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Über weite Strecken des 20. Jahrhunderts wurden die Erdölmärkte von einigen wenigen Erdölgesellschaften beherrscht, die eine weitgehende Oligopol-Stellung innehatten. Erst mit der Nationalisierung der Erdölindustrie und der Gründung Nationaler Ölgesellschaften in den wichtigsten Produzentenländern in den 1970er Jahren, sowie der Gründung der OPEC wurde die Oligopol-Stellung der Ölmultis im Erdölsektor gebrochen. Auch der wirtschaftliche Aufschwung nationaler Ölgesellschaften in einigen wichtigen Erdölkonsumentenländern, wie zum Beispiel in Frankreich (CFP wurde später privatisiert und in TOTAL SA umgewandelt) und Italien (Eni) rüttelte an der Oligopol-Stellung der Ölmultis. Trotzdem gehören sie auch heute noch zu den weltweit größten und mächtigsten Konzernen. Welche Rolle spielen sie heute im Energiesektor?
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Welche Rolle spielen internationale Ölgesellschaften im Energiesektor?
Über weite Strecken des 20. Jahrhunderts wurden die Erdölmärkte von einigen wenigen
Erdölgesellschaften beherrscht, die eine weitgehende Oligopol-Stellung innehatten. Erst mit
der Nationalisierung der Erdölindustrie und der Gründung Nationaler Ölgesellschaften in den
wichtigsten Produzentenländern in den 1970er Jahren, sowie der Gründung der OPEC1 wurde die
Oligopol-Stellung der Ölmultis im Erdölsektor gebrochen. Auch der wirtschaftliche Aufschwung
nationaler Ölgesellschaften in einigen wichtigen Erdölkonsumentenländern, wie zum Beispiel in
Frankreich (CFP wurde später privatisiert und in TOTAL SA umgewandelt) und Italien (Eni)
rüttelte an der Oligopol-Stellung der Ölmultis. Trotzdem gehören sie auch heute noch zu den
weltweit größten und mächtigsten Konzernen. Welche Rolle spielen sie heute im
Energiesektor?
Als Ende des 19. Jahrhunderts in den USA und Anfang des 20. Jahrhunderts im Mittleren Osten
erstmals Erdöl in kommerziellem Maße gefördert wurde, kam es zur Gründung internationaler
Erdölgesellschaften (IOCs). Firmen, wie Exxon, Mobil, Shell und BP waren bereits damals im
Erdölsektor tätig, wenn auch teilweise unter anderem Namen. Da Erdöl einer der wichtigsten und
meistverwendeten Rohstoffe ist - einerseits als Treibstoff im Transport und als Brennstoff in der
Wärmeerzeugung und andererseits als Rohstoff in der Chemieindustrie -, gehört die Erdöl- und
Gasindustrie zu den wichtigsten und vor allem auch zu den kapitalintensivsten Wirtschaftszweigen.
Seit dem Beginn der kommerziellen Erdölförderung spielten einige wenige Ölgesellschaften die
dominierende Rolle in der Erdölindustrie. Sie verfügten über die Reserven, waren zuständig für die
Exploration, die Förderung, die Lagerhaltung und den Vertrieb; ihnen gehörten die Öltanker,
welche das Erdöl in alle Welt brachten, sie verkauften die Produkte aus Erdöl (Benzin, Diesel,
Heizöl etc.) und nicht zuletzt bestimmten sie den Preis. Die Länder, in denen die Erdölvorkommen
waren, bekamen lediglich einen bestimmten Anteil an Steuern für das geförderte Erdöl, welcher
von den IOCs einseitig bestimmt wurde. Im Jahr 1928 trafen sich die Chefs der sieben führenden
Erdölkonzerne, genannt die „Seven Sisters“2 und teilten im Abkommen von Achnacarry die
Einflusssphären und Produktionsgebiete untereinander auf, ohne die Regierungen oder gar die
Völker der betroffenen Regionen im Mittleren Osten mit einzubeziehen.
1 Die OPEC (Organisation Erdöl-exportierender Länder) wurde 1960 in Bagdad gegründet mit dem Ziel den Produzentenländern mehr Recht über ihre Ressourcen zu erlangen 2 Die Gruppe inkludierte folgende sieben Erdölkonzerne: die Anglo-Persian Oil Company (jetzt BP); Gulf Oil, Standard Oil of California (SoCal), Texaco (jetzt Chevron); Royal Dutch Shell; Standard Oil of New Jersey (Esso) and Standard Oil Company of New York (Socony) (jetzt ExxonMobil).
Fortan beherrschten diese Ölkonzerne den Erdölmarkt bis in die Mitte der 1970er. Der Begriff
„Seven Sisters“ soll auf den italienischen Eni-Manager Enrico Mattei3 zurückgehen. Von den
damals sieben führenden Ölkonzernen existieren heute noch vier – ExxonMobil, Chevron, Royal
Dutch Shell und BP - und sie zählen auch heute noch zu den größten und mächtigsten
Erdölkonzernen und rangieren auch unter den 20 weltgrößten Konzernen (siehe Tabelle 4).
Die Ölkonzerne ExxonMobil, Chevron, Shell, BP hat es schon vor 1900 gegeben, wenn auch zum
Teil unter anderem Namen. Diese vier Konzerne zusammen mit Total und ConocoPhillips werden
oft als die Super Majors im Erdölgeschäft bezeichnet. Neben diesen Ölgesellschaften gibt es noch
viele andere internationale oder nationale Erdölgesellschaften, wie Aramco aus Saudi Arabien,
CNPC und SINOPEC aus China, Gazprom (Russland), Eni (Italien) und viele mehr, die im Erdöl- und
Gasgeschäft eine wichtige Rolle spielen.
1960 wurde in Bagdad die OPEC4 gegründet mit dem Ziel, dass die Mitgliedsländer die volle
Souveränität über Ihre Erdölvorkommen erlangen. Im ersten Jahrzehnt ihres Bestands wurde die
OPEC kaum beachtet, erst in den 1970er Jahren erlangte sie internationalen Einfluss, als die
Mitgliedsländer die Petroleumindustrie verstaatlichten und als sie im Jahre 1973 zum ersten Mal
bei der Erdölpreisgestaltung mitwirkten. In den 1970er Jahren kam es zu einer Welle von
Nationalisierungen und Enteignungen im Erdölsektor in den ölreichen Ländern des Mittleren
Ostens und in anderen ölreichen Regionen. Parallel dazu wurden nationale Ölgesellschaften
gegründet, die zum Teil die Aufgabenbereiche der Internationalen Ölkonzerne (IOCs) übernahmen.
3 Enrico Mattei reorganisierte und vergrößerte nach dem 2. Weltkrieg die Italienische Erdölgesellschaft Eni. Es gelang
ihm wichtige Erdölkonzessionen im Mittleren Osten auszuhandeln und ein wichtiges Handelsabkommen mit der Sowjetunion abzuschließen, was auch dazu beitrug, die Oligopolstellung der „Seven Sisters“ zu schwächen. Er war es auch, der sehr zum Unmut der „Seven Sisters“. den Produzentenländern einen höheren Profitanteil an der Erdölförderung zukommen ließ. 4 Die Gründerländer der OPEC waren Saudi Arabien, Iran, Irak, Kuwait und Venezuela. Inzwischen hat die OPEC noch weitere sieben Mitgliedsländer: Algerien, Angola, Nigeria, Libyen, Katar, Vereinigten Arabische Emirate und Ecuador.
Es kam zu einer grundlegenden Veränderung im internationalen Erdölsektor. Die internationalen
Ölmultis konnten fortan nicht mehr einseitig den Ölpreis bestimmen und konnten auch nicht mehr
über die Reserven verfügen, da diese nun von den Ländern, in denen das Erdöl vorkam, als ihr
Eigentum verwaltet wurde. Es gab verschiedene Gründe, weshalb die Erdölländer die bis dahin
geltenden Verträge („concession agreements“) mit den IOCs einseitig veränderten. Ein Hauptgrund
war, dass sie über die Rohstoffvorkommen in ihren Ländern selbst bestimmen wollten. Zudem
kam es in den 1970er und 1980er Jahren zu stark steigenden Erdölpreisen, wobei die Länder auch
ihren gerechten Anteil einforderten. Anstelle der „concession agreements“, bei denen die
Verhandlungsmacht einseitig zugunsten der Investoren, nämlich der IOCs verteilt war,
entwickelten sich neue Vertragsformen, bei denen die IOCs in Kooperation mit den Nationalen
Ölgesellschaften (NOCs) die diversen Tätigkeiten im Erdölsektor durchführten und wo vor allem
die NOCs und die IOCs gleichwertige Partner wurden. Es entwickelten sich vier typische
Vertragsformen5 zwischen den Investoren (IOCs) und den Produzentenländern bzw. den NOCs, die
bis heute Anwendung finden. Die Verhandlungsmacht der Produzentenländer ist umso stärker, je
größer die Erdöl-Reserven und die Erdölproduktion bzw. die Erdölexporte des jeweiligen Landes
sind.
Graph 1
5 “modern concession contracts“, „production sharing agreements“, „joint ventures“ and „service agreements“.
Außerdem spielt es eine Rolle, über welches technische Knowhow die NOCs verfügen und nicht
zuletzt hängt es von den finanziellen Ressourcen des Landes ab, wie viel Verhandlungsspielraum
für sie gegeben ist. Investitionen im Erdöl- und Gassektor sind sehr kapitalintensiv und viele
Länder haben nicht die entsprechenden finanziellen Ressourcen und sind daher auf Investitionen
der IOCs angewiesen. Zudem ist sehr oft ein spezielles technisches Knowhow erforderlich, um
Erdöl und -gas zu fördern, welches nur die Ölmultis haben. Auch in diesem Falle ist eine
Zusammenarbeit mit den IOCs notwendig. Seit Erdgas im Energiesektor an Bedeutung gewonnen
hat, sind die Ölmultis auch im Gassektor stark vertreten.
Während bis in die 1970er Jahre der Großteil der weltweiten Ölförderung in den Händen der
Ölmultis lag, beträgt ihr Anteil an der weltweiten Ölförderung heute nur noch circa 20 Prozent, bei
Gas ist der Prozentsatz etwas höher. Den weitaus größeren Anteil an der weltweiten Ölförderung
haben die Nationalen Ölgesellschaften (NOCs) der erdölexportierenden Länder. Die IOCs verfügen
nur mehr über etwa als 5 % der weltweiten Öl- und Gasreserven. Beim Verkauf von
Petroleumprodukten liegt der Anteil der IOCs immer noch bei über 30% und im Raffineriesektor
bei etwas über 20%. .
Grundsätzlich lassen sich Ölkonzerne in zwei Gruppen aufteilen, die privaten, börsennotierten
Konzerne und die staatlich kontrollierten Erdölfördergesellschaften. Während in den USA und in
Großbritannien die Erdölgesellschaften traditionell schon immer private, börsennotierte Konzerne
waren, blieben diese in Kontinentaleuropa bis in die 80er und 90er Jahre meist unter staatlicher
Kontrolle und wurden erst in den letzten Jahrzehnten größtenteils privatisiert (Beispiel Total in
Frankreich, Eni in Italien). In praktisch sämtlichen erdölexportierenden Ländern hingegen stehen
die Erdölfördergesellschaften unter staatlicher Kontrolle (Beispiel Aramco in Saudi Arabien,
PDVSA in Venezuela).
Tabelle 1
Wenn man sich die 10 weltgrößten Ölgesellschaften anschaut, so finden sich darunter sowohl
nationale Gesellschaften der erdölexportierenden Länder (z. B. Saudi Aramco), staatliche
Gesellschaften großer Konsumentenländer (z.B. CNPC China) als auch die großen internationalen
Ölmultis. Verglichen mit der Zeit vor 1970, wo lediglich die internationalen Ölmultis den
Erdölsektor beherrschten, hat sich die Struktur am Erdölmarkt jedoch grundlegend verändert.
Tabelle 2
Bei der Erdölförderung sind vier nationale Erdölgesellschaften von erdölexportierenden Ländern
unter den ersten Fünf, an erster Stelle rangiert die saudische nationale Ölgesellschaft Saudi
Aramco mit einem Produktionsvolumen von fast 10 Millionen Barrels pro Tag gefolgt von der
Iranischen Gesellschaft NIOC mit einer Produktion von 3,7 Millionen Barrels pro Tag.
Bemerkenswert ist, dass sich auch eine chinesische nationale Ölgesellschaft, nämlich die CNPC
unter den Top Erdölproduzenten befindet. Einerseits produziert China mehr als 4 Millionen Barrels
Erdöl pro Tag im eigenen Land, andererseits versucht das energiehungrige Land sich in diversen
Ländern durch Beteiligungen Anteile an der Erdölförderung zu sichern. Bei der Gasproduktion
liegt die russische staatliche Gasgesellschaft Gazprom mit 47 Millionen Kubikfuß pro Tag an erster
Stelle, gefolgt von der Iranischen NIOC, während ExxonMobil auf Platz 3 liegt.
Beim Verkauf der Petroleumprodukte sind immer noch die Ölmultis führend und belegen weltweit
vier Plätze unter den ersten fünf. Auf Platz vier kommt die chinesische Ölgesellschaft Sinopec. Im
Raffineriesektor zeigt sich ein diversifiziertes Bild. An vorderster Stelle liegt ExxonMobil mit einer
Raffineriekapazität6 von über 5 Millionen Barrels pro Tag, gefolgt von den beiden chinesischen
staatlichen Ölgesellschaften Sinopec und CNPC. Shell liegt an vierter Stelle vor der
Venezuelanischen staatlichen Ölgesellschaft PDV. Zusammenfassend kann man sagen, dass bei
6 Die Raffineriekapazität bezieht sich auch die Destillationskapazität
der Erdöl- und Gasförderung die nationalen Gesellschaften der exportierenden Länder eine
maßgebliche Rolle spielen, während beim Verkauf der Petroleumprodukte und auch im
Raffineriesektor die Ölmultis immer noch sehr stark vertreten sind. Die zunehmende Bedeutung
chinesischer staatliche Ölgesellschaften, sowohl bei der Erdölförderung, als auch im Verkauf der
Petroleumprodukte, aber vor allem im Raffineriesektor ist nicht zu übersehen.
Tabelle 3
Die immer noch wichtige Rolle der internationalen Ölmultis im Energiesektor basiert auf
folgenden Fakten: zum einen verfügen diese Konzerne über eine lange Erfahrung und über eine
teils konkurrenzlose technologischen Expertise, die sie bei vielen schwierigen Projekten, wie zum
Beispiel bei der Öl- und Gasförderung in Arktischen Regionen oder in Tiefseeregionen unersetzlich
machen. Zum anderen können sie aufgrund ihrer enormen finanziellen Ressourcen Investitionen
tätigen, die für viele nationale Ölgesellschaften nicht möglich sind. Eine andere wichtige
Voraussetzung für die immer noch führende Rolle der Ölkonzerne im Energiesektor ist die breite
Palette an Tätigkeitsfeldern, in denen sie tätig sind. Vor allem bei der Erschließung der nicht-
konventionellen fossilen Energieformen, wie Schiefergas und Schieferöl sind die Ölmultis an
vorderster Linie. Auch im Forschungsbereich und in der Entwicklung neuer Technologien im
Energiesektor und in der Petrochemischen und Chemischen Industrie spielen die Ölmultis eine
dominante Rolle. So wurde zum Beispiel das Verfahren aus Gas LNG (verflüssigtes Gas)
herzustellen und flüssige Produkte, wie Benzin oder Diesel aus Gas herzustellen von Shell
entwickelt. Auch im Bereich der Erneuerbaren Energien haben die Ölmultis enorme Investition
getätigt. Fazit ist, dass die Ölmultis im Erdöl- und Gassektor immer noch eine sehr wichtige Rolle
spielen und man davon ausgehen kann, dass sie auch in der Zukunft ihre enorme Bedeutung
beibehalten werden.
Tabelle 4
Wie aus Tabelle 4 ersichtlich ist, gehören die Erdöl/ Gas Gesellschaften zu den weltweit größten
Konzernen. Gemessen am jährlichen Umsatzerlös sind 5 der 10 weltgrößten Konzerne im
Erdöl/Gas Sektor tätig.
Monika Psenner - Energie-Expertin Lesen Sie weitere Artikel zur Zukunft der Energie!