. Storm Seite 18), sollten diese Zu-sammenhänge auch bei dieser Patien-tengruppe berücksichtigt werden.

So erschien in La Presse Médicale,2002; 31 .1551-3 ein Fallbericht übereine Frau mit Down-Syndrom, die ver-schiedene psychiatrische Probleme hat-te und bei der eine so genannte stille Zö-liakie diagnostiziert wurde. Auch beiden letzten Down-Syndrom-Kongressenwurde mündlich über einige ähnlicheFälle berichtet.

La Presse Médicale zufolge wurdenbei einer 41-jährigen Frau, die noch zuHause bei ihren Eltern wohnte und diebis dahin unauffällig war, relativ plötz-lich Depressionen, Halluzinationen, An-orexia und autistische Verhaltenswei-sen festgestellt. Ein erhöhter Titer derGliadin-Antikörper im Blut wies auf Zö-liakie hin, die Darmbiopsie bestätigtedies jedoch nicht. Deshalb wurde einestille Zöliakie angenommen. Zwölf Mo-nate später mit einer glutenfreien Diätkonnte eine dauerhafte Verbesserungsowohl der psychotischen Symptome alsauch der Depression festgestellt wer-den.

Eine abweichende Interaktion zwi-schen Immunsystem und Gluten hatnicht nur Folgen für den Darm (als Zö-liakie, sondern kann sich auch – vor al-lem bei Personen, die dazu genetischdisponiert sind, wie diejenigen mit Down-Syndrom – im Gehirn auswirken(als Psychose). Bei dieser Patientin wur-de dieser Zusammenhang eindeutignachgewiesen.

Schlussfolgerung

Dieser Fall zeigt, dass bevor man psy-chische Auffälligkeiten bei einer Personmit Down-Syndrom als Folge einer Alz-heimer-Erkrankung oder Demenz an-nimmt, eine Untersuchung nach Zölia-kie nützlich sein kann. Falls nämlich tat-sächlich diese Diagnose zutrifft, könnteeine glutenfreie Ernährung die Sympto-me einer psychiatrischen Störung ver-bessern oder können diese Symptomeganz verschwinden.

Quelle:J. Serratrice, P. Disdier, Kaladjan et al.

Psychose rélévant une maladie coeliaquesilencieuse chez une jeune femme ayant

une trisomie 21La Presse Medical 2002; 31:1551-3

ERWACHSENE

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200549

investieren alles, um ihren Kindern jedemögliche Förderung zukommen zu las-sen; Physiotherapie, Ergotherapie, Lo-gopädie, sie kämpfen um Integration imSchulsystem schon von Kindergartenta-gen an. Aber mit dem Beenden des Schul-systems im Alter von spätestens 21 Jah-ren enden auch sämtliche vom Staatvorgesehenen Bildungsmaßnahmen.

Menschen mit Down-Syndrommöchten gerne weiterlernen

Junge Menschen mit Down-Syndromkönnen zwar auch an der „GraduationCeremony“ teilnehmen wie alle anderenMitschüler, aber sie bekommen keinvollständiges Schulabschlusszeugnis,das gleichwertig wäre mit dem andererSchulabsolventen. Ihr „Graduation Pa-per“ ist ein „Zertifikat der Anwesenheit“oder ein „Zertifikat über hervorragendeLeistungen“ und spiegelt ihre jeweiligenindividuellen Leistungen wider.

Viele von den betroffenen jungenMenschen lernen gerne und vermissendie Möglichkeit, nach der Schule weiter-zumachen. Eine von diesen jungenMenschen ist Christina Mailhot. IhreMutter beobachtete voller Sorge ihreEntwicklung, als sie mit der Schule fer-tig war. Christina fand eine Arbeit alsEinpackerin im Supermarkt, war dortsehr unglücklich und verfiel in Depres-sionen. Als alleinerziehende Muttermachte sich Frau Mailhot große Sorgen,denn der Job als Einpackerin würde ih-re Tochter, wenn sie selber nicht mehrda wäre, in der Zukunft nicht ernährenkönnen.

Christina wurde als eine von sechsStudentinnen vom Strive-Programm an-genommen – 65 hatten sich beworben.An der Universität teilt sich Christinaein Appartment mit einer anderen Stu-dentin aus dem gleichen Programm undmit einer Beraterin, die dafür sorgt, dassChristina kochen lernt und ihre Rech-nungen pünktlich bezahlt. Sie besuchtbesonderen Unterricht, der ihr hilft, sichan das Campusleben anzupassen. Siebesucht außerdem Deutschunterricht,um die Muttersprache ihrer Mutter zulernen.

Christina hofft, eines Tages als Ver-fechterin für die Anliegen von Menschenmit Behinderungen eine Karriere ma-chen zu können. „Ich glaube, dass diemeisten Menschen überhaupt nicht wis-sen, dass wir auch ein Gehirn haben,wir sind genauso normal wie alle ande-

ren auch, und das müssen sie akzeptie-ren!“, sagt Christina.

Irvin Shapell, ein Herausgeber vonBüchern über Kinder mit Behinderun-gen, war maßgeblich an der Gründungund Entwicklung des Strive-Programmsbeteiligt. Sein behinderter Sohn Jakewar damals 21.

„Ich wollte, dass Jake die gleichenChancen bekommt wie seine Geschwis-ter, dass er einen Job bekommt und dieAnerkennung, die ihm wichtig ist. Ichwollte, dass er in einer Gemeinde lebt,mit richtigen Nachbarn, genauso wie Sieund ich.“ Jake starb viel zu früh an denFolgen einer Herzentzündung. Sein Va-ter ist beim Programm geblieben undkämpft weiter um bessere Bildungs-chancen für Menschen mit geistiger Be-hinderung. „Colleges sollten einsehen,dass sie diesen Menschen nie eine Chan-ce gegeben haben; dies sollten siewenigstens tun“, sagt er.

Zusammen mit Gleichaltrigen

Eine wichtige Überlegung in der Ent-wicklung der Bildungsprogramme ist,dass junge Menschen zwischen 18 und25 Jahren nicht mehr in den HighSchools unter 14-Jährigen sitzen wol-len. Auch wenn der Inhalt des Lernstof-fes der gleiche wäre – es ist einfach nichteine altersadäquate Umgebung für jun-ge Erwachsene. Unter Gleichaltrigen aufdem Campus ist die Situation sofort ei-ne völlig andere.

Qualifizierter Abschluss?

Nur sehr wenige Colleges bieten dieMöglichkeit für geistig behinderte Stu-denten, „Scheine“ zu erwerben. Diemeisten schaffen nur die Möglichkeit,Kurse zu besuchen, ohne offizielle An-erkennung. Eine Ausnahme ist dasCommunity College of Baltimore Coun-ty. Es bietet ein Zwei-Semester-Pro-gramm in Childcare (Kinderversorgung)an. Die Kurse sind speziell für geistig Be-hinderte konzipiert, die Praktika laufenunter engmaschiger Aufsicht und derAbschluss ist ein staatlich anerkanntesZertifikat als Kinderbetreuerin.

Melissa Silvermann ist eine von zweiMenschen mit Down-Syndrom, die 2003erfolgreich das Programm abgeschlos-sen haben. Sie arbeitet inzwischen alsHelferin in einem Frühförderzentrum inder Nähe ihrer Wohnung. Sie verdientnur sechs Dollar die Stunde (auch in denUSA wenig), aber sie genießt die Arbeitmit Kindern. „Ihre staatliche Anerken-nung hat ihr Türen geöffnet und Mög-lichkeiten gegeben, die sie sonst nichtgehabt hätte“, sagt ihre Mutter.

In einigen wenigen Fällen habenMenschen mit geistiger Behinderung einCollege besucht ohne die Unterstützungdurch ein besonderes Programm. Ka-therine Apostolides, eine 21-Jährige ausPittsburgh mit Down-Syndrom und ei-ner sehr starken Lernbeeinträchtigung,ist eine davon. Sie besucht das BeckerCollege in Massachusetts.

Ihre Eltern haben von Anfang andarauf bestanden, dass Katherine einenormale Schule besucht. „Meine Freun-de und Verwandten dachten, ich binverrückt. Sie dachten, ich akzeptiere dieTatsache nicht, dass meine Tochter geis-tig behindert ist“, sagt ihre Mutter.

Katherine hat ein Graduation-Di-plom an ihrer High School erworben,dort hat sie auch für die Schulzeitunggeschrieben und war bei den Cheerlea-

Miguel Martin Cifre, kein amerikanischer

Student, sondern ein selbstbewusster junger

Mann aus Mallorca, der zurzeit eine Lehre

zum Hilfskoch bei ASNIMOmacht.

Beim Kongress war er zuständig für das

Kuchenangebot.

52 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

W O H N E N

Juni dieses Jahres zog unsere 25-jähri-ge Tochter Karen in eine eigene Woh-

nung. Sie benutzt das Modell „sharedownership“ von einer Housing Associa-tion, das ihr mehr Sicherheit gibt, alswenn sie einen regulären Mietvertraghätte. Karen bekommt von der Sozial-verwaltung Geld in einen Fonds einge-zahlt. Mein Mann, mein Bruder und ichsind die Verwalter. Um selbstständig zuwohnen, hat Karen Unterstützung vonvier Assistentinnen, jede von ihnen ar-beitet zirka 19 Stunden in der Woche,sie werden aus dem Fonds bezahlt.

Von 1997 bis 2000 besuchte Karendas Derwen College in Shropshire, wosie enorm viele neue Fertigkeiten ge-lernt hatte, sowohl im sozialen wie imkognitiven Bereich. Dort machte sieauch zum ersten Mal die Erfahrung, wiees ist, nicht mehr zu Hause zu wohnen,genau wie ihre Schwester, die drei Jah-re lang zwecks Studium in einer ande-ren Stadt lebte.

Ein Jahr nachdem Karen aus Der-wen zurückkam, zog sie zusammen miteinem jungen Mann mit Down-Syndromin eine Dreizimmerwohnung. Es gab so-wohl einen Nachtdienst (sleep-in) wieeinen Tagesassistenten, die von unter-schiedlichen Organisationen vermitteltwurden. Nach neun Monaten scheitertedieses Experiment.

Wir schauten uns dann einige Wohn-gruppen an und realisierten schon bald,dass so ein Modell – mit drei, vier odermehr Personen, nur auf Grund eines ge-meinsamen niedrigen IQ, zusammen ineine Wohngruppe „gesteckt“ zu werden– für Karen keine gute Basis sein konn-te, langfristig erfolgreiche Beziehungenaufzubauen. Karen selbst war auch garnicht interessiert.

Die eigene Wohnung gibt Karen jetztdie Möglichkeit, vollständig unabhängigzu sein. Karen ist eine ganz normale,durchschnittliche junge Dame mit Down-Syndrom. Sie braucht jemanden in derNähe während der Nacht und siebraucht jemanden, der ihr hilft beim Ko-

chen, beim Umgang mit Geld, beim Or-ganisieren ihrer Freizeitaktivitäten. Je-den Morgen verlässt sie um halb neunihre Wohnung und fährt selbstständigmit dem öffentlichen Verkehr zum Col-lege. Bald nachdem sie nachmittagswieder zu Hause ist, kommt eine ihrervier Assistentinnen, begleitet sie zu ih-rer Jugendgruppe und hilft ihr bei al-lem, wofür sie Hilfe braucht.

Drei Teammitglieder sind Studentin-nen, eine macht eine Ausbildung alsHeilerziehungspflegerin, eine lernt Er-gotherapeutin und die Dritte studiertSprachen. Die Vierte ist eine erfahreneSozialpädagogin, die Karens Unabhän-gigkeit enorm positiv gegenüberstehtund sie begeistert fördert.

Wir empfinden es als einen Vorteil,dass die Assistentinnen jeweils nur Teil-zeit arbeiten. Sie sind einfach „frischer“und sehen manches aus einer anderenSicht als Fachleute, die Vollzeit inWohngruppen arbeiten.

Was ist Unabhängigkeit?

Unabhängigkeit bedeutet nicht, dassder Mensch mit einer Einschränkung je-den einzelnen Handgriff selbst aus-führen können muss. Es betrifft viel-mehr die Art und Weise, wie die Personwohnt und dass sie die Möglichkeit hat,eigene Entscheidungen zu treffen. Ka-ren bestimmt selbst, was sie essenmöchte oder wie sie ihre Freizeit gestal-tet, um nur einige der Entscheidungenzu nennen, die tagtäglich getroffen wer-den müssen. Ein weiterer Vorteil vondem direct payment (persönliches Bud-get) war, dass Karen (mit Hilfe ihres Be-treuers und von uns) die Menschen, diebei ihr arbeiten sollten, selbst befragenund auswählen konnte. Auch die ganzeEinrichtung ihrer Wohnung hat sieselbst ausgesucht.

Eigene Wohnung, nicht zu nah undnicht zu fern

Karen wohnt nur fünfzehn Minuten zuFuß von uns entfernt, so sind wir nahegenug, dass wenn notwendig, wir gleich

da sind, aber weit genug, dass Karennicht einfach hier ihre Wäsche ablädt,damit ich das übernehme.

Große Fortschritte

Wir staunen, welche Fortschritte Karenin den vier Monaten seit sie ausgezogenist, gemacht hat. Als sie in ihre Woh-nung zog, beschränkten sich ihre Kennt-nisse was Technik anbelangt auf das Be-dienen eines Videorecorders, eines CD-Players und einer Mikrowelle, wobei je-mand ihr noch sagen musste, wie vieleMinuten eingestellt werden sollten.

Sie hatte keine Ahnung, wie man ei-ne Waschmaschine bedient, noch konn-te sie allein etwas kochen, außer viel-leicht eine Fertigsuppe.

Kürzlich hatte eine ihrer Assisten-tinnen sich verspätet und ich konnte un-möglich einspringen, so musste Karendie Zeit allein überbrücken. Als die As-sistentin bei Karen ankam, hatte sie dieWaschmachine schon angemacht undallein eine ganze Mahlzeit vorbereitet.Sie hatte Kartoffeln geschält, gekochtund einen Kartoffelbrei gemacht, Gemü-se gekocht und Fisch gegrillt, alles aufihren Rollwagen gestellt, ins Esszimmergerollt und den Tisch gedeckt. Zwei Wo-chen später erzählte eine andere Assis-tentin, dass Karen nun auch angefangenhat, selbstständig ihre Kleider zu bü-geln.

Wenn ich mit Karen telefoniere, binich beeindruckt, wie ihre Sprache sichverbessert hat. Wissend, dass sie für daseigene Telefon verantwortlich ist undsich auch Menschen verständlich ma-chen muss, die nicht an ihre sonst ver-waschene Sprache gewöhnt sind, hatdazu geführt, dass sich ihre Artikulati-on, ihre Grammatik und die Fähigkeit,sich auszudrücken, sehr gebessert ha-ben.

Freilich hat es während dieser vierMonate einige Unregelmäßigkeiten, Kopf-zerbrechen und haarige Momente gege-ben, aber das waren eigentlich allesKleinigkeiten. Karens Selbstbewusst-sein und ihr Gefühl von Humor sind in-dessen enorm gewachsen.

Quelle: Journal, Down’s SyndromeAssociation, Issue 107, Winter 2005.

Mit freundlicher Genehmigung der DSA.

Karen zieht in eine eigene Wohnung– weitergehen und gehen lassenCathy Slater

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20 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Lebenserwartung und Todesursachenbei Down-Syndrom

Down-Syndromund Krebs

Mehr Leukämie, aber kaum andereFormen von Krebs bei Menschenmit Down-Syndrom

Prof. Dean Nizetic hielt beim Kongressin Genua einen Vortrag zum ThemaKrebs bei Menschen mit Down-Syn-drom. Hier eine kurze Zusammenfas-sung seines Beitrags.

Es scheint ein komplizierter Zusam-menhang zu bestehen zwischen demChromosom 21 und dem Auftreten vonKrebs. Dies geht schon deutlich hervoraus der bekannten Tatsache, dass Men-schen mit Down-Syndrom ein 20 Malhöheres Risiko haben, im Kindesalteran Leukämie zu erkranken.

Paradoxerweise jedoch scheint dieTrisomie 21 vor der Entwicklung vonKarzinomen zu schützen. Bei Kindernmit Down-Syndrom werden Neurobla-stomen und Nephroblastomen sehr sel-ten beobachtet. Ebenso findet man beiErwachsenen mit Down-Syndrom sehrselten Unterleibskrebs, Brustkrebs oderMagen-/Darmkrebs. Im Vergleich mit dereuploiden (mit dem üblichen Chromoso-mensatz ausgestatteten) Bevölkerungsind diese Krebsarten deutlich unterre-präsentiert.

Dies wurde in sechs unterschiedli-chen, voneinander unabhängigen Studi-en aus Frankreich, Dänemark, Japan,Großbritannien, den USA und Israelfestgestellt.

Eine amerikanische Studie über dieTodesursachen von vielen Millionen US-Bürgern – davon ca. 18000 mit Down-Syndrom – stellte verblüffende Unter-schiede fest. Verglichen nach Alter undGeschlecht ist die Wahrscheinlichkeitfür eine Person mit Down-Syndrom, anirgendeiner Form von Gewebekrebs zusterben, um 50 bis 100 Mal niedriger.Diese epidemischen Daten weisen dar-auf hin, dass das Chromosom 21 Geneenthält, die die Entwicklung von solidenTumoren zu unterdrücken scheinen.

Wenn man herausfinden könnte,was genau Menschen mit Down-Syn-drom davor schützt, bösartige Tumorezu bekommen, könnten diese Kenntnis-se für neue therapeutische Strategienfür alle Krebspatienten genutzt werden.

Eine Studie, die Anfang Februar im„Journal of the National Cancer In-

stitute“ erschien, berichtete, dass dieHeilungschancen für an Leukämie er-krankte Kinder mit Down-Syndrom sehrgut wären im Vergleich zu denen ande-rer Kinder. Es handelt sich hierbei umeine bestimmte Form von Leukämie(AMkL), die Form, die am häufigsten beikleinen Kindern mit Down-Syndromauftritt. Die Behandlung mit Chemothe-rapie ist bei dieser Kindergruppe viel er-folgreicher als bei Kindern ohne Down-Syndrom – die Überlebenschancen sindhöher und sie erleben weniger Rückfälle.

Zurückzuführen sei dies, nach Dr.Yubin Ge vom Karmanos Cancer Institutin Detroit, auf eine bestimmte Genmu-tation, die man bei fast allen Kindernmit Down-Syndrom und AMkL feststel-len konnte. Kinder ohne Down-Syn-drom und Leukämie haben diese Gen-mutation nicht. So wurden bei 14 von16Babys mit Down-Syndrom (davon wa-ren zwölf AMkL-Patienten) die GATA1Mutation festgestellt. Bei den 56 ande-

ren Patienten mit Leukämie war die Mu-tation nicht vorhanden. Es handelt sichum das 40-kDA GATA1 Protein, vondem man annimmt, dass es für den Un-terschied bei den Heilungschancen ver-antwortlich ist.

Laboruntersuchungen zeigten, dassdurch die GATA1 Mutation das Medika-ment, das bei Leukämie eingesetzt wird,bei Kindern mit Down-Syndrom besserwirkt. Zellen mit einem normalen GATAProtein waren zwischen acht und 17Mal weniger empfänglich für dieses Me-dikament.

Aber die GATA1 Mutation ist einzweischneidiges Schwert. Es trägt zwareinerseits dazu bei, dass die kleinenLeukämiepatienten bessere Heilungs-chancen haben, die Wissenschaftler inDetroit nehmen aber an, dass sie gleich-zeitig das Risiko erhöht, überhaupt Leu-kämie zu bekommen.

Quelle:Ge, Y. Journal of the National

Cancer Institute. Feb. 2, 2005; vol 97: S. 226-231

In einer Studie aus den USA von 1983bis 1997 (wie im vorgehenden Artikel

schon erwähnt) wurden das Sterbealterund die Todesursachen bei Menschenmit Down-Syndrom näher untersucht.

Der Hintergrund dieser Studie war,dass obwohl das Down-Syndrom die amhäufigsten vorkommende Form einermentalen Behinderung darstellt, es re-lativ wenig aktuelle Informationen überdie Sterblichkeitsziffer und die Todesur-sachen bei Menschen mit Down-Syn-drom gibt. Für die Studie wurden die Da-ten von Sterbeurkunden genutzt, die inden USA zwischen 1983 und 1997 aus-gestellt wurden. Mit Hilfe dieser Datenkonnten das durchschnittliche Sterbeal-ter und die verschiedenen gesundheitli-chen Probleme, die bei dieser Zielgrup-pe zum Tod führten, ermittelt werden.

Durchschnittsalter dramatisch gestiegen

Die Studie umfasste über 32 MillionenTodesfälle, davon 17897 von Personenmit Down-Syndrom. Die Verteilung überdie verschiedenen Rassen wurde ange-geben mit 87 % Weiße, 11 % Schwarzeund 2 % andere Rassen.

Bei den 17897 Personen in der Stu-die, die Down-Syndrom hatten, war dasdurchschnittliche Lebensalter von 25Jahren 1983 auf 49 Jahre 1997 ange-stiegen. Das ist eine Zunahme von 1,7Jahre pro Jahr. Ein Vergleich zu derübrigen Population: Hier stieg das Alterwährend dieser fünfzehn Jahre von 73auf 76 Jahre an, also ein Zuwachs voninsgesamt nur drei Jahren.

Vor allem in den frühen 90-er Jah-ren war eine dramatische Zunahme des

Bessere Heilungschancen bei Leukämiefür Kinder mit Down-Syndrom

GENETIK

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200517

Glossar

Amniozentese = Fruchtwasseruntersuchung. Aus der Fruchtblase (Am-nionhöhle) der schwangeren Frau wird eine geringe Menge Fruchtwasser ent-nommen. Darin befinden sich Zellen des Fötus und der Mutter. Die fetalen Zel-len werden extrahiert und ausreichend vermehrt, um anschließend einer DNA-Analyse und einer Analyse der Chromosomen unterzogen zu werden, wodurchsich Erbkrankheiten und Chromosomenanomalien wie die Trisomie 21 fest-stellen lassen. Darüber hinaus erlaubt die Untersuchung des Fruchtwassers(zumindest ab dem zweiten Schwangerschaftstrimenon) die Bestimmung wei-terer Kennwerte. In der Regel werden Amniozentesen ab der 15. Schwanger-schaftswoche durchgeführt. Sie sind aber auch bereits ab der 10. Woche mög-lich (Frühamniozentesen), wobei zu diesem Zeitpunkt allerdings ein erhöhtesVerletzungsrisiko für den Fötus besteht.

Chorionzottenbiopsie (auch Chorionbiopsie) = Untersuchung fetaler Zellendurch Entnahme von Proben aus den Zotten der Chorionhaut, die später diePlazenta bildet. Der Eingriff findet in der 7. bis 12. Schwangerschaftswochestatt. Die Untersuchung der gewonnenen fetalen Zellen ähnelt dem Vorgehenbei der Amniozentese.

Inzidenz (in diesem Kontext) = Anteil von neugeborenen Säuglingen mit ange-borenen Behinderungen an der Gesamtzahl der Geburten in diesem Jahrgang.

Metaanalyse = systematische Auswertung der statistischen Daten einer größe-ren Anzahl von Studien mit dem Ziel, belastbarere Aussagen über einen Sach-verhalt treffen zu können, als dies durch die einzelnen Primärstudien alleinmöglich wäre.

Prävalenz (in diesem Kontext) = Anteil von Menschen mit angeborenen Behin-derungen an der Gesamtpopulation.

Selektiver Abort (auch: elektiver ~, therapeutischer ~) = Schwangerschaftsab-bruch aufgrund einer Fehlbildung des Fötus oder eines sonstigen positiven Be-fundes in einer vorgeburtlichen Untersuchung.

Sensitivität = Anteil an Merkmalsträgern, die durch eine Untersuchung korrekterkannt werden.

Sonographie = Ultraschalluntersuchung.

Spezifität = Anteil an Nicht-Merkmalsträgern, die durch eine Untersuchungkorrekt als nicht betroffen eingestuft werden.

Trimenon = Zeitraum von drei Monaten. Bei einer Schwangerschaftsdauer vondurchschnittlich 266 Tagen von der Empfängnis (post conceptionem) bis zurGeburt entspricht ein Trimenon in etwa einem Schwangerschaftsdrittel.

Triple-Test = umstrittene Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung, bei der aufder Basis der Konzentration dreier verschiedener Schwangerschaftshormoneim mütterlichen Blut (±Fetoprotein, unkonjugiertes Ostriol, humanes Cho-riongonadotropin) Wahrscheinlichkeitsaussagen über das Vorliegen einerChromosomenaberration oder eines Neuralrohrdefekts getroffen werden. Auf-grund gravierender Anwendungsfehler und einer massiven Verunsicherungvieler schwangerer Frauen werden die Kosten des Tests nicht mehr von denKrankenkassen übernommen.

durch eine Entscheidung für das Kindzu erleichtern. Gleichzeitig muss derVorstellung der Vermeidbarkeit von Be-hinderung durch Pränataldiagnostikentgegengetreten werden, da sich sonstin der Gesellschaft der Eindruck verfes-tigen könnte, Eltern von Kindern mit Be-hinderung hätten dem Sozialstaat eineunnötige Last aufgebürdet.

Reproduktive Autonomie bedeuteteben nicht nur, sich gegen ein Kind mitBehinderung entscheiden zu können,sondern auch, die Möglichkeit der be-wussten Entscheidung für das Austra-gen der Schwangerschaft zu gewährleis-ten.

Zusammenfassend lässt sich sagen,dass pränataldiagnostische Untersu-chungen immer häufiger in Anspruchgenommen werden. Die Präzision derUntersuchungsinstrumente nimmt fort-laufend zu und der Anteil der Föten, dienach einem positiven Befund abgetrie-ben werden, steigt ebenfalls oder sta-gniert auf hohem Niveau.

Sterben also Menschen mit Down-Syndrom aus, wie es Bonfranchi (1996)pointiert formuliert hat? Solange nichtjede Schwangerschaft intensiv über-wacht wird und jede Frau mit positivemBefund einen Abort durchführen lässt,trifft dieses Szenario sicher nicht ein.Allerdings ist bereits jetzt abzusehen,dass Menschen mit Down-Syndrom zu-nehmend aus unserer Gesellschaftschwinden werden.

Ausführliche Literaturangaben auf Anfrage beim Deutschen Down-Syndrom

InfoCenter zu erfragen.

Quelle:Dieser Artikel ist erschienen

in der Zeitschrift „HeilpädagogischeForschung“, Heft 4, S. 165-176,

Wir danken der Redaktion für die freundlicheGenehmigung, den Artikel in Leben mit Down-

Syndromveröffentlichen zu dürfen.

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 53

W O H N E N

Hausbesitzer zu sein oder etwaseingeschränkter eine eigene

Wohnung mieten zu können, gibtMenschen das Gefühl, die Kontrolleüber ihre Wohnsituation zu haben.Dies „Unter Kontrolle haben“ ist we-sentlich für das Modell „SupportedLiving“. Aber es ist nicht genug, Kon-trolle zu haben über „Steine und Zin-sen“, genauso wichtig ist es, Einflusszu haben darüber, mit wem man zu-sammenlebt und wie man unter-stützt wird. Supported Living ent-wickelte sich in den 1980-er Jahrenin den USA, ausgelöst durch einewachsende Unzufriedenheit überWohngruppen und Wohnheime beiMenschen mit Lerneinschränkun-gen, ihren Familien und dem Pflege-personal. Auch die Situation in Groß-britannien hat sich während der letz-ten Jahre so ähnlich entwickelt.

Was ist Supported Living?

Ganz einfach formuliert: Bei Suppor-ted Living geht es um Menschen mitLerneinschränkungen, die selbstwählen, wie sie leben, wo sie leben,mit wem sie zusammenleben, wersie dabei unterstützt und wie dieseUnterstützung aussehen muss. Da-bei brauchen Menschen mit Lern-schwierigkeiten, genau wie viele vonuns auch, kompetente Hilfen, um dieverschiedenen Wahlmöglichkeitenzu verstehen und gegeneinander ab-zuwägen.

Statt in eine Gruppe platziert zuwerden, sollen die individuellenWünsche und Vorstellungen der Ein-zelnen berücksichtigt werden. JederMensch ist anders und hat seine ei-genen Ideen darüber, wie seineWohnsituation aussehen soll.

Kein Mensch wird auf Grund sei-ner Behinderung, auch wenn sienoch so beeinträchtigend ist, vom„Supported Living“ ausgeschlossen.Die Anbieter müssen sich etwas ein-fallen lassen, damit die jeweilige Per-son so leben kann, wie sie daswünscht. Einige der ersten Men-schen, die in Großbritannien „Sup-

ported Living“ praktizierten, warenschwerstbehindert. Um in den Ge-nuss vom „Supported Living-Modell“zu kommen, braucht man nicht erst„so weit“ zu sein. Jeder ist so weit.Wir müssen nur überlegen, welcheArt der Unterstützung die Personbraucht.

Bezahlte Helfer werden dann ein-gesetzt, wenn es keine informelleoder natürliche Unterstützung gibt.Das bedeutet schon, dass noch vielbezahlte Hilfe nötig ist. Aber der Fo-kus muss darauf gerichtet sein, dieInklusion des Menschen in ein infor-melles Assistenznetz zu ermutigen,beispielsweise indem man Mitbe-wohner oder gute Nachbarn mit ein-bindet. Obwohl viele Menschen mitBehinderungen angewiesen sind aufumfangreiche Unterstützungsmaß-nahmen, die von bezahlten Mitarbei-tern geleistet werden, soll im Lebenjedes Einzelnen immer auch Platzsein für informelle Hilfe. ReguläreAngebote der Kommune nützen zukönnen, wäre zum Beispiel schon soetwas.

Missverständnisse

Es ist zu teuer!

Erfahrungen aus den USA und Groß-britannien zeigen, dass „SupportedLiving“ nicht mehr kostet als andereWohnmodelle. Einige Personen wür-den tatsächlich mehr kosten, fürmanche bleiben die Kosten gleich,aber für viele andere sind die Kostengeringer.

Allein wohnen oder mit jeman-dem zusammen?

Viele Menschen möchten gerne allei-ne wohnen, andere jedoch nicht.Außerdem ändert manch einer (sowie viele von uns) seine Meinung imLaufe seines Lebens. Wenn man ge-nau nachfragt, wird man feststellen,dass die meisten lieber mit jeman-dem zusammenwohnen möchten.

Supported Living – Unterstütztes Wohnen

Dies soll berücksichtigt werden. Mansoll weder automatisch davon ausge-hen, dass jeder gern für sich wohnt,noch dass jeder immerzu mit ande-ren zusammenleben möchte.

Die Mitbewohner müssen für alles aufkommen

Nur von der Unterstützung eventuel-ler Mitbewohner auszugehen ist ver-kehrt. Das allein ist kein „SupportedLiving“. Wohl wird an erster Stelleangestrebt, dass die Person mit einerLerneinschränkung viele informelleHilfen nützt, die meisten Menschenbenötigen jedoch einen beträchtli-chen Betrag für bezahlte Unterstüt-zung. Es gibt nicht ein Modell vonSupported Living, das für jeden passt.Jeder ist anders und wird einen an-deren Unterstützungsbedarf haben.Der Einsatz von gut ausgebildetemPersonal ist genauso wichtiger Be-standteil dieses Angebots.

Zuständigkeit von „Supported Living“–Anbietern

„Supported Living“ kann zwar Un-terstützung beim Wohnen leisten,vermittelt jedoch keine Beschäfti-gungsmöglichkeiten für den behin-derten Menschen noch garantiertdas Modell, dass so automatischFreundschaften entstehen. DieseDinge müssen von anderen Stellenübernommen werden.

Kontrolle

„Supported Living“ bietet effektiveund kompetente Hilfen, die hohenQualitätsprüfungen unterzogen wer-den. Alle Abmachungen, Bedingun-gen usw. werden in klaren Verträgenfestgehalten. Die Anbieter werdenihrerseits von verschiedenen Stellenkontrolliert.

Quelle: Flyer der Housing OptionsAutor: Peter Kinsella in Journal, Down’s

Syndrome Association, Issue 107, Winter2005

RECHT

56Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

halten und die notwendige Betreuung, Aufwendungen für Besuche bei Ver-

wandten und Freunden, die Anschaffung von Hilfsmitteln, die Bezahlung von ärztlichen bzw.

pflegerischen Behandlungen oder Me-dikamenten, die von Versicherungennicht vollständig bezahlt werden,

modische Kleidung oder sonstige Güter des persönlichen Be-

darfs. Der Träger der Sozialhilfe muss solcheZuwendungen, sofern sie kein Luxussind, nach geltendem Recht akzeptie-ren, ohne dass seine eigenen Leistungeneingeschränkt werden.

Das Erbe verwalten

Der Testamentsvollstrecker hat also ei-ne schwierige und zeitaufwändige Auf-gabe. Er muss das Erbe verwalten undgleichzeitig über die Ausgaben zuguns-ten des Behinderten in dessen Sinn ent-scheiden. Hier sollte man eine Personwählen, die dieser Aufgabe gewachsenist, idealerweise aber auch enge Kon-takte zum behinderten Erben hat, umdessen Wünsche und Bedürfnisse ein-schätzen zu können. Damit sind allezentralen Aspekte bedacht. Kompliziert,aber inzwischen anerkannt.

Regelmäßige Überprüfung

Für nicht weit überdurchschnittlich ho-he Erbschaften wurde die Wirksamkeitdes Behindertentestaments in der Ver-gangenheit auch gerichtlich bestätigt(Bundesgerichtshof 1990 und 1993). In-zwischen setzt der Bundesgerichtshofoffenbar die Wirksamkeit des Behinder-tentestaments ohne große Diskussionvoraus (vgl. Bundesgerichtshof, Urteilvom 8. Dezember 2004). Natürlich soll-te ein bereits abgeschlossenes Testa-ment gleichwohl immer wieder über-prüft werden. Nicht nur das Recht kannsich ändern, auch unsere Lebensum-stände sind in ständigem Wandel undkönnen Einfluss auf unseren letzten Wil-len haben.

Natürlich kann ein Behindertentes-tament auch weitere Anordnungen ent-halten, zum Beispiel Regelungen zurVerteilung des Nachlasses.

Vormund und Betreuer

Eltern minderjähriger Kinder werdenmeist noch regeln wollen, wer sich imFalle ihres Todes um die Kinder küm-mern soll. Sie werden also einen Vor-

vorgeschriebene Form ist er unwirksamund unbeachtlich!

Da ist zunächst das „eigenhändige“Testament: Es muss in allen Teilenhandschriftlich niedergelegt und unter-schrieben sein. Es soll mit Datum undOrt versehen sein. Nur Ehegatten kön-nen ein so genanntes gemeinschaftli-ches Testament errichten, das unterUmständen auch eine wechselseitigeBindung nach sich zieht. Auch das ei-genhändige Testament kann beimAmtsgericht in Verwahrung gegebenwerden.

Daneben besteht die Möglichkeit, einnotarielles Testament zu errichten. DerNotar übernimmt Beratung, Formulie-rung und Abfassung des letzten Willensund beurkundet diesen. Er kümmertsich um die amtliche Verwahrung.

Im Erbvertrag können schließlichvon zwei oder mehr Personen, zum Bei-spiel auch von Ehegatten oder Lebens-gefährten, neben widerruflichen auchbindende Regelungen getroffen werden.Für seine Errichtung ist ausschließlichder Notar zuständig.

6. Erbrechtliche Beratung

Wer daran denkt, ein Behindertentesta-ment zu errichten, der sollte dies kei-nesfalls ohne kompetente Beratung tun,die auf die spezielle Lebenssituation derFamilie eingeht. Jeder Mensch ist an-ders. Ein Behindertentestament von derStange gibt es nicht. Und: Schlechter Ratist teuer, manchmal unbezahlbar! Glei-ches gilt für fehlenden Rat.

Zur erbrechtlichen Beratung wegeneines Behindertentestaments kann mansich z. B. wenden an:– eine Rechtsanwältin oder einen Rechts-anwalt, am besten mit Tätigkeits-schwerpunkt im Erbrecht;– eine Notarin oder einen Notar derWahl, unabhängig vom Wohnort.

Fachleute, die nach ihrer eigenenEinschätzung über Kompetenz auf demGebiet des Behindertentestaments ver-fügen, findet man im Internet unterwww.lebenshilfe.de (Stichwort: Rechts-beraterliste).

7. Ein Wort zu den Kosten

Ob Anwalt oder Notar – in jedem Fallegilt: Die konkret anfallenden Kosten undGebühren sollte man im Voraus erfra-gen! Das erspart Überraschungen.

Die Notarkosten richten sich aus-schließlich nach den gesetzlichen Re-

Diese Rollen und Posten gilt es im Behindertentestament zu verteilen:

– Welche Personen berufe ich zu mei-nen Erben? Zu welchen Quoten?

– Wem soll der für das Kind mit Be-hinderung zugedachte Erbteil nachdessen Tod zufallen? Wer soll also sogenannter Nacherbe werden?

– Wer soll Testamentsvollstreckerwerden, also das dem Kind mit Be-hinderung im Testament zugewand-te Vermögen verwalten?

– Wer soll Vormund bzw. rechtlicherBetreuer werden, also die gesamtePersonen- und Vermögenssorge fürdas Kind mit Behinderung überneh-men?

mund benennen. Ist das geistig behin-derte Kind erwachsen, muss möglicher-weise ein rechtlicher Betreuer vom Vor-mundschaftsgericht bestellt werden.Auch hier können im Testament Emp-fehlungen ausgesprochen werden, diefür das Gericht allerdings nicht bindendsind. Zu beachten ist dabei, dass diePerson des Testamentsvollstreckers unddie des Betreuers bzw. Vormunds nichtidentisch sein sollten.

Es gibt beim Behindertentestamentalso eine ganze Anzahl von Rollen zu be-setzen. Wer für welche Position in Fra-ge kommt, muss sorgfältig bedacht wer-den. In allen Fällen ist auch an eine aus-reichende Anzahl von Ersatzpersonenzu denken und deren Reihenfolge klar-zustellen. Denn das Testament entfaltetja erst nach dem Tode des ElternteilsWirkung und soll über die gesamte Le-benszeit des Kindes mit Behinderunggelten!

5. Auch auf die Form kommt es an!

Um ein Behindertentestament zu er-richten, genügt wie bei jedem Testa-ment der gute Wille allein nicht. Es mussin die richtige Form gebracht werden.Hierfür sieht das Gesetz im Wesentli-chen drei Wege vor, wobei die jeweili-gen Anforderungen penibel beachtetwerden müssen. Sonst ist der letzte Wil-le meist nicht das Papier wert, auf demer steht: Bei einem Verstoß gegen die

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MEDIZIN

18Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Haarausfall und Zöliakie bei Menschen mit Down-SyndromWolfgang Storm

Vor einigen Jahren sind Berichte in der Literatur erschienen, die eine Verbindungzwischen einer Alopecia areata und der Zöliakie wahrscheinlich machten. Für diemedizinische Betreuung von Menschen mit Down-Syndrom empfiehlt es sich in jedemFall, bei Vorliegen einer Alopecia areata nach einer Zöliakie zu fahnden.

Alopecia areata

Die Alopecia areata (fleckförmigerHaarausfall) ist eine relativ häufige Er-krankung, die nicht nur die Kopfhaare,sondern alle Haare des Körpers (u.a.Bart, Augenbrauen, Schambehaarung)betreffen kann. Bei Menschen mit Down-Syndrom tritt sie mit einer deutlich ver-mehrten Häufigkeit auf (1 % der Ge-samtbevölkerung, 6 bis 8 % bei Patien-ten mit Down-Syndrom).

Die Ursache ist meist unklar, dochkönnen häufiger systemische Komplika-tionen als Auslöser gefunden werden(Tab. 1). Insbesondere werden Autoim-munphänomene, Zinkmangel sowieSchilddrüsendysfunktionen bei Patien-ten mit Down-Syndrom ursächlich miteiner Alopecia areata in Verbindung ge-bracht.

Der typische Herd der Alopecia area-ta ist durch den kreisrunden Ausfall vonHaaren gekennzeichnet. Oft treten zahl-reiche Herde auf, die sich rasch ver-größern. Der Verlust des gesamtenKopfhaares (Alopecia totalis) tritt bei et-wa 10 % der betroffenen Patienten ein,die Behaarung des ganzen Körperskann ebenfalls verloren gehen (Alopeciauniversalis).

Therapie

Bei therapeutischen Maßnahmen (Tab.2) sind auch plötzliche Spontanremis-sionen zu berücksichtigen, auch nochnach jahrelangem Verlauf. Insgesamtmuss man die Behandlungserfolge alsäußerst unbefriedigend beurteilen, essei denn, es kann eine herausragendeUrsache gefunden werden, die auchspezifisch behandelt werden kann (z.B.Unterfunktion der Schilddrüse, Abset-zen bestimmter Medikamente). Wir ha-ben in unserer Vorsorgeambulanz für

Kinder mit Down-Syndrom in den ver-gangenen Jahren auch schöne Erfolgedurch Homöopathie erlebt.

Zöliakie

Die Zöliakie ist eine weitere medizini-sche Komplikation bei Menschen mitDown-Syndrom, die auch mit einerdeutlich vermehrten Häufigkeit von 7bis 17 % in der Literatur angegebenwird. Sie ist definiert als chronische, miteiner Störung der Resorption einherge-hende Krankheit, bei der es bei prä-destinierten Menschen nach Aufnahmevon Roggen-, Weizen-, Hafer- oder Gers-tenmehl und den hieraus hergestellten

Backwaren lebenslang zu schwerenVeränderungen der Dünndarm-schleimhaut kommt und die nach Ab-setzen dieser Mehle vollständig aus-heilen. Die schädliche Wirkung desGetreides ist dabei an die alkohollös-lichen Bestandteile des so genanntenKlebereiweißes (v.a. Gliadine) gebun-den.

Die Zöliakie verläuft nicht seltenrelativ symptomarm bzw. monosym-ptomatisch, so dass an diese Diagno-se bei Fehlen klassischer Symptome(Tab. 3) sicher häufiger gedacht wer-den muss. Das Vorliegen dieser Er-krankung kann durch eine Blutent-

Tab. 1: Systemische Komplikationen als Auslöser einer Alopezie

Akute (hoch fieberhafte) Infektionserkrankungen (Grippe, Erysipel etc.)Chronische Infektionskrankheiten (Tuberkulose)Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure (Fehlernährung bei Alkoholismus,Diätkuren, chronisch-atrophische Gastritis)ZinkmangelAnämie (Eisenmangel)Erkrankungen der inneren Organe (Hyperthyreose, Hypothyreose, Hypo-physenvorderlappeninsuffizienz, Lebererkrankungen, schwerer Diabetes mellitus)Schwere konsumierende oder zur Kachexie führende Erkrankungen (Dermatomyositis, Erythematodes, maligne Tumoren)

Arzneistoffe:1. Zytotoxische Arzneistoffe:

Zytostatika, Alkylanzien, Antibiotika, Antimitotische Mittel, Antimetaboliten2. Substanzen, die die Keratinisierung beeinflussen können:

Thallium, Retinoide, Triparanol, Clofibrat, Nicotinsäure, Colestyramin, Butyrophenon, Dixyrazin

3. Verschiedene:Carbimazol, orale Kontrazeptiva, Trimethadion, Allopurinol, Amphetamin, Gentamicin, Levodopa, Propanolol, Metoprolol, Methysergid, Phenmetrazin,Thiamphenicol, Cimetidin, BromocriptinAutoimmunerkrankungen (Autoimmunthyreoiditis, perniziöse Anämie, Vitiligo, Nebennierenrindeninsuffizienz)

M E D I Z I N

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 19

nahme zur Bestimmung von Antikör-pern gegen Gliadin, Endomysium undTransglutaminase wahrscheinlich ge-macht werden. Bei positivem Nachweisspezifischer Antikörper wird die Dia-gnose durch eine Dünndarmbiopsie ge-sichert. Die Therapie der Zöliakie be-steht in einer lebenslang durchzu-führenden gliadinfreien Ernährung.

Verbindung zwischen einer Alopeciaareata und der Zöliakie

Vor einigen Jahren sind Berichte in derLiteratur erschienen, die eine Verbin-dung zwischen einer Alopecia areataund der Zöliakie wahrscheinlich mach-ten. Bei einer größeren Zahl von Alope-cia-Patienten konnte bei einigen weni-gen zusätzlich die Diagnose einer Zölia-kie gestellt werden. Nach einer gliadin-freien Diät setzte bei allen behandeltenPatienten der Haarwuchs wieder ein.

Auch wir haben vor einigen Jahren beieinem Kind mit Down-Syndrom beidegleichzeitig vorliegenden Diagnosennachweisen und auch einen Behand-lungserfolg nach gliadinfreier Diät erle-ben können. Bei einer weiteren kleinenPatientin waren wir beratend tätig, wo-nach durch die Beharrlichkeit der Mut-ter trotz Widerständen u.a. einer Uni-versitätskinderklinik die Diagnose einerZöliakie bei einer Alopecia areata ge-stellt werden konnte.

Gliadin-Problematik mehr beachten

Aufgrund jüngster Untersuchungen istdamit zu rechnen, dass der „Gliadin-Problematik“ noch weitere Bedeutungzukommen wird. So scheint die Belas-tung mit Gliadin bei prädestinierten Pa-tienten nicht nur zur Entwicklung derZöliakie zu führen, sondern – abhängigvon der Einwirkungszeit des Gliadins –

Therapie der Alopecia areata

– Leichte fleckenförmige Form

Corticoidinjektionen in die HerdeÄußerliches Auftragen einer Corti-

coidcreme mit oder ohne Okklusions-verband mit Plastikfolie

Äußerliches Auftragen einer Dithro-nilcreme oder -salbe. Dies ist einesynthetische, teerähnliche Substanz,die schon bei der Behandlung derPsoriasis Erfolge gezeigt hat.

Topisches Minoxidil. Minoxidil wirdsystemisch als Antihypertonikum ein-gesetzt und hat als Nebenwirkung einvermehrtes Haarwachstum an ver-schiedenen Körperstellen. WeitereUntersuchungen haben zeigen kön-nen, dass die lokale Anwendung einer2- bis 3-prozentigen Minoxidillösungdas Haarwachstum fördern kann.

– Ausgeprägtere Form oder Alopecia totalis (universalis)

PerückenSystemische orale CorticoidtherapieProvokation einer allergischen Kon-

taktdermatitis zum Beispiel durch Di-nitrochlorbenzol (DNCB)

PUVA: Einnahme einer lichtemp-findlichen Substanz (Psoralen) undlangwelliges ultraviolettes Licht

Topisches Minoxidil

auch zur Entstehung anderer Autoim-munerkrankungen wie z.B. der schonerwähnten Alopecia areata, einer Au-toimmunthyreoiditis (chronische Schild-drüsenentzündung aufgrund gegen dasSchilddrüsengewebe gerichteter Auto-antikörper), des Diabetes mellitus(Zuckererkrankung) als auch einer per-niziösen Anämie (durch Vitamin-B12-Mangel bedingte Anämie) beizutragen.Alle diese Erkrankungen treten mit ei-ner vermehrten Häufigkeit bei Men-schen mit Down-Syndrom auf.

Routinemäßiges Screening erscheint sinnvoll

Für die medizinische Betreuung vonMenschen mit Down-Syndrom emp-fiehlt es sich in jedem Fall, bei Vorliegeneiner Alopecia areata nach einer Zölia-kie zu fahnden. Darüber hinaus ist zudiskutieren, ob nicht ein generelles Screening nach Gliadin-/Endomysium/Transglutaminase-Antikörpern in be-stimmten Lebensaltern bei jedem Men-schen mit Down-Syndrom routinemäßigsinnvoll erscheint.

Dr. med. Wolfgang StormKinderklinik St.-Vincenz-Krankenhaus

Husener Straße 81D-33098 Paderborn

Tab. 2: Therapie der Alopecia areata

Häufige und seltene Symptomeder Zöliakie

Häufige Symptome

Großes vorgewölbtes Abdomen in-folge Ansammlung von Darminhaltund durch Muskelhypotonie

Massige, gehäuft breiige Stühle(selten Obstipation)

Verhaltensstörungen (missmutig,abweisend, weinerlich)

Untergewicht, mangelhaftes Län-genwachstum

Anämie (Eisen- oder Folsäure-mangel

Herabsetzung der Disaccharidase-aktivitäten in der Dünndarmschleim-haut

HypovitaminoseHypoproteinämieHypoprothrombinämieHypokalzämie

Seltene Symptome

ZahnveränderungenMinderwuchsArthritis, ArthralgieChronische HepatitisPulmonale HämosideroseRezidivierende AphthenImmunpathologische Augenverän-

derungen

Tab. 3: Häufige und seltene

Symptome der Zöliakie Weiterführende Literatur:

1. Barbato M., Viola F., Grillo R., etal.: Alopecia and coeliac disease: re-port of two patients showing res-ponse to gluten-free diet. Clinicaland Experimental Dermatology 23:236 – 237 (1998)

2. Corazza G.R., Andreani M.L.,Venturo N., et al.: Celiac disease andalopecia areata: report of a new as-sociation. Gastroenterology 109:1333 – 1337 (1995)

3. Storm, W.: Celiac disease and alo-pecia areata in a child with Down’ssyndrome. Journal of IntellectualDisability Research 44: 1 – 3 (2000)

4. Storm, W.: Homöopathische Be-handlung von Kindern mit Down-Syndrom. Allgemeine Homöopathi-sche Zeitung 245: 191 – 198 (2000)

RECHT

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200555

3. Irrwege

Wer nun meint, das Problem durchNichtstun lösen zu können, irrt. Dennohne Testament kommt bei unseremTod die gesetzliche Erbfolge zum Zuge.Diese besagt, dass jedes eigene Kind Er-be des verstorbenen Elternteils wird.Mehrere Kinder bilden eine Erbenge-meinschaft. Häufig wird übersehen,dass Kinder nach der gesetzlichen Erb-folge auch dann erben, wenn ein El-ternteil den anderen überlebt. In diesemFall erben die Kinder zusammen mitdem länger lebenden Elternteil, soferndie Eltern verheiratet waren. Auf denErbteil des geistig behinderten Kindesgreift dann gegebenenfalls der Trägerder Sozialhilfe zu – mit den geschilder-ten Konsequenzen. Nichts tun ist alsoder falsche Weg.

Pflichtteilsanspruch

Und enterben? Enterbt man ein eigenesKind, hat dieses nach dem Tod des El-ternteils einen Geldanspruch in Höhedes Wertes der Hälfte seines gesetzli-chen Erbteils gegenüber den Erben.Man nennt dies den Pflichtteilsan-spruch. Auch dieser Anspruch ist ein Ver-mögenswert, der gegebenenfalls vomSozialhilfeträger gegen die Erben gel-tend gemacht wird. Auch so gelangtman nicht zum gewünschten Ziel.

Auch kein Allheilmittel ist, das Ver-mögen zu Lebzeiten zu übertragen.Denn kaum einer kann und will auf eineausreichende eigene wirtschaftliche Ab-sicherung verzichten. Man muss alsomeist Vermögen zurückbehalten. Außer-dem können solche Übertragungen wie-derum zu Ansprüchen des Behindertennach dem Tod des übertragenden El-ternteils führen, auf die dann wiederumdas Sozialamt zugreifen kann. In jedemFall ist bei lebzeitigen ÜbertragungenVorsicht geboten. Sie sollten nicht vor-schnell und nicht ohne ausreichenderechtliche Beratung, die auch die Situa-tion des Kindes mit Behinderung in denBlick nimmt, vorgenommen werden.

4. Das Behindertentestament

Tatsächlich zielführend ist in den meis-ten Fällen ein anderer Weg: die Abfas-sung eines so genannten Behinderten-testaments durch die Eltern eines geistigbehinderten Kindes. Das Behinderten-testament versucht durch eine komple-xe erbrechtliche Konstruktion dem Kindmit Behinderung einen spürbaren Zu-

wachs an Lebensqualität durch eine ihmzugewandte Erbschaft zukommen zulassen, obwohl das Kind seinen Lebens-unterhalt grundsätzlich aus Sozialleis-tungen bestreitet. Das Behindertentes-tament sieht dazu eine Kombinationmehrerer Schutzmechanismen vor:

Das Kind wird ErbeZunächst ist wichtig, dass das Kind mitBehinderung von jedem seiner Elternals Erbe eingesetzt wird. Der Erbteilmuss dabei unbedingt höher als dieHälfte des gesetzlichen Erbteils sein,den das Kind mit Behinderung ohne Tes-tament erben würde. Auch das beein-trächtigte Kind wird also in angemesse-nem Umfang am Erbe beteiligt. Meisterbt das Kind mit Behinderung so zu-sammen mit dem gegebenenfalls nochvorhandenen länger lebenden Elternteilund gegebenenfalls vorhandenen weite-ren Geschwistern.

Nacherben einsetzenDas behinderte Kind erhält seinen Erb-teil jedoch nicht zur freien Verfügung.Der Erbteil wird vielmehr bereits im Tes-tament für die so genannten Nacherbenreserviert. An diese Nacherben soll dasererbte Vermögen nach dem Tode desKindes mit Behinderung fallen. Nacher-ben können beispielsweise die Geschwis-ter des behinderten Kindes sein, derenAbkömmlinge, weitere Verwandte odereine gemeinnützige Organisation. Werin Frage kommt, wird im Testamentfestgelegt. Das behinderte Kind selbstdarf als so genannter nicht befreiterVorerbe die Substanz seiner Erbschaftnicht verbrauchen. Es erhält nur die Er-träge. Erträge sind zum Beispiel Zinsenaus Sparguthaben oder Mieteinnahmenaus Immobilien. Für das Sozialamt be-deutet dies, dass es auf die Substanz derErbschaft nicht zugreifen kann, da die-se für den Erben nicht verwertbaresVermögen darstellt. Weil der Erbe selbstdie Erbschaft nicht verbrauchen kannund darf, ist sie auch für das Sozialamttabu.

Testamentsvollstreckung anordnenUm nun auch die Erträge aus der Erb-schaft des Kindes mit Behinderung zurSteigerung von dessen Lebensqualitätzu sichern, wird im Behindertentesta-ment zusätzlich Testamentsvollstre-ckung auf die Lebenszeit des Kindes an-geordnet. Testamentsvollstreckung be-

deutet, dass eine vertrauenswürdigePerson mit der Aufgabe betraut wird,das vom behinderten Kind ererbte Ver-mögen dauerhaft zu verwalten und vomübrigen Vermögen des Kindes getrenntzu halten. Dem Testamentsvollstreckerwird außerdem zur Aufgabe gemacht,die Erträge aus der Erbschaft nur fürsolche Zwecke zu verwenden, die demKind mit Behinderung spürbar zugutekommen und nach dem jeweils gelten-den Sozialrecht nicht anspruchsmin-dernd auf Sozialleistungen angerechnetwerden. Das Sozialamt muss also außenvor bleiben.

Regelungen zur Lebensqualität

Zur Steigerung der Lebensqualität desKindes mit Behinderung können auf-grund dieser Regelung zum Beispielvom Testamentsvollstrecker folgendeZuwendungen finanziert werden:

Geschenke zu Festtagen, Unterstützung für Hobbys, die Finanzierung von Urlaubsaufent-

Die wesentlichen rechtlichen Bestandteile des Behinderten-testaments auf einen Blick:

Das Kind mit Behinderung wirdErbe, gegebenenfalls neben demeventuell vorhandenen länger le-benden Ehegatten und eventuellvorhandenen Geschwistern.

Der Erbteil des Kindes mit Behin-derung liegt über der Hälfte sei-nes gesetzlichen Erbteils.

Das Kind mit Behinderung wirdnicht befreiter Vorerbe. Nach sei-nem Tod fällt sein Erbteil an denoder die Nacherben.

Zur Verwaltung der Erbschaft desKindes mit Behinderung wird aufdessen Lebenszeit Testaments-vollstreckung angeordnet. Der Tes-tamentsvollstrecker wird ange-wiesen, die dem Kind mit Behin-derung zustehenden Erträge desNachlasses nur für Zwecke zuzu-wenden, die dem Kind mit Behin-derung spürbar zugute kommenund nicht auf Sozialleistungen an-rechenbar sind.

R E C H T

54 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Über den Tod hinaus:

Das BehindertentestamentErbrechtliche Regelungen zum Wohldes behinderten KindesLorenz Spall

1. Um was es geht

Was wird aus meinem Kind, wenn ichnicht mehr lebe? – Diese Sorge bewegtsicherlich alle Eltern. Umso mehr giltdies, wenn wir Mutter oder Vater einesKindes mit geistiger Behinderung sind.Wir wissen, dass unser Kind auch überunseren Tod hinaus auf die Unterstüt-zung anderer angewiesen sein wird.Dies gilt sowohl für die menschliche undpersönliche Fürsorge und Zuwendungals auch für Vermögensfragen und fi-nanzielle Angelegenheiten. In der Regelwird unser Kind mit Behinderung nichtin der Lage sein, seinen Lebensunter-halt aus selbst erwirtschafteten Mittelnzu verdienen, und deshalb auch nachunserem Tod auf fremde Hilfe angewie-sen sein.

Mehr noch als andere müssen sichEltern eines Kindes mit geistiger Behin-derung also mit der Frage beschäftigen,wie sie ihre erbrechtlichen Angelegen-heiten regeln können. Es gilt dabei dieInteressen und das Wohl des beein-trächtigten Kindes, aber auch die Be-lange der anderen Familienmitglieder,vor allem des (Ehe-)Partners und derweiteren Kinder, und nicht zuletzt dieeigene Situation zu bedenken.

Im Rahmen dieser kurzen Darstel-lung soll ausschließlich die spezielle Si-tuation bei Vorhandensein eines Kindesmit geistiger Behinderung im Mittel-punkt stehen.

Dieser Beitrag will das Problembe-wusstsein schärfen und einen erstenEinblick in die Thematik geben. Berüh-rungsängste mit dem sperrigen ThemaErbrecht im Allgemeinen und dem sogenannten „Behindertentestament“ imBesonderen sollen abgebaut werden. Ei-ne kompetente rechtliche Beratung, diedie besonderen Fragestellungen im je-weiligen Einzelfall in den Blick nimmt,bleibt daneben unverzichtbar.

2. Die besondere Situation

Viele Menschen mit geistiger Behinde-rung sind – wie anfangs erwähnt – nachdem Tode ihrer Eltern gerade auch in fi-nanzieller Hinsicht auf fremde Hilfe an-gewiesen. Sie leben beispielsweise in ei-ner Einrichtung für behinderte Men-schen und arbeiten in einer Werkstatt.Die meisten beziehen Leistungen derSozialhilfe. Der Staat sorgt so dafür,dass die elementaren Lebensbedürfnis-se befriedigt werden.

Vielen Eltern genügt diese Basisver-sorgung für ihr Kind jedoch nicht. „Einbisschen mehr als das absolut Notwen-dige würde ich mir für meinen Sohn/meine Tochter schon wünschen, wennich nicht mehr da bin; keinen Luxus,aber doch ein Stück echte Lebensqua-lität und zusätzliche Freiheit.“ – Sofühlen die meisten Eltern von beein-trächtigten Kindern, wenn sie über dieSituation nach ihrem Tod nachdenken.Das Grübeln über dieser Frage hat sichbei vielen angesichts zunehmender Spar-anstrengungen der öffentlichen Handverstärkt.

Aus diesem Fürsorgebedürfnis re-sultiert der Wunsch, auch dem Kind mitBehinderung über den eigenen Tod hin-aus eine finanzielle Absicherung zu-kommen zu lassen.

Nachrangprinzip

Diesem Wunsch steht aber zunächst eineherner Grundsatz des deutschen So-zialhilferechts im Weg: das so genannteNachrangprinzip. Sozialhilfeleistungenbekommt danach in der Regel nur, wernicht über eigenes ausreichendes Ein-kommen oder eigenes ausreichendesund verwertbares Vermögen verfügt.Der Staat finanziert nur wirklich Be-dürftige. Auch eine Erbschaft ist Ver-mögen. Vereinfacht gesprochen mussalso – von geringen Freibeträgen abge-

sehen – zunächst das ererbte Vermögenfür den normalen Lebensunterhalt ver-braucht werden, bevor Leistungen desStaates in Anspruch genommen werdenkönnen. Angesichts der hohen Kosten,die bei Menschen mit geistiger Behinde-rung vor allem für eine Heimunterbrin-gung entstehen können, werden so auchgrößere Erbschaften mir nichts dirnichts aufgezehrt.

Um die Kosten zu bestreiten, musshäufig das Erbe rasch versilbert wer-den. Vielfach ist es dazu unumgänglich,das hinterlassene Vermögen zu zer-schlagen und zum Beispiel eine Immo-bilie zu verkaufen. Konsequenz: Der be-hinderte Angehörige hat von seinem Er-be kaum einen spürbaren Vorteil undder Bestand des Nachlasses in seinerGesamtheit wird gefährdet. Hätte dasKind nichts geerbt, wären seine Lebens-umstände kaum anders! Denn dann wä-re der Staat für die Versorgung aufge-kommen. Ein für viele Eltern unbefrie-digendes Ergebnis.

Sorge um die Zukunft

Nur zur Klarstellung: Niemandem gehtes darum, den Staat zu schädigen oderihm Vermögenswerte, die der öffentli-chen Hand zustehen, vorzuenthalten.

Vielmehr steht die Sorge um die Zu-kunft des eigenen Angehörigen mit Be-hinderung im Vordergrund. So wie eszweifellos zulässig und legitim ist, sichGedanken zu machen, wie man auf le-galem Weg Steuern sparen kann, istnichts dagegen einzuwenden, erbrecht-liche Modelle zu entwickeln, mit denenman die eigenen Angehörigen finanziellabsichern kann.

„Es ist nicht anstößig, wenn Elternihren behinderten Kindern über dienach den Sozialhilfegesetzen zu er-wartenden Leistungen hinaus etwaszugute kommen lassen wollen. Die-ses Bestreben entspricht gerade derEltern zuvörderst zukommendensittlichen Verantwortung für dasWohl ihres Kindes. Ein Behinderten-testament verstößt deshalb grund-sätzlich nicht gegen die guten Sit-ten.“

Bundesgerichtshof 1990 und 1993(sinngemäß zitiert)

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M E D I Z I N

18 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Haarausfall und Zöliakie bei Menschen mit Down-SyndromWolfgang Storm

Vor einigen Jahren sind Berichte in der Literatur erschienen, die eine Verbindungzwischen einer Alopecia areata und der Zöliakie wahrscheinlich machten. Für diemedizinische Betreuung von Menschen mit Down-Syndrom empfiehlt es sich in jedemFall, bei Vorliegen einer Alopecia areata nach einer Zöliakie zu fahnden.

Alopecia areata

Die Alopecia areata (fleckförmigerHaarausfall) ist eine relativ häufige Er-krankung, die nicht nur die Kopfhaare,sondern alle Haare des Körpers (u.a.Bart, Augenbrauen, Schambehaarung)betreffen kann. Bei Menschen mit Down-Syndrom tritt sie mit einer deutlich ver-mehrten Häufigkeit auf (1 % der Ge-samtbevölkerung, 6 bis 8 % bei Patien-ten mit Down-Syndrom).

Die Ursache ist meist unklar, dochkönnen häufiger systemische Komplika-tionen als Auslöser gefunden werden(Tab. 1). Insbesondere werden Autoim-munphänomene, Zinkmangel sowieSchilddrüsendysfunktionen bei Patien-ten mit Down-Syndrom ursächlich miteiner Alopecia areata in Verbindung ge-bracht.

Der typische Herd der Alopecia area-ta ist durch den kreisrunden Ausfall vonHaaren gekennzeichnet. Oft treten zahl-reiche Herde auf, die sich rasch ver-größern. Der Verlust des gesamtenKopfhaares (Alopecia totalis) tritt bei et-wa 10 % der betroffenen Patienten ein,die Behaarung des ganzen Körperskann ebenfalls verloren gehen (Alopeciauniversalis).

Therapie

Bei therapeutischen Maßnahmen (Tab.2) sind auch plötzliche Spontanremis-sionen zu berücksichtigen, auch nochnach jahrelangem Verlauf. Insgesamtmuss man die Behandlungserfolge alsäußerst unbefriedigend beurteilen, essei denn, es kann eine herausragendeUrsache gefunden werden, die auchspezifisch behandelt werden kann (z.B.Unterfunktion der Schilddrüse, Abset-zen bestimmter Medikamente). Wir ha-ben in unserer Vorsorgeambulanz für

Kinder mit Down-Syndrom in den ver-gangenen Jahren auch schöne Erfolgedurch Homöopathie erlebt.

Zöliakie

Die Zöliakie ist eine weitere medizini-sche Komplikation bei Menschen mitDown-Syndrom, die auch mit einerdeutlich vermehrten Häufigkeit von 7bis 17 % in der Literatur angegebenwird. Sie ist definiert als chronische, miteiner Störung der Resorption einherge-hende Krankheit, bei der es bei prä-destinierten Menschen nach Aufnahmevon Roggen-, Weizen-, Hafer- oder Gers-tenmehl und den hieraus hergestellten

Backwaren lebenslang zu schwerenVeränderungen der Dünndarm-schleimhaut kommt und die nach Ab-setzen dieser Mehle vollständig aus-heilen. Die schädliche Wirkung desGetreides ist dabei an die alkohollös-lichen Bestandteile des so genanntenKlebereiweißes (v.a. Gliadine) gebun-den.

Die Zöliakie verläuft nicht seltenrelativ symptomarm bzw. monosym-ptomatisch, so dass an diese Diagno-se bei Fehlen klassischer Symptome(Tab. 3) sicher häufiger gedacht wer-den muss. Das Vorliegen dieser Er-krankung kann durch eine Blutent-

Tab. 1: Systemische Komplikationen als Auslöser einer Alopezie

Akute (hoch fieberhafte) Infektionserkrankungen (Grippe, Erysipel etc.)Chronische Infektionskrankheiten (Tuberkulose)Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure (Fehlernährung bei Alkoholismus,Diätkuren, chronisch-atrophische Gastritis)ZinkmangelAnämie (Eisenmangel)Erkrankungen der inneren Organe (Hyperthyreose, Hypothyreose, Hypo-physenvorderlappeninsuffizienz, Lebererkrankungen, schwerer Diabetes mellitus)Schwere konsumierende oder zur Kachexie führende Erkrankungen (Dermatomyositis, Erythematodes, maligne Tumoren)

Arzneistoffe:1. Zytotoxische Arzneistoffe:

Zytostatika, Alkylanzien, Antibiotika, Antimitotische Mittel, Antimetaboliten2. Substanzen, die die Keratinisierung beeinflussen können:

Thallium, Retinoide, Triparanol, Clofibrat, Nicotinsäure, Colestyramin, Butyrophenon, Dixyrazin

3. Verschiedene:Carbimazol, orale Kontrazeptiva, Trimethadion, Allopurinol, Amphetamin, Gentamicin, Levodopa, Propanolol, Metoprolol, Methysergid, Phenmetrazin,Thiamphenicol, Cimetidin, BromocriptinAutoimmunerkrankungen (Autoimmunthyreoiditis, perniziöse Anämie, Vitiligo, Nebennierenrindeninsuffizienz)

MEDIZIN

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200519

nahme zur Bestimmung von Antikör-pern gegen Gliadin, Endomysium undTransglutaminase wahrscheinlich ge-macht werden. Bei positivem Nachweisspezifischer Antikörper wird die Dia-gnose durch eine Dünndarmbiopsie ge-sichert. Die Therapie der Zöliakie be-steht in einer lebenslang durchzu-führenden gliadinfreien Ernährung.

Verbindung zwischen einer Alopeciaareata und der Zöliakie

Vor einigen Jahren sind Berichte in derLiteratur erschienen, die eine Verbin-dung zwischen einer Alopecia areataund der Zöliakie wahrscheinlich mach-ten. Bei einer größeren Zahl von Alope-cia-Patienten konnte bei einigen weni-gen zusätzlich die Diagnose einer Zölia-kie gestellt werden. Nach einer gliadin-freien Diät setzte bei allen behandeltenPatienten der Haarwuchs wieder ein.

Auch wir haben vor einigen Jahren beieinem Kind mit Down-Syndrom beidegleichzeitig vorliegenden Diagnosennachweisen und auch einen Behand-lungserfolg nach gliadinfreier Diät erle-ben können. Bei einer weiteren kleinenPatientin waren wir beratend tätig, wo-nach durch die Beharrlichkeit der Mut-ter trotz Widerständen u.a. einer Uni-versitätskinderklinik die Diagnose einerZöliakie bei einer Alopecia areata ge-stellt werden konnte.

Gliadin-Problematik mehr beachten

Aufgrund jüngster Untersuchungen istdamit zu rechnen, dass der „Gliadin-Problematik“ noch weitere Bedeutungzukommen wird. So scheint die Belas-tung mit Gliadin bei prädestinierten Pa-tienten nicht nur zur Entwicklung derZöliakie zu führen, sondern – abhängigvon der Einwirkungszeit des Gliadins –

Therapie der Alopecia areata

– Leichte fleckenförmige Form

Corticoidinjektionen in die HerdeÄußerliches Auftragen einer Corti-

coidcreme mit oder ohne Okklusions-verband mit Plastikfolie

Äußerliches Auftragen einer Dithro-nilcreme oder -salbe. Dies ist einesynthetische, teerähnliche Substanz,die schon bei der Behandlung derPsoriasis Erfolge gezeigt hat.

Topisches Minoxidil. Minoxidil wirdsystemisch als Antihypertonikum ein-gesetzt und hat als Nebenwirkung einvermehrtes Haarwachstum an ver-schiedenen Körperstellen. WeitereUntersuchungen haben zeigen kön-nen, dass die lokale Anwendung einer2- bis 3-prozentigen Minoxidillösungdas Haarwachstum fördern kann.

– Ausgeprägtere Form oder Alopecia totalis (universalis)

PerückenSystemische orale CorticoidtherapieProvokation einer allergischen Kon-

taktdermatitis zum Beispiel durch Di-nitrochlorbenzol (DNCB)

PUVA: Einnahme einer lichtemp-findlichen Substanz (Psoralen) undlangwelliges ultraviolettes Licht

Topisches Minoxidil

auch zur Entstehung anderer Autoim-munerkrankungen wie z.B. der schonerwähnten Alopecia areata, einer Au-toimmunthyreoiditis (chronische Schild-drüsenentzündung aufgrund gegen dasSchilddrüsengewebe gerichteter Auto-antikörper), des Diabetes mellitus(Zuckererkrankung) als auch einer per-niziösen Anämie (durch Vitamin-B12-Mangel bedingte Anämie) beizutragen.Alle diese Erkrankungen treten mit ei-ner vermehrten Häufigkeit bei Men-schen mit Down-Syndrom auf.

Routinemäßiges Screening erscheint sinnvoll

Für die medizinische Betreuung vonMenschen mit Down-Syndrom emp-fiehlt es sich in jedem Fall, bei Vorliegeneiner Alopecia areata nach einer Zölia-kie zu fahnden. Darüber hinaus ist zudiskutieren, ob nicht ein generelles Screening nach Gliadin-/Endomysium/Transglutaminase-Antikörpern in be-stimmten Lebensaltern bei jedem Men-schen mit Down-Syndrom routinemäßigsinnvoll erscheint.

Dr. med. Wolfgang StormKinderklinik St.-Vincenz-Krankenhaus

Husener Straße 81D-33098 Paderborn

Tab. 2: Therapie der Alopecia areata

Häufige und seltene Symptomeder Zöliakie

Häufige Symptome

Großes vorgewölbtes Abdomen in-folge Ansammlung von Darminhaltund durch Muskelhypotonie

Massige, gehäuft breiige Stühle(selten Obstipation)

Verhaltensstörungen (missmutig,abweisend, weinerlich)

Untergewicht, mangelhaftes Län-genwachstum

Anämie (Eisen- oder Folsäure-mangel

Herabsetzung der Disaccharidase-aktivitäten in der Dünndarmschleim-haut

HypovitaminoseHypoproteinämieHypoprothrombinämieHypokalzämie

Seltene Symptome

ZahnveränderungenMinderwuchsArthritis, ArthralgieChronische HepatitisPulmonale HämosideroseRezidivierende AphthenImmunpathologische Augenverän-

derungen

Tab. 3: Häufige und seltene

Symptome der ZöliakieWeiterführende Literatur:

1. Barbato M., Viola F., Grillo R., etal.: Alopecia and coeliac disease: re-port of two patients showing res-ponse to gluten-free diet. Clinicaland Experimental Dermatology 23:236 – 237 (1998)

2. Corazza G.R., Andreani M.L.,Venturo N., et al.: Celiac disease andalopecia areata: report of a new as-sociation. Gastroenterology 109:1333 – 1337 (1995)

3. Storm, W.: Celiac disease and alo-pecia areata in a child with Down’ssyndrome. Journal of IntellectualDisability Research 44: 1 – 3 (2000)

4. Storm, W.: Homöopathische Be-handlung von Kindern mit Down-Syndrom. Allgemeine Homöopathi-sche Zeitung 245: 191 – 198 (2000)

R E C H T

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 55

3. Irrwege

Wer nun meint, das Problem durchNichtstun lösen zu können, irrt. Dennohne Testament kommt bei unseremTod die gesetzliche Erbfolge zum Zuge.Diese besagt, dass jedes eigene Kind Er-be des verstorbenen Elternteils wird.Mehrere Kinder bilden eine Erbenge-meinschaft. Häufig wird übersehen,dass Kinder nach der gesetzlichen Erb-folge auch dann erben, wenn ein El-ternteil den anderen überlebt. In diesemFall erben die Kinder zusammen mitdem länger lebenden Elternteil, soferndie Eltern verheiratet waren. Auf denErbteil des geistig behinderten Kindesgreift dann gegebenenfalls der Trägerder Sozialhilfe zu – mit den geschilder-ten Konsequenzen. Nichts tun ist alsoder falsche Weg.

Pflichtteilsanspruch

Und enterben? Enterbt man ein eigenesKind, hat dieses nach dem Tod des El-ternteils einen Geldanspruch in Höhedes Wertes der Hälfte seines gesetzli-chen Erbteils gegenüber den Erben.Man nennt dies den Pflichtteilsan-spruch. Auch dieser Anspruch ist ein Ver-mögenswert, der gegebenenfalls vomSozialhilfeträger gegen die Erben gel-tend gemacht wird. Auch so gelangtman nicht zum gewünschten Ziel.

Auch kein Allheilmittel ist, das Ver-mögen zu Lebzeiten zu übertragen.Denn kaum einer kann und will auf eineausreichende eigene wirtschaftliche Ab-sicherung verzichten. Man muss alsomeist Vermögen zurückbehalten. Außer-dem können solche Übertragungen wie-derum zu Ansprüchen des Behindertennach dem Tod des übertragenden El-ternteils führen, auf die dann wiederumdas Sozialamt zugreifen kann. In jedemFall ist bei lebzeitigen ÜbertragungenVorsicht geboten. Sie sollten nicht vor-schnell und nicht ohne ausreichenderechtliche Beratung, die auch die Situa-tion des Kindes mit Behinderung in denBlick nimmt, vorgenommen werden.

4. Das Behindertentestament

Tatsächlich zielführend ist in den meis-ten Fällen ein anderer Weg: die Abfas-sung eines so genannten Behinderten-testaments durch die Eltern eines geistigbehinderten Kindes. Das Behinderten-testament versucht durch eine komple-xe erbrechtliche Konstruktion dem Kindmit Behinderung einen spürbaren Zu-

wachs an Lebensqualität durch eine ihmzugewandte Erbschaft zukommen zulassen, obwohl das Kind seinen Lebens-unterhalt grundsätzlich aus Sozialleis-tungen bestreitet. Das Behindertentes-tament sieht dazu eine Kombinationmehrerer Schutzmechanismen vor:

Das Kind wird ErbeZunächst ist wichtig, dass das Kind mitBehinderung von jedem seiner Elternals Erbe eingesetzt wird. Der Erbteilmuss dabei unbedingt höher als dieHälfte des gesetzlichen Erbteils sein,den das Kind mit Behinderung ohne Tes-tament erben würde. Auch das beein-trächtigte Kind wird also in angemesse-nem Umfang am Erbe beteiligt. Meisterbt das Kind mit Behinderung so zu-sammen mit dem gegebenenfalls nochvorhandenen länger lebenden Elternteilund gegebenenfalls vorhandenen weite-ren Geschwistern.

Nacherben einsetzenDas behinderte Kind erhält seinen Erb-teil jedoch nicht zur freien Verfügung.Der Erbteil wird vielmehr bereits im Tes-tament für die so genannten Nacherbenreserviert. An diese Nacherben soll dasererbte Vermögen nach dem Tode desKindes mit Behinderung fallen. Nacher-ben können beispielsweise die Geschwis-ter des behinderten Kindes sein, derenAbkömmlinge, weitere Verwandte odereine gemeinnützige Organisation. Werin Frage kommt, wird im Testamentfestgelegt. Das behinderte Kind selbstdarf als so genannter nicht befreiterVorerbe die Substanz seiner Erbschaftnicht verbrauchen. Es erhält nur die Er-träge. Erträge sind zum Beispiel Zinsenaus Sparguthaben oder Mieteinnahmenaus Immobilien. Für das Sozialamt be-deutet dies, dass es auf die Substanz derErbschaft nicht zugreifen kann, da die-se für den Erben nicht verwertbaresVermögen darstellt. Weil der Erbe selbstdie Erbschaft nicht verbrauchen kannund darf, ist sie auch für das Sozialamttabu.

Testamentsvollstreckung anordnenUm nun auch die Erträge aus der Erb-schaft des Kindes mit Behinderung zurSteigerung von dessen Lebensqualitätzu sichern, wird im Behindertentesta-ment zusätzlich Testamentsvollstre-ckung auf die Lebenszeit des Kindes an-geordnet. Testamentsvollstreckung be-

deutet, dass eine vertrauenswürdigePerson mit der Aufgabe betraut wird,das vom behinderten Kind ererbte Ver-mögen dauerhaft zu verwalten und vomübrigen Vermögen des Kindes getrenntzu halten. Dem Testamentsvollstreckerwird außerdem zur Aufgabe gemacht,die Erträge aus der Erbschaft nur fürsolche Zwecke zu verwenden, die demKind mit Behinderung spürbar zugutekommen und nach dem jeweils gelten-den Sozialrecht nicht anspruchsmin-dernd auf Sozialleistungen angerechnetwerden. Das Sozialamt muss also außenvor bleiben.

Regelungen zur Lebensqualität

Zur Steigerung der Lebensqualität desKindes mit Behinderung können auf-grund dieser Regelung zum Beispielvom Testamentsvollstrecker folgendeZuwendungen finanziert werden:

Geschenke zu Festtagen, Unterstützung für Hobbys, die Finanzierung von Urlaubsaufent-

Die wesentlichen rechtlichen Bestandteile des Behinderten-testaments auf einen Blick:

Das Kind mit Behinderung wirdErbe, gegebenenfalls neben demeventuell vorhandenen länger le-benden Ehegatten und eventuellvorhandenen Geschwistern.

Der Erbteil des Kindes mit Behin-derung liegt über der Hälfte sei-nes gesetzlichen Erbteils.

Das Kind mit Behinderung wirdnicht befreiter Vorerbe. Nach sei-nem Tod fällt sein Erbteil an denoder die Nacherben.

Zur Verwaltung der Erbschaft desKindes mit Behinderung wird aufdessen Lebenszeit Testaments-vollstreckung angeordnet. Der Tes-tamentsvollstrecker wird ange-wiesen, die dem Kind mit Behin-derung zustehenden Erträge desNachlasses nur für Zwecke zuzu-wenden, die dem Kind mit Behin-derung spürbar zugute kommenund nicht auf Sozialleistungen an-rechenbar sind.

RECHT

54Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Über den Tod hinaus:

Das BehindertentestamentErbrechtliche Regelungen zum Wohldes behinderten KindesLorenz Spall

1. Um was es geht

Was wird aus meinem Kind, wenn ichnicht mehr lebe? – Diese Sorge bewegtsicherlich alle Eltern. Umso mehr giltdies, wenn wir Mutter oder Vater einesKindes mit geistiger Behinderung sind.Wir wissen, dass unser Kind auch überunseren Tod hinaus auf die Unterstüt-zung anderer angewiesen sein wird.Dies gilt sowohl für die menschliche undpersönliche Fürsorge und Zuwendungals auch für Vermögensfragen und fi-nanzielle Angelegenheiten. In der Regelwird unser Kind mit Behinderung nichtin der Lage sein, seinen Lebensunter-halt aus selbst erwirtschafteten Mittelnzu verdienen, und deshalb auch nachunserem Tod auf fremde Hilfe angewie-sen sein.

Mehr noch als andere müssen sichEltern eines Kindes mit geistiger Behin-derung also mit der Frage beschäftigen,wie sie ihre erbrechtlichen Angelegen-heiten regeln können. Es gilt dabei dieInteressen und das Wohl des beein-trächtigten Kindes, aber auch die Be-lange der anderen Familienmitglieder,vor allem des (Ehe-)Partners und derweiteren Kinder, und nicht zuletzt dieeigene Situation zu bedenken.

Im Rahmen dieser kurzen Darstel-lung soll ausschließlich die spezielle Si-tuation bei Vorhandensein eines Kindesmit geistiger Behinderung im Mittel-punkt stehen.

Dieser Beitrag will das Problembe-wusstsein schärfen und einen erstenEinblick in die Thematik geben. Berüh-rungsängste mit dem sperrigen ThemaErbrecht im Allgemeinen und dem sogenannten „Behindertentestament“ imBesonderen sollen abgebaut werden. Ei-ne kompetente rechtliche Beratung, diedie besonderen Fragestellungen im je-weiligen Einzelfall in den Blick nimmt,bleibt daneben unverzichtbar.

2. Die besondere Situation

Viele Menschen mit geistiger Behinde-rung sind – wie anfangs erwähnt – nachdem Tode ihrer Eltern gerade auch in fi-nanzieller Hinsicht auf fremde Hilfe an-gewiesen. Sie leben beispielsweise in ei-ner Einrichtung für behinderte Men-schen und arbeiten in einer Werkstatt.Die meisten beziehen Leistungen derSozialhilfe. Der Staat sorgt so dafür,dass die elementaren Lebensbedürfnis-se befriedigt werden.

Vielen Eltern genügt diese Basisver-sorgung für ihr Kind jedoch nicht. „Einbisschen mehr als das absolut Notwen-dige würde ich mir für meinen Sohn/meine Tochter schon wünschen, wennich nicht mehr da bin; keinen Luxus,aber doch ein Stück echte Lebensqua-lität und zusätzliche Freiheit.“ – Sofühlen die meisten Eltern von beein-trächtigten Kindern, wenn sie über dieSituation nach ihrem Tod nachdenken.Das Grübeln über dieser Frage hat sichbei vielen angesichts zunehmender Spar-anstrengungen der öffentlichen Handverstärkt.

Aus diesem Fürsorgebedürfnis re-sultiert der Wunsch, auch dem Kind mitBehinderung über den eigenen Tod hin-aus eine finanzielle Absicherung zu-kommen zu lassen.

Nachrangprinzip

Diesem Wunsch steht aber zunächst eineherner Grundsatz des deutschen So-zialhilferechts im Weg: das so genannteNachrangprinzip. Sozialhilfeleistungenbekommt danach in der Regel nur, wernicht über eigenes ausreichendes Ein-kommen oder eigenes ausreichendesund verwertbares Vermögen verfügt.Der Staat finanziert nur wirklich Be-dürftige. Auch eine Erbschaft ist Ver-mögen. Vereinfacht gesprochen mussalso – von geringen Freibeträgen abge-

sehen – zunächst das ererbte Vermögenfür den normalen Lebensunterhalt ver-braucht werden, bevor Leistungen desStaates in Anspruch genommen werdenkönnen. Angesichts der hohen Kosten,die bei Menschen mit geistiger Behinde-rung vor allem für eine Heimunterbrin-gung entstehen können, werden so auchgrößere Erbschaften mir nichts dirnichts aufgezehrt.

Um die Kosten zu bestreiten, musshäufig das Erbe rasch versilbert wer-den. Vielfach ist es dazu unumgänglich,das hinterlassene Vermögen zu zer-schlagen und zum Beispiel eine Immo-bilie zu verkaufen. Konsequenz: Der be-hinderte Angehörige hat von seinem Er-be kaum einen spürbaren Vorteil undder Bestand des Nachlasses in seinerGesamtheit wird gefährdet. Hätte dasKind nichts geerbt, wären seine Lebens-umstände kaum anders! Denn dann wä-re der Staat für die Versorgung aufge-kommen. Ein für viele Eltern unbefrie-digendes Ergebnis.

Sorge um die Zukunft

Nur zur Klarstellung: Niemandem gehtes darum, den Staat zu schädigen oderihm Vermögenswerte, die der öffentli-chen Hand zustehen, vorzuenthalten.

Vielmehr steht die Sorge um die Zu-kunft des eigenen Angehörigen mit Be-hinderung im Vordergrund. So wie eszweifellos zulässig und legitim ist, sichGedanken zu machen, wie man auf le-galem Weg Steuern sparen kann, istnichts dagegen einzuwenden, erbrecht-liche Modelle zu entwickeln, mit denenman die eigenen Angehörigen finanziellabsichern kann.

„Es ist nicht anstößig, wenn Elternihren behinderten Kindern über dienach den Sozialhilfegesetzen zu er-wartenden Leistungen hinaus etwaszugute kommen lassen wollen. Die-ses Bestreben entspricht gerade derEltern zuvörderst zukommendensittlichen Verantwortung für dasWohl ihres Kindes. Ein Behinderten-testament verstößt deshalb grund-sätzlich nicht gegen die guten Sit-ten.“

Bundesgerichtshof 1990 und 1993(sinngemäß zitiert)

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MEDIZIN

20Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Lebenserwartung und Todesursachenbei Down-Syndrom

Down-Syndromund Krebs

Mehr Leukämie, aber kaum andereFormen von Krebs bei Menschenmit Down-Syndrom

Prof. Dean Nizetic hielt beim Kongressin Genua einen Vortrag zum ThemaKrebs bei Menschen mit Down-Syn-drom. Hier eine kurze Zusammenfas-sung seines Beitrags.

Es scheint ein komplizierter Zusam-menhang zu bestehen zwischen demChromosom 21 und dem Auftreten vonKrebs. Dies geht schon deutlich hervoraus der bekannten Tatsache, dass Men-schen mit Down-Syndrom ein 20 Malhöheres Risiko haben, im Kindesalteran Leukämie zu erkranken.

Paradoxerweise jedoch scheint dieTrisomie 21 vor der Entwicklung vonKarzinomen zu schützen. Bei Kindernmit Down-Syndrom werden Neurobla-stomen und Nephroblastomen sehr sel-ten beobachtet. Ebenso findet man beiErwachsenen mit Down-Syndrom sehrselten Unterleibskrebs, Brustkrebs oderMagen-/Darmkrebs. Im Vergleich mit dereuploiden (mit dem üblichen Chromoso-mensatz ausgestatteten) Bevölkerungsind diese Krebsarten deutlich unterre-präsentiert.

Dies wurde in sechs unterschiedli-chen, voneinander unabhängigen Studi-en aus Frankreich, Dänemark, Japan,Großbritannien, den USA und Israelfestgestellt.

Eine amerikanische Studie über dieTodesursachen von vielen Millionen US-Bürgern – davon ca. 18000 mit Down-Syndrom – stellte verblüffende Unter-schiede fest. Verglichen nach Alter undGeschlecht ist die Wahrscheinlichkeitfür eine Person mit Down-Syndrom, anirgendeiner Form von Gewebekrebs zusterben, um 50 bis 100 Mal niedriger.Diese epidemischen Daten weisen dar-auf hin, dass das Chromosom 21 Geneenthält, die die Entwicklung von solidenTumoren zu unterdrücken scheinen.

Wenn man herausfinden könnte,was genau Menschen mit Down-Syn-drom davor schützt, bösartige Tumorezu bekommen, könnten diese Kenntnis-se für neue therapeutische Strategienfür alle Krebspatienten genutzt werden.

Eine Studie, die Anfang Februar im„Journal of the National Cancer In-

stitute“ erschien, berichtete, dass dieHeilungschancen für an Leukämie er-krankte Kinder mit Down-Syndrom sehrgut wären im Vergleich zu denen ande-rer Kinder. Es handelt sich hierbei umeine bestimmte Form von Leukämie(AMkL), die Form, die am häufigsten beikleinen Kindern mit Down-Syndromauftritt. Die Behandlung mit Chemothe-rapie ist bei dieser Kindergruppe viel er-folgreicher als bei Kindern ohne Down-Syndrom – die Überlebenschancen sindhöher und sie erleben weniger Rückfälle.

Zurückzuführen sei dies, nach Dr.Yubin Ge vom Karmanos Cancer Institutin Detroit, auf eine bestimmte Genmu-tation, die man bei fast allen Kindernmit Down-Syndrom und AMkL feststel-len konnte. Kinder ohne Down-Syn-drom und Leukämie haben diese Gen-mutation nicht. So wurden bei 14 von16Babys mit Down-Syndrom (davon wa-ren zwölf AMkL-Patienten) die GATA1Mutation festgestellt. Bei den 56 ande-

ren Patienten mit Leukämie war die Mu-tation nicht vorhanden. Es handelt sichum das 40-kDA GATA1 Protein, vondem man annimmt, dass es für den Un-terschied bei den Heilungschancen ver-antwortlich ist.

Laboruntersuchungen zeigten, dassdurch die GATA1 Mutation das Medika-ment, das bei Leukämie eingesetzt wird,bei Kindern mit Down-Syndrom besserwirkt. Zellen mit einem normalen GATAProtein waren zwischen acht und 17Mal weniger empfänglich für dieses Me-dikament.

Aber die GATA1 Mutation ist einzweischneidiges Schwert. Es trägt zwareinerseits dazu bei, dass die kleinenLeukämiepatienten bessere Heilungs-chancen haben, die Wissenschaftler inDetroit nehmen aber an, dass sie gleich-zeitig das Risiko erhöht, überhaupt Leu-kämie zu bekommen.

Quelle:Ge, Y. Journal of the National

Cancer Institute. Feb. 2, 2005; vol 97: S. 226-231

In einer Studie aus den USA von 1983bis 1997 (wie im vorgehenden Artikel

schon erwähnt) wurden das Sterbealterund die Todesursachen bei Menschenmit Down-Syndrom näher untersucht.

Der Hintergrund dieser Studie war,dass obwohl das Down-Syndrom die amhäufigsten vorkommende Form einermentalen Behinderung darstellt, es re-lativ wenig aktuelle Informationen überdie Sterblichkeitsziffer und die Todesur-sachen bei Menschen mit Down-Syn-drom gibt. Für die Studie wurden die Da-ten von Sterbeurkunden genutzt, die inden USA zwischen 1983 und 1997 aus-gestellt wurden. Mit Hilfe dieser Datenkonnten das durchschnittliche Sterbeal-ter und die verschiedenen gesundheitli-chen Probleme, die bei dieser Zielgrup-pe zum Tod führten, ermittelt werden.

Durchschnittsalter dramatisch gestiegen

Die Studie umfasste über 32 MillionenTodesfälle, davon 17897 von Personenmit Down-Syndrom. Die Verteilung überdie verschiedenen Rassen wurde ange-geben mit 87 % Weiße, 11 % Schwarzeund 2 % andere Rassen.

Bei den 17897 Personen in der Stu-die, die Down-Syndrom hatten, war dasdurchschnittliche Lebensalter von 25Jahren 1983 auf 49 Jahre 1997 ange-stiegen. Das ist eine Zunahme von 1,7Jahre pro Jahr. Ein Vergleich zu derübrigen Population: Hier stieg das Alterwährend dieser fünfzehn Jahre von 73auf 76 Jahre an, also ein Zuwachs voninsgesamt nur drei Jahren.

Vor allem in den frühen 90-er Jah-ren war eine dramatische Zunahme des

Bessere Heilungschancen bei Leukämiefür Kinder mit Down-Syndrom

G E N E T I K

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 17

Glossar

Amniozentese = Fruchtwasseruntersuchung. Aus der Fruchtblase (Am-nionhöhle) der schwangeren Frau wird eine geringe Menge Fruchtwasser ent-nommen. Darin befinden sich Zellen des Fötus und der Mutter. Die fetalen Zel-len werden extrahiert und ausreichend vermehrt, um anschließend einer DNA-Analyse und einer Analyse der Chromosomen unterzogen zu werden, wodurchsich Erbkrankheiten und Chromosomenanomalien wie die Trisomie 21 fest-stellen lassen. Darüber hinaus erlaubt die Untersuchung des Fruchtwassers(zumindest ab dem zweiten Schwangerschaftstrimenon) die Bestimmung wei-terer Kennwerte. In der Regel werden Amniozentesen ab der 15. Schwanger-schaftswoche durchgeführt. Sie sind aber auch bereits ab der 10. Woche mög-lich (Frühamniozentesen), wobei zu diesem Zeitpunkt allerdings ein erhöhtesVerletzungsrisiko für den Fötus besteht.

Chorionzottenbiopsie (auch Chorionbiopsie) = Untersuchung fetaler Zellendurch Entnahme von Proben aus den Zotten der Chorionhaut, die später diePlazenta bildet. Der Eingriff findet in der 7. bis 12. Schwangerschaftswochestatt. Die Untersuchung der gewonnenen fetalen Zellen ähnelt dem Vorgehenbei der Amniozentese.

Inzidenz (in diesem Kontext) = Anteil von neugeborenen Säuglingen mit ange-borenen Behinderungen an der Gesamtzahl der Geburten in diesem Jahrgang.

Metaanalyse = systematische Auswertung der statistischen Daten einer größe-ren Anzahl von Studien mit dem Ziel, belastbarere Aussagen über einen Sach-verhalt treffen zu können, als dies durch die einzelnen Primärstudien alleinmöglich wäre.

Prävalenz (in diesem Kontext) = Anteil von Menschen mit angeborenen Behin-derungen an der Gesamtpopulation.

Selektiver Abort (auch: elektiver ~, therapeutischer ~) = Schwangerschaftsab-bruch aufgrund einer Fehlbildung des Fötus oder eines sonstigen positiven Be-fundes in einer vorgeburtlichen Untersuchung.

Sensitivität = Anteil an Merkmalsträgern, die durch eine Untersuchung korrekterkannt werden.

Sonographie = Ultraschalluntersuchung.

Spezifität = Anteil an Nicht-Merkmalsträgern, die durch eine Untersuchungkorrekt als nicht betroffen eingestuft werden.

Trimenon = Zeitraum von drei Monaten. Bei einer Schwangerschaftsdauer vondurchschnittlich 266 Tagen von der Empfängnis (post conceptionem) bis zurGeburt entspricht ein Trimenon in etwa einem Schwangerschaftsdrittel.

Triple-Test = umstrittene Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung, bei der aufder Basis der Konzentration dreier verschiedener Schwangerschaftshormoneim mütterlichen Blut (±Fetoprotein, unkonjugiertes Ostriol, humanes Cho-riongonadotropin) Wahrscheinlichkeitsaussagen über das Vorliegen einerChromosomenaberration oder eines Neuralrohrdefekts getroffen werden. Auf-grund gravierender Anwendungsfehler und einer massiven Verunsicherungvieler schwangerer Frauen werden die Kosten des Tests nicht mehr von denKrankenkassen übernommen.

durch eine Entscheidung für das Kindzu erleichtern. Gleichzeitig muss derVorstellung der Vermeidbarkeit von Be-hinderung durch Pränataldiagnostikentgegengetreten werden, da sich sonstin der Gesellschaft der Eindruck verfes-tigen könnte, Eltern von Kindern mit Be-hinderung hätten dem Sozialstaat eineunnötige Last aufgebürdet.

Reproduktive Autonomie bedeuteteben nicht nur, sich gegen ein Kind mitBehinderung entscheiden zu können,sondern auch, die Möglichkeit der be-wussten Entscheidung für das Austra-gen der Schwangerschaft zu gewährleis-ten.

Zusammenfassend lässt sich sagen,dass pränataldiagnostische Untersu-chungen immer häufiger in Anspruchgenommen werden. Die Präzision derUntersuchungsinstrumente nimmt fort-laufend zu und der Anteil der Föten, dienach einem positiven Befund abgetrie-ben werden, steigt ebenfalls oder sta-gniert auf hohem Niveau.

Sterben also Menschen mit Down-Syndrom aus, wie es Bonfranchi (1996)pointiert formuliert hat? Solange nichtjede Schwangerschaft intensiv über-wacht wird und jede Frau mit positivemBefund einen Abort durchführen lässt,trifft dieses Szenario sicher nicht ein.Allerdings ist bereits jetzt abzusehen,dass Menschen mit Down-Syndrom zu-nehmend aus unserer Gesellschaftschwinden werden.

Ausführliche Literaturangaben auf Anfrage beim Deutschen Down-Syndrom

InfoCenter zu erfragen.

Quelle:Dieser Artikel ist erschienen

in der Zeitschrift „HeilpädagogischeForschung“, Heft 4, S. 165-176,

Wir danken der Redaktion für die freundlicheGenehmigung, den Artikel in Leben mit Down-

Syndrom veröffentlichen zu dürfen.

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200553

WOHNEN

Hausbesitzer zu sein oder etwaseingeschränkter eine eigene

Wohnung mieten zu können, gibtMenschen das Gefühl, die Kontrolleüber ihre Wohnsituation zu haben.Dies „Unter Kontrolle haben“ ist we-sentlich für das Modell „SupportedLiving“. Aber es ist nicht genug, Kon-trolle zu haben über „Steine und Zin-sen“, genauso wichtig ist es, Einflusszu haben darüber, mit wem man zu-sammenlebt und wie man unter-stützt wird. Supported Living ent-wickelte sich in den 1980-er Jahrenin den USA, ausgelöst durch einewachsende Unzufriedenheit überWohngruppen und Wohnheime beiMenschen mit Lerneinschränkun-gen, ihren Familien und dem Pflege-personal. Auch die Situation in Groß-britannien hat sich während der letz-ten Jahre so ähnlich entwickelt.

Was ist Supported Living?

Ganz einfach formuliert: Bei Suppor-ted Living geht es um Menschen mitLerneinschränkungen, die selbstwählen, wie sie leben, wo sie leben,mit wem sie zusammenleben, wersie dabei unterstützt und wie dieseUnterstützung aussehen muss. Da-bei brauchen Menschen mit Lern-schwierigkeiten, genau wie viele vonuns auch, kompetente Hilfen, um dieverschiedenen Wahlmöglichkeitenzu verstehen und gegeneinander ab-zuwägen.

Statt in eine Gruppe platziert zuwerden, sollen die individuellenWünsche und Vorstellungen der Ein-zelnen berücksichtigt werden. JederMensch ist anders und hat seine ei-genen Ideen darüber, wie seineWohnsituation aussehen soll.

Kein Mensch wird auf Grund sei-ner Behinderung, auch wenn sienoch so beeinträchtigend ist, vom„Supported Living“ ausgeschlossen.Die Anbieter müssen sich etwas ein-fallen lassen, damit die jeweilige Per-son so leben kann, wie sie daswünscht. Einige der ersten Men-schen, die in Großbritannien „Sup-

ported Living“ praktizierten, warenschwerstbehindert. Um in den Ge-nuss vom „Supported Living-Modell“zu kommen, braucht man nicht erst„so weit“zu sein. Jeder ist so weit.Wir müssen nur überlegen, welcheArt der Unterstützung die Personbraucht.

Bezahlte Helfer werden dann ein-gesetzt, wenn es keine informelleoder natürliche Unterstützung gibt.Das bedeutet schon, dass noch vielbezahlte Hilfe nötig ist. Aber der Fo-kus muss darauf gerichtet sein, dieInklusion des Menschen in ein infor-melles Assistenznetz zu ermutigen,beispielsweise indem man Mitbe-wohner oder gute Nachbarn mit ein-bindet. Obwohl viele Menschen mitBehinderungen angewiesen sind aufumfangreiche Unterstützungsmaß-nahmen, die von bezahlten Mitarbei-tern geleistet werden, soll im Lebenjedes Einzelnen immer auch Platzsein für informelle Hilfe. ReguläreAngebote der Kommune nützen zukönnen, wäre zum Beispiel schon soetwas.

Missverständnisse

Es ist zu teuer!

Erfahrungen aus den USA und Groß-britannien zeigen, dass „SupportedLiving“ nicht mehr kostet als andereWohnmodelle. Einige Personen wür-den tatsächlich mehr kosten, fürmanche bleiben die Kosten gleich,aber für viele andere sind die Kostengeringer.

Allein wohnen oder mit jeman-dem zusammen?

Viele Menschen möchten gerne allei-ne wohnen, andere jedoch nicht.Außerdem ändert manch einer (sowie viele von uns) seine Meinung imLaufe seines Lebens. Wenn man ge-nau nachfragt, wird man feststellen,dass die meisten lieber mit jeman-dem zusammenwohnen möchten.

Supported Living – Unterstütztes Wohnen

Dies soll berücksichtigt werden. Mansoll weder automatisch davon ausge-hen, dass jeder gern für sich wohnt,noch dass jeder immerzu mit ande-ren zusammenleben möchte.

Die Mitbewohner müssen für alles aufkommen

Nur von der Unterstützung eventuel-ler Mitbewohner auszugehen ist ver-kehrt. Das allein ist kein „SupportedLiving“. Wohl wird an erster Stelleangestrebt, dass die Person mit einerLerneinschränkung viele informelleHilfen nützt, die meisten Menschenbenötigen jedoch einen beträchtli-chen Betrag für bezahlte Unterstüt-zung. Es gibt nicht ein Modell vonSupported Living, das für jeden passt.Jeder ist anders und wird einen an-deren Unterstützungsbedarf haben.Der Einsatz von gut ausgebildetemPersonal ist genauso wichtiger Be-standteil dieses Angebots.

Zuständigkeit von „Supported Living“–Anbietern

„Supported Living“ kann zwar Un-terstützung beim Wohnen leisten,vermittelt jedoch keine Beschäfti-gungsmöglichkeiten für den behin-derten Menschen noch garantiertdas Modell, dass so automatischFreundschaften entstehen. DieseDinge müssen von anderen Stellenübernommen werden.

Kontrolle

„Supported Living“ bietet effektiveund kompetente Hilfen, die hohenQualitätsprüfungen unterzogen wer-den. Alle Abmachungen, Bedingun-gen usw. werden in klaren Verträgenfestgehalten. Die Anbieter werdenihrerseits von verschiedenen Stellenkontrolliert.

Quelle: Flyer der Housing OptionsAutor: Peter Kinsella in Journal, Down’s

Syndrome Association, Issue 107, Winter2005

R E C H T

56 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

halten und die notwendige Betreuung, Aufwendungen für Besuche bei Ver-

wandten und Freunden, die Anschaffung von Hilfsmitteln, die Bezahlung von ärztlichen bzw.

pflegerischen Behandlungen oder Me-dikamenten, die von Versicherungennicht vollständig bezahlt werden,

modische Kleidung oder sonstige Güter des persönlichen Be-

darfs. Der Träger der Sozialhilfe muss solcheZuwendungen, sofern sie kein Luxussind, nach geltendem Recht akzeptie-ren, ohne dass seine eigenen Leistungeneingeschränkt werden.

Das Erbe verwalten

Der Testamentsvollstrecker hat also ei-ne schwierige und zeitaufwändige Auf-gabe. Er muss das Erbe verwalten undgleichzeitig über die Ausgaben zuguns-ten des Behinderten in dessen Sinn ent-scheiden. Hier sollte man eine Personwählen, die dieser Aufgabe gewachsenist, idealerweise aber auch enge Kon-takte zum behinderten Erben hat, umdessen Wünsche und Bedürfnisse ein-schätzen zu können. Damit sind allezentralen Aspekte bedacht. Kompliziert,aber inzwischen anerkannt.

Regelmäßige Überprüfung

Für nicht weit überdurchschnittlich ho-he Erbschaften wurde die Wirksamkeitdes Behindertentestaments in der Ver-gangenheit auch gerichtlich bestätigt(Bundesgerichtshof 1990 und 1993). In-zwischen setzt der Bundesgerichtshofoffenbar die Wirksamkeit des Behinder-tentestaments ohne große Diskussionvoraus (vgl. Bundesgerichtshof, Urteilvom 8. Dezember 2004). Natürlich soll-te ein bereits abgeschlossenes Testa-ment gleichwohl immer wieder über-prüft werden. Nicht nur das Recht kannsich ändern, auch unsere Lebensum-stände sind in ständigem Wandel undkönnen Einfluss auf unseren letzten Wil-len haben.

Natürlich kann ein Behindertentes-tament auch weitere Anordnungen ent-halten, zum Beispiel Regelungen zurVerteilung des Nachlasses.

Vormund und Betreuer

Eltern minderjähriger Kinder werdenmeist noch regeln wollen, wer sich imFalle ihres Todes um die Kinder küm-mern soll. Sie werden also einen Vor-

vorgeschriebene Form ist er unwirksamund unbeachtlich!

Da ist zunächst das „eigenhändige“Testament: Es muss in allen Teilenhandschriftlich niedergelegt und unter-schrieben sein. Es soll mit Datum undOrt versehen sein. Nur Ehegatten kön-nen ein so genanntes gemeinschaftli-ches Testament errichten, das unterUmständen auch eine wechselseitigeBindung nach sich zieht. Auch das ei-genhändige Testament kann beimAmtsgericht in Verwahrung gegebenwerden.

Daneben besteht die Möglichkeit, einnotarielles Testament zu errichten. DerNotar übernimmt Beratung, Formulie-rung und Abfassung des letzten Willensund beurkundet diesen. Er kümmertsich um die amtliche Verwahrung.

Im Erbvertrag können schließlichvon zwei oder mehr Personen, zum Bei-spiel auch von Ehegatten oder Lebens-gefährten, neben widerruflichen auchbindende Regelungen getroffen werden.Für seine Errichtung ist ausschließlichder Notar zuständig.

6. Erbrechtliche Beratung

Wer daran denkt, ein Behindertentesta-ment zu errichten, der sollte dies kei-nesfalls ohne kompetente Beratung tun,die auf die spezielle Lebenssituation derFamilie eingeht. Jeder Mensch ist an-ders. Ein Behindertentestament von derStange gibt es nicht. Und: Schlechter Ratist teuer, manchmal unbezahlbar! Glei-ches gilt für fehlenden Rat.

Zur erbrechtlichen Beratung wegeneines Behindertentestaments kann mansich z. B. wenden an:– eine Rechtsanwältin oder einen Rechts-anwalt, am besten mit Tätigkeits-schwerpunkt im Erbrecht;– eine Notarin oder einen Notar derWahl, unabhängig vom Wohnort.

Fachleute, die nach ihrer eigenenEinschätzung über Kompetenz auf demGebiet des Behindertentestaments ver-fügen, findet man im Internet unterwww.lebenshilfe.de (Stichwort: Rechts-beraterliste).

7. Ein Wort zu den Kosten

Ob Anwalt oder Notar – in jedem Fallegilt: Die konkret anfallenden Kosten undGebühren sollte man im Voraus erfra-gen! Das erspart Überraschungen.

Die Notarkosten richten sich aus-schließlich nach den gesetzlichen Re-

Diese Rollen und Posten gilt es im Behindertentestament zu verteilen:

– Welche Personen berufe ich zu mei-nen Erben? Zu welchen Quoten?

– Wem soll der für das Kind mit Be-hinderung zugedachte Erbteil nachdessen Tod zufallen? Wer soll also sogenannter Nacherbe werden?

– Wer soll Testamentsvollstreckerwerden, also das dem Kind mit Be-hinderung im Testament zugewand-te Vermögen verwalten?

– Wer soll Vormund bzw. rechtlicherBetreuer werden, also die gesamtePersonen- und Vermögenssorge fürdas Kind mit Behinderung überneh-men?

mund benennen. Ist das geistig behin-derte Kind erwachsen, muss möglicher-weise ein rechtlicher Betreuer vom Vor-mundschaftsgericht bestellt werden.Auch hier können im Testament Emp-fehlungen ausgesprochen werden, diefür das Gericht allerdings nicht bindendsind. Zu beachten ist dabei, dass diePerson des Testamentsvollstreckers unddie des Betreuers bzw. Vormunds nichtidentisch sein sollten.

Es gibt beim Behindertentestamentalso eine ganze Anzahl von Rollen zu be-setzen. Wer für welche Position in Fra-ge kommt, muss sorgfältig bedacht wer-den. In allen Fällen ist auch an eine aus-reichende Anzahl von Ersatzpersonenzu denken und deren Reihenfolge klar-zustellen. Denn das Testament entfaltetja erst nach dem Tode des ElternteilsWirkung und soll über die gesamte Le-benszeit des Kindes mit Behinderunggelten!

5. Auch auf die Form kommt es an!

Um ein Behindertentestament zu er-richten, genügt wie bei jedem Testa-ment der gute Wille allein nicht. Es mussin die richtige Form gebracht werden.Hierfür sieht das Gesetz im Wesentli-chen drei Wege vor, wobei die jeweili-gen Anforderungen penibel beachtetwerden müssen. Sonst ist der letzte Wil-le meist nicht das Papier wert, auf demer steht: Bei einem Verstoß gegen die

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G E N E T I K

16 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

beschleunigen bzw. sollte die Verände-rung bereits jetzt in den niedrigen Jahr-gangsstufen deutlich zu merken sein.Gleichzeitig wird das Alter der Müttervon Kindern mit Down-Syndrom fort-laufend sinken, da bei jungen Mütternkein routinemäßiges Screening durch-geführt wird.

Natürlich ist es für eine Frau wün-schenswert, ein Kind ohne Behinderungzur Welt zu bringen. Das Anliegen die-ses Artikels ist keineswegs die Be-schneidung der Autonomie von Frauen,die sich in der schwierigen Entschei-dungsfindung für oder gegen ein Kindmit Behinderung befinden. Dennochmuss deutlich darauf hingewiesen wer-den, dass beispielsweise im Fall einesTrisomie-21-Befundes die einzige Mög-lichkeit einer „Therapie“ in der Beendi-gung der Schwangerschaft und somitdes Todes des Fötus mit Trisomie 21liegt.

Es muss deshalb unter Wahrung derNon-Direktivität humangenetischer Be-ratung ebenfalls das Ziel sein, Eltern aufsozialstaatliche Hilfen, Elternnetzwer-ke, Fördermöglichkeiten und Entwick-lungschancen hinzuweisen, um hier-

sollte sich die Veränderung der Zusam-mensetzung der Schülerschaft an Son-derschulen in den nächsten Jahren noch

(1972, zitiert nach Wilken, 2002) nochvon einem Anteil von 25,1 % bzw. 21,0% (Abb. 6).

Es gibt verschiedene denkbare Al-ternativerklärungen. Zum Beispiel könn-ten Schüler und Schülerinnen mit Down-Syndrom verstärkt integrativ beschultwerden und gleichzeitig die Schülerzah-len an Sonderschulen aufgrund der Zu-nahme von Kindern mit Mehrfachbe-hinderungen steigen. In diesem Fall wä-re damit eine Abnahme des Anteils vonKindern mit Down-Syndrom verbun-den, doch ist das Ausmaß der Redukti-on sicher nicht allein auf diese Faktorenzurückführbar. So stieg zwar der Anteilder Schülerschaft an Schulen mit demFörderschwerpunkt geistige Entwick-lung zwischen 1991 und 2000 von 0,35% auf 0,45 % (KMK, 2002a, 2; KMK,2002b, 28), doch ist der Anteil integriertbeschulter Kinder mit Down-Syndromde facto vernachlässigbar: In allen Inte-grationsschulen und integrativen Pro-jekten Hessens befanden sich im Schul-jahr 2002/03 gerade einmal 25 Schülerund Schülerinnen mit Down-Syndrom(Lenhard, 2003).

Da die stärkste Zunahme der Erken-nungsrate in der ersten Hälfte der 90-erJahre stattfand und bereits eine Reiheneuer Screeninginstrumente wie bei-spielsweise das Nackenfaltenscreeningimmer häufiger angewandt werden,

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Abb. 6:Anteil an Schülernmit Down-Syndrom(Eggert, 1969, zitiertnach Wilken, 2002;Dittmann, 1972,zitiert nach Wilken,2002; Wilken, 2002;Lenhard, 2003)

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„Glück gehabt“ stand

auf den Postern und

Postkarten, die wir 2001

für die Deutschen Down-

Syndrom-Wochen her-

ausgaben.

„Mehr als 90 % aller

werdenden Mütter in

Deutschland entscheiden

sich gegen ihr Kind,

wenn das Ergebnis einer

pränatalen Diagnostik

Down-Syndrom lautet.

Grund dafür ist oft nur

fehlendes Wissen!“

GENETIK

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200513

schen 1992 und 1996 bezogen auf alleSchwangeren 45,5 % betrug. Der größ-te Teil der Frauen (94,4 %) beendete dieSchwangerschaft, 4,0 % erfuhren erstnach der 27. Schwangerschaftswochevon der Behinderung und 1,5 % (dieZahlen ergeben zusammen nur 99,5 %)entschieden sich bewusst für das Kind.Im Gegensatz zu den Ergebnissen, dieStoll et al. (2002) für Frankreich berich-ten, blieb die Anzahl lebend geborenerKinder mit Trisomie 21 in der Schweizseit 1980 jedoch aufgrund des generellgestiegenen mütterlichen Alters weitge-hend konstant. Zu einem ähnlichen Er-gebnis kommen Cornel et al. (1993), dieauf der Basis einer Schätzung für dieNiederlande sogar die Zunahme der In-zidenz des Down-Syndroms prognosti-zieren. Mit dem Ziel, aussagekräftigeepidemiologische Prognosen über diepotenzielle Vorkommenshäufigkeit an-geborener Behinderungen zu erhalten,werden üblicherweise Untersuchungs-ergebnisse aus Schwangerschaftsvor-sorgeuntersuchungen herangezogen, dasich hier der Effekt selektiven Fetozidsnicht bemerkbar machen kann. SolchenSchätzungen zufolge ergibt sich seit An-fang der 80-er Jahre eine stetige Zu-nahme der Inzidenz von Trisomie 21(Verloes et al. 2001; de Vigan et al.2001; Stoll et al., 2001; Stoll et al.,2002). Diese Zunahme wird üblicher-weise auf den Anstieg des mütterlichenAlters zurückgeführt.

Unberücksichtigt bleibt oft die Tat-sache, dass Untersuchungen währenddes ersten und zweiten Trimenons denAnteil an Chromosomenanomalien weitüberschätzen. Zwar sind die Untersu-chungsergebnisse sehr präzise und dieSensitivität insbesondere von invasivenUntersuchungen liegt fast bei 100 %.Viele Föten mit einer Chromosomen-aberration sterben aber während derSchwangerschaft ab, sodass in vorge-burtlichen Untersuchungen wesentlichmehr Föten mit Trisomie 21 festgestelltwerden, als tatsächlich später zur Weltkommen. Unter der Annahme, dasskeinerlei vorgeburtliche Untersuchun-gen stattfinden und keine Schwanger-schaft abgebrochen wird, ist die Inzi-denz lebend geborener Kinder mit Tri-somie 21 beispielsweise 54 % geringer,als dies Untersuchungen im ersten Tri-menon – üblicherweise Chorionzotten-biopsien – nahe legen (Snijders, Holz-greve, Cuckle & Nicolaides, 1994). Un-

tersuchungen während des zweiten Tri-menons – also in der Regel Amniozen-tesen – überschätzten nach Snijders et al.(1994) den Anteil immerhin noch um 21% bis 33 %, nach Halliday et al. (1995)sind es 18 %. Wenn man selektive Abor-te in die Schätzung von Lebendgeburteneinbezieht und diese als potenzielle Ge-burten verrechnet, so kommt es glei-chermaßen zu einer Überschätzung derGeburtenrate von Kindern mit Down-Syndrom (Ethen & Canfield, 2002). DieZunahme invasiver Untersuchungenund der damit verbundene Anstieg po-sitiver Diagnosen führen deshalb zu ei-ner Überschätzung der Zunahme der In-zidenz von Kindern mit Down-Syndrom.

Fragestellung

Die Daten der BAQ (1988 – 2003) doku-mentieren die starke Zunahme an invasi-ven pränatalen Untersuchungen. Gleich-zeitig kommt es, wie durch Stoll et al.(2002) dargestellt, zu einer deutlichenZunahme an pränatal identifizierten Fö-ten mit Fehlbildungen. Ob sich dieseEntwicklung merklich auf die Geburten-zahl von Kindern mit Trisomie 21 aus-wirkt, hängt im Wesentlichen von denfolgenden Fragen ab: Wie hoch ist derAnteil der Föten, die nach positivem Be-fund abgetrieben werden? Wie unter-scheidet sich die Höhe der Abbruchratein Abhängigkeit von der Behinderungs-art? Wie hat sich die Rate selektiverAborte seit der Einführung pränataldia-gnostischer Untersuchungen verändert?

Methodik

Zur Beantwortung dieser Fragen wur-den die seit den 70-er Jahren erschie-nenen Publikationen zu diesem Themasystematisch untersucht. Viele dieserStudien dokumentieren Abbruchratenin Folge eines positiven Befundes unter-schiedlicher fötaler Fehlbildungen. Diemeisten verfügen aufgrund der Selten-heit positiver Befunde aber nur überkleine Fallzahlen und stammen aus un-terschiedlichsten Regionen wie Groß-britannien, den USA, Hawaii, Israel etc.Um diese Einschränkungen der Primär-studien zu kompensieren, wurde einemetaanalytische Auswertung gewählt.

Die Studien wurden mittels der elek-tronischen Datenbanken psycInfo, Psy-chology and Behavioral Sciences Collec-tion (PsycArticles) und Medline recher-chiert. Diese Datenbanken umfassen diebibliographischen Angaben der Artikel

mehrerer tausend vorwiegend interna-tionaler Zeitschriften der Themengebie-te Humanmedizin und Psychologie.Medline indexiert 3 900, psycInfo 1 700und PsycArticles 500 Zeitschriften, wo-bei zwischen den Datenbanken sicherein großer, nicht näher spezifizierbarerÜberlappungsbereich besteht.

Als Suchbegriff diente der folgendeTerm: „(abortion OR termination) AND(selective OR elective) AND pregnancy“.Die Referenzen einzelner Artikel (wiebeispielsweise die Metaanalyse vonMansfield, Hopfer und Marteau, 1997)dienten zusätzlich als Informationsquel-le zur Recherche weiterer Publikationen.Daten aus Metaanalysen und anderenSekundärstudien wurden allerdings nichteinbezogen, sondern nur die im Originalverfügbaren Angaben verwertet.

Es wurden alle Studien einbezogen,die vollständige Angaben in Bezug aufpositive Befunde, Behinderungsformund selektive Aborte beinhalteten undüber eine Mindestgröße der Stichprobevon 15 Frauen mit positivem Befundverfügten. Diese Publikationen wurdenhinsichtlich des Erhebungszeitraums(bis 1980, 1980 bis 1989, seit 1989), dererhobenen Behinderungsart (Trisomie21, Spina bifida, Anenzephalie, Aberra-tionen der Geschlechtschromosomen,Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) und derUntersuchungsregion klassifiziert.

Des Weiteren wurden alle Angabenzur Anzahl an erfassten Schwanger-schaften, positiven Befunden (nach Be-hinderungsform) und selektiven Abor-ten extrahiert. Die Daten wurden inForm von Absolutzahlen codiert undschließlich mittels Chi2-Tests in Bezugauf Zusammenhänge hinsichtlich Zeit-raum und Behinderungsart ausgewer-tet.

Ergebnisse

Die Recherche mittels des angegebenenSuchterms in den Literaturdatenbankenerbrachte insgesamt 1277 Treffer. Eingroßer Teil dieser Publikationen be-schäftigte sich mit ethischen Aspektenselektiver Aborte, der Einstellung derBevölkerung gegenüber Schwanger-schaftsabbrüchen, medizinischen Kom-plikationen und psychologischen Kon-sequenzen der Abtreibung. Eine Reiheweiterer Untersuchungen machte un-genügende Angaben oder differenziertedie Abbruchraten nicht nach Behinde-rungsformen. Nach Berücksichtigung

R E C H T

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 57

geln der Kostenordnung. Für die Beur-kundung eines Testaments oder Erb-vertrages ist dabei in der Regel der Wertdes Vermögens im Zeitpunkt der Beur-kundung maßgeblich. Vom Aktivbe-stand des Vermögens sind vorhandeneSchulden abzuziehen.

Grundgebühr

Die Grundgebühr für einen Erbvertragoder ein gemeinschaftliches Testamentbeträgt grundsätzlich etwa 0,3 % desWertes des Vermögens zuzüglich 110Euro. Errichtet nur eine Person ein Tes-tament, ist die Grundgebühr nur halb sohoch. Hinzu kommen jeweils Kosten fürAuslagen und Schreibgebühren in ge-ringer Höhe sowie die gesetzliche Mehr-wertsteuer. Beispielsweise kostet einvon Eheleuten vor dem Notar errichte-tes gemeinschaftliches Behindertentes-tament bei einem Vermögen in Höhevon 100.000 Euro insgesamt ca. 500Euro.

In den Kosten enthalten sind die um-fassende rechtliche Beratung, die Ent-wurfsfertigung sowie die Beurkundung,jeweils unabhängig vom Grad derSchwierigkeit oder vom zeitlichen Auf-wand.

Die Gebühren für die Beratungdurch einen Rechtsanwalt unterliegenanderen Vorschriften als die Notarkos-ten.

... außer man tut es!

Niemand denkt gern an den eige-nen Tod. Die Regelung der eigenenErbangelegenheiten schiebt mangerne auf die lange Bank – und ver-gisst sie. Wer für sich Handlungsbe-darf sieht, sollte deshalb nicht zulange zögern.

Denn auch beim eigenen Testa-ment gilt: Es gibt nichts Gutes,außer man tut es!

Lorenz Spall,Notar in Annweiler am TrifelsTel. 0 63 46 / 89 37E-Mail: [email protected]

(Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht inden „Informationen der

Lebenshilfe Ludwigshafen/Rhein“, AusgabeJanuar 2005

Neue Ratgeber: Finanzielle Hilfen für Familien mit behinderten Kindern

Broschüre: „Mein Kind ist behindert– diese Hilfen gibt es“

Der Bundesverband für Körper- undMehrfachbehinderte e.V. hat seinenRatgeber „Mein Kind ist behindert – die-se Hilfen gibt es“ in einer überarbeitetenVersion neu aufgelegt. Die Broschüregibt auf 52 Seiten detailliert und in ver-ständlicher Sprache Auskunft darüber,welche Hilfen Eltern behinderter Kinderund behinderte Menschen in Anspruchnehmen können: von der Frühförde-rung über die Hilfsmittelgewährung unddie Leistungen bei Pflegebedürftigkeitbis hin zu Hilfen im Berufsleben.

Die Neuauflage geht zudem intensivauf Änderungen ein, die sich durch dasam 1. Januar in Kraft getretene neueSozialhilferecht (Sozialgesetzbuch XII)ergeben haben. Wichtig für Eltern be-hinderter Kinder sind hier insbesonde-re die neuen Einkommens- und Vermö-gensgrenzen bei der Inanspruchnahmevon Sozialhilfeleistungen sowie die neu-en Regelungen für die so genannte Un-terhaltsheranziehung bei den Elternvolljähriger Kinder.

Der Ratgeber zeigt auf, welche Voraus-setzungen für die jeweiligen Leistungenerfüllt sein müssen, wo sie zu beantra-gen sind und wer nähere Auskünfte gibt.Im Anhang und im Text erhalten die Le-ser/-innen weiterführende Literatur-tipps, sodass sie bei Bedarf auch tiefer indie Materie einsteigen können.

Die Broschüre steht im Internet als Download unter www.bvkm.de in derRubrik „Recht und Politik“ zur Verfü-gung. Sie kann außerdem zum Preis von3 Euro (inkl. Porto und Verpackung) un-ter folgender Adresse bestellt werden: Bundesverband für Körper- und Mehr-fachbehinderte e.V., Stichwort „Elternratgeber“, Brehmstraße 5-7, 40239 Düsseldorf

Der Bundesverband für Körper- undMehrfachbehinderte e.V. ist ein Zusam-menschluss von rund 25.000 Mitglieds-familien. Er vertritt u.a. die Interessenbehinderter Menschen gegenüber Ge-setzgeber, Regierung und Verwaltung.

Der Rechtsdienst der Lebenshilfe

Der „Rechtsdienst der Lebenshilfe“wendet sich zwar vor allem anJurist(inn)en, Mitarbeiter(innen) inBehörden und beratende Mitarbeiter(in-nen) in Behindertenorganisationen und-einrichtungen, wir im Down-SyndromInfoCenter finden diese Zeitschrift je-doch auch sehr hilfreich. Er informiertüber aktuelle Entwicklungen in der So-zialpolitik und über die behinderte Men-schen betreffende Rechtsprechung.

Mitbeteiligt am Rechtsdienst sind ne-ben der herausgebenden Bundesverei-nigung Lebenshilfe der BundesverbandEvangelische Behindertenhilfe (BEB),der Verband Katholischer Einrichtun-gen und Dienste für lern- und geistig be-hinderte Menschen (VKELG) sowie derVerband für Anthroposophische Heil-pädagogik und Soziale Arbeit.

Zu beziehen über die Lebenshilfe. Infor-mationen unter: www.lebenshilfe.de.

ERFAHRUNGSBERICHT

60Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

tags). In diesen kleben wir jede WocheFotos unserer Termine hinein, d.h.Montag die Spielgruppenleiterin, Diens-tag und Donnerstag ein Bild unserer Ta-gesmami und ihrer Kinder etc. Habe ichkein passendes Foto zur Hand, male icheinfach eins, z.B. Weihnachten einenTannenbaum. Inzwischen weiß Viviane,wenn ich sie frage, was wir am Mitt-woch machen, dass sie zu Isabelle zumMuki-Turnen geht und nach dem Mit-tagsschlaf zu Frau Trümpler zum Spie-len (Frühfördertherapeutin).

Zusätzlich hängt neben der Wickel-kommode noch ein großer Janosch-Ka-lender, auf dem pro Blatt ein Monat ab-gebildet ist. Mir ist schon klar, dass Vivinoch nicht begreift, was Tage, Wochenund Monate sind, doch ich hoffe, dass ir-gendwann ein Verständnis kommt.

Zahlenverständnis und Numicon

Einkaufen gehen, CD-Player oder Fern-bedienung bedienen – überall gibt esZahlen, seien es Mengen, Preise, Ziffern.Angeregt durch einen Artikel in Lebenmit Down-Syndromund das Bewusst-sein, dass man später, will man mög-lichst selbstständig leben, ein Zahlen-verständnis braucht, habe ich mir nunNumicon angeschafft. Beide Kinder fin-den es absolut faszinierend (ich kommegar nicht nach, Übungen vorzuberei-ten).

Allerdings habe ich inzwischen dasProblem, dass ich mit Viviane keine Zeitalleine verbringe; die zweijährige Leo-nie will schließlich auch mitmachen. Diepaar Male, die ich es bisher mit Vivi ge-schafft habe, war sie voll bei der Sache.Ich musste nach 25 Minuten abbrechen,sonst wäre sie gar nicht mehr zu ihremMittagsschlaf gekommen.

Das Tic-Tac-Würfelspiel

Die Zahlen des Würfels zu kennen ist si-cherlich nicht lebensnotwendig, aberkann auch nicht schaden. Dazu habe ichmir folgendes Spiel überlegt: Die Kinderdürfen mit einem großen Schaumstoff-würfel würfeln. Sagen sie die Augenzahlrichtig, bekommen sie die gleiche An-zahl an Tic-Tac in ihr Schatzkästchen.Ist die Antwort falsch, nehme ich dieentsprechende Anzahl aus dem Käst-chen. Nach drei Runden dürfen die Kin-der die verbliebenen Tic-Tac essen.

Cogito ergo sum – Ich denke, deshalb bin ich

Wichtig war mir, dass Viviane nicht ein-fach nur konsumiert, sondern auch ei-genständig denkt. So ist es abends einRitual geworden, sie zu fragen, was wirheute gemacht haben, was es zum Mit-tagessen gab etc. Es passiert erstaunlichviel während eines Tages, wenn man esaus Kinderperspektive betrachtet, ichhabe gestaunt.

Zu Beginn habe ich eigentlich nurden Tagesablauf repetiert, aber inzwi-schen kann sie mir schon sagen, waswir so alles erlebt haben. Zur visuellenUnterstützung hilft auch der Fotokalen-der. Zusätzlich sage ich ihr, wie das„Programm“ des nächsten Tages aus-sieht.

Quintessenz:

Viel wiederholen, viel Geduld, viel vi-sualisieren, konsequente und liebevolleErziehung, jeden Tag – so weit es geht –genießen und nicht zu sehr an Vivis Zu-kunft denken, alles verbunden mit einergroßen Portion Humor. Mit dieser Ein-stellung hat es mit Vivi bisher sehr vielSpaß gemacht.

Bald geht’s in den „Chindsgi“

Im Sommer soll sie nun in den Kinder-garten integriert werden (in der Schweizkommen die Kinder erst mit vier bis fünfJahren in den „Chindsgi“). Hoffen wir,dass es klappt.

Siehste, klapptdoch!

Die 16-jährige Christiane aus Neu-wied ist stolz und glücklich, dass

sie nun genau wie ihre großen Geschwis-ter Ski fahren kann. Zuerst waren dieEltern etwas skeptisch: Würde Christia-ne das überhaupt lernen können? Aberdie Bedenken wurden zerstreut. Heuteschreiben die Eltern: Welch eine enor-me Kraft wohnt in diesem Mädchen.Man muss nur den Mut haben, diesesPotenzial zu fördern. Für Christiane wardas längst klar. Ihr Lieblingsspruch ist:„Siehste, klappt doch!“

Heute nach drei Jahren fährt Chris-tiane alleine mit einen kleinen Schlepp-lift hinauf und in Kurven den Berg wie-der runter. Sie hat es geschafft. Und mitihrem Charme schafft sie es, dass sienie allzu lange in der Schlange vor demLift stehen muss! Von ihrem gespartenTaschengeld hat sie sich voller Stolz nunauch die bis dahin geliehenen Skier undSchuhe gekauft.

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GENETIK

14Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

der verschiedenen Ausschlusskriterienverblieben insgesamt 23 seit 1982 pu-blizierte Studien, von denen 21 verfüg-bar waren (siehe Tabelle 1).

Die Abbruchraten variierten stark jenach Behinderungsart, « 2 (4, N = 7782)= 1683.3, p<0.001, und waren bei Fötenmit Trisomie 21 bei einer Abbruchratevon 91,5 % am höchsten (siehe Abbil-dung 5, siehe Tabelle 2).

Der Anteil von 91,5 % würde wahr-scheinlich sogar noch höher ausfallen,wenn nicht auch späte Diagnosen be-rücksichtigt wurden. Diese schließen ineinigen Ländern einen Abort aus, da derFötus bereits extrauterin überlebenkann. Zwei Forscherteams (Daniel et al.,1982; Julian-Reynier et al., 1995) be-richten von einem Anteil von 100 % imFalle eines positiven Trisomie-21-Be-funds.

Die zweithöchste Abbruchrate tratbei Anenzephalie auf. Die Tatsache,dass mehr Frauen einen Fötus mitAnenzephalie austragen als einen Fötusmit Trisomie 21, ist zwar erstaunlich,kann aber möglicherweise daraufzurückgeführt werden, dass bei einerAnenzephalie das Kind normalerweiseinnerhalb weniger Stunden nach derGeburt verstirbt. Bei Spina bifida betrugdie Abortrate 73,5 %. Die niedrigstenAbbruchraten traten hingegen bei Fötenmit Anomalien der Geschlechtschromo-somen (Turner-Syndrom, Klinefelter-Syndrom; durchschnittliche Abortrate:46,2 %) und bei Föten mit Lippen-Kie-fer-Gaumenspalte (LKGS) auf. Insbeson-dere bei Föten mit LKGS variierten dieAbbruchraten sehr stark. Während einebritische Studie (Shaik et al., 2001) voneiner Abortrate von 8,7 % berichtet, be-trug dieser Anteil in Israel 95,8 % (Blu-menfeld et al., 1999). Die Rate inDeutschland (Berge et al., 2002) lag mit54,7 % nahe am Durchschnitt. (Abb. 5)

Ebenso nahm der Anteil der selektivabgetriebenen Föten insgesamt merk-lich zu, « 2 (2, N = 7120) = 107.8,p<0.001. Während im Zeitraum bis1980 76,2 % der Frauen nach einempositiven Befund eine Abtreibungdurchführen ließen, waren es im Zeit-raum nach 1989 88,1 %. (Tab. 2)

Die von Stoll et al. (2002) mit 72,5 %angegebene pränatale Erkennungsratefür Trisomie 21 und die Abbruchrate fürFöten mit Down-Syndrom von ca. 91,5 %,ergeben rein rechnerisch, dass ca. 66 %aller ungeborenen Kinder mit Down-

Tab. 2: Abbruchraten nach positivem Befund getrennt nach Zeitraum

Zeitraumpositive DiagnosenAbbrücheAnteil

bis 198014711276,2%

ab 1980 bis 198965248674,5%

nach 19896345559088,1%

Squire et al. (1982)UK1972 - 1980161487,5%Daniel et al. (1982)Australien1973 - 19802929100,0%Benn et al. (1985)US1979 - 1984454395,6%Julian-Reynier et al. (1995)Frankreich1984 - 19907676100,0%Binkert et al. (2002)Schweiz1980 - 199639633384,1%Mutton et al. (1998)UK1989 - 19974799441592,0%Britt et al. (2000)US1989 - 199814412989,6%Stoll et al. (2002)Frankreich1990 - 1998524382,7%Zlotogora (2002)Israel 1998 - 200158456095,9%

Gesamt6141564291,9%

Squire et al. (1982)UK1972 - 198011763,6%EUROCAT Working Group (1991)Europa1980 - 198618911661,4%Roberts et al. (1995)US1990 - 1991371848,6%Forrester et al. (2000)Hawaii1986 - 1997786482,1%Olde Scholtenhuis et al. (2003)Niederlande1996 - 1999383592,1%Boyd et al. (2000)Europa1998 - 199917111869,0%

Gesamt48735873,5%

Squire et al. (1982)UK1972 - 19801818100,0%EUROCAT Working Group (1991)Europa1980 - 198634728281,3%Forrester et al. (2000)Hawaii1986 - 1997653249,2%Roberts et al.(1995)US1990 - 199139923,1%Boyd et al. (2000)Europa1998 - 199915914289,3%

Gesamt62848376,9%

Nielsen & Videbech (1984)Dänemark1970 - 1980523261,5%Squire et al. (1982)UK1972 - 19808675,0%Gravholt et al. (1996)Dänemark1978 - 1980282485,7%Benn et al. (1985)US1979 - 1984312064,5%Holmes-Siedle (1987)Europa1979 - 1984402562,5%Gravholt et al. (1996)Dänemark1986 - 1993725170,8%Forrester & Merz (2003)Hawaii1986 - 19992055727,8%

Gesamt40918946,2%

Shaikh et al. (2001)UK1991 - 19982328,7%Bergé et al. (2002)BRD1990 - 199970

23955,7%

Blumenfeld et al. (1999)Israel1990 - 1999242395,8 %

Gesamt1176454,7%

2davon 36 mit weiteren chromosomalen Annomalien

Tab. 1: Übersicht über die verwendeten Studien zu selektivem Abbruch nach positivem Befund

Trisomie 21

Spina BifidaA

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eschlechtschromoso-

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AutorenRegionZeitraumpos. Dia-Ab-Anteilgnosenbrüche

G E N E T I K

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 15

Syndrom abgetrieben werden. DieseZahl stellt nur einen groben Schätzwertdar, da das steigende mütterliche Alternicht berücksichtigt wird. Auch fehlt dieKorrektur der bereits beschriebenenÜberschätzung der Anzahl von Lebend-geburten mit Trisomie 21 in Pränatal-untersuchungen.

Lässt man diese Einschränkungenaußer Acht, so sinkt die natürliche Inzi-denz von etwa 1 : 700 (Snijders et al.,1994) in Populationen ohne Pränatalun-tersuchungen und selektiven Abort aufca. 1 : 2000.

Diskussion

Die stetige Zunahme der Erkennungsra-te in Verbindung mit einem sehr hohenAnteil selektiver Abbrüche wird zu einerstarken Abnahme der Prävalenz vonMenschen mit Down-Syndrom führen.Die Abortraten nach positivem Befundhaben in Bezug auf die Gesamtzahl allerpositiven Befunde seit 1970 merklichzugenommen. Allerdings muss hierbeiberücksichtigt werden, dass in den letz-ten Jahren vermehrt Studien zum Abortbei Trisomie-21-Befund veröffentlichtwurden. Bei Trisomie 21 war jedoch dieAbortrate bereits in den 70-er Jahrensehr hoch (siehe Tabelle 1), sodass derAnstieg selektiver Aborte nicht zwangs-läufig auf die Änderung des Verhaltensvon Schwangeren zurückführbar ist. Al-

lerdings verzeichnete die EUROCATWorking Group (1991) eine deutlicheZunahme der Abortraten bei Föten mitNeuralrohrdefekten im Laufe der 80-erJahre. Dem gegenüber ist wahrschein-lich der Anteil selektiver Schwanger-schaftsabbrüche bei Anomalien der Ge-schlechtschromosomen vor allem in denletzten Jahren zurückgegangen, da heu-te im Vergleich zu Beginn der 80-er Jah-re das Klinefelter-Syndrom in der Regelweniger negativ bewertet wird (Dr. W.Henn, Institut für Humangenetik derUniversität Homburg, persönliche Mit-teilung vom 3. April 2003). Früher gingman davon aus, dass Jungen mit Kline-felter-Syndrom mit hoher Wahrschein-lichkeit später straffällig werden. DieseAnsicht entspricht nicht mehr der heuti-gen Lehrmeinung. Die einzige Kompli-kation bei Männern mit Klinefelter-Syn-drom ist Unfruchtbarkeit. Aus diesemGrund raten Humangenetiker in Bera-tungsgesprächen bei positivem Klinefel-ter-Syndrom von einem selektivenAbort ab.

Eine notgedrungene Einschränkungder Metaanalyse liegt in der Verrech-nung von Daten aus verschiedenen Län-dern, in denen jeweils unterschiedlichegesetzliche Rahmenbedingungen gelten.Beispielsweise ist seit der Neuregelungdes § 218a in Deutschland ein Schwan-gerschaftsabbruch bei diagnostizierter

Behinderung theoretisch bis zur Geburtrechtlich zulässig. In anderen Ländernwird aus gutem Grund ein Abort nur zu-gelassen, so lange die Lebensfähigkeitdes Kindes ausgeschlossen werden kann.Dieser Zeitpunkt ist heutzutage ange-sichts der Fortschritte der Neonatologiebis zur 21. Schwangerschaftswochevorgerückt. In der Metaanalyse sind al-so die Fälle von Schwangeren berück-sichtigt, die trotz positiven Befunds ausrechtlichen Gründen nicht abtreibenkonnten, selbst wenn dies ihr Wille ge-wesen wäre. Die Abbruchraten werdenhierdurch eher unterschätzt.

Trotz der Einschränkungen decktsich das Ergebnis dieser Studie mit an-deren Publikationen. So wurden bei-spielsweise die Auswirkungen des Triple-Tests in Wallonien (Süd-Belgien)untersucht (Verloes et al., 2001). DerTest wurde von der Forschungsgruppeum Verloes in dieser Region zum 1. Ja-nuar 1990 eingeführt und zuvor dortnicht angewandt. Nach einer Über-gangsphase zwischen 1990 und 1992wurde und wird der Test heute schät-zungsweise von zwei Dritteln bis dreiVierteln der schwangeren Frauen in An-spruch genommen (Verloes et al., 2001).Die Vergleiche zwischen der Zeit vor(1984 – 1989) und nach (1993 – 1998)der Einführung des Triple-Tests erga-ben insgesamt einen Anstieg der präna-tal identifizierten Föten mit Trisomie 21von 14 % auf 58 %. Da in dieser Regionca. 90 % bis 95 % der Frauen nach po-sitivem Befund die Schwangerschaft ab-brachen, sank die Inzidenz lebend ge-borener Säuglinge mit Trisomie 21 er-heblich von 1 : 1058 auf 1 : 1606.

Da Deutschland zu jenen Ländernmit äußerst progressivem Einsatz vonPränataldiagnostik gehört, schlägt sichdie Abnahme der Inzidenz, z.B. von Kin-dern mit Down-Syndrom, bereits in derSchülerschaft an den Schulen für Kindermit geistiger Behinderung nieder. So be-richtet Wilken (2002) von einer Halbie-rung des Anteils der Kinder mit Down-Syndrom an Sonderschulen seit 1970.Nach einer eigenen Befragung (Len-hard, 2003), an der sich ca. ein Drittelder Förderschulen für Kinder mit geisti-ger Behinderung Baden-Württembergsbeteiligten, betrug der Anteil von Kin-dern mit Down-Syndrom 2003 15,3 %(440 von 2879 Schülern). Zu Beginn der70-er Jahre berichteten Eggert (1969,zitiert nach Wilken, 2002) und Dittmann

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ERFAHRUNGSBERICHT

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200559

Arbeitstage einmal mit ganz anderenThemen zu befassen. Diesen „Egois-mus“ habe ich bis heute nicht bereut.Zudem habe ich damals noch einmal dieWoche abends Sport gemacht. Das alleshalf enorm, um Kraft für meinen Haupt-beruf „Mami“ zu tanken.

„Kleine Schritte“ zur Förderung derKreativität

Ich habe ab ca. 3 Monaten mit demFrühförderprogramm „Kleine Schritte“gearbeitet. Nicht so intensiv, wie mansollte, aber immerhin.

Die Frühfördertherapeutin hat mirdabei geholfen. Für mich war und ist eseine Richtschnur, um zu sehen, wo Vivisteht und wohin ich sie als Nächstes be-gleiten kann.

Am Anfang haben wir ca. alle sechsbis acht Wochen die Checklisten der ver-schiedenen Bereiche „abgehakt“. Daswar aufgrund der Vielfalt erkennbarerFortschritte sehr motivierend. Inzwi-schen geht es allerdings gemächlichervoran, da ein vierjähriges Mädchen ein-fach komplexer gestrickt ist als ein klei-nes Baby. Die „Kleinen Schritte“ habenmir geholfen, meine Ungeduld zu be-kämpfen und ein großes Bild von dermultidimensionalen Entwicklung einesKleinkindes zu bekommen. Zusätzlichist es für mich eine Hilfestellung für diegemeinsame Arbeit mit der Frühför-dertherapeutin.

So hatte ich bereits vor ca. zwei Jah-ren gehofft, ich könnte schon bald mein„Häkchen“ unter der Rubrik „Hüpfen“machen. Nachdem mir die Frühförder-therapeutin erklärt hatte, was für einschwieriges Unterfangen das ist, habeich geduldig gewartet … und jetzt, mitvier Jahren, klappt es auf einmal. Wares die kleine Schwester Leonie, die Vividazu motiviert hat, das „Springen“ vomBeckenrand ins Schwimmbad im Som-merurlaub, das Hüpfen ins Heu bei derTagesmami Nummer zwei auf dem Bau-ernhof? Wahrscheinlich von allem et-was …

Auch wenn ich eine Art Hassliebemit den „Kleinen Schritten“ führe, ha-ben sie mich durch das schrittweiseVorgehen etwas ganz Wichtiges gelehrt:Zum einen bin ich ziemlich kreativ ge-worden, was die Förderung von Vivianeanbelangt. Zum anderen hätte ich ohnedie „Kleinen Schritte“ nicht „gelernt“,auf die Details des Lebens zu achten.

Als ich letzten Herbst mit den Kinderneinen „Spaziergang“ (ca. 500 Meter) ge-macht habe, sind wir durch ein kleinesStück Wald an einem Bach entlang ge-laufen. Wir haben uns die verschiede-nen Farben der Blätter angeschaut, dasLaub in die Luft geworfen, die Rinde amBaumstamm gefühlt, sind auf demBaumstamm balanciert und haben „Aufder Mauer, auf der Lauer“ gesungen,sind vom Baumstumpf gehüpft, habendem Rauschen des Baches gelauschtund dem Vogelgezwitscher, haben klei-ne und große Steine ins Wasser gewor-fen, haben den Unterschied zwischentrockenen und nassen Steinen gespürtund und und.

Das alles binnen einer Stunde – ei-gentlich die Power-Frühförderung, wiemir abends beim Wiederholen des Ta-gesablaufs mit Vivi bewusst wurde. Oh-ne sie würde ich die Welt nicht so be-wusst und mit „Kinderaugen“ sehen.

Videokamera – Erlebtes bleibt erhalten

Als Viviane ein Jahr alt war, haben wiruns zum Kauf einer Videokamera ent-schlossen. Eine lohnende Investition.Anhand der Sequenzen, die ich gefilmthabe, z.B. so alltägliche Dinge wie Entenfüttern, Besuch von Oma und Opa etc.und das wiederholte gemeinsame An-schauen, hat sie sich Namen von Perso-nen sehr gut merken können und auchErlebnisse mit deren Einzelheiten, z.B.beim Zoobesuch die ganzen Tiere, beimFastnachtsumzug die Instrumente, beimFingerfarbenmalen die Farben etc.

Musik liegt in der Luft

Schon als Vivi ein kleines Baby war, ha-be ich viel mit ihr gesungen und getanzt(vorzugsweise Ricky Martin). Auch derPapi hat ihr viele Kinderlieder auf demKlavier vorgespielt und ich habe meinealte Gitarre wieder ausgegraben.

Ein Kurs zum Muki-Singen gab mirAnregungen, die Lieder mit Gestik undRhythmusinstrumenten (z.B. Reis in ei-ner Filmdose) zu untermalen. UnsereCD-Sammlung ist inzwischen auf einebeachtliche Zahl angewachsen. Und so-bald wir Auto fahren, tönt es vom Rück-sitz: „Mami, Kindermusik bitte,“ Ob diedauernde Wiederholung sowohl von Vi-deos als auch Liedern Vivis Sprachent-wicklung (sowohl expressiv als auch re-zeptiv) unterstützt hat? Auf jeden Fallhat sie mit zwei Jahren schon fast 50Wörter gesprochen und heute kommenDrei- und Mehrwortsätze. Auch das„du“ sagt sie und das „ich“– anschei-nend ein sehr wichtiger Entwicklungs-schritt – kommt immer häufiger.

Zeitverständnis

Nachdem wir meine größte Angst, dassVivi nicht sprechen kann, aus dem Wegräumen konnten, bin ich mutiger ge-worden. Ich hatte mal gelesen, dassMenschen mit Down-Syndrom eher imHier und Jetzt leben und kein Zeitver-ständnis besäßen. Ich dachte mir: Ei-nen Versuch ist es wert, das Gegenteilauszuprobieren, und habe einen Wo-chenkalender gebastelt, der über derWickelkommode hängt (DIN-A1-For-mat, unterteilt nach vor- und nachmit-

E R F A H R U N G S B E R I C H T

58 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Britta Rath

Knapp viereinhalb Jahre ist Vivianejetzt bei uns. In dieser Zeit war die

Zeitschrift Leben mit Down-Syndrommein Begleiter. Teilweise haben mir dieArtikel aufs Gemüt gedrückt, anderer-seits waren auch viele wertvolle Tippsund Anregungen dabei.

Dies hat mich veranlasst, meine per-sönlichen Erfahrungen bezüglich derFörderung von Vivi zu schreiben. Viel-leicht ist für Sie ja auch die eine oder an-dere Anregung dabei.

Die richtige Einstellung macht’s

Nachdem ich nach der Geburt drei Tagenur geschockt und traurig war, hat micheine Assistenzärztin durch folgende Be-merkung aus dem Tal der Tränen ge-holt: „Wissen Sie, man kann ja zu Reli-gion und Philosophie stehen, wie manwill, aber gehen Sie doch davon aus,dass die Kinder sich ihre Eltern aussu-chen. Und Viviane wollte genau Sie alsMami haben.“

Ab dem Zeitpunkt habe ich michnicht mehr nach dem „Warum“ gefragt.Ich war wieder voller Energie und habein die Zukunft geschaut. Ich habe mirüberlegt, was ich mit meiner Erziehungerreichen wollte – so viele Gedanke hät-te ich mir bei einem so genannten nor-malen Kind sicher nicht gemacht.

Zunächst wollte ich das, was sie inihrem kleinen Köpfchen an Potenzialhat, optimal fördern. Außerdem solltesie zu viel Selbstständigkeit erzogenwerden, so dass sie später ein möglichsteigenständiges Leben (in einem ge-schützten Umfeld) führen kann. Außer-dem dachte ich mir, fördert Selbststän-digkeit das Selbstbewusstsein, was ihrvielleicht hilft, sich gegen mögliche An-feindungen besser zur Wehr zu setzen.Vor allem aber wollte ich, dass sie spä-ter – in welcher Ausprägung auch im-mer – ein glücklicher und zufriedenerMensch wird.

So normal wie möglich

Auch ich wollte weiterhin das Leben ge-nießen und lachen können – trotz einesbehinderten Kindes (heute lässt michdiese Aussage etwas lächeln, aber da-

mals hatte ich noch keine Vorstellung,wie viel wir lachen würden).

Außerdem wollte ich so normal wiemöglich weiterleben. Dazu gehörteauch, dass ich, wie vor der Geburt ge-plant, nach vier Monaten Pause wiederzwei Tage die Woche arbeiten ging. Ichhatte sehr viel Glück mit der Tagesma-mi für Vivi, sie hatte selber drei Jungsim Alter von damals ein, drei und fünfJahren und nahm Vivi wie ihr viertes ei-genes Kind auf. Eine natürliche Förde-

rung, quasi ganz von selbst in einer„Großfamilie“.

Zudem habe ich mit ihr Kurse be-sucht, die Mütter „normaler“ Kinderhier in der Schweiz auch besuchen, an-gefangen von PEKIP, Baby-Schwimmenüber Muki-Singen und -Turnen bis zumSpielgruppenbesuch.

Nur eine ausgeglichene Mami ist eine gute Mami

Mir tat es gut, mich während der zwei

Immer weiter mit kleinen Schritten

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G E N E T I K

14 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

der verschiedenen Ausschlusskriterienverblieben insgesamt 23 seit 1982 pu-blizierte Studien, von denen 21 verfüg-bar waren (siehe Tabelle 1).

Die Abbruchraten variierten stark jenach Behinderungsart, « 2 (4, N = 7782)= 1683.3, p<0.001, und waren bei Fötenmit Trisomie 21 bei einer Abbruchratevon 91,5 % am höchsten (siehe Abbil-dung 5, siehe Tabelle 2).

Der Anteil von 91,5 % würde wahr-scheinlich sogar noch höher ausfallen,wenn nicht auch späte Diagnosen be-rücksichtigt wurden. Diese schließen ineinigen Ländern einen Abort aus, da derFötus bereits extrauterin überlebenkann. Zwei Forscherteams (Daniel et al.,1982; Julian-Reynier et al., 1995) be-richten von einem Anteil von 100 % imFalle eines positiven Trisomie-21-Be-funds.

Die zweithöchste Abbruchrate tratbei Anenzephalie auf. Die Tatsache,dass mehr Frauen einen Fötus mitAnenzephalie austragen als einen Fötusmit Trisomie 21, ist zwar erstaunlich,kann aber möglicherweise daraufzurückgeführt werden, dass bei einerAnenzephalie das Kind normalerweiseinnerhalb weniger Stunden nach derGeburt verstirbt. Bei Spina bifida betrugdie Abortrate 73,5 %. Die niedrigstenAbbruchraten traten hingegen bei Fötenmit Anomalien der Geschlechtschromo-somen (Turner-Syndrom, Klinefelter-Syndrom; durchschnittliche Abortrate:46,2 %) und bei Föten mit Lippen-Kie-fer-Gaumenspalte (LKGS) auf. Insbeson-dere bei Föten mit LKGS variierten dieAbbruchraten sehr stark. Während einebritische Studie (Shaik et al., 2001) voneiner Abortrate von 8,7 % berichtet, be-trug dieser Anteil in Israel 95,8 % (Blu-menfeld et al., 1999). Die Rate inDeutschland (Berge et al., 2002) lag mit54,7 % nahe am Durchschnitt. (Abb. 5)

Ebenso nahm der Anteil der selektivabgetriebenen Föten insgesamt merk-lich zu, « 2 (2, N = 7120) = 107.8,p<0.001. Während im Zeitraum bis1980 76,2 % der Frauen nach einempositiven Befund eine Abtreibungdurchführen ließen, waren es im Zeit-raum nach 1989 88,1 %. (Tab. 2)

Die von Stoll et al. (2002) mit 72,5 %angegebene pränatale Erkennungsratefür Trisomie 21 und die Abbruchrate fürFöten mit Down-Syndrom von ca. 91,5 %,ergeben rein rechnerisch, dass ca. 66 %aller ungeborenen Kinder mit Down-

Tab. 2: Abbruchraten nach positivem Befund getrennt nach Zeitraum

Zeitraum positive Diagnosen Abbrüche Anteil

bis 1980 147 112 76,2%

ab 1980 bis 1989 652 486 74,5%

nach 1989 6345 5590 88,1%

Squire et al. (1982) UK 1972 - 1980 16 14 87,5%Daniel et al. (1982) Australien 1973 - 1980 29 29 100,0%Benn et al. (1985) US 1979 - 1984 45 43 95,6%Julian-Reynier et al. (1995) Frankreich 1984 - 1990 76 76 100,0%Binkert et al. (2002) Schweiz 1980 - 1996 396 333 84,1%Mutton et al. (1998) UK 1989 - 1997 4799 4415 92,0%Britt et al. (2000) US 1989 - 1998 144 129 89,6%Stoll et al. (2002) Frankreich 1990 - 1998 52 43 82,7%Zlotogora (2002) Israel 1998 - 2001 584 560 95,9%

Gesamt 6141 5642 91,9%

Squire et al. (1982) UK 1972 - 1980 11 7 63,6%EUROCAT Working Group (1991) Europa 1980 - 1986 189 116 61,4%Roberts et al. (1995) US 1990 - 1991 37 18 48,6%Forrester et al. (2000) Hawaii 1986 - 1997 78 64 82,1%Olde Scholtenhuis et al. (2003) Niederlande 1996 - 1999 38 35 92,1%Boyd et al. (2000) Europa 1998 - 1999 171 118 69,0%

Gesamt 487 358 73,5%

Squire et al. (1982) UK 1972 - 1980 18 18 100,0%EUROCAT Working Group (1991) Europa 1980 - 1986 347 282 81,3%Forrester et al. (2000) Hawaii 1986 - 1997 65 32 49,2%Roberts et al.(1995) US 1990 - 1991 39 9 23,1%Boyd et al. (2000) Europa 1998 - 1999 159 142 89,3%

Gesamt 628 483 76,9%

Nielsen & Videbech (1984) Dänemark 1970 - 1980 52 32 61,5%Squire et al. (1982) UK 1972 - 1980 8 6 75,0%Gravholt et al. (1996) Dänemark 1978 - 1980 28 24 85,7%Benn et al. (1985) US 1979 - 1984 31 20 64,5%Holmes-Siedle (1987) Europa 1979 - 1984 40 25 62,5%Gravholt et al. (1996) Dänemark 1986 - 1993 72 51 70,8%Forrester & Merz (2003) Hawaii 1986 - 1999 205 57 27,8%

Gesamt 409 189 46,2%

Shaikh et al. (2001) UK 1991 - 1998 23 2 8,7%Bergé et al. (2002) BRD 1990 - 1999 70

239 55,7%

Blumenfeld et al. (1999) Israel 1990 - 1999 24 23 95,8 %

Gesamt 117 64 54,7%

2davon 36 mit weiteren chromosomalen Annomalien

Tab. 1: Übersicht über die verwendeten Studien zu selektivem Abbruch nach positivem Befund

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GENETIK

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200515

Syndrom abgetrieben werden. DieseZahl stellt nur einen groben Schätzwertdar, da das steigende mütterliche Alternicht berücksichtigt wird. Auch fehlt dieKorrektur der bereits beschriebenenÜberschätzung der Anzahl von Lebend-geburten mit Trisomie 21 in Pränatal-untersuchungen.

Lässt man diese Einschränkungenaußer Acht, so sinkt die natürliche Inzi-denz von etwa 1 : 700 (Snijders et al.,1994) in Populationen ohne Pränatalun-tersuchungen und selektiven Abort aufca. 1 : 2000.

Diskussion

Die stetige Zunahme der Erkennungsra-te in Verbindung mit einem sehr hohenAnteil selektiver Abbrüche wird zu einerstarken Abnahme der Prävalenz vonMenschen mit Down-Syndrom führen.Die Abortraten nach positivem Befundhaben in Bezug auf die Gesamtzahl allerpositiven Befunde seit 1970 merklichzugenommen. Allerdings muss hierbeiberücksichtigt werden, dass in den letz-ten Jahren vermehrt Studien zum Abortbei Trisomie-21-Befund veröffentlichtwurden. Bei Trisomie 21 war jedoch dieAbortrate bereits in den 70-er Jahrensehr hoch (siehe Tabelle 1), sodass derAnstieg selektiver Aborte nicht zwangs-läufig auf die Änderung des Verhaltensvon Schwangeren zurückführbar ist. Al-

lerdings verzeichnete die EUROCATWorking Group (1991) eine deutlicheZunahme der Abortraten bei Föten mitNeuralrohrdefekten im Laufe der 80-erJahre. Dem gegenüber ist wahrschein-lich der Anteil selektiver Schwanger-schaftsabbrüche bei Anomalien der Ge-schlechtschromosomen vor allem in denletzten Jahren zurückgegangen, da heu-te im Vergleich zu Beginn der 80-er Jah-re das Klinefelter-Syndrom in der Regelweniger negativ bewertet wird (Dr. W.Henn, Institut für Humangenetik derUniversität Homburg, persönliche Mit-teilung vom 3. April 2003). Früher gingman davon aus, dass Jungen mit Kline-felter-Syndrom mit hoher Wahrschein-lichkeit später straffällig werden. DieseAnsicht entspricht nicht mehr der heuti-gen Lehrmeinung. Die einzige Kompli-kation bei Männern mit Klinefelter-Syn-drom ist Unfruchtbarkeit. Aus diesemGrund raten Humangenetiker in Bera-tungsgesprächen bei positivem Klinefel-ter-Syndrom von einem selektivenAbort ab.

Eine notgedrungene Einschränkungder Metaanalyse liegt in der Verrech-nung von Daten aus verschiedenen Län-dern, in denen jeweils unterschiedlichegesetzliche Rahmenbedingungen gelten.Beispielsweise ist seit der Neuregelungdes § 218a in Deutschland ein Schwan-gerschaftsabbruch bei diagnostizierter

Behinderung theoretisch bis zur Geburtrechtlich zulässig. In anderen Ländernwird aus gutem Grund ein Abort nur zu-gelassen, so lange die Lebensfähigkeitdes Kindes ausgeschlossen werden kann.Dieser Zeitpunkt ist heutzutage ange-sichts der Fortschritte der Neonatologiebis zur 21. Schwangerschaftswochevorgerückt. In der Metaanalyse sind al-so die Fälle von Schwangeren berück-sichtigt, die trotz positiven Befunds ausrechtlichen Gründen nicht abtreibenkonnten, selbst wenn dies ihr Wille ge-wesen wäre. Die Abbruchraten werdenhierdurch eher unterschätzt.

Trotz der Einschränkungen decktsich das Ergebnis dieser Studie mit an-deren Publikationen. So wurden bei-spielsweise die Auswirkungen des Triple-Tests in Wallonien (Süd-Belgien)untersucht (Verloes et al., 2001). DerTest wurde von der Forschungsgruppeum Verloes in dieser Region zum 1. Ja-nuar 1990eingeführt und zuvor dortnicht angewandt. Nach einer Über-gangsphase zwischen 1990 und 1992wurde und wird der Test heute schät-zungsweise von zwei Dritteln bis dreiVierteln der schwangeren Frauen in An-spruch genommen (Verloes et al., 2001).Die Vergleiche zwischen der Zeit vor(1984 – 1989) und nach (1993 – 1998)der Einführung des Triple-Tests erga-ben insgesamt einen Anstieg der präna-tal identifizierten Föten mit Trisomie 21von 14 % auf 58 %. Da in dieser Regionca. 90 % bis 95 % der Frauen nach po-sitivem Befund die Schwangerschaft ab-brachen, sank die Inzidenz lebend ge-borener Säuglinge mit Trisomie 21 er-heblich von 1 : 1058 auf 1 : 1606.

Da Deutschland zu jenen Ländernmit äußerst progressivem Einsatz vonPränataldiagnostik gehört, schlägt sichdie Abnahme der Inzidenz, z.B. von Kin-dern mit Down-Syndrom, bereits in derSchülerschaft an den Schulen für Kindermit geistiger Behinderung nieder. So be-richtet Wilken (2002) von einer Halbie-rung des Anteils der Kinder mit Down-Syndrom an Sonderschulen seit 1970.Nach einer eigenen Befragung (Len-hard, 2003), an der sich ca. ein Drittelder Förderschulen für Kinder mit geisti-ger Behinderung Baden-Württembergsbeteiligten, betrug der Anteil von Kin-dern mit Down-Syndrom 2003 15,3 %(440 von 2879 Schülern). Zu Beginn der70-er Jahre berichteten Eggert (1969,zitiert nach Wilken, 2002) und Dittmann

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Anteil selektiver A

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Abb. 5:Anteil selektiverAborte nachBehinderungsart

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Art der Diagnose

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 59

Arbeitstage einmal mit ganz anderenThemen zu befassen. Diesen „Egois-mus“ habe ich bis heute nicht bereut.Zudem habe ich damals noch einmal dieWoche abends Sport gemacht. Das alleshalf enorm, um Kraft für meinen Haupt-beruf „Mami“ zu tanken.

„Kleine Schritte“ zur Förderung derKreativität

Ich habe ab ca. 3 Monaten mit demFrühförderprogramm „Kleine Schritte“gearbeitet. Nicht so intensiv, wie mansollte, aber immerhin.

Die Frühfördertherapeutin hat mirdabei geholfen. Für mich war und ist eseine Richtschnur, um zu sehen, wo Vivisteht und wohin ich sie als Nächstes be-gleiten kann.

Am Anfang haben wir ca. alle sechsbis acht Wochen die Checklisten der ver-schiedenen Bereiche „abgehakt“. Daswar aufgrund der Vielfalt erkennbarerFortschritte sehr motivierend. Inzwi-schen geht es allerdings gemächlichervoran, da ein vierjähriges Mädchen ein-fach komplexer gestrickt ist als ein klei-nes Baby. Die „Kleinen Schritte“ habenmir geholfen, meine Ungeduld zu be-kämpfen und ein großes Bild von dermultidimensionalen Entwicklung einesKleinkindes zu bekommen. Zusätzlichist es für mich eine Hilfestellung für diegemeinsame Arbeit mit der Frühför-dertherapeutin.

So hatte ich bereits vor ca. zwei Jah-ren gehofft, ich könnte schon bald mein„Häkchen“ unter der Rubrik „Hüpfen“machen. Nachdem mir die Frühförder-therapeutin erklärt hatte, was für einschwieriges Unterfangen das ist, habeich geduldig gewartet … und jetzt, mitvier Jahren, klappt es auf einmal. Wares die kleine Schwester Leonie, die Vividazu motiviert hat, das „Springen“ vomBeckenrand ins Schwimmbad im Som-merurlaub, das Hüpfen ins Heu bei derTagesmami Nummer zwei auf dem Bau-ernhof? Wahrscheinlich von allem et-was …

Auch wenn ich eine Art Hassliebemit den „Kleinen Schritten“ führe, ha-ben sie mich durch das schrittweiseVorgehen etwas ganz Wichtiges gelehrt:Zum einen bin ich ziemlich kreativ ge-worden, was die Förderung von Vivianeanbelangt. Zum anderen hätte ich ohnedie „Kleinen Schritte“ nicht „gelernt“,auf die Details des Lebens zu achten.

Als ich letzten Herbst mit den Kinderneinen „Spaziergang“ (ca. 500 Meter) ge-macht habe, sind wir durch ein kleinesStück Wald an einem Bach entlang ge-laufen. Wir haben uns die verschiede-nen Farben der Blätter angeschaut, dasLaub in die Luft geworfen, die Rinde amBaumstamm gefühlt, sind auf demBaumstamm balanciert und haben „Aufder Mauer, auf der Lauer“ gesungen,sind vom Baumstumpf gehüpft, habendem Rauschen des Baches gelauschtund dem Vogelgezwitscher, haben klei-ne und große Steine ins Wasser gewor-fen, haben den Unterschied zwischentrockenen und nassen Steinen gespürtund und und.

Das alles binnen einer Stunde – ei-gentlich die Power-Frühförderung, wiemir abends beim Wiederholen des Ta-gesablaufs mit Vivi bewusst wurde. Oh-ne sie würde ich die Welt nicht so be-wusst und mit „Kinderaugen“ sehen.

Videokamera – Erlebtes bleibt erhalten

Als Viviane ein Jahr alt war, haben wiruns zum Kauf einer Videokamera ent-schlossen. Eine lohnende Investition.Anhand der Sequenzen, die ich gefilmthabe, z.B. so alltägliche Dinge wie Entenfüttern, Besuch von Oma und Opa etc.und das wiederholte gemeinsame An-schauen, hat sie sich Namen von Perso-nen sehr gut merken können und auchErlebnisse mit deren Einzelheiten, z.B.beim Zoobesuch die ganzen Tiere, beimFastnachtsumzug die Instrumente, beimFingerfarbenmalen die Farben etc.

Musik liegt in der Luft

Schon als Vivi ein kleines Baby war, ha-be ich viel mit ihr gesungen und getanzt(vorzugsweise Ricky Martin). Auch derPapi hat ihr viele Kinderlieder auf demKlavier vorgespielt und ich habe meinealte Gitarre wieder ausgegraben.

Ein Kurs zum Muki-Singen gab mirAnregungen, die Lieder mit Gestik undRhythmusinstrumenten (z.B. Reis in ei-ner Filmdose) zu untermalen. UnsereCD-Sammlung ist inzwischen auf einebeachtliche Zahl angewachsen. Und so-bald wir Auto fahren, tönt es vom Rück-sitz: „Mami, Kindermusik bitte,“ Ob diedauernde Wiederholung sowohl von Vi-deos als auch Liedern Vivis Sprachent-wicklung (sowohl expressiv als auch re-zeptiv) unterstützt hat? Auf jeden Fallhat sie mit zwei Jahren schon fast 50Wörter gesprochen und heute kommenDrei- und Mehrwortsätze. Auch das„du“ sagt sie und das „ich“– anschei-nend ein sehr wichtiger Entwicklungs-schritt – kommt immer häufiger.

Zeitverständnis

Nachdem wir meine größte Angst, dassVivi nicht sprechen kann, aus dem Wegräumen konnten, bin ich mutiger ge-worden. Ich hatte mal gelesen, dassMenschen mit Down-Syndrom eher imHier und Jetzt leben und kein Zeitver-ständnis besäßen. Ich dachte mir: Ei-nen Versuch ist es wert, das Gegenteilauszuprobieren, und habe einen Wo-chenkalender gebastelt, der über derWickelkommode hängt (DIN-A1-For-mat, unterteilt nach vor- und nachmit-

ERFAHRUNGSBERICHT

58Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Britta Rath

Knapp viereinhalb Jahre ist Vivianejetzt bei uns. In dieser Zeit war die

Zeitschrift Leben mit Down-Syndrommein Begleiter. Teilweise haben mir dieArtikel aufs Gemüt gedrückt, anderer-seits waren auch viele wertvolle Tippsund Anregungen dabei.

Dies hat mich veranlasst, meine per-sönlichen Erfahrungen bezüglich derFörderung von Vivi zu schreiben. Viel-leicht ist für Sie ja auch die eine oder an-dere Anregung dabei.

Die richtige Einstellung macht’s

Nachdem ich nach der Geburt drei Tagenur geschockt und traurig war, hat micheine Assistenzärztin durch folgende Be-merkung aus dem Tal der Tränen ge-holt: „Wissen Sie, man kann ja zu Reli-gion und Philosophie stehen, wie manwill, aber gehen Sie doch davon aus,dass die Kinder sich ihre Eltern aussu-chen. Und Viviane wollte genau Sie alsMami haben.“

Ab dem Zeitpunkt habe ich michnicht mehr nach dem „Warum“ gefragt.Ich war wieder voller Energie und habein die Zukunft geschaut. Ich habe mirüberlegt, was ich mit meiner Erziehungerreichen wollte – so viele Gedanke hät-te ich mir bei einem so genannten nor-malen Kind sicher nicht gemacht.

Zunächst wollte ich das, was sie inihrem kleinen Köpfchen an Potenzialhat, optimal fördern. Außerdem solltesie zu viel Selbstständigkeit erzogenwerden, so dass sie später ein möglichsteigenständiges Leben (in einem ge-schützten Umfeld) führen kann. Außer-dem dachte ich mir, fördert Selbststän-digkeit das Selbstbewusstsein, was ihrvielleicht hilft, sich gegen mögliche An-feindungen besser zur Wehr zu setzen.Vor allem aber wollte ich, dass sie spä-ter – in welcher Ausprägung auch im-mer – ein glücklicher und zufriedenerMensch wird.

So normal wie möglich

Auch ich wollte weiterhin das Leben ge-nießen und lachen können – trotz einesbehinderten Kindes (heute lässt michdiese Aussage etwas lächeln, aber da-

mals hatte ich noch keine Vorstellung,wie viel wir lachen würden).

Außerdem wollte ich so normal wiemöglich weiterleben. Dazu gehörteauch, dass ich, wie vor der Geburt ge-plant, nach vier Monaten Pause wiederzwei Tage die Woche arbeiten ging. Ichhatte sehr viel Glück mit der Tagesma-mi für Vivi, sie hatte selber drei Jungsim Alter von damals ein, drei und fünfJahren und nahm Vivi wie ihr viertes ei-genes Kind auf. Eine natürliche Förde-

rung, quasi ganz von selbst in einer„Großfamilie“.

Zudem habe ich mit ihr Kurse be-sucht, die Mütter „normaler“ Kinderhier in der Schweiz auch besuchen, an-gefangen von PEKIP, Baby-Schwimmenüber Muki-Singen und -Turnen bis zumSpielgruppenbesuch.

Nur eine ausgeglichene Mami ist eine gute Mami

Mir tat es gut, mich während der zwei

Immer weiter mit kleinen Schritten

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GENETIK

16Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

beschleunigen bzw. sollte die Verände-rung bereits jetzt in den niedrigen Jahr-gangsstufen deutlich zu merken sein.Gleichzeitig wird das Alter der Müttervon Kindern mit Down-Syndrom fort-laufend sinken, da bei jungen Mütternkein routinemäßiges Screening durch-geführt wird.

Natürlich ist es für eine Frau wün-schenswert, ein Kind ohne Behinderungzur Welt zu bringen. Das Anliegen die-ses Artikels ist keineswegs die Be-schneidung der Autonomie von Frauen,die sich in der schwierigen Entschei-dungsfindung für oder gegen ein Kindmit Behinderung befinden. Dennochmuss deutlich darauf hingewiesen wer-den, dass beispielsweise im Fall einesTrisomie-21-Befundes die einzige Mög-lichkeit einer „Therapie“ in der Beendi-gung der Schwangerschaft und somitdes Todes des Fötus mit Trisomie 21liegt.

Es muss deshalb unter Wahrung derNon-Direktivität humangenetischer Be-ratung ebenfalls das Ziel sein, Eltern aufsozialstaatliche Hilfen, Elternnetzwer-ke, Fördermöglichkeiten und Entwick-lungschancen hinzuweisen, um hier-

sollte sich die Veränderung der Zusam-mensetzung der Schülerschaft an Son-derschulen in den nächsten Jahren noch

(1972, zitiert nach Wilken, 2002) nochvon einem Anteil von 25,1 % bzw. 21,0% (Abb. 6).

Es gibt verschiedene denkbare Al-ternativerklärungen. Zum Beispiel könn-ten Schüler und Schülerinnen mit Down-Syndrom verstärkt integrativ beschultwerden und gleichzeitig die Schülerzah-len an Sonderschulen aufgrund der Zu-nahme von Kindern mit Mehrfachbe-hinderungen steigen. In diesem Fall wä-re damit eine Abnahme des Anteils vonKindern mit Down-Syndrom verbun-den, doch ist das Ausmaß der Redukti-on sicher nicht allein auf diese Faktorenzurückführbar. So stieg zwar der Anteilder Schülerschaft an Schulen mit demFörderschwerpunkt geistige Entwick-lung zwischen 1991 und 2000 von 0,35% auf 0,45 % (KMK, 2002a, 2; KMK,2002b, 28), doch ist der Anteil integriertbeschulter Kinder mit Down-Syndromde facto vernachlässigbar: In allen Inte-grationsschulen und integrativen Pro-jekten Hessens befanden sich im Schul-jahr 2002/03 gerade einmal 25 Schülerund Schülerinnen mit Down-Syndrom(Lenhard, 2003).

Da die stärkste Zunahme der Erken-nungsrate in der ersten Hälfte der 90-erJahre stattfand und bereits eine Reiheneuer Screeninginstrumente wie bei-spielsweise das Nackenfaltenscreeningimmer häufiger angewandt werden,

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Abb. 6:Anteil an Schülernmit Down-Syndrom(Eggert, 1969, zitiertnach Wilken, 2002;Dittmann, 1972,zitiert nach Wilken,2002; Wilken, 2002;Lenhard, 2003)

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für die Deutschen Down-

Syndrom-Wochen her-

ausgaben.

„Mehr als 90 % aller

werdenden Mütter in

Deutschland entscheiden

sich gegen ihr Kind,

wenn das Ergebnis einer

pränatalen Diagnostik

Down-Syndrom lautet.

Grund dafür ist oft nur

fehlendes Wissen!“

G E N E T I K

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 13

schen 1992 und 1996 bezogen auf alleSchwangeren 45,5 % betrug. Der größ-te Teil der Frauen (94,4 %) beendete dieSchwangerschaft, 4,0 % erfuhren erstnach der 27. Schwangerschaftswochevon der Behinderung und 1,5 % (dieZahlen ergeben zusammen nur 99,5 %)entschieden sich bewusst für das Kind.Im Gegensatz zu den Ergebnissen, dieStoll et al. (2002) für Frankreich berich-ten, blieb die Anzahl lebend geborenerKinder mit Trisomie 21 in der Schweizseit 1980 jedoch aufgrund des generellgestiegenen mütterlichen Alters weitge-hend konstant. Zu einem ähnlichen Er-gebnis kommen Cornel et al. (1993), dieauf der Basis einer Schätzung für dieNiederlande sogar die Zunahme der In-zidenz des Down-Syndroms prognosti-zieren. Mit dem Ziel, aussagekräftigeepidemiologische Prognosen über diepotenzielle Vorkommenshäufigkeit an-geborener Behinderungen zu erhalten,werden üblicherweise Untersuchungs-ergebnisse aus Schwangerschaftsvor-sorgeuntersuchungen herangezogen, dasich hier der Effekt selektiven Fetozidsnicht bemerkbar machen kann. SolchenSchätzungen zufolge ergibt sich seit An-fang der 80-er Jahre eine stetige Zu-nahme der Inzidenz von Trisomie 21(Verloes et al. 2001; de Vigan et al.2001; Stoll et al., 2001; Stoll et al.,2002). Diese Zunahme wird üblicher-weise auf den Anstieg des mütterlichenAlters zurückgeführt.

Unberücksichtigt bleibt oft die Tat-sache, dass Untersuchungen währenddes ersten und zweiten Trimenons denAnteil an Chromosomenanomalien weitüberschätzen. Zwar sind die Untersu-chungsergebnisse sehr präzise und dieSensitivität insbesondere von invasivenUntersuchungen liegt fast bei 100 %.Viele Föten mit einer Chromosomen-aberration sterben aber während derSchwangerschaft ab, sodass in vorge-burtlichen Untersuchungen wesentlichmehr Föten mit Trisomie 21 festgestelltwerden, als tatsächlich später zur Weltkommen. Unter der Annahme, dasskeinerlei vorgeburtliche Untersuchun-gen stattfinden und keine Schwanger-schaft abgebrochen wird, ist die Inzi-denz lebend geborener Kinder mit Tri-somie 21 beispielsweise 54 % geringer,als dies Untersuchungen im ersten Tri-menon – üblicherweise Chorionzotten-biopsien – nahe legen (Snijders, Holz-greve, Cuckle & Nicolaides, 1994). Un-

tersuchungen während des zweiten Tri-menons – also in der Regel Amniozen-tesen – überschätzten nach Snijders et al.(1994) den Anteil immerhin noch um 21% bis 33 %, nach Halliday et al. (1995)sind es 18 %. Wenn man selektive Abor-te in die Schätzung von Lebendgeburteneinbezieht und diese als potenzielle Ge-burten verrechnet, so kommt es glei-chermaßen zu einer Überschätzung derGeburtenrate von Kindern mit Down-Syndrom (Ethen & Canfield, 2002). DieZunahme invasiver Untersuchungenund der damit verbundene Anstieg po-sitiver Diagnosen führen deshalb zu ei-ner Überschätzung der Zunahme der In-zidenz von Kindern mit Down-Syndrom.

Fragestellung

Die Daten der BAQ (1988 – 2003) doku-mentieren die starke Zunahme an invasi-ven pränatalen Untersuchungen. Gleich-zeitig kommt es, wie durch Stoll et al.(2002) dargestellt, zu einer deutlichenZunahme an pränatal identifizierten Fö-ten mit Fehlbildungen. Ob sich dieseEntwicklung merklich auf die Geburten-zahl von Kindern mit Trisomie 21 aus-wirkt, hängt im Wesentlichen von denfolgenden Fragen ab: Wie hoch ist derAnteil der Föten, die nach positivem Be-fund abgetrieben werden? Wie unter-scheidet sich die Höhe der Abbruchratein Abhängigkeit von der Behinderungs-art? Wie hat sich die Rate selektiverAborte seit der Einführung pränataldia-gnostischer Untersuchungen verändert?

Methodik

Zur Beantwortung dieser Fragen wur-den die seit den 70-er Jahren erschie-nenen Publikationen zu diesem Themasystematisch untersucht. Viele dieserStudien dokumentieren Abbruchratenin Folge eines positiven Befundes unter-schiedlicher fötaler Fehlbildungen. Diemeisten verfügen aufgrund der Selten-heit positiver Befunde aber nur überkleine Fallzahlen und stammen aus un-terschiedlichsten Regionen wie Groß-britannien, den USA, Hawaii, Israel etc.Um diese Einschränkungen der Primär-studien zu kompensieren, wurde einemetaanalytische Auswertung gewählt.

Die Studien wurden mittels der elek-tronischen Datenbanken psycInfo, Psy-chology and Behavioral Sciences Collec-tion (PsycArticles) und Medline recher-chiert. Diese Datenbanken umfassen diebibliographischen Angaben der Artikel

mehrerer tausend vorwiegend interna-tionaler Zeitschriften der Themengebie-te Humanmedizin und Psychologie.Medline indexiert 3 900, psycInfo 1 700und PsycArticles 500 Zeitschriften, wo-bei zwischen den Datenbanken sicherein großer, nicht näher spezifizierbarerÜberlappungsbereich besteht.

Als Suchbegriff diente der folgendeTerm: „(abortion OR termination) AND(selective OR elective) AND pregnancy“.Die Referenzen einzelner Artikel (wiebeispielsweise die Metaanalyse vonMansfield, Hopfer und Marteau, 1997)dienten zusätzlich als Informationsquel-le zur Recherche weiterer Publikationen.Daten aus Metaanalysen und anderenSekundärstudien wurden allerdings nichteinbezogen, sondern nur die im Originalverfügbaren Angaben verwertet.

Es wurden alle Studien einbezogen,die vollständige Angaben in Bezug aufpositive Befunde, Behinderungsformund selektive Aborte beinhalteten undüber eine Mindestgröße der Stichprobevon 15 Frauen mit positivem Befundverfügten. Diese Publikationen wurdenhinsichtlich des Erhebungszeitraums(bis 1980, 1980 bis 1989, seit 1989), dererhobenen Behinderungsart (Trisomie21, Spina bifida, Anenzephalie, Aberra-tionen der Geschlechtschromosomen,Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) und derUntersuchungsregion klassifiziert.

Des Weiteren wurden alle Angabenzur Anzahl an erfassten Schwanger-schaften, positiven Befunden (nach Be-hinderungsform) und selektiven Abor-ten extrahiert. Die Daten wurden inForm von Absolutzahlen codiert undschließlich mittels Chi2-Tests in Bezugauf Zusammenhänge hinsichtlich Zeit-raum und Behinderungsart ausgewer-tet.

Ergebnisse

Die Recherche mittels des angegebenenSuchterms in den Literaturdatenbankenerbrachte insgesamt 1277 Treffer. Eingroßer Teil dieser Publikationen be-schäftigte sich mit ethischen Aspektenselektiver Aborte, der Einstellung derBevölkerung gegenüber Schwanger-schaftsabbrüchen, medizinischen Kom-plikationen und psychologischen Kon-sequenzen der Abtreibung. Eine Reiheweiterer Untersuchungen machte un-genügende Angaben oder differenziertedie Abbruchraten nicht nach Behinde-rungsformen. Nach Berücksichtigung

RECHT

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200557

geln der Kostenordnung. Für die Beur-kundung eines Testaments oder Erb-vertrages ist dabei in der Regel der Wertdes Vermögens im Zeitpunkt der Beur-kundung maßgeblich. Vom Aktivbe-stand des Vermögens sind vorhandeneSchulden abzuziehen.

Grundgebühr

Die Grundgebühr für einen Erbvertragoder ein gemeinschaftliches Testamentbeträgt grundsätzlich etwa 0,3 % desWertes des Vermögens zuzüglich 110Euro. Errichtet nur eine Person ein Tes-tament, ist die Grundgebühr nur halb sohoch. Hinzu kommen jeweils Kosten fürAuslagen und Schreibgebühren in ge-ringer Höhe sowie die gesetzliche Mehr-wertsteuer. Beispielsweise kostet einvon Eheleuten vor dem Notar errichte-tes gemeinschaftliches Behindertentes-tament bei einem Vermögen in Höhevon 100.000 Euro insgesamt ca. 500Euro.

In den Kosten enthalten sind die um-fassende rechtliche Beratung, die Ent-wurfsfertigung sowie die Beurkundung,jeweils unabhängig vom Grad derSchwierigkeit oder vom zeitlichen Auf-wand.

Die Gebühren für die Beratungdurch einen Rechtsanwalt unterliegenanderen Vorschriften als die Notarkos-ten.

... außer man tut es!

Niemand denkt gern an den eige-nen Tod. Die Regelung der eigenenErbangelegenheiten schiebt mangerne auf die lange Bank – und ver-gisst sie. Wer für sich Handlungsbe-darf sieht, sollte deshalb nicht zulange zögern.

Denn auch beim eigenen Testa-ment gilt: Es gibt nichts Gutes,außer man tut es!

Lorenz Spall,Notar in Annweiler am TrifelsTel. 0 63 46 / 89 37E-Mail: [email protected]

(Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht inden „Informationen der

Lebenshilfe Ludwigshafen/Rhein“, AusgabeJanuar 2005

Neue Ratgeber: Finanzielle Hilfen für Familien mit behinderten Kindern

Broschüre: „Mein Kind ist behindert– diese Hilfen gibt es“

Der Bundesverband für Körper- undMehrfachbehinderte e.V. hat seinenRatgeber „Mein Kind ist behindert – die-se Hilfen gibt es“ in einer überarbeitetenVersion neu aufgelegt. Die Broschüregibt auf 52 Seiten detailliert und in ver-ständlicher Sprache Auskunft darüber,welche Hilfen Eltern behinderter Kinderund behinderte Menschen in Anspruchnehmen können: von der Frühförde-rung über die Hilfsmittelgewährung unddie Leistungen bei Pflegebedürftigkeitbis hin zu Hilfen im Berufsleben.

Die Neuauflage geht zudem intensivauf Änderungen ein, die sich durch dasam 1. Januar in Kraft getretene neueSozialhilferecht (Sozialgesetzbuch XII)ergeben haben. Wichtig für Eltern be-hinderter Kinder sind hier insbesonde-re die neuen Einkommens- und Vermö-gensgrenzen bei der Inanspruchnahmevon Sozialhilfeleistungen sowie die neu-en Regelungen für die so genannte Un-terhaltsheranziehung bei den Elternvolljähriger Kinder.

Der Ratgeber zeigt auf, welche Voraus-setzungen für die jeweiligen Leistungenerfüllt sein müssen, wo sie zu beantra-gen sind und wer nähere Auskünfte gibt.Im Anhang und im Text erhalten die Le-ser/-innen weiterführende Literatur-tipps, sodass sie bei Bedarf auch tiefer indie Materie einsteigen können.

Die Broschüre steht im Internet als Download unter www.bvkm.de in derRubrik „Recht und Politik“ zur Verfü-gung. Sie kann außerdem zum Preis von3 Euro (inkl. Porto und Verpackung) un-ter folgender Adresse bestellt werden: Bundesverband für Körper- und Mehr-fachbehinderte e.V., Stichwort „Elternratgeber“, Brehmstraße 5-7, 40239 Düsseldorf

Der Bundesverband für Körper- undMehrfachbehinderte e.V. ist ein Zusam-menschluss von rund 25.000 Mitglieds-familien. Er vertritt u.a. die Interessenbehinderter Menschen gegenüber Ge-setzgeber, Regierung und Verwaltung.

Der Rechtsdienst der Lebenshilfe

Der „Rechtsdienst der Lebenshilfe“wendet sich zwar vor allem anJurist(inn)en, Mitarbeiter(innen) inBehörden und beratende Mitarbeiter(in-nen) in Behindertenorganisationen und-einrichtungen, wir im Down-SyndromInfoCenter finden diese Zeitschrift je-doch auch sehr hilfreich. Er informiertüber aktuelle Entwicklungen in der So-zialpolitik und über die behinderte Men-schen betreffende Rechtsprechung.

Mitbeteiligt am Rechtsdienst sind ne-ben der herausgebenden Bundesverei-nigung Lebenshilfe der BundesverbandEvangelische Behindertenhilfe (BEB),der Verband Katholischer Einrichtun-gen und Dienste für lern- und geistig be-hinderte Menschen (VKELG) sowie derVerband für Anthroposophische Heil-pädagogik und Soziale Arbeit.

Zu beziehen über die Lebenshilfe. Infor-mationen unter: www.lebenshilfe.de.

E R F A H R U N G S B E R I C H T

60 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

tags). In diesen kleben wir jede WocheFotos unserer Termine hinein, d.h.Montag die Spielgruppenleiterin, Diens-tag und Donnerstag ein Bild unserer Ta-gesmami und ihrer Kinder etc. Habe ichkein passendes Foto zur Hand, male icheinfach eins, z.B. Weihnachten einenTannenbaum. Inzwischen weiß Viviane,wenn ich sie frage, was wir am Mitt-woch machen, dass sie zu Isabelle zumMuki-Turnen geht und nach dem Mit-tagsschlaf zu Frau Trümpler zum Spie-len (Frühfördertherapeutin).

Zusätzlich hängt neben der Wickel-kommode noch ein großer Janosch-Ka-lender, auf dem pro Blatt ein Monat ab-gebildet ist. Mir ist schon klar, dass Vivinoch nicht begreift, was Tage, Wochenund Monate sind, doch ich hoffe, dass ir-gendwann ein Verständnis kommt.

Zahlenverständnis und Numicon

Einkaufen gehen, CD-Player oder Fern-bedienung bedienen – überall gibt esZahlen, seien es Mengen, Preise, Ziffern.Angeregt durch einen Artikel in Lebenmit Down-Syndrom und das Bewusst-sein, dass man später, will man mög-lichst selbstständig leben, ein Zahlen-verständnis braucht, habe ich mir nunNumicon angeschafft. Beide Kinder fin-den es absolut faszinierend (ich kommegar nicht nach, Übungen vorzuberei-ten).

Allerdings habe ich inzwischen dasProblem, dass ich mit Viviane keine Zeitalleine verbringe; die zweijährige Leo-nie will schließlich auch mitmachen. Diepaar Male, die ich es bisher mit Vivi ge-schafft habe, war sie voll bei der Sache.Ich musste nach 25 Minuten abbrechen,sonst wäre sie gar nicht mehr zu ihremMittagsschlaf gekommen.

Das Tic-Tac-Würfelspiel

Die Zahlen des Würfels zu kennen ist si-cherlich nicht lebensnotwendig, aberkann auch nicht schaden. Dazu habe ichmir folgendes Spiel überlegt: Die Kinderdürfen mit einem großen Schaumstoff-würfel würfeln. Sagen sie die Augenzahlrichtig, bekommen sie die gleiche An-zahl an Tic-Tac in ihr Schatzkästchen.Ist die Antwort falsch, nehme ich dieentsprechende Anzahl aus dem Käst-chen. Nach drei Runden dürfen die Kin-der die verbliebenen Tic-Tac essen.

Cogito ergo sum – Ich denke, deshalb bin ich

Wichtig war mir, dass Viviane nicht ein-fach nur konsumiert, sondern auch ei-genständig denkt. So ist es abends einRitual geworden, sie zu fragen, was wirheute gemacht haben, was es zum Mit-tagessen gab etc. Es passiert erstaunlichviel während eines Tages, wenn man esaus Kinderperspektive betrachtet, ichhabe gestaunt.

Zu Beginn habe ich eigentlich nurden Tagesablauf repetiert, aber inzwi-schen kann sie mir schon sagen, waswir so alles erlebt haben. Zur visuellenUnterstützung hilft auch der Fotokalen-der. Zusätzlich sage ich ihr, wie das„Programm“ des nächsten Tages aus-sieht.

Quintessenz:

Viel wiederholen, viel Geduld, viel vi-sualisieren, konsequente und liebevolleErziehung, jeden Tag – so weit es geht –genießen und nicht zu sehr an Vivis Zu-kunft denken, alles verbunden mit einergroßen Portion Humor. Mit dieser Ein-stellung hat es mit Vivi bisher sehr vielSpaß gemacht.

Bald geht’s in den „Chindsgi“

Im Sommer soll sie nun in den Kinder-garten integriert werden (in der Schweizkommen die Kinder erst mit vier bis fünfJahren in den „Chindsgi“). Hoffen wir,dass es klappt.

Siehste, klapptdoch!

Die 16-jährige Christiane aus Neu-wied ist stolz und glücklich, dass

sie nun genau wie ihre großen Geschwis-ter Ski fahren kann. Zuerst waren dieEltern etwas skeptisch: Würde Christia-ne das überhaupt lernen können? Aberdie Bedenken wurden zerstreut. Heuteschreiben die Eltern: Welch eine enor-me Kraft wohnt in diesem Mädchen.Man muss nur den Mut haben, diesesPotenzial zu fördern. Für Christiane wardas längst klar. Ihr Lieblingsspruch ist:„Siehste, klappt doch!“

Heute nach drei Jahren fährt Chris-tiane alleine mit einen kleinen Schlepp-lift hinauf und in Kurven den Berg wie-der runter. Sie hat es geschafft. Und mitihrem Charme schafft sie es, dass sienie allzu lange in der Schlange vor demLift stehen muss! Von ihrem gespartenTaschengeld hat sie sich voller Stolz nunauch die bis dahin geliehenen Skier undSchuhe gekauft.

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 61

„Et hätt noch immer jot jejangen“Wie wir zu zwei Töchtern mit Down-Syndrom kamenMartina Zilschke

Jedes Jahr erwischt mich eine mildeHerbstdepression. Das Licht wird

schwächer, der Antrieb, irgendetwas zutun, auch und die „ewige Frage wozu“(Gottfried Benn) stellt sich mit er-drückender Häufigkeit. So weit, soschlecht.

Doch im November 1997 erwischteuns etwas, das uns wirklich in denGrundfesten unseres Seins erschütterte:die endgültige Diagnose unserer Kin-derlosigkeit.

Und dabei wäre doch alles so idealgewesen: das Haus gebaut, der Baumgepflanzt – aber das Kind eben nichtzeugbar, „nur durch In-Vitro-Fertilisati-on eine 20-%-Chance“. Nein danke!

„Können Sie sich als Adoptivkindein behindertes Kind vorstellen?

Nachdem einige Nächte durchgeweintwaren, begannen wir zu reden. AlsPädagogen arbeiteten wir beide ja mit„anderer Leut Kinder“. Warum also kei-nen Antrag auf Adoption stellen? Und sokam „ein Dienstweg“ in Gang, an dessenBeginn erst einmal ein Fragebogenstand. Eine dieser Fragen veränderteunser Leben nachhaltig:

„Können Sie sich als Adoptivkind einbehindertes Kind vorstellen – und wennja, unter welchen Bedingungen ...?“

Ich hatte Sonderpädagogik und Musikstudiert und arbeitete zu diesem Zeit-punkt bereits seit neun Jahren mit inte-grativen Gruppen an der MusikschuleLeichlingen. Menschen mit Behinderun-gen waren mir und meinem Mann ver-traut. Nur – wie würde es sein, immermit einem Behinderten zu leben, nienach Hause gehen zu können, nie auf ei-nem Abiball als stolze Eltern zu sitzen?Tausende solcher Fragen gingen unsdurch den Kopf. Mein recht umfangrei-ches Wissen über Behinderungsartenwar da nicht unbedingt hilfreich, denn:Bei einem behinderten Neugeborenenist der Schweregrad einer Behinderungnicht abzuschätzen. Aber irgendwanngewann unser Vertrauen in das Lebenselbst mit einer guten Portion kölschemFatalismus: „Et hätt noch immer jot je-jangen.“ Und somit wurde die Frage imFragebogen mit ja beantwortet. Und eskam ein kleiner Zusatz dazu: Es könnteein Kind mit Down-Syndrom sein.

Fragebogen zu Ende ausgefüllt, inden Umschlag gesteckt und persönlichzum Jugendamt gebracht.

Dienstwege dauern etwas länger. Sokam es, dass unser erster Hausbesucherst am 21.Oktober 1998 zustande kam,dem Geburtstag unserer ersten Tochter(von der zu diesem Zeitpunkt noch kei-

ner etwas ahnte). Die Gerüchte über sol-che Hausbesuche stimmen alle: Es wer-den einem tausend Fragen gestellt. Unswurden allerdings zweitausend Fragengestellt, war so ein Anliegen doch rechtungewöhnlich und musste ziemlich hin-terfragt werden. Beendet wurde der Be-such mit der Aussage, dass nun nochdrei weitere Besuche ins Haus stündenund sich so ein Verfahren eben sehr zie-hen würde. Und wir bekämen dann ir-gendwann Bescheid, wann der nächsteTermin ins Haus stünde. Mit Sicherheitjedoch nicht vor dem Jahreswechsel.

Drei Wochen später kam ein Anrufaus dem Jugendamt: Es wären da eini-ge Termine ausgefallen – und ob einweiterer Termin am 15. Dezember 1998möglich sei.

Ich fand das sehr merkwürdig. MeinMann bat innigst darum, dass ich michbitte in nichts reinsteigern möge. Aberich steigerte mich ... heimlich.

Natürlich brachte besagter 15. De-zember dann genau die Nachricht, aufdie wir gewartet hatten: Es gibt da einKind – ein Mädchen mit Down-Syndromund Katarakt (grauer Star), gerade malsieben Wochen alt.

Weitere ereignisreiche und unbe-schreiblich aufregende vier Wochen spä-ter lag sie dann auf dem eilends herbei-geschnorrten Wickeltisch, schlief in dergeliehenen Wiege und wurde unter Be-obachtung meiner lieben Nachbarinzum ersten Mal von mir gewickelt. Wirlernten, die Kontaktlinse zu wechselnund Bobath zu turnen und waren an-sonsten eine „ganz normale Familie“.Marie entwickelte sich erstaunlich ra-sant, drehte sich mit sechs Monaten,krabbelte mit zwölf Monaten und lief mitknapp anderthalb Jahren.

Und da wurde unser Wunsch, dasnoch einmal zu probieren, immer grö-ßer. Und so kam Lily in unser Leben.Marie war 20 Monate alt, als ein Anrufvon einer Hebamme aus Hamburg kam.Ein kleines Mädchen von gerade einerWoche sei zur Adoption freigegeben. Ob

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62 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

wir uns das vorstellen könnten ... Naklar. Et hätt noch immer jot jejangen ...

Und so wurde ein Sommerurlaub ab-gesagt und ein Kind abgeholt.

Und plötzlich war nichts mehr, wiees vorher war, nichts mehr war gut. Dalag ein Kind auf dem Wickeltisch, das zuschlapp zum Trinken war. Ein Kind, daskeinen Blickkontakt aufnahm. Ein Kind,das sich scheinbar gar nicht weiterent-wickelte.

Da hieß es plötzlich, viermal am Tagnach Voijta turnen, lange für einenBlickkontakt „üben“ und nicht wissen,was da kommen würde. Und da warauch viel Angst: Würden wir das lebenkönnen? Es war eine dunkle Zeit. VieleZweifel, viel Arbeit, viel Hoffnungslosig-keit. Und ehrlich gesagt, weiß ich bisheute nicht, warum sich das irgend-wann drehte. Es war einfach so, als kä-me nach Ebbe wieder Flut. Es wurdewieder lebbar, das Leben mit Lily. Eswar genug gehadert. Jetzt wurde ein-fach gelebt: Schritt für Schritt. Wir taten,was machbar war, und vertrauten aufGott. Et hätt noch immer jot jejangen.

Und irgendwann „kam“ Lily – lang-sam, aber gewaltig.

Heute ist Lily fast so groß wie ihre älte-re Schwester. Sie strotzt vor Selbstbe-wusstsein, redet wie ein Wasserfall undist einfach reizend. Und so hart die ers-te Zeit auch war: Ich habe sie gebraucht,um mich wirklich kennen zu lernen.

Eine völlig normale Familie?!

Und wie leben wir heute? Auf den erstenBlick völlig unnormal, zwei Kinder mitDown-Syndrom, zwei berufstätige El-tern, viel zu tun und immer irgendwieauf dem Seil tanzend.

Auf den zweiten Blick völlig normal.Balanceakte turnt jede Familie und wirunterscheiden uns nur partiell. UnsereKinder lernen langsamer, machen aberviele Dinge völlig normal: Ballett, Mu-sikschule, Schwimmverein.

Auf den dritten Blick aber erlebe ichuns, auch in Phasen, die dunkel sind, alsunwahrscheinlich bereichert um Dinge,von denen wir sonst wahrscheinlich kei-ne Ahnung hätten. Dazu gehören dasWissen um die Verletzlichkeit menschli-chen Daseins, der Respekt vor demMenschsein in allen seinen Formen undnatürlich das Vertrauen in das Lebenals solches:

Et hätt noch immer jot jejangen.

Jonatan liest undist ein GuK-Fan!

Wir beobachteten an Jonatan schonfrüh seine besondere Fähigkeit,

Bilder wieder zu erkennen. Dank dieses„fotografischen Gedächtnisses“ be-herrscht er nun alle Buchstaben undkann zirka 20 Worte lesen! Im Juli 2004 begannen wir mit GuK1(Gebärden-unterstützte Kommunikati-on). Jonatan wurde ein wirklicher„GuK-Fan“ und sein aktiver Wortschatzerweiterte sich für seine Verhältnisseenorm. Mittlerweile beherrscht er die100 GuK-Begriffe und wendet die Hälf-te im Alltag an. Jonatan spielt auch gernmit seinem fast zweijährigen Bruder.

Da Jonatan sehr lieb, vorsichtig undfröhlich ist, streiten die beiden kaumund wachsen momentan wie Zwillingeauf. Inzwischen ist Jonatan vier Jahre.

Wir haben wirklich viel Freude anunserem ausgeglichenen Sonnenschein-kind!

Familie Richardt

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 63

Gute Freundinnen

Hallo. Wir sind Inga (17) und Lara(13), und wir sind schon seit drei

Jahren dicke Freundinnen und bei un-serer Freundschaft stört uns Ingas Be-hinderung nicht. Wir gehen oft mit un-seren Hunden spazieren und unterneh-men andere Dinge zusammen.

Ich, Lara, habe Inga das Fahrrad-fahren beigebracht und sie fährt jetztwie ein Profi, obwohl sie Gleichgewichts-probleme hat. Da ich Mitglied der Schü-lerzeitung bin, habe ich einen Artikelüber Menschen mit Behinderungen ge-schrieben und dazu ein Interview mitmeiner Freundin gemacht.

Ich, Inga, bin schon seit drei Jahrenin der Schultheater-AG. In der Schulewerde ich oft von den meisten Jungsgeärgert. Aber ich habe auch andereFreundinnen, die mich so akzeptieren,wie ich bin. Ich unternehme auch oftwas mit meinem Freund Sven. Ich freuemich, dass ich jetzt Fahrrad fahrenkann.

Inga Lowitzki und Lara Erny

Marie liebt Tiere

Wir bekommen immer noch Fotoszum Thema Kinder und Tiere!

Hier z.B. von Marie Martin. Ihre Mutterschreibt: Unsere Marie (jetzt sechs Jah-re) hat sich dank der tollen Betreuung inden Intensivwochen bei Frau Iven sehrgut entwickelt. Obwohl sie momentan

mehr auf ihren fünf Monate alten Bru-der fixiert ist, sind Tiere ihre große Lei-denschaft.

Von ihrem Opa bekam sie an Osterneinen Hasen geschenkt, nachdem sie imStreichelzoo so begeistert von denZwerghasen war. Sie zeigt auch keineAngst mehr vor großen Tieren. Das La-ma hat es ihr angetan!

Familie Martin

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64 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Schon vor einiger Zeit machte die Lo-gopädin meiner Tochter den Vor-

schlag, doch einmal etwas über unsereErfahrungen mit dem GuK-Programmin „Leben mit Down-Syndrom“ zu ver-öffentlichen. In der letzten Ausgabe lasich dann die Vorankündigungen auf das

kommende Heft und beschloss, dassdoch gerade jetzt ein guter Zeitpunktwäre, über unsere Erfahrungen mit GuKzu berichten.

Unsere Tochter Maike wurde im Au-gust 1999 geboren. Schon seit der 25.SSW wussten wir über ihren Herzfehler

und das Down-Syndrom Bescheid undwaren nun froh, als sie in der 38. SSWgeboren wurde. Die ersten Monate wa-ren dann sehr durch ihren Herzfehlergeprägt. Nach vier Wochen erfolgrei-chem Stillen stellte Maike innerhalb we-niger Tage das Trinken ganz ein. Auchsonst war sie nur sehr eingeschränktbelastbar und wir waren sehr erleich-tert, als sie nach gut vier Monaten dieHerz-OP erfolgreich überstanden hatteund ihre Belastbarkeit stetig zunahm.Über eine konsequente Therapie nachCastillo Morales und mit viel Geduld hatsie es zwei Monate später auch wiedergeschafft, selbstständig zu trinken.

Maike hört schlecht

In dieser Zeit wurde dann auch eine mit-telgradige Schwerhörigkeit festgestellt.Maike bekam Hörgeräte, die sie mäßigakzeptierte. Lautiert hat sie mit und vor-her ohne Hörgeräte gleich wenig. Zu-gehört hat sie allerdings immer gerneund sie war auch stets fasziniert von un-seren Mundbewegungen und der Ge-sichtsmimik beim Sprechen. Ihr Hör-vermögen besserte sich stetig und nachca. einem Jahr war sie ihre Hörgerätewieder los. „Sprachlich“ mitteilen woll-te sie sich aber immer noch nicht.

Gebärden ja oder nein?

Mit einem Alter von dreieinhalb Jahrensprach sie gerade mal drei sinnvolleWörter (Papa, da, Ball) und benanntealles andere mit Geräuschen oder deu-tete hin mit ihren Fingern. Es wurdeaber langsam immer klarer, dass sie mitdieser Situation unzufrieden war. Ichhatte inzwischen viel über das GuK-Pro-gramm gelesen und gehört, war aberhin und her gerissen, was ich davon hal-ten sollte. Maike reagiert auf meine imRückblick vielleicht auch ein wenighalbherzig eingebrachten Gebärdennicht. Ich selber konnte mir kaum vor-stellen, dass, wenn sie es erst einmal ge-lernt hatte, sich über Gebärden zuäußern, sie noch einen Grund sehenwürde, sich sprachlich auszudrücken.Und ich wollte ja, dass sie spricht. Sowurden wir beide immer unzufriedener.

Maike entscheidet sich selbst für die Gebärden

Bis zu dem Tag, als Maike bei einemSpieltreff mit anderen Kindern mit Down-Syndrom auf einen etwa gleich-

Maike lernt sprechen mit GuKJutta Gorontzy

Maikes Mutter war skeptisch und befürchtete, die Gebärden könnten Maike in irgendeiner Form am Spracherwerb hindern. Jetzt ist sie überzeugt: OhneGuK wäre Maike noch lange nicht so weit wie jetzt!

aedsEUROPEAN

DOWN SYNDROMEASSOCIATION

D S - K O N G R E S S

8 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

das Baby aufzugeben. Wenn diese El-tern sehen, wie das Kind vom DSU un-terstützt wird, wie es Fortschrittemacht, dass es durchaus lernfähig ist,werden manche Kinder nach einigerZeit doch zu Hause aufgenommen. Diesist die Intention des Projektes.

Persönlichkeit und Verhalten beiMenschen mit Down-Syndrom

Ben Sacks, Professor der Psychiatrieund Berater der Educational Trust inPortsmouth, sprach über das Verhaltenvon Menschen mit Down-Syndrom. Ergab eine Übersicht über die Charakteris-tika in der Persönlichkeit und das Auf-treten schwieriger Verhaltensweisen.Seiner Meinung nach haben die meistenKinder und Erwachsenen mit Down-Syndrom gute soziale Fähigkeiten undein gutes Einfühlungsvermögen. Sie sindin der Regel dazu fähig zu lernen, sich sozu benehmen, wie das zu Hause, in derSchule und bei der Arbeit von ihnen er-wartet wird. Sie können jedoch das guteEinfühlungsvermögen auch missbrau-chen und mit herausforderndem Ver-halten ihr Umfeld ärgern und kontrol-lieren. Untersuchungen zeigen, dass dasAuftreten solcher schwierigen Verhal-tensweisen abnimmt, wenn die Personälter wird. Bei Kindern stellt man häufgfest, dass problematisches Verhaltendurchaus ihrem Entwicklungsalter(nicht dem chronologischen Alter) ent-spricht. Allerdings wird in der Integra-tion ein mehr altersgemäßes Verhaltenerwartet.

Ungefähr zwölf bis 14 Prozent derPersonen mit Down-Syndrom zeigendauernd herausforderndes Verhalten –dies kann in Verbindung stehen mit au-tistischen Zügen oder ADHS oder einerernsthaften kognitiven Einschränkung.Der Umgang mit diesen Menschen kannsehr anstrengend sein und Eltern sowieLehrer brauchen dabei Unterstützungund Strategien für den Alltag.

Wie kann man diese Verhaltenswei-se verändern und wie kann man prä-ventiv etwas tun? Soziale Entwicklungund das Sozialverhalten müssen in derFrühförderung Priorität haben. Elternkönnen dafür sorgen, eine tägliche Rou-tine zu etablieren, damit der Tag für dasKind vorhersagbar wird und so sichererund weniger bedrohlich. Eltern solltenauch ermutigt werden, altersgerechteErwartungen zu haben und währendder ersten Jahre klare Grenzen zu set-

zen. Es wäre eine Hilfe, wenn Eltern so-wie Fachleute die Prinzipien der Ver-haltensmodifikation kennen und dieseanwenden können.

Mathematik und Numicon

Professor Sue Buckley von der Educa-tional Trust in Portsmouth hielt einenVortrag zum Thema Mathematik undstellte das Numicon-Material, das inEngland und Irland nun sehr viel vonKindern mit Down-Syndrom benutztwird, vor.

Schlafstörungen

Ein interessanter Vortrag kam von derFranzösin Jacqueline London, Präsi-dentin der AFRT (Association Francaisepour la Recherche sur la Trisomie 21),über Schlafprobleme.

Dabei ging es nicht so sehr um Un-regelmäßigkeiten in der Schlafstruktur,die durch eine obstruktive Schlafapnoeverursacht werden, sondern um solche,die eine andere Ursache haben. FrauLondon und ihr Team stellten u.a. fest,dass Menschen mit Down-Syndrom

häufiger aufwachen, weniger REM-Schlafepisoden haben, sich häufig während der REM-Phase

bewegen (normalerweise sind die Kör-perbewegungen während dieser Phaseverringert),

Auffälligkeiten bei der Gehirnstrom-Messung (EEG) im Schlaf zeigten.

Eine ganze Reihe Veränderungen,die speziell die REM-Phase betrifft. Dasist die Schlafphase, in der das GehirnGelerntes verarbeitet, Lernerfahrungenins Langzeitgedächtnis überträgt und inder sich der Mensch von psychischemStress erholt. Diese Art der Störungen inder Schlafarchitektur kann u.a. zu Mü-digkeit und Unkonzentriertheit führenund kognitive Leistungen negativ beein-flussen.

Um ein besseres Verständnis für die-se Abweichungen zu bekommen, wirdmit Mausmodellen gearbeitet, wie dasauch in vielen anderen Bereichen derForschung üblich ist.

Schlusswort

Insgesamt war dies ein hervorragenderKongress. Schade, dass außer den ED-SA-Vertretern keine Teilnehmer ausDeutschland da waren, um sich fortzu-bilden und sich inspirieren zu lassen.

Treffen von EDSAund DSI

Dieses Symposium bot gleichzeitigdie Gelegenheit zu einem Treffen

der beiden internationalen Down-Syn-drom-Gremien. So trafen sich hier so-wohl die Mitglieder von EDSA (Europäi-sche Down-Syndrom Association) wiedie von DSI (Down-Syndrom Internatio-nal) zu ihrer jeweiligen Jahresver-sammlung.

EDSA hat mittlerweile 37 Mitglieder.Neu aufgenommen wurden in PalmaDown-Syndrom-Vereine aus Dänemark,Schweden, Kroatien und der VereinAFRT, eine Elternorganisation ausFrankreich, die sich hauptsächlich fürForschungsprojekte einsetzt.

Es ist erfreulich, dass immer mehrDown-Syndrom-Vereine aus den ost-europäischen Ländern sich formierenund den Weg zu EDSA finden.

In der Mitgliederversammlung muss-te über die völlig überarbeitete Satzungabgestimmt werden. Außerdem standenVorstandswahlen an. Professor Juan Pe-rera stand nach fünf Jahren nicht mehrals Vorsitzender zur Verfügung, auchsollte der Vorstand von drei auf fünf Per-sonen erweitert werden.

Prof. Alberto Rasore Quartino, Kin-derarzt aus Genua, wurde zum neuenPräsidenten gewählt. Cedric Depuydt(Belgien) und Cora Halder (Deutschland)bekamen das Amt des Vizepräsidenten,Cees Zuithoff (Niederlande) bleibtSchriftführer und Pat Clarke (Irland)wurde wieder zum Kassenwart gewählt.Außer Prof. Rasore haben alle Vor-standsmitglieder ein Kind mit Down-Syndrom.

Der Vorstand arbeitet eng zusam-men mit dem wissenschaftlichen Beirat,hier sind u.a. Prof. Jean Rondal undProf. Sue Buckley vertreten. In diesenBeirat sollen weitere Wissenschaftleraus ganz Europa aufgenommen wer-den. Regelmäßig sollen in Europa wei-

AKTUELLES

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 5

Auftaktveranstaltung zu den Deutschen Down-Syndrom-Wochen unter Schirmherrschaft von Frau Köhler

Bei einer kleinen Feier im Hildeshei-mer Rathaus am 1. März 2005 wur-

de Frau Prof. Etta Wilken mit dem Ver-dienstkreuz am Bande des Verdienstor-dens der Bundesrepublik Deutschlandausgezeichnet. Mit dieser hohen Aus-zeichnung wurde ihr unermüdlichesund mittlerweile über 25 Jahre anhal-tendes ehrenamtliches Wirken für dieAllgemeinheit und besonders im Rah-men der Selbsthilfe für Menschen mitDown-Syndrom gewürdigt.

Schon 2002 hat das Deutsche Down-Syndrom InfoCenter Frau Wilken offizi-ell für die Verleihung des Bundesver-dienstordens vorgeschlagen. Zwei Jahrewaren seit unserem ersten Schreibenvergangen, als im Januar 2005 die

Bundesverdienstkreuz für Frau Prof. Etta WilkenNachricht eintraf, dass Herr Bundes-präsident Horst Köhler unserem Antragentsprochen hat.

Unseres Erachtens hat sich FrauProf. Etta Wilken für Menschen mit Be-hinderungen in einem Maße verdientgemacht, die mit dem Bundesverdienst-kreuz zu würdigen wäre. Dies schließt,so lautete unsere Begründung, nicht nurdie Vermittlung ihrer wissenschaftli-chen Arbeit für die Erziehungspraxisder Eltern und die Entwicklung ihrer be-hinderten Kinder ein, sondern auch ihrseit Jahrzehnten nachhaltiges und er-folgreiches ehrenamtliches Engagementin der Beratung von Eltern, behindertenMenschen und Verbänden.

Die Aussage „Berlin ist eine Reise wert“

hat für Andrea Halder eine ganz spezielle

Bedeutung bekommen. Sie war nach Berlin

eingeladen, um sich zusammen mit Frau

Eva Köhler fotografieren zu lassen.

Frau Köhler unterhielt sich angeregt mit

Andrea, die über ihre Arbeit und ihre Hob-

bys erzählte. Auch entdeckten sie Gemein-

samkeiten, sowohl Frau Köhler wie Andrea

gehen gern in die Oper!

Frau Köhler informierte sich über das

Leben mit Down-Syndrom und Andrea, als

„Spezialistin“, konnte dazu einiges sagen!

Die Deutschen Down-Syndrom-Wo-chen – eine 1996 vom Deutschen

Down-Syndrom InfoCenter ins Leben ge-rufene jährlich im Oktober stattfindendeAktion – werden am 23. September2005 mit einer Feier in dem schönenNürnberger Marmorsaal eingeleitet.

Bei dieser festlichen Veranstaltungwerden die Poster der diesjährigen Auf-klärungswochen offiziell der Öffentlich-keit vorgestellt. Die Auftaktveranstal-tung bietet außerdem den richtigenRahmen für die Verleihung der beiden

Preise, den „Moritz“ und „Das GoldeneChromosom“.

Wir sind stolz und glücklich darü-ber, dass Frau Eva Luise Köhler, dieFrau des Bundespräsidenten, sich bereiterklärt hat, die Schirmherrschaft überdiese Veranstaltung zu übernehmen.

Zur Vorbereitung dieses Ereignisseswar die 19-jährige Andrea Halder nachBerlin zu einem Fotoshooting mitDeutschlands „First Lady“ eingeladen.Wir freuen uns, dass Frau Köhler sichtrotz ihrer vielen Verpflichtungen Zeit

für dieses Treffen genommen hat. Frau Köhler, die sich für Menschen

mit Behinderungen engagiert und u.a.Schirmfrau von UNICEF und der ACHSEist, möchte auch unser Anliegen – die In-tegration von Menschen mit Down-Syn-drom – unterstützen. Dieses ihr Enga-gement verleiht unserer Arbeit mehrAufmerksamkeit, was sich positiv aufdie Lebenssituation unserer Kinder aus-wirkt.

Für diese Unterstützung sind wirFrau Köhler sehr dankbar.

Foto: Gleice Mere

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 65

altrigen Jungen traf, der sehr ausgiebiggebärdete. Sie wich fast den gesamtenNachmittag kaum von seiner Seite. Daswar uns Müttern wohl aufgefallen, aberBedeutung habe ich dem erst amAbendbrottisch zugemessen. Maike ge-bärdete spontan und immer wieder„fertig“. Hätte ich die Gebärde nichtselbst am Nachmittag gesehen, hätte ichsie nicht verstanden. So aber konnte ichihrem Willen entsprechen. Maike warbeeindruckt (ich auch), und noch amselben Abend kamen weitere Versuche,etwas mit den Händen auszudrücken,dazu. Sie war von Anfang an sehr krea-tiv im Erfinden von eigenen Gebärdenund hat noch an diesem Abend ihredurchaus logische Gebärde für duschengeprägt. Da war es mir dann egal, ob dieGebärden ihre Sprachentwicklunghemmten, sie konnte sich damit aus-drücken und wir sie verstehen. Inner-halb kürzester Zeit konnte sie so ziem-lich alle Gebärden aus dem GuK1-Pro-gramm und hatte sich noch so manchedazu ausgedacht. Damit wir (all die, dietagtäglich mit ihr Umgang hatten) sieverstehen konnten und die Gebärdennicht vergaßen (Maike konnte sie balddeutlich besser wie wir), hingen die Ge-bärden-Karten über Monate an unserenKüchenoberschränken und eine Mappemit den Karten war in der Kita ein vielgenutztes Bilderbuch. Ein Riesenglückhatten wir mit dem engagierten Team inder Kita, die konsequent mit gebärdethaben.

Von der Gebärde zum gesprochenen Wort

Es dauerte nicht lange und Maike be-gann, Wörter zu finden. Erst vereinzeltund dann zunehmend schneller. Oft hat-te ich den Eindruck, sie erinnert sich andas Wort nur im Zusammenhang mitder Gebärde oder dass ihr die Gebärdedie Sicherheit gab, das Wort richtig an-zuwenden. Wenn sie redete, wollte sieauch richtig verstanden werden, und siewar und ist sehr genau in der Auswahldes richtigen Begriffes. Ich glaube, dieZeit des Nicht-verstanden-Werdens hatsie sehr geprägt und so soll es ihr nichtnoch einmal gehen. Nun kam sie auchmit Außenstehenden besser zurecht,wenn es auch zunächst nur Einwortsät-ze waren, die sie lautierte. Schließlichließ sie die Gebärden einfach weg. DerReihe nach, immer da, wo sie sich ganzsicher war. Mittlerweile benutzt sie

überwiegend Drei- und auch zuneh-mend Mehrwortsätze und gebärdet garnicht mehr. Es fällt aber auf, dass sie im-mer dann, wenn es beim Sprechen an-strengend wird (z.B. in der Logopädie),gerne die Hände zum „Helfen“ mitbe-nutzt.

Und weiter mit dem frühen Lesen!

Ja und dann kam vor nicht allzu langerZeit eine Stunde, in der die Logopädinmit ihr ein Buch anschaute, in dem sichWörter und Bilder abwechselten. DieLogopädin las und Maike sollte die Bil-der benennen. Nach einem Bild folgteder Name Max und Maike benannte dasBild und Max; sie hatte sich das Wort inder Kita abgeschaut, aus einem Bilder-buch, das zu der Zeit vermehrt gelesenwurde. Uns war schnell klar, was nungefragt ist, und mit der Logopädin zu-sammen haben wir mit dem frühen Le-senlernen begonnen. Maike macht dassehr viel Spaß und es gibt deutliche Er-folge. Ich bin sehr gespannt, wie es wei-tergeht, und habe eines sicherlich ge-lernt, sehr genau darauf zu achten, wasin Maikes Entwicklung gerade angesagtist, und mich da ganz auf ihren Rhyth-mus einzulassen. Meine Befürchtungen,die Gebärden könnten Maike in irgend-einer Form am Spracherwerb hindern,haben sich in die Gewissheit gewandelt,dass wir ohne GuK noch lange nicht soweit wären wie jetzt.

Zeitschrift „Leben mit Down-Syndrom“ lebensbejahend und motivierend

Von mir noch ein herzliches Dan-keschön für die immer wieder soinformative, lebensbejahende,motivierende und auch häufig lus-tige Fachzeitschrift „Leben mit Down-Syndrom“. Ich bin froh überdas breite Spektrum, das sie im-mer wieder ansprechen, und ha-be schon viele gute Anregungenerhalten. Auch ist es gut zu sehen,was aus den Kindern alles werdenkann. Daher beeindrucken michauch stets die Berichte von Ju-gendlichen und Erwachsenen.Bitte weiter so.

Gespannt warte ich jetzt aufdie Plakataktion, ganz besondersauf das Plakat mit Ulrike Folkerts,die ich als Schauspielerin sehrschätze. Bei uns im Dorf habenwir mehrere Kinder mit Down-Syndrom und ich kann mir gutvorstellen, dass wir ein oder zweiPlakate aushängen werden. VielErfolg mit der geplanten Aktion.Herzliche Grüße

Jutta GorontzyAm Stopfer 133

48239 HavixbeckTel.: 0 25 07 / 57 17 79

PUBLIKATIONEN

68Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Sexualität – Ein Ratgeber für Eltern von Kindern mit Handicap

Autoren: Karin Melberg Schwier undDave HingsburgerVerlag: G&S Verlag, Edition 21 ISBN 3-925698-23-XPreis: 25,00 Euro ca. 200 Seiten, broschiert

Ein wichtiges Buch zu einem wichtigenThema! Offen und ehrlich, manchmalschonungslos – immer hilfreich. KarinMelberg Schwier und Dave Hingsburger nehmen „kein Blatt vor den Mund“, auchwenn es darum geht, problematischeThemen wie zum Beispiel Schwanger-schaften, AIDS oder Missbrauch anzu-sprechen.

Viele Fallbeispiele und eindringlicheZitate von Eltern und selber betroffenenjungen Frauen und Männern machendieses Buch, neben seinem praktischen Nutzen, auch zu einer ausgesprochenlesenswerten Lektüre, die weit über dashinausgeht, was „trockene Fachbücher“gemeinhin bieten können.

Dabei steht die Fachkompetenz derAutoren außer Frage. Beide arbeitenseit vielen Jahren erfolgreich und ein-fühlsam mit Behinderten. Bei den vonihnen vorgeschlagenen Strategien undHilfen steht stets der praktische Nutzenfür den Leser im Vordergrund.

Über das ganze Buch verteilt findensich eingestreut viele Zitate von Eltern,die dank ihrer Authentizität allen Le-sern zeigen: Du bist nicht alleine mit dei-nen Problemen! Und: Es gibt Wege undLösungen! Jedes Kapitel wird zudemmit Fragen und Antworten aus der Pra-xis der Autoren beendet.

Wichtige Neuerscheinung in der ReiheEdition 21 aus dem G&S Verlag

Buchthemen

Selbstvertrauen und Selbstver-ständnis: Die Grundlagen einer ge-sunden Sexualität

Was man wann beibringen sollSexualität und sexuelle Funktio-

nen – Fakten Stärke und Selbstbewusstsein auf-

bauenWerte etablierenUnterstützung für Eltern: Finden

Sie Verbündete!Grenzen setzen: Die Balance zwi-

schen Risiko und Weiterentwick-lung

Schamgefühl: Öffentlichkeit undPrivatsphäre

Risikominimierung und Selbstbe-hauptung

Wie sagt man Nein?Träume und ErwartungenÄußere Erscheinung und Be-

grüßungenGespräche über die BehinderungGrenzen einer BeziehungGesunde PsycheMedizinische VorsorgeMenstruationGesund bleibenGruppenzwangHomosexualitätSexualerziehungSex kann auch krank machenMissbrauch und AusbeutungDie erste Versuchung: Risiken

leugnenDie zweite Versuchung: Beziehun-

gen unterbindenDie dritte Versuchung: Rechte ver-

weigernSexualerziehung und PrivatsphäreJemand zum RedenSelbstbewusstseinSelbstbestimmung Heirat und BeziehungEs gibt zwei GesellschaftenSchwangerschaft und Elternschaft

– FaktenVerhütung

Lisanne, ein RoadmovieDer Film „Lisanne“ handelt von einem15-jährigen Mädchen, das sich nichtssehnlicher wünscht, als nach Dänemarkans Meer zu fahren. Sie hat das Down-Syndrom und ihr älterer Bruder Marlonhat versprochen, ihr diesen Wunsch zuerfüllen.

Es ist ein Roadmovie um die Ge-schwisterbeziehung zwischen Lisanneund Marlon. Manchmal laut, manchmalleise, energisch und dann wieder hilflos.Aber immer mit einem großen Herzenund viel Lebensfreude.

„Ich bewundere ihr kämpferischesHerz, ihr strahlendes Lächeln und ihrenHumor!“, schreibt ihr Bruder Lars-Gun-nar Lotz, Student an der Kunsthoch-schule Kassel, Abteilung Film/Fernse-hen.

Er hat diesen Kurzfilm über seineSchwester gemacht, u.a. um realistischden Konflikt zwischen Menschen mitund ohne Behinderung zu zeigen. DieArt, wie seine Schwester mit ihrer of-fenherzigen und direkten Art Menschenzum Lachen, aber auch in peinliche Si-tuationen bringt, hat ihn inspiriert. DerBruder, durch die Verantwortung, die erträgt, kommt bei ihren spontanen, ei-gensinnigen Ideen selbst auch leicht inVerlegenheit und weiß manchmal nichtgut damit umzugehen.

Bestellen

Interesse? Sie können den Film „Lisan-ne“ (Spielzeit: 18 Minuten) als DVD für10 Euro bestellen bei:Lars-Gunnar LotzGutenbergstraße 5, 34127 KasselTel.: 05 61 / 861 75 33

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DS-KONGRESS

6Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Kongress in Mallorca: Down-Syndrom-SpezifizitätCora Halder

Ende Februar 2005 fand in Palma de Mallorca das VI. Internationale Down-Syndrom-Symposium statt. Das Symposium stand unterdem Motto „Down-SyndromSpecifity“ – die Spezifizität bei Down-Syndrom. Was bedeutet das genau? Und weshalb ist diese Spezifizität so wichtig?

Ende Februar 2005 fand in Palma deMallorca das VI. Internationale

Down-Syndrom-Symposium statt. JuanPerera, Präsident der Europäischen Down-Syndrom Association (EDSA),undsein Team von Asnimo hatten diesenKongress in Zusammenarbeit mit derUniversität der Balearen organisiert. Inseiner Eröffnungsrede ging ProfessorPerera auf das Motto des Symposiums„Spezifizität bei Down-Syndrom“ ein.

Spezifizität des Down-Syndroms

Die Spezifizität des Down-Syndromswird durch das Extra-Chromosom 21(oder einen Teil davon) verursacht. Dasdreifache Vorhandensein dieses Chro-mosoms ist für gewisse Veränderungenim morphologischen, biochemischenund funktionalen Bereich verschiedenerOrgane, speziell des Gehirns, verant-wortlich.

Was sind die ganz typischen Merk-male dieses Syndroms? Zwar handelt essich zum Teil um Merkmale, die viel-leicht in anderen Syndromen auch vor-kommen, jedoch nicht in dieser typi-schen Zusammensetzung und nicht ingleichen Maßen. Welche Charakteristi-ka unterscheiden dieses Syndrom vonanderen Formen einer mentalen Behin-derung? Spezifizität zu umschreibenheißt einerseits genau zu untersuchen,welche Gemeinsamkeiten es zwischenden einzelnen Behinderungen gibt, undandererseits, was exklusiv für Down-Syndrom ist.

Die Studie dieser Spezifizität istwichtig, weil wir dadurch besser verste-hen lernen, was es bedeutet, Down-Syn-drom zu haben, und diese Kenntnisse

sind die Grundlage aller Intervention.Außerdem war diese Spezifizität derGrund, dass in den letzten 20 Jahrenimmer mehr Down-Syndrom-Vereineweltweit gegründet wurden. Vor allemEltern wollten mehr spezielle Informa-tionen über das Syndrom ihrer Kinderhaben und „nicht in einen Topf mit an-deren Behinderungen“ gesteckt werden.Dies war und ist nicht abwertend ande-ren gegenüber gemeint, sondern ent-spricht dem Wunsch nach mehr Spezia-lizierung. Genauso entstanden auch dieVereine für Autismus, Epilepsie usw.

Was bedeutet Spezifizität nicht?

Spezifizität bedeutet nicht, zu leugnen,dass es viele Gemeinsamkeiten mit an-deren Syndromen oder mit geistiger Be-hinderung im Allgemeinen gibt. Es istlogisch, dass man auch ähnliche Aspek-te und Überschneidungen findet, die ge-nauso beachtet werden müssen.

Spezifizität bedeutet auch nicht,Menschen mit Down-Syndrom von derweiteren Population, behindert odernicht behindert, zu trennen. Oder Ghet-tos für Menschen mit Down-Syndrom zuschaffen oder spezielle Zentren zu grün-den, für ausschließlich diesen Perso-nenkreis.

Vielmehr soll die Integration allerbehinderten Menschen das Ziel sein.

Was bedeutet Spezifizität?

Was wir anstreben, ist einerseits mehrspezielles Fachwissen, speziell ausge-bildete Fachleute, Förderprogramme,die einerseits das syndromspezifischeLernprofil berücksichtigen, andererseitsan die individuellen Möglichkeiten jeder

einzelnen Person mit Down-Syndromangepasst werden können. Dieses spe-zifizische Angebot soll dann in einer in-tegrierten Umgebung eingesetzt undumgesetzt werden.

Bei aller Spezifizität sollte selbstver-ständlich nicht übersehen werden, wel-che große Variabilität innerhalb derGruppe der Menschen mit Down-Syn-drom besteht.

Dies sollte die Forschung aber nichtdavon abhalten, eine Reihe Charakter-züge und Verhaltensweisen, die relativhomogen sind, zu untersuchen und zubeschreiben. Das ermöglicht uns, spezi-elle Interventionsmaßnahmen heraus-zuarbeiten und die bestmögliche Förde-rung anzubieten.

In einigen Bereichen sind uns diespeziellen Probleme, die bei Down-Syn-drom auftreten, schon länger bekannt(z.B. bezüglich der Sprachentwicklungoder beim auditiven Gedächtnis). Inletzter Zeit rückte immer mehr die spe-zifische Anfälligkeit für bestimmte neu-rologische Abbauprozesse, wie z.B. Alz-heimer, in den Mittelpunkt.

Auch im medizinischen Bereich gibtes viele Aspekte, die sehr eng mit demSyndrom verbunden sind. Und immermehr werden Besonderheiten im Lern-und Verhaltensprofil beschrieben.

Interessant ist dabei auch der Ver-gleich zu anderen Syndromen, wie Pra-der-Willi oder Fragil-X-Syndrom.

Der Mallorca-Kongress bot mit einerReihe hervorragender Referenten eineninteressanten und komplexen Überblicküber die Spezifizität des Down-Syn-droms.

Professor Juan Perera während

seiner Ansprache beim Kongress

in Palma de Mallorca

D S - K O N G R E S S

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 7

Perfekte Organisation

Das war nicht das erste Mal, dass einsolches Symposium auf Mallorca statt-fand, und auch jetzt kann man dem Ver-anstalter nur gratulieren zu dem hohenNiveau der Kongressbeiträge und derperfekten Organisation. Selbstverständ-lich kamen die meisten Teilnehmer vonden Balearen oder vom spanischenFestland. Aber es gab auch viele Gästeaus anderen europäischen Ländern.

Die Kongresssprachen waren Eng-lisch und Spanisch, die Vorträge wur-den simultan übersetzt, dies funktio-nierte perfekt. Und man kann nur stau-nen, wie reibungslos der Transport derfast dreihundert Teilnehmer in der Mit-tagspause mit Bussen zu einem zehn Ki-lometer entfernten Restaurant vonstat-ten ging, wo – wie kann es anders sein –eine hervorragende dreigängige Mahl-zeit in einer gepflegten Umgebung ser-viert wurde. Danach standen die Bussewieder parat, um alle zur Universitätzurückzufahren. Übrigens eine gute Me-thode, dafür zu sorgen, dass die Teil-nehmer nach dem Mittagessen auchtatsächlich wieder kommen. Denn so-wohl die Uni wie das Restaurant lagenweit außerhalb der Stadt. Um zu denHotels in der Stadt zurückzufahren, hät-te man ein teures Taxi nehmen müssen.So waren alle bis 19 Uhr bei den Semi-naren und Workshops am Nachmittagmit dabei. Anschließend fuhren die Bus-se dann zu den Hotels zurück. Und dieTeilnahmebestätigung gab es auch erstnach dem letzten Vortrag am letztenKongresstag.

Hervorragende Vorträge

Zwölf Vorträge an den Vormittagen, ins-gesamt 23 Workshops und Kurzrefera-te an den Nachmittagen – zu viel, umüber alles im Detail zu berichten. Auf ei-nige der Vorträge möchte ich hier ein-gehen oder sie wenigstens kurz erwäh-nen. Die Beiträge von Deborah Fidler,Jean Rondal und Anna Contardi sind involler Länge in dieser Ausgabe von Lebenmit Down-Syndrom zu finden. Außer-dem wird bei Whurr Publishers’ dasBuch „Specifity in Down syndrome“ er-scheinen, mit den wichtigsten Beiträgendes Symposiums. Allerdings müssen wirdarauf noch bis 2006 warten.

Eine ganz klare Botschaft aus Palmade Mallorca war, wie wichtig es ist, dieKinder von Anfang an aktiv zu stimulie-ren, ihre Entwicklung aktiv zu unter-stützen, auch um spätere problemati-sche Verhaltensweisen zu verhindern.

Für Ansichten wie: „Ach, sie sindschon so geplagt durch ihr Handicapund jetzt müssen sie auch noch so vielüben“ oder: „Ich will nur Mutter seinund nicht die Therapeutin meines Kin-des, die Fachleute sollen mit ihm arbei-ten“, oder gar: „Man soll die Kinder soakzeptieren, wie sie sind, und nicht ver-suchen, etwas anderes aus ihnen ma-chen zu wollen“, war in Palma kein Platz.

Gerade eine aktive Förderung in ei-ner stimulierenden Umgebung ist diebeste Vorhersage für die Entwicklung.

Frühförderung

Donna Spiker, Programm-ManagerinEarly Intervention Programs am Centerfor Education in Menlo Park, Californiasprach über die Rolle der Frühförde-rung. Und sprach mir aus der Seele. Siebetonte, wie wichtig diese Förderungder ersten Jahre ist und dass es nichtdamit getan ist, eine Stunde in der Wo-che dafür zu einer Therapeutin zu gehen,sondern dass Frühförderung in den All-tag integriert gehört, will man Erfolg ha-ben. Förderprogramme müssen die Down-Syndrom-spezifische Problema-tik berücksichtigen und gleichzeitig demjeweiligen Kind angepasst werden.

Als die wichtigsten Ziele der Früh-förderung nannte sie:

die frühe Entwicklung des Kindes zuverbessern, sodass es ein höheres Funk-tionsniveau erreicht,

Familien zu zeigen, wie sie ihren Kin-dern helfen können, und sie bei der För-derung zu unterstützen,

das Kind auf die Schule vorzubereiten,damit es dort von Anfang an besser zu-rechtkommt.

das Tempo, in dem es Fertigkeiten er-lernt, zu beschleunigen,

zu verhindern, dass sich beim Spre-chen und bei motorischen Abläufenfalsche, abweichende Muster bilden.

Frühförderung soll für das Kind, wiefür seine Familie, zu einer besseren Le-bensqualität führen.

Frühförderung für Kinder mit Down-Syndrom in Russland

In der Präsentation von Natalia Reguinaaus Moskau ging es auch um Frühför-derung. Sie stellte die Arbeit ihres Zen-trums, das Downside-Up-Projekt, vor.

Die Situation für Kinder mit Down-Syndrom in Russland hat sich in denletzten 15 Jahren deutlich gebessert.Trotzdem werden mehr als 80 Prozentder etwa 2000 Kinder, die jährlich zurWelt kommen, sofort nach der Geburt inein Heim gegeben.

In der Stadt Moskau wächst nun im-merhin ein Drittel der Kinder mit Down-Syndrom, die in den letzten zwei Jahrengeboren wurden, zu Hause auf. Dies istein direkter Erfolg des Downside-Up-Projektes, das seit Jahren versucht, dasBild von Down-Syndrom in der Öffent-lichkeit zu verändern, und auf das Po-tenzial der Kinder hinweist. 1996 wur-den in Moskau die ersten Kinder in Kin-dergärten integriert. Heute besucht dieHälfte von ihnen hier schon einen Inte-grationskindergarten.

Nicht nur in Moskau wird Frühför-derung für Kinder mit Behinderungenangeboten, insgesamt sind in Russland40 Frühförderzentren entstanden, aberimmer noch sind viele Gebiete unter-versorgt. Das DSU in Moskou unter-stützt 500 Familien.

Ein neuer Arbeitsbereich von DSUist die gezielte, intensive Förderung vonden Kindern, die nicht zu Hause, son-dern in einem Heim aufwachsen. Einer-seits arbeiten die Mitarbeiter des Zen-trums mit diesen Kindern, leiten dasHeimpersonal an und versuchen, einenpositiveren Umgang mit Down-Syndromzu fördern. Andererseits bieten sie psy-chologische Unterstützung an für dieFamilien, die ihr Kind verlassen haben.Häufig leiden die Mütter unter posttrau-matischem Stress, verursacht durch Stig-matisierung und den starken Druck sei-tens des medizinischen Klinikpersonals,

Kongressteilnehmerin aus Valencia,

die 26-jährige Maria del Mar

PUBLIKATIONEN

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200567

Gegen den Strom oder Ein Gesetz wird ernst genommen

Autor: Hans-Peter SpanierVerlag: Fallenstein, 2000ISBN: 3-8311-0647-9Preis: 15,24 Euro

Das zweite Buch in dieser Trilogie vonHans-Peter Spanier ist der Erfahrungs-bericht über vier Jahre Integration sei-nes Sohnes in der Grundschule. Er istgeschrieben aus der Sicht eines„Pädagogikverbrauchers“, der Schuleneben der Schulpflicht auch als Ver-pflichtung des Staates betrachtet.

Nach dem „christlichen Nein deskirchlichen Kindergartens“ am Ort, Till-Philipp aufzunehmen, war die Anmel-dung in der Grundschule erfolgreich.Die im § 4 des Niedersächsischen Schul-gesetzes gemachten Auflagen konntedas damalige Schulaufsichtsamt Wol-fenbüttel erfüllen. Der Schulträger Ge-meinde Cremlingen stimmte der Ein-richtung einer Integrationsklasse fürTill-Philipp in der Grundschule inSchandelah zu.

Als Sonderschulpädagogin stelltesich, nach späterer Auskunft des dama-ligen Schulamtsdirektors, nur eineLehrkraft spontan zur Verfügung. Siehatte gerade ihre Ausbildung abge-schlossen und ging mit nur einjährigerBerufserfahrung in die Integrationsklas-se. Ob das Verhalten der Sonderschul-pädagogin mit ihrer mangelnden Berufs-erfahrung erklärt werden kann oder obes Programm war, ist im Hinblick aufdas Ergebnis dieser vier Jahre nicht re-levant.

Der teilweise schon dramatisch zunennende Verlauf der vier Grundschul-jahre kann mit beiden Verhaltensmus-tern erklärt werden.

Der Autor und Vater des behinder-

ten Kindes kommt zu dem Schluss, dassmöglicherweise die Absicht der Sonder-schulpädagogin war, zu beweisen, dasseine Integration nicht möglich ist.

Er versteht sein Buch auch als einenBeitrag, damit das unverständliche undgeltendes Recht verletzende Verhaltender Sonderschulpädagogin, das von derSchulbehörde, dem NiedersächsischenKultusministerium und dem Nieder-sächsischen Landesparlament im Nach-hinein gedeckt wurde, ein Einzelfallbleibt. Wenn das beschriebene Verhal-ten der Lehrkräfte zum Regelverhaltenwird, dann haben die Eltern behinder-ter Schüler bald keine Rechte mehr.

Die Fortsetzung der integrativen Be-schulung in einer Integrierten Gesamt-schule (IGS) in der Stadt Braunschweigwurde aber nicht nur dadurch unter er-schwerten Bedingungen erreicht. Zumschulbezirkübergreifenden Besuch vonTill-Philipp in der IGS musste auch derSchulträger Stadt Braunschweig über-zeugt werden.

„Weiß nicht“Das Ende einer Kindheit

Autor: Hans-Peter SpanierVerlag: Fallenstein, 2005ISBN: 3-00-015379-9Preis: 12,00 Euro

Der Vater von Till-Philipp beschreibthier die Zeit der letzten sechs Schuljah-re seines Sohnes in einer IGS, die einenunrühmlichen Abschluss gefunden hat.Dafür sorgte eine „rechtliche Lücke“,weil offensichtlich nicht in gebotenerKlarheit geregelt und ausformuliertwurde, wie nach Abschluss der Schulebei noch bestehender Schulpflicht fürbehinderte Schüler, die in Integrations-

Prof. Dr. med. Gerhard Neuhäuser,Facharzt für Kinderheilkunde undfür Kinder- und Jugendpsychiatrieund Rehabilitation, schreibt in sei-nem Geleitwort zum dritten Bandder Trilogie:

„Um eine integrative Erziehungin der Schule zu verwirklichen, sindEinfühlungsvermögen und Kreati-vität, Engagement und viel guterWille erforderlich. Es müssen jameist ganz neue Wege gesucht undbeschritten werden, die zu einemechten, vertrauensvollen Miteinan-der führen. Die detaillierte Schilde-rung dieses oft auch dornenreichenWeges kann für andere Eltern inähnlicher Situation hilfreich sein,sollte aber auch Lehrerinnen undLehrer, die sich um Integrationbemühen, dazu anregen, ihr Tun zureflektieren. Es wäre sicher falsch,aus der vorliegenden, um Objekti-vität bemühten Dokumentation (nur)Kritik abzuleiten und manche sichersubjektiv gefärbte Feststellung als„Empfindlichkeit“ abzutun – jeden-falls ist dies nicht die Intention desBuches, das ganz ausdrücklich umVerständnis für die Eltern und fürderen Sichtweise im Interesse desKindes wirbt.“

klassen unterrichtet werden, zu verfah-ren ist.

Eine weitere Schwierigkeit ergabsich aus der nicht vorhandenen Bereit-schaft der angesprochenen Betriebe,Till-Philipp eine Anlernstelle anzubie-ten, um ihm die Erfüllung der Schul-pflicht zu ermöglichen. Die zuständigenBehörden agierten separat, kamen aberzu Ergebnissen, die nicht den Zuspruchder Eltern fanden. Durch derlei Sach-zwänge haben die Eltern gelernt, für dieRechte ihres Kindes zu kämpfen. Dasdabei erworbene Wissen und die dabeigewonnenen Erfahrungen möchten siein diesem Buch weitergeben, um ande-ren Betroffenen mit vergleichbaren ge-sellschaftlichen Ansprüchen eine ArtVorbild zu sein. Aber auch Behördenmit ihren Bediensteten und Lehrern so-wie deren Ausbilder können von diesemBuch profitieren.

P U B L I K A T I O N E N

66 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Trilogie der EinsamkeitIn drei Büchern erzählt Hans-Peter Spanier das Lebenseines Sohnes Till-Philipp von vor der Geburt bis zu seiner Ausschulung. Es ist weder eine Romanreihe nocheine Folge von Erzählungen. Es ist eine Dokumentationüber das Leben eines geistig behinderten Kindes von derGeburt bis zum Jugendlichen in Bezug auf Gesellschaftund Staat.

Till-Philipp oder Das Recht auf Normalität

Autor: Hans-Peter SpanierVerlag: Edition Schindele, 1995ISBN: 3-8253-8229-XPreis: 19,00 Euro

Inhalt:Der Vater von Till-Philipp schildert dieersten sechs Lebensjahre seines Sohnes.Der lange Kampf mit Behörden und Ein-richtungen um einen Platz in einem Re-gelkindergarten ist zwar erfolgreich, dieprivate Einrichtung aber so konzeptlos,dass Familie Spanier nach einem hal-ben Jahr ihren Sohn wieder abmeldet.Erlebnisse in Braunschweig und die Be-schaffung erster Informationen für denintegrativen Schulbesuch direkt aus denKultusministerien der alten Bundeslän-der runden das Buch ab.

Aus dem Geleitwort:„Der Vater eines inzwischen sechsjähri-gen, durch eine Trisomie 21 beeinträch-tigten Jungen kämpft zusammen mitseiner Frau darum, dass der Sohn mitHilfe der Gesellschaft volle menschlicheAnerkennung erfährt und auf diese Wei-se bestmöglich in die Gesellschaft hin-

einwachsen kann. Die Tagebuchaufzeichnungen des

Vaters und die Dokumentation undKommentierung eines umfangreichenSchriftwechsels mit allen möglichenBehörden und Dienststellen belegen,welche enorme Kraft dieser Kampf denEltern seit Jahren abverlangt.

Nicht nur dieser Kampf kostet vielMut, sondern ebenso der Entschluss,der Gesellschaft mit diesem Erlebnisbe-richt einen Spiegel vorzuhalten. Der Au-tor wagt dies, um mit seinen Erfahrun-gen vielleicht auch andere Eltern vonbehinderten Kindern zum Eintreten fürdas Recht auf Normalität für ihre Kinderzu ermutigen, aber auch, um das Be-wusstsein vieler Menschen in unsererGesellschaft dafür zu schärfen, mehrHumanität in unserem Zusammenlebenzu praktizieren.“

Geleitwort von Frau Dr. H. Merker,Mitarbeiterin im Ruhestand des

sozialpädagogischen Instituts für Kleinkind-und außerschulische Erziehung des Landes

Nordrhein-Westfalen

Buchbesprechung:

Nüchterner Tatsachenbericht überden diskriminierenden Umgang vonÄmtern und Behörden mit den Eltern eines behinderten Kindes

Till-Philipp wird am 13. Oktober 1987 inWolfenbüttel als erstes Kind von Hans-Peter und Christel Spanier geboren. Ob-wohl die behandelnde Gynäkologin be-reits lange vor seiner Geburt eine Triso-mie 21 diagnostiziert hat, werden dieEltern davon nicht informiert. Am 14.Oktober 1987 erfolgt ebenfalls ohnevorherige eingehende Absprache mitden Eltern wegen des Verdachtes auf ei-nen Herzfehler eine Überweisung des

Neugeborenen in das Städtische Klini-kum Braunschweig. Von diesem Zeit-punkt an beginnt ein zuvor sicher nie-mals in dieser Vollständigkeit doku-mentierter Hürdenlauf durch Institutio-nen und Behörden.

Hans-Peter Spanier hat für seinWerk die gesamte seinen Sohn betref-fende Korrespondenz, bestehend aus593 Briefen, zusammengetragen.

Inhalt des Buches ist also nicht, wieim herkömmlichen Sinn, eine Erfolgs-story über die Entwicklung eines Down-Syndrom-Kindes, sondern der mit sei-tenweisen Briefzitaten bestückte nüch-terne Tatsachenbericht über den diskri-minierenden Umgang von Ämtern undBehörden mit den Eltern eines behin-derten Kindes.

Die geplante Adoption gerät ange-sichts des Vorhandenseins eines behin-derten Kindes zur Farce, die Suche desKindergartenplatzes gestaltet sich zu ei-ner Kette aufeinander folgender Ableh-nungen und Schikanen und das Projekteiner Spielgruppe scheitert schon in sei-nen Anfängen.

Das 277 Seiten starke Buch ist zuge-gebenermaßen nicht leicht lesbar. Es er-zeugt Wut und Widerwillen angesichtsder unzähligen, wörtlich abgedrucktenhilflosen und inhaltslosen Formulierun-gen, die der Autor dem Leser bewusstnicht erspart hat und die das Lesen zu-weilen langatmig erscheinen lassen.

Das Buch ist jedoch als informativeMaterialsammlung zu verstehen und alssolche beispielgebend für alle, die essich nicht nehmen lassen wollen, gegenBürokratie, die Menschen mit Beein-trächtigungen zu Behinderten macht,anzukämpfen.

Buchbesprechung von Angelika Jensen,online im Internet

bidok.uibk.ac.at/Texte/rezensionen

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6 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Kongress in Mallorca: Down-Syndrom-SpezifizitätCora Halder

Ende Februar 2005 fand in Palma de Mallorca das VI. Internationale Down-Syndrom-Symposium statt. Das Symposium stand unter dem Motto „Down-SyndromSpecifity“ – die Spezifizität bei Down-Syndrom. Was bedeutet das genau? Und weshalb ist diese Spezifizität so wichtig?

Ende Februar 2005 fand in Palma deMallorca das VI. Internationale

Down-Syndrom-Symposium statt. JuanPerera, Präsident der Europäischen Down-Syndrom Association (EDSA), undsein Team von Asnimo hatten diesenKongress in Zusammenarbeit mit derUniversität der Balearen organisiert. Inseiner Eröffnungsrede ging ProfessorPerera auf das Motto des Symposiums„Spezifizität bei Down-Syndrom“ ein.

Spezifizität des Down-Syndroms

Die Spezifizität des Down-Syndromswird durch das Extra-Chromosom 21(oder einen Teil davon) verursacht. Dasdreifache Vorhandensein dieses Chro-mosoms ist für gewisse Veränderungenim morphologischen, biochemischenund funktionalen Bereich verschiedenerOrgane, speziell des Gehirns, verant-wortlich.

Was sind die ganz typischen Merk-male dieses Syndroms? Zwar handelt essich zum Teil um Merkmale, die viel-leicht in anderen Syndromen auch vor-kommen, jedoch nicht in dieser typi-schen Zusammensetzung und nicht ingleichen Maßen. Welche Charakteristi-ka unterscheiden dieses Syndrom vonanderen Formen einer mentalen Behin-derung? Spezifizität zu umschreibenheißt einerseits genau zu untersuchen,welche Gemeinsamkeiten es zwischenden einzelnen Behinderungen gibt, undandererseits, was exklusiv für Down-Syndrom ist.

Die Studie dieser Spezifizität istwichtig, weil wir dadurch besser verste-hen lernen, was es bedeutet, Down-Syn-drom zu haben, und diese Kenntnisse

sind die Grundlage aller Intervention.Außerdem war diese Spezifizität derGrund, dass in den letzten 20 Jahrenimmer mehr Down-Syndrom-Vereineweltweit gegründet wurden. Vor allemEltern wollten mehr spezielle Informa-tionen über das Syndrom ihrer Kinderhaben und „nicht in einen Topf mit an-deren Behinderungen“ gesteckt werden.Dies war und ist nicht abwertend ande-ren gegenüber gemeint, sondern ent-spricht dem Wunsch nach mehr Spezia-lizierung. Genauso entstanden auch dieVereine für Autismus, Epilepsie usw.

Was bedeutet Spezifizität nicht?

Spezifizität bedeutet nicht, zu leugnen,dass es viele Gemeinsamkeiten mit an-deren Syndromen oder mit geistiger Be-hinderung im Allgemeinen gibt. Es istlogisch, dass man auch ähnliche Aspek-te und Überschneidungen findet, die ge-nauso beachtet werden müssen.

Spezifizität bedeutet auch nicht,Menschen mit Down-Syndrom von derweiteren Population, behindert odernicht behindert, zu trennen. Oder Ghet-tos für Menschen mit Down-Syndrom zuschaffen oder spezielle Zentren zu grün-den, für ausschließlich diesen Perso-nenkreis.

Vielmehr soll die Integration allerbehinderten Menschen das Ziel sein.

Was bedeutet Spezifizität?

Was wir anstreben, ist einerseits mehrspezielles Fachwissen, speziell ausge-bildete Fachleute, Förderprogramme,die einerseits das syndromspezifischeLernprofil berücksichtigen, andererseitsan die individuellen Möglichkeiten jeder

einzelnen Person mit Down-Syndromangepasst werden können. Dieses spe-zifizische Angebot soll dann in einer in-tegrierten Umgebung eingesetzt undumgesetzt werden.

Bei aller Spezifizität sollte selbstver-ständlich nicht übersehen werden, wel-che große Variabilität innerhalb derGruppe der Menschen mit Down-Syn-drom besteht.

Dies sollte die Forschung aber nichtdavon abhalten, eine Reihe Charakter-züge und Verhaltensweisen, die relativhomogen sind, zu untersuchen und zubeschreiben. Das ermöglicht uns, spezi-elle Interventionsmaßnahmen heraus-zuarbeiten und die bestmögliche Förde-rung anzubieten.

In einigen Bereichen sind uns diespeziellen Probleme, die bei Down-Syn-drom auftreten, schon länger bekannt(z.B. bezüglich der Sprachentwicklungoder beim auditiven Gedächtnis). Inletzter Zeit rückte immer mehr die spe-zifische Anfälligkeit für bestimmte neu-rologische Abbauprozesse, wie z.B. Alz-heimer, in den Mittelpunkt.

Auch im medizinischen Bereich gibtes viele Aspekte, die sehr eng mit demSyndrom verbunden sind. Und immermehr werden Besonderheiten im Lern-und Verhaltensprofil beschrieben.

Interessant ist dabei auch der Ver-gleich zu anderen Syndromen, wie Pra-der-Willi oder Fragil-X-Syndrom.

Der Mallorca-Kongress bot mit einerReihe hervorragender Referenten eineninteressanten und komplexen Überblicküber die Spezifizität des Down-Syn-droms.

Professor Juan Perera während

seiner Ansprache beim Kongress

in Palma de Mallorca

DS-KONGRESS

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 20057

Perfekte Organisation

Das war nicht das erste Mal, dass einsolches Symposium auf Mallorca statt-fand, und auch jetzt kann man dem Ver-anstalter nur gratulieren zu dem hohenNiveau der Kongressbeiträge und derperfekten Organisation. Selbstverständ-lich kamen die meisten Teilnehmer vonden Balearen oder vom spanischenFestland. Aber es gab auch viele Gästeaus anderen europäischen Ländern.

Die Kongresssprachen waren Eng-lisch und Spanisch, die Vorträge wur-den simultan übersetzt, dies funktio-nierte perfekt. Und man kann nur stau-nen, wie reibungslos der Transport derfast dreihundert Teilnehmer in der Mit-tagspause mit Bussen zu einem zehn Ki-lometer entfernten Restaurant vonstat-ten ging, wo – wie kann es anders sein –eine hervorragende dreigängige Mahl-zeit in einer gepflegten Umgebung ser-viert wurde. Danach standen die Bussewieder parat, um alle zur Universitätzurückzufahren. Übrigens eine gute Me-thode, dafür zu sorgen, dass die Teil-nehmer nach dem Mittagessen auchtatsächlich wieder kommen. Denn so-wohl die Uni wie das Restaurant lagenweit außerhalb der Stadt. Um zu denHotels in der Stadt zurückzufahren, hät-te man ein teures Taxi nehmen müssen.So waren alle bis 19 Uhr bei den Semi-naren und Workshops am Nachmittagmit dabei. Anschließend fuhren die Bus-se dann zu den Hotels zurück. Und dieTeilnahmebestätigung gab es auch erstnach dem letzten Vortrag am letztenKongresstag.

Hervorragende Vorträge

Zwölf Vorträge an den Vormittagen, ins-gesamt 23 Workshops und Kurzrefera-te an den Nachmittagen – zu viel, umüber alles im Detail zu berichten. Auf ei-nige der Vorträge möchte ich hier ein-gehen oder sie wenigstens kurz erwäh-nen. Die Beiträge von Deborah Fidler,Jean Rondal und Anna Contardi sind involler Länge in dieser Ausgabe von Lebenmit Down-Syndrom zu finden. Außer-dem wird bei Whurr Publishers’ dasBuch „Specifity in Down syndrome“ er-scheinen, mit den wichtigsten Beiträgendes Symposiums. Allerdings müssen wirdarauf noch bis 2006 warten.

Eine ganz klare Botschaft aus Palmade Mallorca war, wie wichtig es ist, dieKinder von Anfang an aktiv zu stimulie-ren, ihre Entwicklung aktiv zu unter-stützen, auch um spätere problemati-sche Verhaltensweisen zu verhindern.

Für Ansichten wie: „Ach, sie sindschon so geplagt durch ihr Handicapund jetzt müssen sie auch noch so vielüben“ oder: „Ich will nur Mutter seinund nicht die Therapeutin meines Kin-des, die Fachleute sollen mit ihm arbei-ten“, oder gar: „Man soll die Kinder soakzeptieren, wie sie sind, und nicht ver-suchen, etwas anderes aus ihnen ma-chen zu wollen“, war in Palma kein Platz.

Gerade eine aktive Förderung in ei-ner stimulierenden Umgebung ist diebeste Vorhersage für die Entwicklung.

Frühförderung

Donna Spiker, Programm-ManagerinEarly Intervention Programs am Centerfor Education in Menlo Park, Californiasprach über die Rolle der Frühförde-rung. Und sprach mir aus der Seele. Siebetonte, wie wichtig diese Förderungder ersten Jahre ist und dass es nichtdamit getan ist, eine Stunde in der Wo-che dafür zu einer Therapeutin zu gehen,sondern dass Frühförderung in den All-tag integriert gehört, will man Erfolg ha-ben. Förderprogramme müssen die Down-Syndrom-spezifische Problema-tik berücksichtigen und gleichzeitig demjeweiligen Kind angepasst werden.

Als die wichtigsten Ziele der Früh-förderung nannte sie:

die frühe Entwicklung des Kindes zuverbessern, sodass es ein höheres Funk-tionsniveau erreicht,

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das Kind auf die Schule vorzubereiten,damit es dort von Anfang an besser zu-rechtkommt.

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zu verhindern, dass sich beim Spre-chen und bei motorischen Abläufenfalsche, abweichende Muster bilden.

Frühförderung soll für das Kind, wiefür seine Familie, zu einer besseren Le-bensqualität führen.

Frühförderung für Kinder mit Down-Syndrom in Russland

In der Präsentation von Natalia Reguinaaus Moskau ging es auch um Frühför-derung. Sie stellte die Arbeit ihres Zen-trums, das Downside-Up-Projekt, vor.

Die Situation für Kinder mit Down-Syndrom in Russland hat sich in denletzten 15 Jahren deutlich gebessert.Trotzdem werden mehr als 80 Prozentder etwa 2000 Kinder, die jährlich zurWelt kommen, sofort nach der Geburt inein Heim gegeben.

In der Stadt Moskau wächst nun im-merhin ein Drittel der Kinder mit Down-Syndrom, die in den letzten zwei Jahrengeboren wurden, zu Hause auf. Dies istein direkter Erfolg des Downside-Up-Projektes, das seit Jahren versucht, dasBild von Down-Syndrom in der Öffent-lichkeit zu verändern, und auf das Po-tenzial der Kinder hinweist. 1996 wur-den in Moskau die ersten Kinder in Kin-dergärten integriert. Heute besucht dieHälfte von ihnen hier schon einen Inte-grationskindergarten.

Nicht nur in Moskau wird Frühför-derung für Kinder mit Behinderungenangeboten, insgesamt sind in Russland40 Frühförderzentren entstanden, aberimmer noch sind viele Gebiete unter-versorgt. Das DSU in Moskou unter-stützt 500 Familien.

Ein neuer Arbeitsbereich von DSUist die gezielte, intensive Förderung vonden Kindern, die nicht zu Hause, son-dern in einem Heim aufwachsen. Einer-seits arbeiten die Mitarbeiter des Zen-trums mit diesen Kindern, leiten dasHeimpersonal an und versuchen, einenpositiveren Umgang mitDown-Syndromzu fördern. Andererseits bieten sie psy-chologische Unterstützung an für dieFamilien, die ihr Kind verlassen haben.Häufig leiden die Mütter unter posttrau-matischem Stress, verursacht durch Stig-matisierung und den starken Druck sei-tens des medizinischen Klinikpersonals,

Kongressteilnehmerin aus Valencia,

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Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 67

Gegen den Strom oder Ein Gesetz wird ernst genommen

Autor: Hans-Peter SpanierVerlag: Fallenstein, 2000ISBN: 3-8311-0647-9Preis: 15,24 Euro

Das zweite Buch in dieser Trilogie vonHans-Peter Spanier ist der Erfahrungs-bericht über vier Jahre Integration sei-nes Sohnes in der Grundschule. Er istgeschrieben aus der Sicht eines„Pädagogikverbrauchers“, der Schuleneben der Schulpflicht auch als Ver-pflichtung des Staates betrachtet.

Nach dem „christlichen Nein deskirchlichen Kindergartens“ am Ort, Till-Philipp aufzunehmen, war die Anmel-dung in der Grundschule erfolgreich.Die im § 4 des Niedersächsischen Schul-gesetzes gemachten Auflagen konntedas damalige Schulaufsichtsamt Wol-fenbüttel erfüllen. Der Schulträger Ge-meinde Cremlingen stimmte der Ein-richtung einer Integrationsklasse fürTill-Philipp in der Grundschule inSchandelah zu.

Als Sonderschulpädagogin stelltesich, nach späterer Auskunft des dama-ligen Schulamtsdirektors, nur eineLehrkraft spontan zur Verfügung. Siehatte gerade ihre Ausbildung abge-schlossen und ging mit nur einjährigerBerufserfahrung in die Integrationsklas-se. Ob das Verhalten der Sonderschul-pädagogin mit ihrer mangelnden Berufs-erfahrung erklärt werden kann oder obes Programm war, ist im Hinblick aufdas Ergebnis dieser vier Jahre nicht re-levant.

Der teilweise schon dramatisch zunennende Verlauf der vier Grundschul-jahre kann mit beiden Verhaltensmus-tern erklärt werden.

Der Autor und Vater des behinder-

ten Kindes kommt zu dem Schluss, dassmöglicherweise die Absicht der Sonder-schulpädagogin war, zu beweisen, dasseine Integration nicht möglich ist.

Er versteht sein Buch auch als einenBeitrag, damit das unverständliche undgeltendes Recht verletzende Verhaltender Sonderschulpädagogin, das von derSchulbehörde, dem NiedersächsischenKultusministerium und dem Nieder-sächsischen Landesparlament im Nach-hinein gedeckt wurde, ein Einzelfallbleibt. Wenn das beschriebene Verhal-ten der Lehrkräfte zum Regelverhaltenwird, dann haben die Eltern behinder-ter Schüler bald keine Rechte mehr.

Die Fortsetzung der integrativen Be-schulung in einer Integrierten Gesamt-schule (IGS) in der Stadt Braunschweigwurde aber nicht nur dadurch unter er-schwerten Bedingungen erreicht. Zumschulbezirkübergreifenden Besuch vonTill-Philipp in der IGS musste auch derSchulträger Stadt Braunschweig über-zeugt werden.

„Weiß nicht“Das Ende einer Kindheit

Autor: Hans-Peter SpanierVerlag: Fallenstein, 2005ISBN: 3-00-015379-9Preis: 12,00 Euro

Der Vater von Till-Philipp beschreibthier die Zeit der letzten sechs Schuljah-re seines Sohnes in einer IGS, die einenunrühmlichen Abschluss gefunden hat.Dafür sorgte eine „rechtliche Lücke“,weil offensichtlich nicht in gebotenerKlarheit geregelt und ausformuliertwurde, wie nach Abschluss der Schulebei noch bestehender Schulpflicht fürbehinderte Schüler, die in Integrations-

Prof. Dr. med. Gerhard Neuhäuser,Facharzt für Kinderheilkunde undfür Kinder- und Jugendpsychiatrieund Rehabilitation, schreibt in sei-nem Geleitwort zum dritten Bandder Trilogie:

„Um eine integrative Erziehungin der Schule zu verwirklichen, sindEinfühlungsvermögen und Kreati-vität, Engagement und viel guterWille erforderlich. Es müssen jameist ganz neue Wege gesucht undbeschritten werden, die zu einemechten, vertrauensvollen Miteinan-der führen. Die detaillierte Schilde-rung dieses oft auch dornenreichenWeges kann für andere Eltern inähnlicher Situation hilfreich sein,sollte aber auch Lehrerinnen undLehrer, die sich um Integrationbemühen, dazu anregen, ihr Tun zureflektieren. Es wäre sicher falsch,aus der vorliegenden, um Objekti-vität bemühten Dokumentation (nur)Kritik abzuleiten und manche sichersubjektiv gefärbte Feststellung als„Empfindlichkeit“ abzutun – jeden-falls ist dies nicht die Intention desBuches, das ganz ausdrücklich umVerständnis für die Eltern und fürderen Sichtweise im Interesse desKindes wirbt.“

klassen unterrichtet werden, zu verfah-ren ist.

Eine weitere Schwierigkeit ergabsich aus der nicht vorhandenen Bereit-schaft der angesprochenen Betriebe,Till-Philipp eine Anlernstelle anzubie-ten, um ihm die Erfüllung der Schul-pflicht zu ermöglichen. Die zuständigenBehörden agierten separat, kamen aberzu Ergebnissen, die nicht den Zuspruchder Eltern fanden. Durch derlei Sach-zwänge haben die Eltern gelernt, für dieRechte ihres Kindes zu kämpfen. Dasdabei erworbene Wissen und die dabeigewonnenen Erfahrungen möchten siein diesem Buch weitergeben, um ande-ren Betroffenen mit vergleichbaren ge-sellschaftlichen Ansprüchen eine ArtVorbild zu sein. Aber auch Behördenmit ihren Bediensteten und Lehrern so-wie deren Ausbilder können von diesemBuch profitieren.

PUBLIKATIONEN

66Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Trilogie der EinsamkeitIn drei Büchern erzählt Hans-Peter Spanier das Lebenseines Sohnes Till-Philipp von vor der Geburt bis zu seiner Ausschulung. Es ist weder eine Romanreihe nocheine Folge von Erzählungen. Es ist eine Dokumentationüber das Leben eines geistig behinderten Kindes von derGeburt bis zum Jugendlichen in Bezug auf Gesellschaftund Staat.

Till-Philipp oder Das Recht auf Normalität

Autor: Hans-Peter SpanierVerlag: Edition Schindele, 1995ISBN: 3-8253-8229-XPreis: 19,00 Euro

Inhalt:Der Vater von Till-Philipp schildert dieersten sechs Lebensjahre seines Sohnes.Der lange Kampf mit Behörden und Ein-richtungen um einen Platz in einem Re-gelkindergarten ist zwar erfolgreich, dieprivate Einrichtung aber so konzeptlos,dass Familie Spanier nach einem hal-ben Jahr ihren Sohn wieder abmeldet.Erlebnisse in Braunschweig und die Be-schaffung erster Informationen für denintegrativen Schulbesuch direkt aus denKultusministerien der alten Bundeslän-der runden das Buch ab.

Aus dem Geleitwort:„Der Vater eines inzwischen sechsjähri-gen, durch eine Trisomie 21 beeinträch-tigten Jungen kämpft zusammen mitseiner Frau darum, dass der Sohn mitHilfe der Gesellschaft volle menschlicheAnerkennung erfährt und auf diese Wei-se bestmöglich in die Gesellschaft hin-

einwachsen kann. Die Tagebuchaufzeichnungen des

Vaters und die Dokumentation undKommentierung eines umfangreichenSchriftwechsels mit allen möglichenBehörden und Dienststellen belegen,welche enorme Kraft dieser Kampf denEltern seit Jahren abverlangt.

Nicht nur dieser Kampf kostet vielMut, sondern ebenso der Entschluss,der Gesellschaft mit diesem Erlebnisbe-richt einen Spiegel vorzuhalten. Der Au-tor wagt dies, um mit seinen Erfahrun-gen vielleicht auch andere Eltern vonbehinderten Kindern zum Eintreten fürdas Recht auf Normalität für ihre Kinderzu ermutigen, aber auch, um das Be-wusstsein vieler Menschen in unsererGesellschaft dafür zu schärfen, mehrHumanität in unserem Zusammenlebenzu praktizieren.“

Geleitwort von Frau Dr. H. Merker,Mitarbeiterin im Ruhestand des

sozialpädagogischen Instituts für Kleinkind-und außerschulische Erziehung des Landes

Nordrhein-Westfalen

Buchbesprechung:

Nüchterner Tatsachenbericht überden diskriminierenden Umgang vonÄmtern und Behörden mit den Eltern eines behinderten Kindes

Till-Philipp wird am 13. Oktober 1987 inWolfenbüttel als erstes Kind von Hans-Peter und Christel Spanier geboren. Ob-wohl die behandelnde Gynäkologin be-reits lange vor seiner Geburt eine Triso-mie 21 diagnostiziert hat, werden dieEltern davon nicht informiert. Am 14.Oktober 1987 erfolgt ebenfalls ohnevorherige eingehende Absprache mitden Eltern wegen des Verdachtes auf ei-nen Herzfehler eine Überweisung des

Neugeborenen in das Städtische Klini-kum Braunschweig. Von diesem Zeit-punkt an beginnt ein zuvor sicher nie-mals in dieser Vollständigkeit doku-mentierter Hürdenlauf durch Institutio-nen und Behörden.

Hans-Peter Spanier hat für seinWerk die gesamte seinen Sohn betref-fende Korrespondenz, bestehend aus593 Briefen, zusammengetragen.

Inhalt des Buches ist also nicht, wieim herkömmlichen Sinn, eine Erfolgs-story über die Entwicklung eines Down-Syndrom-Kindes, sondern der mit sei-tenweisen Briefzitaten bestückte nüch-terne Tatsachenbericht über den diskri-minierenden Umgang von Ämtern undBehörden mit den Eltern eines behin-derten Kindes.

Die geplante Adoption gerät ange-sichts des Vorhandenseins eines behin-derten Kindes zur Farce, die Suche desKindergartenplatzes gestaltet sich zu ei-ner Kette aufeinander folgender Ableh-nungen und Schikanen und das Projekteiner Spielgruppe scheitert schon in sei-nen Anfängen.

Das 277 Seiten starke Buch ist zuge-gebenermaßen nicht leicht lesbar. Es er-zeugt Wut und Widerwillen angesichtsder unzähligen, wörtlich abgedrucktenhilflosen und inhaltslosen Formulierun-gen, die der Autor dem Leser bewusstnicht erspart hat und die das Lesen zu-weilen langatmig erscheinen lassen.

Das Buch ist jedoch als informativeMaterialsammlung zu verstehen und alssolche beispielgebend für alle, die essich nicht nehmen lassen wollen, gegenBürokratie, die Menschen mit Beein-trächtigungen zu Behinderten macht,anzukämpfen.

Buchbesprechung von Angelika Jensen,online im Internet

bidok.uibk.ac.at/Texte/rezensionen

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a edsEUROPEANDOWN SYNDROME

ASSOCIATION

DS-KONGRESS

8Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

das Baby aufzugeben. Wenn diese El-tern sehen, wie das Kind vom DSU un-terstützt wird, wie es Fortschrittemacht, dass es durchaus lernfähig ist,werden manche Kinder nach einigerZeit doch zu Hause aufgenommen. Diesist die Intention des Projektes.

Persönlichkeit und Verhalten beiMenschen mitDown-Syndrom

Ben Sacks, Professor der Psychiatrieund Berater der Educational Trust inPortsmouth, sprach über das Verhaltenvon Menschen mit Down-Syndrom. Ergab eine Übersicht über die Charakteris-tika in der Persönlichkeit und das Auf-treten schwieriger Verhaltensweisen.Seiner Meinung nach haben die meistenKinder und Erwachsenen mit Down-Syndrom gute soziale Fähigkeiten undein gutes Einfühlungsvermögen. Sie sindin der Regel dazu fähig zu lernen, sich sozu benehmen, wie das zu Hause, in derSchule und bei der Arbeit von ihnen er-wartet wird. Sie können jedoch das guteEinfühlungsvermögen auch missbrau-chen und mit herausforderndem Ver-halten ihr Umfeld ärgern und kontrol-lieren. Untersuchungen zeigen, dass dasAuftreten solcher schwierigen Verhal-tensweisen abnimmt, wenn die Personälter wird. Bei Kindern stellt man häufgfest, dass problematisches Verhaltendurchaus ihrem Entwicklungsalter(nicht dem chronologischen Alter) ent-spricht. Allerdings wird in der Integra-tion ein mehr altersgemäßes Verhaltenerwartet.

Ungefähr zwölf bis 14 Prozent derPersonen mit Down-Syndrom zeigendauernd herausforderndes Verhalten –dies kann in Verbindung stehen mit au-tistischen Zügen oder ADHS oder einerernsthaften kognitiven Einschränkung.Der Umgang mit diesen Menschen kannsehr anstrengend sein und Eltern sowieLehrer brauchen dabei Unterstützungund Strategien für den Alltag.

Wie kann man diese Verhaltenswei-se verändern und wie kann man prä-ventiv etwas tun? Soziale Entwicklungund das Sozialverhalten müssen in derFrühförderung Priorität haben. Elternkönnen dafür sorgen, eine tägliche Rou-tine zu etablieren, damit der Tag für dasKind vorhersagbar wird und so sichererund weniger bedrohlich. Eltern solltenauch ermutigt werden, altersgerechteErwartungen zu haben und währendder ersten Jahre klare Grenzen zu set-

zen. Es wäre eine Hilfe, wenn Eltern so-wie Fachleute die Prinzipien der Ver-haltensmodifikation kennen und dieseanwenden können.

Mathematik und Numicon

Professor Sue Buckley von der Educa-tional Trust in Portsmouth hielt einenVortrag zum Thema Mathematik undstellte das Numicon-Material, das inEngland und Irland nun sehr viel vonKindern mit Down-Syndrom benutztwird, vor.

Schlafstörungen

Ein interessanter Vortrag kam von derFranzösin Jacqueline London, Präsi-dentin der AFRT (Association Francaisepour la Recherche sur la Trisomie 21),über Schlafprobleme.

Dabei ging es nicht so sehr um Un-regelmäßigkeiten in der Schlafstruktur,die durch eine obstruktive Schlafapnoeverursacht werden, sondern um solche,die eine andere Ursache haben. FrauLondon und ihr Team stellten u.a. fest,dass Menschen mit Down-Syndrom

häufiger aufwachen, weniger REM-Schlafepisoden haben, sich häufig während der REM-Phase

bewegen (normalerweise sind die Kör-perbewegungen während dieser Phaseverringert),

Auffälligkeiten bei der Gehirnstrom-Messung (EEG) im Schlaf zeigten.

Eine ganze Reihe Veränderungen,die speziell die REM-Phase betrifft. Dasist die Schlafphase, in der das GehirnGelerntes verarbeitet, Lernerfahrungenins Langzeitgedächtnis überträgt und inder sich der Mensch von psychischemStress erholt. Diese Art der Störungen inder Schlafarchitektur kann u.a. zu Mü-digkeit und Unkonzentriertheit führenund kognitive Leistungen negativ beein-flussen.

Um ein besseres Verständnis für die-se Abweichungen zu bekommen, wirdmit Mausmodellen gearbeitet, wie dasauch in vielen anderen Bereichen derForschung üblich ist.

Schlusswort

Insgesamt war dies ein hervorragenderKongress. Schade, dass außer den ED-SA-Vertretern keine Teilnehmer ausDeutschland da waren, um sich fortzu-bilden und sich inspirieren zu lassen.

Treffen von EDSAund DSI

Dieses Symposium bot gleichzeitigdie Gelegenheit zu einem Treffen

der beiden internationalen Down-Syn-drom-Gremien. So trafen sich hier so-wohl die Mitglieder von EDSA (Europäi-sche Down-Syndrom Association) wiedie von DSI (Down-Syndrom Internatio-nal) zu ihrer jeweiligen Jahresver-sammlung.

EDSA hat mittlerweile 37 Mitglieder.Neu aufgenommen wurden in PalmaDown-Syndrom-Vereine aus Dänemark,Schweden, Kroatien und der VereinAFRT, eine Elternorganisation ausFrankreich, die sich hauptsächlich fürForschungsprojekte einsetzt.

Es ist erfreulich, dass immer mehrDown-Syndrom-Vereine aus den ost-europäischen Ländern sich formierenund den Weg zu EDSA finden.

In der Mitgliederversammlung muss-te über die völlig überarbeitete Satzungabgestimmt werden. Außerdem standenVorstandswahlen an. Professor Juan Pe-rera stand nach fünf Jahren nicht mehrals Vorsitzender zur Verfügung, auchsollte der Vorstand von drei auf fünf Per-sonen erweitert werden.

Prof. Alberto Rasore Quartino, Kin-derarzt aus Genua, wurde zum neuenPräsidenten gewählt. Cedric Depuydt(Belgien) und Cora Halder (Deutschland)bekamen das Amt des Vizepräsidenten,Cees Zuithoff (Niederlande) bleibtSchriftführer und Pat Clarke (Irland)wurde wieder zum Kassenwart gewählt.Außer Prof. Rasore haben alle Vor-standsmitglieder ein Kind mit Down-Syndrom.

Der Vorstand arbeitet eng zusam-men mit dem wissenschaftlichen Beirat,hier sind u.a. Prof. Jean Rondal undProf. Sue Buckley vertreten. In diesenBeirat sollen weitere Wissenschaftleraus ganz Europa aufgenommen wer-den. Regelmäßig sollen in Europa wei-

A K T U E L L E S

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 5

Auftaktveranstaltung zu den Deutschen Down-Syndrom-Wochen unter Schirmherrschaft von Frau Köhler

Bei einer kleinen Feier im Hildeshei-mer Rathaus am 1. März 2005 wur-

de Frau Prof. Etta Wilken mit dem Ver-dienstkreuz am Bande des Verdienstor-dens der Bundesrepublik Deutschlandausgezeichnet. Mit dieser hohen Aus-zeichnung wurde ihr unermüdlichesund mittlerweile über 25 Jahre anhal-tendes ehrenamtliches Wirken für dieAllgemeinheit und besonders im Rah-men der Selbsthilfe für Menschen mitDown-Syndrom gewürdigt.

Schon 2002 hat das Deutsche Down-Syndrom InfoCenter Frau Wilken offizi-ell für die Verleihung des Bundesver-dienstordens vorgeschlagen. Zwei Jahrewaren seit unserem ersten Schreibenvergangen, als im Januar 2005 die

Bundesverdienstkreuz für Frau Prof. Etta WilkenNachricht eintraf, dass Herr Bundes-präsident Horst Köhler unserem Antragentsprochen hat.

Unseres Erachtens hat sich FrauProf. Etta Wilken für Menschen mit Be-hinderungen in einem Maße verdientgemacht, die mit dem Bundesverdienst-kreuz zu würdigen wäre. Dies schließt,so lautete unsere Begründung, nicht nurdie Vermittlung ihrer wissenschaftli-chen Arbeit für die Erziehungspraxisder Eltern und die Entwicklung ihrer be-hinderten Kinder ein, sondern auch ihrseit Jahrzehnten nachhaltiges und er-folgreiches ehrenamtliches Engagementin der Beratung von Eltern, behindertenMenschen und Verbänden.

Die Aussage „Berlin ist eine Reise wert“

hat für Andrea Halder eine ganz spezielle

Bedeutung bekommen. Sie war nach Berlin

eingeladen, um sich zusammen mit Frau

Eva Köhler fotografieren zu lassen.

Frau Köhler unterhielt sich angeregt mit

Andrea, die über ihre Arbeit und ihre Hob-

bys erzählte. Auch entdeckten sie Gemein-

samkeiten, sowohl Frau Köhler wie Andrea

gehen gern in die Oper!

Frau Köhler informierte sich über das

Leben mit Down-Syndrom und Andrea, als

„Spezialistin“, konnte dazu einiges sagen!

Die Deutschen Down-Syndrom-Wo-chen – eine 1996 vom Deutschen

Down-Syndrom InfoCenter ins Leben ge-rufene jährlich im Oktober stattfindendeAktion – werden am 23. September2005 mit einer Feier in dem schönenNürnberger Marmorsaal eingeleitet.

Bei dieser festlichen Veranstaltungwerden die Poster der diesjährigen Auf-klärungswochen offiziell der Öffentlich-keit vorgestellt. Die Auftaktveranstal-tung bietet außerdem den richtigenRahmen für die Verleihung der beiden

Preise, den „Moritz“ und „Das GoldeneChromosom“.

Wir sind stolz und glücklich darü-ber, dass Frau Eva Luise Köhler, dieFrau des Bundespräsidenten, sich bereiterklärt hat, die Schirmherrschaft überdiese Veranstaltung zu übernehmen.

Zur Vorbereitung dieses Ereignisseswar die 19-jährige Andrea Halder nachBerlin zu einem Fotoshooting mitDeutschlands „First Lady“ eingeladen.Wir freuen uns, dass Frau Köhler sichtrotz ihrer vielen Verpflichtungen Zeit

für dieses Treffen genommen hat. Frau Köhler, die sich für Menschen

mit Behinderungen engagiert und u.a.Schirmfrau von UNICEF und der ACHSEist, möchte auch unser Anliegen – die In-tegration von Menschen mit Down-Syn-drom – unterstützen. Dieses ihr Enga-gement verleiht unserer Arbeit mehrAufmerksamkeit, was sich positiv aufdie Lebenssituation unserer Kinder aus-wirkt.

Für diese Unterstützung sind wirFrau Köhler sehr dankbar.

Foto: Gleice Mere

ERFAHRUNGSBERICHT

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200565

altrigen Jungen traf, der sehr ausgiebiggebärdete. Sie wich fast den gesamtenNachmittag kaum von seiner Seite. Daswar uns Müttern wohl aufgefallen, aberBedeutung habe ich dem erst amAbendbrottisch zugemessen. Maike ge-bärdete spontan und immer wieder„fertig“. Hätte ich die Gebärde nichtselbst am Nachmittag gesehen, hätte ichsie nicht verstanden. So aber konnte ichihrem Willen entsprechen. Maike warbeeindruckt (ich auch), und noch amselben Abend kamen weitere Versuche,etwas mit den Händen auszudrücken,dazu. Sie war von Anfang an sehr krea-tiv im Erfinden von eigenen Gebärdenund hat noch an diesem Abend ihredurchaus logische Gebärde für duschengeprägt. Da war es mir dann egal, ob dieGebärden ihre Sprachentwicklunghemmten, sie konnte sich damit aus-drücken und wir sie verstehen. Inner-halb kürzester Zeit konnte sie so ziem-lich alle Gebärden aus dem GuK1-Pro-gramm und hatte sich noch so manchedazu ausgedacht. Damit wir (all die, dietagtäglich mit ihr Umgang hatten) sieverstehen konnten und die Gebärdennicht vergaßen (Maike konnte sie balddeutlich besser wie wir), hingen die Ge-bärden-Karten über Monate an unserenKüchenoberschränken und eine Mappemit den Karten war in der Kita ein vielgenutztes Bilderbuch. Ein Riesenglückhatten wir mit dem engagierten Team inder Kita, die konsequent mit gebärdethaben.

Von der Gebärde zum gesprochenen Wort

Es dauerte nicht lange und Maike be-gann, Wörter zu finden. Erst vereinzeltund dann zunehmend schneller. Oft hat-te ich den Eindruck, sie erinnert sich andas Wort nur im Zusammenhang mitder Gebärde oder dass ihr die Gebärdedie Sicherheit gab, das Wort richtig an-zuwenden. Wenn sie redete, wollte sieauch richtig verstanden werden, und siewar und ist sehr genau in der Auswahldes richtigen Begriffes. Ich glaube, dieZeit des Nicht-verstanden-Werdens hatsie sehr geprägt und so soll es ihr nichtnoch einmal gehen. Nun kam sie auchmit Außenstehenden besser zurecht,wenn es auch zunächst nur Einwortsät-ze waren, die sie lautierte. Schließlichließ sie die Gebärden einfach weg. DerReihe nach, immer da, wo sie sich ganzsicher war. Mittlerweile benutzt sie

überwiegend Drei- und auch zuneh-mend Mehrwortsätze und gebärdet garnicht mehr. Es fällt aber auf, dass sie im-mer dann, wenn es beim Sprechen an-strengend wird (z.B. in der Logopädie),gerne die Hände zum „Helfen“ mitbe-nutzt.

Und weiter mit dem frühen Lesen!

Ja und dann kam vor nicht allzu langerZeit eine Stunde, in der die Logopädinmit ihr ein Buch anschaute, in dem sichWörter und Bilder abwechselten. DieLogopädin las und Maike sollte die Bil-der benennen. Nach einem Bild folgteder Name Max und Maike benannte dasBild und Max; sie hatte sich das Wort inder Kita abgeschaut, aus einem Bilder-buch, das zu der Zeit vermehrt gelesenwurde. Uns war schnell klar, was nungefragt ist, und mit der Logopädin zu-sammen haben wir mit dem frühen Le-senlernen begonnen. Maike macht dassehr viel Spaß und es gibt deutliche Er-folge. Ich bin sehr gespannt, wie es wei-tergeht, und habe eines sicherlich ge-lernt, sehr genau darauf zu achten, wasin Maikes Entwicklung gerade angesagtist, und mich da ganz auf ihren Rhyth-mus einzulassen. Meine Befürchtungen,die Gebärden könnten Maike in irgend-einer Form am Spracherwerb hindern,haben sich in die Gewissheit gewandelt,dass wir ohne GuK noch lange nicht soweit wären wie jetzt.

Zeitschrift „Leben mit Down-Syndrom“ lebensbejahend und motivierend

Von mir noch ein herzliches Dan-keschön für die immer wieder soinformative, lebensbejahende,motivierende und auch häufig lus-tige Fachzeitschrift „Leben mit Down-Syndrom“. Ich bin froh überdas breite Spektrum, das sie im-mer wieder ansprechen, und ha-be schon viele gute Anregungenerhalten. Auch ist es gut zu sehen,was aus den Kindern alles werdenkann. Daher beeindrucken michauch stets die Berichte von Ju-gendlichen und Erwachsenen.Bitte weiter so.

Gespannt warte ich jetzt aufdie Plakataktion, ganz besondersauf das Plakat mit Ulrike Folkerts,die ich als Schauspielerin sehrschätze. Bei uns im Dorf habenwir mehrere Kinder mit Down-Syndrom und ich kann mir gutvorstellen, dass wir ein oder zweiPlakate aushängen werden. VielErfolg mit der geplanten Aktion.Herzliche Grüße

Jutta GorontzyAm Stopfer 133

48239 HavixbeckTel.: 0 25 07 / 57 17 79

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68 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Sexualität – Ein Ratgeber für Eltern von Kindern mit Handicap

Autoren: Karin Melberg Schwier undDave HingsburgerVerlag: G&S Verlag, Edition 21 ISBN 3-925698-23-XPreis: 25,00 Euro ca. 200 Seiten, broschiert

Ein wichtiges Buch zu einem wichtigenThema! Offen und ehrlich, manchmalschonungslos – immer hilfreich. KarinMelberg Schwier und Dave Hingsburger nehmen „kein Blatt vor den Mund“, auchwenn es darum geht, problematischeThemen wie zum Beispiel Schwanger-schaften, AIDS oder Missbrauch anzu-sprechen.

Viele Fallbeispiele und eindringlicheZitate von Eltern und selber betroffenenjungen Frauen und Männern machendieses Buch, neben seinem praktischen Nutzen, auch zu einer ausgesprochenlesenswerten Lektüre, die weit über dashinausgeht, was „trockene Fachbücher“gemeinhin bieten können.

Dabei steht die Fachkompetenz derAutoren außer Frage. Beide arbeitenseit vielen Jahren erfolgreich und ein-fühlsam mit Behinderten. Bei den vonihnen vorgeschlagenen Strategien undHilfen steht stets der praktische Nutzenfür den Leser im Vordergrund.

Über das ganze Buch verteilt findensich eingestreut viele Zitate von Eltern,die dank ihrer Authentizität allen Le-sern zeigen: Du bist nicht alleine mit dei-nen Problemen! Und: Es gibt Wege undLösungen! Jedes Kapitel wird zudemmit Fragen und Antworten aus der Pra-xis der Autoren beendet.

Wichtige Neuerscheinung in der ReiheEdition 21 aus dem G&S Verlag

Buchthemen

Selbstvertrauen und Selbstver-ständnis: Die Grundlagen einer ge-sunden Sexualität

Was man wann beibringen sollSexualität und sexuelle Funktio-

nen – Fakten Stärke und Selbstbewusstsein auf-

bauenWerte etablierenUnterstützung für Eltern: Finden

Sie Verbündete!Grenzen setzen: Die Balance zwi-

schen Risiko und Weiterentwick-lung

Schamgefühl: Öffentlichkeit undPrivatsphäre

Risikominimierung und Selbstbe-hauptung

Wie sagt man Nein?Träume und ErwartungenÄußere Erscheinung und Be-

grüßungenGespräche über die BehinderungGrenzen einer BeziehungGesunde PsycheMedizinische VorsorgeMenstruationGesund bleibenGruppenzwangHomosexualitätSexualerziehungSex kann auch krank machenMissbrauch und AusbeutungDie erste Versuchung: Risiken

leugnenDie zweite Versuchung: Beziehun-

gen unterbindenDie dritte Versuchung: Rechte ver-

weigernSexualerziehung und PrivatsphäreJemand zum RedenSelbstbewusstseinSelbstbestimmung Heirat und BeziehungEs gibt zwei GesellschaftenSchwangerschaft und Elternschaft

– FaktenVerhütung

Lisanne, ein RoadmovieDer Film „Lisanne“ handelt von einem15-jährigen Mädchen, das sich nichtssehnlicher wünscht, als nach Dänemarkans Meer zu fahren. Sie hat das Down-Syndrom und ihr älterer Bruder Marlonhat versprochen, ihr diesen Wunsch zuerfüllen.

Es ist ein Roadmovie um die Ge-schwisterbeziehung zwischen Lisanneund Marlon. Manchmal laut, manchmalleise, energisch und dann wieder hilflos.Aber immer mit einem großen Herzenund viel Lebensfreude.

„Ich bewundere ihr kämpferischesHerz, ihr strahlendes Lächeln und ihrenHumor!“, schreibt ihr Bruder Lars-Gun-nar Lotz, Student an der Kunsthoch-schule Kassel, Abteilung Film/Fernse-hen.

Er hat diesen Kurzfilm über seineSchwester gemacht, u.a. um realistischden Konflikt zwischen Menschen mitund ohne Behinderung zu zeigen. DieArt, wie seine Schwester mit ihrer of-fenherzigen und direkten Art Menschenzum Lachen, aber auch in peinliche Si-tuationen bringt, hat ihn inspiriert. DerBruder, durch die Verantwortung, die erträgt, kommt bei ihren spontanen, ei-gensinnigen Ideen selbst auch leicht inVerlegenheit und weiß manchmal nichtgut damit umzugehen.

Bestellen

Interesse? Sie können den Film „Lisan-ne“ (Spielzeit: 18 Minuten) als DVD für10 Euro bestellen bei:Lars-Gunnar LotzGutenbergstraße 5, 34127 KasselTel.: 05 61 / 861 75 33

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4 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Nachrichten aus demDeutschen Down-SyndromInfoCenter

d e u t s c h e s

i n f o c e n t e rdown-syndrom

GuK-Gebärden-Alphabet

Um eine schnelle Orientierung zu er-möglichen und das Erinnern zu er-

leichtern, haben wir eine alphabetischeOrdnung der Gebärdenbilder zusam-mengestellt. Die achtseitige Übersichts-liste in DIN-A4-Format zeigt alle hun-dert Gebärden auf kleinen Schwarz-weiß-Bildern. Es gibt jeweils eine Listefür GuK1 und für GuK2.

Auf Seite 37 können Sie nachlesen,wie man diese kleinen Abbildungen ein-setzen kann. Frau Prof. Etta Wilken be-schreibt dort die verschiedenen Ver-wendungsmöglichkeiten.

GuK-Gebärden-Übersicht nur fürGuK-Besteller!

Achtung: Diese Listen liegen seit Märzden Packungen von GuK1 und GuK2 bei.Die Preise wurden deshalb, aber auchweil Papier- und Druckkosten gestiegensind, leicht erhöht. GuK1 kostet nun 46Euro, GuK2 50 Euro.

Wenn Sie vor diesem Datum GuK be-stellt haben, können Sie nachträglich ei-ne solche Liste bestellen. Die Listen wer-den aber nur an GuK-Käufer abgege-ben, weil sie eine Ergänzung zur GuKdarstellen. Sie sind nicht als Ersatz fürdie Sammlung mit den großen Gebär-denkarten gedacht!

Die Übersicht kostet jeweils 5 Euro(inkl. Versandkosten).

Bestellbroschüre 2005/2006

Dieser Ausgabe der Zeitschrift liegtwieder unser aktuelles Lieferpro-

gramm bei. Dort finden Sie eine Über-sicht aller Publikationen des DeutschenDown-Syndrom InfoCenters und eineReihe Fachbücher aus anderen Verla-gen, die Sie bei uns bestellen können.

Auch in diesem Jahr konnten wir un-ser Angebot wieder um einige Titel er-weitern. Zwei unserer Broschüren – dieBaby- und die Herzbroschüre – sindüberarbeitet und erweitert und mit neu-en Bildern versehen worden. Ein Infor-mationsflyer für Ärzte zum Thema„Diagnosevermittlung“ ist neu hinzuge-kommen.

Weiter konnten wir das wichtige,

neue Fachbuch „Menschen mit Down-Syndrom in Familie, Schule und Gesell-schaft“ von Etta Wilken (vorgestellt inLeben mit Down-Syndrom, Nr. 47) in un-ser Angebot aufnehmen. Die beidenneuen Bücher aus dem G&S-Verlag„Wickel und andere Hausmittel“ und„Sexualität“ können Sie selbstverständ-lich auch bei uns bestellen.

Falls Sie mehr Exemplare des Lie-ferprogramms benötigen, z.B. für ande-re Eltern, Infotische, zum Auslegen inPraxen, Kliniken oder Schulen, schickenwir Ihnen gern kostenlos weitere Bro-schüren zu.

Das Mädchen auf dem Titelbild istdie dreijährige Eileen Hoyer.

Diagnose-Flyer

Aktion des DS-InfoCenters: Flyerüber das Diagnosegespräch verteiltMit der Januar-Ausgabe haben wir Ih-nen unseren neuen Flyer zugeschickt.

Inzwischen haben wir diesen Flyermit weiteren Informationen zum Down-Syndrom an über 1000 Geburtsklinikenund alle Hebammenschulen geschickt.Darauf kam schon viel positive Reso-nanz. Noch effektiver ist es, wenn Sievor Ort den Flyer verteilen, denn Siewissen genau, wo diese Informationnotwendig ist!

Sie können

den Flyer im

InfoCenter

bestellen.

Zehnerpack

für 5 Euro.

EDITORIAL

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 20051

Liebe Leserinnen, liebe Leser,seit vielen Jahren besuche ich internationaleDown-Syndrom-Kongresse, um mich über dieneuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zuinformieren. Die Veranstaltungen bieten miraußerdem die Möglichkeit, persönliche Kon-takte zu Wissenschaftlern, Fachleuten undEltern aus aller Welt zu knüpfen. So habe ich

über die Jahre viele Menschen kennen gelernt, deren Kenntnisseund Erfahrungen mir bei meiner Arbeit im InfoCenter hilfreichwaren und sind und wovon Sie als Leser von Leben mit Down-Syndromebenfalls profitieren, stammen doch viele Berichte undGeschichten in der Zeitschrift von diesen Down-Syndrom-Spezialisten.

Beim letzten Symposium in Palma de Mallorca wurde ich zur Vize-präsidentin der Europäischen Down-Syndrom Association (EDSA)gewählt. Damit ist nun dieses „Networking“ auf internationalerEbene auch offiziell zu einer meiner Aufgaben geworden, auf dieich mich sehr freue.Unsere Poster-Kampagne für die Deutschen Down-Syndrom-Wochen im Oktober verlangt sehr viel mehr Energie, Zeit und Geld,als ursprünglich gedacht. Wir im InfoCenter fragen uns schon mal,ob sich dieser enorme Aufwand lohnt. Jetzt ist die Planung aberabgeschlossen und obwohl uns die Finanzierung noch etwas Kopf-zerbrechen bereitet, wird an der Umsetzung gearbeitet und nimmtdas Projekt allmählich Gestalt an. Den aktuellen Stand entnehmenSie bitte dem Infoblatt, das dieser Zeitschrift beiliegt.Es ist uns eine große Ehre, dass Frau Eva Köhler unser Anliegenfür mehr Toleranz und für die Integration von Menschen mit Down-Syndrom unterstützt. Dadurch wird unsere Arbeit aufgewertetund bekommt sicherlich mehr Aufmerksamkeit in den Medien undin der Öffentlichkeit.Eines der Hauptthemen in dieser Ausgabe ist die Sprachförderung,wobei die Sprechapraxie bei Menschen mit Down-Syndrom in derdeutschen Literatur noch nie so ausführlich behandelt wurde. In-teressant sind die Beiträge von Deborah Fidler über das Entstehendes Persönlichkeitsprofils und von Wolfgang Storm zur Intelligenz.Der nachdenklich stimmende Artikel von Wolfgang Lenhard gehtder Frage nach, ob Menschen mit Down-Syndrom aussterben.

Herzlich Ihre

V E R A N S T A L T U N G E N

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 69

Fachtagung 2005 „Perspektiven fürMenschen mit Down-Syndrom“

Die größte Veranstaltung in Deutschland rund um dasDown-Syndrom findet dieses Jahr in Augsburg statt.Wer bei den vorigen Fachtagungen in Bochum und Potsdam dabei war, weiß, dass man dieses Ereignisnicht verpassen sollte.

Termin

Freitag, 7. Oktober bis Sonntag, 9. Ok-tober 2005

Veranstaltungsort

Universität Augsburg, HörsaalzentrumUniversitätsstraße 10, 86159 Augsburg

Veranstalter/Organisation

Down-Syndrom Netzwerk Deutschlande.V und die Universität Augsburg

AnmeIdebüro

Down-Syndrom Netzwerk Deutschland Fachtagung Augsburg Postfach 31 31 97041 Würzburg Tel. und Fax: 0721 / 151 20 50 77 E-Mail:[email protected] http://www.Tagung.Down-Syndrom-Netzwerk.de

Teilnahmebeiträge

Bei Anmeldung bis 15. Juli 2005:Erwachsene: 90 EuroMenschen mit Down-Syndrom: 40 EuroKinder-/Jugendprogramm mit Betreu-ung: 40 Euro

Ab 15. Juli 2005 bis Anmeldeschluss am31. August 2005: Erwachsene: 110 EuroMenschen mit Down-Syndrom: 60 Euro Der Teilnahmebeitrag schließt auch dieVerpflegung gemäß Tagungsablauf amFreitag und Samstag ein.

Fachvorträge

Menschen mit Down-Syndrom berichtenüber ihr Leben, ihre Berufswünsche undihre Interessen, mit u.a.:Michaela König, Andrea Halder, Jisch-kah Griesbach, Jenny Lau,Verena Turin,Dennis Lawrenz, Kim Wilke, Orly Bader

Vorträge von Fachleuten

Dr. Mathias Gelb: Ernährungs-SurveyDown-Syndrom

Cora Halder: Erwartungen haben, Mög-lichkeiten sehen, Ressourcen aufbauen

Prof. Dr. Wolfram Henn: Der Mythosvon den guten Genen oder: Brauchenwir ein neues Menschenbild?

Detchema Limbrock: Das PörnbacherKonzept – ein ganzheitliches Förder-konzept

Dr. Christel Manske: Der systemati-sche Aufbau funktioneller Hirnsystemeam Beispiel Lesen, Schreiben, Rechnen

Prof. Dr. Hellgard Rauh: Entwicklungkognitive/motorische Kompetenzen beiVorschulkindern mit Down-Syndrom

Christiane Schuler: Was haben Inte-gration und Christoph Kolumbus mit-einander zu tun? Prof. Dr. Sabine Stengel Rutkowski: Mut

zum Paradigmenwechsel: Erwartungnormaler geistiger Entwicklungsverläu-fe, Mut zur Trauer, Abschied vomWunschkind

Dr. Wolfgang Storm: Verhaltensauffäl-ligkeiten und psychiatrische Problemebei Jugendlichen und Erwachsenen mitDown-Syndrom

Prof. Dr. Etta Wilken: Die Förderungvon Spracherwerb und sprachlichenKompetenzen bei Klein- und Vorschul-kindern

Prof. Dr. Udo Wilken: Unser Kind wirderwachsen – Perspektiven nachschuli-scher Lebensgestaltung in Beruf, Wohn-stätte und Partnerschaft

Marlies Winkelheide: Ich melde michzu Wort – Geschwister von Menschenmit Down-Syndrom

Dr. Melanie Voigt: Entwicklungsorien-tierte Musiktherapie

Seminare und Workshops

Parallel zu den Fachvorträgen werdenSeminare und Workshops angeboten.Die Teilnehmerzahl hier ist begrenzt.Themen: Menschen mit Down-Syndrom im Ge-spräch Geschwister von Kindern mit Down-Syndrom Let’s talk about sex – Partnerschaft undSexualität Wohnen – Vorstellung unterschiedlicherWohnformen Arbeiten – Vorstellung unterschiedlicherBeschäftigungs- und Qualifizierungsfor-men Eltern-Kind-Beziehung. Frühe entwick-lungspädagogische Begleitung Lesen lernen bei Kindern mit Down-Syndrom Integration in Kindergarten und SchuleErgotherapie Musiktherapie Logopädie, Castillo Morales Sprachentwicklungstherapie nach Pa-dovan Neuroentwicklungsphysiologischer Auf-bau nach Pörnbacher Probleme mit dem Gehör Die Lekotek-Methode – spielend fürs Le-ben lernen Homöopathie und medizinische Aspekte TNI-Basis-Ernährung für Menschen mitDown-Syndrom PsychotherapieÄlter werden mit Down-Syndrom, Seniorenkonzepte Pflegeversicherung, Eingliederungshilfe Sozialgesetzbuch IX – Integration undTeilhabe Rechte schwerbehinderter Menschen

Referentinnen und Referenten: ClaudiaColloredo-Mannsfeld, Dr. Katja de Bra-ganca, Gernot Griesbach, Inge Henrich,Ludvika Herder, Evelyn Küpper, Gundu-la Meyer-Eppler, Dr. Martin Menzel, Re-gina Neuhäusel, Heidi Walter und vieleandere.

Aktuelle Informationen zur Fach-tagung finden Sie im Internet unter:www.Tagung.Down-Syndrom-Netz-werk.de.Von dieser Homepage können Pro-spekte und Anmeldeformulare her-untergeladen werden.

AKTUELLES

72Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Ja,ich möchte Ihre Arbeit mit einer Spende von .......... Euro unterstützen:

Name (Blockschrift) ……………………………………………………………………………………………….....................…………Unser Kind mit DS ist am ...............………...........…….. geboren und heißt ……………………………..…….........……….Straße ………………………………………………………………………………………………………………............................... PLZ/Ort/(Staat) ………………………………………………………………… Tel./Fax ……………………............….................

‘ Bei einer Spende ab Euro 25,– erhalten Sie regelmäßig unsere Zeitschrift

InlandIch bin damit einverstanden, dass meine Spende jährlich von meinem Konto abgebucht wird.

(Diese Abbuchungsermächtigung können Sie jederzeit schriftlich widerrufen.)

Konto Nr. ……………………………………………….. BLZ ……………………………………..............………...........Bankverbindung ………………………………………………Konto-Inhaber ………………………………............................

Meine Spende überweise ich jährlich selbst: Konto der Selbsthilfegruppe Nr. 50-006 425, BLZ 763 500 00

bei der Sparkasse Erlangen. Unter Verwendungszweck „Spende” Ihren Namen und Ihre Anschrift eintragen.

Ausland (Spende ab Euro 30,–)Postanweisung oder Überweisung auf das Konto der Selbsthilfegruppe Nr. 50-006 425, BLZ 763 500 00

bei der Sparkasse Erlangen. Unter Verwendungszweck „Spende” Ihren Namen und Ihre Anschrift eintragen

Datum ……………………………… Unterschrift ……………………………………………………..................................…....

Ihre Spende ist selbstverständlich abzugsfähig. Die Selbsthilfegruppe ist als steuerbefreite Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschafts-

steuergesetzes beim FA Nürnberg anerkannt. Bei Spenden über Euro 50,– erhalten Sie automatisch eine Spendenbescheinigung.

Bitte ausgefülltes Formular auch bei Überweisung/Scheck unbedingt zurückschicken an: Deutsches Down-Syndrom InfoCenter, Hammerhöhe 3, 91207 Lauf (Tel. 09123/98 21 21, Fax 09123/98 21 22)

Dreimal jährlich erscheint die Zeitschrift Leben mit Down-Syndrom,in der auf ca. 70 Seiten Informationen über das Down-Syndromweitergegeben werden.

Die Themen umfassen Förderungsmöglichkeiten, Sprachentwick-lung, medizinische Probleme, Integration, Ethik u.a. Wir geben die neuesten Erkenntnisse aus der Down-Syndrom-Forschung aus dem In- und Ausland wieder. Außerdem werden neue Büchervorgestellt, gute Spielsachen oder Kinderbücher besprochen sowie über Kongresse und Tagungen informiert. Vervollständigt wirddiese informative Zeitschrift durch Erfahrungsberichte von Eltern.

Ihre Spende ist selbstverständlich abzugsfähig. Die Selbsthilfe-gruppe ist als steuerbefreite Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes beim FA Nürnberg anerkannt.

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INHALT

2Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

AktuellesNachrichten aus dem InfoCenter..........................................................................4Frau Eva Köhler unterstützt Down-Syndrom-Kampagne......................................5

Kongress-BerichtKongress in Mallorca: Down-Syndrom-Spezifizität..............................................6

EDSATreffen von EDSA und DSI ..................................................................................8Erster Welt-Down-Syndrom-Tag ..........................................................................9

GenetikDer Einfluss pränataler Diagnostik und selektiven Fetozids auf die Inzidenz von Menschen mit angeborener Behinderung ........................10

MedizinHaarausfall und Zöliakie bei Menschen mit Down-Syndrom..............................18Down-Syndrom und Krebs ................................................................................20Bessere Heilungschancen bei Leukämie ............................................................20Lebenserwartung und Todesursachen bei Down-Syndrom ................................20Zöliakie und Psychose ........................................................................................21

PsychologieDas Entstehen eines Syndrom-spezifischen Persönlichkeitsprofils bei kleinen Kindern mit Down-Syndrom ............................................................22Sind Menschen mit Down-Syndrom intelligent?................................................26Bindungssicherheit ............................................................................................28

PublikationenFilm: Liebe Dich .................................................................................................29

FörderungSprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom – ein Leben lang................30Spracherwerb und Gebärden – Erfahrungen mit GuK ......................................33Liste mit alphabetisch geordneten Abbildungen der GuK-Gebärden ..................37Sprechapraxie bei Kindern und Erwachsenen mit Down-Syndrom ..................38Rechnen lernen mit links und rechts ..................................................................42

Titelbild: Moritz Diehl (13)

Foto Rückseite: Flyer mit Empfehlungen

zur Diagnosevermittlung

Am Tag nach dem Kongress

in Mallorca blieb gerade

noch Zeit, das Asnimo-

Zentrum mit der Gärtnerei

Sempre Verd zu besuchen –

eines der ersten Projekte in

Spanien, bei dem man

erwachsenen Menschen mit

Down-Syndrom die Möglich-

keit eines Arbeitsplatzes bot.

Insgesamt arbeiten dort zur-

zeit zwölf Personen mit

Down-Syndrom. Nach einer

gewissen Lehrzeit wechseln

einige in reguläre Betriebe,

für andere ist dies ein Dauer-

arbeitsplatz. Asnimo bietet

auf dem Gelände auch eine

Anzahl Einzelwohnungen an.

I N H A L T

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 3

ErwachseneErziehung zur sozialen Selbstständigkeit............................................................44Literatur zum Thema..........................................................................................47Studenten mit Down-Syndrom an amerikanischen Colleges ..............................48Pablo Peneda studierte in Malaga ......................................................................50

VerschiedenesJazzband „Together“ aus Österreich ..................................................................51

WohnenKaren zieht in eine eigene Wohnung ..................................................................52Supported Living – Unterstütztes Wohnen..........................................................53

RechtDas Behindertentestament..................................................................................54Ratgeber: Finanzielle Hilfen für Familien mit behinderten Kindern ..................57

ErfahrungsberichteImmer weiter mit kleinen Schritten ....................................................................58Siehste, klappt doch! ..........................................................................................60„Et hätt noch immer jot gegangen“ ....................................................................61 Jonatan liest und ist ein GuK-Fan!......................................................................62Marie liebt Tiere ................................................................................................63Zwei Freundinnen ..............................................................................................63Maike lernt sprechen mit GuK ............................................................................64

PublikationenTrilogie der Einsamkeit ....................................................................................66Sexualität: Ein Ratgeber für Eltern von Kindern mit Handicap. ..........................68Lisanne, ein Roadmovie......................................................................................68

VeranstaltungenSymposien, Seminare, Kongresse ......................................................................69

Bestellungen / Vorschau / Impressum ............................................................71

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200571

Folgende Informationsmaterialien sind beim DeutschenDown-Syndrom InfoCenter erhältlich:

Euro

Broschüre „Down-Syndrom. Was bedeutet das?“7,--

Neue Perspektiven für Menschen mit Down-Syndrom20,--

Videofilm „So wie Du bist“, 35 Min.20,--

Albin Jonathan – unser Bruder mit Down-Syndrom 17,--

Medizinische Aspekte bei Down-Syndrom5,--

Das Baby mit Down-Syndrom5,--

Das Kind mit Down-Syndrom im Regelkindergarten3,--

Das Kind mit Down-Syndrom in der Regelschule5,--

Total normal! – es ist normal, verschieden zu sein5,--

Herzfehler bei Kindern mit Down-Syndrom5,--

Das Stillen eines Babys mit Down-Syndrom3,50

Sonderheft „Diagnose Down-Syndrom, was nun?“12,--

Erstinformationsmappe28,--

GuK – Gebärdenkartensammlung (incl. Porto)46,--

GuK 2 – Gebärdenkartensammlung (incl. Porto)50,--

Kleine Schritte Frühförderprogramm (incl. Porto)59,--

Poster „Down-Syndrom hat viele Gesichter“ A32,--

10 Postkarten „Glück gehabt“ 5,--

10 Postkarten „Tumur und Stephan“ 5,--

Posterserie „Down-Syndrom – Na und?“ Format A1, A2, A312,-- 7,-- 5,--

Down-Syndrom, Fragen und Antworten pro 10 Stück0,50

Zeitschrift Leben mit Down-Syndrom, ältere Ausgaben5,--

+ Porto nach Gewicht und Bestimmungsland

Bestellungen bitte schriftlich an:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterHammerhöhe 391207 Lauf / PegnitzTel. 0 91 23 / 98 21 21Fax 0 91 23 / 98 21 22

Sie können noch eine Reihe weiterer Informationsmaterialien und Fach-bücher beim Deutschen Down-Syndrom InfoCenter bestellen. Bitte fordernSie unsere Bestellliste an.

Wer Artikel zu wichtigen und interessanten Themen beitragen kann, wird von der

Redaktion dazu ermutigt, diese einzuschicken.

Garantie zur Veröffentlichung kann nicht gegeben werden. Einsendeschluss für die

nächsten Ausgaben von Leben mit Down-Syndrom: 30. Juni 2005, 30. Oktober 2005.

Impressum

Herausgeber:Selbsthilfegruppe für Menschen mit Down-Syndrom und ihre Freunde e.V.Erlangen

Redaktion:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterHammerhöhe 391207 Lauf / PegnitzTel.: 0 91 23 / 98 21 21Fax: 0 91 23 / 98 21 22E-Mail: [email protected]

Wissenschaftlicher Redaktionsrat:Ines Boban, Dr. Wolfgang Storm, Prof. Etta Wilken

Repros und Druck:Fahner Druck GmbHNürnberger Straße 1991207 Lauf an der Pegnitz

Erscheinungsweise:Dreimal jährlich, zum 30. Januar, 30. Mai und 30. SeptemberDie Zeitschrift ist gegen eine Spende beider Selbsthilfegruppe erhältlich.

Bestelladresse:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterTel.: 0 91 23 / 98 21 21 Fax: 0 91 23 / 98 21 22

Die Beiträge sind urheberrechtlich ge-schützt. Alle Rechte vorbehalten. Nach-druck oder Übernahme von Texten für Internetseiten nur nach Einholung schrift-licher Genehmigung der Redaktion. Mei-nungen, die in Artikeln und Zuschriftengeäußert werden, stimmen nicht immermit der Meinung der Redaktion überein.

Die Redaktion behält sich vor, Leser-briefe gekürzt zu veröffentlichen undManuskripte redaktionell zu bearbeiten.

ISSN 1430 - 0427

VorschauFür die nächste Ausgabe (September 2005) von Leben mit Down-Syndromsind geplant:

… Neuropsychologische Aspekte und praktisches Lernen

… Psychotherapeutische Gruppenarbeit

… Sauberkeitserziehung

… „Job-coaching“ – Wie funktioniert das?

V E R A N S T A L T U N G E N

70 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Internationale DS-Kongresse

Portsmouth, UK4th. International Conference on Developmental Issues in Down Syn-drome

Early intervention and school educationfor children with Down Syndrome

15. bis 18. September 2005University of Portsmouth, UKZielgruppe: Wissenschaftler, Lehrer,Therapeuten, Eltern, alle, die im Früh-förderbereich arbeiten, alle, die schuli-sche Integration fördern, etc.Referenten sind u.a. Robin Chapman.Robert Hodapp, Charles Hulme, JohnClibbens, Monica Cuskelly, Sue Buckley

Information: www.downsed.orgE-Mail: [email protected]

International Conference on Therapies and Rehabilitations – Stateof the Art and Future Perspectives

27. bis 29. Oktober 2005San Marino, Italien

Diese Konferenz wird organisiert durchEDSA. Themen sind u.a. genetische,medizinische, biochemische Therapien,therapeutische Rolle der Eltern, Inklusi-on in der Schule und am Arbeitsplatz.

Information: Deutsches Down-Syn-drom InfoCenter.

Symposium „Die Welt entdeckt Snoezelen“

29. September bis 1. Oktober 2005Humboldt-Universität, BerlinInstitut für Rehabilitationswissenschaf-ten, Georgenstraße 36, 10117 Berlin

Wenn Sie sich für das Symposium inter-essieren, fordern Sie bitte das vollstän-dige Programm und das Anmeldefor-mular unter o.a. Adresse an oder infor-mieren Sie sich unter: www2.hu-berlin.de/kbp/veranst.html

Seminar Meine Schwester ist behindert,mein Bruder ist behindert

Ein Seminar mit Geschwistern von be-hinderten Kindern.

1. bis 4. August 2005Erlangen, Fortbildungsinstitut der Le-benshilfeLeitung: Carola Stamm-Schmidt undMarlies WinkelheideKosten: 70 Euro mit Verpflegung undÜbernachtung für Teilnehmer aus Bay-ern, sonst 90 Euro.

Informationen und Anmeldung:Frau Kaup, Tel.: 0 91 31 / 7 54 61 47

Hinweis!

Für alle, die gerne

mal einen DS-

Weltkongress er-

leben und das

vielleicht mit einer

Kanadareise kom-

binieren möchten:

Im Sommer 2006

findet der 9.

Weltkongress in

Vancouver statt!

3. Deutsches Down-Sportlerfestival

– eine Aktion der Hexal-Initiative –

In diesem Jahr mit zwei Veranstaltungen:4. Juni 2005 in Frankfurt24. September 2005 in MagdeburgInfo: www.down-info.de

SeminarKinder mit geistiger Behinderung undhyperkinetischen Störungen Ursachen, Erscheinungsformen undtherapeutische Möglichkeiten

9. und 10. November 2005Haus Hammerstein in Hückeswagen Seminarleitung: Monique Randel-Tim-permann, Dipl.-Dolmetscherin, Psycho-loginZielgruppe: Mitarbeiter/-innen in Ein-richtungen der Behindertenhilfe und El-ternEine Veranstaltung des Lebenshilfe Bil-dungswerkes NRW e.V.

Inhalt: Kinder mit geistiger Behinde-rung, zum Beispiel mit Down-Syndrom,gelten häufig als antriebsarm und pas-siv. Umso größer ist unsere Hilflosigkeit,wenn wir es mit einem Kind zu tun ha-ben, das umtriebig ist oder gar aggressi-ves, oppositionelles Verhalten zeigt.

Es ist eine Tatsache, dass Kinder mitgeistiger Behinderung mehr noch alsandere Kinder mit hyperkinetischenStörungsformen dazu angeleitet und un-terstützt werden müssen, ihr Verhaltenzu hemmen und zu steuern, damit sievon der Gemeinschaft akzeptiert werden.

In diesem Seminar sollen sowohlneurophysiologische als auch psychoso-ziale Erkenntnisse zur Entstehung derHyperaktivität besprochen werden. Siesind die Voraussetzung zu einem besse-ren Verständnis und zur Einleitung vontherapeutischen und erzieherischenMaßnahmen. Weiterhin sollen erfolg-versprechende Maßnahmen im Bereichder Verhaltensmodifizierung, der Lern-therapie und des sozialen Kompetenz-trainings diskutiert werden. Anhandvon Fallbesprechungen bzw. von Erfah-rungen, die die Teilnehmer/-innen selbsteinbringen können, sollen in der Grup-pe Lösungsansätze erarbeitet werden.

Informationen und Anmeldung: Frau Ullmann, Tel. 0 22 33 / 9 32 45-20

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2 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

AktuellesNachrichten aus dem InfoCenter ..........................................................................4Frau Eva Köhler unterstützt Down-Syndrom-Kampagne......................................5

Kongress-BerichtKongress in Mallorca: Down-Syndrom-Spezifizität ..............................................6

EDSATreffen von EDSA und DSI ..................................................................................8Erster Welt-Down-Syndrom-Tag ..........................................................................9

GenetikDer Einfluss pränataler Diagnostik und selektiven Fetozids auf die Inzidenz von Menschen mit angeborener Behinderung ........................10

MedizinHaarausfall und Zöliakie bei Menschen mit Down-Syndrom ..............................18Down-Syndrom und Krebs ................................................................................20Bessere Heilungschancen bei Leukämie ............................................................20Lebenserwartung und Todesursachen bei Down-Syndrom ................................20Zöliakie und Psychose ........................................................................................21

PsychologieDas Entstehen eines Syndrom-spezifischen Persönlichkeitsprofils bei kleinen Kindern mit Down-Syndrom ............................................................22Sind Menschen mit Down-Syndrom intelligent? ................................................26Bindungssicherheit ............................................................................................28

PublikationenFilm: Liebe Dich .................................................................................................29

FörderungSprachförderung für Menschen mit Down-Syndrom – ein Leben lang ................30Spracherwerb und Gebärden – Erfahrungen mit GuK ......................................33Liste mit alphabetisch geordneten Abbildungen der GuK-Gebärden ..................37Sprechapraxie bei Kindern und Erwachsenen mit Down-Syndrom ..................38Rechnen lernen mit links und rechts ..................................................................42

Titelbild: Moritz Diehl (13)

Foto Rückseite: Flyer mit Empfehlungen

zur Diagnosevermittlung

Am Tag nach dem Kongress

in Mallorca blieb gerade

noch Zeit, das Asnimo-

Zentrum mit der Gärtnerei

Sempre Verd zu besuchen –

eines der ersten Projekte in

Spanien, bei dem man

erwachsenen Menschen mit

Down-Syndrom die Möglich-

keit eines Arbeitsplatzes bot.

Insgesamt arbeiten dort zur-

zeit zwölf Personen mit

Down-Syndrom. Nach einer

gewissen Lehrzeit wechseln

einige in reguläre Betriebe,

für andere ist dies ein Dauer-

arbeitsplatz. Asnimo bietet

auf dem Gelände auch eine

Anzahl Einzelwohnungen an.

INHALT

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 20053

ErwachseneErziehung zur sozialen Selbstständigkeit............................................................44Literatur zum Thema..........................................................................................47Studenten mit Down-Syndrom an amerikanischen Colleges..............................48Pablo Peneda studierte in Malaga......................................................................50

VerschiedenesJazzband „Together“ aus Österreich..................................................................51

WohnenKaren zieht in eine eigene Wohnung..................................................................52Supported Living – Unterstütztes Wohnen..........................................................53

RechtDas Behindertentestament..................................................................................54Ratgeber: Finanzielle Hilfen für Familien mit behinderten Kindern..................57

ErfahrungsberichteImmer weiter mit kleinen Schritten....................................................................58Siehste, klappt doch!..........................................................................................60„Et hätt noch immer jot gegangen“....................................................................61 Jonatan liest und ist ein GuK-Fan!......................................................................62Marie liebt Tiere................................................................................................63Zwei Freundinnen..............................................................................................63Maike lernt sprechen mit GuK............................................................................64

PublikationenTrilogie der Einsamkeit ....................................................................................66Sexualität: Ein Ratgeber für Eltern von Kindern mit Handicap...........................68Lisanne, ein Roadmovie......................................................................................68

VeranstaltungenSymposien, Seminare, Kongresse......................................................................69

Bestellungen / Vorschau / Impressum............................................................71

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 71

Folgende Informationsmaterialien sind beim DeutschenDown-Syndrom InfoCenter erhältlich:

Euro

Broschüre „Down-Syndrom. Was bedeutet das?“ 7,--

Neue Perspektiven für Menschen mit Down-Syndrom 20,--

Videofilm „So wie Du bist“, 35 Min. 20,--

Albin Jonathan – unser Bruder mit Down-Syndrom 17,--

Medizinische Aspekte bei Down-Syndrom 5,--

Das Baby mit Down-Syndrom 5,--

Das Kind mit Down-Syndrom im Regelkindergarten 3,--

Das Kind mit Down-Syndrom in der Regelschule 5,--

Total normal! – es ist normal, verschieden zu sein 5,--

Herzfehler bei Kindern mit Down-Syndrom 5,--

Das Stillen eines Babys mit Down-Syndrom 3,50

Sonderheft „Diagnose Down-Syndrom, was nun?“ 12,--

Erstinformationsmappe 28,--

GuK – Gebärdenkartensammlung (incl. Porto) 46,--

GuK 2 – Gebärdenkartensammlung (incl. Porto) 50,--

Kleine Schritte Frühförderprogramm (incl. Porto) 59,--

Poster „Down-Syndrom hat viele Gesichter“ A3 2,--

10 Postkarten „Glück gehabt“ 5,--

10 Postkarten „Tumur und Stephan“ 5,--

Posterserie „Down-Syndrom – Na und?“ Format A1, A2, A3 12,-- 7,-- 5,--

Down-Syndrom, Fragen und Antworten pro 10 Stück 0,50

Zeitschrift Leben mit Down-Syndrom, ältere Ausgaben 5,--

+ Porto nach Gewicht und Bestimmungsland

Bestellungen bitte schriftlich an:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterHammerhöhe 391207 Lauf / PegnitzTel. 0 91 23 / 98 21 21Fax 0 91 23 / 98 21 22

Sie können noch eine Reihe weiterer Informationsmaterialien und Fach-bücher beim Deutschen Down-Syndrom InfoCenter bestellen. Bitte fordernSie unsere Bestellliste an.

Wer Artikel zu wichtigen und interessanten Themen beitragen kann, wird von der

Redaktion dazu ermutigt, diese einzuschicken.

Garantie zur Veröffentlichung kann nicht gegeben werden. Einsendeschluss für die

nächsten Ausgaben von Leben mit Down-Syndrom: 30. Juni 2005, 30. Oktober 2005.

Impressum

Herausgeber:Selbsthilfegruppe für Menschen mit Down-Syndrom und ihre Freunde e.V.Erlangen

Redaktion:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterHammerhöhe 391207 Lauf / PegnitzTel.: 0 91 23 / 98 21 21Fax: 0 91 23 / 98 21 22E-Mail: [email protected]

Wissenschaftlicher Redaktionsrat:Ines Boban, Dr. Wolfgang Storm, Prof. Etta Wilken

Repros und Druck:Fahner Druck GmbHNürnberger Straße 1991207 Lauf an der Pegnitz

Erscheinungsweise:Dreimal jährlich, zum 30. Januar, 30. Mai und 30. SeptemberDie Zeitschrift ist gegen eine Spende beider Selbsthilfegruppe erhältlich.

Bestelladresse:Deutsches Down-Syndrom InfoCenterTel.: 0 91 23 / 98 21 21 Fax: 0 91 23 / 98 21 22

Die Beiträge sind urheberrechtlich ge-schützt. Alle Rechte vorbehalten. Nach-druck oder Übernahme von Texten für Internetseiten nur nach Einholung schrift-licher Genehmigung der Redaktion. Mei-nungen, die in Artikeln und Zuschriftengeäußert werden, stimmen nicht immermit der Meinung der Redaktion überein.

Die Redaktion behält sich vor, Leser-briefe gekürzt zu veröffentlichen undManuskripte redaktionell zu bearbeiten.

ISSN 1430 - 0427

VorschauFür die nächste Ausgabe (September 2005) von Leben mit Down-Syndrom sind geplant:

… Neuropsychologische Aspekte und praktisches Lernen

… Psychotherapeutische Gruppenarbeit

… Sauberkeitserziehung

… „Job-coaching“ – Wie funktioniert das?

VERANSTALTUNGEN

70Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Internationale DS-Kongresse

Portsmouth, UK4th. International Conference on Developmental Issues in Down Syn-drome

Early intervention and school educationfor children with Down Syndrome

15. bis 18. September 2005University of Portsmouth, UKZielgruppe: Wissenschaftler, Lehrer,Therapeuten, Eltern, alle, die im Früh-förderbereich arbeiten, alle, die schuli-sche Integration fördern, etc.Referenten sind u.a. Robin Chapman.Robert Hodapp, Charles Hulme, JohnClibbens, Monica Cuskelly, Sue Buckley

Information: www.downsed.orgE-Mail: [email protected]

International Conference on Therapies and Rehabilitations – Stateof the Art and Future Perspectives

27. bis 29. Oktober 2005San Marino, Italien

Diese Konferenz wird organisiert durchEDSA. Themen sind u.a. genetische,medizinische, biochemische Therapien,therapeutische Rolle der Eltern, Inklusi-on in der Schule und am Arbeitsplatz.

Information: Deutsches Down-Syn-drom InfoCenter.

Symposium „Die Welt entdeckt Snoezelen“

29. September bis 1. Oktober 2005Humboldt-Universität, BerlinInstitut für Rehabilitationswissenschaf-ten, Georgenstraße 36, 10117 Berlin

Wenn Sie sich für das Symposium inter-essieren, fordern Sie bitte das vollstän-dige Programm und das Anmeldefor-mular unter o.a. Adresse an oder infor-mieren Sie sich unter: www2.hu-berlin.de/kbp/veranst.html

Seminar Meine Schwester ist behindert,mein Bruder ist behindert

Ein Seminar mit Geschwistern von be-hinderten Kindern.

1. bis 4. August 2005Erlangen, Fortbildungsinstitut der Le-benshilfeLeitung: Carola Stamm-Schmidt undMarlies WinkelheideKosten: 70 Euro mit Verpflegung undÜbernachtung für Teilnehmer aus Bay-ern, sonst 90 Euro.

Informationen und Anmeldung:Frau Kaup, Tel.: 0 91 31 / 7 54 61 47

Hinweis!

Für alle, die gerne

mal einen DS-

Weltkongress er-

leben und das

vielleicht mit einer

Kanadareise kom-

binieren möchten:

Im Sommer 2006

findet der 9.

Weltkongress in

Vancouver statt!

3. Deutsches Down-Sportlerfestival

– eine Aktion der Hexal-Initiative –

In diesem Jahr mit zwei Veranstaltungen:4. Juni 2005 in Frankfurt24. September 2005 in MagdeburgInfo: www.down-info.de

SeminarKinder mit geistiger Behinderung undhyperkinetischen Störungen Ursachen, Erscheinungsformen undtherapeutische Möglichkeiten

9. und 10. November 2005Haus Hammerstein in Hückeswagen Seminarleitung: Monique Randel-Tim-permann, Dipl.-Dolmetscherin, Psycho-loginZielgruppe: Mitarbeiter/-innen in Ein-richtungen der Behindertenhilfe und El-ternEine Veranstaltung des Lebenshilfe Bil-dungswerkes NRW e.V.

Inhalt: Kinder mit geistiger Behinde-rung, zum Beispiel mit Down-Syndrom,gelten häufig als antriebsarm und pas-siv. Umso größer ist unsere Hilflosigkeit,wenn wir es mit einem Kind zu tun ha-ben, das umtriebig ist oder gar aggressi-ves, oppositionelles Verhalten zeigt.

Es ist eine Tatsache, dass Kinder mitgeistiger Behinderung mehr noch alsandere Kinder mit hyperkinetischenStörungsformen dazu angeleitet und un-terstützt werden müssen, ihr Verhaltenzu hemmen und zu steuern, damit sievon der Gemeinschaft akzeptiert werden.

In diesem Seminar sollen sowohlneurophysiologische als auch psychoso-ziale Erkenntnisse zur Entstehung derHyperaktivität besprochen werden. Siesind die Voraussetzung zu einem besse-ren Verständnis und zur Einleitung vontherapeutischen und erzieherischenMaßnahmen. Weiterhin sollen erfolg-versprechende Maßnahmen im Bereichder Verhaltensmodifizierung, der Lern-therapie und des sozialen Kompetenz-trainings diskutiert werden. Anhandvon Fallbesprechungen bzw. von Erfah-rungen, die die Teilnehmer/-innen selbsteinbringen können, sollen in der Grup-pe Lösungsansätze erarbeitet werden.

Informationen und Anmeldung: Frau Ullmann, Tel. 0 22 33 / 9 32 45-20

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AKTUELLES

4Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Nachrichten aus demDeutschen Down-SyndromInfoCenter

d e u t s c h e s

i n f o c e n t e rdown-syndrom

GuK-Gebärden-Alphabet

Um eine schnelle Orientierung zu er-möglichen und das Erinnern zu er-

leichtern, haben wir eine alphabetischeOrdnung der Gebärdenbilder zusam-mengestellt. Die achtseitige Übersichts-liste in DIN-A4-Format zeigt alle hun-dert Gebärden auf kleinen Schwarz-weiß-Bildern. Es gibt jeweils eine Listefür GuK1 und für GuK2.

Auf Seite 37 können Sie nachlesen,wie man diese kleinen Abbildungen ein-setzen kann. Frau Prof. Etta Wilken be-schreibt dort die verschiedenen Ver-wendungsmöglichkeiten.

GuK-Gebärden-Übersicht nur fürGuK-Besteller!

Achtung: Diese Listen liegen seit Märzden Packungen von GuK1 und GuK2 bei.Die Preise wurden deshalb, aber auchweil Papier- und Druckkosten gestiegensind, leicht erhöht. GuK1 kostet nun 46Euro, GuK2 50 Euro.

Wenn Sie vor diesem Datum GuK be-stellt haben, können Sie nachträglich ei-ne solche Liste bestellen. Die Listen wer-den aber nur an GuK-Käufer abgege-ben, weil sie eine Ergänzung zur GuKdarstellen. Sie sind nicht als Ersatz fürdie Sammlung mit den großen Gebär-denkarten gedacht!

Die Übersicht kostet jeweils 5 Euro(inkl. Versandkosten).

Bestellbroschüre 2005/2006

Dieser Ausgabe der Zeitschrift liegtwieder unser aktuelles Lieferpro-

gramm bei. Dort finden Sie eine Über-sicht aller Publikationen des DeutschenDown-Syndrom InfoCenters und eineReihe Fachbücher aus anderen Verla-gen, die Sie bei uns bestellen können.

Auch in diesem Jahr konnten wir un-ser Angebot wieder um einige Titel er-weitern. Zwei unserer Broschüren – dieBaby- und die Herzbroschüre – sindüberarbeitet und erweitert und mit neu-en Bildern versehen worden. Ein Infor-mationsflyer für Ärzte zum Thema„Diagnosevermittlung“ ist neu hinzuge-kommen.

Weiter konnten wir das wichtige,

neue Fachbuch „Menschen mit Down-Syndrom in Familie, Schule und Gesell-schaft“ von Etta Wilken (vorgestellt inLeben mit Down-Syndrom, Nr. 47) in un-ser Angebot aufnehmen. Die beidenneuen Bücher aus dem G&S-Verlag„Wickel und andere Hausmittel“ und„Sexualität“ können Sie selbstverständ-lich auch bei uns bestellen.

Falls Sie mehr Exemplare des Lie-ferprogramms benötigen, z.B. für ande-re Eltern, Infotische, zum Auslegen inPraxen, Kliniken oder Schulen, schickenwir Ihnen gern kostenlos weitere Bro-schüren zu.

Das Mädchen auf dem Titelbild istdie dreijährige Eileen Hoyer.

Diagnose-Flyer

Aktion des DS-InfoCenters: Flyerüber das Diagnosegespräch verteiltMit der Januar-Ausgabe haben wirIh-nen unseren neuen Flyer zugeschickt.

Inzwischen haben wir diesen Flyermit weiteren Informationen zum Down-Syndrom an über 1000 Geburtsklinikenund alle Hebammenschulen geschickt.Darauf kam schon viel positive Reso-nanz. Noch effektiver ist es, wenn Sievor Ort den Flyer verteilen, denn Siewissen genau, wo diese Informationnotwendig ist!

Sie können

den Flyer im

InfoCenter

bestellen.

Zehnerpack

für 5 Euro.

E D I T O R I A L

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005 1

Liebe Leserinnen, liebe Leser,seit vielen Jahren besuche ich internationaleDown-Syndrom-Kongresse, um mich über dieneuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zuinformieren. Die Veranstaltungen bieten miraußerdem die Möglichkeit, persönliche Kon-takte zu Wissenschaftlern, Fachleuten undEltern aus aller Welt zu knüpfen. So habe ich

über die Jahre viele Menschen kennen gelernt, deren Kenntnisseund Erfahrungen mir bei meiner Arbeit im InfoCenter hilfreichwaren und sind und wovon Sie als Leser von Leben mit Down-Syndrom ebenfalls profitieren, stammen doch viele Berichte undGeschichten in der Zeitschrift von diesen Down-Syndrom-Spezialisten.

Beim letzten Symposium in Palma de Mallorca wurde ich zur Vize-präsidentin der Europäischen Down-Syndrom Association (EDSA)gewählt. Damit ist nun dieses „Networking“ auf internationalerEbene auch offiziell zu einer meiner Aufgaben geworden, auf dieich mich sehr freue.Unsere Poster-Kampagne für die Deutschen Down-Syndrom-Wochen im Oktober verlangt sehr viel mehr Energie, Zeit und Geld,als ursprünglich gedacht. Wir im InfoCenter fragen uns schon mal,ob sich dieser enorme Aufwand lohnt. Jetzt ist die Planung aberabgeschlossen und obwohl uns die Finanzierung noch etwas Kopf-zerbrechen bereitet, wird an der Umsetzung gearbeitet und nimmtdas Projekt allmählich Gestalt an. Den aktuellen Stand entnehmenSie bitte dem Infoblatt, das dieser Zeitschrift beiliegt.Es ist uns eine große Ehre, dass Frau Eva Köhler unser Anliegenfür mehr Toleranz und für die Integration von Menschen mit Down-Syndrom unterstützt. Dadurch wird unsere Arbeit aufgewertetund bekommt sicherlich mehr Aufmerksamkeit in den Medien undin der Öffentlichkeit.Eines der Hauptthemen in dieser Ausgabe ist die Sprachförderung,wobei die Sprechapraxie bei Menschen mit Down-Syndrom in derdeutschen Literatur noch nie so ausführlich behandelt wurde. In-teressant sind die Beiträge von Deborah Fidler über das Entstehendes Persönlichkeitsprofils und von Wolfgang Storm zur Intelligenz.Der nachdenklich stimmende Artikel von Wolfgang Lenhard gehtder Frage nach, ob Menschen mit Down-Syndrom aussterben.

Herzlich Ihre

VERANSTALTUNGEN

Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 200569

Fachtagung 2005 „Perspektiven fürMenschen mit Down-Syndrom“

Die größte Veranstaltung in Deutschland rund um dasDown-Syndrom findet dieses Jahr in Augsburg statt.Wer bei den vorigen Fachtagungen in Bochum und Potsdam dabei war, weiß, dass man dieses Ereignisnicht verpassen sollte.

Termin

Freitag, 7. Oktober bis Sonntag, 9. Ok-tober 2005

Veranstaltungsort

Universität Augsburg, HörsaalzentrumUniversitätsstraße 10, 86159 Augsburg

Veranstalter/Organisation

Down-Syndrom Netzwerk Deutschlande.V und die Universität Augsburg

AnmeIdebüro

Down-Syndrom Netzwerk Deutschland Fachtagung Augsburg Postfach 31 31 97041 Würzburg Tel. und Fax: 0721 / 151 20 50 77 E-Mail:[email protected] http://www.Tagung.Down-Syndrom-Netzwerk.de

Teilnahmebeiträge

Bei Anmeldung bis 15. Juli 2005:Erwachsene: 90 EuroMenschen mit Down-Syndrom: 40 EuroKinder-/Jugendprogramm mit Betreu-ung: 40 Euro

Ab 15. Juli 2005 bis Anmeldeschluss am31. August 2005: Erwachsene: 110 EuroMenschen mit Down-Syndrom: 60 Euro Der Teilnahmebeitrag schließt auch dieVerpflegung gemäß Tagungsablauf amFreitag und Samstag ein.

Fachvorträge

Menschen mit Down-Syndrom berichtenüber ihr Leben, ihre Berufswünsche undihre Interessen, mit u.a.:Michaela König, Andrea Halder, Jisch-kah Griesbach, Jenny Lau,Verena Turin,Dennis Lawrenz, Kim Wilke, Orly Bader

Vorträge von Fachleuten

Dr. Mathias Gelb: Ernährungs-SurveyDown-Syndrom

Cora Halder: Erwartungen haben, Mög-lichkeiten sehen, Ressourcen aufbauen

Prof. Dr. Wolfram Henn: Der Mythosvon den guten Genen oder: Brauchenwir ein neues Menschenbild?

Detchema Limbrock: Das PörnbacherKonzept – ein ganzheitliches Förder-konzept

Dr. Christel Manske: Der systemati-sche Aufbau funktioneller Hirnsystemeam Beispiel Lesen, Schreiben, Rechnen

Prof. Dr. Hellgard Rauh: Entwicklungkognitive/motorische Kompetenzen beiVorschulkindern mit Down-Syndrom

Christiane Schuler: Was haben Inte-gration und Christoph Kolumbus mit-einander zu tun? Prof. Dr. Sabine Stengel Rutkowski: Mut

zum Paradigmenwechsel: Erwartungnormaler geistiger Entwicklungsverläu-fe, Mut zur Trauer, Abschied vomWunschkind

Dr. Wolfgang Storm: Verhaltensauffäl-ligkeiten und psychiatrische Problemebei Jugendlichen und Erwachsenen mitDown-Syndrom

Prof. Dr. Etta Wilken: Die Förderungvon Spracherwerb und sprachlichenKompetenzen bei Klein- und Vorschul-kindern

Prof. Dr. Udo Wilken: Unser Kind wirderwachsen – Perspektiven nachschuli-scher Lebensgestaltung in Beruf, Wohn-stätte und Partnerschaft

Marlies Winkelheide: Ich melde michzu Wort – Geschwister von Menschenmit Down-Syndrom

Dr. Melanie Voigt: Entwicklungsorien-tierte Musiktherapie

Seminare und Workshops

Parallel zu den Fachvorträgen werdenSeminare und Workshops angeboten.Die Teilnehmerzahl hier ist begrenzt.Themen: Menschen mit Down-Syndrom im Ge-spräch Geschwister von Kindern mit Down-Syndrom Let’s talk about sex – Partnerschaft undSexualität Wohnen – Vorstellung unterschiedlicherWohnformen Arbeiten – Vorstellung unterschiedlicherBeschäftigungs- und Qualifizierungsfor-men Eltern-Kind-Beziehung. Frühe entwick-lungspädagogische Begleitung Lesen lernen bei Kindern mit Down-Syndrom Integration in Kindergarten und SchuleErgotherapie Musiktherapie Logopädie, Castillo Morales Sprachentwicklungstherapie nach Pa-dovan Neuroentwicklungsphysiologischer Auf-bau nach Pörnbacher Probleme mit dem Gehör Die Lekotek-Methode – spielend fürs Le-ben lernen Homöopathie und medizinische Aspekte TNI-Basis-Ernährung für Menschen mitDown-Syndrom PsychotherapieÄlter werden mit Down-Syndrom, Seniorenkonzepte Pflegeversicherung, Eingliederungshilfe Sozialgesetzbuch IX – Integration undTeilhabe Rechte schwerbehinderter Menschen

Referentinnen und Referenten: ClaudiaColloredo-Mannsfeld, Dr. Katja de Bra-ganca, Gernot Griesbach, Inge Henrich,Ludvika Herder, Evelyn Küpper, Gundu-la Meyer-Eppler, Dr. Martin Menzel, Re-gina Neuhäusel, Heidi Walter und vieleandere.

Aktuelle Informationen zur Fach-tagung finden Sie im Internet unter:www.Tagung.Down-Syndrom-Netz-werk.de.Von dieser Homepage können Pro-spekte und Anmeldeformulare her-untergeladen werden.

A K T U E L L E S

72 Leben mit Down-Syndrom Nr. 49, Mai 2005

Ja, ich möchte Ihre Arbeit mit einer Spende von .......... Euro unterstützen:

Name (Blockschrift) ……………………………………………………………………………………………….....................…………Unser Kind mit DS ist am ...............………...........…….. geboren und heißt ……………………………..…….........……….Straße ………………………………………………………………………………………………………………............................... PLZ/Ort/(Staat) ………………………………………………………………… Tel./Fax ……………………............….................

‘ Bei einer Spende ab Euro 25,– erhalten Sie regelmäßig unsere Zeitschrift

InlandIch bin damit einverstanden, dass meine Spende jährlich von meinem Konto abgebucht wird.

(Diese Abbuchungsermächtigung können Sie jederzeit schriftlich widerrufen.)

Konto Nr. ……………………………………………….. BLZ ……………………………………..............………...........Bankverbindung ………………………………………………Konto-Inhaber ………………………………............................

Meine Spende überweise ich jährlich selbst: Konto der Selbsthilfegruppe Nr. 50-006 425, BLZ 763 500 00

bei der Sparkasse Erlangen. Unter Verwendungszweck „Spende” Ihren Namen und Ihre Anschrift eintragen.

Ausland (Spende ab Euro 30,–)Postanweisung oder Überweisung auf das Konto der Selbsthilfegruppe Nr. 50-006 425, BLZ 763 500 00

bei der Sparkasse Erlangen. Unter Verwendungszweck „Spende” Ihren Namen und Ihre Anschrift eintragen

Datum ……………………………… Unterschrift ……………………………………………………..................................…....

Ihre Spende ist selbstverständlich abzugsfähig. Die Selbsthilfegruppe ist als steuerbefreite Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschafts-

steuergesetzes beim FA Nürnberg anerkannt. Bei Spenden über Euro 50,– erhalten Sie automatisch eine Spendenbescheinigung.

Bitte ausgefülltes Formular auch bei Überweisung/Scheck unbedingt zurückschicken an: Deutsches Down-Syndrom InfoCenter, Hammerhöhe 3, 91207 Lauf (Tel. 09123/98 21 21, Fax 09123/98 21 22)

Dreimal jährlich erscheint die Zeitschrift Leben mit Down-Syndrom,in der auf ca. 70 Seiten Informationen über das Down-Syndromweitergegeben werden.

Die Themen umfassen Förderungsmöglichkeiten, Sprachentwick-lung, medizinische Probleme, Integration, Ethik u.a. Wir geben die neuesten Erkenntnisse aus der Down-Syndrom-Forschung aus dem In- und Ausland wieder. Außerdem werden neue Büchervorgestellt, gute Spielsachen oder Kinderbücher besprochen sowie über Kongresse und Tagungen informiert. Vervollständigt wirddiese informative Zeitschrift durch Erfahrungsberichte von Eltern.

Ihre Spende ist selbstverständlich abzugsfähig. Die Selbsthilfe-gruppe ist als steuerbefreite Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes beim FA Nürnberg anerkannt.

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www.ds-infocenter.de

Pränatale Diagnostik, selektiver Fetozidund Down-Syndrom

Haarausfall und Zöliakie

Syndrom-spezifisches Persönlichkeitsprofilbei kleinen Kindern mit Down-Syndrom

Sprachförderung – ein Leben lang / Spracherwerbund Gebärden / Sprechapraxie

Erziehung zur sozialen Selbstständigkeit

Behindertentestament

Nr. 49 / Mai 2005ISSN 1430-0427

d e u t s c h e s

i n f o c e n t e rdown-syndrom

Für unseren neuen Flyer mit Empfeh-lungen zur Diagnosevermittlung, denwir an über 1000 Geburtskliniken sowiean alle Hebammenschulen verschickthaben, erhielten wir bereits sehr vielpositive Resonanz.Wir wünschen uns nun, dass unsereRatschläge auch ernst genommen undin die Praxis umgesetzt werden.

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Leben mit

www.ds-infocenter.de

Pränatale Diagnostik, selektiver Fetozidund Down-Syndrom

Haarausfall und Zöliakie

Syndrom-spezifisches Persönlichkeitsprofilbei kleinen Kindern mit Down-Syndrom

Sprachförderung – ein Leben lang / Spracherwerbund Gebärden / Sprechapraxie

Erziehung zur sozialen Selbstständigkeit

Behindertentestament

Nr. 49 / Mai 2005ISSN 1430-0427

d e u t s c h e s

i n f o c e n t e rdown-syndrom

Für unseren neuen Flyer mit Empfeh-lungen zur Diagnosevermittlung, denwir an über 1000 Geburtskliniken sowiean alle Hebammenschulen verschickthaben, erhielten wir bereits sehr vielpositive Resonanz.Wir wünschen uns nun, dass unsereRatschläge auch ernst genommen undin die Praxis umgesetzt werden.

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