24
Thrombembolien und pulmonale Hypertonie Seite 2 Hypertonie in der Schwangerschaft Seite 4 HPV-Impfprogramm in Australien erfolgreich Seite 5 Tranexamsäure bei schweren Traumen? Seite 6 Schizophrenie-Behandlung mit Antipsychotika: Depot-Injektionen schützen nicht besser vor Rezidiven als eine orale Medikation Seite 8 Fosfomycin Seite 9 Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten und das Risiko eines Herzinfarktes Seite 11 Eliquis ® (Apixaban) Seite 12 Halaven ® (Eribulin) Seite 14 Paracetamol in der Schwangerschaft – Entdeckung eines neuen Teratogens? Seite 16 Das Arzneimittel bedingte Restless-legs-Syndrom Seite 18 Neuere Antiepileptika in der Schwangerschaft: Erhöhtes Risiko von Missbildungen? Seite 19 Impfung schützt ältere Menschen vor Zoster Seite 20 Kann man eine HIV-Infektion durch eine Präexpositionsprophylaxe (PrEP) mit Tenofovir+Emtricitabin (Truvada ® ) verhindern? Seite 20 Was ist ein „Originalpräparat“? Seite 22 Georg-Klemperer-Medaille für Professor Walter Thimme. Seite 23 Arzneimittel – kritisch betrachtet Das aktuelle Thema Therapie aktuell Neue Arzneimittel Unerwünschte Arzneimittelwirkungen Zitate In eigener Sache Was uns sonst noch auffiel Arzneiverordnung in der Praxis Impressum Herausgeber: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Prof. Dr. med. W.-D. Ludwig (Vorsitzender) Wissenschaftlicher Beirat: Dr. med. J. Bausch, Dr. med. K. Ehrenthal, Frau Prof. Dr. med. U. Gundert-Remy, Prof. Dr. med. R. Lasek, Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen, Prof. Dr. med. U. Schwabe, M. Voss, Arzt, Vorstand der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Chefredakteur: Prof. Dr. med. D. Höffler Stellvertretender Chefredakteur: Dr. med. M. Zieschang Anschrift der Redaktion: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Postfach 12 08 64 10598 Berlin Telefon: 0 30 / 40 04 56-5 00 Telefax: 0 30 / 40 04 56-5 55 E-Mail: [email protected] www.akdae.de ISSN 0939-2017 Realisation und Vertrieb: Triple MPR Group Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 19 01 30, D-53037 Bonn, E-Mail: [email protected],Telefax: 02 28 /22 45 11 Druck: Franz Paffenholz GmbH, Bornheim Abonnement: Die Schutzgebühr des Jahresabonnements für 4–6 x AVP einschl. Sonderhefte Therapieemp- fehlungen beträgt EUR 39,– (für Studenten: EUR 19,–; Nachweis erforderlich). Ihre Abo-Anfor- derung richten Sie bitte an die Arzneimittel- kommission [email protected]. Bezug im Jahres- abonnement, Kündigung zum Jahresende. Wir möchten darauf hinweisen, dass die in „Arzneiver- ordnung in der Praxis“ erscheinenden Publikationen prinzipiell den Charakter von Autorenartikeln – wie in jeder anderen Zeitschrift – haben. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben zur Dosierung und auch zu den Preisen kann keine Gewähr übernommen werden. Trotz sorgfältiger Recherche bitten wir Sie dringend, die aktuellen Angaben des jeweiligen Her- stellers zu beachten. Die gemäß Arzneimittel-Richt- linien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu ver- öffentlichenden Therapieempfehlungen in ihrer aktu- ellen Fassung werden als solche gekennzeichnet. © Alle Rechte vorbehalten. AkdÄ, Berlin 2012 Herausgegeben von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012 Als Anfang des 20. Jahrhunderts die pharmazeutische Industrie entstand und begann, für ihre Produkte zu werben, wurde 1911 auf dem Kongress für Innere Medizin der Grundstein für die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gelegt. Die Aufgabe der seinerzeit berufenen Kommission sollte es sein, die Ärzteschaft durch Ärzte unabhängig und objektiv zu informieren. Dieses Ziel verfolgen wir bis zum heutigen Tag, u. a. mit diesem Heft. Arzneiverordnung in der Praxis ist Mitglied der International Society of Drug Bulletins (www.isdbweb.org)

Arzneiv er or dnung in der Praxis - akdae.de · Therapie Alle Patienten mit CTEPH sollten le - benslänglich eine Antikoagulation er - halten. Leider kann dies einer Progressi-on

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Thrombembolien und pulmonale Hypertonie Seite 2

Hypertonie in der Schwangerschaft Seite 4

HPV-Impfprogramm in Australien erfolgreich Seite 5

Tranexamsäure bei schweren Traumen? Seite 6

Schizophrenie-Behandlung mit Antipsychotika:Depot-Injektionen schützen nicht besser vor Rezidiven als eine orale Medikation Seite 8

Fosfomycin Seite 9

Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten und das Risiko eines Herzinfarktes Seite 11

Eliquis® (Apixaban) Seite 12

Halaven® (Eribulin) Seite 14

Paracetamol in der Schwangerschaft – Entdeckung eines neuen Teratogens? Seite 16

Das Arzneimittel bedingte Restless-legs-Syndrom Seite 18

Neuere Antiepileptika in der Schwangerschaft:Erhöhtes Risiko von Missbildungen? Seite 19

Impfung schützt ältere Menschen vor Zoster Seite 20

Kann man eine HIV-Infektion durch eine Präexpositionsprophylaxe (PrEP) mit Tenofovir+Emtricitabin (Truvada®) verhindern? Seite 20

Was ist ein „Originalpräparat“? Seite 22

Georg-Klemperer-Medaille für Professor Walter Thimme. Seite 23

Arzneimittel – kritisch betrachtet

Das aktuelle Thema

Therapie aktuell

Neue Arzneimittel

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Zitate

In eigener Sache

Was uns sonst noch auffiel

Arzneiverordnungin der Praxis

ImpressumHerausgeber:Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Prof. Dr. med. W.-D. Ludwig (Vorsitzender)Wissenschaftlicher Beirat:Dr. med. J. Bausch,Dr. med. K. Ehrenthal,Frau Prof. Dr. med. U. Gundert-Remy,Prof. Dr. med. R. Lasek,Prof. Dr. med. B. Müller-Oerlinghausen,Prof. Dr. med. U. Schwabe,M. Voss, Arzt, Vorstand der Arzneimittelkommission derdeutschen ÄrzteschaftChefredakteur:Prof. Dr. med. D. Höffler Stellvertretender Chefredakteur:Dr. med. M. ZieschangAnschrift der Redaktion:Arzneimittelkommission der deutschen ÄrzteschaftPostfach 12 08 6410598 BerlinTelefon: 0 30 / 40 04 56-5 00Telefax: 0 30 / 40 04 56-5 55E-Mail: [email protected] 0939-2017Realisation und Vertrieb:Triple MPR Group Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 19 01 30, D-53037 Bonn, E-Mail: [email protected],Telefax: 0228/224511Druck: Franz Paffenholz GmbH, BornheimAbonnement:Die Schutzgebühr des Jahresabonnements für4–6 x AVP einschl. Sonderhefte Thera pie emp -feh lungen beträgt EUR 39,– (für Stu den ten: EUR19,–; Nachweis erforderlich). Ihre Abo-Anfor-derung richten Sie bitte an die Arznei mittel -kommission [email protected]. Bezug im Jahres-abonnement, Kündigung zum Jahresende.Wir möchten darauf hinweisen, dass die in „Arznei ver -ordnung in der Praxis“ erscheinenden Publikationenprinzipiell den Charakter von Autorenartikeln – wie injeder anderen Zeitschrift – haben. Für die Richtigkeitund Vollständigkeit der Angaben zur Dosierung undauch zu den Preisen kann keine Gewähr übernommenwerden. Trotz sorgfältiger Recherche bitten wir Siedringend, die aktuellen Angaben des jeweiligen Her-stellers zu beachten. Die gemäß Arznei mittel-Richt -linien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu ver-öffentlichenden Therapie empfeh lun gen in ihrer aktu-ellen Fassung werden als solche gekennzeichnet.© Alle Rechte vorbehalten. AkdÄ, Berlin 2012

Herausgegeben von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

Als Anfang des 20. Jahrhunderts die pharmazeutischeIndustrie entstand und begann, für ihre Produkte zuwerben, wurde 1911 auf dem Kongress für InnereMedizin der Grundstein für die Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft gelegt. Die Aufgabe derseinerzeit berufenen Kommission sollte es sein, dieÄrzteschaft durch Ärzte unabhängig und objektiv zuinformieren. Dieses Ziel verfolgen wir bis zum heu tigenTag, u. a. mit diesem Heft.

Arzneiverordnung in der Praxis ist Mitglied der International Society of Drug Bulletins(www.isdbweb.org)

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2 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

Thrombembolien und pulmonale Hypertonie

Das aktuelle Thema

Die chronische thromboembolische pul-monale Hypertonie (= CTEPH) ist alsselbstständiges Krankheitsbild von derakuten Lungenembolie z. B. nach Opera-tionen zu trennen. Die Inzidenz derCTEPH wird auf 3 bis sogar 8 % ge-schätzt. Sie kann auch nach einer akutenLungenembolie auftreten, was aber eherselten ist.

Die CTEPH wird in vier verschiedeneTypen eingeteilt, die von zentral nach pe-ripher eine zunehmende perioperativeMortalität aufweisen: Typ I (zentralerThrombus), Typ II (Befall der Lappenar-terien), Typ III (Befall der segmentalenund subsegmentalen Gefäße) und Typ IV(weit distale Thromben). Bei über derHälfte der Patienten mit einem pulmo-nal-arteriellen Mitteldruck > 50 mm Hgführt die Erkrankung innerhalb einesJahres nach Diagnosestellung zum Tode.Dabei scheint die CTEPH aber eine bes-sere Prognose zu haben als die pulmona-le arterielle Hypertonie (PAH) aus ande-rer Ursache. Verschiedene Risikofakto-ren für das Auftreten einer CTEPH wer-den diskutiert: ein ventrikulo-atrialerShunt, chronisch-entzündliche Darmer-krankungen, chronische Osteomyelitisund myeloproliferative Syndrome, Sub-stitution von Schilddrüsenhormonenund maligne Erkrankungen.

Ätiologie/Pathophysiologie Eine genetische Grundlage konnte bis-lang nicht identifiziert werden. Eine spe-zielle Ursache für die fehlende Throm-busresolution wurde bislang nicht nach-gewiesen. Bekannte Thrombophilie-Ur-sachen sind nicht mit einer CTEPH asso-ziiert. In einer Studie mit 141 CTEPH-Patienten konnte allerdings bei 41 %eine erhöhte Faktor VIII-Konzentratio-nen festgestellt werden.

Hämodynamisch wird die CTEPH durcheinen invasiv gemessenen pulmonal-arteriellen Mitteldruck > 25 mm Hg bei

einem Wedgedruck von < 15 mm Hg de-finiert. Sie ist neben einer intralumina-len Thrombusorganisation, die zur Ste-nosierung bzw. Obliteration führenkann, durch einen Gewebeumbau (sog.Remodelling) der kleinen Pulmonalarte-rien gekennzeichnet. Die Druck- und Vo-lumenbelastung noch perfundierter Ge-fäße kann hierbei einen ähnlichen Pro-zess auslösen wie bei der PAH. Die konti-nuierliche Widerstandserhöhung imkleinen Kreislauf führt schließlich zumRechtsherzversagen. Hinweise für dieentscheidende Beteiligung der kleinenGefäße ergeben sich aus der Beobach-tung, dass eine pulmonale Hypertonienach operativer Entfernung der Throm-ben (PEA = pulmonale Endarteriekto-mie) persistieren kann. Auch kann einespezifische PAH-Therapie bei inopera-blen CTEPH-Patienten erfolgreich sein(siehe Abschnitt Therapie). Je weiter di-stal sich die Veränderungen in der vas-kulären Strombahn befinden, destohöher ist das Risiko einer chirurgischenIntervention und geringer die Wahr-scheinlichkeit einer hämodynamischenBesserung.

Symptomatik / DiagnostikPatienten mit CTEPH weisen typischer-weise episodisch auftretende Symptomedes Rechtsherzversagens auf, die ausRuhe- und Belastungsdyspnoe, Müdig-

keit, Thoraxschmerzen, Synkopen, Hä-moptysen und Schwindel sowie Pal -pitationen bestehen können. Die Be -lastungsdyspnoe ist meist das Früh -symptom. Lungenembolien z. B. post -operativ sind in der Anamnese eher selten.

Funktionell findet sich zu Krankheits -beginn eine erhöhte alveolo-arterielleSauerstoffdifferenz bei beginnender Par-tialinsuffizienz. Weiterhin ist die Ein-schränkung der Diffusionskapazität einwichtiges Zeichen. Hinweise auf eine PHkönnen konventionell radiologisch einerechtsbetonte Kardiomegalie und ver-breiterte Pulmonalarterien und im EKGZeichen der Rechtsherzbelastung sein.Die weitere Diagnostik sollte eine trans -thorakale Echokardiographie (TTE), einPulmonalis-CT, eine Ventilations- / Per-fusionsszintigraphie sowie eine Rechts-herzkatheteruntersuchung umfassen.Die TTE ist für die Beurteilung der pul-monalen Hypertonie als auch als wich-tigste Screeningmethode von großer Bedeutung. Eine Routine-TTE solltesechs Wochen nach stattgehabter LAEdurchgeführt werden, um frühzeitig Risikopatienten für die Entwicklungeiner CTEPH zu identifizieren. Zur Pla-nung einer operativen Intervention soll-te grundsätzlich eine Pulmonalisangio-graphie durchgeführt werden (Abbil-dung 1).

Übersicht über die gebrauchten AbkürzungenAbkürzung Bedeutung

CTEPH chronische thromboembolische pulmonale Hypertonie

LAE symptomatischer Lungenarterienembolie

PAH pulmonale arterielle Hypertonie

PAP Pulmonary arterial pressure, Pulmonalarteriendruck

PE Pulmonale Embolie, Lungenembolie

PEA Pulmonale Endarteriektomie

PVR pulmonary vascular resistance, pulmonaler Gefäßwiderstand

TTE transthorakale Echokardiographie

ERA Endothelin-Rezeptorantagonisten

Page 3: Arzneiv er or dnung in der Praxis - akdae.de · Therapie Alle Patienten mit CTEPH sollten le - benslänglich eine Antikoagulation er - halten. Leider kann dies einer Progressi-on

Therapie

Alle Patienten mit CTEPH sollten le-benslänglich eine Antikoagulation er-halten. Leider kann dies einer Progressi-on der Erkrankung nicht sicher vorbeu-gen. Immer ist die chirurgische Inter-ventionen (PEA) zu erwägen. Dabei wirdder Inzision in der proximalen intraperi-kardialen Pulmonalarterie folgend dieEndarteriektomieschicht aufgesuchtund bis in die Subsegmentarterien allerLappen präpariert. Ziel der PEA ist dieVerbesserung der Belastbarkeit, Hämo-dynamik und der Überlebenschancen. Ingünstigen Fällen kann kurativ operiertwerden. Während in den Anfangszeitender PEA höhere Letalitätsraten in Kaufgenommen werden mussten, liegt nachneueren Daten die OP-Letalität bei < 5–11 %.

Zur Beurteilung der Operabilität solltendie folgenden aufgeführten Kriterienherangezogen werden:

• Eine symptomatische pulmonale Hy-pertonie mit einem PAP > 25 mm Hg

• Die Überprüfung des Verlaufs untereiner effektiven Antikoagulation nachmindestens drei Monaten

• Die nach der Bildgebung zu erwarten-de anatomische Operabilität

• Eine zu erwartende Reduktion des pul-monalen Gefäßwiderstandes um mehrals 50 % nach PEA

• PVR (pulmonary vascular resistance)< 1000 dynes3cm3s-5

• Abwesenheit schwerer weiterer Er-krankungen

• Keine relevanten funktionellen Ein-schränkungen des Lungenparen-chyms

CTEPH-Patienten mit vorwiegend distallokalisiertem thrombotischem Material,erhöhter Komorbidität oder mutmaß-lich nur gering zu verbessernder Hämo-dynamik sollten nicht operiert werden.Dies trifft leider für > 50 % der Patientenzu. Diese Patientengruppe aber auch Pa-tienten mit erneut auftretender, persi-stierender oder residueller PH nach PEA(ca. 24 %) müssen medikamentös be-handelt werden. Weiterhin kann einemedikamentöse Therapie als Über-brückung bis zur PEA oder Transplanta-

tion diskutiert werden. Klare Therapie-empfehlungen der aufgeführten Sonder-fälle existieren bislang nicht.

Therapieoptionen für diese Patienten-gruppen bestehen in der Anwendung derPAH-spezifischen Medikamente. Hierzuwerden Endothelin-Rezeptorantagoni-sten (ERA), Prostanoide, PDE-5-Inhibi-toren und Guanylatzyklase-Stimulato-ren gerechnet.

Eine randomisierte Studie mit Bosentan(Tracleer®, ein ERA) zeigte eine signifi-kante Reduktion des pulmonalen Gefäß-widerstandes sowie der NT-pro-BNP-(N-terminal pro-brain natriuretic peptide) -Werte nach 16 Wochen, wobei sich keineÄnderungen hinsichtlich des 6-Min-Gehtestes als auch der Zeit bis zur klini-schen Verschlechterung ergaben. Fürdiese Studie wurden Patienten mit ent-weder inoperabler CTEPH oder persi-stierender oder rezidivierender pulmo-naler Hypertonie nach PEA (länger als 6Monate nach OP) eingeschlossen. Einenicht-kontrollierte Studie mit einemkleineren Patientenkollektiv konnte deneffektiven Einsatz von Bosentan beiLangzeittherapie von > 24 Monaten de-monstrieren. Eine Arbeit aus dem Jahre2010 konnte zeigen, dass Patienten mitCTEPH in Abhängigkeit der pulmonal-arteriellen Dehnbarkeit auf eine Silde -nafiltherapie ansprechen. Dabei konnteeine funktionelle Verbesserung im 6-Min-Gehtest sowie ein Rückgang der NT-pro-BNP-Werte nachgewiesen werden.In einer Phase-II Studie, ebenfalls 2010,wurde die Sicherheit und Verträglichkeitvon Riociguat, einem löslichen Guany-latzyklase-Stimulator, evaluiert. Die Ver-

träglichkeit war gut. Der Median der 6-Min-Gehstrecke verbesserte sich signifi-kant um 55 m (Ausgangswert 390 m)und im Vergleich bei PAH-Patienten um57 m (Ausgangswert 337 m). Dabei zeig-ten sich ähnliche Ergebnisse in der funk-tionellen Klasse II oder III sowie bei mitBosentan vorbehandelten Patienten.

In Einzelfällen ist die Lungentransplan-tation für Patienten eine weitere Thera-pieoption.

Literatur (Übersichtsarbeiten)1.Klok FA, Huisman MV: Epidemiologyand management of chronic throm-boembolic pulmonary hypertension.Neth J Med 2010; 68: 347–351.

2.Dromann D: [Thromboembolism andpulmonary hypertension]. Internist(Berl) 2009; 50: 1080, 1082–1080,1085.

3.McNeil K, Dunning J: Chronic throm-boembolic pulmonary hypertension(CTEPH). Heart 2007; 93: 1152–1158.

4.Hoeper MM, Mayer E, Simonneau G,Rubin LJ: Chronic thromboembolicpulmonary hypertension. Circulation2006; 113: 2011–2020.

Weitere Literatur beim Autor

InteressenkonflikteHonorare, Referententätigkeit: Pfizer,GSK; Reisekostenübernahmen: Acteli-on, BayerVital.

Priv.-Doz. Dr. med. D. Drömann, Lü[email protected]

3Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

FAZITFAZIT

Die CTEPH (chronische thromboemboli-sche pulmonale Hypertonie) ist alsselbstständiges Krankheitsbild von derakuten Lungenembolie zu trennen. Ihrerstes Symptom ist eine Belastungs -dyspnoe. Die beste Therapie ist die opera-tive Entfernung des organisierten throm-botischen Materials. Leider ist diesesVorgehen nur bei weniger als der Hälfteder Betroffenen möglich. Alle Patienten

sollten lebenslang eine Antikoagulationerhalten. Bei Inoperabilität ergeben sichbis heute nur eingeschränkte medika-mentöse Ansätze durch die bisher ver-fügbaren Substanzen. Der berechtigteEinsatz dieser Medikamente bleibt aller-dings in kontrollierten Studien zu prüfen.Andere Substanzen sind erst in Phase II-Studien untersucht, hier ist die Datenla-ge bislang positiv zu beurteilen.

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4 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

Therapie aktuell

Ausgehend von einem praktischen Fallreferiert das NEJM den heutigen Wis-sensstand zur Thematik „Hypertonie inder Schwangerschaft“ (1).

Eine 35 Jahre alte, bisher kinderloseFrau, die seit fünf Jahren einen Hoch-druck hat, möchte schwanger werden.Sie hat einen BMI von 27 und sie war bis-her mit Lisinopril 10 mg/Tag gut einge-stellt.

Frauen mit einer Hypertonie unterlie-gen in der Schwangerschaft einer größe-ren Zahl von Risiken: Eine Eklampsie istrund 5 bis 8-mal häufiger als bei Frauenohne Hypertonie. Weitere Risiken sindeine vorzeitige Plazentalösung, fetaleWachstumsstörungen, Frühgeburt, Tot-geburt und die Notwendigkeit, eine Sek-tio durchzuführen. Auch die mütterlicheGesundheit ist durch die bekannten Fol-gen des Hochdrucks gefährdet. Bei den meisten hypertensiven Schwan-geren kommt es ebenso wie bei Normo-tensiven bis zum Ende des ersten Trime-sters zu einer Blutdrucksenkung und da-nach wieder zu einem Anstieg. Folglichkann die antihypertensive Therapie an-fangs oft vermindert, muss aber späterwieder angepasst werden.

Idealerweise wird das Vorgehen vor derEmpfängnis geplant. Mit anderen Wor-ten, es muss also eine Hypertonikerineindringlich vor einer ungeplantenSchwangerschaft gewarnt werden. EineVoruntersuchung sollte durch die Hy-pertonie bereits verursachte Organschä-den – falls vorhanden – aufzudecken ver-suchen. Liegen solche vor, muss mit demPaar das Schwangerschaftsrisiko gegenden Kinderwunsch abgewogen werden.

Zur medikamentösen Behandlung (sieheauch Tabelle 1):

Das Medikament, mit dem die längste Er-fahrung, nämlich seit den sechziger Jah-

ren, besteht, ist Methyldopa. Es wirddaher als die Therapie der ersten Wahlallgemein angesehen, reicht aber oftnicht aus und muss dann kombiniertwerden. Da Methyldopa müde machenkann, stößt seine Anwendung in höhe-ren Dosen oft an Grenzen. Es gibt Studi-en, die dafür sprechen, dass es unter Be-tablockern zu weniger hypertensivenEntgleisungen als bei Methyldopakommt. Insgesamt gelten Betablockerals sicher. Lang wirksame Kalziumka-nalblocker werden ebenso als sicher an-gesehen. Diuretika galten lange als kon-traindiziert aus Furcht vor einer Volu-menreduktion und damit vor einem Oli-gohydramnion. Kontrollierte Studienzeigten keinen Nachteil. Es wird daher

empfohlen, insbesondere bei Frauen, diezuvor schon z. B. Hydrochlorothiazid er-halten haben, dieses fortzusetzen.

ACE-Hemmer und AT-1-Blocker („Sarta-ne“) gelten als kontraindiziert. Es wur-den Fälle von Oligohydramnion und an-deren teratogenen Effekten beschrieben,insbesondere, wenn diese Medikation zuBeginn der Schwangerschaft bestand.Daher gilt, dass Frauen, die unter dieserMedikation stehen, zu sicherer Emp-fängnisverhütung geraten werden muss.Eine Umstellung ist vor einer gewünsch-ten Schwangerschaft – wie im eingangsgenannten praktischen Fall – zwingendnotwendig.

Tabelle 1: Übersicht zu Substanzen, die als sicher gelten

Substanz Handelsnamen Klasse oder Wirkungs-mechanismus

Dosierung Anmerkungen

Methyldopa Presinol®, Generika

Zentral wirkender Alpha-Agonist

250–1500 mg 2 x tgl.

Es liegen reich -liche Daten vor,die gegen eineEmbryotoxizitätsprechen.

Metoprolol Beloc®, Generika

Betablocker 25–200 mg 2 x tgl.

Nicht bei Asth-ma! Möglicher-weise verbundenmit kindlichenWachstums-störungen

Nifedipin (Retardierte Form)

Adalat®, Generika

Kalzium-kanalblocker

30–120 mg 1 x tgl.

Kurz wirksamesNifedipin wirdnicht empfoh-len. Auch andereKaziumkanal-Blocker wurdenohne Nachteilverordnet

Dihydralazin Nepresol® Peripherer Dilatator

12,5–100 mg 2–4 x tgl.

Kurze HWZ,häufige Einzel-dosen erforder-lich

Hydrochlorothiazid Esidrix®, Generika

Diuretikum 12,5–50 mg 1 x tgl.

Im Gegensatz zufrüherer Auffas-sung sprechenneuere Daten fürUngefährlichkeit

Hypertonie in der Schwangerschaft

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5Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

HPV-Impfprogramm in Australien erfolgreich

Seit 2006 steht ein Impfstoff gegen hu-mane Papillomviren der Typen 6, 11, 16und 18 (Gardasil®) und seit 2007 einImpfstoff gegen HPV der Typen 16 und18 (Cervarix®) zur Verfügung. Im März2007 verabschiedete die Ständige Impf-kommission (STIKO) eine HPV-Impf-empfehlung für alle 12 bis 17 Jahre altenMädchen (1). Impfziel ist die Reduktionder Vorstufen des Gebärmutterhals-krebses. Im November 2008 haben meh-rere deutsche Wissenschaftler den Nut-zen der HPV-Impfung in Frage gestelltund die Impfempfehlung der STIKO kri-tisiert (2). Daraufhin hat der Gemeinsa-me Bundesausschuss (G-BA) die STIKO

um eine erneute Bewertung der HPV-Impfung gebeten, die im August 2010nach aktueller Literaturrecherche dieImpfempfehlung bekräftigte (3). Trotz-dem haben sich in Deutschland Zweifelan der HPV-Impfung gehalten und alsBremse auf die Impfbereitschaft aus -gewirkt. Die angestrebte Durchimmu -nisierung von mindestens 70 % derweiblichen Jahrgänge wurde nichtannähernd erreicht. Nach jüngstenSchätzungen liegt die Impfbeteiligungder Mädchen im Impfalter nur bei 35 %(4). Deutschland liegt hier im internatio-nalen Vergleich auf einem hinterenPlatz.

Inzwischen erscheinen Publikationen,die über Erfolge von HPV-Impfprogram-men berichten und somit den Nutzen derHPV-Impfung unabhängig von Studienbelegen. Das jüngste Beispiel kommt ausAustralien (5). In Victoria/Australienwurden seit 2007 alle Mädchen bzw.Frauen zwischen 12 und 26 Jahren mitdem 4-valenten HPV-Impfstoff Gardasil®

geimpft. Die Inzidenz von histologischgesicherten zervikalen Krebsvorstufen(CIN II oder mehr) vor (Jan 2003 bis März2007 mit fast 2,5 Millionen Mädchen bzw.Frauen) und nach Einführung der Imp-fung (April 2007 bis Dezember 2009 mitmehr als 1,5 Millionen Mädchen bzw.

Welche Blutdruckwerte sind erstrebens-wert? Hierzu gibt es keine eindeutigenStudien. Man ist sich aber einig, dasseher nicht zu starke Senkungen ange-strebt werden sollten, Ziele zwischen < 140/90 bis < 160/110 werden genannt.Eine randomisierte Studie zur Klärungdieser Therapieziele wird 2013 abge-schlossen sein. Da die Wahrscheinlich-keit eines verminderten Größenwachs-tums erhöht ist, sollte der Fundus-Standwiederholt sonografisch kontrolliertwerden. So kann dann auch die Menge an Amnion-Flüssigkeit erfasst werden.Nicht selten ist aufgrund dieser Untersu-chungen eine frühzeitige Geburtseinlei-tung indiziert.

StillzeitDie Spiegel der meisten Antihyperten -siva liegen im Plasma weit höher als diein der Milch. Es können nach Meinungder Autoren alle Antihypertensiva gege-ben werden, auch ACE-Hemmer. Bei Be-tablockern muss darauf geachtet wer-den, dass das Kind lethargisch werdenkönnte. AT1-Blocker werden wegen zugeringer Erfahrungen nicht empfohlen.

RichtlinienZum Schluss fassen die Autoren dieRichtlinien verschiedener Gesellschaf-ten in einer Tabelle zusammen. Hier wer-den vom American College of Obstetrici-ans bis zur entsprechenden Australi-schen Gesellschaft fünf Empfehlungennebeneinander gestellt. Es finden sichnur marginale Unterschiede. Überein-stimmend wird Methyldopa als Mittel derersten Wahl genannt und vor ACE-Hem-mern und AT-1-Blockern (Sartanen) ge-warnt.

Literatur1. Seely EW, Ecker J: Clinical practice.Chronic hypertension in pregnancy. NEngl J Med 2011; 365: 439–446.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

FAZIT

Eine Hypertonie-Patientin im gebärfähi-gen Alter sollte energisch darauf hinge-wiesen werden, dass eine Schwanger-schaft geplant werden muss. Der ersteSchritt ist dann die Einstellung mit Methyldopa, einem Betablocker odereinem langwirksamen Kalziumantagoni-sten. Während früher Diuretika als kon-traindiziert galten, wird heute Hydro-chlorothiazid als ungefährlich angese-hen. Der Blutdruck kann in der erstenZeit der Schwangerschaft sinken, umspäter wieder zu steigen. Dementspre-chend muss die Patientin in kurzen Ab-

ständen überwacht und die Dosis ange-passt werden. Auch das Kind sollte so-nografisch kurzfristig überprüft werden,um die Fruchtwassermenge und dieGrößenentwicklung im Auge zu behal-ten. Während der Stillzeit können alleAntihypertensiva gegeben werden. Die Übersicht bringt nichts grundsätzlichNeues, außer, dass Hydrochlorothiazidnicht mehr als kontraindiziert betrachtetwird und dass Ziele des zu erreichendenBlutdrucks nach oben angehoben wur-den.

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6 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

Tranexamsäure bei schweren Traumen?Tranexamsäure (CYCLOKAPRON®), einindirektes Antifibrinolytikum, ist als In-jektionslösung zugelassen zur Prophyla-xe und Therapie von Blutungen aufGrund einer generalisierten oder lokalenHyperfibrinolyse bei größeren chirurgi-schen Eingriffen.

Da bei schweren Traumen Todesfällehäufig auf Blutungskomplikationenzurückzuführen sind, die u. a. durch reaktive Hyperfibrinolysen verursachtwerden, könnten Antifibrinolytika einenkausal begründeten Therapieansatz dar-stellen. Ob dieser Ansatz tragfähig ist,wird in einem CRASH (Clinical Rando-misation of an Antifibrinolytic in Signifi-cant Haemorrhage)-Programm unter-sucht.

In CRASH-2, einer randomisierten, plazebokontrollierten Studie, wurden20.211 erwachsene Unfallpatienten aus274 Krankenhäusern in 40 Ländern ein-bezogen (1). Die Ergebnisse sind in Ta-belle 1 dargestellt.

Tranexamsäure vermindert die Sterb-lichkeit um 1,5 % (16,0 % minus 14,5%), was vorwiegend darauf zurückzu-führen ist, dass tödliche Blutungen sel-tener auftraten. Ohne Einfluss waren dieArt der Verletzung (stumpf oder pene-trierend), der systolische Blutdruck unddas Ausmaß der Bewusstseinsstörung(Glasgow Coma Score) zu Beginn derTherapie. Insgesamt ist der positive Ef-fekt der Tranexamsäure sehr gering, wasmöglicherweise aber auch daran liegen

kann, dass die gewählte Dosis recht nied-rig war.

In einer späteren Subgruppenanalyse (2)wurde deutlich, dass der Zeitpunkt derIntervention die tödlichen Blutungen er-wartungsgemäß beeinflusst (Tabelle 2).

Der günstigste Effekt wird innerhalbder ersten Stunde erreicht. Später istkein positiver Effekt mehr zu erwarten.Im Gegenteil – Tranexamsäure könntesich im Einzelfall sogar schädlich aus-wirken.

In einer weiteren Subgruppenanalyse (3)wurden Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma separat analysiert. Das betraf126 Plazebo- und 123 Tranexamsäure-

Frauen) wurde analysiert. Dabei wurdenfünf Altersgruppen unterschieden. Alsstatistische Methoden wurden der exakteFisher-Test und die Poisson Regressions-analyse eingesetzt.

ErgebnisIn dem Dreijahreszeitraum wurde in derMädchengruppe bis 18 Jahren eine Ab-nahme der Inzidenz der hochgradigenzervikalen Krebsvorstufen (> CIN II)festgestellt: Inzidenz 0,38 % (95 % CI0,61–0,16) im Vergleich zur Inzidenz vorImpfeinführung 1,14 (95 % CI 1,00–1,30). Signifikanz: p = 0,05. Ein ähnli-cher Befund konnte weder mit geringg-radigen zervikalen Krebsvorstufen (CINI) noch bei älteren Frauen beobachtetwerden. Wenn geringgradige Läsionen(CIN I) und Frauen über 18 Jahre keinensignifikanten Impfschutz zeigten, sprichtdas dafür, dass die Impfung offensicht-lich am ehesten zur Verhütung fortge-schrittener Krebsvorstufen und im Ju-gendalter bei „naiven“ (d. h. immunolo-gisch nicht vorbelasteten) Impflingennachweisbar wirkt.

Das Ergebnis unterstreicht den Vorteileines jungen Impfalters. Die Autorinnenbetonen, dass dies die erste Publikationmit einem nachweisbaren Effekt der HPV-Impfung in einem bevölkerungsweitenImpfprogramm sei. Und sie verweisenaber in diesem Zusammenhang auch aufdie Dringlichkeit einer gynäkologischenÜberwachung geimpfter Frauen.

Literatur1.Mitteilung der Ständigen Impfkom-mission (STIKO) am Robert Koch-In-stitut: Impfung gegen humane Papil-lomaviren (HPV) für Mädchen von 12 bis 17 Jahren – Empfehlung undBegründung. Epidemiol Bull 2007; Nr.12: 97–103.

2.Gerhardus A, Dören M, Gerlach FM etal.: Wie wirksam ist die HPV-Impfung?Dtsch Arztebl 2009; 106: A 330–334.

3. Ständige Impfkommission am RobertKoch-Institut: Impfung gegen HPV –Aktuelle Bewertung der STIKO. Epide-miol Bull 2009; Nr. 32: 319–328.

4. Schneider A: HPV-Impfung: „Wesent-lich wirksamer als wir vor drei Jahren

dachten“. Ärzte Zeitung vom 26. No-vember 2011.

5. Brotherton JM, Fridman M, May CL etal.: Early effect of the HPV vaccinationprogramme on cervical abnormalitiesin Victoria, Australia: an ecologicalstudy. Lancet 2011; 377: 2085–2092.

InteressenkonflikteEin Interessenskonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. Dr. med. B. Schneeweiß, Berlin [email protected]

FAZIT

Erstmalig wurde in einem Impfpro-gramm der australischen Bevölkerungbei Mädchen bis 18 Jahren eine signifi-kante Reduktion schwerer zervikalerKrebsvorstufen und damit der Nutzender HPV-Impfung nachgewiesen.

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7Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

Patienten. Ein Nutzen der Therapiekonnte nicht nachgewiesen werden. Dasmag aber an der relativ geringen Patien-tenzahl gelegen haben.

Die Autoren erhoffen deshalb zuverlässi-gere Ergebnisse durch die CRASH-3-Studie, in die 10.000 Patienten mit Schä-del-Hirn-Trauma einbezogen werdensollen (4). Da die Studie erst im Dezem-ber 2016 beendet werden soll, bleibtnoch viel Zeit für Spekulationen.

Literatur1. Shakur H, Roberts I, Bautista R et al.:Effects of tranexamic acid on death,vascular occlusive events, and bloodtransfusion in trauma patients withsignificant haemorrhage (CRASH-2):a randomised, placebo-controlledtrial. Lancet 2010; 376: 23–32.

2. Roberts I, Shakur H, Afolabi A et al.:The importance of early treatmentwith tranexamic acid in bleeding trau-ma patients: an exploratory analysis ofthe CRASH-2 randomised controlledtrial. Lancet 2011; 377: 1096–1101.

3. Effect of tranexamic acid in traumaticbrain injury: a nested randomised, pla-cebo controlled trial (CRASH-2 In-tracranial Bleeding Study). BMJ 2011;343: d3795.

4. CHRASH-3 trial: Tranexamic acid forthe treatment of significant traumaticbrain injury: an international rando-mised, double blind placebo controlledtrial: http://crash3.lshtm.ac.uk/. Zu-letzt geprüft: 1. Dezember 2011.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. Dr. med. Frank P. Meyer, Groß [email protected]

Tabelle 1: CRASH-2 (modifiziert nach 1)

20.211 Unfallpatienten (34 ± 14 Jahre, 58 % ≤ 34 Jahre, 84 % Männer) mit starkem Blutverlust oder mit einem hohen Risikofür schwere Blutungen wurden innerhalb von maximal 8 Stunden (im Mittel 2,8 Stunden) nach dem Trauma randomisiert: Tranexamsäure-Infusion 1,0 g über 10 Minuten, anschließend 1,0 g über 8 Stunden) versus Plazebo. Primärer Endpunkt (bei 20.127 Patienten): Tod im Krankenhaus innerhalb von 4 Wochen nach dem Unfall.

Ereignis Plazebo Tranexamsäure ARR NNT P(n = 10.067) (n = 10.060)

% % % n

Gesamtsterblichkeit 16,0 14,5 1,5 67 0,0035Tod durch Blutungen 5,7 4,9 0,8 125 0,0077

durch Gefäßverschluss* 0,5 0,3 0,2 500 0,096durch Multiorganversagen 2,3 2,1 0,2 500 0,25durch Kopfverletzungen 6,2 6,0 0,2 500 0,60

Vaskulär, tödlich und nicht tödlich 2,0 1,7 0,3 333 0,084Chirurgische Eingriffe 48,0 47,9 0,1 1000 0,79Transfusionen 51,3 50,4 0,9 111 0,21

* einschließlich Herzinfarkt, Schlaganfall und LungenembolieARR: absolute Risikoreduktion NNT: number needed to treat

Tabelle 2. CRASH-2 (modifiziert nach 2)Häufigkeit tödlicher Blutungen in Abhängigkeit vom Beginn der Behandlung

Interventionszeit Plazebo Tranexamsäure ARR NNT NNK% % % n n

≤ 1 Std. 7,7 5,3 2,4 42 –1–3 Std. 6,1 4,8 1,3 77 –> 3 Std. 3,1 4,4 –1,3 – 77

ARR: absolute Risikoreduktion NNT: Number needed to treat NNK: Number needed to kill

FAZIT

Ob das Antifibrinolytikum Tranexam-säure die Prognose von Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma verbessernkönnte, werden wir erst in einigen Jah-ren nach Beendigung der CRASH-3-Studie erfahren. Die bisherige Datenla-ge zeigt bei Unfallpatienten nur einensehr geringen Nutzen (CRASH-2). Derreicht offenbar nicht aus, eine Indikati-onserweiterung für CYKLOKAPRON® zubeantragen.

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8 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

Schizophrenie-Behandlung mit Antipsychotika: Depot-Injektionen schützen nicht besser vor Rezidiven als eineorale Medikation

In der medikamentösen Behandlung derSchizophrenie ist mangelnde Therapie-treue ein häufiges Problem. Intramus-kulär injizierte Depot-Formulierungenvon Antipsychotika könnten die Sicher-heit der Medikation und konsekutiv denklinischen Verlauf verbessern.

Das erste als Depot verfügbare Antipsy-chotikum aus der Gruppe der sog. „aty-pischen“ Antipsychotika ist Risperidon(Risperdal consta®,). Mehrere Studienbelegen die Wirksamkeit oral eingenom-menen Risperidons gegenüber Plazebo,wenngleich es auch gegenteilige Studiengibt. In Studien zur Umstellung von oralverfügbaren Risperidon auf das Depot, indenen eine Überlegenheit des Depots ge-genüber oral verfügbaren Risperidon ge-zeigt worden war, waren nur schizophre-ne Patienten mit gegenwärtig stabilemVerlauf eingeschlossen worden.

Ziel einer in diesem Jahr publiziertenStudie (1) war es, die Überlegenheit derDepotform von Risperidon gegenübereiner Behandlung mit oralen Antipsy-chotika bei Patienten mit instabilem Ver-lauf zu belegen.

Methodik: Es wurden Patienten eingeschlossen, diean einer schizophrenen oder schizoaf-fektiven Erkrankung litten und gegen-wärtig oder in den letzten zwei Jahrenhospitalisiert waren oder ein erhöhtesRisiko für ein Rezidiv aufwiesen. Letzte-res wurde aus einem erhöhten Bedarf anKontakten zum Gesundheitssystem ab-geleitet, durch welche ein Rückfall ver-mieden werden sollte.

Die Studienteilnehmer wurden rando-misiert in zwei Gruppen eingeteilt: EineGruppe erhielt das Risperidon-Depot-Präparat in einer Dosierung von 25 mgalle zwei Wochen i. m. Eine schrittweiseDosiserhöhung auf maximal 50 mg allezwei Wochen war möglich. Nach 6–8

Wochen wurde die Medikation wennmöglich reduziert. In der Kontrollgrup-pe wurde die übliche orale Medikationgemäß der Verordnung des jeweils be-handelnden Psychiaters durchgeführt.

In beiden Gruppen war eine psychotropeKomedikation (einschließlich oraler An-tipsychotika, Anticholinergika) erlaubt.Alle Teilnehmer erhielten wie üblich psy-chosoziale Unterstützung. Die Beobach-tungsdauer betrug bis zu zwei Jahren.

Bei monatlichen Visiten durch einenicht-verblindete Studienkranken-schwester wurden der globale klinischeEindruck und Veränderungen gegenü-ber dem Ausgangspunkt (gemessen mit-tels Clinical Global Impressions Scale)und die Zufriedenheit mit der Medikati-on (Drug Attitude Inventory) dokumen-tiert. Die Therapietreue wurde ebenfallsdokumentiert: Die Injektionen des Ris-peridon-Depots gemäß den Studienun-terlagen, die Einnahme oraler Medikati-on gemäß den Angaben der Patienten.Ferner erfolgten unter blinden Bedin-gungen alle drei Monate videogestützteStudienvisiten zur Erfassung der Le-bensqualität und des sozialen Funk-tionsniveaus sowie des Substanzkon-sums. Hierzu wurden auch verschiedeneSkalen verwendet (z. B. Positive and Ne-gative Syndrome-Scale zur Erfassung ty-pischer schizophrener Symptome; Hein-richs-Carpenter Quality of Life-Scale zurErfassung der Lebensqualität; Personaland Social Performance-Scale zur Erfas-sung des sozialen Funktionsniveaus).Neurologische und sexuelle Nebenwir-kungen wurden standardisiert erfasst.

Primärer Endpunkt war die Zeit von derRandomisierung bis zur Hospitalisie-rung oder, falls der Teilnehmer zum Zeit-punkt der Randomisierung hospitalisiertwar, die Zeit von der Entlassung bis zueiner erneuten Hospitalisierung. Wich-tigster sekundärer Endpunkt war dieSymptomschwere nach zwölf Monaten.

ErgebnisseVon 1.045 untersuchten Patienten wur-den letztlich 369 in die Studie einge-schlossen. Von diesen waren 40 % zumZeitpunkt der Randomisierung hospita-lisiert, 55 % waren in den letzten zweiJahren hospitalisiert und 5 % hatten einhohes Risiko für eine baldige Hospitali-sierung. In die Risperidon-Depot-Grup-pe wurden 187 Patienten randomisiert,182 in die Kontrollgruppe.

Ein relevantes Problem mit Alkohol oderDrogen wiesen 37 % der Patienten auf.

Die Dosierung des Risperidon-Depot be-trug 25 mg alle zwei Wochen bei ca. 17 %der Teilnehmer, 37,5 mg alle zwei Wo-chen bei ca. 31 % und 50 mg alle zweiWochen bei ca. 50 %. Während der erstensechs Wochen erhielten 40 % der Teil-nehmer in dieser Gruppe eine zusätzli-che orale antipsychotische Medikation,danach bestand eine zusätzliche oraleMedikation bei etwa einem Drittel derInjektionen.

Die mittlere Beobachtungsdauer betrug474 Tage in der Risperidon-Depot-Grup-pe, 502 Tage in der Kontrollgruppe. DieGründe für einen vorzeitigen Studienab-bruch unterschieden sich nicht.

Es gab keinen Unterschied hinsichtlichdes primären Endpunkts, nämlich derZeit bis zur Hospitalisierung. Der Bedarfan Kontakten zum Gesundheitssystemund die im Krankenhaus verbrachtenTagen waren in beiden Gruppen gleich.Die Schwere der Symptome, die Lebens-qualität und das soziale Funktionsni-veau unterschieden sich nicht signifi-kant. Allerdings war die (unverblindete)Einschätzung der Verbesserung des kli-nischen Gesamteindrucks für die Rispe-ridon-Depot-Gruppe signifikant größer.

Vorteile für das Risperidon-Depot erga-ben sich in Bezug auf die Zufriedenheitmit der Medikation, welche allerdings

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9Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

ebenfalls unverblindet erfasst wurde. DieTherapietreue hingegen unterschiedsich in beiden Gruppen nicht. Hinsicht-lich psychotroper Komedikation gab eskeinen Unterschied.

Die Teilnehmer in der Risperidon-Depot-Gruppe erlebten Nebenwirkungen ander Injektionsstelle sowie mehr Kopf-schmerzen und extrapyramidal-motori-sche Symptome. Es gab vier Todesfälle:In der Risperidon-Depot-Gruppe ver-starb ein Teilnehmer aus ungeklärter Ur-sache, ein Teilnehmer beging Suizid. Inder Kontrollgruppe verstarb ein Teilneh-mer an einer Lungenerkrankung, einerbei einem Unfall.

Die Autoren benennen mehrere Schwächenihrer Studie. So sei beispielsweise dieStichprobe nicht repräsentativ, da älteremännliche Veteranen überwogen. Auchsei die Stichprobe nicht so groß, wie ursprünglich geplant (Ziel: n = 450). Dadurch könnte bei großem Konfidenzin-tervall bei der Zeit bis zur Hospitalisierungmöglicherweise ein kleiner Unterschiednicht nachgewiesen werden. Es stellt sichallerdings die Frage, ob ein so kleiner Un-terschied überhaupt relevant wäre, bezie-hungsweise den hohen Preis des Risperi-don-Depots rechtfertigen würde.

Wie könnte es zu diesem Ergebnis ge-kommen sein? Es werden keine Serum-spiegel von Risperidon in den beidenGruppen angegeben; man könnte daherdiskutieren, ob evtl. durch das Risperi-don-Depot relativ niedrige Spiegel auf-gebaut werden. Eine retrospektive nor-wegische Studie (2) fand tatsächlichniedrigere Serumspiegel von Risperidonund seinem aktiven Metaboliten unter25–50 mg Risperidon-Depot vierzehntä-

gig im Vergleich zu einer nach gängigemVorgehen als äquivalent anzusehendenoralen Einnahme von Risperidon 2–6 mg/Tag.

Wurde überhaupt der Verlauf der Er-krankung günstig beeinflusst? Dies lässtsich nicht eindeutig beantworten, da esin der vorliegenden Studie keinen Place-bo-Arm gab. Entsprechend dem Ein-schlusskriterium der instabilen Schizo-phrenie waren zum Zeitpunkt des Studi-eneinschlusses 40 % der Teilnehmerhospitalisiert, 55 % in den vorangegan-genen zwei Jahren. Nach einer mittlerenBeobachtungszeit von etwa 11 Monatenwaren inzwischen etwa 40 % der Teil-nehmer in beiden Gruppen (kein signifi-kanter Unterschied) erneut im Kranken-haus gewesen. Einer Abbildung der Pu-blikation lässt sich entnehmen, dassnach 24 Monaten etwa 50 % der Teilneh-mer beider Gruppen erneut im Kranken-haus gewesen waren. Dies scheint dochein Hinweis darauf zu sein, dass – vergli-chen mit einem gleich langen Zeitraumvor der Studie – es zu einer Verbesserungdes Verlaufs gekommen ist. Eine eindeutige Erklärung für dieses Re-sultat – gleiches Behandlungs-Ergebnisbei beiden Therapieformen – kann ausder vorliegenden Studie nicht abgeleitetwerden. Bei weiterführenden Studiensollten unbedingt Blutspiegel-Messun-gen eingeplant werden.

Literatur1.Rosenheck RA, Krystal JH, Lew R et al.:Long-acting risperidone and oral an-tipsychotics in unstable schizophre-nia. N Engl J Med 2011; 364: 842–851.

2.Nesvag R, Hendset M, Refsum H,Tanum L: Serum concentrations of

risperidone and 9-OH risperidone fol-lowing intramuscular injection oflong-acting risperidone comparedwith oral risperidone medication. ActaPsychiatr Scand 2006; 114: 21–26.

Interessenkonflikte: UK: ein Interessenkonflikt wird ver-neint.

TB: hat Vortragshonorare der FirmenLilly, Bristol-Myers-Squibb, Lundbeck,Servier und AstraZeneca und Kongres-sreiseunterstützung der Firmen Servierund AstraZeneca erhalten.

Ursula Köberle, Ärztin, Berlin Priv.-Doz. Dr. med. Tom Bschor, [email protected]

FAZIT

In dieser randomisierten, kontrolliertenStudie konnte keine Überlegenheit vonRisperidon-Depot gegenüber üblicheroraler antipsychotischer Medikationbei schizophren oder schizoaffektiv Er-krankten mit instabilem Verlauf nach-gewiesen werden. Entgegen der gän-gigen Annahme, dass eine Depot-In-jektion zu einer Verbesserung führe,konnte gerade bei Hoch-Risiko-Patien-ten die alleinige Sicherstellung einerregelmäßigen Medikation den Verlaufnicht verbessern. Angesichts des ex-trem hohen Preises des Risperidon-De-pots muss nach Vorlage dieser Studieder Vorteil von Risperidon-Depot ge-genüber oral verfügbaren Antipsycho-tika bezweifelt werden.

Fosfomycin

Arneimittel – kritisch betrachtet

Einführung und Wirkungsspek-trumFosfomycin, ein natürlich vorkommen-des Derivat der Phosphonsäure, wurde1969 erstmals aus Streptomyceten iso-

liert und Anfang der 80er Jahre inDeutschland eingeführt. Es hemmt denAufbau der Zellwand von Bakterien durchStörung der Mureinsynthese und gelangtdurch aktiven Transport in das Bakterie-

ninnere. Damit wirkt es bakterizid.

Das antibakterielle Wirkungsspektrumumfasst sowohl gram-positive, als auchgram-negative Mikroorganismen. Es be-

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10 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

sitzt somit bakterizide Aktivität gegenStaphylokokken, Streptokokken, ein -schließlich Pneumo- und Enterokok-ken. Erreicht werden auch die meistenhumanpathogenen Spezies der Entero -bacteriaceae (z. B. Salmonellen, Shigel-len, E. coli, Proteus mirabilis und vulga-ris) sowie von Haemophilus influenzaeund Pseudomonas aeruginosa. Resistentgegen Fosfomycin sind Morganella mor-ganii, Acinetobacter baumannii, Listeriamonozytogenes sowie obligate Anaero-bier und atypische Erreger (Mykoplas-men und Clamydien). Um die Wirkungvon Fosfomycin zu ermöglichen, ist dieAnwesenheit von Glucose-6-Phosphat(G-6-P) erforderlich. Dieses ist als Zwi-schenprodukt des Kohlenhydrat-Stoff-wechsels ubiquitär in humanen und ani-malischen Geweben vorhanden. G-6-Paktiviert eines der beiden aktiven Trans-portsysteme, die Fosfomycin zum Ein-tritt in die Bakterienzelle benutzt. Diesist auch der Grund, warum bei der Emp-findlichkeitsprüfung von Fosfomycin invitro mit der Agardilutionsmethode demTestsystem G-6-P in einer Konzentrationvon 25 mg/l zugesetzt werden muss.

Derzeitige ResistenzsituationFosfomycin wurde all die Jahre, seit esverfügbar ist, eher zurückhaltend undvor allem gezielt eingesetzt. Dies hateine nur relativ geringe Resistenzent-wicklung zur Folge gehabt. So hat sich z.B. die Wirksamkeit von Fosfomycingegen Methicillin-sensible und -resi-stente Staphylococcus-aureus-Stämme(MRSA) in unseren Breiten in den letz-ten 30 Jahren nicht wesentlich verän-dert. Auch gegen Vancomycin-interme-diäre (VISA) und Vancomycin-resistente(VRSA) Stämme von Staphylococcus au-reus ist Fosfomycin teilweise wirksam.Weiterhin bedeutsam für Fosfomycin istdie gute Wirksamkeit gegenüber ESBL(= Extended Spectrum Betalactamase)-produzierende Stämme von E. coli undKlebsiella pneumoniae, die sich weltweitseit dem Jahr 2001 besonders rasch undbedrohlich ausbreiten. Diese Erreger, dievorwiegend Harnwegsinfektionen allerAusprägungen, Urosepsis und intraabdo-minelle Infektionen verursachen, sindhäufig außerdem resistent gegenüberFluorchinolonen, Aminoglykosiden und/

oder Cotrimoxazol. Fosfomycin ist auchals Kombinationspartner mit anderenbakteriziden Antibiotika geeignet, daüberwiegend synergistisch oder additivwirkende Interaktionen mit anderen An-tibiotika nachgewiesen werden konnten.Mit anderen Antibiotika besteht keineKreuzresistenz.

Allerdings korrelieren die Ergebnisseder Resistenzprüfung in vitro nichtimmer befriedigend mit der Wirksam-keit in vivo.

Pharmakokinetik und klinischeAnwendungDank seines geringen Molekularge-wichts ist eine gute bis sehr gute Gewe-begängigkeit auch in tiefe Komparti-mente gewährleistet. Serumspitzenspie-gel nach 3 g i. v. liegen über 100 mg/l.Gute Diffusion erfolgt in Lunge, Galle,Liquor, Haut und Knochen. Es bestehtkeine Bindung an Plasmaeiweiß. Die re-nale Elimination erfolgt zu 90 % durchglomeruläre Filtration der nicht meta-bolisierten Substanz. Fosfomycin ist gutdialysierbar. Die Halbwertszeit beträgtzwei Stunden.

Eine Resistenzbestimmung sollte wegenmöglicher resistenter Stämme insbe-sondere bei lebensbedrohlichen Infek-tionen wie Sepsis oder Meningitis injedem Falle angestrebt werden. Eineenge klinische Kontrolle des Infektions-verlaufs – insbesondere bei lebensbe-drohlichen Infektionen wie Sepsis und

Meningitis – (sorgfältige Fiebermes-sung, täglich CRP und Leukozyten) solltselbstverständlich sein. Fosfomycin wirdals Di-Natriumsalz i. v. infundiert. Eineoral verfügbare Formulierung ist Fos-fomycin-Trometamol, das zur Therapieder unkomplizierten Harnwegsinfektioneingesetzt wird. (Siehe dazu auch AVP-Artikel von Wagenlehner und Naber inAVP, 38, Ausgabe 6, November 2011,Seite 124). Die empfohlene intravenöseTagesdosis beträgt für Erwachsene 8 bis16 g (maximal 20 g) pro Tag, verteilt auf2–3 Gaben als Infusion über 30 bis 60 Mi-nuten. Die Verträglichkeit ist im Allge-meinen gut, Art und Zahl der Nebenwir-kungen gilt als gering.

Fosfomycin ist zugelassen zur Behand-lung schwerer Haut- und Weichgewebe-infektionen. Weitere Indikationen sindFälle von Osteomyelitis, Infektionen derHarnwege (Urosepsis), sowie posttrau-matische Hirnabszesse, Empyeme derLiquorräume. Letztere zeigten gute Be-handlungsergebnisse insbesondere inKombination mit Cephalosporinen derGruppen 3 oder 4 und/oder Metronida-zol. Schwere bakterielle Infektionendurch Fosfomycin-empfindliche Erregersollten möglichst in Kombination miteinem Beta-Laktam-Antibiotikum be-handelt werden. Diese Kombination be-wirkt einen synergistischen Effekt undverzögert möglicherweise eine sekundä-re Resistenzentwicklung. Wenngleich es sich in bestimmten Fäl-len durchaus lohnt, auf ein älteres Anti-biotikum zurückzugreifen, muss aller-

FAZIT

Fosfomycin hat in den mehr als 30 Jah-ren seiner klinischen Anwendung kaumTendenzen zur Resistenzentwicklunggezeigt. Angesichts der ständig steigen-den Bedrohung durch multiresistente Er-reger stellt es eine echte Alternative zuzahlreichen anderen Antibiotika wie bei-spielsweise Beta-Laktame, Chinolone,Aminoglykoside etc. dar. Sein Wirkungs-spektrum ist eingeschränkt, umfasst je-doch sowohl gram-positive als auch be-deutsame und häufig multiresistentegram-negative Erreger. Als vergleichs-weise recht kleines Molekül mit guter

Gewebegängigkeit eignet es sich be-sonders zur Behandlung schwerer bak-terieller Infektionen (nach vorheriger in-vitro-Testung), verursacht durch Fos-fomycin-empfindliche Mikroorganis-men. Hierzu gehören z. B. akute undchronische Osteomyelitis, Gelenkinfek-tionen (bei Endoprothese), Haut- undWeichgewebeinfektionen, Lungeninfek-tionen, Gallenwegs-Infektionen, Infek-tionen bei Verbrennungen, Mediastinitis,Sepsis und auch Endokarditis. Die Do-sierung beträgt 2-3(-4) x 2-5 g pro Tag(maximal 20g/Tag).

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11Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

dings auch bedacht werden, dass multi-zentrische, kontrollierte Studien, wie sieheutzutage für die Zulassung einesneuen Antibiotikums gefordert werden,nicht vorhanden sind. Insofern fehlenauch Daten zur Wirksamkeit und Ver-träglichkeit von Fosfomycin weitge-hend.

Interessant ist noch die Frage, warumdieses doch hochwirksame Antibiotikumrelativ selten angewandt wurde undwird. Die Erklärung ist nicht einfach.Nachdem es anfänglich stark beworbenwurde, verlor sich das Interesse an seinerBewerbung (verständlicherweise) nachAblauf des Patentschutzes. Auch mageine Rolle spielen, dass Fosfomycin auch

innerhalb seines Wirkungsspektrums inEinzelfällen unwirksam sein kann undfolglich eine Resistenzbestimmung ge-fordert wird, die aus bekannten Gründenzu Therapiebeginn und auch im weite-ren Verlauf eher selten vorliegt.

Literatur1. Traunmüller F, Steinort D, GattringerR, Graninger W: Fosfomycin intra-venös. Chemother J 2011; 20: 9–17.

2. Popovic M, Steinort D, Pillai S, Jouk-hadar C: Fosfomycin: an old, new fri-end? Eur J Clin Microbiol Infect Dis2010; 29: 127–142.

3.Michalopoulos A, Virtzili S, Rafailidis Pet al.: Intravenous fosfomycin for the

treatment of nosocomial infectionscaused by carbapenem-resistant Kleb-siella pneumoniae in critically ill pati-ents: a prospective evaluation. ClinMicrobiol Infect 2010; 16: 184–186.

4.Matzi V, Lindenmann J, Porubsky C etal.: Extracellular concentrations offosfomycin in lung tissue of septic pa-tients. J Antimicrob Chemother 2010;65: 995–998.

InteressenkonflikteVom Autor wird ein Interessenkonfliktverneint.

Prof. Dr. med., Dr. rer. nat., Dr. h. c.Dieter Adam, Mü[email protected]

Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten und das Risiko eines Herz-infarktesIm Jahr 2004 wurde die VALUE (Valsar-tan Antihypertensive Long-term UseEvaluation)-Studie publiziert (1). Es er-hielten 15.245 Hypertoniker mit hohemkardiovaskulärem Risiko im Mittel über4,2 Jahre entweder Valsartan (80–160mg täglich) oder Amlodipin (5–10 mgtäglich), bei Bedarf auch kombiniert mitHydrochlorothiazid oder anderen An-tihypertensiva. Überraschend tratenunter Valsartan im Vergleich zu Amlodi-pin mehr Herzinfarkte (4,8 % bzw. 4,1 %;p = 0,02) und numerisch mehr Schlag-anfälle (4,2 % bzw. 3,7 %; p = 0,08) auf.Wir berichteten darüber (2).

In diesem Kontext wurde jetzt eine Meta-Analyse veröffentlicht (3), in die 37 ran-domisierte klinische Studien mit147.020 Patienten einbezogen wurden.In 17 Studien wurden Sartane (Candes-artan, Irbesartan, Losartan, Telmisartan,Valsartan) gegen Placebo verglichen. 20Studien wurden aktiv kontrolliert, z. B.gegen Amlodipin, Atenolol, Benazepril,Captopril, Enalapril, Hydrochlorothia-zid, Nitrendipin, Ramipril. Untersuchtwurden folgende klinisch relevanteAspekte: Herzinfarkt, Gesamtmortalität,kardiovaskuläre Mortalität, Angina pec-toris, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und

das Neuauftreten eines Diabetes melli-tus. Die Ergebnisse werden in Tabelle 1zusammengefasst.

Die Unterschiede zwischen den Sartanenund den Kontrollen sind entweder nichtsignifikant oder waren – wie bei Schlag-anfall, Herzinsuffizienz und Diabetes –klinisch völlig irrelevant.

Nun müssen natürlich auch die Limita-tionen dieser Meta-Analyse benannt wer-den. Zunächst wird eine bunte Mischungvon Wirkstoffen de facto „homogeni-siert“. Auch die Indikationen differieren:

Tabelle 1: Ergebnisse der Meta-Analyse nach (3)

Ereignis N Sartan Placebo und RR (95 % CI)aktive Kontrolle

% %

Herzinfarkt 31 4,17 4,14 0.99 (0,92–1,07)Tod, total 37 11,06 11,14 1.00 (0,97–1,02)Tod, kardiovaskulär 31 7,45 7,50 0.99 (0,94–1,04)Angina pectoris 21 7,56 7,37 0.95 (0,85–1,06)Schlaganfall 30 4,42 4,82 0.90 (0,84–0,98)Herzinsuffizienz 30 6,92 7,60 0.87 (0,81–0,93)Diabetes mellitus 13 7,59 8,72 0.85 (0,78–0,93)

N: Anzahl der bewerteten StudienRR: Relatives Risiko CI: Konfidenzintervall

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12 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

FAZIT

Was merken wir wieder einmal – hierspeziell bei der Anwendung von Sarta-nen, aber auch bei vielen anderen An-tihypertensiva? Nach wie vor gilt derSatz des Pharmakologen Kuschinsky:„Eine Substanz, die Wirkungen hat,zeigt auch Nebenwirkungen“. Worauszwingend folgt, dass Arzneimittel nichtzum beliebigen Gebrauch bestimmtsind. Das klingt zwar banal, sollte aberdoch immer wieder bedacht werden.

Hypertonie, Herzinsuffizienz, Vor-hofflimmern, koronare Herzkrankheitmit oder ohne Diabetes. Die Anzahl derin die Studien eingeschlossenen Patien-ten reicht von 80 bis 20.332. Die Thera-piedauer beträgt zwischen 1 Jahr und 5Jahren. Dass bei diesem Konglomeratwenig Differenziertheit zu erwarten ist,leuchtet ein.

Interessant ist deshalb aber die IDNT (Ir-besartan Diabetic Nephropathy Trial)-Studie (1.146 Patienten mit Hypertonie,Nephropathie und Diabetes), in der über2,6 Jahre Irbesartan gegen Amlodipinverglichen wurde (4). Auch hier tratenunter Irbesartan deutlich mehr Herzin-farkte auf (7,6 %) als unter Amlodipin(4,8 %). Auch der Anteil der Schlaganfäl-le war höher (4,8 % bzw. 2,6 %).

Insofern sind VALUE und IDNT ver-gleichbar. Allerdings war in beiden Stu-dien die Anzahl der Fälle von Herzinsuf-fizienz unter Amlodipin etwas höher alsunter Valsartan bzw. Irbesartan.

Literatur

1. Julius S, Kjeldsen SE, Weber M et al.:Outcomes in hypertensive patients athigh cardiovascular risk treated withregimens based on valsartan or amlo-dipine: the VALUE randomised trial.Lancet 2004; 363: 2022–2031.

2.Meyer FP: Sartane und Herzinfarkt.Arzneiverordnung in der Praxis (AVP)2005; 32: 80–81.

3. Bangalore S, Kumar S, Wetterslev J,Messerli FH: Angiotensin receptorblockers and risk of myocardial infarc-tion: meta-analyses and trial sequenti-al analyses of 147 020 patients fromrandomised trials. BMJ 2011; 342:d2234.

4. Berl T, Hunsicker LG, Lewis JB et al.:Cardiovascular outcomes in the Irbes-artan Diabetic Nephropathy Trial ofpatients with type 2 diabetes and overtnephropathy. Ann Intern Med 2003;138: 542–549.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. em. Dr. med. Frank P. Meyer, Groß[email protected]

Neue Arzneimittel

Hinweise zur Erstellung der Information „Neue Arzneimittel“

„Neue Arzneimittel“ ist eine Information der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) zu neu zugelasse-nen Arzneimitteln/neu zugelassenen Indikationen.

Ziel ist es, den Vertragsärzten eine zeitnahe Information zu neu zugelassenen Arzneimitteln vor Markteinführung zur Ver-fügung zu stellen. Diese Information ist ebenfalls auf der Homepage der AkdÄ abrufbar (http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/index.html) und wird auch mittels elektronischem Newsletter aktiv versandt.

Dargestellt werden in der Information „Neue Arzneimittel“ von dem Committee for Medicinal Products for Human Use(CHMP) der European Medicines Agency (EMA) als positiv bewertete und von der Europäischen Kommission neu zugelas-sene Arzneimittel bzw. Indikationserweiterungen. Grundlage der Information und der Bewertung des Arzneimittels ist derEuropean Public Assessment Report (EPAR) der EMA.

Eliquis® (Apixaban)

Indikation

Zur Prophylaxe venöser Thromboembo-lien (VTE) bei erwachsenen Patientennach elektiven Hüft- oder Kniegelenker-satzoperationen.

Pharmakologie und klinischeStudien

Apixaban ist ein oraler, reversibler, direk-ter und selektiver Inhibitor des aktivenZentrums von Faktor Xa. Es hemmt die

Aktivität des freien und im Tenasekom-plex gebundenen Faktors Xa. Apixabanhat keine direkten Wirkungen auf dieThrombozytenaggregation, hemmt aberindirekt durch die verminderte Throm-

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13Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

BewertungNach elektivem Hüft- oder Kniege-lenkersatz tritt unter einer Throm-boembolieprophylaxe mit Apixabander kombinierte primäre Endpunkt(asymptomatische oder symptomati-sche tiefe Venenthrombosen (TVT),nichttödliche Lungenembolie oderTod jeder Ursache) seltener auf alsunter Enoxaparin. Apixaban führtaber nicht zu einer Verminderungsymptomatischer Thromboembolien,Lungenembolien oder Todesfällen.Die Rate schwerer Blutungen unter-scheidet sich zwischen Apixaban undEnoxaparin nicht. Bei Unverträglich-keit oder Kontraindikation gegen -über einem niedermolekularen Hepa-rin kann ein direkter Faktor-Xa-Inhi-bitor eingesetzt werden, dabei zeigtder indirekte Vergleich Vorteile vonRivaroxaban gegenüber Apixaban.

binbildung die Thrombozytenaggrega -tion. Durch Hemmung des Faktors Xabeugt Apixaban der Bildung von Throm-bin und der Entstehung von venösenThromben vor.

Insgesamt 8464 Patienten wurden in denbeiden zulassungsrelevanten doppelblin-den randomisierten Studien ADVANCE-2(n = 3057) und ADVANCE-3 (n = 5407), indenen 2,5 mg Apixaban oral 2 x tgl. mit 40 mg Enoxaparin subkutan 1 x tgl. ver -glichen wurde, untersucht.

In der ADVANCE-2-Studie (Patienten mitelektiver Kniegelenkersatzoperation, Be-handlungsdauer 12 ± 2 Tage) wurde derkombinierte primäre Endpunkt (asym-ptomatische oder symptomatische tiefeVenenthrombose, nichttödliche Lunge-nembolie oder Tod jeder Ursache) bei 147von 976 (15,06 %, 95 % Konfidenzinter-vall [CI] 12,95–17,46) Patienten im Apixa-ban-Arm und bei 243 von 997 (24,3 %, 95 % CI 21,81–27,14) im Enoxaparin-Arm, in der ADVANCE-3-Studie (Patien-ten mit elektiver Hüftgelenkersatzopera-tion, Behandlungsdauer 35 ± 3 Tage) bei27 von 1949 (1,39 %, 95 % CI 0,95–2,02)der Patienten in der Apixaban-Gruppeund bei 74 von 1917 (3,86 %, 95 % CI3,08–4,83) in der Enoxaparin-Gruppe er-

reicht. Das relative Risiko (RR) lag in derADVANCE-2-Studie bei 0,62 (95 % CI0,51–0,74), in der ADVANCE-3-Studie bei0,36 (95 % CI 0,22–0,54), resp. die absolu-te Risikoreduktion (ARR) bei 9,27 % (95% CI 5,79–12,74) bzw. 2,47 % (95 % CI1,50–3,54) (jeweils p < 0,0001).

Bei dem kombinierten sekundären End-punkt schwere venöse Thromboembolien(VTE) (proximale tiefe Venenthrombose,nicht tödliche Lungenembolie und VTE-bedingter Tod) lag in der ADVANCE-2-Studie die Ereignisrate unter Apixabanbei 1,09 % (95 % CI 0,62–1,88) vs. 2,17 %(95 % CI 1,47–3,18) unter Enoxaparin(ARR 1,04 %, 95 % CI 0,05–2,03; p =0,0373), in der ADVANCE-3-Studie unterApixaban bei 0,45 % (95 % CI 0,24–0,85)vs. 1,14 % (95 % CI 0,77–1,69) unter Eno-xaparin (ARR 0,68 %, 95 % CI 0,17–1,27;p = 0,0107).

Die Rate schwerwiegender Blutungen be-trug in der ADVANCE-2-Studie 0,60 % (95% CI 0,30–1,16) im Apixaban-Arm und0,93 % (95 % CI 0,54–1,57) im Enoxapa-rin-Arm (ARR 0,33, 95 % CI –0,29–0,95, p= 0,3014), in der ADVANCE-3-Studie 0,82% (95 % CI 0,54–1,25) in der Apixaban-Gruppe und 0,68 % (95 % CI 0,42–1,08) inder Enoxaparin-Gruppe (ARR –0,15 %, 95% CI –0,63–0,33; p = 0,54).

Schwerwiegende oder klinisch relevantenicht schwerwiegende Blutungen (kom-binierter Endpunkt) traten in der ADVANCE-2-Studie bei Patienten imApixaban-Arm (3,53 %) nicht signifikantseltener im Vergleich zum Enoxaparin-Arm (4,77 %) auf (ARR 1,24 %, 95% CI –0,18–2,66; p = 0,0881), in der ADVANCE-3-Studie zeigte sich ebenfalls eine nichtsignifikante Verbesserung in der Apixa-ban- (4,83 %) vs. der Enoxaparin-Gruppe

Anwendung bei besonderen Patientengruppen

Eliquis® (Apixaban)

Ältere Patienten Keine Dosisanpassung. Kombination von Apixabanmit Acetylsalicylsäure aufgrund eines potentiell höhe-ren Blutungsrisikos nur mit Vorsicht einsetzen.

Kinder und Jugendliche Keine Zulassung.

Patienten mit eingeschränkterNierenfunktion

Patienten mit Kreatinin-Clearance (CrCl) < 15 ml/minoder Patienten unter Dialyse: Anwendung nicht emp-fohlen. Schwere Nierenfunktionsstörung (CrCl 15–29ml/min): Plasmakonzentration von Apixaban kann er-höht sein. Apixaban allein oder in Kombination mitAcetylsalicylsäure bei diesen Patienten aufgrund einespotentiell höheren Blutungsrisikos nur mit Vorsichtanwenden und eventuell Dosisanpassung durch Be-stimmung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität.Leichte oder mäßige Nierenfunktionsstörung: KeineDosisanpassung.

Patienten mit eingeschränkterLeberfunktion

Schwere Leberfunktionsstörung: Anwendung nichtempfohlen. Leichte oder mäßige Leberfunktionsstörung (Child-Pugh A oder B): Apixaban mit Vorsicht anwenden undeventuell Dosisanpassung. Erhöhte Leberenzyme ALT/AST > 2 x ULN (UpperLimit of Normal) oder Gesamt-Bilirubinwerte ≥ 1,5 xULN: Anwendung mit Vorsicht, ALT-Wert bei präope-rativen Untersuchungen routinemäßig messen.

Anwendung bei Schwangeren Anwendung nicht empfohlen.

Anwendung bei Stillenden Nicht bekannt, ob Apixaban oder seine Metabolite indie Muttermilch übergehen. Daher keine Anwendungin der Stillzeit.

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14 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

(5,04 %) (ARR 0,21 %, 95 % CI –0,95–1,38; p = 0,72).

Unerwünschte Arzneimittelwir-kungenHäufig (≥ 1/100, < 1/10): Anämie (ein -schließlich postoperativer + hämorrhagi-scher Anämie + entsprechender Laborpa-rameter), Blutung (einschließlich Häma-tom + vaginale/urethrale Blutung), Übel-keit, Hämatom.

Gelegentlich (≥ 1/1000, < 1/100): Throm-bozytopenie (einschließlich Verminde-rung der Thrombozytenzahl), Hypotonie(einschließlich RR-Abfall während desEingriffs), Epistaxis, gastrointestinaleBlutung (einschließlich Hämatemesis +Meläna), Hämatochezie, Erhöhung derTransaminasen, erhöhte γ-GT, abnormaleLeberfunktionstests, erhöhte alkalischePhosphatase, erhöhtes Bilirubin, Hä -maturie, postoperative Blutung (ein -schließlich postoperatives Hämatom,Wundblutung, Hämatom an Gefäßpunk-tionsstelle, Blutung an Kathetereinstich-stelle), Wundsekretion, Blutungen an derInzisionsstelle (einschließlich Hämatom),intraoperative Blutung.

Selten (≥ 1/10.000, < 1/1000): Überemp-findlichkeitsreaktionen, Augen-, ein -schließlich Bindehautblutung, Hä -moptyse, Rektal-, Zahnfleisch- undMuskel blutung.

Interaktionen, Kontraindikatio-nen, WarnhinweiseInteraktionen: Anwendung von Apixaban

nicht empfohlen bei Patienten, die gleich-zeitig eine systemische Behandlung mitstarken CYP3A4- und P-gp-Inhibitoren,wie Azol-Antimykotika (z. B. Ketocona-zol, Itraconazol, Voriconazol und Posaco-nazol), und mit HIV-Protease-Inhibitoren(z. B. Ritonavir) erhalten. Die Apixaban-spiegel können in Anwesenheit von zu-sätzlichen Faktoren (z. B. schwere Nie-renfunktionsstörung) um das Zweifacheoder stärker erhöht werden. GleichzeitigeAnwendung von Apixaban mit starken In-duktoren von CYP3A4 und P-gp (z. B.Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin,Phenobarbital oder Johanniskraut) kannzu einer Reduktion der Apixabanspiegelum ca. 50 % führen: gleichzeitige Anwen-dung daher nur mit Vorsicht. Vorsicht beiPatienten, die gleichzeitig mit Thrombo-zytenfunktionshemmern behandelt wer-den.

Kontraindikationen: Überempfindlich-keit gegen den Wirkstoff oder einen dersonstigen Bestandteile. Klinisch relevan-te akute Blutung. Lebererkrankungen,die mit Koagulopathie und klinisch rele-vantem Blutungsrisiko verbunden sind.

Dosierung und Kosten

Eliquis® (Apixaban)

Darreichungsform Dosis pro Tag1 Kosten für 14 Tage [€]2, 3

Kosten für 38 Tage [€]2, 4

Filmtabletten 2 x 2,5 mg 120,06 287,87

Stand Lauertaxe: 15.09.20111 Dosierung und Behandlungsdauer gemäß Produktinformation; 2 Kostenberechnung nachApothekenabgabepreis anhand des kostengünstigsten Präparates einschl. Import (hier nur einPräparat); 3 Kniegelenkersatz-OP; 4 Hüftgelenkersatz-OP.

Warnhinweise: Sorgfältige Überwachungauf Anzeichen einer Blutung. Bei erhöh-tem Blutungsrisiko (unbehandelte ange-borene oder erworbene Gerinnungs-störungen, aktive ulzerierende gastroin-testinale Erkrankungen, Thrombozyto-penien, Thrombozytenfunktionsstör -ungen, hämorrhagischer Schlaganfall inder Anamnese, schwere unkontrollierteHypertonie sowie vor kurzem erfolgtechirurgische Eingriffe am Gehirn,Rückenmark oder an den Augen) mit Vor-sicht anwenden. Beim Auftreten schwererBlutung Behandlung abbrechen.

Weitere Informationen (u. a. zu uner-wünschten Arzneimittelwirkungen, Risi-ken) in der Fachinformation.

Aktuelle Informationen über neu zuge-lassene Arzneimittel in der EuropäischenUnion; erstellt auf der Basis des Europäi-schen Öffentlichen Beurteilungsberichts(EPAR) Eliquis® vom 20.06.2011.

Stand: 28.09.2011

Halaven® (Eribulin)

Indikation

Eine Halaven®-Monotherapie ist indi-ziert für die Behandlung von Patientenmit lokal fortgeschrittenem oder metas -tasiertem Brustkrebs, bei denen nachmindestens zwei Chemotherapien zurBehandlung einer fortgeschrittenenBrustkrebserkrankung eine weitere Pro-

Bewertung

In einer Phase-3-Studie wurde ge-zeigt, dass Eribulin im Vergleich zueiner Therapie nach Wahl des Arztes(TPC) zu einer Verlängerung des Ge-samtüberlebens (OS) von Patientin-nen mit fortgeschrittener Brust-krebserkrankung um 2,5 Monate

führte. Die höhere Toxizität von Eri-bulin im Vergleich zu den Kontrollensowie das Fehlen valider Daten zurVerbesserung der Lebensqualität rela-tivieren aber den Überlebensvorteil.Die Abhängigkeit der Wirksamkeitvom Rezeptorstatus ist nicht unter-sucht.

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15Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

Anwendung bei besonderen Patientengruppen

Halaven® (Eribulin)

Ältere Patienten Keine Dosisanpassungen empfohlen.

Patienten mit eingeschränkterNierenfunktion

Schwer eingeschränkte Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance < 40 ml/min): Dosisreduktion kann erfor-derlich sein. Optimale Dosis muss noch festgelegt wer-den. Engmaschige Sicherheitsüberwachung.Leichte bis mittelschwer eingeschränkte Nierenfunk-tion: Keine speziellen Dosisanpassungen.

Patienten mit eingeschränkterLeberfunktion

Eingeschränkte Leberfunktion auf Grund von Metas -tasen:Leicht eingeschränkte Leberfunktion (Child-Pugh A):Empfohlene Dosis 0,97 mg/m2 i.v. an Tagen 1 + 8 eines21-Tage-Zyklus jeweils für 2–5 Min.Mittelschwer eingeschränkte Leberfunktion (Child-Pugh B):Empfohlene Dosis 0,62 mg/m2 i.v. an Tagen 1 + 8 eines21-Tage-Zyklus jeweils für 2–5 Min.Schwer eingeschränkte Leberfunktion (Child-Pugh C):Keine Untersuchungen, aber es ist davon auszugehen,dass eine stärkere Dosisreduktion notwendig ist.Eingeschränkte Leberfunktion auf Grund von Zirrhose:Keine Untersuchungen zu dieser Patientengruppe vorliegend. Oben genannte Dosen können bei leichterbis mittelschwerer Einschränkung der Leberfunktionangewendet werden, aber engmaschige Überwachungratsam, da möglicherweise Dosisanpassungen notwen-dig sind.

Anwendung bei Schwangeren Während der Behandlung sowie für bis zu 3 Monatedanach sichere Empfängnisverhütung anwenden.

Anwendung bei Stillenden Keine Anwendung während der Stillzeit.

gression eingetreten ist. Die Vorthera -pien sollen ein Anthrazyklin und einTaxan enthalten haben, es sei denn, dieseBehandlungen waren ungeeignet fürden Patienten.

Pharmakologie und klinischeStudienEribulin ist ein nicht Taxan-basierter Inhi-bitor der Mikrotubulus-Dynamik undgehört zur antineoplastischen Wirkstoff-klasse der Halichondrine. Es hemmt dieWachstumsphase der Mikrotubuli ohnedie Verkürzungsphase zu beeinträchtigenund kapselt Tubulin in nicht produktiveAggregate ab (Sequestrierung). Eribulinwirkt über einen tubulin-basierten anti-mitotischen Mechanismus, der zu einerBlockade des G2/M-Zell-Zyklus, einer Zer-störung der mitotischen Spindeln undnach Mitoseblockade zum apoptotischenZelltod führt.

762 Frauen mit lokal rezidivierendemoder metastasiertem mehrfach vorthera-piertem (mindestens 2, höchstens 5 Che-motherapien) Brustkrebs wurden in derzulassungsrelevanten randomisiertenzweiarmigen offenen Phase-3-Studie EM-BRACE per Zufallsverfahren in einem 2:1-Verhältnis entweder Eribulin (n = 508)oder nach Wahl des Arztes TPC (n = 254)zugeordnet. Die Krebserkrankung mussteinnerhalb von 6 Monaten nach letzterChemotherapie eine Progression gezeigthaben. Der TPC-Arm bestand zu 97 % auseiner Chemotherapie und zu 3 % aus Hor-montherapien. Primärer Endpunkt derStudie war OS. Die Ein-Jahres-Überle-bensrate lag unter Therapie mit Eribulinbei 53,9 % vs. 43,7 % unter TPC. Das me-diane OS in der Eribulin-Gruppe (Median399 Tage/13,1 Monate) besserte sich um75 Tage/2,5 Monate (Hazard Ratio [HR]0,809; 95 % Konfidenzintervall [CI]0,660–0,991; p = 0,041) verglichen mit derTPC-Gruppe (Median 324 Tage/10,6 Mona-te). Es zeigte sich eine Verbesserung desmedianen OS in der Eribulin-Gruppe (Me-dian 403 Tage/13,2 Monate) um 82Tage/2,7 Monate (HR 0,805; 95 % CI 0,677–0,958; p = 0,014) im Vergleich zur TPC-Gruppe (Median 321 Tage/10,5 Monate).Das mediane progressionsfreie Überleben(PFS) war in der Eribulin-Gruppe nichtsignifikant besser als im TPC-Arm 3,7 Mo-

nate (95 % CI 3,3–3,9) vs. 2,2 (95 % CI 2,1–3,4); HR 0,87 (95 % CI 0,71–1,05; p =0,137). Unerwünschte Wirkungen desSchweregrades 4 (nach CTCAE, CommonTerminology Criteria for Adverse Events)wie Neutropenien traten bei 24 % der Pati-enten in der Eribulin-Gruppe und bei 7 %in der Kontroll-Gruppe auf.

Unerwünschte Arzneimittelwir-kungenAlle Schweregrade: Sehr häufig (≥ 1/10):Neutropenie (54,5 %) Leukopenie (22,1 %) Anämie (20,3 %), periphereNeuro pathie (32,0 %) Kopfschmerzen,Appetitminderung, Übelkeit (35,1 %)Verstopfung, Durchfall, Erbrechen,Alopezie, Arthralgie, Myalgie, Müdig-keit/Asthenie (52,8 %), Pyrexie.

Häufig (≥ 1/100, < 1/10): Harnwegsinfek-tionen, orale Candidiasis, Infektion deroberen Atemwege, febrile Neutro- (4,7 %), Thrombozyto- und Lympho -penie, Hypokaliämie, -magnesiämie, -phosphatämie, Dehydratation, Hyper-glykämie, Insomnie, Depression, Dysgeusie, Schwindel, Hypoaesthesie,Lethargie, Neurotoxizität, verstärkterTränenfluss, Konjunktivitis, Vertigo,Tachykardie, Hitzewallungen, Dyspnoe,Husten, oropharyngeale Schmerzen,Epistaxis, Rhinorrhoe, Bauchschmer-zen, Stomatitis, Mundtrockenheit, Dyspepsie, gastroösophageale Reflux-krankheit, Mundschleimhautgeschwü-re, aufgetriebenes Abdomen, ALT und AST erhöht, Hautausschlag, Pruritus, Nagelerkrankungen, nächtli-che Schweißausbrüche, palmar-plantareErythrodys ästhesie, trockene Haut,

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16 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

Dosierung und Kosten

Halaven® (Eribulin)

Darreichungsform Dosis1, 2 Kosten für 6 Zyklen [€]3, 4, 5

Injektionslösung Tag 1 + 8 jedes21-Tage-Zyklus:1,23 mg/m2 KOF6

teilmengen -genau:

15.168,77

nach Packungsgröße:

18.087,42

Stand Lauertaxe: 15.10.20111 Dosierung gemäß Produktinformation (PI); 2 Gründe für Dosisverzögerung und Empfehlun-gen für Dosisreduktion sind der PI zu entnehmen; 3 Kostenberechnung nach Apothekenabga-bepreis anhand des kostengünstigsten Präparates einschließlich Import (hier nur ein Präparat);4 Kostenberechnung für durchschnittliche Körperoberfläche von 1,8 m2; 5 angelehnt an EMBRACE-Studie mit Median von 6 Behandlungszyklen; 6 Verabreichungsdauer: 2–5 Min. i.v.

Erythem, Hyperhidrose, Schmerzen inden Extremitäten, Muskelspasmen, -schwäche, muskuloskelettale Schmer-zen, Schleimhautentzündung (9,8 %),peripheres Ödem, Schüttelfrost, grip-peähnlicher Zustand, Brustschmerzen,Gewichtsabnahme.

Schweregrad 3 und 4 CTCAE: ≥ 1 %:Neutropenie (48,3 %), Leukopenie (14 %),febrile Neutropenie (4,6 %), Anämie (1,4 %), periphere Neuropathie (6,9 %),Übelkeit (1,1 %), ALT erhöht (1,1 %), Müdigkeit/Asthenie (8,4 %), Schleim -haut entzündung (1,3 %).

Klinische Prüfungen: gelegentlich (≥ 1/1000, < 1/100): Pneumonie, neutro-penische Sepsis, oraler Herpes, Herpes zoster, Tinnitus, tiefe Beinvenenthrom -bose, Lungenembolie, interstitielle Lun-generkrankung, Hyperbilirubinämie, An-gioödem, Dys-, Hämat- und Proteinurie,Nierenversagen.

Interaktionen, Kontraindikatio-nen, Warnhinweise

Interaktionen: Die gleichzeitige Anwen-dung von Substanzen, die hepatischeTransportproteine (TP) hemmen, wirdnicht empfohlen. Zu den Inhibitoren dieser TP zählen u. a. Cyclosporine, Rito-navir, Saquinavir, Lopinavir, Efavirenz,Emtricitabin, Verapamil, Clarithromycin,Quinin, Quinidin, Disopyramid. Einegleichzeitige Behandlung mit enzymin-duzierenden Substanzen wie Rifampicin,Carbamazepin, Phenytoin und Johannis-kraut wird nicht empfohlen, da diese Arz-neimittel wahrscheinlich zu einer deutli-chen Absenkung der Plasmaspiegel vonEribulin führen. Mit CYP3A4-Hemmernsind keine Wechselwirkungen zu erwar-ten, sofern sie keine potenten P-Glykopro-tein-Hemmer sind. Die gleichzeitige An-wendung von durch CYP3A4 metaboli-sierten Arzneimitteln sollte mit Vorsichterfolgen, es wird empfohlen, Patienten

engmaschig auf Nebenwirkungen zuüberwachen.

Kontraindikationen: Überempfindlich-keit gegen den Wirkstoff oder einen dersonstigen Bestandteile. Stillzeit.

Warnhinweise: Vor jeder Gabe von Eribu-lin sollte ein Differential-Blutbild anfertigtwerden. Die Behandlung sollte nur bei Pa-tienten mit ANC-Werten ≥ 1,5 x 109/l undThrombozyten > 100 x 109/l eingeleitetwerden. Patienten mit febriler Neutrope-nie, schwerer Neutropenie oder Thrombo-zytopenie sollten entsprechend den Emp-fehlungen in Abschnitt 4.2 der Produktin-formation behandelt werden. Patientensind engmaschig auf Anzeichen für peri-phere motorische oder sensorische Neu-ropathie zu überwachen. Die Entwicklungeiner schweren peripheren Neurotoxizitäterfordert das Hinausschieben der Gabeoder Reduktion der Dosis. Ein EKG-Moni-toring wird empfohlen bei Therapie vonPatienten mit Herzinsuffizienz, Brady-arrythmie, Behandlung mit Arzneimit-teln, die das QT-Intervall verlängern, in-klusive Antiarrhythmika Klasse Ia und IIIsowie Elektrolytstörungen.

Weitere Informationen (u. a. zu uner-wünschten Arzneimittelwirkungen, Risi-ken) in der Fachinformation.

Aktuelle Informationen über neu zugelas-sene Arzneimittel in der EuropäischenUnion; erstellt auf der Basis des Europäi-schen Öffentlichen Beurteilungsberichts(EPAR) Halaven® vom 11.04.2011.

Stand: 19.10.2011

Paracetamol in der Schwangerschaft – Entdeckung eines neuenTeratogens?

Seit Jahrzehnten wird Paracetamol alsSchmerzmittel erster Wahl in Schwan-gerschaft und Stillzeit eingesetzt. Ein er-höhtes Risiko für kongenitale Anomali-en wurde bislang nach mütterlicher An-

wendung von Paracetamol in derSchwangerschaft nicht angenommen.Neuere retrospektive Studien (sieheunten) vermuten einen Zusammenhangzwischen der Einnahme von Paraceta-

mol und kindlichem Asthma bzw. Ho-denhochstand (Kryptorchismus). Inwie-weit mit diesen Studien eine Kausalitätnachgewiesen werden kann, ist kritischzu hinterfragen.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

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17Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

Paracetamol entfaltet seine Wirkungwohl hauptsächlich durch eine zentrale,weniger durch eine periphere Prosta -glandinsynthesehemmung. In Tierver-suchen mit Mäusen zeigten sich keineteratogenen Effekte. Lediglich hohe Pa-racetamol-Dosen führen bei Ratten undMäusen zu Einschränkungen der Sper-miogenese und Hodenatrophie. Eineprospektive Studie zum Einsatz vonAnalgetika in der Schwangerschaft fandeine erhöhte Abortrate unter NSAID,nicht aber unter Paracetamol. Zahlrei-che Fall-Kontroll-Studien ergaben keineHinweise auf ein erhöhtes Fehlbildungs-risiko nach Einnahme von Paracetamolin der Schwangerschaft. Nach Anwen-dung von Paracetamol im ersten Trime-non beobachtete man bei den Nachkom-men von 697 Schwangeren keine Zunah-me von Fehlbildungen. Unter 538 Kin-dern mit Neuralrohrdefekten ergab sichkein Zusammenhang mit einer Parace-tamol-Einnahme im ersten Trimenon.Eine Fall-Kontroll-Studie im Rahmender National Birth Defects PreventionStudy in den USA zeigte auf der Basis von11.610 Fällen keinen Zusammenhangzwischen der Anwendung von Paraceta-mol in der Schwangerschaft und konge-nitalen Anomalien. Bei Applikation vonParacetamol wegen Fiebers bzw. Infek-tionen in der Frühschwangerschaft sankvielmehr das Risiko für Neuralrohrde-fekte, Anotie und Mikrotie (Ohrmissbil-dungen), Lippenspalten und Gastroschi-sis. Selbst nach Überdosen von Paraceta-mol registrierte man in 300 Schwanger-schaften keinen Anstieg der Fehlbil-dungsrate.

Eine Evaluation der Danish NationalBirth Cohort (1) berichtet von einem Zu-sammenhang zwischen der Gabe von Pa-racetamol im ersten bzw. zweiten Trime-non und der Diagnose Kryptorchismusbei den Nachkommen, allerdings miteinem statistisch grenzwertigen Resul-tat (adjusted hazard ratio 1,33, 95 %-Konfidenzintervall 1,00–1,77). Insbe-sondere in der kritischen Phase zwi-schen SSW 9 und SSW 14 beobachteteman kein erhöhtes Risiko. In diesemZeitraum wäre die größte Empfindlich-keit für Einflüsse auf die embryonaleAndrogenproduktion zu erwarten. EinZusammenhang mit der Einnahme von

Acetylsalicylsäure (ASS) oder Ibuprofenließ sich in keiner Phase der Schwanger-schaft erkennen. Eine weitere retrospek-tive Analyse von dänischen und finni-schen Schwangerschaften (2) postulierteinen Zusammenhang zwischen der An-wendung von Paracetamol im zweiten,nicht aber im ersten Trimenon und derEntwicklung eines Kryptorchismus (ad-justed OR 2,78; 95 %-Konfidenzintervall1,13–6,84). Diese Studie stellte aucheinen Zusammenhang zur Einnahmevon ASS, nicht jedoch Ibuprofen her. Inder finnischen Teilpopulation der Studiefehlte jeglicher Anhaltspunkt für einenAnstieg des Kryptorchismus-Risikosnach mütterlicher Medikation mit Para-cetamol, ASS oder Ibuprofen. Die Anga-ben zur Arzneimittelexposition in derSchwangerschaft basieren auf einem In-terview der Mütter im letzten Trimenon,nicht auf prospektiv erhobenen Daten.Eine signifikante Zunahme von Kryp-torchismus wurde in dieser Studie nachEinnahme von mehr als einem mildenAnalgetikum (ASS, Ibuprofen, Paraceta-mol) in der dänischen Teilpopulation(adjusted OR 7,55; 95 %-Konfidenzinter-vall 1,94 – 29,3), nach Anwendung vonASS im ersten Trimenon (adjusted OR5,60; 95 %-Konfidenzintervall 1,83 –17,1) sowie im zweiten Trimenon (adju-sted OR 3,76; 95 %-Konfidenzintervall1,15 – 12,3), nach Einnahme von Ibu -profen im zweiten Trimenon (adjustedOR 4,69; 95 %-Konfidenzintervall 1,1–19)und nach Applikation von analgetischenKombinationspräparaten im zweitenTrimenon (adjusted OR 16,1; 95 %-Kon-fidenzintervall 3,29–78,6) beobachtet.Das höchste Risiko ergab sich für dieTherapie mit diesen Analgetika übermehr als zwei Wochen im ersten bzw.zweiten Trimenon (adjusted OR 21,7; 95%-Konfidenzintervall 1,83–258). Die relativ geringen Fallzahlen dieser Studieführen zu sehr weiten Konfidenzinter-vallen: 27 von 42 Müttern mit betroffe-nen Söhnen (64,3 %) gaben die Einnah-me von milden Analgetika an, währenddies nur bei 249 von 449 Müttern gesun-der Jungen (55,5 %) der Fall war (adju-sted OR 1,43; 95 %-Konfidenzintervall0,73–2,79). Eine statistische Signifi-kanz im Gesamtkollektiv fand sich fürdie Nicht-Opioid-Analgetika insgesamtnicht. Zur Untermauerung ihrer Hypo-

these eines antiandrogenen Effektes vonParacetamol auf die fetale Entwicklungpräsentierten die Autoren ein Tierexperi-ment an Ratten: Unter hohen Paraceta-mol-Dosen von 250 mg/kg/Tag verrin-gerte sich dabei die anogenitale Distanzbei den männlichen Nachkommen um 9 %.

Widersprüchliche Aussagen existierenauch zur Auslösung von kindlichemAsthma durch intrauterine Expositionmit Paracetamol. Während Studien aus,Singapur, Dänemark, Spanien und denUSA einen Zusammenhang nahelegen,geht eine weitere amerikanische Studievon einem protektiven Effekt aus. Die Schädigung des respiratorischenEpithels durch Paracetamol soll aufeinem oxidativen Effekt beruhen. Da dasrespiratorische Epithel mit zunehmen-der Schwangerschaftsdauer durch ent-sprechende Differenzierung empfindli-cher wird, sollte eine Schädigung bevor-zugt im letzten Trimenon auftreten. Diedänische Studie beobachtet hingegeneinen Effekt bevorzugt im ersten Trime-non.

Zusammenfassend stellen wir fest:Eine Medikamentenanwendung in derSchwangerschaft sollte grundsätzlichnur unter strenger Indikationsstellungerfolgen. Dies gilt auch für die Anwen-dung sogenannter schwacher Analgeti-ka. Angesichts der sehr inhomogenenDatenlage erscheint es jedoch nicht an-gebracht, die Einnahme von Paraceta-mol als Auslöser für eine allgemeine Ver-schlechterung der Spermienqualität inden letzten Jahrzehnten verantwortlichzu machen. Unser Beratungs- und Phar-makovigilanzzentrum beobachtet seitüber 30 Jahren die Anwendung von Me-dikamenten in Schwangerschaft undStillzeit. Schwangere reagieren beson-ders sensibel auf beunruhigende Mel-dungen. Ein Therapieverzicht oder einWechsel auf weniger erprobte Alternati-ven könnte nach der aktuellen Datenlagezu noch schwerwiegenderen Komplika-tionen führen. Daher sollten diese vor-läufigen Studienergebnisse Anlass zuumfangreicheren Untersuchungengeben, nicht aber durch massive War-nungen Panik bei den betroffenenSchwangeren auslösen. Durch prospek-

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18 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

tive kontrollierte Follow-up-Studien –wie wir sie im Rahmen des EuropeanNetwork of Teratology Information Ser-vices durchführen – hoffen wir, mit über-zeugenden Fallzahlen zur Klärung deraufgeworfenen Fragestellungen beitra-gen zu können. Dazu bitten wir um eineintensive Interaktion mit allen Beteilig-ten im Gesundheitswesen.

Literatur1. Jensen MS, Rebordosa C, ThulstrupAM et al.: Maternal use of acetamino-phen, ibuprofen, and acetylsalicylicacid during pregnancy and risk ofcryptorchidism. Epidemiology 2010;21: 779–785.

2.Kristensen DM, Hass U, Lesne L et al.:

Intrauterine exposure to mild analge-sics is a risk factor for development ofmale reproductive disorders in humanand rat. Hum Reprod 2011; 26:235–244.

Ein gering ausführlicheres Manuskript,jedoch mit detaillierten Literatur- Angaben können Sie erhalten unter [email protected].

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Dr. med. Wolfgang E. Paulus, Ravens-burg/[email protected]

FAZIT

Ein Restless-legs-Syndrom (RLS) kanndurch Medikamente ausgelöst wer-den. Besonders häufig werden in die-sem Zusammenhang die Antidepressi-va Mirtazapin (Remergil®, Generika)und Mianserin (Mianeurin®, Generika)sowie Venlafaxin, Rofecoxib, Risperi-don und Clozapin genannt. Aber auchfür andere psychotrope Substanzen istdiese UAW beschrieben. Besonderstückisch ist der Umstand, dass Medika-mente, die zur Behandlung des RLS zu-gelassen sind (L-Dopa und die Dopamin -agonisten) dieses nach anfänglicherBesserung verstärken können. Injedem Fall von RLS ist eine genaue Me-dikamenten-Anamnese zu erheben.

Das durch Arzneimittel bedingte Restless-legs-Syndrom

Das Restless-legs-Syndrom (RLS) ist ge-kennzeichnet durch unangenehme sen-sorische und motorische Symptome,kurz eine „Unruhe“ in den Beinen. DieSymptome treten insbesondere in derRuhe auf und sind intensiver am Abendund in der Nacht. Sie bessern sich, wennder Patient aufsteht und umhergeht,kommen aber sofort wieder, wenn er sicherneut hinlegt. Die Ursache des Syn-droms ist unbekannt. Es scheint so zusein, dass Patienten mit einem Eisen-Mangel (mit oder ohne Anämie),schwangere Frauen (besonders im er-sten Trimenon) und Patienten mit Niere-ninsuffizienz sowie bei Diuretika-Thera-pie besonders oft betroffen sind. In 50 %der Fälle besteht eine positive Familien-Anamnese.

Bisher liegen Berichte über ca. 60 Pati-enten vor, bei denen ein Restless-legs-Syndrom durch Medikamente ausgelöstwurden. In Prescrire (1) erschien eineZusammenfassung hierzu. 40 der 60Fälle arzneimittelbedingten RLS betra-fen Antidepressiva. Besonders Mirtaza-pin (Remergil®, Generika) und Mianse-rin (Mianeurin®, Generika) werden ge-

nannt (20 bzw. 10 Fälle). Weiterhin wer-den Neuroleptika wie Clozapin (Elcrit®,Leponex®, Generika) und Olanzapin (z. B. Zyprexa®) erwähnt. Auch Antiepi-leptika und andere psychotrope Sub-stanzen wie Donepezil (Arizept®) und Lithium werden aufgezählt.

Im deutschen Spontanerfassungssystem(gemeinsame Datenbank von BfArM undAkdÄ, Stand Mitte Februar 2011) sind161 Berichte verzeichnet, die 326 Sub-stanzen betreffen. Hier wird mancheSubstanz nur einmal genannt. Mit 67Nennungen liegt Mirtazapin weit an derSpitze, gefolgt von Venlafaxin (24), Rofe-coxib (16), Risperidon (15) und Clozapin(11).

Dopaminerge Substanzen wie Levodopasind in der Therapie des RLS die Mittelder Wahl (2). In Deutschland sind derzeitein L-Dopa-Präparat (Restex®, Levodo-pa-Generika) und die DopaminagonistenRopinirol (Requip®, Generika) und Pra-mipexol (Sifrol®) für diese Indikation zu-gelassen. Das zugelassene L-Dopa-Präparat ist übrigens um einiges teurerals die Generika, die die gleiche Substanz

enthalten. Eine individuelle Dosistitrati-on wird empfohlen. Leider und in tücki-scher Weise können diese Substanzennach anfänglicher Verbesserung diesesSyndrom noch verschlechtern.

FAZIT

Die Datenlage für Paracetamol ist inho-mogen. Dennoch erscheint es nicht an-gebracht, von einer Teratogenität vonParacetamol auszugehen. Meldungendieser Art könnten unter den heutesehr sensibel reagierenden werden-den Müttern zu Panik-Reaktionenführen. Ein Therapieverzicht oder einWechsel auf weniger erprobte Sub-stanzen könnte zu schwerwiegendenKomplikationen führen. Daher solltendie aufgeführten Untersuchungen le-diglich Anlass sein, weitere prospekti-ve Studien durchzuführen, nicht aber,Schwangere und Ärzte zu verunsi-chern.

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19Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

Auch fünf Fälle von RLS, die sich auf Tra-madol (wird im „Off-label use“ ebenfallsgelegentlich zur Therapie eingesetzt)zurückführen ließen, wurden publiziert.

In den meisten Fällen kommt es beieiner Dosisreduktion oder Absetzen desauslösenden Medikamentes zu einer ra-schen Besserung. Wichtig ist das „Dran-denken“.

Literatur

1. [Drug induced restless legs syndrom].La revue Prescrire 2010; 30: 270–272.

2. Pharmakotherapie des Restless-Legs-Syndroms. In: Arzneimittelkommissi-on der deutschen Ärzteschaft (Hrsg.):Arzneiverordnungen. 22. Aufl., Neu-Isenburg: Medizinische Medien Infor-mations GmbH, 2009; 389–390.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Neuere Antiepileptika in der Schwangerschaft: Erhöhtes Risiko von Missbildungen?

Nach verschiedenen neueren Studiennehmen etwa 0,2–0,5 % aller Schwange-ren in Dänemark und den USA Antiepi-leptika ein. Natürlich ist die Hauptindi-kation die Epilepsie, aber neuerdingskommen auch als Indikationen die bipo-lare Erkrankung, die Migräne und neu-ropathische Schmerzen hinzu – unterUmständen als Off-Label-Use. Die Ein-nahme von älteren Antiepileptika wiePhenobarbital, Phenytoin, Valproat undCarbamazepin führt zu einer etwa drei-fachen Steigerung des Missbildungsrisi-kos (1), eine Zahl, die sich auch aus einerneueren Metaanalyse ergibt (2).

Um über das Risiko der „neueren“ Antie-pileptika wie Lamotrigin (Lamictal®, Ge-nerika), Oxcarbazepin (Aydan extent®,Generika), Topiramat (Topamax®, Gene-rika), Gabapentin (Gabagamma®, Gene-rika) und Levetiracetam (Keppra®) Klar-heit zu bekommen, unternahmen däni-sche Autoren eine Studie (3), bei derihnen das wohl nahezu einzigartige Er-fassungssystem Dänemarks zu Gutekam. Sie fanden so 1.532 Kinder, diewährend des ersten Trimesters den obengenannten Antiepileptika ausgesetztwaren und verglichen die Missbildungs-häufigkeit mit der bei 836.263 Kindern,bei denen dieses Risiko nicht bestand.Als Kriterium für eine Missbildung galtdie Klassifikation nach EUROCAT (Euro-pean surveillance of congenital anoma-

lies). Die Information über die Verord-nung der antiepileptischen Substanzenbekamen die Autoren aus einem Regi-ster, das seit 1992 alle Verordnungen er-fasst, die in dänischen Apotheken einge-löst wurden.

Summarisch ergab sich, dass unter den837.795 lebend geborenen Kindern (mitund ohne Risiko) nach der oben genann-ten Definition 2,4 % eine Missbildungaufwiesen. Bei den Kindern mit Risiko(1.532) waren es 49 d.h. 3.2 %. Diese Dif-ferenz ist statistisch nicht signifikant.Gliedert man diese 49 Kinder mit Miss -bildungen auf und bezieht sie auf die einzelnen Substanzen, so ergibt sich fol-gendes Bild: Unter den 58 „Levetirace-tam“-Kindern war kein missgebildetes,unter den 104 „Topiramat“-Kindern 5 (= 4,2%). Diese Zahlen sind allerdings zuklein, um etwa die Behauptung zuzulas-sen, dass die eine Substanz gefährlichersei als die andere. Interessant ist noch,dass sich bei Lamotrigin in der niedrige-ren Dosis (250 mg) mehr Fälle fanden alsbei Lamotrigin in der höheren Dosis (> 250 mg), auch ein Ergebnis, das derkleinen Zahl geschuldet sein dürfte.

Literatur1. Tracik F, Hajak G: Wie teratogen sindAntikonvulsiva? Arzneiverordnung inder Praxis (AVP) 2001; 28 (4): 17–18.

2.Meador K, Reynolds MW, Crean S etal.: Pregnancy outcomes in womenwith epilepsy: a systematic review andmeta-analysis of published pregnancyregistries and cohorts. Epilepsy Res2008; 81: 1–13.

3.Molgaard-Nielsen D, Hviid A: Newer-generation antiepileptic drugs and therisk of major birth defects. JAMA 2011;305: 1996–2002.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

FAZIT

Nach einer großen dänischen Studielässt sich nach Exposition der folgen-den Substanzen im ersten Trimesterder Schwangerschaft kein erhöhtesMißbildungsrisiko belegen: Lamotrigin,Oxcarbazepin, Topiramat, Gabapentinund Levetiracetam. Bei älteren Anti-konvulsiva wie Phenobarbital,Phenytoin, Carbamazepin und insbe-sondere Valproat muss jedoch nachheutigem Kenntnisstand mit einemdreifach erhöhten Missbildungsrisikogerechnet werden.

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20 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

Zitate

Impfung schützt ältere Menschen vor Zoster

In den USA erkrankt jährlich etwa eineMillion Menschen an Zoster. Nach einererfolgreichen klinischen Studie an einerausgewählten Population (1) wurde derImpfstoff Zostavax® – eine attenuierteLebendvakzine – 2006 von der FDA zuge-lassen. Über den Zeitraum von zwei Jah-ren (2007–2009) wurde anschließenddie Schutzwirkung des Impfstoffs in derDurchschnittsbevölkerung in einer Vergleichs-Kohorten-Studie an 75.761geimpften und 227.283 ungeimpftenPersonen ab 60 Jahre überprüft. Die Er-gebnisse liegen jetzt vor (2).

Die Tabelle zeigt zusammengefasst dieZoster-Inzidenz bei Geimpften und beiUngeimpften im Vergleich. Es ergibt sicheine ARR (absolute Risikoreduktion) von0.94, was einer NNT von 106 entspricht.Dies ist für eine Impfung ein akzeptablerWert. Die gefürchtete postherpetischeNeuralgie ist ein eher seltenes Ereignis.In (1) wird sie für Ungeimpfte über 60-Jährige mit 1,38 Fällen / 1000 Personen-jahre. Zur Verträglichkeit der Impfung:

in (1) wird eine Rötung und Schwellungan der Injektionsstelle als häufig angege-ben, systemische UAW aber verneint. Inder Arbeit (2) wird auf dieses Problemnicht eingegangen.

Die europäische Zulassungsbehörde hatdas Präparat Zostavax® ab dem 50. Le-bensjahr (!) zugelassen. In Deutschlandist es bisher nur in Sachsen erhältlich.Die Kosten einer Impfdosis liegen bei

etwa 150 Euro. Die STIKO hat sich zur Impfung noch nicht geäußert. Die Sächsische Impfkommission (SIKO)empfiehlt ab 01.01.2010 die einmaligeZoster-Impfung mit Zostavax® für alle Älteren ab dem 50. Lebensjahr.

Literatur1.Oxman MN, Levin MJ, Johnson GR etal.: A vaccine to prevent herpes zosterand postherpetic neuralgia in olderadults. N Engl J Med 2005; 352:2271–2284.

2. Tseng HF, Smith N, Harpaz R et al.:Herpes zoster vaccine in older adultsand the risk of subsequent herpes zo-ster disease. JAMA 2011; 305: 160–166.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. Dr. med. Burkhard Schneeweiß,[email protected]

FAZIT

Eine umfangreiche klinische Studie inden USA bestätigte das Ergebnis derZulassungsstudie des Impfstoffs, dasseine einmalige Zosterimpfung die Hälf-te der geimpften Personen ab dem 60.Lebensjahr vor einer Gürtelrose, eineru. U. sehr folgenreichen Erkrankung(postzosterische Neuralgie), schützt.Die Reduktion des Zosterrisikos warbei den Geimpften unabhängig vonRasse und chronischem Kranksein.

Tabelle 1: Vergleichs-Kohorten-Studie, Ergebnisse

Geimpfte Ungeimpfte Odds Ratio Signifi-kanz

Probanden-zahl

ZosterFallzahl

Zahl derPersonen-jahre

Inzidenz/1000Personen-jahre(95 % CI)

Probanden-zahl

ZosterFallzahl

Zahl derPersonen-jahre

Inzidenz/1000Personen-jahre(95 % CI)

Ratio

(95% CI)

p

75.761 828= 1,09 %

130.415 6,4(5,9–6,8)

227.283 46062,03 %

355.659 13,0 (12,6–13,3)

0,49 (0,46-0,53)

< 0,001

Kann man eine HIV-Infektion durch eine Präexpositionsprophy -laxe (PrEP) mit Tenofovir+Emtricitabin (Truvada®) verhindern?Die effektivste Maßnahme zur Verhinde-rung der Übertragung des HI-Virus istder Gebrauch von Kondomen. Aus ver-

schiedenen Gründen werden diese je-doch bei sexuellem Kontakt oftmalsnicht oder falsch angewendet. Es gibt

daher Überlegungen zur HIV-Präventiondurch die Einnahme antiretroviralerSubstanzen vor dem sexuellen Kontakt

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21Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

mit einer (mutmaßlich) HIV-positivenPerson, bezeichnet als Präexpositions-prophylaxe (PrEP).

Über viele Jahre erschien der PrEP- An-satz nicht umsetzbar, da von der einge-setzten Substanz eine rasche Wirksam-keit gegen HIV, ein einfaches Einnahme-schema, niedrige Nebenwirkungsratenund eine hohe Resistenzbarriere zu for-dern sind. Mit Tenofovir+Emtricitabinwurde erstmals eine Substanzkombinati-on gefunden, welche die meisten der obengeforderten Eigenschaften in sich ver-eint. Mit Spannung wurden daher die nunpublizierten Daten zur Effektivität einermedikamentösen PrEP (1) erwartet.

Die iPREX-Studie war als eine randomi-sierte, kontrollierte Doppelblindstudiekonzipiert. Sie wurde in 6 Ländern an 11Zentren bei homosexuellen Männerndurchgeführt (1). Es wurde der Effekteiner einmal täglich einzunehmenden Ta-blette (Tenofovir+Emtricitabin = Truva-da®) zur Prävention der HIV-Infektion un-tersucht. Knapp 2.500 Männer wurdeneingeschlossen. Die Hälfte erhielt eine Ta-blette Truvada®, die andere ein Placebo.Alle Probanden wurden engmaschigüberwacht, und die Tabletteneinnahmewurde kontrolliert. In monatlichen Ab-ständen erhielten sie ein Beratungsge-spräch und wurden auf HIV und weitereGeschlechtskrankheiten getestet.

Die Infektionsrate konnte durch diePrEP mit Truvada® deutlich gesenkt wer-den, ein Ergebnis, das erstmals die Wirk-samkeit einer oralen PrEP-Strategie be-legt. Nach einer medianen Beobach-tungszeit von 1,2 Jahren hatten sich inder Truvada®-Gruppe 36 Männer mit HIVinfiziert, während in der Placebogruppeim gleichen Zeitraum 64 Männer HIV-positiv getestet wurden. Der Direktver-gleich entspricht einer Inzidenz von 2,4 % versus 4,2 % pro Jahr. Dies ent-spricht einer ARR (absoluten Risikore-duktion) von 1,8 und damit einer NNT(number needed to treat) von 56. In dermit Truvada® behandelten Gruppe tratenHIV-Neuinfektionen über die ganze Be-obachtungsperiode hinweg auf. Jedochzeigte sich tendenziell eine Zunahme derHIV-Neuinfektionen zum Ende der Stu-dienperiode. Dies legt den Gedanken

nahe, dass die Teilnehmer nicht mehrzuverlässig ihre Tabletten einnahmen.Auf den ersten Blick ist die Senkung derHIV-Infektionsrate von 4,2 auf 2,4 %zwar ein wichtiges Indiz für diegrundsätzliche Wirksamkeit einer PrEP-Strategie, gleichzeitig ist die geringeSchutzwirkung aber enttäuschend. Esgibt einige Hinweise, dass die Therapie-treue (= Adhärenz) der Probanden un-zureichend war und so die Infektions-häufigkeit steigerte. In den ersten 4 Wo-chen war die planmäßige Einnahme be-sonders gering. In der Truvada®-Gruppelag die Adhärenz laut Probandenanga-ben initial nur bei 89 % (Placebo 92 %, p < 0,001), später bei 95 %. Spiegelmes-sungen wiesen darauf hin, dass zwischeneinem Drittel und der Hälfte der Patien-ten weniger als die vorgegebene Tages-dosis eingenommen hatten. In einerSub-Studie wurden Medikamentenspie-gel für Tenofovir intrazellulär gemessen.Die Substanz persistiert in den Zellenüber lange Zeiträume und ist somit einverlässliches Maß für die Einnahme desMedikaments. Nur bei 6 % (2 von 34)später HIV-infizierten Probanden fandensich messbare Spiegel, und diese warenzusätzlich sehr gering. Bei den nicht infi-zierten Kontrollpersonen wurden bei derHälfte der Patienten deutlich höhere Spie-gel gemessen (21 von 42). Aufgrund dieserErgebnisse ist ein Zusammenhang zwi-schen fehlender Einnahme und einerHIV-Infektion sehr wahrscheinlich.Gleichzeitig belegt der nachweisbarepräventive Effekt trotz schlechter Adhärenz seitens der Probanden das deut-liche Optimierungspotenzial, welchesnoch auszuschöpfen ist (2).

Von erheblicher Bedeutung sind auchökonomische Aspekte einer Prophylaxe.In einem veröffentlichten Kommentarzur Studie (3) werden diese näher be-leuchtet. Entsprechend einer angegebe-nen ARR 1,8 müssten 56 Personen einePrEP erhalten, um eine Infektion zu ver-hindern. Die monatlichen Kosten fürTruvada® belaufen sich in Deutschlandlaut Roter Liste auf 834 Euro, sodass dasVerhindern einer einzigen HIV-Infektionin einem Jahr etwa 560.000 Euro ko-sten würde. Diese Kosten übersteigendie jährlichen Kosten für eine HIV-The-rapie um das Zwanzigfache.

Der breite prophylaktische Einsatz vonTruvada® birgt außerdem die Gefahr desAuftretens von Nebenwirkungen (insbe-sondere Nephrotoxizität) und einer zu-nehmenden Resistenzentwicklung. Ins-besondere bei spät erkannter HIV-Infek-tion könnte eine fortgeführte Monothe-rapie (statt einer dann erforderlichenHIV-Kombinationstherapie) eine früh-zeitige Resistenzbildung begünstigen.

Der Ansatz der PrEP ist zum jetzigenZeitpunkt sicherlich nicht genügendausgereift, um eine Empfehlung für denbreiten Einsatz geben zu können. Auchneuere und besser wirksame, erschwing-liche Medikamente werden das Problemder Therapietreue nicht lösen. DieSchutzwirkung ist jedoch unseres Er-achtens keinesfalls ernüchternd, son-dern ermutigend, und PrEP wird das Ar-mentarium der HIV-Prävention in Zu-kunft sicherlich bereichern. Einige Her-ausforderungen der Zukunft sind Ko-steneffektivität, optimaler Applikations-modus, Anpassung an das sexuelle Ver-halten, zeitliche Optimierung zur Expo-sition und Steigerung der Adhärenz.

Neben der PrEP konnte auch für ver-schiedene andere Präventionsansätzeein Schutzeffekt gezeigt werden, insbe-sondere für den Kondomgebrauch(4)(Mindel-A 2008), die männliche Zir-kumzision (5) (Johnson-KE 2008) undfür Tenofovir-Vaginalgel (6) (AbdoolKarim Q 2010). Für sich alleine genom-men bietet keine der Methoden adäquateSicherheit vor einer HIV-Infektion, dadie Bereitschaft der Anwendung einereinzelnen Technik individuell variiert.So verschiedenartig die Sexualprakti-ken, so verschiedenartig sind auch dieAnsichten und Vorlieben für oder gegeneinzelne Präventionsmaßnahmen. Umeine möglichst große Gruppe von Risi-kopatienten zu erreichen, wird es daherkünftig darauf ankommen, wirksameAnsätze so zu kombinieren, dass Paketeaus verschiedenen Schutzmaßnahmengeschnürt und auf einzelne Risikogrup-pen zugeschnitten werden können.

Es ist noch ein weiter Weg bis zur idealenprophylaktischen Strategie. Am Endedieses Weges wird es höchstwahrschein-lich keinen Präventionsansatz geben,

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22 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitungfanden sich kürzlich unter der Über-schrift „Pharmabranche wirft Kranken-kassen Sabotage vor“ die Sätze:

„Seit Jahreswechsel können sich Patien-ten in der Apotheke teure Originalpräpa-rate statt der vorgeschriebenen (wir-kungsgleichen, aber preiswerteren) Ge-nerika geben lassen. Allerdings müssensie für diese Wahlfreiheit die anfallendenMehrkosten selbst zahlen.“ (1)

Die Begriffe „Originalpräparat“ und „Ge-nerikum“ sind in der Gesundheitspolitikubiquitär, im Arzneimittelgesetz (AMG)sind beide Termini aber nicht genau be-stimmt. Wie soll man die Begriffe defi-nieren und bewerten?

OriginalpräparatDas Originalpräparat entlehnt sein Presti-ge vom Patentschutz. Ein Pharmazeuti-scher Unternehmer bringt ein Arzneimit-tel auf den Markt, bei dem entweder der

Wirkstoff oder auch bestimmte Schritteder Herstellung durch Patent geschütztsind. Der Patentschutz umfasst inDeutschland und in der EU 20 Jahre.Wegen der sehr langen Entwicklungszei-ten in der Pharmaindustrie hat der Ratder Europäischen Gemeinschaft mit Be-schluss vom 18.6.1992 zusätzlich das so-genannte Schutzzertifikat geschaffen, dasden Patentschutz um höchstens fünf wei-tere Jahre verlängert. Läuft die Schutz-frist ab, bleibt das besondere Ansehen fürdas Originalpräparat meist weiter beste-hen, wobei ein höherer Preis im Vergleichzu den konkurrierenden Generika diesenNimbus weiter nährt. Die Festbetragsre-gelung hat allerdings bei Originalpräpa-raten, auch wenn sie eine therapeutischeSonderstellung beanspruchen, häufigeine Preisabsenkung auf das Niveau derübrigen Festbetragsgruppe zur Folge, wiedies im Jahre 2010 der erfolglose Rechts-streit von Pfizer in Sachen Sortis® gegenden GKV- Spitzenverband und den Ge-meinsamen Bundesausschuss vor demLandessozialgericht Berlin-Brandenburg

(L 9 KR 351/09) gezeigt hat (2).

Was aber ist eigentlich „original“ an einem„Originalpräparat“? Die Frage führt unszum arzneimittelrechtlichen Begriff des„Herstellers“, der gern mit dem Begriff desPharmazeutischen Unternehmers gleich-gesetzt wird. Muss ein PharmazeutischerUnternehmer auch der Hersteller sein?Nein, er muss nicht selbst die physischeHerstellung des Arzneimittels vorneh-men. Solange der Patentschutz besteht,mag es geschäftspolitische Gründe füreine Herstellung im eigenen Haus geben,arzneimittelrechtlich ist dies jedoch nichtzwingend. „Hersteller“ ist derjenige, derdie sogenannte „Endfreigabe“ eines Arz-neimittels durchführt. Das führt uns zueinem etwas genaueren Blick auf den Be-griff des „Herstellens“. Der Begriff zerfälltnach § 4 Arzneimittelgesetz (AMG) in diefolgenden Einzelteile: „Herstellen ist dasGewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten,das Be- oder Verarbeiten, das Umfülleneinschließlich Abfüllen, das Abpacken, dasKennzeichnen und die Freigabe“ (AMG §4,

Was ist ein „Originalpräparat“?

der als Einzelmaßnahme eine ausrei-chend hohe Schutzwirkung erzielt. Viel-

mehr wird es auf das Zusammenspiel derEinzelmaßnahmen ankommen, um so-wohl das individuelle Risiko als auch dieHIV-Epidemie im Ganzen nachhaltig be-einflussen zu können.

Literatur1.Grant RM, Lama JR, Anderson PL etal.: Preexposure chemoprophylaxis forHIV prevention in men who have sexwith men. N Engl J Med 2010; 363:2587–2599.

2.Myers GM, Mayer KH: Oral preexposu-re anti-HIV prophylaxis for high-riskU.S. populations: current considerati-ons in light of new findings. AIDS Pa-tient Care STDS 2011; 25: 63–71.

3. Lee DH, Vielemeyer O: Preexposurechemoprophylaxis for HIV prevention.N Engl J Med 2011; 364: 1372–1373.

4.Mindel A, Sawleshwarkar S: Condomsfor sexually transmissible infectionprevention: politics versus science.Sex Health 2008; 5: 1–8.

5. Johnson KE, Quinn TC: Update onmale circumcision: prevention suc-cess and challenges ahead. Curr InfectDis Rep 2008; 10: 243–251.

6. Abdool KQ, bdool Karim SS, Frohlich JAet al.: Effectiveness and safety of tenofo-vir gel, an antiretroviral microbicide, forthe prevention of HIV infection inwomen. Science 2010; 329: 1168–1174.

InteressenkonflikteDer Autor hat Honorare für Vorträge derFirmen ViiV, Tibotec, Boehringer Ingel-heim und Gilead erhalten.

PD Dr. med. Stefan Reuter, [email protected]

Was uns sonst noch auffiel

FAZIT

Die iPREX-Studie belegt, dass prinzipi-ell ein Medikament wirksam vor HIVschützen kann, wenn es der Verord-nung entsprechend eingenommenwird. Hier aber d. h. bei der Therapie-treue (Adhärenz) liegt das Problem. Einsolches Vorgehen für die Praxis zuempfehlen, wäre also deshalb undwegen der Kosten unverantwortlich.Künftige Studien werden daher klärenmüssen, ob durch eine intermittierendeEinnahme des Medikamentes, alsodann, wenn jemand Sex hat, eine bes-sere Adhärenz erzielt werden kann, umauf diese Weise die Wirksamkeit zu er-höhen

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23Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

Abs. 14). Dieses ist erlaubnispflichtig,wobei die Erlaubnis sowohl persönlicheVoraussetzungen (Sachkunde etc.) als auchsachliche Bedingungen (z. B. Räumlichkei-ten, geeignete Einrichtungen) erfordert.

Nicht erlaubnispflichtig ist jedoch dieSynthese des Wirkstoffs, es sei denn, die-ser wäre gentechnisch erzeugt odermenschlicher bzw. tierischer Herkunft.Jedoch müssen auch chemisch syntheti-sierte Wirkstoffe immer unter den Bedin-gungen der Guten Herstellungspraxis er-zeugt worden sein. Dieser Grundsatzwird in §13 der Arzneimittel- und Wirk-stoffherstellungsverordnung festgelegt.

Auftragsherstellung und AuftragsprüfungVergibt der Pharmazeutische Unterneh-mer die Herstellung an einen Auftrags-hersteller, so muss dieser wiederumselbst eine Herstellungserlaubnis nach§13 AMG besitzen. Über die Herstel-lungserlaubnisse ist innerhalb der EUein behördlicher Informationsaustauschetabliert worden.

Ebenfalls ausgelagert werden kann dieQualitätsprüfung. Wenn das beauftragtePrüfunternehmen selbst keine eigene Her-stellungserlaubnis nach §13 AMG besitzt,muss es auf jeden Fall in der Herstellungs-erlaubnis des Auftraggebers genannt wer-den. Das Prüfunternehmen kann seinen

Sitz durchaus in anderen Staaten der EU,des Europäischen Wirtschaftsraumes oderden Vertragsstaaten der PharmaceuticalInspection Co-operation (PIC) haben (3).

EndfreigabeDer Auftragshersteller wird nur dann er-kennbar, wenn er auch die Endfreigabeder von ihm hergestellten Arzneimitteldurchführt. Dann muss er in derPackungsbeilage, nicht jedoch in derFach information, genannt werden (§11AMG, Abs. 6, Buchstabe g). Es ist durch-aus möglich, dass eine Generika-Toch-tergesellschaft eines großen multinatio-nalen Pharmabetriebs auf denselbenProduktionsanlagen ein Arzneimittelherstellt, das anschließend sowohl alsOriginalpräparat als auch gleichzeitigals Generikum in den Verkehr kommt.

AMIS-DatenbankDas vom Deutschen Institut für Medizi-nische Dokumentation und Information(DIMDI) bereitgestellte Arzneimittelin-formationssystem (AMIS) bietet in sei-

nem öffentlichen Teil eine gebühren -pflichtige Auskunft zu den Zulassungs-daten der im Verkehr befindlichen Arz-neimittel an, darunter auch die Angabe,wer die Endfreigabe durchgeführt hat.

Literatur1.Mihm A: Pharmabranche wirft Kran-kenkassen Sabotage vor. FrankfurterAllgemeine Zeitung, Ausgabe 5 vom 7. Januar 2011; 132.

2. Sucker-Sket K: Landessozialgerichtbestätigt Sortis-Festbetrag. DtschApoth Ztg 2010; 10: 403.

3. „Auftragsprüfung“ zu §16 AMG. In:Kloesel A, Cyran W (Hrsg.): Arzneimit-telrecht-Kommentar. Stuttgart: Deut-scher Apotheker Verlag, 2010.

InteressenkonflikteEin Interessenkonflikt wird vom Autorverneint.

Prof. Dr. rer. nat. habil. Thomas [email protected]

FAZIT

Die Begriffe „Originalpräparat“ und „Gene-rikum“ beinhalten keine automatische Aus-sage zum eigentlichen Hersteller eines Arz-neimittels. „Hersteller“ im Sinne des Arznei-

mittelrechtes ist derjenige, der die Endfrei-gabe vor dem Inverkehrbringen durchführt.Das ist nicht zwingend derjenige, der dasArzneimittel auch tatsächlich produziert hat.

Georg-Klemperer-Medaille für Professor Walter Thimme

In eigener Sache

Arzneiverordnung in der Praxis (AVP)hatte seinerzeit (AVP, 34, Ausgabe 4, Ok-tober 2007, Seite117 ff.) über den zeitge-schichtlichen Hintergrund der von derBerliner Ärztekammer verliehenenGeorg-Klemperer-Medaille berichtet.(http://tinyurl.com/865k9gx)

Es erfüllt uns mit besonderer Freude,dass unser langjähriges ordentlichesMitglied der Arzneimittelkommissionder deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), der

Kardiologe Prof. Dr. Walter Thimme indiesem Jahr Träger dieser Auszeichnunggeworden ist. Prof. Thimme wurde 1936in Bielefeld geboren und hat nachlangjähriger akademischer Tätigkeit amKlinikum Steglitz der Freien UniversitätBerlin 1979 die Leitung der Inneren Ab-teilung am Humboldt-Krankenhaus inBerlin übernommen. Bis 2006 war er derVorsitzende des von ihm begründetenBerliner Herzinfarktregisters , das syste-matisch Daten über Herzinfarktpatien-

ten auswertet, um auf diese Weise derenTherapie zu optimieren und die Morta-lität des Myokardinfarkts zu reduzieren.

Für die Arzneimittelkommission derdeutschen Ärzteschaft und für AVP aberist Prof. Thimme vor allem einer der ver-antwortlichen Herausgeber unsererISDB – Schwesterzeitschrift „Der Arz-neimittelbrief“ (AMB). Zusammen mitden anderen drei deutschsprachigenISDB-Zeitschriften ist auch der AMB

Page 24: Arzneiv er or dnung in der Praxis - akdae.de · Therapie Alle Patienten mit CTEPH sollten le - benslänglich eine Antikoagulation er - halten. Leider kann dies einer Progressi-on

24 Arzneiverordnung in der Praxis ~ Band 39 · Ausgabe 1 · Januar 2012

einer unabhängigen Information derÄrzteschaft zur Arzneitherapie ver-pflichtet. Das besondere Interesse amThema Unabhängigkeit drückt sich auchdarin aus, dass Walter Thimme Mitgliedder AG „Interessenkonflikte“ der AKdÄist, die gemeinsam mit dem Vorstandderzeit ein neues Procedere für den Um-gang mit Interessenkonflikten innerhalbder Kommission erarbeitet. Mit großemEngagement arbeitet er auch in der Re-daktion der u. a. von AVP mit getragenen,gemeinsam herausgegebenen Laienzeit-schrift „Gute Pillen - Schlechte Pillen“.Wir haben deshalb allen Grund, ihm zuseiner Auszeichnung herzlich zu gratu-lieren und möchten bei dieser Gelegen-heit auch erwähnen, dass in diesemJahre sein langjähriger Mitstreiter beimAMB, Dr. Dietrich von Herrath die Ver-

dienstmedaille der Bundesrepublik er-halten hat, und dass dem Chefredakteurund Herausgeber des „Arzneitele-gramm“, Wolfgang Becker-Brüser fürseine 30-jährigen Bemühungen um eineebenso wissenschaftlich exakte wie un-abhängige Arzneimittelinformation fürÄrzte und Apotheker am 29. Septemberdas Verdienstkreuz der BundesrepublikDeutschland verliehen wurde. Wir freu-en uns mit den so geehrten Kollegen dar-über, dass die Politik damit den Werteiner unabhängigen Arzneimittelinfor-mation in diesem Land so deutlich zumAusdruck gebracht hat.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewie-sen, dass David Klemperer, ein Nach-komme des verdienten Berliner jüdi-schen Arztes Georg Klemperer für die

AKdÄ wegen seiner Arbeiten zum Themader ärztlichen Interessenkonflikte einebesondere Bedeutung besitzt. Auf das so-eben erschienene Buch „Interessenkon-flikte in der Medizin“, herausgegebenvon den AkdÄ-Mitgliedern Klaus Liebund Wolf-Dieter Ludwig zusammen mitDavid Klemperer sei deshalb an dieserStelle nachdrücklich hingewiesen.

(Interessenkonflikte in der Medizin, K.Lieb, D. Klemperer, W.-D. Ludwig(Hrsg.), Springer Medizin. 1.Aufl. 2011,ISBN: 978-3-642-19841-0).

Für Vorstand und GeschäftsstelleBruno Müller-Oerlinghausen, Berlin. Ehrenmitglied der Arzneimittelkom-mission der deutschen Ärzteschaft

Terminankündigung

Individualisierte PharmakotherapieEine Veranstaltung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)

innerhalb des Interdisziplinären Forums der Bundesärztekammer

Termin Samstag, 4. Februar 2012, 9:00 – 12:30 Uhr

Veranstaltungsort Hotel Aquino/Tagungszentrum Katholische Akademie, Hannoversche Straße 5b, 10115 Berlin-Mitte

Vorsitz Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig, Prof. Dr. med. Ursula Gundert-Remy

Begrüßung Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig

Programm Pharmakogenetik/-genomik als Grundlage individualisierter TherapieentscheidungenProf. Dr. med. Dr. rer. nat. Ingolf Cascorbi, KielIndividualisierte Therapieentscheidungen zur Verbesserung der ArzneimitteltherapiesicherheitProf. Dr. med. Petra Thürmann, WuppertalIndividualisierte Therapieentscheidungen bei der Behandlung der HypertonieProf. Dr. med. Manfred Anlauf, BremerhavenMöglichkeit stratifizierender medikamentöser Therapiestrategien in der OnkologieProf. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig, Berlin

Auskunft Claudia Drees, E-Mail: [email protected]; Telefon: 030 400456-500; Fax: 030 400456-555