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Allgemeines (1) Transkription = „Verschriftlichung von akustischen oder audiovisuellen Gesprächsprotokollen nach festgelegten Notationsregeln“ (Uni Freiburg Online-Tutorial) versch. Stellen eines Gesprächs simultan vergleichbar leichterer Überblick wird geboten Ermöglichung einer extensiven und beliebig oft wiederholbaren Analyse eines sprachl. Phänomens Ziel: „Originalgeschehen im Verlauf der Datenauf- bereitung möglichst authentisch zu erhalten“ 2 Allgemeines (2) Gesprächsanalyse: seit 60er/70er Jahren Transkription von Interaktion in natürlichen Situationskontexten = Voraussetzung in Linguistik sowie Soziologie, Psychologie, Pädagogik etc. eigenes Transkriptionssystem erforderlich Problem: verschiedene Notationskonventionen Oberflächliche Zukenntnisnahme der Daten Vorschläge für einheitliches gesprächsanalytisches Transkriptionssystem ohne theoriegebundene Vorannahmen Mindeststandard (Basistranskript) erforderlich (weiter ausbaufähig) 3 Transkriptionsprinzipien und -kriterien Ausbaubarkeit und Verfeinerbarkeit (Zwiebelprinzip) Lesbarkeit Ökonomie und Eindeutigkeit Robustheit Ikonizität Relevanz Kompatibilität mit anderen üblichen Systemen 4

Allgemeines (2) Transkriptionsprinzipien und -kriterienandreeva/Courses/WS2008/GAT.pdf · Aufbau aus zwei Teilen aufgebaut: Transkriptionskopf Gesprächstranskript Basistranskript

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Allgemeines (1)

� Transkription = „Verschriftlichung von akustischen oder audiovisuellen Gesprächsprotokollen nach festgelegten Notationsregeln“ (Uni Freiburg � Online-Tutorial)

� versch. Stellen eines Gesprächs simultan vergleichbar

� leichterer Überblick wird geboten

� Ermöglichung einer extensiven und beliebig oft wiederholbaren Analyse eines sprachl. Phänomens

� Ziel: „Originalgeschehen im Verlauf der Datenauf-bereitung möglichst authentisch zu erhalten“

2

Allgemeines (2)� Gesprächsanalyse: seit 60er/70er Jahren

� Transkription von Interaktion in natürlichen Situationskontexten = Voraussetzung in Linguistik sowie Soziologie, Psychologie, Pädagogik etc.

� eigenes Transkriptionssystem erforderlich

� Problem: verschiedene Notationskonventionen

� Oberflächliche Zukenntnisnahme der Daten

� Vorschläge für einheitliches gesprächsanalytisches Transkriptionssystem ohne theoriegebundene Vorannahmen � Mindeststandard (Basistranskript) erforderlich (weiter ausbaufähig)

3

Transkriptionsprinzipien

und -kriterien

� Ausbaubarkeit und Verfeinerbarkeit (Zwiebelprinzip)

� Lesbarkeit

� Ökonomie und Eindeutigkeit

� Robustheit

� Ikonizität

� Relevanz

� Kompatibilität mit anderen üblichen Systemen

4

Aufbau

aus zwei Teilen aufgebaut:

● Transkriptionskopf

● Gesprächstranskript

� Basistranskript(Festschreibung gesprächsanalytischer Mindeststandards)

� Feintranskript

5

Transkriptionskopf

� Herkunft, Zugehörigkeit, Name des Gesprächs

� Tag, Ort und Dauer der Aufnahme

� Namen der Aufnehmenden / Transkribierenden

� Situationsbeschreibung, z.B. Interview etc.

� Teilnehmerrollen, z.B. Lehrer und Schüler

� Teilnehmerbeschreibung: Kürzel, Geschlecht,

Alter, Beruf + relevante Infos (z.B. Dialekt)

� Gesprächsverlauf (Art Inhaltsangabe)

� Ggf. Hinweis auf Bearbeitungsstand

6

Für Publikationen� Transkriptionskopf verkürzt

● Namen: Transkript und Autor

● Gesprächstyp

● Ausschnitt: Anfangs- und Endzeiten (wenn verfügbar)

● Situationsbeschreibung: (( ))

● stimmliche / sprachliche Besonderheiten

7

Allgemeine Struktur des Gesprächtranskripts

● Nacheinander auf dem Papier = N. in der Zeit1) äquidistante Schrift (z.B. Courier),

Tabullatoren vermeiden2) generelle Kleinschreibung (groß = Akzent)3) Nummerierung der Zeilen beginnend mit „01“4) Nr., 3 Leerzeichen, Sprecherkürzel, 3 Lz, Text5) Basistranskript erweiterbar (z.B. Prosodie)6) Übersetzungen für fremdsprachliche

Publikationen: kursiv unter entspr. Zeile7) Für Analyse relevantes Phänomen: „—> “

8

Basistranskript� Aufbau

� Wiedergabe des Wortlautes

� Minimale prosodische Transkription

� Überlappungen und schnelle Anschlüsse

� Pausen und Dehnungen

� Abbrüche

� Para- und nonverbale Aktivitäten (z.B. Husten)

� Interpretierende Kommentare

9

1) Wiedergabe des WortlautesSegmentale sprachliche Transkription

� „Literarische Umschrift“- Ohne phonetische Symbole- Verschriftlichung erfolgt normkonform,d.h. entsprechend der Standardsprache (oderdes Dialektes)

� das/daß = /dat/ = „dat“ (nirgendwo standardkonform = gleich)

� nicht = /nich/ / „nich“aber: lustig = /�/ = „lustig“(normkonform), nicht: “lustich”- außer der Sprecher wechselt zwischen 2Variantenz.B. lustig vs. lustich (süddt.)

lustig vs. lustik (norddt.)10

2) Turns und Überlappungen

11

3) Schnelle Turnanschlüsse � schneller Anschluss eines neuen Turns / einer neuen

prosodischen Einheit ohne die übliche Mikropause

� Markierung am Ende der vorhergegangenen und am Anfang der nächsten Einheit

� Beispiel 1:

� Beispiel 2: (innerhalb der Intonationseinheit)

(„äh“ ohne Glottalverschluss direkt an „noch“ gebunden)

12

4) Pausen � Notation innerhalb der Zeile oder am Beginn der

Folgezeile (wenn nicht eindeutig zuzuordnen: gesonderte Zeile zwischen Sprecherbeiträgen)

� (.) Mikropause

� (-), (--), (---) kurze, mittlere, längere Pausen (geschätzt)

� (2.0) Angabe der geschätzten Pausendauer in Sekunden

� (2.85) Angabe der präzisen Pausendauer in Sekunden (zwei Nachkommastellen)

13

Pausen � Beispiel

14

Sonstige segmentale Transkiptionskonventionen

1) Dehnungen� Abhängig von Akzentuierung, Sprechgeschwindigkeit

und Rhythmus

: Silbe etwas länger als erwartet gedehnt

:: / ::: deutlich größere Längung

� auffällige Verzögerung, Hervorhebung

● Beispiel: so:: un::d

15

Sonstige segmentale Transkriptionskonventionen

2) Verzögerungssignale

� Sogenannte „gefüllte Pausen“

� äh

� öh

� ähm

� Beispiel:

16

Sonstige segmentale Transkriptionskonventionen

3) Glottalverschluss

� ‘ steht für Abbruch durch Glottalverschluss

z.B. ich hab geda‘

� ein ohne Glottalverschluss endendes Wortfragment, z.B. bei einem reparierten Versprecher, sieht beispiels-weise so aus:

die ble bremse hat versagt

�Der normgerechte Einsatz des Verschlusses wird nicht notiert

17

Sonstige segmentale Transkriptionskonventionen

4) Lachen

� so(h)o � Lachpartikeln beim Reden

� Hahaha, hehe, hihi � kürzeres und „silbisches“Lachen

� ((lacht)) � Beschreibung des Lachens

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Sonstige segmentale Transkiptionskonventionen

5) Rezeptionssignale� Einsilbige Signale: hm, ja, nein, nee

� Zweisilbige: hm=hm, ja=a, nei=ein, nee=e

� Reduplizierendes Signal mit Glottalverschlüssen (verneinend): ‘hm‘hm

� ne = Frageanhängsel (tag-question) / Dialogsignal, mit dem der Sprecher von seinem Gegenüber ein Rezeptionssignal anfordert. Beispiel:

19

Prosodie: Phrasierungseinheiten

= kleinere Einheiten der Turns

� angegeben durch die Zeichen für Tonhöhenbewe-gungen am Einheitenende

� prosodische, syntaktische und semantische Grenze muss erkennbar sein

�Beginn einer neuen Einheit: durch Zeilensprung gekennzeichnet (wenn nicht: fortlaufend weiterschreiben)

20

Prosodie: Akzente

� Pro Phrasierungseinheit mindestens ein Hauptakzent (Primärakzent)

� Akzentuierte Silbe in Großbuchstaben

z.B. RENnen, HOlen, HATte, …

� auffällig starker Akzent: ak!ZENT!

� Beispiel:

21

Prosodie:Tonhöhenbewegungvor Einheitenende

� Angabe der letzten T.bew. = Ende der Intonat.phrase

hoch steigend : ?

mittelsteigend: ,

gleichbleibend: -

mittel fallend: ;

tief fallend: .

� ne? / nich wahr? : Notation der Tonhöhenbewegung am Ende der syntaktischen Einheit + Notation der Tonhöhenbewegung am Ende des Anhängsels

22

Nonverbale Handlungen

� Charakterisierung außersprachlicher Handlungen

z.B. ((schnieft)), ((hustet))

� innerhalb eines Turns oder anstelle / parallel zu einer verbalen Einheit

� Beispiel:

23

Interpretierende Kommentare

= alle Phänomene, die der Transkribierende nicht formbezogen beschreiben kann, die aber relevant sind

� mit Angabe der Reichweite

� z.B. <<erstaunt> >

� innere Klammer grenzt Kommentar vom Gesprächstext ab, die äußere gibt die Extension an

24

Verständlichkeit

� unverständliche Passage: ( ) (untersch. viel Leerraum)

� vermuteter Wortlaut: (solche)

� nicht mit Sicherheit identifizierbare Laute oder Silben: al(s)o

� mögliche Alternativen, zwischen denen nicht sicher entschieden werden kann: (welche/solche)

25

Feintranskript: prosodische Verfeinerung

� Kennzeichnung der Akzentstellen / -stärken

� Notation des Tonhöhenverlaufs in / nach Akzentsilben

� Markierung auffälliger Tonhöhensprünge

� Notation von Veränderungen des Tonhöhenregisters, der Lautstärke, der Sprechgeschwindigkeit

� Notation des Ein- und Ausatmens

(Basistranskript wird nicht verändert, nur erweitert)26

a) Akzentstellen, -stärken� zusätzlich: Differenzierung zwischen primären und

sekundären (schwächeren) Akzenten

� Primärakzent: gesamte Akzentsilbe großgeschrieben, z.B. akZENT

� Sekundärakzent: akzenttragender Vokal großgeschrieben, z.B. akzEnt

� Beispiel:

27

b) Tonhöhensprünge= plötzliche deutliche Veränderungen der Tonhöhe

relativ zur Tonhöhe der vorherigen (un)akzentuiertenSilben

� am Beginn oder im Verlauf der Einheit markiert

� kleiner Tonhöhensprung zum Gipfel / Tal der Akzentstelle: nach oben: ↑ nach unten: ↓

� auffälliger Tonhöhensprung:

nach oben: ↑ nach unten: ↓28

c) Akzenttonhöhenbewegung

� Tonhöhenbewegung in und nach der Akzentsilbe

fallend: `KERL

steigend: ´KERL

gleichbleibend: KERL־

steigend-fallend: ^KERL

fallend-steigend: vKERL

29

d) Lautstärke und Sprechgeschwindigkeit

� << f > > forte, laut

� << ff > > fortissimo, sehr laut

� << p > > piano, leise

� << pp > > pianissimo, sehr leise

� << all > > allegro, schnell

� << len > > lento, langsam

� << cresc> > crescendo, lauter werdend

� << dim > > diminuendo, leiser werdend

� << acc > > accelerando, schneller werdend

� << rall > > rallentando, langsamer werdend

� vor die Stelle, an der die zu notierende Veränderung auftritt;

äußere Klammer geschlossen, wo Reichweite beendet ist30

e) Ein- und Ausatmen

� Einatmen (je nach Dauer):

.h, .hh, .hhh

� Ausatmen (je nach Dauer):

h, hh, hhh

� .h / h = sehr kurzes Atmen usw.

31

Notation nonverbaler / sichtbarer Anteile von Kommunikation

� Erfassung von Blickbewegung, Mimik, Gestik, Kinestetik, Blickrichtung nur mit immensem Arbeitsaufwand � überkomplexe Darstellung

� Audiovisuelle Aufzeichnung muss vorliegen!

32

Beispiel: Basistranskript

33

Dasselbe Bsp.: Feintranskript

34

DANKE FÜR EURE AUFMERKSAMKEIT

!!!

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