Akuttherapie und Management der Anaphylaxie - gpau.de · PDF fileDie Akut ­ behandlung wird ... zierte Daten zur Epidemiologie müssen ... Grad Haut- und subjek- Abdomen Respirations-

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    Akuttherapie und Management der Anaphylaxie

    Leitlinien der Gesellschaft fr Pdiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V.

    S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft fr Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), des rzteverbands Deutscher Allergologen (AeDA), der Gesellschaft fr Pdiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), der Deutschen Akademie fr Allergologie und Umweltmedizin (DAAU), des Berufsverbands der Kinder- und Jugendrzte Deutschlands (BVKJ), der sterreichischen Gesellschaft fr Allergologie und Immunologie (GAI), der Schweizerischen Gesellschaft fr Allergologie und Immunologie (SGAI), der Deutschen Gesellschaft fr Ansthesiologie und Intensiv medizin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft fr Pharmako logie (DGP), der Deutschen Gesellschaft fr Psychosomatische Medizin (DGPM), der Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie Training und Edukation (AGATE) und der Patienten organisation Deutscher Allergie- und Asthmabund (DAAB)

    Johannes Ring 1, Kirsten Beyer 2, Tilo Biedermann 3, Andreas Bircher 4, Dorothea Duda 5, Jrg Fischer 3, Frank Friedrichs 6, Thomas Fuchs 7, Uwe Gieler 8, Thilo Jakob 9, Ludger Klimek 10, Lars Lange 11, Hans F. Merk 12, Bodo Niggemann 13, Oliver Pfaar 10, Bernhard Przybilla 14, Franziska Ruff 14, Ernst Rietschel 15, Sabine Schnadt 16, Roland Seifert 17, Helmut Sitter 18, Eva-Maria Varga 19, Margitta Worm 20, Knut Brockow 1

    1 Klinik und Poliklinik fr Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Technische Universitt Mnchen; 2 Klinik fr Pdiatrie m. S. Pneumologie und Immunologie, Charit Universittsmedizin Berlin; 3 Universitts-Hautklinik Tbingen; 4Klinik fr Dermatologie, Universittskrankenhaus Basel, Schweiz; 5 Klinik fr Ansthesiologie und Intensivmedizin, Katholisches Klinikum Mainz; 6 Kinderarztpraxis Laurensberg, Aachen; 7 Hautklinik, Universittsmedizin Gttingen; 8 Klinik fr Psychosomatik und Psychotherapie, Universitt Gieen; 9 Universitts-Hautklinik Freiburg; 10 Zentrum fr Allergologie und Rhinologie Wiesbaden, Universitts-HNO-Klinik Mannheim; 11 St.-Marien-Hospital Bonn; 12 Hautklinik, Universittsklinikum Aachen; 13 DRK Kliniken Berlin Westend; 14 Klinik und Poliklinik fr Dermatologie und Allergologie, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universitt, Mnchen; 15 Zentrum fr Kinder- und Jugendmedizin, Universittsklinikum Kln; 16 Deutscher Allergie- und Asthmabund e. V., Mnchengladbach; 17 Institut fr Pharmakologie, Medizinische Hochschule Hannover; 18 Institut fr Chirurgische Forschung, Philipps-Universitt, Marburg; 19 Universittsklinik fr Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universitt Graz, sterreich; 20 Klinik fr Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Allergie-Centrum-Charit, Charit-Universittsmedizin Berlin

    Entwicklungsstufe: S2 AWMF-Leitlinien-Register-Nummer: 061-025 Fertigstellung: 1. Dezember 2013

    Gltigkeit: bis April 2019 berprfung: geplant fr 1. April 2018 ICD-10-Nummern: T 78, T 80, J.45, L 23

    Englische Fassung: http://link.springer. com/journal/40629

    Verwendete AbkrzungenACE Angiotensinkonvertierendes EnzymFiO2 Inspiratorischer SauerstoffanteilHES HydroxyethylstrkeNaCl NatriumchloridNSAR Nichtsteroidale Antirheumatika

    Problemstellung

    Unter Anaphylaxie versteht man eine akute systemische Reaktion mit Symptomen einer allergischen Sofortreaktion, die den ganzen Organismus erfassen kann und potenziell lebensbedrohlich ist [13].

    Die Definition der Anaphylaxie ist weltweit nicht einheitlich. Derzeit wer

    den verschiedene Klassifikationssys teme verwendet. Im deutschen Sprachraum ist bislang berwiegend die hier verwendete Klassifikation eingesetzt worden.

    Anaphylaktische Reaktionen gehren zu den schwersten und potenziell lebensbedrohlichen, dramatischen Ereignissen in der Allergologie. Die Akutbehandlung wird auf der Grundlage

  • internatio naler Leitlinien und Empfehlungen von Lehrbchern durchgefhrt. 1994 erschien das Ergebnis einer interdisziplinren Konsensuskonferenz als Positionspapier der Deutschen Gesellschaft fr Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) im Allergo Journal [4], welches im Jahr 2007 aktualisiert als Leitlinie verffentlicht wurde [5].

    Auf Vorstandsbeschluss der DGAKI von 2009 wurde die Arbeitsgruppe Anaphylaxie beauftragt, die Leitlinie zu aktualisieren. Die Teilnehmer dieser Arbeitsgruppe haben sich zusammen mit Experten anderer Fachgesellschaften mehrmals getroffen. Sie kommen aus den Bereichen Allergologie, Ansthe siologie und Intensivmedizin, Dermatologie, Pdiatrie, Innere Medizin, Otolaryngologie, Notfallmedizin, Pharmakologie, Pneumologie und theoretische Chirurgie.

    Neben Mitgliedern der DGAKI sind Vertreter des rzteverbandes Deutscher Allergologen (AeDA), der Gesellschaft fr Pdiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), des Berufsverbands der Kinder und Jugendrzte Deutschlands (BVKJ), der Deutschen Akademie fr Aller gologie und Umweltmedizin (DAAU), der sterreichischen Gesellschaft fr Allergologie und Immunologie (GAI), der Schweizerischen Gesellschaft fr Allergologie und Immunologie (SGAI), der Deutschen Gesellschaft fr Ansthesiologie und Intensivmedizin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft fr Pharmakologie (DGP), der Deutschen Gesellschaft fr psychosomatische Medizin (DGPM), der Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie Training und Edukation (AGATE) sowie der Patientenorganisation Deutscher Allergie und Asthmabund e. V. (DAAB) eingebunden. Konsensuskonferenzen fanden im September 2009 in Wiesbaden, im Mrz 2011 in Grainau, im Januar 2012, im Oktober 2012 und im Dezember 2012 in Mnchen statt. Die auf den Konferenzen erarbeiteten Empfehlungen beruhen auf Literaturrecherchen unter Bewertung von klinischen Studien, Fallserien, Einzelfallbeschreibungen, experimentellen Untersuchungen, auf Erfahrungen der Teil

    nehmer sowie auf theoretischen berlegungen. Fallserien erlangten die grte Bedeutung, whrend theo retische berlegungen nur dann die Bewertung beeinflussten, wenn weder Einzelflle noch Fallserien oder experimentelle Untersuchungen fr die Beurteilung herangezogen werden konnten. Insgesamt ist die Anzahl aussagekrftiger Studien zur Anaphylaxie so gering, dass das Management in vielen Bereichen empirisch bleibt und sich hufig aus patho physiologischen berlegungen ableitet.

    Anaphylaktische Reaktionen knnen auf jeder Stufe der Symptomatik spontan zum Stillstand gelangen, aber auch trotz adquater Therapie fortschreiten. Diese Unwgbarkeit erschwert es, die Wirksamkeit therapeutischer Manahmen zu beurteilen. Einzelfallbeobachtungen erlauben keine Einschtzung darber, ob spezifische Manahmen wirksam waren. Bekannt ist, dass Patienten nach einer Anaphylaxie infolge eines Insektenstichs nur unzureichend nachbetreut wurden [6, 7]. Die nur unzureichende Grundversorgung der Patienten unterstreicht die Notwendigkeit weiterer wissenschaftlicher Arbeit sowie die Bedeutung der vorliegenden Leitlinie.

    Diese Leitlinie richtet sich an alle rzte sowie andere im Medizinbereich ttige Personen, die an der Akutbehandlung, Diagnostik und Beratung von Patienten mit Anaphylaxie beteiligt sind.

    Epidemiologie der Anaphylaxie

    Seit der Erstbeschreibung der Anaphylaxie [8] gibt es wenige exakte epidemiologische Studien zur Hufigkeit (Prvalenz und Inzidenz) anaphylaktischer Reaktionen. Aufgrund der uneinheitlichen Definition (s. unten) ist von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen.

    Eine Limitation bei den Daten zur Epidemiologie der Anaphylaxie besteht in der fehlenden einheit lichen Kodierung der Anaphylaxie nach der ICD10. So exis tieren zahlreiche ICD10Kodierungen, die eine Anaphylaxie einschlieen knnen. Des Weiteren ist die Definition der Anaphylaxie weltweit nicht einheitlich [9]. Insbesondere besteht

    Klrungsbedarf bezglich der Frage, ob wiederholte kutane Reaktionen bei bestehender TypIAllergie bereits einer Anaphylaxie zuzuordnen sind, ob per definitionem die Beteiligung von mindestens zwei Organsystemen zu fordern ist oder ob nur der Organbefall des Respirations und/oder HerzKreislaufSystems eine schwere Reaktion darstellt und somit als Anaphylaxie zu werten ist. Hier besteht derzeit weder national noch international ein Konsens. Publizierte Daten zur Epidemiologie mssen daher unter Bercksichtigung dieser Aspekte bewertet werden [10].

    Retrospektive Studien lassen darauf schlieen, dass bis zu 1 % der Patienten in einer Notaufnahme einer Klinik der Maximalversorgung wegen einer anaphylaktischen Reaktion vorstellig werden [11]. Man rechnet mit ein bis drei durch Anaphylaxie bedingten Todesfllen im Jahr pro eine Million Einwohner [12].

    Zur Epidemiologie der Anaphylaxie liegen aktuelle Studien aus den USA, Grobritannien und Australien vor. Sie zeigen Inzidenzen der Anaphylaxie zwischen 7 bis 50/100.000/Jahr [1315]. Diese Zahlen implizieren eine Zunahme der Anaphylaxie in den letzten Jahrzehnten, wobei die Ursachen hierfr ungeklrt sind. Zahlen aus dem deutschsprachigen AnaphylaxieRegister und auch Daten aus anderen Lndern der Welt zeigen, dass Nahrungsmittel die hufigsten Auslser einer Anaphyla

    2

    Hufige Auslser schwerer anaphylaktischer Reaktionen

    bei Kindern und Erwachsenen [10]

    Tab. 1

    Auslser Kinder Erwachsene

    Nahrungs- mittel (%) 58 16

    Insekten- gifte (%) 24 55

    Arznei- mittel (%) 8 21

  • xie im Kindesalter sind [10]. Insektengifte sowie Medikamente stehen an erster Stelle der Auslser bei Erwachsenen in Deutschland (Tab. 1), wobei hier international bezglich der Reihenfolge Unterschiede bestehen. Im Kindesalter sind Jungen hufiger von einer Anaphylaxie betroffen als Mdchen, eine Angleichung der Geschlechtsverteilung findet sich nach der Pubertt [16].

    Pathophysiologie

    Die Symptome anaphylaktischer Reaktionen werden verursacht durch die Freisetzung verschiedener Mediatoren (z. B. Histamin, Prostaglandine, Leukotriene, Tryptase, plttchenaktivierender Faktor, Zytokine, Chemokine) aus Mastzellen und basophilen Granulozyten [