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Die Pille „danach“ Seite 46 Muskelkrämpfe – was tun? Seite 47 Wie hoch ist der Nutzen von Statinen bei nichtkardialen Operationen? Seite 49 Erkennen und Behandlung der Hyperkaliämie Seite 51 Diagnose und Therapie der Hyperhidrose Seite 52 Myokarditis – therapeutische Optionen Seite 54 Behandlung der renalen Anämie bei chronisch Niereninsuffizienten – noch zeitgemäß? Seite 56 Clopidogrel und Protonenpumpenhemmer Seite 57 Exforge HCT ® , Dafiro HCT ® (Amlodipin/Valsartan/Hydrochlorothiazid) Seite 59 Onglyza ® (Saxagliptinhydrochlorid) Seite 61 Sehstörungen unter Antiepileptika-Therapie Seite 62 UAW – Aus Fehlern lernen: Hämolyse durch Rasburicase (Fasturtec ® ) Seite 64 Leberschäden oder Leberversagen unter Pharmakotherapie – Praktische Hinweise zu Risikominimierung Seite 65 Impfung gegen das Rotavirus Seite 66 Zur Sicherheit der Impfung gegen Humanes Papilloma-Virus (HPV) Seite 67 Zur Behandlung der idiopathischen Fazialisparese Seite 67 Terminankündigung Seite 68 Das aktuelle Thema Therapie aktuell Arzneiverordnung in der Praxis Impressum Herausgeber: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Prof. Dr. med. W.-D. Ludwig (Vorsitzender) Wissenschaftlicher Beirat: Dr. med. J. Bausch, Dr. med. K. Ehrenthal, Frau Prof. Dr. med. U. Gundert-Remy, Prof. Dr. med. R. Lasek, Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen, Prof. Dr. med. U. Schwabe, M. Voss, Arzt, Vorstand der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Chefredakteur: Prof. Dr. med. D. Höffler Stellvertretender Chefredakteur: Dr. med. M. Zieschang Anschrift der Redaktion: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Postfach 12 08 64 10598 Berlin Telefon: 0 30 / 40 04 56-5 00 Telefax: 0 30 / 40 04 56-5 55 E-Mail: [email protected] www.akdae.de ISSN 0939-2017 Realisation und Vertrieb: Triple MPR Group GmbH, Postfach 19 01 30, D-53037 Bonn, Telefon: 02 28/2 42 35 45, Telefax: 02 28 /22 45 11 Druck: Franz Paffenholz GmbH, Bornheim Abonnement: Die Schutzgebühr des Jahresabonnements für 4–6 x AVP einschl. Sonderhefte Therapieemp- fehlungen beträgt EUR 39,– (für Studenten: EUR 19,–; Nachweis erforderlich). Ihre Abo-Anfor- derung richten Sie bitte an die Arzneimittel- kommission [email protected]. Bezug im Jahres- abonnement, Kündigung zum Jahresende. Wir möchten darauf hinweisen, dass die in „Arzneiver- ordnung in der Praxis“ erscheinenden Publikationen prinzipiell den Charakter von Autorenartikeln – wie in jeder anderen Zeitschrift – haben. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben zur Dosierung und auch zu den Preisen kann keine Gewähr übernommen werden. Trotz sorgfältiger Recherche bitten wir Sie dringend, die aktuellen Angaben des jeweiligen Her- stellers zu beachten. Die gemäß Arzneimittel-Richt- linien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu ver- öffentlichenden Therapieempfehlungen in ihrer aktu- ellen Fassung werden als solche gekennzeichnet. © Alle Rechte vorbehalten. AkdÄ, Berlin 2010 Herausgegeben von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010 Neuzugelassene Arzneimittel Arzneimittel – kritisch betrachtet Unerwünschte Arzneimittelwirkungen Was uns sonst noch auffiel In eigener Sache Zitate Als Anfang des 20. Jahrhunderts die pharmazeutische Industrie entstand und begann, für ihre Produkte zu werben, wurde 1911 auf dem Kongress für Innere Medizin der Grundstein für die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gelegt. Die Aufgabe der seinerzeit berufenen Kommission sollte es sein, die Ärzteschaft durch Ärzte unabhängig und objektiv zu informieren. Dieses Ziel verfolgen wir bis zum heutigen Tag, u. a. mit diesem Heft. Arzneiverordnung in der Praxis ist Mitglied der International Society of Drug Bulletins (www.isdbweb.org)

Arzneiv er or dnung in der Praxis - akdae.de · mientransport durch Veränderung des ... lich wird das Endometrium beeinflusst und somit die Implantation gestört. Eine bereits implantierte

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Die Pille „danach“ Seite 46Muskelkrämpfe – was tun? Seite 47

Wie hoch ist der Nutzen von Statinen bei nichtkardialen Operationen? Seite 49Erkennen und Behandlung der Hyperkaliämie Seite 51Diagnose und Therapie der Hyperhidrose Seite 52Myokarditis – therapeutische Optionen Seite 54Behandlung der renalen Anämie bei chronisch Niereninsuffizienten – noch zeitgemäß? Seite 56

Clopidogrel und Protonenpumpenhemmer Seite 57

Exforge HCT®, Dafiro HCT® (Amlodipin/Valsartan/Hydrochlorothiazid) Seite 59Onglyza® (Saxagliptinhydrochlorid) Seite 61

Sehstörungen unter Antiepileptika-Therapie Seite 62UAW – Aus Fehlern lernen: Hämolyse durch Rasburicase (Fasturtec®) Seite 64Leberschäden oder Leberversagen unter Pharmakotherapie – Praktische Hinweisezu Risikominimierung Seite 65

Impfung gegen das Rotavirus Seite 66

Zur Sicherheit der Impfung gegen Humanes Papilloma-Virus (HPV) Seite 67Zur Behandlung der idiopathischen Fazialisparese Seite 67

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Das aktuelle Thema

Therapie aktuell

Arzneiverordnungin der Praxis

ImpressumHerausgeber:Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Prof. Dr. med. W.-D. Ludwig (Vorsitzender)Wissenschaftlicher Beirat:Dr. med. J. Bausch,Dr. med. K. Ehrenthal,Frau Prof. Dr. med. U. Gundert-Remy,Prof. Dr. med. R. Lasek,Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen,Prof. Dr. med. U. Schwabe,M. Voss, Arzt, Vorstand der Arzneimittelkommission derdeutschen ÄrzteschaftChefredakteur:Prof. Dr. med. D. Höffler Stellvertretender Chefredakteur:Dr. med. M. ZieschangAnschrift der Redaktion:Arzneimittelkommission der deutschen ÄrzteschaftPostfach 12 08 6410598 BerlinTelefon: 0 30 / 40 04 56-5 00Telefax: 0 30 / 40 04 56-5 55E-Mail: [email protected] 0939-2017Realisation und Vertrieb:Triple MPR Group GmbH, Postfach 19 01 30,D-53037 Bonn, Telefon: 0228/2423545,Telefax: 0228/224511Druck: Franz Paffenholz GmbH, BornheimAbonnement:Die Schutzgebühr des Jahresabonnements für4–6 x AVP einschl. Sonderhefte Thera pie emp -feh lungen beträgt EUR 39,– (für Stu den ten: EUR19,–; Nachweis erforderlich). Ihre Abo-Anfor-derung richten Sie bitte an die Arznei mittel -kommission [email protected]. Bezug im Jahres-abonnement, Kündigung zum Jahresende.Wir möchten darauf hinweisen, dass die in „Arznei ver -ordnung in der Praxis“ erscheinenden Publikationenprinzipiell den Charakter von Autorenartikeln – wie injeder anderen Zeitschrift – haben. Für die Richtigkeitund Vollständigkeit der Angaben zur Dosierung undauch zu den Preisen kann keine Gewähr übernommenwerden. Trotz sorgfältiger Recherche bitten wir Siedringend, die aktuellen Angaben des jeweiligen Her-stellers zu beachten. Die gemäß Arznei mittel-Richt -linien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu ver-öffentlichenden Therapie empfeh lun gen in ihrer aktu-ellen Fassung werden als solche gekennzeichnet.© Alle Rechte vorbehalten. AkdÄ, Berlin 2010

Herausgegeben von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Neuzugelassene Arzneimittel

Arzneimittel – kritisch betrachtet

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Was uns sonst noch auffiel

In eigener Sache

Zitate

Als Anfang des 20. Jahrhunderts die pharmazeutischeIndustrie entstand und begann, für ihre Produkte zuwerben, wurde 1911 auf dem Kongress für InnereMedizin der Grundstein für die Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft gelegt. Die Aufgabe derseinerzeit berufenen Kommission sollte es sein, dieÄrzteschaft durch Ärzte unabhängig und objektiv zuinformieren. Dieses Ziel verfolgen wir bis zum heu tigenTag, u. a. mit diesem Heft.

Arzneiverordnung in der Praxis ist Mitglied der International Society of Drug Bulletins(www.isdbweb.org)

Die Pille „danach“Bei fehlendem Kinderwunsch könnenzahlreiche Methoden zur Verhütung an-gewendet werden. Leider kommt es aberdennoch nicht selten zum ungeschütz-ten Verkehr oder zum Versagen der an-gewandten Methode: So werden z. B.Ovulationshemmer vergessen, Kondo-me werden falsch angewendet odersie zerreißen. Während in einer derarti-gen Situation früher nur auf das Einset-zen der Blutung gehofft werden konnte,stehen heute wirksame Methoden zurpostkoitalen Kontrazeption zur Verfü-gung.

Seit den 60er Jahren wurden kombinier-te Ovulationshemmer „off label“ als„Pille danach“ verwendet. 1974 publi-zierte Yuzpe erste Ergebnisse der nachihm benannten Methode. Nach derYuzpe-Methode werden zweimal 100 µgEthinylestradiol + 0,5 mg Levonorge-strel (LNG) im Abstand von 12 Stundenoral verabreicht. Die Anwendung sollspätestens 72 Stunden nach dem unge-schützten Verkehr erfolgen. Sie redu-ziert die Schwangerschaftsrate um etwa75 %. Allerdings kommt es in 30 bis 60 %der Anwendungen zu Übelkeit und in 12bis 22 % zu Erbrechen.

Seit etwa 20 Jahren ist eine weitere „Pilledanach“ auf dem Markt (Unofem®, Levo-gynon®). Die Gabe von 1,5 mg Levonor-gestrel ist gegenüber der Yuzpe-Methodewirksamer, weiterhin hat die reine Ges-tagengabe weniger Nebenwirkungen.Das Auftreten von Übelkeit wird mit18 %, von Erbrechen mit 4 % angegeben.Vor der Verordnung von LNG sollte dieIndikation überprüft werden. Eine zeit-gleiche Beratung bezüglich einer dauer-haften Kontrazeption ist geboten. EinenSonderfall stellt die „vergessene Pille“dar: Indiziert ist LNG zur postkoitalenKontrazeption nur, wenn eine Minipille,bzw. zwei oder mehr Pillen eines kombi-nierten Ovulationshemmers vergessenwurden, oder eine versehentliche Verlän-gerung der Pillenpause > acht Tage er-

folgte. Die zuvor angewandte orale Kon-trazeption ist nach der LNG-Einnahmeweiter einzunehmen.

Zunächst wurde in Anlehnung an dieYuzpe-Methode die Gabe von zweimal0,75 mg LNG im Abstand von 12 Stundenempfohlen. Inzwischen hat sich heraus-gestellt, dass die einmalige Gabe von1,5 mg Levonorgestrel die gleiche Wirk-samkeit und Verträglichkeit aufweist. InDeutschland stehen die Präparate Uno-fem® mit 1,5 mg LNG und Levogynon®

mit 2 x 0,75 mg LNG als „Pille danach“zur Verfügung. Die zeitgerechte An-wendung der postkoitalen Kontrazep-tion mit LNG reduziert die zu erwarten-de Schwangerschaftsrate um 89 %.Die Wirkung wird als Präventivfraktionbeschrieben. Dies bedeutet, dass von100 Frauen nach ungeschütztem Ver-kehr in der 2. bis 3. Zykluswoche ohnepostkoitale Kontrazeption acht schwan-ger werden, nach Anwendung der LNG-Pille kommt es lediglich zu ein bis zweiSchwangerschaften. Am wirksamsten istdie Anwendung in den ersten 12 Stundennach dem ungeschützten Verkehr, mitzunehmender Verzögerung der Einnah-me sinkt die kontrazeptive Wirkung.

Der Wirkmechanismus der „Pille da-nach“ ist nach wie vor nicht vollständiggeklärt. Es wird vermutet, dass präovu-latorisch der LH-Anstieg unterdrücktund die Ovulation damit verhindert oderverzögert wird. Weiterhin wird der Sper-mientransport durch Veränderung desZervixschleims beeinträchtigt, schließ-lich wird das Endometrium beeinflusstund somit die Implantation gestört. Einebereits implantierte Schwangerschaftwird durch die Anwendung nicht beein-trächtigt.

Die Nebenwirkungsrate der „Pille da-nach“ ist gering. Neben Übelkeit und Er-brechen kann es zu irregulären Blutun-gen sowie zu Schwindelgefühl, Müdig-keit, Brustbeschwerden, Kopfschmerzen

und abdominalen Schmerzen kommen.Es gibt nur wenige Kontraindikationen.Das American College of Obstetriciansand Gynecologists nennt eine bestehen-de oder vermutete Schwangerschaft,Überempfindlichkeit gegen einen Be-standteil des Präparats und ungeklärteanormale genitale Blutungen als Kon-traindikationen. Teratogene Wirkungenbei versehentlicher Anwendung in derSchwangerschaft wurden bisher nichtbeschrieben. In mehreren Ländern istdie LNG-Pille inzwischen nicht mehr re-zeptpflichtig, in Deutschland besteht je-doch weiterhin Verschreibungspflicht.

Seit dem 1.10.09 ist in Deutschland eineweitere „Pille danach“ auf dem Markt.Es handelt sich um das Präparat Ella -One®mit dem Wirkstoff Ulipristal, einemoral wirkenden synthetischen Pro -gesteron-Rezeptor-Modulator. Ulipristalähnelt damit dem zum medikamentösenSchwangerschaftsabbruch zugelassenenPräparat Mifegyne®. Es wirkt bis zu5 Tage nach dem ungeschützten Ver-kehr, in den ersten 3 Tagen ist die Wirk-samkeit mit den bisher verfügbarenGestagenpräparaten vergleichbar. AlsWirkmechanismus werden die Hem-mung oder Verzögerung der Ovulationsowie eine Beeinflussung des Endome-triums genannt. Über die Auswirkungenauf eine bestehende Frühschwanger-schaft ist wenig bekannt, eine Schwan-gerschaft muss daher vor der Einnahmeausgeschlossen werden. Als Nebenwir-kungen werden vor allem Bauchschmer-zen und Zyklusstörungen genannt, miteiner Häufigkeit > 1 von 100 Anwen-derinnen auch Dysmenorrhoe, Me-nor rhagie, Metrorrhagie, Infektionen,affektive Stö rungen, Muskelkrämpfe,Rückenschmerzen, Kopfschmerzen undSchwindelgefühl. Eine bessere Verträg-lichkeit im Vergleich zu Levonorgestrelist nicht dokumentiert. Auf Grund derbisher vergleichsweise geringen Erfah-rungen mit EllaOne® dürfte die Anwen-dung in erster Linie dann in Frage kom-

46 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Das aktuelle Thema

men, wenn der Zeitraum von drei Tagennach dem ungeschützten Verkehr über-schritten ist. Alternativ kommt in diesenFällen die Einlage einer Kupferspiralezur Nidationshemmung in Betracht. Aneiner kürzlich im Lancet veröffentlich-ten Studie nahmen 2.221 Frauen teil, dieeinmalig 30 mg Ulipristal bzw. 1,5 mgLNG erhielten. Innerhalb von 72 Stun-den nach dem ungeschütztem Verkehrlag die Schwangerschaftsrate in der Uli-pristal Gruppe bei 1,8% (Vertrauens-grenzen 1,0-3,0), in der LNG-Gruppebei 2,6% (Vertrauensgrenzen 1,7-3,9).203 Frauen nahmen die Medikation 72bis 120 Stunden nach dem ungeschütz-ten Verkehr. In dieser Gruppe wurdendrei Schwangerschaften in der Levonor-gestrel-Gruppe beobachtet, in der Ulipri-stal Gruppe trat hingegen keine Schwan-gerschaft auf.

Literatur1. Weismiller DG: Emergency contracep-tion. Am Fam Physician 2004; 70:707–714.

2. Allen RH, Goldberg AB: Emergencycontraception: a clinical review. Clin Ob-stet Gynecol 2007; 50: 927–936.

3. Empfehlungen zur Notfallkontrazep-tion mit Levonorgestrel LNG für Ärzteim Notdienst. Hess Ärztebl 2008; 69:781–782.

4. Glasier AF et al.: Ulipristal acetate ver-sus levonorgestrel for emergency con-

traception: a randomised non-inferioritytrial and meta-analysis. Lancet. 2010;375: 555–562

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. Dr. Dr. med. B. Hinney, Gö[email protected]

47Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

FAZIT

Mit der seit etwa 20 Jahren verfügbarenGabe von 1,5 mg Levonorgestrel (LNG)zur postkoitalen Kontrazeption kann dieSchwangerschaftsrate nach ungeschütz-tem Geschlechtsverkehr um ca. 89 % re-duziert werden. Die Nebenwirkungensind gering, und es gibt nur wenige Kon-traindikationen. Eine möglichst frühe Ein-nahme nach dem ungeschützten Verkehrist am wirksamsten, die Einnahme solltespätestens nach 72 Stunden erfolgen.

Das seit dem 1.10.09 verfügbare deutlichteurere Präparat EllaOne® enthält Ulipri-stal, einen Progesteron-Rezeptor-Mo -dulator. Vorteile gegenüber LNG bezüg-lich der Verträglichkeit sind bisher nichterkenntlich. Das Medikament wirkt biszu 5 Tage nach dem ungeschütztenVerkehr. Die Wirkungen auf eine bereitsbestehende Schwangerschaft sind un-klar. Der Ausschluss einer Gravidität istdaher unbedingt erforderlich.

Muskelkrämpfe – was tun?

EinleitungEin Muskelkrampf (Crampus) ist eineplötzlich auftretende, schmerzhafte undunwillkürliche Kontraktion eines Teilsoder des gesamten Muskels beziehungs-weise einer umschriebenen Muskelgrup-pe, die nach kurzer Zeit spontan ab-klingt. In der Regel hält ein Krampf nurSekunden bis wenige Minuten an undgeht mit einer tastbaren Verhärtung ein-her (1). Muskelkrämpfe können grund -sätzlich in jedem Muskel auftreten,meis tens sind jedoch die Muskeln derWade und des Fußgewölbes betroffen.Typischerweise treten sie in Ruhe oderwährend der Nacht auf. Muskelkrämpfesind eine Störung, deren Häufigkeit mitdem Alter zunimmt, wobei Frauen öftersunter diesem Phänomen leiden als Män-ner. Vor allem schwangere Frauen habenein um Faktor 6 erhöhtes Risiko (2). Un-tersuchungen bei ambulant behandeltenSenioren ergaben eine Prävalenz von

35–60 %; in einer Studie gaben 40 % derPatienten an, mehr als drei Krämpfe proWoche zu haben (1). Als prädisponieren-de Faktoren wurden u. a. Schlafmangel,Alkohol, Kaffeegenuss, Exsikkose undmuskuläre Aktivität beschrieben (2). DerGrad der Gesundheitsbeeinträchtigungist variabel, aber nur selten so groß, dassdie Betroffenen bereit wären, beein-trächtigende diagnostische oder thera-peutische Maßnahmen über sich erge-hen zu lassen. In der Tat bewegt sich dashäufig vorkommende Beschwerdebildder Muskelkrämpfe in der Grauzonezwischen Symptom einer Krankheitund einer Befindlichkeitsstörung ohneKrankheitswert.

Ätiologie und EinteilungMuskelkrämpfe können auf der Basisihrer Ätiologie eingeteilt werden (3). Sounterscheidet man zwischen paraphy-siologischen, idiopathischen und sym-

ptomatischen Muskelkrämpfen (Tabelle1). Paraphysiologische Krämpfe tretenbeim Gesunden unter bestimmten Be-dingungen (z. B. körperliche Überla-stung oder Schwangerschaft) auf undsind oft durch leichte Störungen imWasser-Elektrolyt-Haushalt bedingt. Zuden paraphysiologischen Muskelkrämp-fen zählt man auch solche, die gelegent-lich bei Gesunden auftreten, die keinenbesonderen Bedingungen ausgesetztsind. Diese treten meist bei starker mus-kulärer Kontraktion oder bei längererungewohnter Körperhaltung auf. Im Ge-gensatz dazu kommen symptomatischeMuskelkrämpfe als Folge einer internis -tischen oder neurologischen Grunder-krankung vor (z. B. Durchblutungs-störungen, Leberzirrhose, amyotropheLateralsklerose oder Multiple Sklerose).Auch können Medikamente wie Beta-sympathomimetika, Betablocker, Choli-nergika/Azetylcholinesterasehemmer,

Kalziumantagonisten, Statine, Clofi-brinsäurederivate oder Diuretika Ur -sache symptomatischer Crampi sein (4).In die Rubrik der symptomatischenKrämpfe müssen auch die bei der Dialysegerechnet werden. Diese können Folgevon Wasser- und Elektrolytverschiebun-gen sein, aber auch arterielle Durchblu-tungsstörungen oder eine chronischvenöse Insuffizienz kann hierbei eineRolle spielen. Idiopathische Muskel-krämpfe weisen keine erkennbaren Ursa-chen auf. Vermutet wird eine periphereneurogene Übererregbarkeit (5). Para-physiologische und idiopathische Cram-pi kann man auch unter dem Begriff „ge-wöhnliche Muskelkrämpfe“ zusammen-fassen. Sie kommen mit Abstand amhäufigsten vor.

DiagnoseGewöhnliche Muskelkrämpfe werdenanhand der typischen Anamnese (in-klusive der Provokationssituationen)diagnostiziert. Die neurologische Unter-suchung zeigt keine Auffälligkeiten. Beirezidivierenden Muskelkrämpfen kön-nen zusätzliche Untersuchungen indi-ziert sein; vorrangig die Bestimmungder Blutelektrolyte (inklusive Magne -

sium und Kalzium), der Nieren- undLeberwerte, des Blutzuckers sowie derSchilddrüsenhormone und der Kreatin-kinase (4). Ebenso sollte eine Medika-mentenanamnese erfolgen.

Bei atypischen Crampi (z. B. lang anhal-tende Krämpfe) oder anderen Hinweisenauf symptomatische Muskelkrämpfewird im Einzelfall eine weiterführendeDiagnostik erforderlich. So wird bei-spielsweise die Messung des Serumspie-gels von Kortisol, Aldosteron und Laktatoder eine dopplersonographische Unter-suchung der Beinarterien empfohlen(2;4). Oft bestehen bei symptomatischenMuskelkrämpfen gleichzeitig Parästhe-sien und andere neurologische Auffällig-keiten, was eine weiterführende neuro-logische Abklärung nach sich zieht.Muskelkrämpfe als isoliertes Symptomeiner schweren internistischen oderneurologischen Grunderkrankung kom-men nur selten vor.

Studienlage und TherapieBei symptomatischen Muskelkrämpfenist die zugrunde liegende Krankheit zubehandeln. Für die Therapie gewöhnli-cher Muskelkrämpfe stehen eine Reihe

nicht-medikamentöser und medika-mentöser Maßnahmen zur Verfügung,die größtenteils nicht mit den Prinzipiender evidenzbasierten Medizin (EBM) zuvereinbaren sind.

Nicht-medikamentöse Therapie Gewöhnliche Muskelkrämpfe sind harm-lose Befindlichkeitsstörungen, für dienur selten eine pharmakologische The-rapie notwendig wird (2). Als Me thodezur Unterbrechung des akuten Krampfeswird eine passive Dehnung der betroffe-nen Muskeln und ein Anspannen der An-tagonisten empfohlen. Zur Vorbeugungvon nächtlichen Wadenkrämpfen solleine Spitzfußstellung vermieden wer-den, beispielsweise durch Verwendungeines harten Bettendes. Als weitere prä -ventive Maßnahme können regelmäßigepassive Dehnübungen für die Waden-muskulatur versucht werden (z. B. Vor-beugen des Körpers im Stand unter Er-halt des Bodenkontaktes der Fußsohle)(4). Diese Maßnahmen werden auch beiDialysepatienten angewandt. Kontrol-lierte Studien zu nicht-medikamentösenTherapien sind kaum vorhanden oderwerden unterschiedlich bewertet.

Medikamentöse Therapie Kontrollierte Studien zur medikamen -tösen Behandlung von gewöhnlichenMuskelkrämpfen finden sich insbeson-dere für oral eingenommenes Chinin(auch in Kombination mit Theophyllin)(6). Obwohl Chinin in Doppelblindstudi-en sowohl die Frequenz als auch die In-tensität nächtlicher Wadenkrämpfe re-duzierte, wird der Stellenwert diesesWirkstoffes bei der Therapie von Muskel-krämpfen überwiegend negativ einge-schätzt (5). Der Grund hierfür ist das po-tentielle Auftreten unerwünschter Er-eignisse (z. B. allergische Reaktionen,Thrombozytopenien oder Herzrhyth-musstörungen), die auch tödlich verlau-fen können. So hat die amerikanischeArzneimittelbehörde (FDA) im Dezem-ber 2006 den Handel mit frei verkäuf-lichen, chininhaltigen Präparaten un -tersagt. Sie hält aufgrund möglicher,schwerer Nebenwirkungen den Einsatzdieser Produkte bei Muskelkrämpfen fürnicht mehr vertretbar (4). Das Nutzen-Risiko-Verhältnis wird von der FDA fürdiese Anwendung als ungünstig angese-

48 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Tabelle 1: Einteilung der Muskelkrämpfe (mod. nach 3)

Paraphysiologische Muskelkrämpfe

• Gelegenheitskrämpfe

• Krämpfe bei sportlicher Aktivität (insbesondere bei Hitze)

• Krämpfe während der Schwangerschaft

Idiopathische Muskelkrämpfe

• Krämpfe bei familiärer Prädisposition (hereditär)

• Sporadische Krämpfe (z. B. idiopathische nächtliche Wadenkrämpfe )

Symptomatische Muskelkrämpfe

• Bei Krankheiten des zentralen und peripheren Nervensystems (z. B. Tetanus, M. Parkin-son, Multiple Sklerose, Radikulopathien, periphere Neuropathien)

• Muskelerkrankungen (z. B. metabolische, mitochondriale, endokrine oder entzündlicheMyopathien, Myotonien)

• Kardiovaskuläre Erkrankungen (z. B. arterielle oder venöse Durchblutungsstörungen,Beinödeme, kardiale Erkrankungen, Hypertonie)

• Endokrin-metabolische Erkrankungen (z. B. Schilddrüsenfunktionsstörung, Hyperpara-thyreoidismus, Leberzirrhose, Erkrankungen der Nebennierenrinde, Urämie, Dialyse)

• Erkrankungen mit Störungen des Wasser-Elektrolyt-Haushaltes

• Toxikologische und pharmakologische Ursachen (z. B. Pestizide, Alkohol, Medikamente)

• Psychiatrische und psychosomatische Erkrankungen

hen. In Deutschland hat Chinin noch Re-servestatus (4). Bei Schwangeren ist dieSubstanz kontraindiziert.

Der rechtzeitige Ersatz von Wasser- undElektrolytverlusten stellt bei Sportlerneine sinnvolle prophylaktische Maß-nahme dar. Dabei muss jedoch auchdarauf geachtet werden, nicht zu vielfreies Wasser zuzuführen und danneine bedrohliche Hyponatriämie aus-zulösen.

Bei Dialysepatienten hat sich die Gabevon 10–20 ml NaCl 5,85 % als Bolus be-währt.

Muskelkrämpfe werden oft mit Magnesi-um behandelt. In einer kleinen Doppel-blindstudie bei schwangeren Frauenführte die Gabe von Magnesiumtabletten(Mischung aus Magnesiumlaktat undMagnesiumzitrat, 5 mmol am Morgenund 10 mmol am Abend) zu einer im Ver-gleich zu Plazebo signifikanten Abnah-me von Wadenkrämpfen (5;6). Untersu-chungen in anderen Patientenkollekti-ven ergaben keinen signifikanten Unter-schied zwischen Magnesium und Plaze-bo. Magnesium ist im Allgemeinen gutverträglich. Bei Patienten mit Nieren -insuffizienz, Herzrhythmusstörungenoder Störungen der motorischen End-platte (z. B. Myasthenia gravis) sollteallerdings die Indikation zur Magnesi-umgabe streng gestellt werden (4).

Alternative medikamentöse Behandlun-gen für gewöhnliche Muskelkrämpfe(z .B. Phenytoin oder Carbamazepin)sind nur für kleine Fallzahlen oder

Einzelfälle berichtet und in ihrer Effek-tivität nicht gesichert (4;6). Bei denDoppelblindstudien wurde generell einausgeprägter Plazeboeffekt beobachtet;40–50 % der Patienten zeigten unterdem Scheinmedikament eine Verbesse-rung ihrer Symptome (1). Dies belegtdie Notwendigkeit plazebokontrollierterStu dien, um die Wirksamkeit medika-mentöser Therapien von Muskelkrämp-fen verlässlich beurteilen zu können.

Literatur1. Miller TM, Layzer RB: Muscle cramps.Muscle Nerve 2005; 32: 431–442.

2. Reichel G: Wadenkrämpfe (Krampi).Differentialdiagnose und Therapie. Psy-choneuro 2007; 33: 462–465.

3. Parisi L, Pierelli F, Amabile G et al.:Muscular cramps: proposals for a newclassification. Acta Neurol Scand 2003;107: 176–186.

4. Lindemuth R: Crampi/Muskelkrampf.In: Diener HC, Putzki N (Hrsg.): Leit-linien für die Diagnostik und Therapie inder Neurologie. 4. Aufl., Stuttgart: GeorgThieme Verlag, 2008; 654–657.

5. Said M: Wadenkrämpfe: Behandlungund Prävention. Pharma-Kritik 2002;24: 5–6.

6. Young G: Leg cramps. Clin Evid (Onli-ne) 2009; 03: 1113.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorund Koautor verneint.

PD Dr. med. Edgar A. Mueller, DresdenProf. Dr. med. Dr. med. dent. WilhelmKirch, [email protected]

49Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

FAZIT

Muskelkrämpfe sind ein häufig vor-kommendes, meist harmloses Phäno-men, wobei vornehmlich die Muskelnder Wade und des Fußgewölbes be-troffen sind. Gewöhnliche Krämpfe, dienicht in Folge einer internistischenoder neurologischen Grunderkrankungauftreten, sollten primär nicht-medika-mentös behandelt werden (z. B. mehr-mals tägliche Dehnübungen der Wa-denmuskeln oder Vermeidung einerSpitzfußstellung bei Nacht), auchwenn diese einfachen Maßnahmennicht durch kontrollierte Studien unter-mauert sind. Medikamentöse Therapi-en sollten nur bei häufigem Auftretenvon Muskelkrämpfen und entspre-chendem Leidensdruck in Betracht ge-zogen werden. Obwohl der Evidenzg-rad niedrig ist, erscheint in solchen Fäl-len ein Behandlungsversuch mit Ma-gnesium aufgrund der guten Verträg-lichkeit gerechtfertigt. Das Nutzen-Ri-siko-Verhältnis einer Chinin-Gabe wirdals ungünstig erachtet und sollte nur inAusnahmefällen und unter strenger In-dikation erfolgen. Andere medika-mentöse Behandlungen sind ungenü-gend dokumentiert.

Therapie aktuell

Wie hoch ist der Nutzen von Statinen bei nichtkardialenOperationen?In einer sehr lesenswerten Übersichts-arbeit schrieben Bauriedel et al. (1),dass kardiovaskuläre Komplikationenbei nichtkardialen Operationen we-sentlich zur perioperativen Morbidi-tät und Mortalität beitragen. Sie formu-

lierten u. a. explizit: „Verschiedene,auch randomisierte Arbeiten zeigeneine geringere perioperative Mortali-tät bei Statintherapie.“ Diese Aus-sage war aus meiner Sicht zu optimi-stisch (2).

Was wussten wir bisher?

In der ALERT (Assessment of LEscol inRenal Transplantation)-Studie wurden2.102 Patienten mit Nierentransplanta-tion randomisiert: Fluvastatin 40 mg/d;

nach 2 Jahren 80 mg/d versus Plazebo(3). Der primäre zusammengesetzteEndpunkt, definiert als großes kardialesEreignis (kardialer Tod, nicht tödlicherHerzinfarkt oder koronare Intervention)wurde nach 5 bis 6 Jahren unter Plazebovon 12,7 % und unter Fluvastatin von10,7 % der Patienten erreicht, was einerabsoluten Risikoreduktion (ARR) von2 % und einem NNT (number neededto treat)-Wert von 50 entspricht (p =0.139). Die Gesamtmortalität war unterFluvastatin höher (13,6 %) als unter Pla-zebo (13,1 %), ebenfalls nicht signifikant(p = 0.848).

In einer weiteren randomisierten Studie(4) wurde bei 100 Patienten mit elekti-ven gefäßchirurgischen Eingriffen derEinfluss von Atorvastatin (20 mg/Tag)versus Plazebo auf kardiovaskuläre Er-eignisse (kardialer Tod, nicht tödlicherHerzinfarkt, instabile Angina pectorisoder Schlaganfall) geprüft. Die Studien-medikation begann 30 Tage vor der Ope-ration und wurde danach noch 15 Tagefortgesetzt. Die Nachbeobachtungsdau-er betrug 6 Monate. Der kombinierteEndpunkt wurde unter Plazebo von 26 %und unter Atorvastatin von 8 % der Pati-enten erreicht (p = 0,031, ARR = 18 %,NNT = 6). Die Mortalität wurde nicht ge-senkt! Allerdings war die Anzahl der ein-bezogenen Patienten recht klein.

Alle anderen von Bauriedel et al. (1) an-geführten Studien waren retrospektiveKohorten- oder Fall-Kontroll-Studienmit diversen Fehlermöglichkeiten, wes-halb die Autoren weitere randomisierteStudien für notwendig erachteten.

Was gibt es Neues?Im vergangenen Jahr wurde dieDECREASE III (Dutch Echocardiogra-phic Cardiac Risk Evaluation ApplyingStress Echocardiography III)-Studie pu-bliziert (5). Die Autoren gingen davonaus, dass eine perioperative Therapie mitStatinen die postoperative Situation ver-bessern würde. In der prospektiven,doppelt-blinden, randomisierten Stu-die wurden Fluvastatin-Retardtabletten(Locol®) 80 mg täglich versus Plazeboverglichen. Es wurden 497 Patienten(66 ± 11 Jahre, 75 % Männer) mit einerVielzahl von Risikofaktoren (Hypertonie

57 %, Schlaganfall oder TIA 28 %, Herz-infarkt 28 %, Angina pectoris 22 %, Dia-betes mellitus 20 % usw.) einbezogen,die einer nichtkardialen Gefäßoperation(A. carotis 13,9 %, Aorta abdominalis47,5 %, Arterien der unteren Extremitä-ten 39 % usw.) unterzogen werden mus-sten. Die Basismedikation entsprach derGesamtsituation der Patienten (Beta-Blocker 100 %, Thrombozyten-Aggrega-tionshemmer 62 %, ACE-Hemmer 30 %,Antikoagulantien 27 % usw.). Die Stu-dienmedikation (Fluvastatin oder Plaze-bo) erhielten die Patienten im Mittel37 Tage vor der Gefäß-Op. PrimärerEndpunkt war der Surrogatendpunktmyokardiale Ischämie (vorübergehendeEKG-Abweichungen und/oder TroponinT-Freisetzung) innerhalb von 30 Tagenpostoperativ. Sekundärer Endpunkt:Kardiovaskulärer Tod oder Herzinfarkt(Tabelle 1).

Erwartungsgemäß wurden in der Fluva-statingruppe die Surrogatparameter Ge-samt-Cholesterol, LDL-C, Interleukin 6und C-reaktives Protein deutlich ge-senkt. Auch der Surrogatendpunkt»postoperative myokardiale Ischämie«wurde um 8,2 % (19,0–10,8) deutlichvermindert. Für die klinisch relevantenEndpunkte (kardiovaskulärer Tod, nichttödlicher Herzinfarkt, Gesamtmorta-lität) war die Studie nicht »gepowert«,d. h. beide Gruppen waren zu klein, umdefinitive Aussagen treffen zu können –auch wenn die Ergebnisse unter Fluva-statin immer etwas besser waren alsunter Plazebo.

Literatur1. Bauriedel G, Skowasch D, Lüderitz B:Operationsrisiko aus der Sicht des Kar-diologen: Teil 1 der Serie zur präoperati-

50 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

ven Risikoeinschätzung. Dtsch Arztebl2007; 104: A 1581–1587.

2. Meyer FP: Operationsrisiko aus derSicht des Kardiologen: Kein Freibrief fürStatine. Dtsch Arztebl 2007; 104: A 3340.

3. Holdaas H, Fellstrom B, Jardine AG etal.: Effect of fluvastatin on cardiac outco-mes in renal transplant recipients: a mul-ticentre, randomised, placebo-controlledtrial. Lancet 2003; 361: 2024–2031.

4. Durazzo AE, Machado FS, Ikeoka DT etal.: Reduction in cardiovascular eventsafter vascular surgery with atorvastatin:a randomized trial. J Vasc Surg 2004; 39:967–975.

5. Schouten O, Boersma E, Hoeks SE etal.: Fluvastatin and perioperative eventsin patients undergoing vascular surgery.N Engl J Med 2009; 361: 980–989.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. em. Dr. med. Frank P. Meyer, Groß[email protected]

FAZIT

Bei nichtkardialen Operationen wird –nach dieser Studie – die Mortalitätdurch die perioperative Gabe von Stati-nen nicht gesenkt. Trotz der geringenAnzahl bisher einbezogener Patientenkann man aber wohl davon ausgehen,dass die kardiovaskuläre Morbidität imVergleich zu Plazebo leicht reduziertwird.

Tabelle 1: DECREASE III (modifiziert nach 5)

Ereignis Plazebo Fluvastatin ARR NNT P(n = 247) (n = 250)

% % % n

Postoperative myokardiale Ischämie 19,0 10,8 8,2 12 0,01

Kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt 10,1 4,8 5,3 19 0,03

davon nur Herzinfarkt 6,9 3,2 3,7 27 –

Mortalität, total 4,9 2,4 2,5 40 0,14

ARR: absolute Risikoreduktion NNT: number needed to treat

In einer Übersichtsarbeit im BritishMedical Journal wird dieses Themadargestellt (1): Jeder 10. bis 100. Patient,der in einem Krankenhaus aufgenom-men wird, leidet unter einer Hyperkaliä-mie (K i. S. > 5,5 mmol/l. Der zunehmen-de Einsatz von Hemmern des Renin-An-giotensin-Systems (ACE-Hemmer, AT1-Blocker, Renininhibitoren) und Aldos -teronantagonisten verstärkt dieses Pro-blem.

Im menschlichen Körper befinden sich98 % des Kaliums in der Zelle, nur 2 %extrazellulär. Der Normalwert im Serumbeträgt 3,8–5,0 mmol/l. Trotz diesergroßen Spannbreite bleibt der Kalium-spiegel i. S. in engen Grenzen konstant.Die tägliche Kaliumaufnahme beläuftsich auf etwa 40 – 200 mmol. Die Aus-scheidung wird im Wesentlichen durchAldosteron gesteuert. Änderungen derKaliumkonzentration ändern das Mem-branpotential von Zellen und habensomit weitreichende Auswirkungen aufdie Funktion von Nerven-, Muskel- undHerzmuskelzellen.

Ursachen der HyperkaliämieFalsch hohe Kaliumwerte können durchProbleme bei der Probenentnahme (zulanges Stauen, Absaugen von Hämato-men bei der Blutentnahme) aber auchbeim Transport (siehe Tabelle 1) entste-hen. Der Grund ist der Austritt von Kali-um aus den Blutzellen.

Tabelle 1: Ursachen einerPseudohyperkaliaemie

Laborfehler, verzögerte Analyse

Venöse Entnahme distal einer Kaliumin-fusion

Hämolyse infolge zu kleiner Nadel oder zulange Stauung vor Entnahme

Schwere Leuko- oder Thrombozytose

Grundsätzlich kann die Hyperkaliämiedurch vermehrte Freisetzung aus denZellen erfolgen, also bei erhöhtem Zell-zerfall, z. B. bei einer Rhabdomyolyse,Gewebsnekrose oder Tumorlyse. Weit

häufiger (ca. 75 %) ist aber eine Hyper-kaliämie infolge verminderter Ausschei-dung über die Niere. Dies ist bei einerglomerulären Filtrationsrate < 15–20 ml/Min der Fall, insbesondere wenn weitereFaktoren hinzukommen: Stark kalium-haltige Ernährung (s. Tabelle 2), Medika-mente (s. Tabelle 3) oder auch ein Hypo-aldosteronismus (diabetische Nephropa-thie, M. Addison, renal tubuläre AzidoseTyp IV).

Tabelle 2: Nahrungsmittel mithohem Kaliumgehalt

Kräuter als Kochsalzersatz, kaliumhaltigeSalzersatzpräparate

getrocknete Früchte wie Feigen, Rosinen

Schokolade

Gemüse (Spinat, Kartoffeln, Tomatenu. a.), Früchte aller Art

Nüsse

Tabelle 3: Medikamente, dieeine Hyperkaliämie erzeugenkönnen

ACE-Hemmer, AT-2-Blocker, Renininhibi-toren

Ciclosporin

Erythrozytenkonzentrate

Fungizide wie Ketoconazol u. a.

Heparine

kaliumsparende Diuretika (Amilorid,Triamteren)

NSAR

Pentamidin

Spironolacton, Eplerenon

Suxamethonium

Tacrolimus

Trimethoprim

Klinische Symptome der Hyper-kaliämieDie Hyperkaliämie führt leider erstim fortgeschrittenen Stadium zu klini-schen Symptomen: Parästhesien, allge-meine Muskelschwäche, Abgeschlagen-heit, Palpitationen. CharakteristischeEKG-Veränderungen (hohe spitze T-Wellen, Bradykardie mit Verlust der P-

Wellen, Verbreiterung der QRS-Komple-xe bis zum Sinuswellenmuster) tretenauch bei schwerer Hyperkaliämie (K >6,5 mmol/l) nur bei 50 % der Patientenauf.

Wie ist die Hyperkaliämiezu behandeln?Kontrollierte Studien existieren nicht.Die Leitlinien zur Therapie beruhendaher auf Expertenmeinungen. Bei weit-gehend erhaltener Nierenfunktion kanneine milde bis mäßige Hyperkaliämie(< 6 mmol/l) mit Schleifendiuretika(z. B. Furosemid) behandelt werden. DerPatient sollte eine kaliumarme Diät(siehe Tabelle 2) einhalten, kaliumhalti-ge Lösungen sollten gestoppt und ka-liumerhöhende Medikamente abgesetztwerden (siehe Tabelle 3). Als schwere Hy-perkaliämie wird ein Serum-Kalium von6 mmol/l mit EKG-Veränderungen oder6,5 mmol/l unabhängig von EKG-Ver-änderungen betrachtet. Diese mussauf der Intensivstation überwacht undbehandelt werden, da es jederzeit, auchohne Vorwarnung zum Herz-Kreislauf-Still stand kommen kann. Ist die Nieren-funktion stark vermindert (GFR unter15 ml/min, Serumkreatinin ~ > 4 mg/dl)oder besteht gar eine Anurie, wirdman eine Notfalldialyse nicht vermei-den können. Sie ist die bei weitemschnellste, sicherste und effektivsteMethode, um das Kalium zu senken. BeiPatienten, die schon mit einem Nie-renersatzverfahren behandelt werden,sollte überdies schon im VerdachtsfalleKontakt mit einer Dialyseeinheit auf-genommen werden, da mit eine Notfall-dialyse rechtzeitig vorbereitet werdenkann.

In einer Notfallsituation kommen fol-gende Sofortmaßnahmen infrage:

1) Sofortige Wirkung durch Antagoni-sierung der Membraneffekte des Kali-ums:

– Calcium-Gluconat, 10 ml einer10 %igen Lösung innerhalb von3–5 min. i. v. (cave Digitalis!).

51Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Erkennung und Behandlung der Hyperkaliämie

2) Wirkung in 20 – 30 min durch Ka-liumeinstrom in die Zelle und Verän-derung des Membranpotentials:

– Glucose/Insulin-Infusionen (z. B.50 ml 50 %ige Glucose mit 10 IEAlt-Insulin über 5 min)

– Betasympathikomimetika (z. B.10–20 mg Salbutamol in 4 ml NaCl0,9 % vernebelt inhalieren)

– Natriumbicarbonat bei Patientenmit Azidose (500 ml einer 1,26 %-igen Lösung über 60 Min.

3) Förderung der Kaliumausscheidung:

– Schleifendiuretika (z. B. 40–80 mgFurosemid i. v.), nur bei noch er-haltener Diurese möglich

– Kationenaustauscher oral oder alsEinlauf ( z. B. 30 mg Calcium-Re-sonium ), der Effekt setzt aller-dings oft erst nach 6 Std. ein.

Nach der akuten Behandlung sollten ka-liumsparende Medikamente abgesetzt

und eine kaliumarme Diät begonnenwerden. Außerdem kann man die Kali-umausscheidung durch Schleifendiure-tika auch langfristig fördern. Die Gabevon Fludrocortison (AstoninH®) ist we-nigen Ausnahmefällen (hyporeninämi-scher Hypoaldosteronismus) vorbehal-ten und kann ebenso wie die Gabe von Bi-karbonat zu unerwünschten Flüssigkeit-seinlagerungen und Blutdruckerhöhun-gen führen.

Literatur: 1. Nyirenda MJ, Tang JI, Padfield PL,Seckl JR: Hyperkalaemia. BMJ 2009; 339:b4114.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorund Koautor verneint.

Prof. Dr. med. Dieter Höffler, WeiterstadtDr. med. Michael Zieschang, [email protected]

52 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

FAZIT

Wenn man kaliumerhöhende Arznei-mittel (insbesondere ACE-Hemmer,AT1-Blocker und Spironolacton) beiauch nur gering eingeschränkter Nie-renfunktion verordnet, ist besondereVorsicht geboten. Sind diese Medika-mente wirklich indiziert, werden häufi-ge Kontrollen notwendig.

Bei Hyperkaliämie und normaler Nie-renfunktion sollten zunächst falschhohe Kaliumwerte ausgeschlossenwerden. Ist die Hyperkaliämie be-stätigt, muss ein EKG geschrieben wer-den. Bradykardie und EKG-Verände-rungen zeigen eine Notfallsituation anund müssen unverzüglich intensivme-dizinisch behandelt werden.

Diagnose und Therapie der HyperhidroseSchwitzen ist ein physiologischer, le-bensnotwendiger Prozess, bei dem ausden ekkrinen Schweißdrüsen ein wässri-ges Sekret abgegeben wird. Bei der Hy-perhidrose ist das Schwitzen über dasphysiologische Maß hinaus erhöht. Be-troffene leiden hierdurch häufig unterstarken beruflichen und sozialen Ein-schränkungen. Folgeerkrankungen wiebakterielle und mykotische Infektionenkönnen resultieren.

Eine Einteilung nach der Ätiologie un-terscheidet primäre von sekundären Hy-perhidrosen. Primären Formen liegenkeine Grunderkrankungen oder externeUrsachen zugrunde. Sie sind fast immeran bestimmten Arealen (fokal) lokali-siert, wobei am häufigsten Axillen, Pal-mae und Plantae betroffen sind. Die se-kundäre Hyperhidrose ist Folge einerGrunderkrankung (z. B. Infektions-

krankheit, endokrinologische Ursache,neurologische Erkrankung) und trittmeist generalisiert auf.

DiagnoseEs existiert aktuell kein spezifischerLabor- oder Messwert, mit dessen Hilfedas Vorliegen einer Hyperhidrose bewie-sen oder ausgeschlossen werden kann.

Das wichtigste Kriterium zur Unter-scheidung von primärer und sekundärerForm ist die Anamnese. Hierbei tretendie fokalen primären Formen meist be-reits im Jugendalter bzw. im Zusammen-hang mit der Pubertät auf und sindtemperaturunabhängig, unvorherseh-bar und nicht willentlich kontrollierbar.Charakteristisch ist ein seitengleiches,symmetrisches Schwitzen v. a. an Axil-len, Händen und Füßen und das Sistie-

ren der Hyperhidrose während derSchlafphasen. Eine positive Famili-enanamnese kann vorliegen. Sind diesetypischen anamnestischen Angaben füreine primäre Hyperhidrose vorhandenund Fehlen eindeutige Hinweise auf einesekundäre Hyperhidrose, sind keineLabor- oder bildgebenden Untersuchun-gen indiziert. Man sollte insbesonderedie Teenager- Patienten darauf hinwei-sen, dass es oft zu einer spontanen Bes-serung um die zweite Hälfte des drittenLebensjahrzehntes kommt.

Neben der Anamnese können Testver-fahren hilfreich sein, um Therapieerfol-ge zu kontrollieren oder in wissenschaft-lichen Studien eine bessere Vergleich-barkeit zu erzielen. Der bekanntestequalitative Test ist die Jod-Stärke Reakti-on nach Minor, mit welchem das aktivschwitzende Hautareal farblich darge-

stellt wird. Um eine quantitative Aussagezu treffen, muss die Schweißmenge proZeiteinheit (meist mg/Min) mittels einerGravimetrie ermittelt werden. Hierbeiwird der in einem bestimmten Körpera-real in einer definierten Zeiteinheit ab-gegebene Schweiß in einem Filterpapieraufgenommen und anschließend miteiner Ultrafeinwaage ausgewogen. Ein-schränkend muss angeführt werden,dass alle verfügbaren Testmethoden demhäufig situativen Charakter einer Hyper-hidrose nicht immer gerecht werden.

Therapie der primärenHyperhidroseDie Therapie der primären Hyperhidroselässt sich in konservative und operativeMaßnahmen unterteilen. Die Auswahlder geeigneten Behandlungsmaßnah-men sollte individuell auf den Patientenund die Lokalisation abgestimmt seinund im Sinne einer Stufentherapie erfol-gen.

Bei der axillären Hyperhidrose bietensich folgende Therapiemodalitäten an:

• Topische Therapie mit Antiperspiran-zien

• Chemodenervierung mit Botulinum-toxin A

• Systemische Therapie mit Antihidro-tika

• Lokale operative Maßnahmen

Bei der palmaren und plantaren Hyper-hidrose sind folgende Therapien mög-lich:

• Topische Therapie mit Antiperspiran-zien

• Leitungswasser-Iontophorese

• Chemodenervierung mit Botulinum-toxin A

• Systemische Therapie mit Antihidro-tika

• Endoskopisch-transthorakale Sympa-thektomie

Bei der generalisierten, primären Hyper-hidrose erscheint auf Grund der flächen-haften Ausdehnung lediglich eine syste-mische Therapie mit Antihidrotika sinn-voll.

Topische Therapiemit AntiperspiranzienIn Deutschland kommen vor allemAluminiumsalzverbindungen zum Ein-satz. Bei magistralen Rezepturen wirdmeist Aluminiumchloridhexahydrat (pH-Wert 2,5 bis 2,9) verwendet. Kommerzi-ell angefertigte Produkte erhalten häufigAluminiumchlorhydrat (pH-Wert 4,0 bis4,5) (z. B. Odaban®, PerspireX®). Alumi-niumsalze wirken durch einen Ver-schluss der Ausführungsgänge der ek-krinen Schweißdrüsen. Sie diffundierenin den Gang und bilden Komplexe zwi-schen Metallionen und Mukopolysac-chariden. Aluminiumchloridhexahydratkann je nach Ausprägung der Hyperhi-drose in Konzentrationen von 10–30 %in unterschiedlicher Galenik angewandtwerden. Das Präparat wird abends auf dietrockene Axilla aufgetragen und mussüber mehrere Wochen angewandt wer-den. Die hier angesprochenen therapeu-tischen Möglichkeiten beruhen auf Em-pirie, nicht auf Studien.

Weniger wirksam sind gerbsäurehaltigeExterna mit einer adstringierenden Wir-kung im Anwendungsbereich (z. B. Tan-nolact®, Tannosynt®).

Die Applikation von lokalen Anticholin-ergika ist in Deutschland wenig verbrei-tet und findet vor allem im anglo-ameri-kanischen Raum größere Anwendung.Ein kommerziell erhältliches Produktexistiert in Deutschland nicht. In der Li-teratur gibt es Berichte über erfolgreicheAnwendungen von Glykopyrroniumbro-mid in einer Konzentration von 1–3 %.

Leitungswasser-Iontophorese Das Verfahren gilt als Therapie der Wahlbei palmarer und plantarer Hyperhidro-se. Bei dieser physikalischen Therapiewerden mit Hilfe von Wasserbädern oderfeuchten Elektroden kontinuierlicheoder gepulste Gleichströme durch defi-nierte Hautareale geleitet. Die zu Beginntägliche Behandlung kann bei Eintreten

eines Therapieerfolges je nach Befundauf eine dreimal wöchentliche Anwen-dung reduziert werden. Die Indikationund Verlaufskontrolle sollte durch denDermatologen erfolgen.

Chemodenervierung mit Botulinum-toxin ADurch die intrakutane Injektion vonBotulinumtoxin A kommt es zu einerBlockade der Botulinumtoxin A autono-men cholinergen postganglionären sym-pathischen Nervenfasern. Der Transmit-ter Acetylcholin wird nicht mehr freige-setzt und die ekkrine Schweißdrüsesomit denerviert. Nach etwa 6 Monatenlässt die Wirkung wieder nach, da neueNervenendigungen in das Gebiet ein-sprossen. Aktuell gibt es auf dem deut-schen Markt vier Botulinumtoxin-A-Präparate (Botox®, Dysport®, Xeomin®,Azzalure®) und ein Botulinumtoxin BPräparat (NeuroBloc®). Nur Botox® istzur Behandlung der schweren axillärenHyperhidrose zugelassen. Als Standard-dosis werden 50 Einheiten pro Axilla inji-ziert. Die Wirksamkeit und Sicherheit istdurch eine gute Studienlage belegt.Außerhalb der Indikation axilläre Hyper-hidrose (z. B. palmare, plantare, facialeHyperhidrose) und bei Verwendung derübrigen genannten Präparate handelt essich um einen „Off-label-use“. Zu beach-ten sind die unterschiedlichen Einheitender verschiedenen Hersteller. Ein Thera-pieversagen aufgrund von Antikörperbil-dung gegen Botulinumtoxin-A stellt einextrem seltenes Ereignis dar. Bei Auftre-ten von Antikörpern gegen Botulinum-toxin A kann der Einsatz von Botulinum-toxin-B- erwogen werden.

Systemische TherapieSalbeiDer Einsatz von Salbei, meist in Tablet-tenform, basiert auf Erfahrungsberich-ten und Ansätzen der Naturheilkunde.Da Studien zur Wirksamkeit fehlen,kann die Therapie als adjuvanter Ansatzmit sehr geringem Nebenwirkungsspek-trum betrachtet werden.

AnticholinergikaAktuell sind zwei Präparate in Deutsch-land für die systemische Therapie derHyperhidrose zugelassen. Ihr Einsatz

53Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

beschränkt sich vor allem auf generali-sierte primäre Hyperhidrosen und stelltnicht die Therapie der Wahl bei fokalenFormen dar. Bornaprin (Sormodren®),ein Anti-Parkinsonmittel mit anticholi-nerger Wirkung, und Methanthelinium-bromid (Vagantin®) sind neben der oftbegrenzten Wirkung auf fokale Formenauch durch mögliche Nebenwirkungen,wie zum Beispiel Akkomodationsstö-rungen, Mundtrockenheit, Tachykar-dien, Miktionsstörungen, und Konzen-trationsstörungen im Einsatz limitiert.Nur für Methantheliniumbromid liegteine kontrollierte Studie vor, die eineWirksamkeit bei axillärer, jedoch nichtbei palmarer Hyperhidrose beschreibt.

Weitere orale AntihidrotikaEs gibt Erfahrungsberichte und Fall-serien über den Einsatz verschiede-ner Medikamente wie Psychopharmaka,Tranquilizer, Sedativa und Betablocker.Bei schweren emotionalen Hyperhidro-sen mag der Einsatz von Psychopharma-ka im Einzelfall angebracht sein, gene-rell ist jedoch keine Indikation für die ge-nannten Substanzen vorhanden.

Operative TherapieverfahrenDie operative Therapie steht am Endenach Versagen konservativer Ansätze.Die Operationen werden in lokale Ein-griffe direkt im axillären hyperhidro-tischen Bereich und in Eingriffe amGrenzstrang (Sympathikus) unterteilt.Die lokalen chirurgischen Technikenkönnen in Lokalanästhesie bzw. in Tu-meszenzanästhesie durchgeführt wer-den und sind auf Grund anatomischerGegebenheiten nur axillär realisierbar.Sympathektomien erfolgen heutzutageendoskopisch und benötigen eine Intu-

(Hrsg.): Ästhetische Chirurgie. 20. Erg.Lfg., Landsberg: ecomed Medizin, 2008.

3. Bechara FG, Schmidt J, Hoffmann K,Altmeyer P: Krankhaftes Schwitzen.Stuttgart: Kohlhammer Verlag, 2010.

4. Worle B, Rapprich S, Heckmann M:Definition and treatment of primary hy-perhidrosis. J Dtsch Dermatol Ges 2007;5: 625–628.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint

Priv.-Doz. Dr. Falk G. Bechara, Klinik für Dermatologie und Allergolo-gie, Ruhr-Universität Bochum [email protected]

54 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

bationsnarkose. Offene Sympathektomi-en sind obsolet. Alle Eingriffe am Sympa-thikus sind als Ultima ratio nur beischwersten Formen der palmaren Hy-perhidrose oder kombinierten axillärenund palmaren Formen indiziert. Hierbeihat sich folgende Einteilung bewährt,die zwischen lokal chirurgischen Verfah-ren und Operationen am Sympathikusunterscheidet:

1. Lokal chirurgische Verfahren 1.1. Komplette Exzision hyperhidro-

tischer Areale1.2. Teilexzision mit kombinierter of-

fener Adenektomie1.3. Subkutane Verfahren ohne Haut -

entfernung

2. Operationen am Sympathikus2.1. Endoskopisch-transthorakale

Sympathektomie (ETS)2.2. Computertomographie (CT) ge-

steuerte Sympathikolyse

Obwohl zahlreiche Studien für unter-schiedliche OP-Techniken vorliegen,mangelt es bis heute vor allem an Seiten-vergleichsstudien einzelner Operations-methoden und an Langzeitergebnissen.Eine abschließende Bewertung der ver-schiedenen Operationen ist daher aktu-ell nicht möglich.

Literatur1. Bechara FG: [Current treatment offocal hyperhidrosis. Surgical approa-ches]. Hautarzt 2009; 60: 538–545.

2. Bechara FG: Chirurgische Therapie-verfahren der fokalen axillären Hyperhi-drose. In: von Heimburg D, Lemperle G

FAZIT

Die primäre Hyperhidrose stellt keinausschließlich kosmetisches Problemdar, sondern ist eine Erkrankung, diemit starken sozialen und beruflichenEinschränkungen einhergehen kann.Die Therapie erfolgt stufenweise, indi-viduell angepasst. Man beginnt mit to-pischen Antiperspiranzien. Bei palma-rer und plantarer Hyperhidrose be-währt sich die Leitungswasser-Ionto-phorese. Botulinumtoxin A – Injektio-nen können indiziert sein. Systemischwirkende orale Mittel sind in ihren An-wendungsmöglichkeiten eng begrenzt.Bei Versagen konservativer Ansätzemüssen als Ultima ratio operative An-sätze erwogen werden.

Myokarditis – therapeutische Optionen

KlinikDas klinische Erscheinungsbild der aku-ten Myokarditis ist sehr heterogen. DasSpektrum umfasst sowohl asymptomati-sche als auch milde Verlaufsformen ver-bunden mit unspezifischen Symptomenwie z. B. einer verminderten körperli-

chen Leistungsfähigkeit, Palpitationen,Luftnot und grippeähnlichen Beschwer-den bis hin zu lebensbedrohlichenRhythmusstörungen, Angina pectorismit Infarkt-EKG und kardiogenemSchock. Häufig berichten die Patientenvon einem zuvor stattgehabten respira-

torischen oder gastrointestinalen Infekt,verbunden mit Fieber. Sonderformenmit einem spezifischeren Symptomen-komplex wie z. B. höhergradigen AV-Blockierungen stellen die Riesenzell-myokarditis sowie die Myokarditis beiSarkoidose dar. Die genaue Inzidenz und

Prävalenz der Myokarditis ist aufgrundder sehr variablen Symptomatik sowieder schwierigen Diagnostik unbekannt.

UrsachenDie virale und postvirale (autoimmune)Myokarditis gilt als eine der häufigstenUrsachen der akuten oder chronischendilatativen Kardiomyopathie in Europa.Weltweit stellen die Chagas-Krankheitund Trypanosomen die häufigste Myo-karditis-Ursache dar. Kardiotrope Virenwie Coxsackievirus Typ B und Adeno-viren sind oft im Myokard bei Patien-ten mit akuter Herzmuskelentzündungnachweisbar. In den letzten Jahren ließsich besonders häufig Parvovirus B19 inden endomyokardialen Biopsien der Er-krankten nachweisen. Andere Viren wieHepatitis C, Epstein–Barr , Cytomegalieund das Humane Herpesvirus 6 sind sel-tener im Myokard nachweisbar. Nichtnur Viren können eine infektiöse Myo-karditis verursachen sondern auch Bak-terien sowie Infektionen mit Borellienoder Trypanosoma cruzii. Als nicht in-fektiöses Agens müssen bei Patientenmit Myokarditis auch Medikamente inBetracht gezogen werden, die eine Hy-persensitivitätsreaktion (teilweise mitEosinophilie) im Myokard auslösen kön-nen wie z. B. Antikonvulsiva, Antibiotikaoder Antipsychotika. Die eosinophileMyokarditis ist häufig auch mit anderenSystemerkrankungen wie z. B. demChurg-Strauss-Syndrom, der Löffler –Endokarditis oder mit paraneoplasti-schen Erkrankungen assoziiert.

PathogeneseDie Informationen zur molekularen Pa-thogenese der viralen und autoimmu-nen Myokarditis beruhen hauptsächlichauf Erkenntnissen aus Tier- und Zellkul-turmodellen. In diesen Modellen scheintdie Entwicklung der Myokarditis von derakuten Entzündung hin zur chroni-schen dilatativen Kardiomyopathie, ver-einfacht dargestellt, in einem dreistufi-gen Prozess abzulaufen. Die akute Ent-zündung führt zu einer kardialen Schä-digung u. a. mit Myozytolysen und da-durch bedingter Freilegung intrazellulä-rer Antigenstrukturen wie z. B. kardia-lem Myosin mit konsekutiver Aktivie-

rung der angeborenen Immunabwehr.Im Verlauf von Wochen führt die spezifi-sche Immunabwehr, vermittelt über T-Lymphozyten und Antikörperbildung,die gegen pathogene Strukturen undähnlich aufgebaute endogene kardialeProteine gerichtet ist, zu einer längerandauernden Entzündungsreaktion imMyokard. In den meisten Fällen kann dieImmunantwort die virusbeladenen Myo-zyten eliminieren mit nachfolgenderAusheilung der Myokarditis. In einigenFällen kann sich jedoch das Virus einerEliminierung durch das Immunsystementziehen mit Viruspersistenz im Myo-kard und andauernder myokardialer In-flammation. Letzteres kann dann zueiner anhaltenden Myokardzerstörungmit möglichem Übergang in eine dilata-tive Kardiomyopathie führen.

DiagnoseDie Verdachtsdiagnose Myokarditis wirdaufgrund der Anamnese und der klini-schen Untersuchung gestellt, wobei dar-auf hinzuweisen ist, dass es keine patho-gnomischen Befunde für diese Erkran-kung gibt. Biomarker wie Troponin Ioder Kreatinkinase MB mit hoher Spezi-fität aber geringer Sensitivität könnenhilfreich sein, die Diagnose zu sichern.Im Elektrokardiogramm zeigen sich z. T.unspezifische Veränderungen wie ST-Streckensenkungen und T-Negativie-rungen. Gelegentlich lässt sich beiPatienten mit akuter Myokarditis elek-trokardiographisch auch das typischeBild eines Myokardinfarktes mit ST-Streckenhebungen oder pathologischenQ-Zacken nachweisen. Die Sensitivitätdes Elektrokardiogramms ist jedoch ge-ring (47 %). Die Bedeutung der Echokar-diographie liegt in erster Linie in demAusschluss anderer struktureller Herz -erkrankungen wie z. B. Vitien oder ange-borenen Herzfehlern. In der Diagnostikder Myokarditis gewann besonders inden letzten Jahren die kardiale Magnet -resonanztomographie an Bedeutung.Der Nachweis inflammatorischer Arealeim Myokard durch das sog. „delayed en-hancement“ erlaubt die Lokalisation be-troffener Myokardareale und ermöglichtdie gezielte Entnahme. Die Rolle der En-domyokardbiopsie war lange Zeit geradeim Hinblick auf eine fehlende therapeu-

tische Konsequenz umstritten. Im Jahre2007 wurden erstmals in einer Consen-sus-Arbeit der amerikanischen und eu-ropäischen Gesellschaften für Kardiolo-gie mit Hilfe von Szenarien die Indika-tionen zur Endomyokardbiopsie darge-stellt. So wird z. B. eine Myokardbiopsiebei Patienten mit hämodynamisch rele-vanter neu aufgetretener Herzinsuffizi-enz (Anamnese < 2 Wochen) und V.a.fulminante Myokarditis mit günstigerPrognose empfohlen (Klasse IB-Indika-tion). Auch bei Patienten mit neu auf-getretener Herzinsuffizienz (Anamnese2 Wochen bis 3 Monate) mit ventri-kulären Arryhthmien oder AV-Block II.oder III. Grades bzw. bei fehlendem An-sprechen auf eine 1–2 wöchige medika-mentöse Therapie besteht nach Meinungder Gesellschaften eine IB-Indikationzur Myokardbiopsie um z. B. eine prinzi-piell therapierbare Erkrankung wie eineRiesenzellmyokarditis oder eosinophileMyokarditis, die ohne Therapie mit Cor-ticosteroiden eine sehr hohe Letalitätaufweisen, nicht zu übersehen. Anzu-merken sei auch, dass mit Hilfe der En-domyokardbiopsie, insbesondere durchdie Immunhistologie, eine prognosti-sche Aussage bzgl. des Verlaufes möglicherscheint. So haben Patienten mit Nach-weis inflammatorischer Infiltrate imMyokard eine signifikant höhere Leta-lität als Patienten, bei denen keine Zell -infiltrate im Myokard nachweisbar sind.

TherapieDie Behandlung der Myokarditis erfolgtindividuell in Abhängigkeit von der kli-nischen Präsentation, Krankheitsdauerund dem pathologischem Korrelat in derEndomyokardbiopsie. Generell solltenPatienten mit Myokarditis und akuterbzw. chronischer Herzinsuffizienz ge -mäß den aktuellen Leitlinien der kardio-logischen Fachgesellschaften zur Herz -insuffizienz-Therapie behandelt werden.Diese supportive medikamentöse The-rapie beinhaltet die Gabe von ACE-Hemmern (bei Unverträglichkeit AT-1-Blockern), Beta-Blockern sowie die sym-ptomatische Gabe von Diuretika, fallsnötig. Auch Spironolacton kann indi-ziert sein. Unbedingt notwendig ist einekörperliche Schonung bei akuter Myo-karditis, da körperliche Belastung zu

55Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

einer deutlich erhöhten Mortalität führt.Die Therapie mit nichtsteroidalen Anti-phlogistika kann aufgrund eines in Stu-dien beobachteten Anstiegs der Sterb-lichkeit nicht empfohlen werden. Auftre-tende Rhythmusstörungen sollten beiPatienten mit Myokarditis konventionellmedikamentös oder mittels Implantatenbehandelt werden. Auch bei Patientenmit endomyokardbioptisch nachweisba-rer florider Inflammation sollte bei Auf-treten von höhergradigen AV-Blockie-rungen oder symptomatischen Kam-mertachykardien auf eine Therapie miteinem Schrittmacher bzw. einem im-plantierbaren Defibrillator (AICD) nichtverzichtet werden.

Daten zur antiviralen Therapie beziehensich im Wesentlichen auf tierexperimen-telle Modelle, in denen durch die Gabevon Ribavirin oder Interferon Alfa dieMortalität gesenkt werden konnte. Le-diglich in einer Studie wurde die antivi-rale Therapie bei Patienten mit fulmi-nanter Myokarditis untersucht. Die Tat-sache, dass bei den meisten Patienten dieDiagnose einer akuten Myokarditis erstWochen nach der induzierenden Virus-infektion gestellt wird, lässt Zweifel auf-kommen, ob eine antivirale Therapie zudiesem Zeitpunkt noch einen Nutzenhat. Im Gegensatz zu Patienten mit aku-ter Myokarditis konnte bei Erkranktenmit chronischer dilatativer Kardiomyo-pathie und Viruspersistenz nach antivi-raler Therapie eine Verbesserung derlinksventrikulären Funktion sowie eineViruselimination aus dem Myokard do-kumentiert werden. Vor Umsetzung die-

Literatur1. Cooper LT, Jr.: Myocarditis. N Engl JMed 2009; 360: 1526–1538.

Weitere Literatur beim Verfasser

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Gensch Christoph,Kindermann Ingrid,Böhm Michael,Laufs UlrichUniversitätsklinikum des SaarlandesChristophGensch@ gmx.de]

56 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

ser Ergebnisse sollte jedoch die Publika-tion einer größeren Bestätigungs-Studieabgewartet werden. Auch die intravenö-se Gabe von Immunglobulinen bei Pati-enten mit akuter dilatativer Kardiomyo-pathie kann vor dem Hintergrund einerTherapiestudie mit fehlendem Wirksam-keitsbeleg nicht empfohlen werden. EineAussage über den Nutzen dieser Thera-pie bei Patienten mit chronischer Myo-karditis mit und ohne Viruspersistenzbzw. bei Kindern mit akuter Myokarditisist aufgrund fehlender Studien nichtmöglich.

Bezüglich einer immunsuppressivenTherapie zur Behandlung der akutenMyokarditis konnten verschiedene Stu-dien keinen Therapievorteil nachweisen.Lediglich in einer Studie mit 84 Patien-ten mit chronischer Myokarditis wurdebeobachtet, dass eine Therapie mit Aza-thioprin und Prednisolon zu einer ver-besserten linksventrikulären Funktionführte. Andere Therapieansätze wie z. B.die Immunoadsorption oder Immunmo-dulation sind zur Zeit noch Gegenstandvon laufenden Studien mit offenem Er-gebnis.

Für die Zukunft wünschenswert ist eineErweiterung der pathophysiologischenErkenntnisse und die Behandlung vonPatienten mit chronischer Myokarditisdurch myokardbioptisch gesteuerteTherapiestudien. Register und randomi-sierte Behandlungsstudien mit präzisformulierten Einschlusskriterien undvordefinierten Subgruppen sind hierzuunbedingt notwendig.

FAZIT

Die Inzidenz und Prävalenz der Myo-karditis ist aufgrund der variablen kli-nischen Präsentation und der schwie-rigen nicht-invasiven diagnostischenMöglichkeiten nicht genau bekannt.Die Behandlung besteht in erster Linieaus einer supportiven medikamentö-sen Herzinsuffizienz-Therapie. Eine an-tivirale bzw. immunsuppressive Thera-pie kann aufgrund eines fehlenden ein-deutigen Wirksamkeitsbeleges außer-halb von randomisierten Studien zurZeit nicht empfohlen werden.

Behandlung der renalen Anämie bei chronischNiereninsuffizienten – noch zeitgemäß?In einer Studie an 4.038 diabetischenPatienten mit Niereninsuffizienz, dienoch nicht dialysepflichtig waren (1)wurde doppelblind, randomisiert unter-sucht, ob die Gabe von Darbepoetin alfaim Vergleich zu Plazebo die Rate für fol-gende primäre Endpunkte vermindernkönnte:

1. Tod oder kardiovaskuläre Ereignisse

2. oder Tod oder Erreichen einer termi-nalen Niereninsuffizienz.

Einschlusskriterien waren Typ-2-Dia -betes, eine glomeruläre Filtrationsrate(GFR) von 20–60 ml/Min/1,73m2 Kör -

peroberfläche nach der MDRD-Formel,eine Anämie mit Hb < 11 g/dl, und einerTransferrinsättigung von > 15 %. Ausge-schlossen waren Patienten mit einer un-kontrollierten Hypertonie, vorherigerNierentransplantation oder geplanterLebendnierenspende, Patienten unterlaufender antibiotischer oder Chemo-

therapie, Bestrahlung, Krebs, HIV, akti-ver Blutung, hämatologischer Erkran-kung oder Schwangerschaft und Patien-ten, die in den letzten zwölf Wochen vorRandomisierung ein kardiovaskuläresEreignis, einen Grand Mal Anfall, größe-re Operationen oder ESA Therapie erhal-ten hatten.

2.012 Studienteilnehmer mit einem me-dianen Hb von 10,5 g/dl (Quartilabstand(IQR) 9,8–10,9 g/dl) erhielten Darbepoe-tin alfa mit einem Zielhämoglobinwertvon 13 g/dl (erreicht wurden bei Verum12,5 g/dl, IQR 12,0–12,8) gegenüberPlazebo 10,6 g/dl (IQR 9,9–11,3). In derPlazebogruppe (n = 2.026) wurden 46 %der Patienten mindestens einmal eineDosis von Darbepoetin alfa verabreicht,wenn der Hb-Wert unter 9 g/dl sank. Diemediane Nachbeobachtungszeit betrug29,1 Monate. Der primäre EndpunktNr. 1 (Tod oder kardiovaskuläres Ereig-nis) wurde bei 632 Patienten mit Darbe-poetin und 602 Patienten mit Plazebo er-reicht (Hazard ratio (HR) Darbepoetingegen Plazebo 1,05; 95 % Konfidenzin-tervall (KI) 0,94–1,17; p = 0,41). Tödlicheoder nicht tödliche Schlaganfälle erlit-ten 101 Patienten der Darbepoetin Grup-pe und 53 Patienten der Plazebogruppe(HR 1,92; 95 % KI 1,38–2,68; p < 0,001).Die Gabe von Erythrozytenkonzentratenwar bei 297 Patienten in der Interventi-onsgruppe und bei 496 Patienten in derPlazebogruppe notwendig (p < 0,001).Gerade für transplantierte oder für eineNierentransplantation infrage kommen-de Patienten wird die mögliche Antikör-per-Bildung durch die Gabe von Erythro-zytenkonzentraten sicherlich ein Nach-

teil sein. Es gab nur eine geringe Verbes-serung bezüglich Müdigkeit in der Grup-pe mit der Gabe des Darbepoetin. Die er-höhte Rate an Schlaganfällen scheintnicht durch Unterschiede in der Blut-druckeinstellung bedingt zu sein. Ledig-lich der diastolische Blutdruck war inder Verumgruppe gering höher (73 IQR67–79, gegenüber 71 IQR 65–77 mm Hg,p < 0,001). Der aus früheren Studien ver-mutete negative Einfluss vermehrterEisengaben (2;3) spielte ebenfalls keineRolle: In der Plazebogruppe wurde deut-lich mehr Eisen gegeben. Von 348 Pa -tienten mit der Vorgeschichte einesKrebsleidens war die Sterblichkeit in dermit Darbepoetin behandelten Gruppehöher (60 Todesfälle von 188 mit Darbe-poetin verglichen mit 37 Todesfällen bei160 Patienten in der Plazebogruppe (p =0,13). Krebs als Todesursache wurde bei14 von 188 Patienten in der Interventi-onsgruppe gegenüber 1 von 60 Patientenin der Plazebogruppe angegeben (p =0,002).

Der zweite primäre Endpunkt (Tod oderErreichen einer terminalen Niereninsuf-fizienz) wurde bei 652 Patienten in derDarbepoetin-Gruppe (32,4 %) und bei618 Patienten in der Plazebo-Gruppe(30,5 %) erreicht (HR für Darbepoetingegen Plazebo 1,02: 95 % Konfidenzin-tervall 0,95–1,19; p = 0,29).

Auch das Erreichen der Niereninsuffizi-enz alleine war nicht signifikant unter-schiedlich: 338 Patienten (16,8 %) beiDarbepoetin gegen 330 Patienten mitPlazebo (16,3 %) (HR 1,02; 95 % Konfi-denzintervall 0,87–1,18; p = 0,83).

Literatur1. Pfeffer MA, Burdmann EA, Chen CY etal.: A trial of darbepoetin alfa in type 2diabetes and chronic kidney disease. NEngl J Med 2009; 361: 2019–2032.

2. Drueke TB, Locatelli F, Clyne N et al.:Normalization of hemoglobin level inpatients with chronic kidney diseaseand anemia. N Engl J Med 2006; 355:2071–2084.

3. Singh AK, Szczech L, Tang KL et al.:Correction of anemia with epoetin alfa inchronic kidney disease. N Engl J Med2006; 355: 2085–2098.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Dr. med. Michael Zieschang, [email protected]

57Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

FAZIT

Chronisch niereninsuffiziente Patien-ten mit Diabetes mellitus Typ 2 habenein hohes kardiovaskuläres Risiko.Nimmt man einen unteren Hämoglobin-wert von 9 g/dl für den Behandlungs-beginn mit Erythropoetinen an, mussder Vorteil einer selteneren Gabe vonErythrozytenkonzentraten gegen einerhöhtes Risiko für Schlaganfälle abge-wogen werden. Das subjektive Befin-den der Patienten (Müdigkeit, Erschöp-fung) wurde nur gering verbessert.

Arzneimittel – kritisch betrachtet

Clopidogrel und ProtonenpumpenhemmerIm letzten Jahr referierten wir unterdem Thema »Aktuelles zu Clopidogrel«zu zwei Gesichtspunkten – einmal zurgenetischen Determination der Wirk-samkeit von Clopidogrel (CYP2C19*2-Genvariante als Ursache für Therapiever-

sagen) und zum anderen zur Interaktionzwischen Clopidogrel und Protonen-pumpenhemmern, PPI (1). Vor allem derletzte Aspekt, dass die Wirksamkeit vonClopidogrel durch Omeprazol und Rabe-prazol beeinträchtigt werden kann, hat

zur Verunsicherung bei manchen Ärztenund zu Anfragen an AVP geführt.

In der Zwischenzeit haben die Herstellervon Plavix® (Sanofi Aventis) und von Is-cover® (Bristol-Myers-Squibb) Ärzte und

Apotheker zeitgleich mit »Rote-Hand-Briefen« über die Änderung der Europä -ischen Fachinformation informiert. Hierwurde der Warnhinweis aufgenommen,dass die gleichzeitige Einnahme von Clo-pidogrel und PPI vermieden werden soll– es sei denn, dass sie aus medizinischerSicht absolut notwendig ist.

• Der Wechsel von Clopidogrel zu Pra-sugrel (Efient®) ist keine Alternative,da auch Prasugrel über CYP2C19 akti-viert wird. Diese Bioaktivierung dürftedurch Omeprazol, Esomeprazol, Ra-beprazol u. a. deshalb ebenfalls ver-mindert werden.

• Ob alle PPI in ähnlicher Weise wirkenund ob es eine Dosisabhängigkeit gibt,konnte in der ursprünglichen retro-spektiven Kohortenstudie von Ho etal. (2) nicht geklärt werden. Deshalbwird in allen Warnhinweisen allge-mein nur von PPI gesprochen.

• Ob der neue, noch in der Erprobungbefindliche Thrombozyten-Aggregati-onshemmer Ticagrelor, der a prioriaktiv ist und nicht biotransformiertwerden muss, in Zukunft eine (ver-mutlich sehr teure) Alternative seinkönnte, lässt sich noch nicht beurtei-len (3).

Gibt es Entwarnung?In TRITON-TIMI 38 (Trial to Asses Im-provement in Therapeutic Outcomes byOptimizing Platelet Inhibition with Pra-sugrel – Thrombolysis in Myocardial In-farction) wurde kein Einfluss von PPI aufdie Wirkung von Clopidogrel oder Prasu-grel gefunden (4). Die Einzelheiten wer-den in Tabelle 1 demonstriert.

Es ist deutlich zu erkennen, dass bei kei-nem Ereignis die Wirkung von Clopido-grel oder Prasugrel durch PPI beein-trächtigt wird. Das betrifft alle einbe -zogenen PPI: Pantoprazol (n = 1.844),Omeprazol (n = 1.675), Esomeprazol (n= 613) und Lanzoprazol (n = 441).

Der Wert der Studie ist allerdings inso-fern begrenzt, da die Ärzte entsprechendder klinischen Situation selbst über dieAnwendung der PPI entscheiden konn-

ten und auf dieser Ebene keine Randomi-sation erfolgte. Das ist auch deutlich zuerkennen an der Unausgewogenheit derSubgruppen »mit PPI« versus »ohnePPI«. Trotzdem kann man der Schlus-sfolgerung der Autoren sicher folgen,dass es nicht nötig ist, auf PPI zu verzich-ten, wenn diese klinisch indiziert sind.

Insofern gibt es einen Konsens mit den o.a. Warnhinweisen, wenn man »klinischindiziert« als »aus medizinischer Sichtabsolut notwendig« interpretiert, z. B.bei Refluxösophagitis, zur Prophylaxeund Therapie von NSAR-induzierten Ul-cera duodeni et ventriculi, zur Rezidi-vprophylaxe bei Refluxösophagitis undUlcus duodeni, bei Zollinger-EllisonSyndrom, als Komedikation zur Eradi-kation von Helicobacter pylori.

Zur symptomatischen Behandlung gele-gentlicher gastroösophagealer Reflux-symptome sind Antazida und H2 –Blocker (vorzugsweise Ranitidin) immernoch gut geeignet. Sie beeinträchtigendie Wirkung von Clopidogrel nicht.

Außerordentlich problematisch er-scheint jedoch in diesem Kontext, dasszur Behandlung von Sodbrennen undsaurem Aufstoßen Omeprazol (als Ome-prazol-CT AKUT®) und Pantoprazol (alsPANTOZOL CONTROL®) jetzt rezeptfreierhältlich sind. Damit wird dem Patien-

58 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Tabelle 1: TRITON-TIMI 38 (modifiziert nach 4)

13.608 Patienten (52 – 70 Jahre, ~ 74 % Männer) mit akutem koronarem Syndrom undgeplanter perkutaner koronarer Intervention wurden randomisiert: Prasugrel (initial60 mg, dann 10 mg/Tag) versus Clopidogrel (initial 300 mg, dann 75 mg/Tag). Protonenpum-penhemmer (PPI) nach Routine des Arztes.

Primärer Endpunkt: Kardiovaskulärer Tod, nicht tödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall.Beobachtungszeit: etwa 1 Jahr.

Ereignis Clopidogrel Prasugrel

mit PPI ohne PPI mit PPI ohne PPI(n = 2.257) (n = 4.538) (n = 2.272) (n = 4.541)

% % % %

Primärer Endpunkt 11,8 12,2 10,2 9,7

Tod, kardiovaskulär 2,2 2,5 2,2 2,0

Herzinfarkt 9,5 9,8 7,7 7,3

Tod, total 2,9 3,3 3,1 3,0

Netto-Outcome* 13,9 13,8 12,6 12,1

* Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, TIMI-große Blutung (ohne Bypass-Blutung)

FAZIT

Entgegen früheren Befürchtungenwird die Wirkung von Clopidogrel oderPrasugrel durch PPI nicht beeinträch-tigt. Wenn die Indikation für Protonen-pumpenhemmer streng gestellt wird,sollte eine gleichzeitige Anwendungvon PPI und Clopidogrel oder Prasugrelakzeptabel sein.Bei Sodbrennen und saurem Auf-stoßen sind jedoch Antazida oder Ra-nitidin vorzuziehen. Für diese Indikatio-nen Omeprazol und Pantoprazol ausder Verschreibungspflicht zu entlas-sen, erscheint sehr bedenklich.

ten eine Verantwortung aufgebürdet, derer nicht nachkommen kann.

Literatur1. Meyer FP: Aktuelles zu Clopidogrel.Arzneiverordnung in der Praxis (AVP)2009; 36: 109–111.

2. Ho PM, Maddox TM, Wang L et al.: Riskof adverse outcomes associated withconcomitant use of clopidogrel and pro-ton pump inhibitors following acutecoronary syndrome. JAMA 2009; 301:937–944.

3. Schomig A: Ticagrelor--is there needfor a new player in the antiplatelet-thera-py field? N Engl J Med 2009; 361:1108–1111.

4. O'Donoghue ML, Braunwald E, Ant-man EM et al.: Pharmacodynamic effectand clinical efficacy of clopidogrel and

prasugrel with or without a proton-pump inhibitor: an analysis of tworandomised trials. Lancet 2009; 374:989–997.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. em. Dr. Frank P. Meyer,Groß [email protected]

59Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Neuzugelassene Arzneimittel

IndikationBehandlung der essenziellen Hyperto-nie als Ersatztherapie bei erwachsenenPatienten, deren Blutdruck durch dieKombination aus Amlodipin, Valsartanund Hydrochlorothiazid (HCT), die ent-weder in Form der drei einzelnen Kom-ponenten oder als Zweierkombinationund einer Einzelkomponente gegebenwurde, ausreichend kontrolliert ist.

BewertungDie Arzneimittel sind jeweils eine fixeKombination von drei bekannten an-tihypertensiv wirksamen Arzneistoffen(Amlodipin, Valsartan, HCT). Der Nach-weis der Überlegenheit der fixen Kom-bination gegenüber der Therapie mitden Einzelsubstanzen wurde in keinerder die Wirksamkeit belegenden klini-schen Studien erbracht. Es traten kei-

ne besonders schwerwiegenden uner-wünschten Wirkungen auf. Gegenüberden verfügbaren Einzelsubstanzen bie-tet die Kombination keine Vorteile.Der Einsatz der Kombination kann beiPatienten, bei denen Compliance-Pro-bleme zu erwarten sind (insbeson-dere bei Patienten mit therapiebedürf-tigen Begleiterkrankungen), erwogenwerden.

Information der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)Erstellt auf der Basis des Europäischen Öffentlichen Beurteilungsberichts (EPAR)

Exforge HCT®, Dafiro HCT®

(Amlodipin/Valsartan/Hydrochlorothiazid)

Hinweise zur Erstellung der Information „Neue Arzneimittel“

„Neue Arzneimittel“ ist eine Information der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) über in Deutsch-land neu zugelassene Arzneimittel/neu zugelassene Indikationen.

Ziel ist es, eine zeitnahe Information zu neu zugelassenen Arzneimitteln den Vertragsärzten vor Markteinführung zur Ver-fügung zu stellen. Diese Information ist ebenfalls auf der Homepage der AkdÄ abrufbar (http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/indes.html) und wird auch mittels elektronischem Newsletter aktiv versandt.

Dargestellt werden sollen in der Information „Neue Arzneimittel“ von dem Committee for Medicinal Products for HumanUse (CHMP) der European Medicines Agency (EMA) als positiv bewertete und anschließend von der Europäischen Kommis-sion neu zugelassene Arzneimittel bzw. neu zugelassene Indikationserweiterungen. Grundlage der Information undder Bewertung des Arzneimittels sind der European Public Assesment Report (EPAR) der EMA sowie zum Zeitpunkt der In-formationserstellung vorhandene klinische Studien. Im EPAR wird erläutert, wie der Ausschuss für Humanarzneimittel derEMA (CHMP) die für die Zulassung eines Arzneimittels durchgeführten klinischen Studien beurteilt und welche Empfeh-lungen er zur Anwendung des Arzneimittels gibt.

Unter dem nachfolgenden Link können Sie sich über alle Arzneimittel informieren, für die ein European Public AssessmentReport (EPAR) der EMA erstellt wurde: http://www.ema.europa.eu/htms/human/epar/eparintro.htm.

Klinische StudienAmlodipin/Valsartan/Hydrochlorothia-zid wurde im Rahmen einer doppel-blinden, randomisierten, kontrolliertenStudie an 2271 Patienten mit mittel-schwerer bis schwerer Hypertonie ge-prüft. Sie erhielten Amlodipin/Val-

sartan/HCT 10 mg/320 mg/25 mg, Val-sartan/HCT 320 mg/25 mg, Amlodipin/Valsartan 10 mg/320 mg oder Amlodi-pin/HCT 10 mg/25 mg. In Woche 8 lagdie mittlere Senkung des systolischen/diastolischen Blutdrucks bei 39,7/24,7mmHg unter Amlodipin/ Valsartan/HCT,

bei 32,0/19,7 mmHg unter Valsartan/HCT, bei 33,5/21,5 mmHg unter Amlodi-pin/Valsartan und bei 31,5/19,5 mmHgbei Amlodipin/HCT. Die Dreifachkombi-nation zeigte gegenüber jeder der dreiDualtherapien eine statistisch signifikan-te Senkung des diastolischen und systoli-schen Blutdrucks (jeweils p < 0,0001).

UnerwünschteArzneimittelwirkungenIn den klinischen Studien wurden nachGabe von Exforge HCT® / Dafiro HCT® diebekannten unerwünschten Wirkungender Mono- oder Dualtherapie beobach-tet. Zu den schwerwiegenden zählen inunterschiedlicher Häufigkeit: Hypoka-liämie, Hyponatriämie, akutes Nieren-versagen. Häufige unerwünschte Wir-kungen (≥ 1/100, < 1/10) sind: Hypoka-liämie, Schwindel, Kopfschmerzen, Hy-potonie, Dyspepsie, Pollakisurie, Er-schöpfung, Ödeme. Nach Gabe der Ein-zelwirkstoffe sind weitere schwerwie-gende unerwünschte Wirkungen be-schrieben: Agranulozytose, Leukopenie,Neutropenie, Thrombozytopenie, hämo-lytische Anämie, Tinnitus, Arrythmien,Myokardinfarkt, Pankreatitis, Hepatitis,kutaner SLE, nekrotisierende Vaskulitisund toxische epidermale Nekrolyse. Wei-tere unerwünschte Arzneimittelwirkun-gen und Angaben zur Häufigkeit sind derFachinformation zu entnehmen.

Aktuelle Informationen über neu zuge-lassene Arzneimittel in der Europäi-schen Union; erstellt auf der Basis desEuropäischen Öffentlichen Beurtei-lungsberichts (EPAR) Exforge HCT®; Da-firo HCT® vom 12.11.2009.

Stand: 02.03.2010

Übersicht über die im Zeitraum09.2009 – 01.2010 von derAkdÄ veröffentlichten Informa-tionen zu „Neue Arzneimittel“unter http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/Informationen/20100120.pdf

60 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Anwendung bei besonderen Patientengruppen

Exforge HCT®, Dafiro HCT® (Amlodipin/Valsartan/Hydrochlorothiazid)

Ältere Patienten Patienten ab 65 Jahre: Es ist Vorsicht, einschließlich einerhäufigeren Blutdruckkontrolle, geboten, insbesondere beider Höchstdosis von 10 mg/320 mg/25 mg.

Kinder und Jugendliche Es gibt keine passende Anwendung bei Kindern/Jugend-lichen unter 18 Jahren im Anwendungsgebiet essentielle Hy-pertonie.

Patienten mit einge- Leichte bis mittelschwere Nierenfunktionsstörung: Keineschränkter Nierenfunktion Dosisanpassung erforderlich.

Mittelschwere Nierenfunktionsstörung: Überwachung vonKalium-, Kreatinin- und Harnsäure-Werten.

Schwere Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance

< 30 ml/min): Kontraindiziert.

Patienten mit einge- Leichte bis mittelschwere Leberfunktionsstörung ohneschränkter Leberfunktion Cholestase: Max. empfohlene Dosis von Valsartan ist 80 mg,

Exforge HCT® ist deshalb für diese Patienten nicht geeignet.

Schwere Leberfunktionsstörung: Kontraindiziert.

Patienten mit Herzinsuffi- Es ist Vorsicht geboten, insbesondere bei der Höchstdosiszienz und koronarer Herz- von 10 mg/320 mg/25 mg.krankheit

Anwendung bei Schwangeren 1. Trimester: Anwendung wird nicht empfohlen.

2. + 3. Trimester: Anwendung ist kontraindiziert.

Anwendung bei Stillenden Hydrochlorothiazid tritt in die Muttermilch über.

Die Anwendung während der Stillzeit wird nicht empfohlen.

Es sind alternative Therapien mit besser bekanntem Sicher-heitsprofil vorzuziehen, insbesondere wenn ein Neu- oderFrühgeborenes gestillt wird.

Dosierung und Kosten

Exforge HCT®, Dafiro HCT® (Amlodipin/Valsartan/Hydrochlorothiazid)

Darreichungsform Dosis pro Tag1 Kosten pro Jahr [€]2

Filmtablette

5 mg/160 mg/12,5 mg 435,24

10 mg/160 mg/12,5 mg 442,25

5 mg/160 mg/25 mg eine Tablette 435,24

10 mg/160 mg/25 mg 442,25

10 mg/320 mg/25 mg3 498,08

Stand Lauertaxe: 15.02.20101 Dosierung gemäß Fachinformation;2 Kostenberechnung anhand des kostengünstigsten Präparates einschließlich Import (hier je-weils nur ein Präparat); gesetzliche Pflichtrabatte der Apotheken und pharmazeutischen Un-ternehmen wurden berücksichtigt;

3 höchste empfohlene Dosis.

Weitere Informationen sind der Fachinformation zu entnehmen.

IndikationOnglyza® ist bei erwachsenen Patientenmit Typ-2-Diabetes mellitus zur Verbes-serung der Blutzuckerkontrolle indi-ziert:

– in Kombination mit Metformin, wenneine Metformin-Monotherapie, zu-sammen mit einer Diät und Bewe-gung, den Blutzucker nicht ausrei-chend kontrolliert,

– in Kombination mit einem Sulfonyl-harnstoff bei Patienten, für die die An-wendung von Metformin ungeeigneterscheint, wenn eine Sulfonylharn-stoff-Monotherapie, zusammen miteiner Diät und Bewegung, den Blut-zucker nicht ausreichend kontrolliert,

– in Kombination mit einem Thiazo-lidindion bei Patienten, für die dieAnwendung eines Thiazolidindionsgeeignet erscheint, wenn eine Thia-zolidindion-Monotherapie, zusam-men mit einer Diät und Bewegung,den Blutzucker nicht ausreichendkontrolliert.

BewertungSaxagliptin ist ein Dipeptidyl-Peptidase-4-(DPP-4-)Inhibitor. Der vermuteteWirkmechanismus der verbessertenBlutzuckerkontrolle bei Typ-2-Dia-betikern ist eine Anhebung des Spiegelsder aktiven Inkretinhormone. Die Mono-therapie sowie die primäre Kombinati-onstherapie mit Saxagliptin wurdennicht zugelassen. Ein Vergleich von Sa-xagliptin mit einem anderen zur Kombi-nation mit den oben genannten oralenAntidiabetika geeigneten aktiven Ant-idiabetikum (z. B. einem anderen DPP-4-Inhibitor) fehlt. Ob Saxagliptin hin-sichtlich patientenrelevanter Endpunk-te eher nützt oder schadet, kann ange-sichts fehlender Studien zum Langzeit-nutzen – wie bei der gesamten Wirkstoff-klasse – nicht beurteilt werden.

61Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Information der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)Erstellt auf der Basis des Europäischen Öffentlichen Beurteilungsberichts (EPAR)

Onglyza® (Saxagliptinhydrochlorid)

Anwendung bei besonderen Patientengruppen

Onglyza® (Saxagliptinhydrochlorid)

Ältere Patienten Keine Dosisanpassung erforderlich.

Für Patienten ab 75 Jahren liegen nur sehr begrenzte Erfah-rungen vor, daher muss entsprechend vorsichtig vorgegan-gen werden.

Kinder und Jugendliche Aufgrund fehlender Daten zu Sicherheit und Wirksamkeitnicht für Patienten unter 18 Jahren empfohlen.

Patienten mit einge- Leichte Niereninsuffizienz: Keine Dosisanpassung erforder-schränkter Nierenfunktion lich.

Mäßige bis schwere Niereninsuffizienz: Die Anwendung wirdnicht empfohlen, da die Erfahrungen aus klinischen Studienbegrenzt sind.

Patienten mit einge- Leichte oder mäßige Leberinsuffizienz: Keine Dosisanpas-schränkter Leberfunktion sung erforderlich.

Bei mäßiger Leberinsuffizienz mit Vorsicht anwenden.

Schwere Leberinsuffizienz: Anwendung wird nicht empfoh-len.

Anwendung bei Schwangeren Es liegen keine Daten für die Anwendung bei Schwangerenvor.

Das potentielle Risiko beim Menschen ist nicht bekannt.

Sollte während der Schwangerschaft nicht verwendet wer-den, es sei denn, dies ist eindeutig erforderlich.

Anwendung bei Stillenden Es ist nicht bekannt, ob Saxagliptin beim Menschen in dieMuttermilch übertritt.

Ein Risiko für den Säugling kann nicht ausgeschlossen wer-den.

Es muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, obmit dem Stillen aufgehört oder die Behandlung abgesetztwird. Bei der Entscheidung müssen der Nutzen des Stillensfür das Kind und der Nutzen der Behandlung für die Mutterberücksichtigt werden.

Dosierung und Kosten

Onglyza® (Saxagliptinhydrochlorid)

Darreichungsform Dosis pro Tag1,2 Kosten pro Jahr [€]3

Filmtabletten 5 mg 641,80+ Metformin oder + Metformin oderThiazolidindion oder Thiazolidindion oderSulfonylharnstoff Sulfonylharnstoff

Stand Lauertaxe: 15.01.20101 Dosierung gemäß Fachinformation;2 Add-on-Kombinationstherapie;3 Kostenberechnung anhand des kostengünstigsten Präparates (hier nur ein Präparat) ein-schließlich Import; gesetzliche Pflichtrabatte der Apotheken und pharmazeutischen Unter-nehmen wurden berücksichtigt.

Weitere Informationen sind der Fachinformation zu entnehmen.

Klinische Studien

Drei sogenannte Add-on-Studien (dop-pelblind, randomisiert, kontrolliert) von24 Wochen Dauer begründen die zuge-lassenen Indikationen. In diesen Studienwurde eine Kombination von Saxaglip-tin (S) bzw. Placebo mit Thiazolidindion(TZD), Sulfonylharnstoff (SH) sowieMetformin (Met) gegenüber einer Kom-bination verglichen. Alle Dosen von Smit Ausnahme der Kombination von2,5 mg S mit TZD bewirkten eine Sen-kung von HbA1c, die gegenüber der

Kombination mit Placebo überlegenwar: S 2,5 mg + TZD (n = 195): – 0,36 %(95 % Konfidenzintervall [CI] – 0,57 %,– 0,15 %); S 5 mg + TZD (n = 186):– 0,63 % (95 % CI – 0,84 %, – 0,42 %);S 2,5 mg + SH (n = 248): – 0,62 %(95 % CI – 0,78 %, –0,45 %); S 5 mg + SH(n = 253): – 0,72 % (95 % CI – 0,88 %,– 0,56 %); S 2,5 mg + Met (n = 192):– 0,73 % (95 % CI – 0,92 %, – 0,53 %);S 5 mg + Met (n = 191): – 0,83 %(95 % CI – 1,02 %, – 0,63 %); S 10 mg+ Met (n = 181): – 0,72 % (95 % CI– 0,91 %, – 0,52 %).

Unerwünschte Arzneimittel-wirkungen

Sehr häufig (≥ 1/10): Hypoglykämie; häu-fig (≥ 1/100, < 1/10): Erbrechen, Kopf-schmerzen, Infektion der oberen Atem-wege, Sinusitis, Harnwegsinfektion.

Aktuelle Informationen über neu zuge-lassene Arzneimittel in der EuropäischenUnion; erstellt auf der Basis des Europä -ischen Öffentlichen Beurteilungsbe-richts (EPAR) Onglyza® vom 27.10.2009.

Stand: 15.01.2010

62 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Sehstörungen unter Antiepileptika-TherapieErstmals wurde 1997/98 über irreversi-ble Gesichtsfeldausfälle bei Epilepsie-Pa-tienten, die auf Vigabatrin eingestelltwaren, berichtet. Bis zu 40 % der mit Vi-gabatrin Behandelten entwickelten mei-stens bilaterale konzentrische Gesichts-feldeinengungen. Der heutige Kenntnis-stand zu diesem Problem Antiepileptikaund Sehstörungen ist in der Tabelle 1 zu-sammengestellt.

Der AkdÄ wurde jetzt der Fall eines40 Jahre alten Mannes mitgeteilt, dernach einem Polytrauma wegen intensi-ver „Nervenschmerzen“ Gabapentin miteiner Tagesdosis von 2,5 g erhalten hatte.Nach vier-monatiger Einnahme bemerk-te der Patient ein „Tunnelsehen“. Dieophthalmologische Diagnostik erbrach-te konzentrische Gesichtsfeldausfällebeidseits mit freiem optischem Zentrumbis auf etwa 20°. Der Befund des Augen-hintergrundes war einschließlich derSehnervenpapillen ebenso wie die visuellevozierten Potentiale (VEP) normal. Ga-bapentin wurde ausgeschlichen; zu einerBesserung kam es aber nicht.

Die Mitteilung ist bemerkenswert, daGabapentin zu den am meisten verord-neten Antikonvulsiva gehört und als ne-benwirkungsarm gilt. Die „Arzneiver-ordnungen“ 2009 der AkdÄ (1) klassifi-zieren dagegen Gabapentin nicht als

„ausdrücklich empfohlen, sondern nurals Mittel der zweiten Wahl. Aus Frank-reich wurden fünf Verdachtsfällen vonGesichtsfeldausfällen berichtet, aber nurin einem Fall ließ sich ein Zusammen-hang mit Gabapentin eindeutig verifizie-ren (2). Verfolgt man die Literatur zu -rück, so findet man Einzelfallberichteaus verschiedenen Ländern (3). An wei-teren Beeinträchtigungen der perzep-tiven Sehfunktion wurden gestörtesFarbsehen und pathologische VEP unterAntikonvulsiva-Einnahme beobachtet.Während erstgenannte Störungen aufeine Netzhautläsion hindeuten sollen,zeigen verzögerte VEP-Latenzen eineAlteration der Sehbahn an. Pathologi-sche VEPs werden häufiger bei Gabe vonVigabatrin, selten bei Gabapentin undLamotrigin (3;4) sowie Carbamazepinund Valproat angetroffen (5).

Beunruhigend sind auch Gesichtsfeld-ausfälle unter Vigabatrin, die in vielenFällen von dem betroffenen Patientengar nicht wahrgenommen, also zufälligoder nur bei gezielten Untersuchungenfestgestellt werden. Sie sind typischer-weise exzentrisch und vorzugsweisenasal lokalisiert. Man geht davon aus,dass sie erst nach 4-jähriger kontinuier-licher Therapie auftreten und mit derkumulativen Dosis korrelieren (5). DaVigabatrin seine antiepileptische Wir-

kung über das �Gamma-amino-Butter -säure-(GABA)-System entfaltet, lag dieFrage nahe, ob es sich hierbei um einenGruppeneffekt ähnlich wirkender Medi-kamente handeln könnte. Einen Einflussauf den GABA-Metabolismus üben auchPräparate wie Gabapentin, Topiramatund Tiagabin aus. Vigabatrin hemmt dieGABA-Transaminase-Aktivität irreversi-bel und führt zu, einem lokalen GABA-Anstieg um 33–93 %. Diese Veränderun-gen sind bei den übrigen GABA-ergenSubstanzen bestenfalls andeutungswei-se vorhanden. Die lokalen Vigabatrin-Konzentrationen sind in der Retina18,5 mal höher als im Hirngewebe (6).Dies trifft für Gabapentin, Topiramat undTiagabin nicht zu. Daher scheint die re-tinale Kumulation des Vigabatrins mitden Gesichtsfeldausfällen in Verbindungzu stehen. Es gibt aber keinen Gruppen-effekt der GABA-ergen Substanzen.

Andere Sehstörungen wie Doppelbilder,verschiedene Nystagmustypen, Störungder Konvergenzmechanismen und auchvergröberte Blicksakkadierung (Sakkade= ruckartige Augenbewegung) sind aufFunktionsstörungen im oberen Hirn-stamm und/oder in den vestibulo-zere-bellären Funktionskreisen zurückzu-führen. Sie deuten auf eine relative Über-dosierung hin oder treten passager in derEinstellphase auf.

Störungen des FarbsehensDiese können durch Anamnese odereinen spezifischen Test, den Farnsworth-Munsell 100 Hue-Test erkannt werden.Wenn sich Farbsehstörungen untereiner medikamentösen Therapie ent-wickeln, müssen sie als Hinweis für

einen toxischen Effekt interpretiert wer-den; ein inhibitorischer Einfluss auf dasretinale Netzwerk soll zugrunde liegen(5). Ein gestörtes Farbsehen wurde beiPatienten festgestellt, die auf Carbama-zepin, Phenytoin, Valproat und Vigaba-trin eingestellt waren. Die Befunde sind

oft klinisch latent. Hinzuweisen ist auchauf Schädigungsprozesse an den vorde-ren Augenabschnitten: Katarakt beiPhenytoin, Glaukom bei Diazepam oderchoroidales Ödem bei Topiramat. Die ge-schätzten Häufigkeitsangaben sind inTabelle 1 zusammengestellt.

63Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Tabelle 1: Die häufigsten Seh- und Augenmuskelstörungen bei antiepileptisch wirksamen Arzneimitteln(nach 5)

Arzneimittel Perzeptionsstörung Sonstige Sehstörungen Reversibiltät Häufigkeit Evidenzgrad

Barbiturate Nystagmus ja sehr selten ausreichend

Benzodiazepine Retinopathie, Glaukom, ja nicht ganz selten dürftigMakulopathie okulomotorische Imbalanz,

Konvergensstörungen

Carbamazepin Farbsehstörungen, Nystagmus, Doppelbilder, dosisabhängig nicht ganz selten dürftigverzögerte VEP Dyskinesie, Ophthalmoplegie reversibel

Ethosuximid Doppelbilder ja sehr selten dürftig

Felbamate Doppelbilder, Nystagmus Dosisabhängig sehr selten dürftigreversibel

Gabapentin verzögerte VEP Doppelbilder ja sehr selten dürftigGesichtsfelddefekte (selten: nein)

Lamotrigin (verzögerte VEP) Nystagmus, Doppelbilder dosisabhängig selten dürftigreversibel

Levetiracetam keine keine

Oxcarbazepin Doppelbilder, sakkadierte unbekannt sehr selten dürftigAugenbewegungen

Phenytoin Farbsehstörungen Nystagmus, Augenmuskel- ja selten ausreichendLähmungen (= Ophthalmoplegie)

Tiagabin Nystagmus, Doppelbilder ja häufig dürftig

Topiramat Glaukom, Myopie, ja selten dürftigAderhaut-Abhebung

Valproat Verzögerte VEP, ja selten dürftigFarbsehstörungen,Gesichtsfelddefekte

Vigabatrin Gesichtsfelddefekte, Doppelbilder, Nystagmus, reversibel oder sehr häufig gutFarbsehstörungen, reduzierter okulärer Blutfluss dosisabhängigverzögerte VEP irreversibel

FAZIT

Sehstörungen unter antikonvulsiver Me-dikation sind nicht ganz ungewöhnlich.Das Störungsmuster ist breit gefächert,von Läsionen in den vorderen Augenab-schnitten bis hin zu Irritationen imoberem Hirnstamm und vestibulo-zere-be llären Funktionskreisen. DerartigeProzesse sind in der Regel nicht bedroh-lich, weil sie nach Dosisreduktion oderUmstellung auf ein anderes Präparatwieder abklingen. Gravierender sind

Störungen der optischen Perzeptiondurch Schädigung von Retina oder Ner-vus opticus. Sie treten sehr häufig unterVigabatrin-Einnahme auf, werden aberauch, allerdings selten, bei anderen An-tikonvulsiva angetroffen. Zumeist be-steht keine Reversibilität. Die Schädi-gungen sind bei Vigabatrin auf eine reti-nale Kumulation des Antikonvulsivumszurückzuführen und haben etwas mit Be-handlungsdauer und kumulativer Dosis

zu tun. Sie stellen aber keinen Gruppen-effekt der GABA-ergen Substanzen odergar der Antikonvulsiva insgesamt dar.Die Fahndung nach Sehstörungen solltebei allen antikonvulsiv eingestellten Pati-enten Bestandteil der Visiten- und Kon-trolluntersuchungen und im VerdachtfallAnlass für die Ableitung der visuell-evozierten Potentiale sowie die Durch-führung einer ophthalmologischen Dia-gnostik sein.

Literatur

1. Arzneimittelkommission der deut-schen Ärzteschaft (Hrsg.): Arzneiverord-nungen. 22. Aufl.; Neu-Isenburg: Medizi-nische Medien Informations GmbH,2009.

2. Rion-Duranton S, Neau JP, FavrelièreS, Pérault MC: Gabapentin and visualfield constriction: case report. Drug Saf2009; 32: 984.

3. Krämer G: AntiepileptikainduzierteSehstörungen. Akt Neurol 2000; 27:459–469.

4. Koehler J, Thömke F, Tettenborn B etal.: VEP- und Elektroretinogrammver-änderungen unter antikonvulsiver The-rapie. Akt Neurol 2000; 27: 484–489.

5. Verrotti A, Manco R, Matricardi S et al.:Antiepileptic drugs and visual function.Pediatr Neurol 2007; 36: 353–360.

6. Sills GJ, Butler E, Forrest G et al.:Vigabatrin, but not gabapentin or to-piramate, produces concentration-related effects on enzymes and inter-mediates of the GABA shunt in ratbrain and retina. Epilepsia 2003; 44:886–892.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autorverneint

Prof. Dr. med. Hilmar Prange, Gö[email protected]

64 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

UAW – Aus Fehlern lernen: Hämolyse durch Rasburicase(Fasturtec®)

Zu den Aufgaben der AkdÄ gehören dieErfassung, Dokumentation und Bewer-tung von unerwünschten Arzneimittel-wirkungen (UAW). Viele Meldungen be-ziehen sich auf im Prinzip vermeidbare,aber dennoch immer wieder vorkom-mende UAW. Um aus Fehlern zu lernen,möchte die AkdÄ Sie über einen solchenFall informieren.

Rasburicase ist ein rekombinantes Ura-toxidase-Enzym und als Fasturtec® imHandel. Es ist zugelassen zur Behand-lung und Prophylaxe einer akuten Hy-perurikämie, um ein akutes Nierenversa-gen bei Patienten mit hämatologischenMalignomen mit hoher Tumorlast unddem Risiko einer raschen Tumorlyseoder -Verringerung nach Beginn derChemotherapie zu verhindern. Es kannzur Methämoglobinbildung führen undist bei bekanntem Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G6PD) -Mangel kontra-indiziert (1).

Folgender Fall wurde der AkdÄ berich-tet:

Eine 33 jährige Patientin wurde wegeneines nephrotischen Syndroms (Pro-teinurie (5,9 g/24Std.) bei chronischerNiereninsuffizienz St. III (Krea 1,5 mg/

dl) und bekanntem Diabetes Typ 1 zurNierenbiopsie stationär aufgenommen.In der Biopsie fand sich eine diabetischeNephropathie mit deutlicher interstitiel-ler Fibrose. Der entgleiste Blutdruck(205/105 mm Hg) wurde durch einenClonidin/Dihydralazinperfusor gesenkt.

Bei einer Hyperurikämie (Harnsäure9,9 mg/dl) wurde Rasburicase (Fastur-tec®) 1,5 mg i.v. verabreicht. Es kam zueiner massiven Hämolyse mit Hb-Ab-fall von 12,4 auf 7 g/dl, LDH maximal1.900 U/l, Haptoglobin < 0,32 g/l (normal0,3–2,0 g/l). Die Nierenfunktion ver-schlechterte sich, die Patientin musstezwischenzeitlich dialysiert werden. Estrat eine neurologische Symptomatikmit Tetraparese, Schluckstörungen, Des-orientiertheit und Eintrübung auf. Ur-sache war eine extrapontine Myelinolyse.Als Restzustand nach Besserung derübrigen Symptome verblieb eine ausge-prägte Antriebslosigkeit, eine stark ein-geschränkte Kontaktfähigkeit. Standund Gang waren alleine vor Entlassungnicht möglich.

Als Ursache der Hämolyse wurde ein bisdahin nicht bekannter Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase(G6PD) -Man-gel diagnostiziert. Als mutmaßlicher

Auslöser muss wohl die Rasburicase an-gesehen werden. Dieser Verlauf ist umsotragischer, als für die Rasburicase keineeindeutige Indikation bestand.

Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachte-ten Nebenwirkungen (auch Verdachts-fälle) mit. Sie können dafür den Be-richtsbogen verwenden, der regelmäßigim Deutschen Ärzteblatt abgedrucktwird oder aus der AkdÄ-Internetpräsenzabrufbar ist.

Über www.akdae.de besteht auch dieMöglichkeit, einen UAW-Verdachtsfallonline zu melden.

Literatur1. Sanofi-Aventis Deutschland GmbH:Fachinformation "Fasturtec®". Stand:März 2009.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Dr. med. Michael Zieschang, [email protected]

Fallbericht eines Leberversagens mitTodesfolge unter tuberkulostatischerTherapie:

Bei einer 73-jährigen Patientin war einetuberkulostatische Therapie eingeleitetworden. Die übergewichtige Frau, die anDiabetes mellitus litt, hatte sich wegenrezidivierendem Husten und Nacht-schweiß vorgestellt. Radiologisch hattensich Ober- und Mittellappeninfiltrate ge-zeigt. Angesichts eines positiven Quanti-ferontests bei tuberkulose-negativemSputum wurde eine Vierfachtherapiemit INH, Rifampicin, Pyrafat und Pete-tra eingeleitet. Wegen der Anamneseeiner Makuladegeneration wurde Letz-teres im Verlauf abgesetzt. Offensicht-lich profitierte die Patientin zunächstklinisch wie auch radiologisch von derTherapie. Allerdings entwickelte sie8 Wochen nach Einleitung der Therapieein Leberversagen und verstarb an denFolgen trotz intensiver Therapie.

Leberfunktionsschäden gehören zu denhäufigsten Nebenwirkungen einer Phar-makotherapie und werden folgerichtigin der Mehrheit der Beipackzettel undFachinformationen erwähnt. Vielleichtgerade daher werden Warnhinweise aufeine potentielle Hepatotoxizität überle-sen und Anzeichen eines schwerwiegen-den Leberschadens mit großer Latenzund zu spät bemerkt. Wie kann man ein-fach, praktisch und preiswert das Risikodeutlich verringern ?

Pharmaka können grundsätzlich durchzwei unterschiedliche Mechanismeneinen Leberzellschaden hervorrufen. Diedirekte Toxizität kann dosisabhängigoder – und zwar nicht selten – dosisun-abhängig sein. Zudem kann ein Medika-ment durch Induktion beispielsweiseimmunologischer oder biochemischerTransformationen indirekt zu einer Le-berzellschädigung führen, die dann inder Regel durch eine Hepatitis vermitteltwird. Die Pathomechanismen sind für ei-nige populäre Medikamente detailliertuntersucht worden. Dazu gehören auch

tuberkulostatische Medikamente wieINH und Rifampicin. Die Prädispositioneines Patienten kann durch pharmako-genetische und immungenetische Fak-toren bedingt sein. Auch die zunehmen-de Multimorbidität und unübersichtli-che Medikamentenanamnese unsererPatienten erschwert die individuelle Ri-sikoabschätzung.

Leberzellschäden sind einfach zu erken-nen, insbesondere unter einer neu ein-gestellten Pharmakotherapie. Es bestehtkein offensichtliches Gegenargument,bei einem Patienten vor einer Pharmako-therapie drei einfache und preiswerteTests durchzuführen: die ALAT bzw.GPT- und gamma-GT-Aktivitäten undden Bilirubinspiegel im Serum. Die GPTzeigt dabei die hepatozelluläre Nekrose,die Gamma-GT die gerade bei einer Phar-makotherapie sehr wichtige Galletrans-portfunktion und Bilirubin die Leber-zellfunktion an. Andere Werte sind hierzunächst vollkommen entbehrlich, ins-besondere durch die heute etablierteStandardisierung und hohe Laborqua-lität. Damit wäre „der Nullwert“ erho-ben, dessen Veränderung einen etwaigenLeberzellschaden unter Pharmakothera-pie erkennen hilft. Sollten sich hier Pa-thologika zeigen, ist ohnehin schon eineerhöhte Aufmerksamkeit notwendig.Selbstverständlich hat dann auch einedifferenzialdiagnostische Abklärung zuerfolgen. Nach Einleitung einer Pharma-kotherapie ist ebenfalls die Kontrollegenau dieser oben erwähnten drei Werteausreichend. Sollten hier Pathologikaauftreten, ist ein Kausalzusammenhangzur eingeleiteten Pharmakotherapie zu-mindest wahrscheinlich. Darüber hin-aus gehende Untersuchungen solltenmit einem Gastroenterologen abge-stimmt werden. Schwierig kann die Ein-schätzung eines Leberzellschadens dannwerden, wenn Polypragmasie und Multi-morbidität aufeinander treffen.

Eine programmierte, vom „Bauchge-fühl“ unabhängige Kontrolle ist grund -sätzlich zu bevorzugen. Leberschäden

65Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Leberschäden oder Leberversagen unter Pharmakotherapie –Praktische Hinweise zur Risikominimierung

gleich welcher Pathogenese sind häufigklinisch inapparent und nur durch La-bordiagnostik oder Histologie erkenn-bar. Die Qualität des Pharmakons, die ge-plante Therapiedauer und das Risikopro-fil des Patienten bestimmen das indivi-duelle Kontrollprogramm. Unsere Pati-enten werden immer älter und die Be-handlungssituation immer komplexer,wobei ein Risikoprofil durchaus grund -sätzlich abschätzbar ist. Aus diesen Va-riablen ergibt sich eine Richtschnur imSinne einer risikoadaptierten Analyseder zuvor beschriebenen Laborparame-ter (Tabelle 1).

Die Analyse vor Therapiebeginn sollte imIdealfall maximal 4 Wochen vorher erfol-gen und zwischen 1–12 Wochen nachTherapieende.

Eine weitere grundsätzliche Frage ist dieAussagekraft der „Höhe“ der Leberwerteund die Konsequenz, ggf. das Absetzeneiner Pharmakotherapie. Eine Erhö -hung des Bilirubinspiegels im Serumdeutet – vergleichbar mit dem Kreatin-inspiegel – immer auf einen schwerwie-genden Leberzellschaden hin. Die einzi-ge relevante Ausnahme bildet der Mor-bus Meulengracht-Gilbert. Bei erhöh-tem Bilirubinspiegel muss eine differen-zialdiagnostische Abklärung erfolgen.Anders verhält es sich mit den sogenann-ten „Transaminasen“, hier der ALAT/GPT- und der Gamma-GT-Aktivität imSerum. Selbst geringe Erhöhungen kön-nen einen schwerwiegenden Leberzell-schaden anzeigen, wenn beispielsweisebei einer unerkannten Leberzirrhoseweniger Lebergewebe zerstört wurde.Praktisch gesehen ist nicht die Höhe derAktivität sondern die Veränderung überdie Zeit von Bedeutung – daraus ergibtsich die Wichtigkeit den „Nullwert“ zuBeginn der Therapie zu bestimmen. Einebis zu zweifache Erhöhung dreistelligerGPT-Werte bei einer alkoholinduziertenLebererkrankung kann klinisch von ge-ringer Relevanz sein gegenüber einererstmals gemessenen GPT-Erhöhung imzweistelligen Bereich. Hier ist meistens

eine kurzfristige Kontrolle angezeigt.Weitere diagnostische Schritte zur Be-stimmung der Leberfunktion undKrankheitsaktivität, auch invasive Me-thoden wie eine Leberbiopsie könnendann indiziert sein.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. Dr. med. Ulrich Treichel, [email protected]

66 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Tabelle 1: Risikoadaptierte Analyse

Kurzzeittherapie Therapiekurs limitierte Langzeittherapie(< 7 Tage) (< 6 Monate) Intervalltherapie

Risikogruppe I – vor Therapie – vor Therapie – vor Therapie – vor Therapiekein Patientenrisiko – einmalig nach Therapie – alle 4–6 Wochen – einmalig nach – einmal nach

4–6 Wochen, dann 4–6 Wochen, dann– alle 3–6 Monate – alle 6–12 Monate

Risikogruppe II – vor Therapie – vor Therapie – vor Therapie – vor TherapieAlter > 65 Jahre, – einmalig nach Therapie – alle 4–6 Wochen* – alle 4–6 Wochen* – einmal nach 4–6 Wochen,Adipositas dann

– alle 6–12 Monate

Risikogruppe III – vor Therapie – vor Therapie – vor Therapie – vor TherapieAlkohol, Adipositas, – alle 3–6 Monate – alle 4–6 Wochen* – alle 4–6 Wochen* – alle 3 Monate*bestehende Pharmako-therapie, erhöhteLeberwerte

*ggf. öfter

FAZIT

Leberschäden unter einer Pharmako-therapie sind durch einfache und preis-werte Labordiagnostik leicht erkenn-bar. Schwerwiegende oder gar tödlicheFolgen können so abgewendet werden.

Zitate

Impfung gegen das RotavirusDie Novemberausgabe des NEJM bringteine Publikation (1), die sich unter demverheißungsvollen Titel – „Defeating Ro-tavirus?“ – vehement für die Impfungaller Säuglinge gegen Rotaviren ein-setzt. Sie verweist in diesem Zusammen-hang auf eine entsprechende Impfemp-fehlung einer Expertengruppe der WHO,die eine solche globale Impfempfehlungim April 2009 veröffentlicht hat. In unse-rer Zeitschrift AVP wurde im April 2006(Band 33, Seite 34) und im Juli 2008(Band 35, Seite 80) auf die Vorzüge die-ser Impfung verwiesen.

Beeindruckende Erfolge konnten in denUSA, Lateinamerika, Australien und ei-nigen Ländern Europas – die Impfungwurde hier in das nationale Impfpro-gramm aufgenommen – erzielt werden.Bereits kurze Zeit nach Einführung derImpfung – nach etwa zwei Jahren – kam

es zu einer 67 %igen Reduktion der Ro-tavirus-bedingten, zumeist schwerenbzw. lebensbedrohlichen Durchfaller-krankungen. Besonders dringend seidiese Impfung für Säuglinge in Afrikaund Asien, weil in diesen Regionen 86 %der Todesfälle den Rotavirus-Infektionenanzulasten seien. Die (leider kostspieli-ge) Impfung sei für die Kinder dieserEntwicklungsländer lebensrettend.

Wie steht es um die Rotavirusimpfung inDeutschland? Die Ständige Impfkom-mission (STIKO) konnte sich bis heute(November 2009) zu keiner Empfehlungdieser Impfung durchringen. EinzelneBundesländer wie der Freistaat Sachsen,Brandenburg und Mecklenburg-Vor-pommern haben eine Rotavirus-Impf-empfehlung ausgesprochen und dieImpfung in ihren Impfplan aufgenom-men. Es ist zu hoffen, dass auch die

STIKO bald eine solche Impfempfehlungbeschließt.

Literatur1. Danchin MH, Bines JE: Defeating ro-tavirus? The global recommendation forrotavirus vaccination. N Engl J Med2009; 361: 1919–1921.

Der Autor hat Vortragshonorare von denFirmen GSK, SPMSD und Wyeth erhal-ten.

Prof. Dr. med. B. Schneeweiß, Berlin [email protected]

In unserer Schwesterzeitschrift „Prescr-ire international“ erschien eine aktuelleZusammenfassung (1) zur Nebenwir-kungs-Problematik dieser Impfung. Hier-bei wurden die Pharmakovigilanzdatendes Jahres 2008 für die Impfung gegenTyp 6, 11, 16 und 18 (Gardasil®) und denTyp 16 und 18 (Cervarix®) ausgewertet.Der Agence française de sécurité sanitai-re et des produits de santé wurden 700Berichte zu Gardasil® übermittelt, diesich auf den Zeitraum von November2006 bis Juni 2008 beziehen. In 86 % derFälle handelte es sich um harmlose Ne-benwirkungen wie Reaktionen an der In-jektionsstelle, Fieber oder eine vasovaga-le Synkope. Es wurden wenige Fälle vonUrtikaria und Lymphadenopathie be-richtet. Einige Fälle von Autoimmuner-krankungen, Arthritis, Thrombozytope-nie wurden ebenfalls genannt. Die Zahlblieb aber unter der allgemein in dieserBevölkerungsgruppe und in diesemAlter zu erwartenden Zahl.

Das US-Centers for Disease Control andPrevention (CDC) erhielt 10.326 Berich-te zu Gardasil® zwischen Juni 2006 undAugust 2008. Es wurden Fälle von Guil-

lain-Barré-Syndrom berichtet, doch warderen Frequenz nicht größer, als diesauch in einer ungeimpften Populationzu erwarten wäre. Aus Australien wurdezu Gardasil® berichtet, dass bei 270.000Dosen sieben Fälle von Anaphylaxie auf-traten, fünf davon bei der ersten Dosis.Es trat aber kein anaphylaktischerSchock auf.

Die britische Regulierungsbehörde(MHRA) berichtete über die Impfunggegen Papilloma-Virus Typ 16, 18 (Cer-varix®). Hier lagen 789 Berichte vor, diesich auf den Zeitraum vom 14.04.2008bis zum 14.01.2009 beziehen. Insgesamtwerden 1.848 Nebenwirkungen berich-tet. Es handelte sich um Reaktionen ander Injektionsstelle, fünf allergische Re-aktionen, meist Hautausschläge, undfünf anaphylaktische Reaktionen. Eswurden 113 Fälle von Synkopen be-schrieben.

Literatur1. Adverse effects of papillomavirus vac-cines: pharmacovigilance data in 2008.Prescrire Int 2009; 18: 163.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint

67Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

Zur Sicherheit der Impfung gegen Humanes Papilloma-Virus (HPV)

Was uns sonst noch auffiel

FAZIT

Prescrire international fasstzusammen:1. Verschiedene Untersuchergruppenhaben Übersichten zu den Neben-wirkungen der HPV-Impfung heraus-gegeben. Diese Berichte beziehensich im Wesentlichen auf lokale Re-aktionen, Synkopen und einige weni-ge allergische Reaktionen.

2. Die Frequenz von Nebenwirkungenerscheint niedrig und entsprichtdem, was bei anderen bekanntenStandard-Impfungen auftritt. Es wur-den keine unerwarteten ernsten Ne-benwirkungen berichtet.

Zur Behandlung der idiopathischen FazialispareseWir hatten 2008 über die idiopathischeFazialisparese berichtet und zusammen-gefasst festgestellt (1): „Bei der idiopa-thischen Form gibt es Hinweise auf einevirale Genese, dennoch kann z. Z. beikontroverser Datenlage nur die kurzfris -tige Prednisolon-Medikation empfohlenwerden, nicht hingegen die zusätzlichevirustatische Therapie“.

Nun sind zu diesem Thema nahezu zeit-gleich zwei Metaanalysen in renommier-ten Zeitschriften (JAMA, BMJ) erschie-nen, die zu unterschiedlichen Ergebnis-

sen kamen (2;3). Während de Almeida etal. (2) schreiben: „Antivirale Substanzen,zusätzlich zu Corticosteroiden gegeben,dürften mit einem zusätzlichen Nutzenverbunden sein (Antiviral agents, whenadministered with corticosteroids, maybe associated with additional benefit)“schreiben Quant et. al. (3): „Diese Studieunterstützt nicht die Routine-Verwen-dung von antiviralen Substanzen bei derBell’schen Parese. (This study does not,therefore, support the routine use of an-tivirals in Bell’s palsy)“. Wir haben unsdie Arbeiten unter methodischen Aspek-

ten angesehen, die möglicherweise zuden unterschiedlichen Aussagen geführthaben und kommen zu folgender Sicht:

In BMJ (3) wurden 6 Studien mit 1.145Patienten (574 nur Steroide, 571 Stero-ide plus Virustatika) einbezogen. Es er-folgte in jeder Studie ein direkter Ver-gleich Monotherapie versus Kombinati-onstherapie. Das methodische Vorgehenwar aus unserer Sicht immer adäquat(nur 1 Studie war nicht verblindet). Dasnegative Gesamtergebnis lässt sich füruns gut nachvollziehen.

In JAMA (2) wurden 18 Studien mit 2.786Patienten einbezogen (dabei sind auch5 Studien, die im BMJ ausgewertet wur-den). Das Resultat in JAMA wird dadurchverwässert, dass in 8 Studien lediglichCorticosteroide versus Plazebo vergli-chen wurden ohne Einbeziehung der Vi-rustatika. Außerdem wurden Studienbewertet, die problematisch waren (un-ausgewogene Gruppenbildung, unzurei-chend beschriebene Statistik). Um eini-ge der daraus resultierenden Problemezu minimieren, haben die Autoren ineiner Tabelle vier Gruppen (primary ou-tcome) gebildet. In unserem Kontext in-teressiert eigentlich allein die letzteGruppe (Virustatika plus Corticosteroideversus Corticosteroide allein): Hier gabes nur eine grenzwertige Signifikanz: RR= 0,75 (95 % CI = 0,56 – 1,00), p = 0,05.Das kommt dem klaren BMJ-Ergebnis:

RR = 1,50 (0,83 – 2,69), p = 0,18 schonnäher.

Literatur1. Vogel H-P: Die Behandlung der idiopa-thischen Fazialisparese - heute. Arznei-verordnung in der Praxis (AVP) 2008; 35:113–115.

2. de A, Jr., Al KM, Guyatt GH et al.: Com-bined corticosteroid and antiviral treat-ment for Bell palsy: a systematic reviewand meta-analysis. JAMA 2009; 302:985–993.

3. Quant EC, Jeste SS, Muni RH et al.:The benefits of steroids versus steroidsplus antivirals for treatment of Bell'spalsy: a meta-analysis. BMJ 2009; 339:b3354.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

68 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 37 · Ausgabe 3 · Mai 2010

FAZIT

Wir halten die BMJ-Aussage (3) für re-levant und klinisch nützlich. Man sieht,welche Fußangeln Meta-Analysen ha -ben können. Es kann also bei unsererAussage vom November vergangenenJahres bleiben (1), dass nur die kurzfri-stige Prednisolon-Medikation empfoh-len werden kann, nicht hingegen diezusätzliche virustatische Therapie.

In eigener Sache

3. Deutscher Kongress für Patientensicherheitbei medikamentöser Therapie19./20. Juni 2010 – Berlin – Hotel Maritim proArte

Kongressleitung: Prof. Dr. Daniel Grandt (Saarbrücken)

Veranstalter: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ),Institut für Arzneimitteltherapiesicherheit (IATS), Bundesministerium für Gesundheit (BMG)

Themen sind u. a.:

• Bilanz des bisherigen und Vorstellung des neuen Aktionsplans zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit(AMTS) in Deutschland 2010–2012 Bundesministerium für Gesundheit (BMG)

• Die PRISCUS-Liste: potentiell inadäquate Arzneimittel bei älteren Patienten in DeutschlandP. Thürmann, Wuppertal

• Applikationsfehler bei parenteralen Arzneimitteln in der Intensivmedizin: Prospektive Studie in 27 LändernA. Valentin, Wien

• Medication safety as a priority in hospitals in the U.S.AP. Glassman, Los Angeles

• Care for better - Improving medication safety in long term care in the NetherlandsM. Wigboldus, Utrecht

• Arzneimitteltherapiesicherheit in Schwangerschaft und StillzeitC. Schaefer, Berlin

• AMTS in der Intensivmedizin: Konsens zur farblichen Kennzeichnung von Arzneimitteln in SpritzenG. Sybrecht, Homburg

• Teilen von Tabletten: Risiken, Fehler und PatientenakzeptanzW. Haefeli, Heidelberg

Weitere Informationen unter: www.kongress-patientensicherheit.de