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Alternative Fahrzeugkonzepte und Komponenten Bruner / Stockmar Modul Kraftfahrzeugtechnik I & II Alternative Fahrzeugkonzepte und Komponenten Dr. techn. Dipl.-Ing Gerhard Bruner Prof. Dipl.-Ing. Dr. h.c Jürgen Stockmar

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Alternative Fahrzeugkonzepte und Komponenten Bruner / Stockmar

Modul Kraftfahrzeugtechnik I & II

Alternative Fahrzeugkonzepte und Komponenten

Dr. techn. Dipl.-Ing Gerhard Bruner

Prof. Dipl.-Ing. Dr. h.c Jürgen Stockmar

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Ziel der Vorlesung „Alternative Fahrzeugkonzepte und Komponenten“

Die heutige Terminologie wendet den Begriff „alternativ“ primär für eine ideologische und politische Position an, bei der vornehmlich ökologische Schwerpunkte gesetzt werden. In dieser Vorlesung soll unter „Alternativen Fahrzeugkonzepten“ dagegen der Begriff im originären Sinn als „anders“ und auch „zukunftsweisend“, eben Alternativen zu ausgeführten Lösungen aufzeigend, verstanden werden.

Dass viele der alternativen Fahrzeugkonzepte auch im politischen Sinne die Marke „alternativ“ verdienen, ist dabei kein Zufall, sondern resultiert aus den dringenden Erfordernissen, bei neuen Fahrzeugentwicklungen noch stärker als bisher Ökonomie und Ökologie zu integrieren.

Fahrzeuge stellen als Ganzes Kompromisse aus verschiedenen partiellen Lösungs-ansätzen dar, die auf der Komponentenebene bereits bestimmend wirken. Die alternativen Fahrzeugkomponenten sollen in diesem Kontext deshalb, genauso wie die Gesamtkonzepte, ausgehend von der ursprünglichen Zielsetzung oder sogar Notwendigkeit, analysiert und bewertet werden.

Im Folgenden liegt die Priorität der Betrachtungen auf dem Straßenverkehr bzw. mehrspurigen Straßenfahrzeugen. Wegen der immer wichtigeren und engeren Vernetzung der einzelnen Verkehrssysteme ( Straße, Wasser , Schiene, Luft) sind für bestimmte Aspekte auch diese Systeme fallweise in die Diskussionen zu integrieren.

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Inhalt

Aufteilung / Termine / Inhalte der Vorlesung Lebenslauf Stockmar

Teil I.

1.) Mobilitätskonzepte / Verkehrskonzepte 1.1.) Mobilität in der Geschichte 1.2.) Zusammenhang zwischen BIP und Verkehr 1.3.) Vernetzung der Mobilitäts-/Verkehrssysteme 1.4.) Intermodaler Verkehr 1.5.) Divergierende Anforderungsprofile an Verkehrssysteme 1.6.) Einflussfaktoren auf die Automobilentwicklung 1.7.) Selbstorganisation vs. Fremdorganisation von Verkehrsnetzten – Telematik 1.8.) Fahrer-Assistenz-Systeme 1.9.) Autonomes Fahren 2.0.) Alternative urbane Versorgungskonzepte

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2.) Primärenergieverbrauch 2.1.) Life Cycle Assessment des Primärenergieverbrauchs 2.2.) Verbrauch / CO2-Emissionen / EU-Vorgaben 2.3.) Verbrauchstreiber 2.4.) Alternative Konzeptfahrzeuge mit geringem Luftwiderstand, Pkw 2.5.) Typische Luftwiderstandsbeiwerte cw ausgewählter Fahrzeugtypen 2.6.) Alternative Konzeptfahrzeuge mit geringem Luftwiderstand, Lkw 2.7.) Train- und Convoy / SARTRE-Konzepte 2.8.) Gewicht – Leichtbau 2.9.) Flächenbedarf

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Teil II. 3.) Werkstoffe3.1.) Anforderungen an Werkstoffe3.2.) Festigkeit – Gewicht – Kosten3.3.) neue Stähle3.4.) CFK3.5.) Hybrid-Bauteile3.6.) Nachwachsende Rohstoffe

4.) Fahrwerkskomponenten4.1.) Reifen4.2.) Silika als Füllstoff4.3.) Kunststoffreifen4.4.) Räder4.5.) Antrieb4.6.) Radführungen4.6.1.) aktive Radführungen4.7.) Federn4.7.1.) aktive Federung4.8.) Stoßdämpfer4.9.) Bremsen

5.) Resümee 6.) Literaturverzeichnis

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Sommersemester 2013 Knoller-Hörsaal; jeweils Donnerstag 10 bis 12 Uhr

Aufteilung / Termine / Inhalte der Lehrveranstaltung:

7. März; 14. März; 21. März; Mobilitäts- / Verkehrskonzepte - Gesamtfahrzeugkonzepte – Assistenzsysteme-

Autonomes Fahren Stockmar

11. April; 18. April; 25. April;Energiespeicher - Antrieb/ Antriebsanordnung - Getriebe/ Kraftübertragung

Bruner

2. Mai; 16. Mai; 23. Mai; 6. Juni;Werkstoffe – Räder/ Reifen - Federung/ Dämpfung- Achsen / Achsführungen - Bremsen -

Lenkung - Stockmar

13. Juni; 20. Juni; 27. Juni; Rahmen/ Aufbau/ Interior - Kühlung/ Heizung/ Klimatisierung - Elektrik/ Elektronik -

Sicherheitssysteme/ Komfortsysteme

Bruner

Prüfungstermine 21. Juni 2013, 12. Juli 201313, 13. September 2013

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Lebenslauf Prof. DI Dr. h.c. Jürgen Stockmar

bis 1968 Studium des Maschinenbaus, Fachrichtung Verkehrsmaschinen, TH Hannover

1969 Leiter der Motorsportabteilung Fa. Solex Vergaser, Neuss

 1972 Ressortleiter „Test & Technik“, später Chefredakteur bei der Auto Zeitung, Köln

 1976 Leiter der Abtlg. Fahrwerkabstimmung bei AUDI NSU, Ingolstadt

 1981 Entwicklungsleiter Allradfahrzeuge bei Steyr-Daimler-Puch AG, Bereich Graz,

ab 1985 Mitglied des Vorstandes Steyr-Daimler-Puch, Bereich „Entwicklung“

 1988 Mitglied des Vorstandes der AUDI AG, Ingolstadt, Bereich „Technische Entwicklung“

 1990 Mitglied des Vorstandes der Steyr-Daimler-Puch AG, Wien

Vorsitzender der Geschäftsführung der S-D-P Fahrzeugtechnik GmbH, Graz

 1994 Mitglied des Vorstandes der Adam Opel AG, Rüsselsheim, Bereich Technik

seit 1997 Vorlesungen an der TU Wien „Chassis design and its influence on vehicle

dynamics“

 1998 Mitglied des Vorstandes der Magna International und Magna Europa AG, Bereich F &

E

seit 2002 Unternehmensberater, u.a. für MagnaSteyr, MIBA, steyr. Landesregierung

 2003 bis 2010 Geschäftsführer „Magna Education and Research GmbH & Co KG“

2005 bis 2009 Mitglied des Aufsichtsrates der Continental AG2005 bis 2010 Mitglied des „Rat für Forschung und Technologieentwicklung“ der österreichischen Bundesregierung

2006 bis 2012 Mitglied des Aufsichtsrates der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft

 

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1.) Mobilitätskonzepte / Verkehrssysteme

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1.1.) Mobilität in der Geschichte

Eine Grundbedingung für die Entwicklung höherer Kulturen und wachsenden Wohlstand stellt Mobilität dar. Erst Mobilität ermöglicht den Austausch von Ideen, Wissen, Personen und Waren zur kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung durch Synergien und Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Wirtschaftssystemen. So basierten die Expansion und Funktion aller großen alten Reiche auf zwei Säulen:

militärische Stärke und perfekt ausgebautes Straßennetz.

Abb. 1. Römisches Hauptstraßennetz ,100 n.Chr.

Die industrielle Revolution führte zu einem neuen Verkehrsnetz: der Eisenbahn. Nach der Entwicklung der effizienten Dampf-maschine (Patent James Watt 1769) stand erstmals eine Kraftmaschine mit ausreichender Leistung zur Verfügung.

Nach dem Bau der ersten Eisenbahnroute 1825 (Stockton-Darlington, GB) nahm die Zahl der Eisenbahnstrecken rapide zu. 1880 verfügte das Eisenbahnnetz weltweit über eine Länge von 367.235 km.

Heutige Gesamtlänge des globalen Eisenbahnnetzes: knapp 1.2 Mio. km.

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Mit dem Automobil (Daimler/Benz 1886) verlagerte sich der Schwerpunkt der bisherigen Verkehrskonzepte von der Eisenbahn und eingeschränkt dem Wasserverkehr auf den Straßenverkehr. Bis heute wurden weltweit 32 Millionen Kilometer Straßen (einschließlich Pisten) angelegt, und jede kleine Ansiedlung verfügt über eine Straßenanbindung.

Die Eisenbahn als Verkehrsmittel ermöglichte die Entwicklung bis dahin unbekannter Mobilitätskonzepte mit schnellen Transporten von größeren Personen- Anzahlen und auch Massengütern. Bis zur Erfindung des Automobils stellte die Eisenbahn für den Langstrecken-Verkehr zu Land das wichtigste Mobilitätskonzept dar.

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1.2.) Zusammenhang zwischen BIP und Verkehr

Wegen der Wichtigkeit von Mobilität und Verkehr auf die gesamte Entwicklung, besonders auf Beschäftigung und Wohlstand, hat die Europäische Union als Garant für eine weitere positive Gesamtentwicklung des europäischen Raumes das Vier-Säulen-Konzept für Mobilität und Freizügigkeit postuliert: 1.) Freizügigkeit von Kapital 2.) Freizügigkeit von Waren 3.) Freizügigkeit von Personen 4.) Freizügigkeit von Dienstleistung Freizügigkeit von Ideen fehlt!

Die Bindung von Verkehrsaufkommen zum Bruttoinlandsprodukt belegen die Daten in Abb.2. Der überproportionale Anstieg des Güterverkehrsaufwandes gegenüber dem BIP liegt vor allem im „Warentourismus“, d.h. Einkauf von Gütern in Niedrigkostenländern ,Transport zur Verwendung in Europa. Exotische Lebensmittel eingeschlossen. (Zu) niedrige Transportkosten sind der Treiber dieser Entwicklung.(Gütertransportintensität = Verkehrsaufwand pro Einheit BIP)

Abb.2

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1.3.) Vernetzung der Mobilitäts-/Verkehrssysteme

Abb. 3 zeigt die vielfältige Vernetzung der wichtigsten Mobilitäts-und Verkehrssysteme und mit den auf der darunter liegenden Ebene angewandter Antriebs-Technologien. Die einzelnen Verkehrssysteme waren bereits als Netzwerke konzipiert (Straßennetz, Schienennetz, Schifffahrts- und Flugrouten). Für die Zukunft spielt die enge Vernetzung der Systeme miteinander zur Optimierung der jeweiligen Transportkapazitäten in ökonomischer und ökologischer Sicht als alternative Transportplanung eine immer wichtigere Rolle.

Systemebene

Technologie-Ebene

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Zur Beherrschung der komplexer vernetzten Transportwege sind Steuerungssysteme notwendig, die für den speziellen Transport den Zeitbedarf, die Kosten oder – noch selten – die ökologischen Vorteile optimieren.

Traditionelle Transportunternehmen arbeiten heute als Logistik-Dienstleister, die das gesamte Leistungsportfolio der Steuerung und des Transportes in stark vernetzten Verkehrssystemen bearbeiten.

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Abb. 4

1.4.) Intermodaler Verkehr

Die Einführung von Containern für den Warentransport hat einen ökonomischen Verkehr über die einzelnen Systeme ermöglicht. Das deutsche Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sieht noch weitere Ausbauchancen:

„Intermodalen Verkehren wird ein großes Wachstumspotenzial bescheinigt, da sie die Vorteile des LKW im Flächenverkehr mit den gebündelten Transporten auf Schiene und Wasser verknüpfen. Da …auch Verlagerungseffekte von der Straße erzielt werden, kommt der Attraktivitätssteigerung des Intermodalen Verkehrs wichtige politische Bedeutung zu. Im Vergleich … (zu) dem reinen Lkw-Transport, hat der Intermodale Verkehr allerdings den Nachteil einer größeren Komplexität (z.B. Umschlag, Pünktlichkeit).“

Abb.4

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Bei der Einschätzung der zukünftigen Transportvolumina des intermodalen oder integrierten Verkehrs muss beachtet werden, dass Kraftfahrzeuge wegen des gut ausgebauten Straßennetzes Flächenbedienung ermöglichen, Eisenbahn , Schifffahrt und Luftverkehr dagegen nur Linienbedienung. Auch deshalb wird ein weiterer hoher Anstieg des Straßengüterverkehrs prognostiziert- allein 20 % bis 2020 (MAN), mindestens 50 % bis 2050 (BMVIT).

Mit den bestehenden Transportwegen auf Straße und Schiene sind die Erweiterungsmöglichkeiten für den intermodalen Verkehr allerdings beschränkt. Die Analyse der aktuellen Transport-Anteile für Personen und Güter zeigt das deutlich (Abb.4). Lkw transportieren derzeit rund 70 % aller Güter.

Eine Verlagerung von nur zehn Prozent des Lkw-Transportvolumens auf die Schiene bedeutet dort eine Steigerung um 40 %. Damit würde das System Eisenbahn sowohl organisatorisch als auch kapazitätsmäßig überfordert.

Bei der Einschätzung der möglichen ökologischen Vorteile des Schienentransportes bei integriertem, intermodalen Verkehr sind die realen Möglichkeiten gegenüber den häufig ideologisch/politisch begründeten Zielsetzungen zu berücksichtigen. Politisches Wunschdenken übertrifft hier die Realität.

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Die Transportkapazität des Schienenverkehrs ist nicht beliebig zu steigern. Das reibungsarme Rad-Schiene-System ( Rad/Schiene ca. 0,12; Reifen/Fahrbahn 0,7/1,3 ) mit niedrigerem Verbrauch zur Überwindung des geringen Rollwiderstandes bedingt lange Bremswege und damit Zugfolgen mit großen Abständen, bei höheren Geschwindigkeiten bis zu mehreren Kilometern.

Abb. 5

Der Streckenausbau der Bahn kostet heute pro Leistungskilometer fast das Dreifache als die Schaffung der gleichen Straßenkapazität (Abb.5). Der Kostenvorteil der Straße beruht hauptsächlich im deutlich gesteigerten Transportvolumen und der höheren Durchschnittsgeschwindigkeit moderner Lkw und damit entsprechend gesteigerten Tonnenkilometern.

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Der Autoreisezug stellt heute einen praktizierten intermodalen Verkehr für den Auto- und Personentransport dar. Verladen / Entladen aber zeitintensiv.

Vorschlag zur Zeitersparnis: simultane Querverladung, nur mit kurzen Fahrzeugen möglich. Diese Alternative aber nur für Spezialstrecken ( z. B. Alpentunnel) interessant und kann wegen begrenzter Kapazität ( siehe Abb 4. ) den Straßenverkehr insgesamt nicht signifikant entlasten. Nur Vision?

Fahrzeuge nicht notwendigerweise identisch, aber kurz (Smart-Länge 2695 mm) . Maximale Länge ca. 2500 mm (abhängig von lokalen Lichtraumprofilen).

Abb. 6 Quelle: Asmo / Schindler Waggon

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1.5.) Divergierende Anforderungsprofile an Verkehrssysteme

Die heute gebräuchlichsten Verkehrssysteme umfassen vom Fußgänger, Fahrrad, Motorrad, Pkw, Lkw, Bahn, Flugzeug, Fluss-/Seeschifffahrt ein breites Spektrum.

Ihre Anforderungen betreffen weit divergierende Komplexe(Reihenfolge nicht gewichtet, hängt vom Transportmittel und – Einsatzprofil ab):

1.) Transportkapazität2.) Ökonomie (Kosten)2.) Sicherheit3.) Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit4.) Reichweite5.) Komfort7.) Ökologie (Umweltverträglichkeit)8.) Geschwindigkeit - Zeit9.) Abholung / Anlieferung am Ort10.) Geräusch

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Ökologie, Sicherheit und Ökonomie der Transportsysteme stellen die wichtigsten Entwicklungs- und Innovationsziele aller Verkehrssysteme dar.

Die beiden ersten Aufgaben reglementiert die EU für Straßenfahrzeuge seit mehreren Jahren durch strikte Grenzwerte bzw. Zielvorgaben.

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1.6.) Einflussfaktoren auf die Automobilentwicklung

Kunden-anforderungen

Gesetzgebung Infrastruktur

Ressourcen Technologien

Konkurrenz Märkte

Umwelt

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Forschungsfahrzeuge, Show-Cars, Konzeptstudien und Prototypen müssen nicht die Fülle der gesetzlichen Zulassungsvorschriften wie Serienfahrzeuge zur Homologation erfüllen. Diese Vorschriften engen die Entwickler bei alternativen Konzepten (z.B. steer by wire) ein.

Quelle: Seifert / Walzer

Abb. 7

Plus Front-, Heck-, Seitencrash, Überschlag, Fußgängerschutz

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1.7.) Selbstorganisation vs. Fremdorganisation von Verkehrsnetzten – Telematik

Verkehrsstaus auf europäischen Straßen führen heute zu einem geschätzten Mehrverbrauch von 15 Prozent. Dieser ineffiziente Anteil des Kraftstoffverbrauchs wird wegen der zukünftig höheren Verkehrsbelastung noch steigen – eine nicht akzeptable Entwicklung.

Unreglementierter Verkehr erfüllt nach der Systemtheorie die Kriterien eines selbstorganisierten Systems: Komplexität, Selbstreferenz, Redundanz und Autonomie (nach W.A. Clark und B.G.Farley).

Abb.8 Staus verbrauchen Zeit, Kraftstoff und Kosten ohne Effizienz

Der Idealfall des frei fließenden Verkehrs ohne äußere Störungen entspricht nicht dem realen Verkehrsverhalten. Die auf das Verkehrssystem einwirkenden Störungen bewirken Verzögerungen und Staus (Abb. 8).

Verkehrsregelungen können Kapazitätsüberlast-ungen auf bestimmten Straßenabschnitten redu-zieren. Ampelschaltungen (grüne Welle), Verkehrs-leitungen durch Ordnungsmaßnahmen oder Verkehrsfunkleitung stellen bekannte Mittel dar.

Rechnergestützte, großräumige Verkehrsleitungen müssen für eine bessere Kapazitätsausnutzung des vorhandenen Straßennetzes sorgen. Der Begriff „Telematik“ fast diese Maßnahmen zusammen.

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Selbstorganisierte Systeme haben i. d. R. vier Eigenschaften :

1. Komplexität: Sie sind komplex, wenn ihre Teile durch wechselseitige, sich permanent ändernde Beziehungen miteinander vernetzt sind. Die Teile selbst können sich ebenfalls jederzeit verändern. Komplexität erschwert es, das Verhalten von Systemen vollständig zu beschreiben oder vorherzusehen.

2. Selbstreferenz: Selbstorganisierende Systeme sind selbstreferentiell und weisen eine operationale Geschlossenheit auf. Das heißt, „jedes Verhalten des Systems wirkt auf sich selbst zurück und wird zum Ausgangspunkt für weiteres Verhalten“. Operational geschlossene Systeme handeln nicht aufgrund externer Umwelteinflüsse, sondern eigenständig und eigenverantwortlich aus sich selbst heraus. Selbstreferenz stellt aber keinen Widerspruch gegenüber der Offenheit von Systemen dar.

3. Redundanz: In selbstorganisierenden Systemen erfolgt keine prinzipielle Trennung zwischen organisierenden, gestaltenden oder lenkenden Teilen. Alle Teile des Systems stellen potentielle Gestalter dar.

4. Autonomie: Selbstorganisierende Systeme sind autonom, wenn die Beziehungen und Interaktionen, die das System als Einheit definieren, nur durch das System selbst bestimmt werden. Autonomie bezieht sich nur auf bestimmte Kriterien, da eine materielle und energetische Austauschbeziehung mit der Umwelt weiterhin besteht.

Quelle: Wikipedia

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Telematik umfasst mindestens zwei Systeme:

1. eine kontinuierliche Kapazitätsüberwachung des Straßennetzes registriert sich aufbauende Überlastungen und leitet vor dem Verkehrskollaps ein Teil der Fahrzeuge großräumig auf Umfahrungsrouten um.

2. Bei der car2car-communication senden Fahrzeuge Informationen über freie Strecken , sich aufbauende Staus und Gefährdungs-Potenziale, zum Beispiel durch Glatteis oder Unfälle (Abb.9),

an andere Fahrzeuge und gleichzeitig an das Telematik-System.

Die car2car-communication erlaubt eine sofortige Information im Nahfeld des sendenden Fahrzeuges und deshalb eine schnellere Reaktion als über das regionale Telematik-System. Auch die Annäherung von Fahrzeugen an Kreuzungen kann den anderen Verkehrsteilnehmern angekündigt werden, so dass sich Fahrer auf diese

Verkehrssituation vorbereiten können.

Abb.9. car2car communication

Ebenso kann dieses System bei Unfällen– ähnlich wie das heute schon bekannte eCall-System – warnen und Hilfe anfordern.

Aus Datenschutzgründen müssen die von den Fahrzeugen gesendeten Informationen anonymisiert sein, d.h. ohne die jeweilige Fahrzeugidentifikation.

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Ein weit reichendes Telematik-System hebt die Selbstorganisationen des Verkehrs auf und führt zu einem fremdorganisierten System. Der dafür notwendige Aufwand an Verkehrsüberwachungs- geräten, Informationsübermittlungen zur Verkehrslenkung und komplexen Auswertungen in Großrechnern (Abb.10) hat bisher die Einführung von Telematik-Systemen über Versuchsinstal- lationen hinaus verhindert. Die Lenkung durch Fremdorganisation des Verkehrssystems als Alternative (Abb.11) wird mit zunehmender Verkehrsdichte unumgänglich, um den Infarkt des gesamten Systems zu verhindern.

Detaillierte Informationen über einen Großversuch unter www.simtd.org mit Beschreibung der eingesetzten Infrastruktur

Abb.11 Einfache Verkehrslenkung Quelle Reg. Bez. Arnsberg

Abb. 10 Telematik-InfrastrukturQuelle:Siemens

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1.9.) Fahrer-Assistenzsysteme

Fahrer-Assistenzsysteme dienen der Umfeldregistrierung, der Signalauswertung verschiedener Sensoren, der teilweise eigenständigen Entscheidung für die Einleitung von fahrdynamischen Korrekturmaßnahmen und insgesamt der Unterstützung des Fahrers bei der komplexen Aufgabe der Fahrzeugführung.

Assistenzsysteme setzen elektronisch generierte Daten von Video-Kameras, Radar, Laser, Ultraschall- und Infrarot-Sensoren, GPS sowie Beschleunigungs- und Drehwinkelsensoren in dezentralen Rechnereinheiten (CPU) oder einem Zentralrechner (Global Chassis Controller) in Steuergrößen für mechatronische Systeme um. Ihr Vorteil liegt in der Verarbeitungsgeschwin-digkeit, im Multitasking und der Präzision der kybernetischen/regelungstechnischen Auswertung / Umsetzung.

In Premium- und teilweise sogar in Standard-Modellen eingeführte Assistenzsysteme:

ABSESPCruise Control / Adaptiv Cruise ControlNotbrems-Assistent mit Pre-Sense / KollisionsvermeidungSpurhalteassistentSeiten-Assistent / Überhol-AssistentAutomatische EinparkhilfeÜberlagerungslenkung (Vorder- und Hinterachse)Verkehrszeichenerkennung

Assistenzsysteme bilden die notwendige Basis für die nächste Stufe der Mobilität, das autonome Fahren.

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Quelle: Audi

Fahrer-Assistenzsysteme

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1.9.) Autonomes Fahren

Das EUREKA-PROMETHEUS-Projekt ( PROgraMme for a European Traffic of Highest Efficiency and Unprecedented Safety , 1987-1995) war das bisher größte Forschungsprojekt für führerlose Autos. 1995 legte das Roboterfahrzeug VaMP 1758 km von München nach Odense und retour führerlos zurück. Fahrereingriff durchschnittlich alle 9 km. (Wikipedia)

Weiterentwicklungen forciert aktuell in USA die DARPA mit dem Wettbewerb Urban Challenge.Nachweis erbracht, dass autonomes Fahren prinzipiell möglich ist.

Weitere Fortschritte mit der zukünftigen Nutzung der Signale und Führung aus Telematik-Systemen. Aufwändige Sensorik: Radar, Laser, GPS, Funk, Kameras, Lidar. Rechner mit großer Kapazität halten den Wagen auf dem vorgegebene Kurs. Autonom gesteuerte Fahrzeuge auf dem Weg zur Schwarmintelligenz?

Abb.12,13

Quelle:DARPA

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2.0.) Alternative urbane Versorgungssysteme

Zur Begrenzung der Schadstoffbelastung durch den Verkehr beschränken einige Städte bei hoher Schadstoffkonzentration die Einfahrt in City-Zentren auf Fahrzeuge mit den Emissionsklassen Euro 4 / 5 / später 6.

Abb.14 Entwicklung der Euro-Grenzwerte

Quelle: MAN

Trotz stringenter Beschränkung der Fahrzeug-Emissionen bis hinunter zu messtechnisch kaum noch nachweisbaren Werten wird die anhaltende Diskussion über Feinstaub-belastungen im urbanen Raum und Cities zu alternativen Ansätzen führen müssen.

Bereits 1982 schlug Stockmar ein mehrstufiges Versorgungs-System vor, um in Stadtzentren die Schadstoffbelastung durch notwendigeVersorgungsfahrten zu reduzieren.

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Abb. 15 Mehrstufiges Versorgungsystem für Cities

Quelle: MAN

Bei diesem alternativen Versorgungssystem transportieren schwere Lkw auf Langstrecken die Güter zu Haupt-Logistikzentren, wo sie auf kleinere Lkw für den Einsatz in Ballungsräumen umgeladen werden. In Regional-Logistik-Zentren erfolgt die Verteilung auf kleinere Lkw mit

Hybrid-Antrieb.

Hybrid-Fahrzeuge ideal für urbanen Einsatz wegen Rekuperierbarkeit von potentieller und kinetischer Energie der Lkw ( dazu 2.3.) Verbrauchstreiber )

Mit der Entwicklung von deutlich leistungsfähigeren Batterien als die heutigen Li-Ion-Akkumulatoren Ausstattung dieser Klein-Lkw auch mit reinem Elektroantrieb möglich.

Dieses System (Abb.15) garantiert auch in City-Umweltzonen die Güterver-sorgung mit kleinstmöglicher Schad-stoffbelastung.

Zeit- und kostensparendes Umladen mit modernen Paletten- und Containersystemen sowie elektro-nischem Datenmanagement.

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2.1.) Life Cycle Assessment des Primär-Energie-Verbrauchs

Der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs während der Nutzung beträgt nur ca. 50 % des gesamten Energieaufwandes im Life Cycle. Fahrzeuggewicht und recyclingfähige Materialien senken den Primär-

Abb. 16

Neben dem Verbrauch bei der Nutzung muss Energie-Einsatz für Materialherstell-ung, Produk-tion und Recycling be-sonders be-achtet werden.

Energie-Ein-satz.

Batterien von Elektrofahr-zeugen er-fordern einen besonders hohen Ener-gieeinsatz

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2.2) Verbrauch / CO2-Emissionen / EU-Vorgaben

Die Menschheit steht auf den Feldern Energieversorgung und Energieverbrauch zwei großen Heraus-forderungen gegenüber:

1.) Jede Verbrennung fossiler Kraftstoffe emittiert CO2. Bei Kraftstoffen Benzin / Diesel sind das ca. 2,4 – 2,6 kg CO2 / Liter Kraftstoff.

Der CO2- Ausstoß soll durch verminderte Verbrennung fossiler Kraftstoffe und Verwendung CO2-neutraler, alternativer Energiequellen deutlich reduziert werden.

2.) Die Quellen fossiler Energieträger sind endlich. Die Rohölförderung wird in den nächsten Jahrzehnten signifikant abnehmen.

Durch industriell aufstrebende Länder wird der globale Energiebedarf erheblich steigen. Nur zusätzliche alternative Energiequellen und drastische Einsparungen im Energieverbrauch können den wachsenden Bedarf langfristig decken. Zur Senkung des Verbrauchs und damit der CO2-Emissionen legte die EU den maximalen Flottenverbrauch von Neu-fahrzeugen für jeden Hersteller (OEM) fest (Abb.17). Die Grenzwerte für 2015 : 130 gCO2/km ; für 2020: 95 gCO2/km.

Kleine, sparsame Autos oder Hybrid-/Elektrofahrzeuge im Portfolio eines OEM erleichtern die Erreichung der Grenz-werte oder machen sie erst möglich.

Abb. 17

Quelle: VDA

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2.3.) Verbrauchstreiber

Der Energieverbrauch eines Fahrzeuges dient zur Überwindung sämtlicher Fahrwiderstände WF

und zum Antrieb aller Nebenaggregate wie Klimatisierung, Beleuchtung, Infotainment multipliziert mit dem Gesamtwirkungsgrad des kompletten Antriebsstanges und aller Komponenten ( Tank to Wheel).

WF = 1/ 2 v2 F cw + G fR + Gfk + G sin + (G/g +

) aL

Luft- Roll- Kurven- Steigungs- Beschleunigungs- Rotations-Widerstand

unwiederbringliche Verluste führen zu potentieller bzw. kinetischer Energie, in Hybrid- / Elektrofahrzeugen teilweise rekuperierbar

Verbrauchsreduktion bei (alternativen) Fahrzeugkonzepten durch:

Verringerung Cw-Wert Erhöhung Wirkungsgrad Motor

Stirnfläche F Wirkungsgrad Antriebsstrang

Rollwiderstand fR ( Reifen-Kapitel) Wirkungsgrad Nebenaggregate

Kurvenwiderstand fk

Gewicht G (auch im Material-Kapitel)

Trägheitsmomente rotierender Massen

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Bei Pkw überwiegt bei hohen Geschwindigkeiten die Leistung zur Überwindung des Luftwiderstands(Abb.18). Sie steigt kubisch mit der Geschwindigkeit.:

NL= WL v= 1/2 ᵨ cw F v2 v = 1/2 ᵨ cw F v3

Die Stirnfläche F ist bei mehrsitzigen Fahrzeugen aus Komfortgründen für eine Limousine nicht unter 1,6 m2 zu verkleinern. Um diese Verlustleitung zu reduzieren, erarbeiten Aerodynamiker neue Formen mit geringem Luftwiderstandsbeiwert cw.

Nur alternative Fahrzeugkonzepte können signifikante Verbrauchseinsparungen über die bereits sehr erfolgreichen und noch geplanten Maßnahmen im Antriebsstrang erbringen.

Abb. 18 Quelle: Volkswagen

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2.4.) Alternative Konzeptfahrzeuge mit geringem Luftwiderstand cw, Pkw

Erst Aerodynamiker wie Edmund Rumpler oder Wunnibald Kamm (Kamm-Heck) erforschten die Einflüsse der Karosseriegestaltung (heute Design) auf den Luftwiderstand systematisch und wissenschaftlich.

1921 Rumpler „Tropfenwagen“ auf der Berliner Automobilausstellung.( Abb.19 ). Später gemessener cw-Wert : 0,28 damals übliche Werte von über 0,4

Form und weitere Details des alternativen Fahrzeug-Konzeptes waren für einen Markterfolg zu revolutionär. Die Firma Rumpler musste schon bald die Automobilproduktion einstellen.

60 Jahre später, 1981, Audi Forschungsfahrzeug mit cw-Wert von 0,3 (Abb.20) . Das Fahrzeug stellte die Basis für den neuen Audi 100 und bewies, dass mit Feinarbeit an der Formgebung wie bündig eingebundene Scheiben und reduzierter Motorraumdurchströmung auch mit einer praktischen Karosserie ein niedriger Luftwiderstand erreichbar ist.

Abb. 19 Rumpler „Tropfenwagen „ Abb.20 Audi

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Quantensprünge bei der Reduktion des Luftwiderstandsbeiwertes nur mit alternativen Konzepten, Loslösung von der bisherigen Design-Formensprache

Mercedes-Benz stylte den Bionic-Prototypen nach der Form des Kofferfisches –cW-Wert : 0,19 (Abb.21)- Zwei Passagiere vorn nebeneinander

Abb. 21 Bionic-Prototyp Mercedes-Benz, cw=019

Weitere Reduktion des Luftwiderstandesdurch Verkleinerung der Stirnfläche, zweiFahrgäste sitzen dann hintereinander wieim AUDI Urban Concept, Gewicht unter 500 kg,Cw-Wert unbekannt (Abb. 22)

Abb.22 AUDI Urban Concept

Abb.23 Alternativ-Konzept von vorgestern: Messerschmitt Tiger 1961

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Volkswagen demonstriert mit dem XL1 Prototyp einen erfolgversprechenden Weg in der Formen- sprache alternativer Fahrzeugkonzepte: Cw-Wert = 0,186, zwei Sitze nebeneinander, Plug-in-Hybrid mit 800 ccm TDI-Motor mit 48 PS als Range-Extender, 27 PS Elektromotor, Li-Ionen-Batterie, 795 kg Gewicht. Dieser Technologieträger zeigt die Entwicklungsrichtung in die Zukunft auf.

Minimale Chancen der Realisierung in größeren Stückzahlen besitzen vieletechnisch interessante Einzelstücke wie der elektrische angetriebene Aptera, für den noch Investoren in eine Serienfertigung gesucht werden.

Abb.25 Aptera S2 Quelle: Aptera

Abb. 24 Zukunftskonzept VW XL1

Quelle: VW

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2.5.) Typische Luftwiderstandsbeiwerte cw ausgewählter Fahrzeugtypen

Fahrzeugtyp Sitzplätze Anordnung Stirnfläche cw-Wert

Kabriolett offen 2 (4) 2v /( 2h) 1,4 0, 5/0,6

VW Käfer 4 2v 2h 1,81 0,445

Audi Forschungsfahrzg. 4 2v/2h 1,9 0,30

Rumpler Tropfenwagen 5 1v/2m/2h n.b. 0,28

Mercedes Bionic Car 4 2v/2h n.b. 0,19

Volkswagen XL1 2 2v n.b 0,186

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2.6.) Alternative Konzeptfahrzeuge mit geringem Luftwiderstand, Lkw

Abb.26 Quelle:MAN

Abb. 27/28 Fahrerhaus mitniedrigem cw-Wert (0,3) und 4 m Höhe, gleiches Transport-volumen (Länge des Fahrerhauses) wie herkömmlicherLkw.CO2-Einsparung:18 % Quelle:MAN

Bei Autobahnfahrt auf ebener Strecke machen bei einem Lkw Luft- und Rollwiderstand die höchsten Verluste aus. Alternative Ansätze bringen hier den höchsten Gewinn.

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2.7.) Train und Convoy / SARTRE-Konzept

Im Motorsport ist „slip-streaming“, Windschattenfahren, bekannt. Dabei wird nicht nur das dicht hinter dem Vorderwagen fahrende Fahrzeug im Windschatten „gezogen“, auch das Führungsfahrzeug gewinnt Tempo, weil ein Teil der Verluste des Stömungsabrisses und der bremsenden Wirbelschleppe am Heck entfällt. Diesen bekannten Effekt nutzt das Konzept „Train“ für Lkw aus, um auf Langstrecken die hohen Luftwiderstandsleistungen signifikant zu senken.

Train für Lkw und Convoy für Pkw sind europäische Forschungsprojekte mit mehreren Teilnehmern. Derzeit zwei technische Konzepte:

1.) elektronische Deichsel (Abb.29) über Satellit, GPS und Zentralrechner

2.) automatische Abstandsregelung in jedem Lkw, Spurführung an Kabel, Selbstorganisation

Teilnehmer melden sich zum Anschluss und zum Ausscheren aus Lkw-Zug an. Entstehende Lücken schließen sich automatisch.

Kapazität einer Spur: 1500 Lkw/StundeSonst: ca. 800 Lkw/Stunde max.

Vorschlag 1990: Prof. Fiala

Quelle: MAN

Abb. 29 Train-Konzept

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Original-Darstellungen aus Vorlesung Prof. DI Dr. techn. DDr.hc.

Ernst Fiala“Wechselbeziehungen zwischen

Mensch und Fahrzeug”

Konzeptnachteile : an Steigungenverzögern die schwächsten / am schwersten beladenen Lkw den gesamten Zug. Gefahr, dass sich Zug dann auflöst und lange Strecke zur Neuformierung benötigt.

Abhilfe: elektromotorische Zusatzleistung bei Bergfahrt, Rekuperation bei Talfahrt. Elektrische Übertragung durch Ober-leitungen oder Induktion mit Spulen im Fahrzeug und Erdkabeln.

Abb. 30 / 31

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Automatisierter Kolonnenverkehr für Pkw wird im Rahmen des SARTRE Projekts (Abb. 32)

„Safe Road Trains for Environment“

der Europäischen Union erforscht. Erste Kolonnen-Tests auf der Volvo Versuchsstrecke in Göteborg bis zu 90 km/h erfolgreich durchgeführt. Ziel des Projektes ist es, Techniken für das eigenständige Fahren von Automobilen im Kolonnenverkehr auf Schnellstraßen zu entwickeln. Das Projekt setzt die ehemalige CONVOY-Initiative fort.

Die Kraftstoffreduzierung bei Kolonnenfahrten auf Schnellstraßen liegt bei 20 Prozent. Sicherheitsvorteile entstehen beim autonomen Fahren durch weniger Unfälle durch Unkonzen-triertheit der Fahrer .Die Straßenkapazitäten werden besser genutzt, Resultat: verringerte Reisezeiten. (Info-Basis: Volvo-Report, http://www.sartre-project.eu/ )

Voraussetzungen für Realisierung der Projekte TRAIN und CONVOY / SARTRE: Anpassung der gesetzlichen Vorschriften, Klärung der Haftpflichtfragen / Verantwortlichkeiten

Abb. 32

Quelle: SARTRE

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2.8.) Gewicht - Leichtbau

Fahrzeuggewicht G beeinflusst Fahrwiderstände außer im Term Luftwiderstand signifikant:

S WF = 1/2 ᵨ v2 F cw + G fR + G fk + G sin + ( G/g + ) aL

Einfluss des Fahrzeuggewichts auf den relativen Kraftstoffverbrauch zeigt Abb. 33

Nach Berechnungen von Stockmar et. al. 1995 (Wiener Motoren-Symposium) sinkt der Verbrauch einer Mittelklasse- limousine um 0,1 bis 0,3Liter /100 km bei Gewichts-Reduktion um 100 kg.

Abb. 33

Alternative Fahrzeugkonzepte, die die künftigen Verbrauchsvorschriften erfüllen sollen, müssensich durch Leichtbau auszeichnen.

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Leichtbau als alternatives Fahrzeugkonzept in der Frühzeit der Automobilentwicklung

Ettore Bugatti, 1920: „Der Feind ist das Gewicht“

Mit dieser Erkenntnis entwarf Bugatti den Typ 35, der eines der erfolgreichsten Rennsportwagen aller Zeiten wurde. Er gewann jahrelang mit diesem alternativen Fahrzeugkonzept Kurzstrecken- und sogar Grandprix-Rennen gegen die mächtigen und schweren Fahrzeuge der Konkurrenz wie Bentley

Abb. 34 Bugatti Typ 35, (35 C,D)Bauzeit 1924 -1930, Achtzylinder-Reihenmotor, Hubraum 1991 bis 2262 ccm,90 bis 125 PS (mit Kompressor) , Gewicht 750 kg. Leistungsgewicht 8,3 –6,0 kg /PS

Blower Bentley Abb. 35Bauzeit 1929 bis 1931Sechszylinder-Reihenmotor,4500 ccm, 180 PS +Gewicht 2100 kg,Leistungsgewicht 16,8 kg/PS

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Die Fahrzeuggewichte stiegen in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich. Ausnahme: Zeit der Ölkrise in USA (Abb.36) . Treiber der Gewichtszunahmen waren primär Komfort- und Sicherheits- • Ausstattungen ( elektrische

Betätigungen, Servolenkung, Automatgetriebe, Info-tainment, Airbags, steife Fahrgastzelle, große Bremsanlagen, aufwändige Fahr-werke, Fahrzeuggröße) (Abb. 37) .Bisherige Leichtbaumaßnahmen konnten das Mehr-gewicht nicht ausgleichen.

Neue Fahrzeug-Konzepte und Materialien realisieren bereits eine Trendwende, um den Kraftstoff-Verbrauch auf die EU-Vor-gaben zu senken.

Weitere Details dazu in den KapitelnFahrwerk und Werkstoffe.

Abb. 36

Abb. 37

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. Der Panhard Dyna (Abb. 38) stellte in den fünziger

Jahren ein alternatives, fortschrittliches Fahrzeugkonzept dar:strömungsgünstige Karosserie, Leichtbau mit Aluminium-Karosserie, Rahmen mit Stahlprofilen verstärkt, leichter luftgekühlter Zweizylinder- Motor, automatische, elektrisch betätigte Kupplung, Frontantrieb, Leergewicht 815 kg

Abb. 38

Abb. 39 Quelle: Audi

Mit dem Aluminium Space Frame, abge-leitet vom Gitterrohrrahmen im Motor-sport, (Abb.39) wagte Audi einen Technologiesprung. Der Audi A8 führteab 1994 damit den Leichtbau mit Aluminium in der Serie ein. Mehr im Material-Kapitel.Noch konsequenteren Leichtbau zeigte der Audi A2, der erfolglos blieb.

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Noch weniger Gewicht als Aluminium zeichnet Magnesium aus. Die ersten Getriebegehäuse des Serien-Käfers waren daraus gefertigt, aus Kostengründen aber später Übergang zu Aluminium.

Hohe Festigkeiten bei geringem Gewicht bieten Komposit-Werkstoffe wie Glasfaser verstärkterKunststoff (GFK) oder Kohlenstofffaser verstärkter Kunststoff (CFK) Material-Kapitel.

Abb. 40 Quelle: BMW Abb. 41

BMW setzt vermehrt auf die gewichtsreduzierendeAnwendung von CFK. Schon im Experimentalfahr-zeug Z 22 (2000) und in weiteren Prototypen wie dem i3 ( Abb.40) (Gewicht 1250 kg, Batterien!) und i8 setzt BMW auf CFK. Beim i3 kehrt BMW zum Konzept der Plattformzurück (Abb. 41), die die gesamte elektrische Antriebseinheit inklusive der Batterien aufnimmt. Die Hybrid-Bauweise umgeht die schwierige Krafteinleitung in Kompositbauteile, ist aber nur als Brückentechnologie für ein alternatives Fahrzeugkonzept für die Serienfertigung anzusehen.

Auch schon dagewe-sen: Plattform desVW Käfer als rollingchassis.Abb. 41Quelle: kfz-tech

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Zur Erreichung der EU-Ziele für den CO2-Ausstoß arbeiten die meisten Fahrzeughersteller (OEM)für ihre Technologieträger in vier Richtungen: • Wirkungsgradverbesserung des Motors und des Antriebsstranges• Reduzierung des cw-Wertes und der Stirnfläche• Leichtbau• Teil- oder Komplett-Elektrifizierung des Antriebs und der Nebenaggregate

Der Smart ElectricDrive (Abb.43) zeigt die Entwicklungsrichtung alternativer Fahrzeugkonzepte für den urbanen Bereich auf. Die Beschränkung auf zwei Plätze oder sogar nur einen Sitz zeichnet sich als Trend für neue Konzepte des Individualverkehrs ab.

Größere Verkaufserfolge werden aber – noch- neue Fahr- zeuge mit höherem Gebrauchswert wie der neue Opel Stadtwagen (Abb. 44) haben.

Abb. 43 Quelle: RWE

Abb. 44 Quelle: Opel

Der Opel Stadtwagen Prototyp bietet 2+2 Sitze und kann mit verschiedenenAntrieben ausgerüstet werden

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2.9.) Flächenbedarf

Fast alle Großstädten führen wegen des großen Aufkommens des fließenden und ruhenden Verkehrs rigorose Restriktionen und Parkraumbewirtschaftung ein:

• Einfahrverbote für Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß• Einfahrgenehmigungen nur an bestimmten Tagen• hohe Stadtverkehrsmaut• ausgeweitete Parkverbotszonen• Parken nur für Anwohner / Berechtigte

Flächenbedarf wird zukünftig ein wichtiges Kriterium für alternative Fahrzeuge im urbanen Verkehr.

Flächenbedarf zum Transport von zwei Personen:

GM EN-V = 2,175 m2

Mercedes SLR = 9,69 m2

Abb. 45

1500

145

0

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Miniaturisierung elektronischer Bauelemente, besonders des Gyro-Sensors, macht einen neuen Fahrzeugtypus möglich: das zweispurige Einachsfahrzeug.

Elektronische Sensoren steuern den elektrischen Antrieb an, der das Fahrzeug je nach Fahr- zustand ausbalanciert. System zuerst beim Segway (Abb. 44) erfolgreich eingeführt.

Abb. 46 Quelle:Segway

Abb. 47

Abb. 48

Bis in die neunziger Jahre gab eine Kreiselplattform (Abb. 47) Lage-und Bewegungsinformationen (links, weiß, Versorgungseinheit, rechts, rot, Kreiselplattform) aus. Die elektronische Gyro-Einheit (schwarz, auf Versorgungseinheit) bedeutete einen Quantensprung.

Miniaturisiert haben 6-Achsen-Gyro-Sensoren heute nur noch Daumennagelgröße (Abb.48) und erlauben bei geringstem Energie-verbrauch völlig neue Technologie-Anwendungen z.B. in Handies und alternativen Fahrzeugkonzepten.

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In China präsentierte GM das Einachs-System EN-V (Abb. 49 /50) in drei Varianten als Lösungsvorschlag gegen die Überfüllung der Mega-Cities. Elektrischer Antrieb, elektrische Balance, zwei Sitze nebeneinander , Gewicht jeweils unter 500 kg, Steer by Wire. Fahrzeug kann auf der Stelle wenden.Aber: wegen Rampenwinkel vorn und hinten maximale Beschleunigung und Verzögerung nur ca.2 m/sec2. Autonomes Fahren als Konzept angedacht.

Abb.49 Quelle:GM

Abb.50

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Das Gemeinschaftsprojekt mehrerer Initiatoren Hiriko (Abb. 51) setzt ebenfalls auf das Raum-kapselkonzept für den urbanen Verkehr. Es reduziert den Flächenbedarf beim Parken durchEinklappen der hinteren Antriebseinheit. Dadurch wird legales Querparken ermöglicht.

Abb. 51

Quelle:Hiriko-Konsortium

Das Volkswagen-Forschungsfahrzeug Nils (Abb. 52) bietet einen Platz, ist 3,04 m lang / 1,39 m breit, wiegt 460 kg mit Aluminium-Karosserie. 20/34 PS Elektromotor, Vmax 130 km/h, Reichweite unter 100 km. Konzept ganz auf minimalen Ver-brauch durch geringe Stirnfläche, niedrigen cW-Wert, geringes Gewichtausgelegt. Relativ hoher Flächen-bedarf für einen Einsitzer. Realisierung bei VW ungewiss.

Abb. 52VW Forschungs-fahrzeug Nils

Quelle: VW

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Die zukunftsträchtigsten alternativen Fahrzeugkonzepte senken Energieverbrauch und CO2-Emissionen mit geringerem Gewicht, reduziertem Luftwiderstand, sparsamen Antrieben und geringem Flächenbedarf.

Insbesondere für den urbanen Verkehr bieten sich in Zukunft Elektroantriebe an, die wegen desdurchschnittlichen Fahrprofils bereits mit heutigen Batterien geeignet sind. Wichtig ist die regenerative Erzeugung des Stromes.

Die Realisierung alternativer Fahrzeugkon-zepte hängt auch von der Akzeptanz der Nutzer ab.

Nicht zukunftsträchtig ist ein gerade im Stadtverkehr immer beliebterer Fahrzeug-Typ, der SUV. Er vereint alle Nachteile eines Fahrzeugs für den Verkehr von morgen:

• Zu schwer• Zu große Stirnfläche• Zu großer Luftwiderstand, damit• Zu hoher Verbrauch• Zu großer Flächenbedarf

Abb. 51

Abb.52

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3.) Werkstoffe

Die Fähigkeiten der Urvölker, bestimmte Materialien zu bearbeiten und für spezielle Einsatzzwecke zu nutzen, hat wegen ihrer eminenten Bedeutung wichtige Epochen der Menschheitsentwicklung benannt: Steinzeit, Kupferzeit, Bronzezeit, Eisenzeit, Stahlzeit.

Auch heute bestimmen Werkstoffe entscheidend die Entwicklung alternativer Fahrzeugkonzepte:

Material typische Verwendungen im Automobilbau

Hochfester Stahl

Aluminium

Magnesium

Kunststoffe

FaserverstärkteKunststoffe

Edelmetalle

Kupfer

Seltene Erden, Lithium

Glas

Keramik

Höchstbeanspruchte Teile, Crash: B-Säulen, Stoßstangen, Radführungen, Motor- und Getriebe-TeileGehäuse, Strukturteile, Räder, Space Frame,

Gehäuse, Querträger, Räder,

Thermoplaste und Duroplaste bes. für Verkleidungen, auch Hybridbauteile

Glasfaser- u. Kohlenstofffaserverstärkte Verkleidungen, Türen, Dach,im Motorsport Räder, Fahrwerksteile, Monocoque, Abdeckungen, Flügel

Gold für elektrische Kontakte, Platin f. Katalysatoren

Elektrische Leitungen, Gleitlager- u. Aluminium-Legierungsbestandteil

Batterien, Magnete in E-Motoren

Fenster, heute tragende Elemente zur Steifigkeitserhöhung, Isolation

Turbolader-Laufräder, Gleitschichten und Verschleißschutz

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3.1.) Anforderungen an Werkstoffe

Abhängig vom Einsatzzweck stellt die Automobilindustrie verschiedenste Anforderungen andie verwendeten Materialien:

• Festigkeit ( Streckgrenze, Bruchdehnung, oszillierende Last)

• Gewicht

• Korrosionsfestigkeit

• Verschleißverhalten

• Verarbeitung

• Optik, Haptik

• Preis, Kosten

• Primärenergieaufwand

• Umweltbelastung

• Recycling-Fähigkeit

In vielen Fällen bestimmen Werkstoff-Festigkeiten die Dimen-sionierung (Abmessungen, Gewicht) von Bauteilen (Abb. 53):

Abb.53

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3.2.) Festigkeit – Gewicht – Kosten

Festigkeitswerte allein (z. B. Zugfestigkeit, Bruchdehnung) bestimmen in vielen Anwendungsfällennicht allein über die Materialeignung. Bauteilgewicht und Kosten sind in die Auswahl einzubeziehen.

Materialspez. Gewicht

ZugfestigkeitSpez. Zug-festigkeit Kosten

spez. Zugfestigkeit/ Kosten

Stahl

Hochfester Stahl

Kunststoff

Aluminium

Magnesium

Titan

CFK

100

115

100

300

400

1000

570

%

400

1200 +

20 - 80

100-240

150-195

180- 820

200- 650

MPa

7,8

7,8

0,8- 2,2

2,7

1,7

4,5

1,3-1,8

kg/dm3

~50

~150

~25 - 45

~37- 90

~90-115

~40- 180

~150- 360

MPa/kg/dm3

0,5

1.3

0,25 – 0,45

0,12 - 0,3

0,225 - 0,29

0,04 – 0,18

0,26 – 0,63

MPa/kg/dm3/%

Tab.54 Werkstoff-Eigenschaften variieren in weiten Bereichen. Hier sind übliche Werte angenommen.

Quelle: SGL Group / Sto

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Diese von BMW veröffentlichten Grafiken belegen die Überlegenheit von Stahl bei Zug- und Biegefestigkeit bei gleichen Abmessungen, nicht aber bei gleichem Gewicht, gegenüber Leichtmetallen Aluminium und Magnesium.

Abb. 55

Abb.56 Quelle: BMW, Dr. J. Staeves

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Die Tabelle zeigt die Überlegenheit von Stahl bei Berücksichtigung der Kosten. Besonders die Stahl-entwicklungen der letzten Jahre haben die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den ebenfalls stark ver-besserten Leichtmetallen wieder verstärkt. Als Alternativen zu den bekannten Stahlsorten kommen heute je nach Anwendungszweck maßgeschneiderte Lösungen wie

• Bake-Hardening-Stähle (Work-Harding-Stähle) • Dualphasen-Stähle• Komplex-Phasen-Stähle• Martensit-Phasen-Stähle• Restaustenit-Stähle (TRIP)• TRIPLEX-Stähle• TWIP-Stähle

Für die warmverformbaren Stähle sind neue Umformpressen mit geheizten / gekühlten Werkzeugenentwickelt worden.

Abb. 57

Die Anwendung verschiedener Stahlsorten und Tailored Blanks senkt Kosten und erlaubt, die benötigten Festigkeitengezielt mit hochfesten Stählen zuerreichen (Abb.57).

3.2.) neue Stähle

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3.3.) Kohlenstofffaser-verstärkte Kunststoffe - CFK

Tab.54 belegt die Vorteile im Verhältnis Festigkeit zu Gewicht von CFK. In Anwendungsfällen, bei denen der Preis des Werkstücks gegenüber der benötigten Festigkeit, dem zur Verfügung stehenden Bauraum oder der Gewichtsreduktion keine Priorität besitzt, wird als Alternative zu metallischen Werkstoffen oder anderen Kunststoffen heute bereits vielfach Kohlenstofffaser-verstärkter Kunststoff - CFK eingesetzt.

Je nach Art des Gewebes der Kohlenstofffaser-Matten , der Orientierung der Fasern in der Matrix (Abb. 58) und dem Faseranteil (35 bis 65 %) schwanken die Festigkeitswerte stark. Eine beanspruchungsgerechte Lage der Fasern gibt den Ausschlag. Verstärkungen an besonders hoch belasteten Stellen wie Krafteinleitungen lassen sich mit zusätzlichen Fasersträngen oder Aufdoppelungen des Materials leicht einbringen.

Festigkeit, Elastizität und mechanische wie auch chemische Beständigkeit der CKF-Bauteile bestimmt auch die Qualität des verwendeten Harzes. Epoxid-Harze stellen die erste Wahl bei der Fertigung von hochwertigen CFK-Teilen her. Die Ver-wendung preiswerterer Harze wie Polyethylen macht bei den relativ hohen Kosten des Fasermaterials und der Verarbeitung keinen ökonomischen Sinn.Phenolharze kommen dagegen in einem anderen Fertigungs-prozess ebenfalls zur Anwendung.

Abb. 58 Quelle: JohnsonControls

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Die hohen Kosten der Kohlenstofffasern und die zeitraubende bisherige Verarbeitung im Autoklaven engten die Anwendungsmöglichkeiten von CFK bisher auf die Bereiche Flugzeugbau, Motorsport und Sonderfahrzeuge ein. Selbst die Reduktion der Verweilzeit im Autoklaven von mehreren Stunden jetzt auf Minuten läßt eine Großserienfertigung für den Automobilbau nicht zu.

Im Autoklaven (Abb.59) werden die CFK-Formteile im inneren Vacuum (ca. 0,05 bar), unter äußerem Druck (2-8 bar) und Temperaturen bis 180 Grad Cbehandelt und so der Polymerisierungsprozess des Harzes durchgeführt.

BMW konnte mit einem innovativem Fertigungs-prozess die Verarbeitungszeit auf wenige Minuten reduzieren: einmal wird das aufwändigeHandeinlegeverfahren in die Form automatisiert. Dann wird heißes Harz mit Hochdruck auf die Carbonelemente injiziert, dort härtet es sofort

Abb. 59

aus . Dieses schnelle „Backen“ macht eine (Klein)serienfertigung erst möglich. (Quelle:BMW)

Weitere Prozesszeitreduktion erlaubt ein neues CFK-Nasspressverfahren. Hier werden ebenfalls vorgeheizte „Prepegs“ (preimpregnated fibres) in heizbare Formen eingelegt und verpresst. In einer Taktzeit von weniger als einer Minute bis zu wenigen Minuten polymerisiert das Harz und das Werkstück kann entnommen werden. (Siehe Abb. 66) (Quelle: Johnson Controls)

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Die Gegenüberstellung in Abb.60 zeigt, dass einfach verarbeitete Composit-Werkstoffe (Sheet Moulded Compound) trotz Kohlefaseranteil gegenüber Leichtmetallen geringere Dauerfestig-keiten aufweisen.

Deshalb müssen die hochbean-spruchten CFK-Teile in Flugzeugen undRennwagen nach wie vor im Autoklaven hergestellt werden.

Abb. 60

Abb. 61

Das komplett in CFK hergestellte Seitenteil eines BMW-Prototyps in einem Stück (Abb.61) zeigt die zukünftigen Möglichkeiten der Carbonfaser-Technologie:

• geringes Gewicht• hohe Steifigkeit • Integration mehrerer Teile

Die Einleitung hoher Kräfte, z.B. aus dem Fahrwerk, erfordert zusätzlicheInserts oder Verstärkungen

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Die langen Molekülketten von polymerisierten Harzen ( n= bis zu 25) liefern die Verbundfestigkeit

Nur wegen der weitestgehenden Verwendung von CKF-Komponenten sowohl für Struktur- als auch für Außenhaut-Teile wiegt der DeltaWing-Nissan Rennwagen (Abb. 63) als extremes, alternatives Fahrzeugkonzept lediglich 500 kg - vollgetankt.

Der innovative Gesamtentwurf geht von einer 50/50/50/50 Vorgabe aus: 50 % weniger Luftwiderstand, 50 % weniger Gewicht, 50 % weniger Leistung, 50 % Verbrauch.

Als erster großer Einsatz ist das 24-Stunden-Rennen von Le Mans 2012 geplant. Der DeltaWing muß außer Konkurrenz starten, da er mit diesem alternativen Entwurf in keiner Kategorie in das strenge Reglement dieser traditionellen Serie passt

http://www.wired.com/autopia/2012/03/nissan-deltawing/

Abb. 62

Abb.63

NeueTechnologie treibt alternative Konzepte

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3.4.) Hybrid-Bauteile

Viele Anwendungsfälle stellen so unterschiedliche Anforderungen an Werkstoffe, die von einemMaterial nicht erfüllt werden können. Ausgeführte Beispiele:

• Aluminium-Motorblöcke mit Stahlbuchsen oder • Laufbuchsen-Beschichtungen • Aluminium-Bremstrommeln mit Grauguss-Reibflächen (AlFin) • Türrahmen aus Stahl mit Aluminiumblech-Beplankung • Querträger mit Kunststoff-Mantel (Abb. 64). • RäderNeben der besseren Aufgabenerfüllung (Funktionsintegration) geben geringeres Gewicht, niedrigere Kosten oder auch bessere Optik und Haptik den Ausschlag für derartige Material-Kombinationen.

Ein wichtiger Technologiesprung gelang der Fa. Fronius mit der Entwicklung des CMT-(Cold Metal Transfer)-Schweiss-Verfahrens von Aluminium und Stahl als Weiterentwicklung des MIG-MAG-Prozes-ses. Zukünftig können Aluminium-Dächer auf Stahl-Rohbauten oder Motorhauben/ Kofferraum-klappen auf Stahl-Gerippe zur Kosten- und Gewichtsreduk-tion direkt aufgeschweißt werden und ermöglichen so alternative Konstruktionen.

Abb. 64

Abb. 65 Quelle: Fronius

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3.6.) Nachwachsende Rohstoffe

Als Alternative zu bekannten Kunststoffen für Innenraumverkleidungen und Trägerkomponentenkonnten in den letzten Jahren nachwachsende Rohstoffe an Bedeutung gewinnen. Verstärkt durch-setzen werden sich Naturfasern aus Hanf, Flachs, Kokos, Jute, Sisal und weitere fasernbildenden Naturmaterialien. Sie werden in Kunststoff eingebettet, vorzugsweise im Warmpressverfahren(Abb.66), hier einge-bettet in Polyurethan. Abb. 66, Quelle Dräxlmaier

Abb.67

Das fertige Produkt (Abb.67) erfüllt heute alle Anforderungen an Oberflächen, Haltbarkeit und, wennnötig, Crashverhalten.

Der nächste Schritt in die alternative Werkstoff-technologie bedeutet die Verwendung von Bio-kunststoffen wie Biopolymeren zur weiteren Nutzungvom Erdöl unabhängiger Materialquellen.

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4.) Fahrwerkskomponenten4.1) Reifen

Die Reifenlaufflächen stellen die einzige Verbindung zwischen Fahrzeug und Straße dar. Vier max.ca. 100 cm2 großen Aufstandsflächen übertragen alle auf das Fahrzeug einwirkenden Längs- , Quer- und Hochkräfte. Zusätzlich übernimmt der Reifen auch Federungs- und Dämpfungsaufgaben und muss gegen Beschädigung geschützt sein. Um diese vielfältigen Leistungen unter unterschiedlichsten Fahrbahnbedingungen (trocken, nass, verschneit, vereist, uneben) zu erbringen, haben sich moderne Reifen zu komplexen Komponenten entwickelt. Abb.68 zeigt den Aufbau eines modernen Radialreifens.

Abb.68

Im Kontext hier liegt der Schwerpunkt auf dem Rollwiderstand. Die Walkarbeit im Reifen beim Abrollen erzeugt wegen der Hysterese in den visko-elastischen Reifenkomponenten Verluste, die zur Erwärmung des Reifens führen.

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Der abrollende Reifenlatsch verformt sich beim Eintritt in die Kontaktfläche stärker als beim Austritt. Die Kraftresultierende aller Hochkräfte liegt daher vor der Reifenmitte. Mit dem Hebelarm RV (Reifen-vorlauf der Hochkräfte) bildet die Kraftresultierende ein Moment RV* (- Z) = - MdRR

Der Rollwiderstand FRR beträgt dannmit Rdyn als dynamischem Halbmesser des Reifens:

- MdRR / Rdyn = - FRR

Rd

yn

Abb.62

Der Reifen-RollwiderstandskoeffizientcRR konnte mit der Entwicklung der Radialreifen hin zum „grünen“ Reifenvon cRR = 0,12 auf cRR = 0,085 (kg/t) –immerhin ca. 30 %- gesenkt werden.

Quelle: alle Diagramme Michelin Abb.70

Abb. 68

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Der Einfluss des Reifen-Rollwiderstandes ist in der gesamten Energiebilanz eines Fahrzeugs nicht zu vernachlässigen. Abb. 71

Der Rollwiderstand bleibt bis zu hohen Geschwindigkeiten fast konstant. Erst dann steigt mit der höheren Walkarbeit auch der Rollwiderstand geringfügig. In vielen Darstellungen wird er aber als unabhängig von der Geschwindigkeit gezeigt cRR ~ const (v)

Abb.72

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Die deutliche Reduktion des Rollwiderstandes der „grünen“ Reifen in den letzten Jahren konntedurch den Einsatz von Silika als chemischem Bindungsstoff alternativ zu Ruß zwischen den Kautschukmolekülen, insbesondere in der Laufflächenmischung, erreicht werden.

Silika (engl. = Silica) ist die Sauerstoffsäure des Halbmetalls Silizium. Allgemein wird das weiße Pulver als Kieselsäure H2n+2SinO3n+1 bezeichnet.

Der Kautschuk ergibt gemeinsam mit Silika, Schwefel und Kohlenstoff eine stabile Material-Struktur der Gummi-mischung. Die Kautschukmoleküle werden in einer Drei-Knoten-Verbindung zusammengehalten, statt wie herkömmlich nur mit einer Zwei-Knoten-Verbindung durch Kohlenstoff und Schwefel. Durch die stabile Struktur kann die Gummimischung sehr weich gestaltet werden, da die Silika- Verbindung flexibel ist.

Silika ist wasserfreundlich und bietet so auf Nässe und Schnee bessere Haftungseigenschaften.Der geringere Rußanteil reduziert auchdie Feinstauberzeugung der ReifenQuelle: teilweise Goodyear

Abb. 73 Quelle: Michelin

4.2.) Silika als Füllstoff

Abb. 74Quelle Bridgestone

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4.3.) Kunststoffreifen

Komplexität, und damit Kosten, sowie Rollwiderstand herkömmlicher Reifen haben zu Ver-suchen geführt, Alternativen zu entwickeln. Bekannt wurde, wegen des grandiosen Scheiterns, der homogen geschäumte Vollkunststoffreifen. Fahreigenschaften und Verschleiß ließen ihn schon im Prototypenstadium wieder verschwinden.

Die Firma Bridgestone arbeitet an einer weiteren Alternative, dem Reifen aus Kunststoff.

„Die Speichenstruktur besteht aus wiederverwendbarem Thermoplast. Die Lauffläche besteht wie bisher aus einer Gummimischung und kann mit üblichen Profilierungen versehen werden. Somit ist die ganze Konstruktion laut Bridgestone 100prozentig recyclebar und umweltfreundlich und soll Maßstäbe hinsichtlich Sicherheit und Komfort setzen.“

Der luftlose Reifen bietet Sicherheit gegenüber dem Luft- Reifen in Bezug auf die Luftdrucküberwachung, die aber inzwischen mit preiswerten Monitoring-Systemen gelöst wurde.

Bis zur Entwicklung von auch für schnellere Strassenfahrzeuge akzeptablen Fahrbedingungen müssen noch viele Entwick-lungsschritte gegangen werden. Letztlich wird diese Reifen-alternative nur für untergeordnete Anwendungen geeignet sein.

Die feine Abstimmung von Seiten-, Längs- und Hochkräften zurCharakteristik moderner Reifen kann in nächster Zeit nicht vonAlternativen konkurrenzfähig erreicht werden.

Abb. 75 Quelle: Bridgestone

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4.4) Räder

Moderne Räder müssen bei immer niedrigerem Gewicht (auf die Felgenbreite bezogen) hohe Reifen-kräfte und Momente in allen drei Richtungen übertragen. Zusammen mit den Reifen bestimmen sie die ungefederten Massen eines Fahrzeugs signifikant. Deshalb sind Gewichtsreduktionen hier besonders effizient. Gebräuchliche Ausführungsformen von modernen Rädern sind:

• Zweiteilige Räder aus Stahlblech – tiefgezogene Schüssel, gerolltes Felgenband, miteinander verschweißt • einteilige Aluminiumräder gegossen oder geschmiedet• zweiteilige / dreitilge Aluminiumräder, Felgenstern mit Felge verschraubt• gleiche Bauweisen aus Magnesium oder Stahl für Lkw und aus dem Rennsport übernommen als alternative Ausführungsform Räder aus CFK.

Die Hybridbauweise mit Aluminium-Felgenstern erleichtert die Kraftein-leitung (Abb. 76),

das einteilige CFK-Rad minimiert dasGewicht (Abb.77).

Abb.76 Abb.77Quelle: KA-Racing

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Eine serientaugliche Version eines gespritzten Rades auch für höhere Ansprüche stellt BASF für das zukünftige Modell Smart Vision vor. Das einteilige Rad wird mit einem Schuss in die Form gespritzt. Die Festigkeit erhält das Werkstück von langen GFK- Fasern als Verstärkungen. Als Kunststoff wählte BASF den „Hochleistungs-Polyamid“ Ultramid Stucture.

Gegenüber einem Stahlrad soll das Kunststoffrad 30 % leichter sein und damit bis zu 3 kg pro Rad Gewicht einsparen.

Als Preis will BASF das Niveau von Leichtmetallrädern erreichen. Damit steht dieses Rad zukünftig als inter-essante Alternative zur Verfügung.

Abb. 77a Quelle: BASF

Neben dem Werkstoff selbst gibt auch die materialgerechte Konstruktion mit Verstärkungsrippen die benötigte Festigkeit (Abb.77b) und reduziert das Gewicht gegenüber einer Vollversion.

Abb. 77b

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4.5.) Antrieb

Bereits das erste Elektromobil von Ferdinand Porsche, der Lohner-Porsche, lief 1900 mit Radnaben-motoren. Abb. 78 zeigt die Lösung des Modells „Mixte“. Trotz des hohen Gewichts der ungefederten Massen verlegen Konstrukteure von E-Mobilen die Motoren aus Platzgründen in die Radschüssel. Damit entfallen auch die Antriebswellen. Möglich wird diese Lösung, weil E-Motoren aus dem Stand anfahren können.

Abb.78

Abb. 78a, Quelle:Protean

Eine moderne Variante des Radnabenmotors (Abb. 78a)

stellt die Fa.Protean Electric in GB her. Die mit Scheibenbremsen kombinierten Motoren leisten kurzfristig je 80 kW und können im Rekuperations-modus bis zu 70 kW an die Batterie liefern. Der Motor allein wiegt 31 kg. Betriebsspannung: 380 Volt

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Eine noch nicht in Serie eingeführte Alternative bildet die Kombination aus elektrischem Antrieb (dzt. 30 kW), Bremse und Federung in der Rad-schüssel, wie von Michelin vorgeschlagen (Abb.79).

Das Package bietet Vorteile, als Nachteile zählen

• die hohen ungefederten Massen• die Begrenzung der Ein- und Ausfederwege

Abb.79 Quelle:Michelin

Abb. 78 b Quelle:Protean

Der Radnabenantrieb bildet eine autonome Einheit mit integrierter Antriebselektronik.

Das elektrische/elektronische Batterie-management benötigt separaten Bauraum.

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Mit Radnabenmotoren läßt sich Torque Vectoring einfacher und kostengünstiger darstellen als mit Einmotoren-Antrieb, der eine aufwändige Drehmomentverteilung mit zwei elektrisch betätigten Lamellenkupplungen und zwei Planetengetrieben benötigt (Abb. 81).

Das beim Torque Vectoring erzeugte Drehmoment um die Fahrzeug-hochachse (Abb.80) kann das Fahrzeug bei Kurvenfahrt stabilisierenoder ein schnelleres Einlenken in die Kurve erzeugen.

Abb. 80

Planetengetriebe

Kegelrad-Differenzial

Elektromotor- Aktuator

Lamellenkupplung

Abb. 81 , Quelle: BMW

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Als Alternativen für Antriebswellen aus Stahl (Vollmaterial oder Rohr) entwickeln Spezialfirmenleichtere Quer- und Längswellen aus GFK und CFK-Rohren. Sie weisen nicht nur beim Rohr über die Hälfte des Gewichts der Stahlversion auf, sondern reduzieren auch die rotierenden Massen. Besonders Hochleistungsfahrzeuge nutzen diese Vorteile schon heute.

Bei der Gewichtsangabe geht die Fa. Voith für ihre CFK-Längswelle davon aus, dass die CKF-Variante keine Zwischenlager benötigt und deshalb nur ein Drittel der herkömmlichen Ausführungwiegt (Abb.82). Tatsächlich liegt die kritische Drehzahl von CFK-Wellen deutlich höher als die von Stahl- oder auch Aluminium-Wellen, ein Zwischenlager kann aber nicht immer entfallen.

Besonderes Augenmerk muss bei der Konstruktion auf die kraft- oder formschlüssige Verbindung zwischen dem CFK-Rohr und den Antriebsgelenken gelegt werden. Diese Verbindungen stellen häufig die Bruchstelle von CFK-Konstruktionen dar.

Abb. 82 Quelle: Voith

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4.6.) Radführungen

Breitere Reifen mit niedrigen Querschnitten und höheren Reibungskoeffizienten - sogar über 1,2- stellten mit den dadurch kontinuierlich gewachsenen, auf die Radführungen wirkenden vielfältigen Kräften (Abb.83) steigende Anforderungen an die Werkstoffe. Vom Gusseisen über Gussstahl, Schmiedestahl, Profile aus Stahlblech, geschmiedete Aluminium-Komponenten (seltener Magnesium) entwickelte sich die Materialauswahl.

Heute gilt eine Bruchdehnung von 12 Prozent für radführende Elemente aus Sicherheitsgründen als Mindestgrenze.

Trotz der hohen Festigkeiten, aber wegen unökonomischer Kosten und geringer Bruchdehnung können Radführungen aus CFK noch nicht als Alternativen für herkömmliche Werkstoffe bei Serienfahrzeugen, sondern derzeit nur bei Sport- und Rennwagen (Abb. 84) eingesetzt werden.

Abb.83 Abb. 84

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Selbst moderne Radführungen (Abb. 85) mit elasto-kinematischen Effekten reagieren auf eingeleitete Kräfte und Momente nur passiv mit nicht immer gewünschten Spur-oder Sturzänderungen (Abb.86) .

Zur weiteren Verbesserung des fahrdynamischen Verhaltens und der Fahrsicherheit von Fahrzeugen finden alternativ aktive Komponenten der Radführungen Eingang in Serienmodelle.Überlagerungslenkungen für die Vorderachse und Hinterachslenkungen finden gerade Anwendung in Premium-Fahrzeugen.

Abb.85Quelle: Audi

Abb. 86Quelle: Audi

4.6.1.) aktive Radführungen

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Abb. 87, Quelle: ika

Der Global Chassis Controller (Fahrdynamik-Regler) wertet die Signale der ABS-Sensoren, des Motormanagement, des Gier- , Wankraten-, eventuell GPS- sowie Lenkwinkelsensors kontinuierlich aus und berechnet daraus die Notwendigkeit eines Lenkungseingriffs zur Stabilisierung in einer kritischen Fahrsituation (Abb.87).

Im Lenkungskorrekturfall fühlt der Fahrer im Lenkrad eine Rückmeldung (Vibrieren, Lenk-momenterhöhung). Integration in den Spurhalte-Assistenten ist üblich.

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Abb. 88 Quelle: BMW

Abb. 89, Quelle: ika

Bei der Überlagerungslenkung muss zunächst die gesetzliche Vorschrift der direkten mechanischen Verbindung zwischen Lenkrad und Vorderrädern erfüllt sein (Abb.88) . Diesgeschieht über ein doppeltes Planetengetriebe in der Lenksäule. Das Aussenrad des zweiten Planetensatzes kann über einen Schneckentrieb von einem Elektromotor in beiden Richtungen verstellt werden (Abb. 88)

und überlagert so die Drehung des Außenrades mit der Übersetzung des Planetentriebs der Lenkbewegung des Fahrers.

Aus Sicherheitsgründen wird der zusätzliche Lenkeffekt auf max. 5 Grad begrenzt.

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Hinterachslenkungen sind lange bekannt, fast alle Gabelstapler manövrieren damit.

In Limousinen führte Honda die über einen mehrgliedrigen Antrieb mit der Vorderachs-lenkung mechanisch gekoppelte Hinter-achslenkung ein.

Moderne Hinterachs-lenkungen (Abb.90)

arbeiten mit elek-trischen Aktuatoren (Abb. 91).

Abb. 90, Quelle: BMWAbb. 91, Quelle: MagnaSteyr

Bürstenloser Elektromotorselbsthemmendes Trapezgewinde

direkt angetriebene Mutter

geteilte Spindel

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Ziele (Abb. 92):

• verringerter Wendekreis bei großem Lenkeinschlag mit gegensinnigem Lenkeinschlag

• stabilisiert das Fahrzeug bei schnellen Ausweichmanövern / instabilen Fahrzuständen mit gleichsinnigem Lenkeinschlag

• Unterstützung der Fahrzeugagilität

Abb. 92 Quelle: BMW

Ziel in kritischen Fahrsituationen ist die Reduktion der Giergeschwindigkeit und des Schwimmwinkels zur Fahrzeugstabilisierung. Aus Sicherheitsgründen wird der Lenkwinkel der Hinterräder geschwindigkeitsabhängig auf 2,3 bis 5,0 Grad begrenzt.

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Abb. 93 Quelle: MagnaSteyr

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Reifen erreichen höhere Seitenführungskräfte bei negativem Sturz (Abb. 94). Dieser Tatsache tragen negative statische Sturzeinstellwerte Rechnung, bei Sportwagen bis zu -3,5 o .

Aktive Steuerung /Regelung des Reifensturzes wurde dennoch bisher nur in Prototypen realisiert. Aktive Federungen, CDC-Dämpfer und aktive Querstabilisatoren können den Wankwinkel bei Kurvenfahrt und dadurch seinen Einfluß auf den Radsturz ebenfalls verringern, aber keinen zusätzlichen negativen Sturz generieren.

Abb.94 Quelle: Avon

-g+g Abb: 95, Quelle: fotoshow

+g

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Mit der alternativen Neigetechnik des Experimentalfahrzeugs Mercedes F300 (Abb.96) erreichen die Reifen höhere Seitenführungskräfte und die Fahrgäste fühlen sich bei hohen Querkräften komfortabler.

Abb.96 Quelle: Mercedes

-g

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4.7.) Federung

Tragfedern nehmen die auf das Fahrzeug einwirkenden Hochkräfte auf und bestimmen damit, zusammen mit den Dämpfern und Radführungsbuchsen, den Komfort des Fahrzeugs. Mit den ungefederten Massen der Radaufhängung einerseits und dem Fahrzeugaufbau andererseits bilden Federn Schwingungssysteme mit einem Freiheitsgrad. Die Stoßdämpfer dämpfen die nach einer Anregung, z.B. durch Straßenunebenheiten, erzeugten Schwingungen (aperiodisch). Die beiden Eigenfrequenzen errechnen sich einfach zu

Eigenfrequenz ω R/A = rad-1 oder f = 60 min-1

c = Federrate m R/A = ungefederte Massen / Aufbaumasse

mc /mc /

Geringe ungefederte Massen der Radaufhängungenerhöhen die Eigenfrequenz ER (Abb.97) und sprechen schneller auf Unebenheiten an. Wegen der geringeren kinetischen Energie bei Federbe-wegungen erfordern sie geringe Dämpferkräfte, die den Fahrkomfort steigern.

Abb.97

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Sowohl Blatt- als auch Schraubenfedern bestehen traditionell aus hochfestem, überwiegend warm verformten Federstahl.Neu sind die Alternativen aus Titan und glasfaserverstärktem Kunststoff. Titanfedern gehören im Rennsport zur Standardausrüstung der Profi-Fahrzeuge. Sie wiegen bis zu 50 % weniger als Stahl-Federn und sind sofort an der Federdrahtstärke zu erkennen. Die in Abb.98 gezeigte Titanfeder

Abb.98 Quelle: AMT

wiegt 1,7 kg, die Stahlfeder dagegen 3,2 kg bei gleicherFederrate.

Federrate c =

Neben den geometrischen Abmessungen bestimmt der Gleitmodul G die Ausführung der Schraubenfeder.

8* n * Dm3

G * d4

Gleitmodul G Stahl 79,3 Gpa Titan 41,4 Aluminium 25,5 Magnesium 17,0 Polyethylen 0,117 Gummi 0,0003 GFK 2,2 – 7,5 CFK 1,6- 16,0

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Eine völlig neue Alternative zu Stahlfedern stellen Federn aus GFK dar. AUDI wird mit einer solchen Feder (Abb. 99) beim R8 e-tron in „Serie“ gehen, womit die Bewährungsprobe bestanden wurde.

Gewicht GFK-Feder 1,53 kg, Gewicht Stahlfeder 2,66 kg

Abb. 99 Quelle: Sogefi

Abb. 100

Ebenfalls auf eine Feder aus korrosions-freiem, chemisch stabilem GFK setzt das Ultra-Leichtbau-Konzept der Fa. Lotus.

Die GFK-Querblattfeder wird nur aufBiegung beansprucht, Längskräfte undTorsionsmomente fangen andere Komponenten auf (Abb.100): kein mehr-achsiger Spannungszustand.

Richtige Einspannung bewirkt sogareinen Stabilisator-Effekt

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4.7.1.) aktive Federung

Der Terminus „aktive Federung“ bezeichnet Federsysteme, die währende der Fahrt die Bodenfreiheit und Federrate variieren können. Solche Systeme sind von Premium- und Rennsportfahrzeugen bekannt. Sie arbeiten mit Hydrauliksystemen (Citroen DS 19, ab 1955) oder pneumatisch (Luft-federung). Die immer noch dominierende Stahlfederung zeigt bei Beladung eines Fahrzeugs (Abb.101) eine signifikante Absenkung der Aufbaueigenfrequenz und damit der Fahrzeugstabilität bei Ausweichmanövern. övern.

Eine Alternative zu be-kannten aktiven Feder-ungen entwickelt die Fa. Bose im Zuge der fortschreitenden Elektrifizierung von mechanischen Komponenten im Fahrzeug (Abb.102).

Abb. 101

Das Bose-System arbeitet mit Linear-motoren, deren elek-trische Ansteuerung über die Software

völlig neue Eigen-schaften der Fahrdynamik erlaubt. Die aktive Federung kann die Bodenfreiheit und Federrate regulieren und als Dämpfer sowie Querstabilisator, Anti-Dive und Anti-Squat wirken.

Abb. 102 Quelle: Bose

Drehstabfeder

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Das System befindet sich noch im Entwicklungsstand. Bose gibt deshalb keine Detailinformationen über das Wirkungsprinzip mit einem Linear-motor (Abb. 103) hinaus. Bose verwendet eine konzentrische Motorkon-struktion. Die Linearmotoren erlauben eine teilweise Rekuperation der elektrischen Leistung für die Anhebung der Räder beim Ausfedern.

Drehstabfedern übernehmen beim Bose-System die statischen Radlasten.

Eine zukünftige Ergänzung der aktiven Federung wäre die Kopplung mit einer Laserabtastung der Straße vor dem Fahrzeug. So könnte sich die adaptive Federung / Dämpfung antizipativ auf Bodenunebenheiten einstellen und eine echte Skyhook-Charakterisktik erlauben.

Abb.103 Quelle: Canders/Mosebach/Shi

Bei der Skyhook-Regelung(Abb. 104) soll das Fahr-zeug über Fahrbahnun-ebenheiten ohne Auf-baubewegungen gleiten. Diese Eigenschaft wird bereits adaptiven Stoß-dämpfersystemen zuge-schrieben, obwohl erst aktive Systeme diesen Anspruch zur Gänze erfüllen können.

Abb. 104, Quelle: ZF

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Stoßdämpfer spielen bei der Evolution der Fahrdynamik eine wichtige Rolle. Früh wurde die Notwen-digkeit zur Dämpfung der Schwingsysteme Rad – Federung – Aufbau (Abb.105) erkannt, um die Eigen-

schwingungen derbeiden Feder- /Massen-Systeme möglichst schnellabklingen zu lassen(Abb.106).

Die ursprünglich ver-wendeten Reibungs-dämpfer liessen die Schwingungen nur linear abklingen, die hydraulischen Dämpfer sorgen für eine starke Dämpfungbis hin zur aperio-dischen Dämpfung.

4.9.) Schwingungsdämpfer

Abb.105 Abb. 106Quelle: ZF

Abb. 107 Abb. 108

dd od. = / d L T +1A - TA

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Herkömmliche hydraulische Stoßdämpfer weisen eine von der Geschwindigkeit der Kolbenstangeim Dämpfer abhängige Kraft auf, die Kolben- und Bodenventile (Zweirohrdämpfer) bestimmen.Moderne adaptive Dämpfer stellen die Dämpfungskräfte in einem weiten Kennfeld in Zug- und Druckstufe (Abb. 109) mit elektrisch gesteuerten Proportionalventilen (Abb. 110) an jedem Rad separat stufenlos ein.

Abb. 109 Quelle: ZF Sachs

Abb. 110 Quelle: ZF Sachs

Abb. 111 Quelle: ZF SachsDie Hersteller werben mit der „Skyhook“-Charakte-ristik, die hier aber nur ein-geschränkt erreicht wird.

Die Abtastrate der vertikalen Radbewegungen kann bis auf zwei Millisekunden erhöht und entsprechend schnell die Ventilsteuerung adaptiert werden. Bekannt sind diese Dämpfer unter dem Begriff „CDC“-Dämpfer (Continous Damper Control) (Abb. 111) .

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Die aktiven Radführungen steigern nicht nur den Komfort für die Fahrzeuginsassen, sondern auch die aktive Fahrsicherheit durch eine signifikante Stabilisierung des Fahrverhaltens in kritischenFahrsituationen. Der Fahrdynamiktest „Lenkwinkelsprung“zeigt mit CDC-Dämpfung 15 % geringere maximale Giergeschwindigkeit und 40 % geringere Überschwingweite der Giergeschwindigkeit (Abb. 112).

Abb. 112, Quelle: ZF Sachs

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Einen technologisch alternativen Ansatz stellen die Stoßdämpfer mit magneto-rheologischem Prinzip dar. Hier strömt eine Flüssigkeit mit magnetisierbaren Partikeln durch Drosseln mit konstantem Durchmesser im Kolben. Die Strömungs-widerstände bei Kolbenstangen- und damit Rad-Bewegungen - beeinflusst das Magnetfeld im Inneren des Dämpfers (Bild 113).

Der Global Chassis Controller steuertdie Ströme in den Magnetspulen der Dämpfer an und sorgt nicht nur für den optimalen Fahrkomfort, sondern in derSport-Stellung auch für geringere Auf-baubewegungen und reduzierte Radlast-schwankungen, damit für höhere mög-liche Kurvengeschwindigkeiten.

Abb. 113 Quelle: ZF Sachs

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Abb. 114 Quelle: MagnaSteyr

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4.9.) Bremsen

Mit steigenden Motorleistungen, Fahrzeuggewichten und Geschwindigkeiten wuchsen auch die Anforderungen an die Bremsen. Reichten in den Urzeiten des Automobils noch auf die Reifen gepresste Gußeisen- oder Vollgummiklötze, ging die Entwicklung dann zu Bandbremsen, Trommelbremsen und letztlich Scheibenbremsen über. Die aus dem Flugzeugbau übernommenen Scheibenbremsen benutzten und benutzen heute noch mehrheitlich Bremsscheiben aus Grauguß.

Abb. 115 Quelle:Movit

Für höchste Belastungen wurden Scheiben aus einer Keramikmatrix entwickelt, die heute im Motorsport und bei Hochleistungs--fahrzeugen zur Standardausrüstung zählen(Abb 115).

Keramikscheiben mit Carbonfaserver-stärkungen arbeiten bei höheren Tempe-raturen (bis 1300 Grad C) ohne signifikanten Reibwertverlust.

Die Bremszangen umfassen die Scheiben von außen und benötigen in der Felge den freienEinbaudurchmesser DE. Dadurch reduziert sich der wirksame Reibdurchmesser Dw.

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Um einen größeren wirksamen Reibdurch-messer Dw zu erreichen, stellte Audi im V8 die innen umfasste Scheibenbremse vor. Problememit Bremsenrubbeln führten zur Aufgabe des alternativen Konzepts.

Mit dem Radnabenantrieb kommt dieses Konzept wieder (Abb. 116). Hier übernimmt die Bremse geringere Bremsleistungen, da der E-Motor als Generator in der Rekuperationphase einen Großteil der Bremsleistung aufbringt, dieBremsscheibe wird thermisch niedriger beansprucht.

Im Zuge der Elektrifizierung wichtiger mechanischer Komponenten im Fahrzeug verbreitet sich auch die elektrisch betätigte Bremse. Elektrische Handbremsen finden sich als Komfortfeature bereits in vielen Premium-Modellen.

Der nächste Schritt ist die Zuspannung der Bremsbeläge mit elektrischen Aktuatoren.

Abb. 116 Quelle: Protean

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Als Alternative zur herkömm-lichen Bremsbelagzuspannung bei Scheibenbremsen ohne Selbstverstärkung entwickelte Siemens-VDO die elektrisch betätigte Keilbremse (Abb. 117).

Der Elektromotor 4 drückt über eine Spindel das Druckstück 5 über Rollenrampen gegen den Belag 3 und über den Schwimmrahmen den gegenüberliegenden Belag 3 gegen die Bremsscheibe. Die Bremse nutzt die Selbst-verstärkung. Die Rampen dürfen deshalb nur mit Rampenwinkeln arbeiten, diedem Elektromotor jederzeit einLösen der Bremsanlage erlaubt. .

Abb. 117 Quelle: Siemens-VDO

Diese Bremse kann die Bremskräfte sehr schnell modulieren und arbeitet deshalb ideal mit ABS- oder ESP-Systemen zusammen. Allerdings begrenzen die Rampen die Zuspannwege und damit die nutzbare Bremsbelagdicke.

Die Weiterentwicklung ruht zur Zeit, da Sicherheitsbedenken noch intensiv analysiert werden müssen:Bei Ausfall des Motors löst bei dieser Konstruktion die betätigte Bremse nicht zwangsweise, wenn der Selbstverstärlungseffekt genutzt wird.

= Fges

= *m Fd

Fs= *m F / tan 2d

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5.) Resümee

Im Jahr 1917 veröffentlichte ein Experte die Meinung, dass die Automobilentwicklung jetzt wohl beendet sei. Das folgende Jahrhundert hat bewiesen, dass die Weiterentwicklung eines der meistverwendeten technischen Produkte auf der Welt nicht abgeschlossen werden kann.

• Neue Technologien, • gesetzliche Vorschriften, • gestiegene Kundenerwartungen an Sicherheit, • Gebrauchsnutzen und • Komfort • Kosten

waren die wichtigsten Treiber dieser ständigen automobilen Evolution, in der bisher nicht angedachte oder nicht realisierbare Alternativen immer wieder Fortschritte ermöglichten.

Ohne die Einführung alternativer elektrischer und/oder elektronischer Steuerungen hätte das moderne Automobil nicht den heutigen Stand erreichen können. Umso wichtiger, dass der Automobil-Ingenieur immer enger mit seinen Kollegen aus der Elektrik/Elektronik zusammen arbeitet.

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Diese Vorlesung konzentriert sich definitionsgemäß auf Hardware-Komponenten. Dennoch muss der große Einfluss von Berechnungen und Simulationen erwähnt werden, ohne die viele Alternativen ohne vorherige Software-Analyse in der virtuellen Entwicklung gar nicht bis zum Prototyp-Stadium gekommen wären.

Neue, präzisere Berechnungsverfahren erlauben eine noch bessere Materialausnutzung und und ermöglichen mit alternativen Leichtbau-Konzepten und –Werkstoffen die Richtungsumkehr derGewichtsspirale im Kraftfahrzeugbau.

Die durchgängige Elektrifizierung vieler bisher mechanisch oder hydraulisch betätigten Komponenten wie Wasser-pumpe, Servo-Lenkung, Motor-management, Getriebesteuerungen, auch mit elektrischen Aktuatoren, aktive Fahrwerkskomponenten oder der gesamte Antrieb zeigen, dass zwei bisher wenig verknüpfte Disziplinen in der Mechatronik im derzeit statt-findenden Paradigmenwechsel zusam-mengeführt werden.Dementsprechend hoch liegt der Wertschöpfungsinhalt der Elektrik/ Elektronik in modernen Fahrzeugen(Abb. 118 ).

Abb. 118

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6.) Literaturverzeichnis

1.) Automobiltechnik der Zukunft, Seiffert / Walzer, VDI-Verlag, ASIN: B006XHFQEO

2.) Zukunft der Mobilität – Szenarien für das Jahr 2030

Institut für Mobilitätsforschung, 2010, (ifmo-Studien), ISBN 978-3-932169-42-7

3.) Mobilitätskonzepte, Fraunhofer ISI

4.) Automobil 2001, Perspektiven-Berichte-Analysen, Europaverlag Wien, ISBN 3-203-50966-0

5.) Handbuch Kraftfahrzeugtechnik, Braess / Seiffert, Verlag Vieweg, ISBN 3-528-03114-X

6.) http://www.wired.com/autopia/2012/03/nissan-deltawing/

7.) Höherfester Stahl für den Automobil-Leichtbau, Thyssenkrupp Stahl, 2010

8.) Nachwachsende Rohstoffe im Auto, Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft

9.) Herstellung von naturfaserverstärkten Polyurethan-Pressteilen,

Vortrag Fa. Dräxlmaier, Vilsbiburg10.) Schraubenfedern aus Verbundstoff GFK, Sogefi Group S.p.A.

11.) http://www.chemiedidaktik.uni-wuppertal.de/material/gestaltungs_technik/45_kunststoffe.pdf

12.) Vorlesung „Design of Automotive Suspension Systems“, Stockmar, TU Wien

13.) Nichtlineare Regelung von Kraftfahrzeugen in querdynamisch kritischen Fahrsituationen

Anette von Vietinghoff, Universitätsverlag Karlsruhe

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