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Ausgabe 03/2013

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Das Ende. Oder nicht? Glücklicherweise hat der Chemist sein vorgezogenes Ende überlebt... Leitung: Y. Dubianok

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Interview mit dem Präsidenten, Seite 6

Bologna – la Rossa, la Dotta e la Grassa, Seite 10

In 60 Sekunden, Seite 11

In Visier: Lehrstuhl für Pharmazeuti-sche Radiochemie, Seite 14

Dossier: Das Ende, Seite 16

Über den Kolbenrand: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort, Seite 22

Aufdestilliert: Stone-washed Jeans 2.0, Seite 24

Das kleine ABC, Seite 26

Kinder-Chemist, Seite 28

Editorial Inhalt

Impressum Ausgabe 3/2013, 1000 Exemplare

Der „Chemist“ ist kein Erzeug-nis im Sinne des Presserechts, sondern ein Rundbrief an alle Studenten der TUM und sonstig interessierten Personen. Mit Na-men gekennzeichnete Artikel ge-ben nur die Meinung des Verfas-sers wieder.

Redaktion: Yuliya Dubianok (YD)Verena Fink (VF)Steffen Georg (SG)Marisa Götzfried (MG)Angela Ibler (AI)Simon Nadal (SN)Martin Wolff (MW)Tobias Bauer (TB)

Freie Mitarbeiter:Alexander Illig (AL)Verena Kanoldt (VK)Nora Weiner (NW)

Fotos/Zeichnungen:

Verena Fink Marisa Götzfried

Kontakt: [email protected]

Liebe Leserin, lieber Leser,nun ist es soweit. In Euren Händen hal-tet ihr ein Relikt der Vergangenheit. Der „Chemist“ ist von uns geschieden. Denn die Redaktion des „Chemisten“ löst sich auf, auch das Studium der Redakteure neigt sich dem Ende zu. Zugegebener-maßen verschwindet sie nicht ganz, son-dern wird in der ganzen Welt zerstreut. Vorerst. Ein letztes Mal hat sich also die „Chemist“-Redaktion für Euch ordent-lich ins Zeug gelegt und viele spannende Artikel vorbereitet.

Für die letzte Ausgabe haben wir uns mit dem Präsidenten der TUM, Prof. Dr. h.c. mult. Wolfgang A. Herrmann getrof-fen. Mit dem „Chemisten“ sprach er über seine Vorbilder, die prägendsten Persön-lichkeiten in der Geschichte der Univer-sität und seine beiden Leidenschaften für Chemie und Orgelmusik. Das Inter-view in voller Länge gibt es auf der Sei-te 6.

„Wo ein Anfang ist, muss auch ein Ende sein“ – das Titelthema dieser Aus-gabe beschäftigt sich mit dem Ende – passend. Ob das Periodensystem, die Zerfallsreihe, das Teilchenmodell, das Leben oder der „Chemist“ – alles hat eben ein Ende. Was demnächst außer-dem noch zu Ende geht, prophezeien Euch ausführlich unsere Redakteure im Dossier auf der Seite 16.

Wenngleich manches seinem Verge-hen entgegen sieht, erblickt Neues das Licht der Welt. Seit einiger Zeit berei-chern die Veranstaltungen im Bereich der Radiopharmazie das Curriculum ei-nes Chemikers im Masterstudium. Die-se stehen auch zum Teil für andere Stu-diengänge als Neben- oder Wahlfach zur

Verfügung. Du hast noch nie davon ge-hört? Dann wird es Zeit. Im „Visier“ be-richtet unsere Redakteurin Angela Ibler über die Forschungsarbeiten in der Ra-diopharmazie.

Überlegt auch Ihr, liebe Leser, dem-nächst ein Semester im Ausland zu ver-bringen? Dann haben wir einen guten Tipp für Euch: Bologna, die älteste Uni-versitätsstadt Europas, lässt keine Wün-sche eines Erasmus-Studenten offen. Schon gar nicht, was die italienische Gastronomie angeht. Verena Kanoldt hat in Bologna das vergangene Wintersemes-ter verbracht und erzählt Euch, wie man lernt, nicht nur zu studieren, sondern auch das Leben zu genießen.

Habt Ihr Euch auch schon immer ge-fragt, wie die Ortbestimmung über GPS funktioniert? Verena Fink schaut regel-mäßig über den Kolbenrand und berich-tet uns in dieser Ausgabe, woher das GPS immer genau weiß, wo wir sind und wohin wir gehen. Mehr dazu auf der Sei-te 22.

Übrigens: Weil der „Kinder-Chemist“ uns so viel Spaß gemacht hat, gibt es ihn in dieser Ausgabe wieder. Dieses Mal mit wichtigen Hinweisen für den nächsten Badeenten-Kauf und weiteren Bildern zum Ausmalen!

Nun ist auch dieses Editorial am Schluss angelangt. Zuletzt möchten wir uns bei Euch, liebe Leser, herzlich be-danken. Danke Euch dafür, dass ihr im-mer auf die neue Ausgabe des „Chemis-ten“ gewartet habt!

Viel Freude mit dem letzten Heft!

Adieu,Eure „Chemist“ Redaktion

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Fachschaft

Am Anfang war alles schwarz-weiß, un-auffällig, im Zeitungsformat auf DINA3 Papier gedruckt. Heute ist es eine Zeit-schrift mit Bildern und Zeichnungen in Farben, mit einer neuen Struktur. Was diese beiden Formate gemeinsam ha-ben, ist der Drache, der immer noch sei-ne Flügel über die Buchstaben des Logos ausbreitet.

Im Laufe der letzten vier Jahre hat sich die Fachschaftszeitung „Chemist“ stark verändert. Doch nicht nur die Zeit-schrift. Das studentische Leben dauert

selten länger als vier bis fünf Jahre. So ist kein Redakteur aus der Zeit des schwarz-weißen „Chemisten“ mehr da.

Das Leben des „Chemisten“ war be-reits im Wintersemester 2009 einmal in Gefahr. Die damaligen Redakteure stan-den kurz vor dem Ende Ihres Studiums. Doch im Wintersemester 2009 haben sich gleich mehrere Studenten zusam-mengefunden, um das Leben dieser Zeit-schrift zu retten. Und natürlich auch zu verändern. Steffen Georg, Angela Ibler und Yuliya Dubianok haben zusammen mit den Redakteuren der „alten“ Gene-ration an einer Ausgabe gearbeitet. Denn es gab viel zu tun: Bevor die Leitung an den Nachwuchs übergeben werden konnte, mussten die Neulinge in das Re-daktionsgeschehen eingeführt und in die nötigen Softwares zum Layouten eingear-beitet werden.

Schon damals entstand die Idee, die Zeitung in eine Zeitschrift zu verwandeln

und ihr ein neues Design zu geben. Doch dazu fehlten den Neulingen die nötigen Kenntnisse beim Umgang mit den Lay-out-Programmen. Wie ein Zufall es woll-te, hat der charismatische Steffen Georg gleich zwei Kommilitonen für den „Che-misten“ begeistern können. Simon Nadal und Dimitry Tegunov waren Biochemiker im 2. Semester und sollten im „Chemis-ten“ völlig verschiedene Aufgaben über-nehmen.

Bei einigen Treffen in Lernräumen der Chemiefakultät und diversen Pizza-Abenden arbeitete die kleine Redaktion an der neuen Struktur für die Zeitschrift. Einen großen Beitrag leistete dazu der stets in Formeln und Strukturen – wie es sich eben für einen Naturwissenschaft-ler gehört – denkende Simon Nadal. An dem alten „Chemisten“ vermisste er den Bezug zur Wissenschaft. So wurde sein Vorschlag, den „Chemisten“ in drei gro-ße Einheiten zu unterteilen, die sich je-

Die komplette „Chemist“-Redaktion: Yuliya Dubianok (links), Verena Fink, Martin Wolff, Alexander Illig, Tobias V. Bauer, Steffen Georg, Simon Na-dal, Angie Ibler und Marisa Götzfried (rechts).

Federhalter: Der ”Chemist” — ein Rückblick

SN, YD

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Fachschaft

weils den Themen aus der Fachschaft, der Wissenschaft und der Unterhaltung widmen, einstimmig angenommen. Für jeden Teil wurden Rubriken erschaffen, die thematisch passende Namen erhiel-ten.

Nachdem die Struktur des neu-en „Chemisten“ stand, war es nun an der Zeit, das Layout zu verändern. Der „Chemist“ sollte ein Zeitschriftformat in DINA4 annehmen und etwas Farbe be-kommen. Bei dieser Aufgabe kam Di-mitry Tegunov ins Spiel. Der erfahrene Layouter hatte bereits für andere Zeit-schriften und Plakate das Design ent-worfen. An der Erfahrung mangelte es also nicht.

In vielen schlaflosen Nächten haben Steffen, Simon und Yuliya zusammen mit Dimitry die Vorlage für die neue Zeit-schrift erstellt. Dimitry nahm die Ideen der Redaktion kritisch unter die Lupe und setzte sie anschließend um oder ver-wandelte sie in Alternativen. Mühsam wurden die Schriften ausgewählt und die Farben für die Rubriken festgelegt, die Bilder und die Texte platziert. Selbst alle nötigen Schattierungen fanden schließ-lich ihren Platz.

Währenddessen schrieb Angie Ibler fleißig Artikel. Die meisten Artikel in der Geschichte des „Chemisten“ können ver-mutlich auf Angies Konto verbucht wer-den. Ob indisches Kastensystem, phy-sikalische Chemie, Prinz Luitpold oder Pleonasmen – ständig findet sie gehei-me Nischen, über die es sich zu schrei-ben lohnt.

Auch Angie konnte ihre Mitstuden-tin Verena Fink für den „ Chemisten“ be-geistert. Verena war vorher noch nie als Redakteurin tätig und wagte beim „Che-misten“ ihr Debüt. Mit stets genau re-cherchierten, pünktlich abgelieferten und spannendenden Artikel bereichert Verena vor allem die Rubriken „Über den Kolbenrand“ und „News“ aus der Wis-senschaft. Die australischen Kiwis, afri-kanischen Kamele, das Phänomen Schlaf oder die molekulare Küche – das ist le-diglich ein Auszug der Themen, die Vere-na in der Rubrik „Über den Kolbenrand“ behandelt hat.

Die Häufigkeit der „Der Chemist“-Ausgaben litt stets an der geringen Zahl der Redakteure. So erschien die Zeit-schrift häufig nur einmal im Semes-ter. Um neue Redakteure zu gewinnen, hat die „Chemist-Redaktion“ ein Pizza-Abend mit journalistischen Spielen ge-plant. Dafür musste ein Plakat her. Und

wer anderes als Steffen Georg sollte das Model für die Werbeaktion werden? Ge-sagt, getan – mit Dimitrys Hilfe war das Plakat, das „Appetit auf Journalismus“ machen sollte, gezaubert.

Mit und ohne Werbeaktionen ist Stef-fen das Mitglied, dem der „Chemist“ die meisten Neuzugänge verdankt. Außer-dem springt er genau dann ein, wenn „Not am Mann“ herrscht. Auch wenn Steffen seine Artikel stets zu spät ablie-fert, ist er doch immer da und bereit, tage- und nächtelang zu layouten, um eine Ausgabe fertigzustellen. Gelegent-lich ist er auch bei den Informationsver-anstaltungen der Fachschaft für die Lei-tung spontan eingesprungen.

Die Werbeaktion „Appetit auf Jour-nalismus?“ blieb nicht ohne Erfolg. Die Redaktion wurde um ein neues Mit-glied, Marisa Götzfried – eine talentier-te Zeichnerin – erweitert. Die meisten Zeichnungen sowie die kleinen Car-toons, die buchstäblich überall zu fin-den sind (selbst auf dem Redaktionsfo-to), stammen aus Marisas Feder. Auch einige Titelbilder, die stets das höchste Lob kassierten – und natürlich auch das Titelbild dieser Ausgabe – verdankt der „Chemist“ Marisas Kreativität.

Ganz ohne Werbeaktion konnte hin-gegen Tobias Bauer für den „Chemist“ begeistert werden. Als ehemaliger Erst-semester aus der Mentorgruppe von Steffen und Simon fand auch er seinen Weg zum „Chemist“. Tobias interessiert sich vor allem für naturwissenschaft-liche Themen und das spiegelt sich in den Themen seiner Artikel wieder. Er schreibt gerne über Neuheiten aus der Chemie und Biochemie. Als Klavier- und Orgelspieler ließ er sich aber auch das Interview mit dem Präsidenten Herr-mann natürlich nicht entgehen.

Neben den Biochemikern und einer Chemikerin landete auch ein Chemie-Ingenieur Martin Wolff in der „Chemist“-Redaktion. Zum Glück, schließlich konn-te auf diese Weise die von Biochemikern lautstark geforderte Umbenennung zum „Biochemist“ verhindert werden. Ange-zogen vom neuen Format und den da-mit verbundenen Möglichkeiten liefer-te Martin, der vorher viele Erfahrungen in der „Reißwolf“-Redaktion gesammelt hatte, wohl die meisten Beiträge zu jeg-lichen Themen im Dossier. Mit seinen kreativen Ideen und präzisen Überschrif-ten trifft er immer ins Schwarze. Ob ein Bild oder ein kurzer Artikel – falls etwas in der letzten Minute noch fehlt, ist auf

Martin immer Verlass.Zuletzt vervollständigte der Biotech-

nologe Alexander Illig die Redaktion des „Chemisten“. Mit seinem erfrischenden Schreibstil und spannenden Themen bereichert Alex den „Chemisten“ schon zum dritten Mal. Alex interessiert sich vor allem für wissenschaftliche Themen mit gesellschaftlicher Relevanz. Reine Grundlagenforschung ist nichts für den angehenden Molekularbiotechnologen. Übrigens findet man grundsätzlich nie Rechtschreibfehler in seinen Artikeln.

Bei all diesen Neuzugängen wurde der „Chemist“ dennoch zum größten Teil von der Chefredakteurin Yuliya Dubianok ge-stützt. Nach Recherche des „Chemisten“ hatte bisher kaum ein Mitglied der Fach-schaft ein Amt so lange inne, wie die be-ständige Säule dieser Zeitschrift. Be-harrlich erinnert sie die verschiedenen Redakteure an die bereits abgelaufene Deadline und verbringt Tage und Näch-te mit dem Layouten der Zeitung. Auch konnte die studierte Chemikerin jahre-lang den Putsch der Biochemiker – die besagte Umbenennung in den „Bioche-mist“ – unterdrücken. Kein Kommafeh-ler ist vor ihrem wachsamen Auge sicher.

Zur Zeit besteht die Redaktion aus neun Mitgliedern. Doch die meisten von ihnen stecken bereits mitten im Mas-ter-Studium. Auch deren Studentenle-ben neigt sich langsam dem Ende zu (Al-les zum Thema „Ende“, s. Dossier, Seite 16). An dieser Stelle ein großes Danke-schön an alle Redakteure, die den neu-en „Chemist“ ermöglicht haben! Doch nun schwebt das Leben des „Chemisten“ erneut in Gefahr. Und wenn Du, lieber Leser, nun auch Lust bekommen hast, für den „Chemist“ zu schreiben oder zu zeichnen, dann zögere nicht und schreib an [email protected], bevor es zu spät ist.

Mehr Wissen:Der Archiv des „Chemisten“ ist online zu finden unter:http://www.myfachschaft.de/down-loads_chemist.php

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Fachschaft

Interview mit dem PräsidentenMW, TB, YD

Möglicherweise ist es noch nicht jedem bekannt: Der Präsident der TU Mün-chen ist Chemiker! Wir haben mit ihm ein spannendes Interview über seine Zeit an der Chemie-Fakultät geführt. Lest mehr über seine Missgeschicke im La-bor, seine Vorbilder und seine Interessen abseits der Chemie.Chemist: Gibt es Tätigkeiten aus Ihrer aktiven Zeit als Student, Doktorand oder lehrender Professor, die Sie vermissen? Was würden Sie nochmal machen?Prof. Herrmann: Die Chemie ver-misse ich natürlich. In meinem Amt als Präsident mit den vielen Verpflichtun-gen war es immer wieder eine schmerz-hafte Erfahrung, mich der unmittelba-ren Wissenschaft entziehen zu müssen. Bevor ich Präsident wurde, hatte ich ei-nen Lehrstuhl mit ca. 35 wissenschaft-lichen Mitarbeitern und Doktoranden, darunter viele Humboldt-Stipendiaten. Dieses Gemeinschaftserlebnis vermisse ich sehr. Was ich nochmal machen wür-de? Das Chemiestudium natürlich. Es war für mich durchgängig eine Faszinati-on, aber ich würde mir mehr Zeit lassen. Ich habe nach dem sechsten Semester das Hauptdiplom gemacht und bei Ernst Otto Fischer die Diplomarbeit angefer-tigt, über PH3-Metallkomplexe. Ich wür-de mir heute mehr Freizeit für meine mu-sikalische Begabung gönnen. Chemist: Da wir gerade noch beim The-ma Studium sind: Was war denn Ihr größtes Missgeschick im Labor?Prof. Herrmann: Das war im Fortge-schrittenen-Praktikum Organische Che-mie. Während der Sommerzeit haben wir in einem Dachkammerlabor – hier in der Arcisstraße – unter sehr einge-schränkten Arbeitsbedingungen einen α-Bromethylthioether synthetisiert. Der gehört in die Klasse der Kampfgase, aber man brauchte ihn als Startkomponen-te für einen komplizierten Naturstoff in einer mehrstufigen Synthese. Er hat-te schleimhautreizende Eigenschaften und ist mir auf die Augen gegangen. Am nächsten Tag taten mir dann daheim plötzlich meine Augen weh. Es wurde immer schlimmer, ich habe nichts mehr gesehen und hatte Angst, dass ich das Augenlicht verliere. In der Augenklinik habe ich links und rechts eine Spritze be-kommen und es ist innerhalb von zwei Tagen wieder gut geworden. Es war ein

Missgeschick, man hätte besser aufpas-sen müssen. Als ich später in Regens-burg Dozent war, hat es einen Ansatz bei der Herstellung von Cyclopentadienyl-natrium zerrissen. Ich hatte Cyclopenta-dien und Natriumpulver einfach viel zu schnell zusammengebracht. Ich war da nicht konzentriert, was beim Experimen-tieren immer ein Fehler ist. Den Fleck an der Labordecke können Sie heute noch besichtigen, nach 35 Jahren! Und die Nachfolger haben ein Schild dahin ge-macht, dass ich dafür verantwortlich war.

Chemist: Hatten Sie auch einen Spruch oder ein Bild auf Ihrem Laborkittel?

Prof. Herrmann: Nein, das hatten wir nicht. Zu meiner Zeit dienten die Dok-torhüte zur Belustigung. Diese Tradition brachten wir von der TH München nach Regensburg.

Chemist: Wir haben bereits gehört, Sie haben sehr zielstrebig studiert. Hatten Sie während Ihrer Laufbahn vom Stu-denten bis hin zum Professor bestimm-te Vorbilder?

Prof. Herrmann: Neben meinem Va-ter war die zweite große Persönlichkeit meines Lebens Ernst Otto Fischer. Es sind unvergessene Erlebnisse gewesen, ihm zu begegnen und mit ihm zu arbei-ten. Er hat dabei eher weniger als scharf-sinniger Chemiker im Detail überzeugt. Er war aber sehr kompetent bezüglich der Einschätzung und Ausrichtung von Forschungsprojekten. Seine eigentliche

Größe bestand in seinem breiten, über-wölbenden Bildungshorizont. Er hat uns nicht mit Wissen abgefüllt. Seine Vorle-sungen waren kein Herunterbeten der Lehrbücher, sondern große Erzählun-gen, die den roten Faden durch die Ma-terie gelegt haben. Dabei ist er auch im-mer in andere Wissensgebiete bis hin zur Literatur gegangen. Nicht die Szene, son-dern das Stück interessierte ihn. Einmal hat er ausgehend von einem chemischen Sachverhalt eine halbe Stunde Adalbert Stifter mit Bezug zur Naturbeobachtung behandelt. Das hat mich unglaublich fas-ziniert. Deswegen bin ich auch immer in die Vorlesung, während ich die meisten anderen Vorlesungen – offen zugegeben – geschwänzt habe. Wenn der Dozent ohnehin nur den Stoff aus den Lehrbü-chern nacherzählt hat, habe ich die Zeit zum Selbststudium genutzt.

Chemist: Stellen Sie sich vor, dass es ei-nes Tages eine Hall of Fame an der TUM mit den wichtigsten, prägendsten und berühmtesten Persönlichkeiten in der Geschichte der Universität eingerichtet wird. Welche drei Persönlichkeiten wür-den Sie auswählen?

Prof. Herrmann: Die TUM hat im Laufe ihrer 145-jährigen Geschichte vie-le prägende Persönlichkeiten hervorge-bracht. Wenn ich drei nennen müsste, dann zum einen Karl Max von Bauern-feind als ersten Rektor, weil er von An-fang an die Wissenschaftlichkeit in die Universität gebracht hat. Er hat seine

Prof. Dr. h.c. mult. Wolfgang A. Herrmann (Foto: TUM)

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Fachschaft

Vision formuliert: „Unsere Mission be-steht darin, der industriellen Welt den zündenden Funken der Wissenschaft zu bringen!“ Sie verkörpert einerseits die Wissenschaftlichkeit der Universität, an-dererseits die Wirkung der Wissenschaft in die Praxis und in die Industrie. Dann würde ich den Nobelpreisträger Hans Fi-scher nennen, der das Hämoglobin struk-turell erfasst hat. Er hat damit zum ers-ten Mal sichtbar die wissenschaftliche Brillanz dieser Technischen Universität gezeigt und gleichzeitig die Eigenbedeu-tung der Naturwissenschaften hervorge-hoben, die bis dahin nur eine Hilfswis-senschaft der Ingenieurswissenschaften waren. Er hat im Übrigen während des Zweiten Weltkriegs auch jüdische Stu-denten geschützt, indem er sie in den „Katakomben“ unter dem Chemiegebäu-de hat arbeiten lassen. Er hat da Labore eingerichtet, die dort niemand vermute-te. Wahrscheinlich hat er so vielen jüdi-schen jungen Menschen das Leben ge-rettet bzw. die Deportation erspart. Und dann aus dem Ingenieursbereich Carl Linde. Er verkörpert die unternehmeri-sche Universität so wunderbar. Er war der Entrepreneur, der Erfi nder-Unter-nehmer, von dem wir heute so viel reden. Er war einer der ersten Professoren an der TUM und hat den Kühlschrank er-funden. Dann hat er mit einem Investor die Firma Lindes Eismaschinen in Wies-baden gegründet. Aber nach zehn Jahren kam er wieder an die TH zurück, wo er dann noch die Luftverfl üssigung erfun-den hat. Chemist: In Ihrer Zeit als Dozent hat-ten Sie viel mit hochbegabten Studenten zu tun. Gibt es etwas woran Sie merken, dass ein Student das Zeug hat eines Ta-ges in diese Ruhmeshalle zu kommen?Prof. Herrmann: Die leuchtenden Au-gen. Wenn die Augen leuchten, während man über das Fach redet und auch über sonstige Themen. Das sind dann auch die, die immer überall „around“ sind, nicht nur im Labor. Die sind auch bei Gastvorträgen berühmter Chemiker im-mer dabei, und sie engagieren sich oft in der Fachschaft. Die muss man beson-ders fördern. Chemist: Wenn Sie nochmal die Zeit und die Möglichkeit hätten eine Vorle-sung anzubieten: Welchem Thema wür-den Sie diese widmen?Prof. Herrmann: Anorganische Expe-rimentalvorlesung im ersten Semester! Dort bietet sich die Chance, den neu-en Studierenden den roten Faden durch

die Anorganische Chemie zu legen. Kei-ne Bücher kapitelweise abhandeln, son-dern begeistern für die Farben und Er-scheinungen der Chemie. Das ist aber auch sehr anspruchsvoll. Das Eingangs-niveau der Studierenden ist sehr unter-schiedlich, und genau das ist der Reiz dieser Vorlesung. Da muss man erfühlen, wie die Hörer reagieren. Es bilden sich dann die Nester der Uninteressierten aus oder jener, die sich noch schwer tun. Da muss man immer aufpassen, ob man zu schnell oder begriffl ich noch zu schwie-rig ist. Dann gibt’s da noch die Grup-pe der Gelangweilten, die meistens wei-ter vorne sitzen. Die wissen meist schon sehr viel und da muss man dann auch ab und zu Spezielles liefern, damit auch sie merken, dass es sich lohnt zu kom-men. Das eigentlich interessante Span-nungsfeld ist, wenn der Dozent mit sei-

nem Publikum korrespondiert. Das geht nur über den ständigen Blickkontakt, das muss man erspüren. Nach den Vorlesun-gen hatte ich immer gewaltigen Hunger, weil die geistige auch eine physische An-strengung ist. Man muss sich aber auch vorbereiten. Als erstes muss der Vorle-sungsassistent eingespurt sein. Der muss am Tag vorher üben, sonst gibt es Är-ger, wenn die Experimente nicht funkti-onieren. Auch früh aufstehen ist wichtig. Wenn die Vorlesung um acht Uhr ange-fangen hat, habe ich mich schon ab sechs Uhr darauf vorbereitet. Das war ich den Studierenden schuldig.Chemist: Sie haben nach wie vor einen Lehrstuhl an der Chemie. Werden im-mer noch Doktoranden hinsichtlich wis-senschaftlicher Themen von Ihnen be-treut?

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Fachschaft

Prof. Herrmann: Ich habe schon noch Kontakt, aber zu wenig. Ich habe im-mer das Defizit verspürt, dass man nicht mehr selbst an der Gedankengebung im Sinne einer Korrespondenz beteiligt ist. Da habe ich dafür gesorgt, dass die Dok-toranden im Tagesgeschäft von Professor Kühn gut betreut werden. Und auch von Dr. Öfele, der nun schon über 80 ist. Er kommt immer noch ins Labor. Und wenn meine Doktoranden fertig sind, dann nutze ich auch gerne meine vielfältigen Verbindungen, um sie beruflich gut un-terzubringen.Chemist: Welche Themen in der Che-mie oder auch Biochemie interessieren Sie denn immer noch und welche wür-den Sie gerne weiter verfolgen?Prof. Herrmann: Da muss ich ein biss-chen ausholen: Die N-heterocyclischen Carbene erweisen sich als hocheffizien-te Steuerliganden in einer Reihe von ka-talytischen Prozessen. Wenn Sie die Li-teratur des Imidazols ansehen – einer wichtigen Komponente in natürlichen biochemischen Systemen – dann gibt es viele Imidazolderivate, deren Struktur röntgenstrukturanalytisch nicht 100 % sicher ist, weil das Röntgenauge das Pro-ton nicht immer zuverlässig lokalisieren kann. Da zweifle ich manchmal daran, dass es wirklich Imidazolium-Kationen oder doch Diaza-ylidensysteme sind, also Carbene. Ich könnte mir vorstellen, dass in biologischen Systemen solche Carbe-ne – mit oder ohne Metall daran fixiert – als Katalysatoren in biochemischen Prozessen wirken. Das ist noch nicht un-tersucht und das ist eine durchaus funda-mentale Frage, der man nachgehen soll-te. Zumal eben Imidazole in der Natur mit unterschiedlichsten Wirkungswei-sen so vielfältig vorkommen. Man könnte sich vorstellen, dass manche Enzyme in ihrer Wirkung auf dem Carbencharakter beruhen. Und man weiß auch, dass diese heterozyklischen Carbene praktisch alle Elemente inklusive Schwermetalle, Sel-tene Erden und so weiter fixieren.Chemist: Wenn es so veröffentlicht wird, springt vielleicht ja nochmal je-mand darauf an.Prof. Herrmann: Könnte sein, ich wer-de es anregen. Vielleicht hat ja jemand Interesse, an diesem risikoreichen The-ma zu arbeiten. Vielleicht auch mein Nachfolger. Chemist: Dann noch eine Frage, die Ih-nen vermutlich schon oft gestellt wurde. Gab es in den letzten 50 Jahren gewisse

Meilensteine, die die Chemie der TUM auch in der Welt so erfolgreich hat wer-den lassen?Prof. Herrmann: Die Fakultät hat schon immer versucht, die besten Köpfe zu berufen. Auch wenn sie nicht immer exakt auf ein bestimmtes Forschungsfeld gepasst haben, waren sie als entwick-lungsfähige, wissenschaftlich begeister-te Persönlichkeiten wichtig. Denn die ziehen auch immer tolle Studenten an sich. Die sind auch erforderlich, denn was können Professoren schon alleine machen? Die können sich zwar Gedan-ken machen, aber gemacht wird letztlich alles von den jungen Leuten. Ernst Otto Fischer hat zwar den ganzen Tag gearbei-tet, aber er hat uns nicht bevormundet. Er ist aber regelmäßig ins Labor gekom-men und hat überall mal reingeschaut und nachgefragt, was wir gerade so ma-chen. Auch hat er immer ein Gefühl ge-habt, wie man apparativ ausgestattet sein muss, um international mitzuhalten. Er hat zum Beispiel die Röntgenstruktur di-rekt am Lehrstuhl aufgebaut. Es ist ent-scheidend, dass man methodisch ganz vorne mit dabei ist. Ganz klar zum Ruf unserer Fakultät haben die großen Per-sönlichkeiten der Nachkriegsphase bei-getragen, die es einfach noch einmal wissen wollten: Hieber, Scheibe, Gold-schmidt, Patat, Dialer. Wir hatten auch später viel Glück mit einigen Berufun-gen. Zum Beispiel, dass es mir gelungen ist, aus Frankfurt meinen Kollegen Pro-fessor Kessler für die Organische Che-mie nachzuziehen. Ohne ihn würden wir heute in der NMR-Spektroskopie, der Peptidsynthese und der biologischen Richtung, die ich als Dekan und Präsi-dent stark vorangetrieben habe, nicht so gut dastehen. Chemist: Und wie wird es mit der Che-mie an der TUM weitergehen?Prof. Herrmann: Es findet ja gerade

ein großer Um- und Neubau statt. Das Katalyseinstitut hat leider Verzögerungen von einem Jahr, die sehr ärgerlich sind. Aber dann steht das Institut 1A da. Und eure Praktikumslabore sind auch super. Da haben wir ja auch zig Millionen in-vestiert – in die alte Chemie zusammen mit dem Katalyseinstitut über 100 Mil-lionen Euro. Das habe ich initiiert, weil die Fakultät an dieser Stelle nicht vor-ankam. Ich habe dem Wissenschaftsmi-nister Goppel heruntergekommene und abgenutzte Labore gezeigt. Da war am nächsten Tag klar, dass wir in Richtung Neubau gehen und dass gleichzeitig die Katalyse langfristig als Schwerpunktthe-ma gesetzt wird. Chemist: Sie spielen regelmäßig bei Be-nefizkonzerten im Gasteig Orgel. Welche Bedeutung hat die Musik für Sie und in welchem Umfang können Sie sich damit beschäftigen?Prof. Herrmann: Musik ist für mich ein wichtiges Lebenselixier. Ich war als Gymnasiast musikalisch sehr aktiv. Wäh-rend des Studiums kam das dann et-was kurz. Als später in Giggenhausen bei Freising ein Organist gebraucht wurde, habe ich mir gedacht: „Gut, dann spiel’ ich euch am Sonntag eben die Orgel.“ Dann kamen die Studenten aus der Wei-henstephaner Musikwerkstatt mit dem Dirigenten Felix Mayer auf mich zu und fragten, ob ich mit ihnen konzertieren möchte. Durch diese schöne Initiative bin ich dann wieder darauf gekommen, dass man seine Begabungen auch jen-seits des Studienalltags kultivieren sollte. So spiele ich jetzt regelmäßig Orgelkon-zerte. Auch den Lobgesang von Mendels-sohn haben wir aufgeführt. Heuer wird am 1. Dezember die fünfte Adventsma-tinee sein, wahrscheinlich mit Vokalstü-cken von Brahms und Mendelssohn im Mittelpunkt.Chemist: Gibt es Komponisten oder Epochen, die Sie besonders schätzen?Prof. Herrmann: Natürlich schätze ich Bach besonders, allerdings kann ich ihn kaum spielen, weil er mir einfach zu schwer ist. Oder Max Reger. Leider hat Bruckner viele seiner Werke improvisiert und nicht niedergeschrieben. Händel ist zwar zum Teil rasant, aber ich bekomme seine Orgelkonzerte mit viel Üben hin. Ich komme leider nur am Wochenende zum Üben, und im Ferienmonat August. Am 1. Dezember spiele ich Bruckner und Mendelssohn.Chemist: Vielen Dank für das Interview.

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Fachschaft

Bologna – la Rossa, la Dotta e la GrassaVK

Dies ist der absolut zutreffende Leit-spruch, der das Leben in Bologna gut beschreibt. La Rossa (die Rote), nach-dem die gesamte Stadt aus Ziegeln er-richtet worden und traditionell politisch links gesonnen ist. La Dotta (die Ge-lehrte), da die erste Universität der Welt 1088 genau hier gegründet wurde und dazu mindestens 1/3 des Stadtzentrums in irgendeiner Form durchzogen ist von Unigelände. Wohin man blickt Biblio-theken, Fahrräder und Studenten über-all. Besonders nachts verwandelt sich das Zentrum in einen wahren Rummel-platz. La Grassa (die Fette) – tja, das wird keinen wundern, man isst einfach gut in Italien! Genussvoll und immer in Gesellschaft und nicht nur die berühm-te italienische Mamma insistiert bestän-dig darauf, dir Essen anzubieten – auch die Töchter und Söhne haben das schon sehr gut drauf!

Nun, warum eigentlich Italien? Ich hatte mich zunächst für ein Auslands-semester in Frankreich beworben: Eine gute und gerankte Universität, die mich in meiner akademischen Laufbahn auf keinen Fall zurückwerfen würde etc., kurz: Eine Nutzen/Zeit/Geld-Optimie-rung.

Doch dann habe ich innegehalten: Was ist mir eigentlich wirklich wichtig? Ich beschloss, dieses Auslandssemester sollte sich um mich und alles, was hier in München zu kurz kommt, drehen. Als Halbitalienerin war es schon immer mein Wunsch, eine Zeit lang in Italien zu leben, um diese zweite Seite in mir zu erforschen und so stand es fest: Es soll-te Italien sein!

Nachdem ich der typisch bolognesi-schen Wohnungssuche via Millionen Te-lefonate und Wohnungsbesichtigungen, also dem Horror eines jeden Erasmus-studenten mit wenig bis keinen Sprach-kenntnissen, per Zufall durchs Inter-net entkommen war, landete ich in einer sehr schönen Wohnung mit zwei Südita-lienerinnen. Man sagt ja, Klischees sind lächerlich, aber es tut mir leid, ein Fünk-chen bis Funken Wahrheit steckt immer drin: Die beiden waren unglaublich herz-lich und gesellig, ich hätte mich wohl-er in so wenig Zeit nicht fühlen können! Partys, auf denen es so laut zuging, dass man sein eigenes Wort nicht mehr ver-

stand, ließen mein italienisches Herz voll Freude höher schlagen.

Natürlich habe ich auch meinen typi-schen Erasmusanteil abbekommen: Mit mehr als 1500 Erasmusstudenten im Se-mester und zwei Erasmusorganisationen (ESEG und ESN) waren neben kulturel-len Aktionen und Reisen innerhalb ganz Italiens (und zum Oktoberfest!!!) auch Partys und Events sieben Abende die Woche während des gesamten Semesters garantiert. Meine besten internationalen Freunde lernte ich allerdings im Sprach-kurs am Anfang des Semesters kennen. In einem Mischmasch aus Italienisch, Französisch und Englisch unterhielten wir uns gemütlich und natürlich mit viel Essen und Wein über Unterschiede zwi-schen den Kulturen, philosophischen Themen und Gott und die Welt, immer begleitet von Unmengen an Gelächter.

Nein, mein Leben bestand im Ge-gensatz zum Stereotypen des typischen Erasmusstudenten nicht nur aus Party, Trinken und Nichtstun. Ok, ich habe de-finitiv weniger unirelevante Stunden ver-lebt als zuhause, aber wer kann sich das Erlebnis von Vorlesungen in altehrwür-digen Gebäuden mit unglaublich steilen Sitzbänken auf Italienisch und besonders die mündlichen Klausuren entgehen las-sen? Nachdem ich die ersten Wochen immer wieder verzweifelt in leeren Vor-lesungsräumen saß und den Schock von mündlichen Prüfungen verbunden mit

mehrstündigen Wartezeiten überwand, schloss ich vier Vorlesungen erfolgreich ab. Natürlich durfte die Erfahrung eines echten italienischen Labors nicht fehlen: 1 Paar Handschuhe pro Tag und 1 Hood zu acht muss reichen und waren die gro-ßen Pipetten für die Zellkultur zu schnell ausgegangen, wurde mit 1-2 ml Pipetten die 15 ml Kultur pipettiert, bis die neue Ladung geliefert wurde – auch hier war die Krise spürbar. Italienische Studenten haben im Labor sehr wenig zu sagen, da sie im Gegensatz zu uns während ihres Studiums deutlich weniger Zeit in La-boren verbringen. Auch die italienische – manchmal nervenaufreibende – Ge-lassenheit macht vor der Labortür kei-nen Halt. Das erste, was du tust, wenn du morgens ankommst ist… hinsetz-ten. Lässt die Effizienz teilweise zu wün-schen übrig, so kann man an der Präzisi-on und Gründlichkeit jedoch in keinem Fall herum mäkeln. Und im Gegensatz zu meinen Erwartungen hatte nicht je-des Labor seine eigene Espressomaschi-

Verena Kanoldt (rechts) und ihre italienischen Freundinnen

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Fachschaft

In 60 SekundenSN

„Wir wollen in unserer Gruppe nicht-ko-valente Wechselwirkungen ausnutzen, die ähnlich sind zu Wasserstoffbrücken, aber nicht auf Wasserstoff, sondern auf positivierten Halogenen beruhen – so-genannte Halogenbrücken. Diese sind schon länger bekannt, wurden aber pri-mär in der Festkörpersynthese eingesetzt. Unser Ansatz beinhaltet die Verwendung dieser nicht-kovalenten Wechselwirkun-

gen, um langfristig Organokatalyse zu betreiben. Sprich: Organische Verbin-dungen werden mit Hilfe dieser Wech-selwirkung aktiviert. Genau dazu haben wir in den letzten Jahren zwei proof-of-principle Publikationen veröffentlicht. Im weiteren Verlauf haben wir dieses Prinzip in der Organokatalyse angewandt und somit sub-stöchiometrische Mengen eines solchen Halogenbrückendonors

eingesetzt. Von diesem Punkt ausgehend wollen wir das Ganze nun auf die enan-tioselektive Organokatalyse übertragen, und zwar auch auf andere Reaktionsty-pen, sodass diese Technik möglichst breit aufgestellt wird. Diese neuen Wechsel-wirkungen bleiben dabei das zentrale Leitmotiv unserer Forschung.“

Dozenten erklären persönlich in kompakten 60 Sekunden ihre aktuelle Forschungsar-beit. Diesmal stellt Dr. Stefan Huber die Projekte seiner Arbeitsgruppe vor.

ne – es wurde Kaffee aus dem Automa-ten getrunken!

Meine prägendste Erfahrung war de-finitiv besiegelt, als ich per Zufall und über mehrere Ecken auf die Artistensze-ne Bolognas traf. In einem Sozialen Zen-trum trafen sich regelmäßig Jongleure, Drahtseil- und Schlappseilartisten und Akrobaten… ein Paradies für mich! Un-ter ihnen waren viele Straßenkünstler bzw. Artisten, die von ihrer Kunst leben. Deren Lebenseinstellung, Offenheit ge-genüber Neuem und Lebensfreude ist einfach unbeschreiblich. Selbst in An-betracht der größten Krise Italiens seit Langem blieben sie fröhlich und unbe-sorgt. Nachdem ich mich an die teilweise düstere Gegend und bescheidenen Trai-ningsbedingungen gewöhnt hatte und

Experte im Anheizen von Holzöfen mit nassem Holz im Winter geworden war, verbrachte ich mindestens drei Abende die Woche beim Trainieren. Den krönen-den Abschluss meines Semesters in Bo-logna bildete ein Auftritt mit meiner Ak-robatikpartnerin Gaby.

Mein Auslandssemester sollte für mich eine Auszeit sein, in der ich meine Prioritäten im Leben überdenken woll-te. Nein, wie man sich denken kann, die Welt ist nicht wie geplant stehen geblie-ben. Doch indirekt habe ich viele neue Impulse bekommen: Eine grundlegend positive Lebenseinstellung, ein nicht 100 % durchgeplanter Lebensstil, da-mit man dem gelassen entgegen schau-en kann, was kommt, um spontan Gele-genheiten zu ergreifen. Ganz bestimmt

machen die Italiener nicht alles richtig, doch wir Deutsche sind zu sehr in un-serem Optimierungswahn fest gefahren. Ein zielgerichteter überdurchschnittli-cher Lebenslauf für einen tollen Job, für eine tolle Karriere ist nicht das Einzige auf der Welt. Was wir dabei oft verges-sen, ist zu leben – und das, das können die Italiener.

Bologna – die älteste Universitätsstadt Europas (Foto: V. Kanoldt)

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Fachschaft

Preis der Studierenden für Heidi HolweckSN

Der Preis der Studierenden der Fakultät Chemie wurde in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen. Er soll Mitarbeiter und Dozenten ehren, welche sich in über-durchschnittlichem Maße für die Studie-renden eingesetzt haben.

Hierfür hat die Fachschaft im Som-mersemester Vorschläge aller Studieren-den gesammelt und diese in einer Ple-

numssitzung mit allen Studierenden der Fakultät besprochen. Die gewählten stu-dentischen Vertreter haben daraufhin in einer geheimen Wahl zwischen den Fa-voriten abgestimmt.

Die Preisträgerin Heidi Holweck ist Sekretärin am Lehrstuhl für Technische Chemie I (Prof. Hinrichsen) und wird von Studierenden oftmals als „die gute Seele der TC“ bezeichnet. Sie wurde für ihre besondere Hilfsbereitschaft, ihr En-gagement und ihre kompetenten Rat-schläge geehrt. Insbesondere für Studen-ten des Chemieingenieurwesens gilt ihre Hilfe als unverzichtbar.

Heidi Holweck nahm den Preis sehr gerührt an und bedankte sich nochmals in einer Mail bei allen Studierenden.

Mentoren-Programm Damit sich die internationalen Aus-tauschstudenten am Department Che-mie besser zurechtfi nden, wurde zum WS 2008/2009 ein Mentoren- oder Bud-dyprogramm eingeführt.

Jeder Austauschstudent wird mit ei-nem deutschen Studierenden aus den Fachbereichen Chemie, Biochemie oder Chemieingenieurwesen vernetzt, um Fragen zu klären wie:

• Wie fi nde ich mich im Gebäude zu-recht (System der Räume)

• Wo ist das Auslandssekretariat, die Hörsäle/Seminarräume

• Wie kann ich in der Mensa bezahlen• Wo/Wie melde ich mich für Prüfun-

gen an und wie bereite ich mich auf Prü-fungen vor

• Wie funktioniert TUMonline• Wo fi nde ich die Klausurensamm-

lung zur Prüfungsvorbereitung• Was für ein Ticket kaufe ich für die

U-Bahn, usw Bereits vor der Ankunft des interna-

tionalen Studenten setzt sich der deut-

sche Student mit seinem zugeordneten Partner per Email in Verbindung, stellt sich kurz vor und bietet seine Unterstüt-zung an. Am Anfang des Semesters wäre ein persönliches Treffen wünschenswert. Alles weitere sollte sich von alleine erge-ben, da die meisten Austauschstudenten konkrete Fragen (siehe oben) haben wer-den. Sollten Sie diese nicht beantworten können, dann schicken Sie die Anfrage weiter an Frau Geisberger (Auslandsse-kretariat).

Sie können viel dazu beitragen, dass der Student einen guten Start an der TUM hat.

Alle Austauschstudenten erhalten eine Informationsveranstaltung sowohl vom International Offi ce als auch am De-partment Chemie und nehmen im Okto-ber an den Erstitagen teil. Erfahrungsge-mäß schadet es jedoch nicht, wenn die Studenten gewisse Informationen mehr als einmal bekommen.

Eine Teilnahme am Mentorenpro-gramm möchte ich Ihnen insbesondere

empfehlen, wenn Sie selbst mit dem Ge-danken spielen ein oder zwei Semester im Ausland zu verbringen, da Sie durch diesen Kontakt bereits vorab wertvol-le interkulturelle Erfahrungen sammeln können. Außerdem wird die Teilnahme am Mentorenprogramm positiv bei der Vergabe der Plätze für das Erasmuspro-gramm berücksichtigt.

Wenn Sie an diesem Programm als Buddy teilnehmen möchten, schreiben Sie einfach eine E-mail an [email protected] mit dem Stichwort: Mentorenprogramm.

Bitte geben Sie an, in welches Fach Sie studieren, ob Sie sprachliche Präfe-renzen haben oder lieber einen männli-chen oder weiblichen Studenten betreu-en möchten

Bei der Verteilung wird versucht, die-se Kriterien so weit wie möglich zu be-rücksichtigen.

Anregungen bzw. ein Feedback zum Programm sind sehr willkommen.

Der Preis der Studierenden (Photo: M. Schellerer)

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Fachschaft

Computergestützte Biokatalyse —ein neuer Lehrstuhl an der Fakultät

SN

Ein Finne kommt nach Bayern: Mit der Gründung einer TT-Professur für „Com-putergestützte Biokatalyse“ zielt die Hochschulleitung darauf ab, im neuen Forschungsschwerpunkt Katalyse theore-tische Untersuchungen auch in die Bio-wissenschaften zu integrieren. Der Ruf ging an Ville Kaila, ein fi nnischer Nach-wuchsforscher aus Helsinki, welcher zur Zeit seinen Post-Doc Aufenthalt am La-boratory of Chemical Physics der US National Institutes of Health (NIH) be-endet. In seiner Forschung untersucht der junge Wissenschaftler molekulare

Mechanismen biologischer Energieum-wandlungen mittels computergestütz-ten Methoden der theoretischen Che-mie. Sein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den proton-coupled electron transfer (PCET), welcher in verschiede-nen Komplexen der Atmungskette oder in photobiologischen Systemen eine gro-ße Bedeutung besitzt. Für weitere Infor-mationen sei auf den Blog von Ville Kai-la verwiesen: http://villekaila.wordpress.com. Der „Chemist“ wünscht Herrn Kai-la alles Gute zu seinem Start in Mün-chen!

Ernst-Otto-Fischer-Lehrpreis für Dr. HuberSN

Der Ernst-Otto-Fischer-Lehrpreis richtet sich an wissenschaftliche Mitarbeiter der TUM, welche durch innovative Ideen die Lehre nachhaltig geprägt haben. Dr. Stefan Huber, Nachwuchsgruppenleiter am Lehrstuhl für Organische Chemie I, wurde für seine Veranstaltung „Compu-terchemie-Werkstatt“ prämiert. In die-sem Seminar für Studierende im Master bringt Stefan Huber organischen und an-organischen Chemikern bei, chemische Fragestellungen mittels quantenchemi-scher Methoden zu untersuchen. Dabei liegt das Augenmerk des Dozenten weni-ger auf der Theorie, sondern auf der kon-

kreten Anwendung der Methoden. In der Doppelstunde wird in einem ersten Teil die Theorie kurz angerissen und darauf-hin in gemeinsamen Übungen angewen-det. Nach dem „do it yourself“-Prinzip werden die Studenten ermutigt, mit den verschiedenen Methoden zu experimen-tieren und eigene Fragestellungen zu un-tersuchen. Die Lehrveranstaltung wurde von den Teilnehmern mit der Note 1.2 evaluiert.

Übrigens: Wollt ihr wissen was Dr. Stefan Huber in seiner Forschung unter-sucht? Dann hilft ein Blick in die Rubrik „in 60 Sekunden“.

ChemDraw-Lizenz erneut verfügbar

Die durch die Abschaffung der Studien-gebühren entstandene Finanzierungslü-cke konnte durch Mittel der Fakultät ge-deckt werden. Eine ChemDraw-Lizenz für Studenten ist erneut verfügbar. Eine erneute Registrierung ist erforderlich, um die Software freizuschalten. Mehr Informationen gibt es auf: www.oc1.ch.tum.de/chemdraw.html

Das MentorING-Programm startet in eine neue Runde

Im Oktober beginnt eine neue Runde des Programms. Dieses richtet an inge-nieurs- und naturwissenschaftliche Stu-dierende und zielt darauf ab, sie bei ih-rem Berufseinstieg und ihrer berufl ichen Planung zu unterstützen. Mentorinnen und Mentoren aus der Münchner Um-gebung stehen den Studierenden zu den verschiedensten Fragen zur Seite. Mehr Infos dazu unter: www.mentoring.tum.de

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Fachschaft

Pharmazeutische Radiochemie. Schon mal gehört? Schön. Und ist es dir auch bekannt, dass die TUM am Campus Gar-ching einen Lehrstuhl dafür hat? Nein? Nun gut, der „Chemist“ stellt hier die-sen Lehrstuhl, der von Prof. Hans-Jürgen Wester geleitet wird, vor. Und morgen, wenn Du an der U-Bahn-Station Gar-ching Forschungszentrum den mittleren Ausgang nimmst, schau mal östlich des Ausgangs nach einem Gebäude mit läng-lichen orange-rot-braunen Streifen – dort ist die Radiopharmazie zu fi nden.

Zunächst jedoch sei dargestellt, was dieser Forschungszweig der TUM ei-gentlich betreibt. „Die alte Radioche-mie steckt noch in den Köpfen“, meint Prof. Wester und geht damit auf das Pro-blem ein, dass man an der TUM bei diesem Lehrstuhl noch an klassische Nuklearchemie denkt. Doch die For-schungsrichtung ist weitaus vielseitiger: Man kann kleinste Stoffwechselverän-derungen mit Hilfe von Radiotracern vi-sualisieren und quantifi zieren und mit individuell zugeschnittenen Therapien Krankheiten bekämpfen. Zwei Beispiele: Bei der Bestimmung des Ausmaßes von Hirntumoren vor einer OP oder Bestrah-lung liefert die Volumenbestimmung mit Tracern wie [18F]Fluorethyltyrosin vali-dere Daten als die MRT-Darstellung mit Kontrastmitteln, da Veränderungen der Biochemie (Aminosäurestoffwechsel) Veränderungen der Morphologie (defek-te Blut-Hirn-Schranke) zeitlich vorausge-hen. Eine andere Anwendung bietet die Diagnostik von Tumoren durch radioak-tiv markierte Liganden, die nur an Rezep-toren der Tumorzellen binden. Anschlie-ßend können die Liganden, dann mit „therapeutisch wirkenden“ Isotopen mar-kiert, z.B. für eine „von innen gerichtete“ Peptidrezeptorradiotherapie verwendet werden. Mit fl uoreszierenden Liganden

können während der Operation kleinste Metastasen detektiert werden; dies hilft dem Chirurgen, Tumorgewebe restlos zu entfernen.

Genau diese Praxisnähe und Anwen-dungsbezug sind es, die den Prof. Wes-ter an seiner Forschung faszinieren. Es ist keine Chemie um der Forschung wil-len, sondern eine Chemie, die konkret und direkt Anwendung am Menschen fi ndet. Außerdem spielen viele Gesich-ter der Naturwissenschaften eine Rol-le in diesem Feld: Anorganische Chemie und Komplexchemie für radioaktive Me-tallisotope und die Entwicklung stabi-ler Chelatkonjugate für die Diagnostik und Therapie; organische Chemie, wenn es um die Entwicklung neuer Pharmaka geht, Physiologie und molekulare Patho-logie, um die Biodistribution und Spezifi -tät der Anreicherung von Radiopharmaka zu verstehen; Biologie und Veterinärme-dizin für die Untersuchung neuer Radio-pharmaka in Zellen und Kleintieren, und Medizin für das Verständnis der zu be-handelnden Krankheiten und den Trans-fer dieser Tracer in klinische Studien. Für genau dieses breite Spektrum an Methoden und Fragestellungen über die Chemie hinaus sollte ein Student oder Doktorand Interesse mitbringen, wenn er an diesem Lehrstuhl forschen möch-

te. Da die verschiedenen Wissenschaft-ler, momentan zwölf an der Zahl, auch unterschiedliche Schwerpunkte in der Chemie haben, arbeiten sie für die Ent-wicklung eines neuen Radiopharmakons je nachdem an Peptiden, Enzyminhibito-ren, „kleinen Molekülen“, Chelaten, oder an Zellen, Mäusen oder Raten…und fü-gen ihre Erkenntnisse dann zusammen.

Aufgrund dieser Vielfältigkeit ist die Pharmazeutische Radiochemie nicht nur Mitglied der Chemie-, sondern auch der Medizin-Fakultät. Zweimal die Wo-che ist deshalb Herr Wester am Klini-kum Rechts der Isar in der Nuklearmedi-zin anzutreffen, wo bis heute ein Ableger der Gruppe arbeitet. Von dort aus werden auch die klinischen Studien betreut. Da-gegen wächst für den Standort Garching ein neues Laborgebäude inklusive Maus-stall, das bis voraussichtlich Ende 2013 fertig gestellt sein wird. Danach wird das alte Gebäude renoviert und mit einem Hörsaal und neuen Büroräumen ausge-stattet.

Prof. Wester kam als Chemiker aus Köln ans Kernforschungszentrum Jülich, um dort für seine Diplom- und Doktor-arbeit Tracer für Positronen-Elektronen-Tomographie herzustellen – eines der Ergebnisse war die oben erwähnte Ami-nosäure [18F]Fluorethyltyrosin zur Di-

Im Visier

Lehrstuhl für Pharmazeutische Radiochemie

AI

In diesem Gebäude wird die Pharmazeutische Radiochemie am Campus Garching ab 2014 zu fi n-den sein.

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Fachschaft

agnostik von Hirntumoren. „Leider hat mein Doktorvater damals von einer Pa-tentierung abgeraten – eine Frage mit der sich junge Forscher frühzeitig befassen sollten“, so Wester. Trotz einiger Angebo-te im Aus- und Inland schätzt der Radio-pharmazeut in München die ausgepräg-te klinische Einbindung in die Forschung und die damit einhergehende Leistungs-fähigkeit. Für den Rheinländer persön-lich ist München „nicht mehr wegzuden-ken“. Er hofft, den Wandel in den Köpfen weiter vorantreiben zu können: „Es gibt keinen Ersatz zu nuklearen Kontrastmit-teln, nichts, das so individuell und vor allem frühzeitig Krankheiten diagnosti-zieren und auch behandeln kann“. Auch wenn die notwenige Infrastruktur für die Herstellung der kurzlebigen Tracer (z.B. Halbwertszeit t1/2 von 18F = 110 min) und die strengen Qualitätskontrollen inner-halb einer kurzen Zeit bis zur Injektion in den Patienten anspruchsvoll sind, so ist ihr Vorteil konkurrenzlos.

Um die Pharmazeutische Radioche-mie und auch das bis dahin fertige neue Laborgebäude vorzustellen, möchte Prof.

Wester im Herbst eine Broschüre für Studenten und Interessierte herausge-ben und wird ein zwei- bis dreistündiges Minisymposium veranstalten. Der „Che-mist“ freut sich schon darauf.

Bild eines Patienten nach Injektion eines neu-en radioaktiven Kontrastmittels. Dieses bindet an Strukturen im Körper, die einen besonderen Rezeptor haben und visualisieren so Tumorgewe-be und Lymphknotenmetastasen. Eine unspezi-fische Aufnahme des Kontrastmittels ist hier nur in den Nieren und der Blase zu erkennen, da die-ses Radiopharmakon über den Harn ausgeschie-den wird (einer der ersten CXCR4-PET Scans des im Wissenschaftsmagazin der TUM „Faszi-nation Forschung“ beschriebenen neuen Radio-pharmakons)

Mehr Wissen:Im Wissenschaftsmagazin der TUM „Faszination Forschung“ bietet der Ar-tikel „Ein neuer Marker für die Tu-mordiagnostik“ einen gut verständ-lichen Einblick in das Design von Tumortracern (Dezember 2012, Aus-gabe 11, von Bernhard Epping).

19.Oktober 2013 11 bis 18 Uhr

Forschung live.Tag der offenen Tür.Wissenschaft in Garching. www.forschung-garching.de

Am 19. Oktober von 11:00 bis 18:00 öffnen die Lehrstühle ihre Türen dem nicht-wissenschaftlichen Publikum, um die Forschung an der Fakultät Chemie der Öffentlichkeit zugänglich zu ma-chen. Neben Infoständen werden Vorträ-ge und Führungen angeboten.

Vorträge (Hans Fischer-Hörsaal):

13:00 Uhr: Faszination der Chemie – Chemische Experimentalshow (Prof. Jo-hann Plank).Hinweis: Kostenlose Eintrittskarten wer-den ab 11:00 Uhr im Chemiefoyer aus-gegeben. Begrenzte Platzzahl, daher kein Einlass ohne Karte!15:30 Uhr: Katalyseforschung – von der Alchemie zur Quantenchemie (Prof. Karsten Reuter)16:00 Uhr: Fahrzeuge der Zukunft: Brennstoffzelle oder Batterie? (Prof. Hu-bert Gasteiger)

16:30 Uhr: Wasser – ein einfacher Stoff mit Vergangenheit und Zukunft? (Prof. Reinhard Niessner)

Führungen (Infopunkt im Foyer):

11:00 Uhr: Wasserqualität untersuchen – Führung Analytische Chemie13:30, 16:30 Uhr: Die Kompassnadel zeigt nach ... Garching – NMR-Spektro-meter der TOP-Klasse – Führung Bayeri-sches NMR-Zentrum11:30, 13:00, 15:30, 17:00 Uhr: Darm-bakterien als Haustiere: Gentechnische Großproduktion von Eiweißen in E. coli – Führung Biochemisches Labor11:30 Uhr: Neue Prozesse für die indus-trielle Chemie – Forschungslabors der Technischen Chemie17:00 Uhr: Zement – mehr als ein Werk-stoff – Forschungslabors der Bauchemie12:30 Uhr und 15:00 Uhr: Mikroorga-nismen: Die kleinsten Chemikalien-Fa-

briken – Führung Biochemisches Labor15:30 und 17:30 Uhr: Katalyse – die Kunst Stoffe umzuwandeln – For-schungslabors der Physikalischen Che-mie.

Alle Angaben ohne Gewähr. Bitte die ent-sprechenden Aushänge am Tag der offenen Tür berücksichtigen.

Programm für den Tag der offenen Tür

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AI, AL, MW, SG, SN

Das Ende ist nah! Wir sind am Ende aber nicht die einzigen, auch die Chemie neigt sich dem Ende und keiner weiß wo es enden wird! In jedem Ende steckt je-doch ein Anfang. Doch auch der Anfang vom Ende. Verschließt sich eine Tür, öff-net sich eine neue. Doch wird die offe-ne Tür durchschritten, wartet dahinter oft schon die nächste verschlossene Tür. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Doch damit die Chemie endet, muss sie zu-nächst einmal beginnen…

Und am Anfang war…

Das Ende der Vier-Elemente-Lehre

Erde, Wasser, Luft und Feuer – die vier Elemente bilden die Grundzüge der Vier-Elemente-Lehre, die seit der Antike maß-geblich die Denkweisen im arabischen und europäischen Raum geprägt hat.

Ihren Ursprung findet die Lehre bei Empedokles im 5. Jahrhundert vor Chris-tus, der angenommen hat, diese vier Ele-mente würden ewig existierende und unveränderliche Grundsubstanzen dar-stellen. Alle Dinge besäßen einen cha-

rakteristischen Anteil der vier Elemente, entsprechend hat die Vier-Elemente-Lehre Anwendung in Medizin, Biologie, Psychologie sowie in weiteren Diszipli-nen gefunden. Da die Lehre viele Män-gel gezeigt hat, um die Welt akkurat zu beschreiben, ist durch Aristoteles ein fünftes Element eingeführt worden: Der Äther. Dieser ist als den vier Elementen zugrunde liegende Quintessenz bezeich-net worden, durch welche Umwandlun-gen der Elemente ineinander erlaubt sind. Erstaunlicherweise hat es ebenfalls im asiatischen Raum ähnliche Lehren mit fünf Elementen gegeben.

Die Vier-Elemente-Lehre hat sich in den folgenden Jahrhunderten über Ägyp-ten nach Arabien ausgebreitet und ist um das chemische Wissen der jeweili-gen Kultur bereichert worden. Mit den Kontakten der Araber im Mittelmeer-raum durch die Kreuzzüge ist die Vier-Elemente-Lehre nach Europa gelangt, wo sie bis zur Aufklärung die bestimmen-de Grundlage dargestellt hat. Bekannte Alchemisten sowie Heilpraktiker haben sich dieser Lehre bedient, um verschie-dene natürliche Vorgänge zu erklären. Erst im 17. Jahrhundert hat Robert Boy-

le den heutigen Elementbegriff eingelei-tet, als Stoffe, welche sich mittels chemi-scher Methoden nicht in andere Stoffe zerlegen lassen. Somit ist die Abgrenzung zwischen Alchemie und Chemie entstan-den, erstere sollte nur noch die esoteri-sche Richtung der Stofflehre bezeich-nen. Doch vor allem dem französischen Chemiker Antoine Lavoisier ist es gelun-gen, die vier Elemente weiter zu zerlegen und somit das Ende der Vier-Elemente-Lehre einzuleiten. Durch rigorose Ge-wichtsmessungen konnte er zeigen, dass Oxidationen durch Binden einer Kom-ponente der Luft stattfinden und führ-te dies auf Sauerstoff zurück. Weiterhin hat er zeigen können, dass das von Hen-ry Cavendish entdeckte Wasserstoff-Gas durch Reaktion mit Sauerstoff Wasser er-zeugt. Durch seine methodisch rigorosen Analysen und die daraus resultierenden Entdeckungen gilt Lavoisier als Vater der modernen Chemie.

Neben Lavoisier weiß der Studieren-de spätestens im Masterstudium: Es gibt mehr als vier Elemente. Doch wie viele gibt es eigentlich aktuell?

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Wissenschaft

…das Ende schon nah.

Das Ende des Periodensystems

Das Ende des Periodensystems der Ele-mente ist eine ziemlich unnatürliche An-gelegenheit. Das schwerste chemische Element, das in heutigen Periodensyste-men aufgeführt wird, hat die Ordnungs-zahl 118 und eine relative Atommas-se von 294 u! Im Jahr 2006 wurde die künstliche Erzeugung dieses super-schweren Elements in einer russischen Forschungseinrichtung nahe Moskau be-kanntgegeben, nachdem vorherige Be-richte über angebliche Experimente in den USA als Fälschung enttarnt wurden. Gelungen war die Herstellung in Russ-land den Angaben zufolge durch Kernfu-

sion der Elemente Calcium (OZ 20) und Californium (OZ 98). Das neu geschaffe-ne Element ist extrem radioaktiv und zer-fällt mit einer Halbwertszeit von unter ei-ner Millisekunde in leichtere Atomkerne. Ein Nachweis für die Existenz des neuen Elements gelingt aufgrund dieser Kurz-lebigkeit nur über die Analyse der Zer-fallsprodukte. Da ein endgültiger Nach-weis aber noch nicht offiziell von der IUPAC anerkannt wurde, trägt das bis-her schwerste Element noch den syste-matischen Elementnamen Ununoctium (Uuo), bevor es nach Bestätigung der Ex-perimente wohl den endgültigen Namen Moskowium erhalten wird – auf Wunsch der „Entdecker“!

Doch ist die Ordnungszahl 118 wirk-lich schon das Ende? Die Geschwindig-keitsgrenze von Elektronen lässt theore-tisch Elemente bis zur Ordnungszahl 173 zu. Wahrscheinlicher ist aber eine Ober-grenze bei 126, da Berechnungen hier-für einen „magischen Kern“, also eine Art „Stabilitätsinsel“ voraussagen. Dies be-deutet: Ein Element mit der Ordnungs-zahl 126 ist voraussichtlich stabiler als seine benachbarten schwereren oder leichteren Nuklide. Ein ähnliches Phä-nomen kann auch für die natürlichen Elemente der Ordnungszahlen 2, 8, 20, 28, 50 und 82 beobachtet werden, die ebenfalls stabilere Kerne als ihre Nach-barn besitzen.

Übrigens: Das schwerste stabile Ele-ment in der Natur ist Blei (OZ: 82). Das schwerste in der Natur vorkommende – aber instabile, also radioaktive – Ele-ment ist Uran (OZ:92). Alle schwereren Elemente als Uran können nur im Labor durch Kernfusionsexperimente kurzzei-tig erzeugt werden und sind wie gesagt – eine ziemlich unnatürliche Angelegen-heit.

Umgekehrt jedoch,…

Das Ende radioaktiver Zerfallsrei-hen

Wer hoch fliegt, kann tief fallen. Doch wie läuft der Fall ab und vor allem: Wann ist der Fall zu Ende? Bei einer radioak-tiven Zerfallsreihe zerfällt ein radioakti-ves Nuklid solange in weitere radioaktive Nuklide, bis schlussendlich ein stabiles Atom vorliegt. Bedingt durch den statis-tischen Zerfall befindet sich neben dem Ausgangsatom ein Gemisch aus weiteren Nukliden der Zerfallsreihe, einschließ-lich dem stabilen Ende. Als Beispiel zer-fällt wie bereits erwähnt 238U zu 206Pb. Diese Tatsache kann man sich bei der Altersbestimmung von Gesteinen Zu-nutze machen. Man bestimmt das Ver-hältnis der beiden Isotope und kann zu-sammen mit der Halbwertszeit des Urans das Alter der Gesteinsprobe errechnen. So kann man das Alter der Erde oder so-gar das Alter des Sonnensystems durch Gesteinsproben von Meteoriten zurück-rechnen.

Wann unser Sonnensystem seinen An-fang genommen hat, sagt uns das Ende der Zerfallsreihen. Doch wann ist unser Sonnensystem eigentlich am Ende? Und wie sieht das Ende aus?

…das steht in den Sternen denn …

Das Ende eines Sternes

Ein Stern zeichnet sich durch seine Leuchtkraft und Brennprozesse aus. Wasserstoff wird zu Helium fusioniert, wobei durch den Masseverlust Energie entsteht. Diese verleiht einem Stern sei-ne Leuchtkraft, wobei massereiche Ster-

ne heißer, schneller und heller brennen. Sternen mit weniger als 3 Sonnenmassen ist ein Ende als Weißer Zwerg beschert. Ursache dafür ist, dass irgendwann kein Brennmaterial mehr zur Verfügung steht und es keinen temperaturbedingten Ge-gendruck mehr gibt, der der Gravitation entgegenwirken kann. Die Sterne kon-trahieren.

Unterschiede zeigen sich für die ver-schiedenen Massen der Sterne. So kön-nen Sterne von 0,3 bis 2,3 Sonnenmas-sen im Kern das bereits gebildete Helium zu Kohlenstoff brennen, während in der äußeren Hülle das Wasserstoffbrennen voranschreitet. Diese Hülle bläht sich aufgrund der hohen Temperaturen und Drücke auf, sodass ein Roter Riese ent-steht. Schwerere Elemente bis hin zum Eisen entstehen am Ende bei noch mas-sereicheren Sternen, doch durch Son-nenwind stoßen sie so viel Material in den interstellaren Raum ab, dass auch sie als Weiße Zwerge enden.

Supernovae entstehen nur bei Ster-nen mit mehr als 3 Sonnenmassen. In

ihrem Kern hat sich am Ende Eisen ge-bildet, aus dem durch Kernfusion keine Energie mehr gewonnen werden kann – Sternasche.

Dadurch kühlt der Kern ab und auch hier nimmt der der Gravitation entgegen-wirkende Druck durch Brennprozesse ab. Außerdem erhöht sich die Dichte im Kern durch Zerfallsprozesse und Einfang von freien Elektronen deutlich. Zusätz-lich gibt es Energieverluste durch Photo-desintegration, ein Phänomen, bei dem Protonen und weitere Neutronen entste-hen. Es gibt nun eine kritische Grenze, die Chandrasekhar-Grenze, oberhalb de-rer es zu einer Supernova kommt. Diese Grenze hängt neben der Masse auch vom Verhältnis Nukleonen zu Elektronen ab. Wird diese Grenze überschritten, kolla-biert der Kern des Sterns plötzlich so-weit, bis sich aufgrund quantenmecha-nischer Regeln die Dichte an Neutronen nicht mehr erhöhen kann. Die Stoßwel-le wird reflektiert und läuft nach außen.

Hinter ihr erhitzen sich Gase und kön-

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Wissenschaft

nen nun wieder Brennprozesse starten, wobei noch schwerere Elemente als Ei-sen entstehen können. Gelangen die Gase nach außen, kommt es zu einem Burst, den wir als Supernova erkennen können. Danach können die verbliebe-nen Gase wieder kollabieren und werden zu einem Neutronenstern oder bei noch höheren Massen zu einem schwarzen Loch. Übrigens: Rein rechnerisch wäre die Erde als Schwarzes Loch 9 mm groß.

… Stück für Stück…

Das Ende des Heliums

Ob durch Kernfusion oder Kernzerfall –. Helium entsteht permanent, ist sehr sta-bil und folglich das zweithäufigste Ele-ment im Universum. Doch auf der Erde ist das Element Helium bald am Ende. Überwiegend durch den Zerfall radioak-tiver Elemente entstanden, wird es vor allem als Nebenprodukt bei der Gasför-derung gewonnen. Einmal in die Luft freigesetzt, verlässt es aufgrund seiner Leichtigkeit die Erdatmosphäre und ist

auf immer verschwunden. So ist es wie beim Erdöl, dass sich Vorräte, die sich in Milliarden Jahren angesammelt haben, binnen weniger Jahrzehnte erschöpft ha-ben könnten. Verschärft wird dieses Pro-blem dadurch, dass die USA beschlossen haben, unabhängig vom Marktpreis bis 2015 ihre strategischen Reserven zu ver-äußern. Dadurch ist der Preis für Helium so niedrig, dass sehr verschwenderisch damit umgegangen wird. So fordert No-belpreisträger Richardson (der den Preis auch für seine Arbeiten am 3He erhalten hatte) eine starke Verknappung des Heli-

ums, um Recycling attraktiv zu machen und die Reserven für kommende Genera-tionen zu erhalten. Ein Helium gefüllter Ballon auf Partys sollte seiner Meinung nach 150 Dollar kosten.

Doch nicht immer muss dem Ende sorgenvoll entgegen geblickt werden.

…kommt Hoffnung auf…

Das Ende der Pocken

„(…) beschützt mich vor den scheußlich-en Pocken und allem Übel. Amen.“ Mit diesen Worten in einem mittelalterlichen Gebet wird die virale Infektionskrankheit „Pocken“ im 9. Jahrhundert erstmals als solche namentlich erwähnt. Bekannt war die Krankheit jedoch schon sehr viel län-ger: bereits im Alten Testament der Bibel ist als sechste der zehn ägyptischen Pla-gen von „Geschwüren“ die Rede, welche Experten heute für eine damalige Pocke-nepidemie halten.

Pocken können durch die gleichna-migen Pockenviren per Tröpfcheninfek-tion von Mensch zu Mensch übertragen

Ende eines Sterns: Supernova

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Wissenschaft

werden. Als Krankheitssymptome treten nach ein bis zwei Wochen neben star-kem Fieber und Unwohlbefinden auch die charakteristischen, eitrigen Hautpus-teln am gesamten Körper auf, die nach der Heilung schwere Narben hinterlas-sen. Ohne Behandlung bedeutet es bei einer Pockeninfektion bei 30% der er-krankten das Ende. Pocken sind damit eine der gefährlichsten viralen Erkran-kungen überhaupt. Oder besser gesagt: Sie waren eine der gefährlichsten viralen Erkrankungen. Denn seit 1980 gilt die Krankheit laut WHO offiziell als welt-weit ausgerottet!

Die medizinische Erfolgsgeschichte der Pockenbekämpfung begann 1769, als

der Engländer Edward Jenner erkannte, dass eine vorausgegangene Infektion mit den harmlosen Kuhpocken vor einer töd-lichen Pockeninfektion schützt. Dies war nicht nur Geburtsstunde der Impfstrate-gie (Vaccinierung) allgemein, sondern zu-gleich der Beginn einer im 19. und frühen 20. Jahrhundert zunächst national und ab 1967 von der WHO schließlich inter-national verfolgten Impfpflicht gegen Po-cken, die 1980 zum Ende der Krankheit führte. Zu spät für unzählige Menschen, die der Seuche zum Opfer fielen – aber ein ermunterndes Beispiel im Kampf ge-gen heutige Infektionskrankheiten. Das Ende aller Krankheiten – ein Traum. Für viele Menschen bedeutet das eine höhe-re Lebenserwartung. Auch viele gesunde Menschen wünschen sich länger zu le-ben. Was kann die Chemie leisten? Wo ist das Ende der Fahnenstange?

… Fortbestand …

Das Ende des Alterns

Seine durchschnittliche Lebenserwar-tung zu erhöhen ist in unserer westli-chen Gesellschaft zusammen mit dem prinzipiellen Gesundheitsbestreben in-zwischen zu einem Mantra geworden, welchem viele durch – teils kuriose – Methoden zu folgen versuchen. Dabei sind die Faktoren, die Einfluss auf die menschliche Lebenserwartung nehmen,

zwar bereits intensiv erforscht, jedoch noch lange nicht vollständig verstanden worden.

Der fortschreitende und unumkehr-bare biologische Alterungsprozess findet über die gesamte Lebensdauer der meis-ten Organismen statt und endet mit dem Tod derselben. Die Frage jedoch, warum Organismen überhaupt altern, ließ bisher eine Reihe von Alternstheorien entste-hen, von welchen aber bisher keine wis-senschaftlich als umfassend akzeptiert wurde. Das Altern kann zunächst in Ent-wicklung (Adoleszenz) und Seneszenz (Vergreisung) unterteilt werden, wobei bei Letzterem primäres und sekundäres Altern unterschieden werden. Primäres Altern bezeichnet allein die zellulären Al-terungsprozesse ohne das Zuwirken von Erkrankungen und wurde beim Men-schen auf ca. 120 Jahre gesetzt. Im Tier-modell wurden bereits mehrere Maß-nahmen gefunden, welche das primäre Altern verzögern, wie zum Beispiel die Gabe von Rapamycin oder Kalorienrest-riktion. Allerdings konnten bisher weder diese noch andere bekannte Vorgehens-weisen beim Menschen beweisbar zu Er-folgen führen.

Entsprechend zum primären bezeich-

net das sekundäre Altern die Folgen äu-ßerer Einwirkungen, die die Lebensspan-ne verkürzen. Diese kann beispielsweise durch Krankheiten, Bewegungsmangel, Fehlernährung oder Suchtmittel verrin-gert werden. Was vielleicht überraschen mag ist die Tatsache, dass viele alterungs-bedingte Veränderungen keinen Einfluss auf die Vitalität oder die Lebensdauer haben. Beim Ergrauen der Haare infolge von Alterung ist beispielsweise lediglich eine verminderte Expression der Katala-se und der beiden Methioninsulfoxidre-duktasen MSRA und MSRB festzustel-len, jedoch keine Beeinträchtigung der Lebensfähigkeit.

Dementsprechend gibt es auch Orga-nismen, welche vernachlässigbar altern, oder sogar gar nicht. In freier Wildbahn werden allerdings trotzdem selten Orga-nismen sehr hohen Alters angetroffen, da keine Art gegen den sogenannten Katas-trophentod geweiht ist, der ein von au-ßen herbeigeführtes Massensterben wie das durch besonders angepasste Raubtie-re oder Krankheiserreger bezeichnet. Un-ter Laborbedingungen können zum Bei-spiel Süßwasserpolypen oder bestimmte Protozoen wie Amöben oder Algen the-oretisch unendlich alt werden, während

Zelluläre Alterungsprozesse in der Übersicht aus Cell, Volume 153, Issue 6, 1194-1217, 2013.

Dossier

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Wissenschaft

Klippenbarsche und die Amerikanische Sumpfschildkröte lediglich eine sehr ge-ring feststellbare Alterung aufweisen.

Die gängigste und populärste Theo-rie des Alterns ist die Schadenstheorie. Diese beinhaltet das Altern als Summe zerstörerischer Prozesse wie Oxidation, Abnutzung und Akkumulation schädli-cher Stoffwechselnebenprodukte. Vielen wird dazu die auf der Rate-of-Living auf-bauende Theorie der freien Radikale von Denham Harman einfallen, welche An-tioxidantien als Radikalfänger und damit als potenzielle Wirkstoffe gegen das Al-tern ansieht. Allerdings wird diese The-orie mittlerweile von Gerontologen als kritisch angesehen, da manche Labor-ergebnisse, wie der Gen-Knockout von antioxidativen Systemen wie dem der Mangan-Superoxid-Dismutase, zwar die Inzidenz für Krebs, nicht aber die Alte-rungsgeschwindigkeit erhöhen.

Eine weitere Alternstheorie stellt die Telomer-Hypothese von Calvin Harley dar. Diese beschreibt die zunehmende Verkürzung der Telomere an den Chro-mosomenden mit jeder durchlaufenen Zellteilung. Damit verlangsamt sich die Zellteilungsrate mit abnehmender Telo-merlänge, bis sich die Zelle schlussend-lich gar nicht mehr teilt. Dies ist in den meisten menschlichen Geweben zusam-men mit deren mitotischer Aktivität zu beobachten, während in mitotisch inak-tivem Herz- und Gehirngewebe die Telo-merlängen weitgehend konstant bleiben. Während bei den meisten langlebigen Organismen eine Korrelation zwischen der maximalen Lebensspanne und der maximalen Anzahl an Zellteilungen vor-liegt, ist z.B. die Lebensspanne des Mo-dellorganismus Caenorhabditis elegans unabhängig von der Telomerlänge und damit der maximalen Anzahl der Zelltei-lungen.

Abgesehen von diesen Theorien gibt es zudem auch die zelluläre Seneszenz, welche den biochemischen Gegenspieler der Zellen zur Entartung zu Krebszellen darstellt. Dabei bleiben die Zellen in der G1-Phase des Zellzyklus stecken und er-reichen die S-Phase nicht mehr. Sie wird durch die beiden Proteine p53 („Wächter des Genoms“) und pRB (Retinoblastom Protein) reguliert und beugt zusammen mit dem Vorgang der Apoptose im vor-herrschenden Erklärungsmodell der Ent-stehung von Krebszellen vor.

Allerdings führt die Überexpression

von p53 zumindest in Mäusen zu früh-zeitigen Alterserscheinungen. Somit lässt sich nach derzeitigem Wissen vermutlich vielen Wissenschaftlern, wie auch Gerar-do Ferbeyre, zustimmen, welche in den an der Alterung beteiligten Prozessen den Preis zur weitgehenden Vermeidung von Krebserkrankungen sehen.

Das endlose Dossier zum Thema „Ende“ neigt sich endlich endgültig dem Ende zu. Wer bis hier durchgehalten hat, bekommt noch einen Eindruck von der unendlichen Endlichkeit der Chemie mit auf den Weg. Doch zurück zum Anfang (vom Ende)!

…an den Anfang zurück

Das Ende des Teilchenmodells

Was ist der unteilbare Grundbaustein, der alle Materie aufbaut? Dies ist eine Frage, die die Menschheit schon seit lan-ger Zeit umtreibt. Lange haben sich die Idee von einem beliebig teilbaren Konti-nuum und einem körnigen Teilchenmo-dell gegenüber gestanden. Die Vertreter des Kontinuums waren sogar bis zum An-fang des 20. Jahrhunderts von ihrer Idee überzeugt. Was waren auf diese grund-sätzlichen Frage, die so sehr von der Phi-losophie der jeweiligen Kultur geprägt ist, die ersten Antworten und wie versuchen wir uns heute die Materie zu erklären?

Feuer, Wasser, Erde, Luft – ein erster Erklärungsversuch der Menschheit für den Aufbau des Universums. Der griechi-sche Philosoph Leukipp dagegen schlug im 5. Jahrhundert vor Christus ein Mo-dell vom „Unzerteilbaren“ vor, aus dem sich alle Materie zusammensetzt. Ob-wohl die alchemistische Sichtweise im Mittelalter zwar wieder lieber die Vier-Elementen-Lehre bevorzugte, veröffent-lichte Robert Boyle im 17. Jahrhundert seine Idee der „Corpuscules“, die in ver-schiedener Kombination die Materie auf-bauen. Die erste „Zerteilung“ des Atoms fand statt, als J. J. Thomson in Kathoden-strahlen Elektronen entdeckte. Der da-zugehörige schwere Teil wurde von Ruth-erford beim Beschuss von Goldfolie mit α-Strahlen gefunden. Der positive Be-standteil des Atomkerns war als Wasser-

stoffkern schon bekannt, doch erst 1932 beschrieb James Chadwick das Neutron. Noch einige Jahre danach nahm man an, Neutronen setzten sich aus Protonen und Elektronen zusammen. Weil ein län-gerer Aufenthalt des Elektrons im Kern aber unwahrscheinlich ist, musste die-se Vorstellung weiteren, kleineren Teil-chen weichen: So postulierte Gell-Mann 1964, dass Quarks noch kleinere Bau-steine sind. Ein Up-Quark mit der La-dung +2/3 und zwei Down-Quarks mit der Ladung -1/3(udd) bilden das neutrale Neutron – die Kombination für ein Pro-ton mit der Gesamtladung +1 könnt ihr euch nun denken. Doch um die Zerteil-barkeit in Quarks ist es ein bisschen hei-kel bestellt: So ist es schwer, freie Quarks zu beobachten, da diese von den Eichbo-sonen namens Gluonen in naher räumli-cher Nähe zueinander gehalten werden. Die Gluonen vermitteln die starke Kraft, indem sie zwischen den Quarks Farb-ladung austauschen. Laut Confinement-theorie können dadurch Quarks sich nur in geringem Abstand zueinander wie freie Teilchen verhalten. Dagegen steigt bei großem Abstand die Energie, sodass Quarks sich nicht „befreien“ können. Und nun sind wir am momentanen Ende des Teilchenmodells angelangt, das fol-gende Teilchen als Grundbausteine un-seres Universums beschreibt: Leptonen, zu denen das Elektron gehört, Quarks, und Eichbosonen, zu denen die Gluonen gehören. Einen ausführlicheren Einblick in das Teilchenmodell und seine zu er-forschenden Grenzen findet ihr im Buch „Odyssee im Zeptoraum: Eine Reise in die Physik des LHC“ von Gian Francesco Giudice. Ende.

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Wissenschaft

Zur richtigen Zeit am richtigen OrtVF

Über den Kolbenrand

Ob zur Landvermessung, zum „Flotten-management“ im öffentlichen Nahver-kehr, für Navigationssysteme für Autos oder für Outdoor-Aktivitäten auf Smart-Phones – das Global Positioning Sys-tem, besser bekannt unter der Abkür-zung GPS, zur satellitengestützte Ortung von Objekten oder zur Bestimmung ihrer Geschwindigkeit und Bewegungsrich-tung auf oder in der Nähe der Erde wird heutzutage vielfältig genutzt. Eigentlich wurde dieses System seit den 70er Jah-ren vom US-Verteidigungsministerium für militärische Zwecke entwickelt. Be-reits 1978 wurde dazu der erste GPS-Sa-tellit in eine Umlaufbahn von 20.200 km Höhe und einer Bahnneigung von 63° ge-schossen. Erst im April 1995 wurde die volle Funktionsbereitschaft erreicht. Ab diesem Zeitpunkt war das GPS für das US-Militär verwendbar. Um die uner-wünschte Benutzung des Systems durch nicht-autorisierte Personen zu verhin-dern, wurde die Genauigkeit für Benut-zer, die nicht über einen Schlüssel ver-fügen, künstlich verschlechtert. Im Mai 2000 wurde das System zur Signalver-schlechterung abgeschaltet und GPS für die Nutzung im zivilen Bereich frei ge-geben.

Derzeit gibt es 35 GPS-Satelliten, von denen ständig 24 für das GPS im Ein-satz sind. Die Satelliten umrunden die Erde auf elliptischen Bahnen in etwa 20.200 km Höhe. Dabei müssen sich je vier Satelliten auf einer von sechs unter-schiedlichen Bahnebenen bewegen, die um 55° gegen die Äquatorebene geneigt und gegeneinander um jeweils 60° ver-dreht sind. Ein Satellit ist zweimal in 23 Stunden 55 Minuten und 56,6 Sekun-den über demselben Punkt der Erde und jeden Tag etwa vier Minuten früher auf dieser Position. Durch diese Anordnung befi nden sich zu jedem Zeitpunkt an je-dem Ort der Erde mindestens vier Satel-liten in brauchbarer Höhe über dem Ho-rizont.

Jeder der GPS-Satelliten, die mit Atomuhren ausgestattet sind, sendet lau-fend durch kodierte Radiosignale seine aktuelle Position und die genaue Uhr-zeit. Der GPS-Empfänger auf der Erde bestimmt die Ankunftszeit des Signals. Aus den Signallaufzeiten kann ein GPS-Empfänger seine eigene Position (ein-schließlich der Höhe) berechnen. Sofern

der GPS-Emp-fänger eine ei-gene, ebenso exakt gehende Uhr wie die Sa-telliten besäße, würde für die Posit ionsbe-stimmung das Signal von drei Satelliten aus-reichen. Für Posi t ionsan-gaben mit ei-ner Genauig-keit von etwa 15 Metern sind allerdings Zeit-messungen mit Genauigkei -ten im Bereich von zehn Milli-ardstel Sekun-den notwendig. In der Praxis besitzen GPS-Empfänger jedoch keine Uhr, die genau genug ist, um die Laufzeiten so genau zu messen. Stattdessen wird das Signal eines vierten Satelliten verwendet, mit dem die exakte Zeit im Empfänger ermit-telt werden kann.

Bei Genauigkeiten im Bereich von zehn Milliardstel Sekunden müssen auch relativistische Korrekturen berück-sichtigt werden. Da gemäß der allge-meinen Relativitätstheorie die Gang-geschwindigkeit einer Uhr vom Ort im Gravitationsfeld und nach der speziellen Relativitätstheorie ebenso von ihrer Ge-schwindigkeit abhängt, unterliegt die auf Atomuhren auf den GPS-Satelliten an-gezeigte Zeit den Effekten der sogenann-ten relativistischen Zeitdilatation. Wegen der geringeren Gravitation in der Satelli-tenbahn, die nur etwa sechs Prozent der Schwerkraft auf der Erde beträgt, ver-geht die Zeit dort schneller, wohingegen die Bahnbewegung der Satelliten relativ zu einem ruhenden Beobachter auf der Erde die Zeit verzögert. In der GPS-Sa-tellitenbahn überwiegt der gravitative Ef-fekt um mehr als das Sechsfache. Aus diesem Grund geht die Zeit auf den Sa-telliten vor. Der relative Gangunterschied zu einer irdischen Uhr liegt jedoch bei nur 4,4∙10−8 %.

Häufi g liest man, dass dieser Gang-unterschied zu einem Positionsbestim-mungsfehler von mehreren Kilometern pro Tag führen würde. Ein derartiger Fehler entstünde jedoch nur, wenn die Positionsbestimmung über die Ermitt-lung der Abstände des GPS-Empfängers zu drei Satelliten anhand eines Zeitver-gleichs mit einer Uhr im Empfänger er-folgen würde. Dabei ergäbe sich ein Feh-ler von etwa 11,5 km pro Tag. In der Regel sind GPS-Empfänger jedoch nicht mit einer Atomuhr ausgestattet, sondern die genaue Zeit am Empfangsort wird durch das Signal eines vierten Satelli-ten ermittelt. Da alle Satelliten den glei-chen relativistischen Effekten unterlie-gen, ergibt sich insgesamt nur ein sehr geringer Fehler bei der Positionsbestim-mung. Dieser relativistische Fehler so-wie weitere Fehler durch andere Effek-te werden ständig korrigiert, so dass der GPS-Empfänger ein Signal erhält, aus dem er jederzeit die korrekte Position be-rechnen kann.

GPS-Satelliten gewährleisten, dass wir uns jederzeit am richtigen Ort befi n-den.

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Wissenschaft

Kaltes atmosphärisches Plasma gegen Gehirntumoren

VF

Glioblastom ist bei Erwachsenen der häufi gste und aggressivste Gehirntumor. Die Prognosen sind in der Regel – trotz einer Behandlung einschließlich der chi-rurgischen Entfernung des Tumors und darauf folgender Chemo- und Strahlen-therapien – schlecht. Sehr häufi g kommt es zu einem Wiederauftreten des Tu-mors, das bedingt sein kann durch Resis-tenzen von Zellen gegenüber Chemothe-rapeutika wie Temozolomid.

In einer neuen Studie konnten For-scher des Max-Planck-Instituts für ext-raterrestrische Physik zeigen, dass kal-tes atmosphärisches Plasma, kurz CAP (engl. „cold atmospheric plasma“), einen neuen, vielversprechenden Ansatz für die Behandlung von Glioblastom liefert. CAP wird in einem speziellen Gerät her-gestellt, in dem Luft durch elektrische Entladungen teilweise ionisiert wird.

Dabei entsteht eine reaktive Mischung aus Elektronen, Ionen, freien Radikalen und UV-Licht. Es wurde bereits in frü-heren Arbeiten gezeigt, dass CAP Bak-terien, Pilze, Viren und Sporen inaktivie-ren kann, wohingegen gesundes Gewebe weitgehend unbeschädigt bleibt.

In ihrer aktuellen Studie demonstrier-ten die Forscher die Anti-Tumor-Wirk-samkeit von unterschiedlichen Dosen an CAP anhand von Zellkulturen mit Temo-zolomid-sensitiven sowie Temozolomid-resistenten Zellen. Es zeigte sich, dass sowohl sensitive als resistente Zelllini-en für die CAP-Behandlung empfänglich waren. Des Weiteren stellte die CAP-Be-handlung die Empfi ndlichkeit von resis-tenten Glioblastomzellen gegenüber dem Chemotherapeutikum Temozolomid wie-der her. Gleichzeitige Behandlung mit CAP und Temozolomid führte zur Inhi-

bition des Zellwachstums und zum Zell-zyklusarrest. Dabei konnte deutlich we-niger Temozolomid eingesetzt werden als bei der Anwendung des Chemotherapeu-tikums alleine. Bisher entstanden in den untersuchten Zellkulturen keine Resis-tenzen gegen die Behandlung mit CAP. Somit bietet die Behandlung mit kaltem atmosphärischen Plasma einen vielver-sprechenden Ansatz für die Entwicklung einer effi zienten Therapie gegen Glio-blastome.

Im Studium ist die eigene Lernkompe-tenz – also die Kenntnis und Optimie-rung des eigenen Lernens – die Vor-aussetzung für eure wissenschaftliche Ausbildung.

Das hochschuldidaktische Team der TUM, ProLehreTUM, bietet euch daher semesterbegleitend Angebote zur För-derung dieser Lernkompetenz. In einer Reihe von meist halb- oder eintägigen Workshops könnt ihr euren individu-ellen Lernstil herausfi nden sowie die Grundlagen für das eigenständige Pla-

nen und Optimieren des Lernprozes-ses kennenlernen. Geeignete Lerntech-niken und konkrete Methoden können zudem ausprobiert und an konkreten Studiensituationen (z.B. Vorlesungen, Prüfungsvorbereitung) getestet werden. Zudem zeigen wir euch Möglichkeiten auf, wie ihr selbst Lernanreize setzen und damit eure Motivation für das Ler-nen erhöhen könnt.

Darüber hinaus bieten wir regelmä-ßig Lernsprechstunden an, in denen wir individuell auf eure konkreten Fra-

gen eingehen und in denen ihr euch Tipps und Anregungen zur Gestaltung des eigenen Lernens geben können. Gerne beraten wir euch auch, wenn es um die effektive Planung der Ab-schlussarbeitsphase geht.

Aktuelles, weitere Angebote und In-formationen sowie die Anmeldung zu den Kursen und Beratungen fi ndet ihr unter www.prolehre.tum.de/learning

Kontakt:Cornelia Entner, Michael Hellwig, Ellen Taraba und Christina [email protected]

ProLehre: Lernkompetenz

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Wissenschaft

„Stone-washed“ Jeans 2.0AL

Aufdestilliert

Hast Du Dich schon immer mal gefragt, ob Deine „Stone-washed“ Jeans von der letzten Shopping-Tour wirklich mit Stei-nen gewaschen wurden, um ihren cha-rakteristischen „used-look“ zu erhalten? Die Antwort auf diese Frage dürfte nicht nur die Fashion-Victims unter Euch in-teressieren, sondern alle Chemiker und Chemikerinnen.

In traditionellen „Stone-washed“ Ver-fahren werden Jeanshosen tatsächlich mit Bimsstein und bleichenden Chemi-kalien, wie z.B. Chlor, in Spezialmaschi-nen gewaschen. Die mechanische Be-lastung der Cellulosefasern durch den Bimsstein, sowie die Aufhellung des für Jeans typischen blauen Indigo-Farbstof-fes durch Chlor sorgen hierbei für den gewünschten Effekt. Zusätzlich zu die-sem Waschgang, der die Hose als Ganzes bearbeitet, werden noch lokale Verfah-ren angewandt, um ein ungleichmäßige-res Abnutzungsbild der Jeans zu erzielen: Genau jene Stellen, die besonders abge-tragen erscheinen sollen, also etwa Knie und Taschen, werden mit einer ergän-zenden Sandstrahl-Technik behandelt. Sowohl die bleichenden Chemikalien im Abwasser der Textilindustrie als auch der durch den Sandstrahl entstehende, sehr gesundheitsschädliche Staub, stellen je-doch erhebliche Risiken für Mensch und Umwelt dar. Die Sandstrahl-Behandlung von Textilien ist bereits in den meisten Ländern verboten – nicht jedoch in ei-

nigen Billiglohnländern wie z.B. Bangla-desch und China, aus denen allein über 50% der in Deutschland verkauften Jeans stammen.

Neben diesem traditionellen Verfah-ren gibt es ein weiteres, biotechnologi-sches „Stone-washed“ Verfahren. Dabei werden die Jeans mit Cellulasen gewa-schen, welche die Indigo-gefärbten Cel-lulosefasern schrittweise hydrolysieren. Die Enzymreaktion muss dann rechtzei-tig wieder gestoppt werden, da die Cellu-lasen außer den Knöpfen der Jeans nicht viel übrig lassen würden. Darüber hin-aus werden neben den Cellulasen auch Laccasen eingesetzt, die indigoide Farb-stoffe oxidieren und somit zusätzlich zum „used-look“ beitragen. Bei dieser „Stone-washed 2.0“ Behandlung werden ein-zelne Regionen der Jeans, die verstärkt abgenutzt aussehen sollen, vor dem En-zym-Waschgang mit einer Paste behan-delt, welche die Milieu-Bedingungen für die Cellulasen und Laccasen lokal so ver-ändern, dass diese eine entsprechend hö-here oder niedrigere Aktivität aufweisen. „Stone-washed 2.0“ ist dabei nicht nur wesentlich umweltfreundlicher, sondern auch materialschonender, energiesparen-der und effi zienter gegenüber traditionel-len Methoden.

Wenn Du nicht weißt, ob die Jeans, die Du im Laden kaufen möchtest, mit dem traditionellen oder dem biotech-nologischen Verfahren bearbeitet wur-

de, oder Du aber nicht auf die Billig-jeans „Made in Bangladesch“ verzichten möchtest, die mit hoher Wahrschein-lichkeit durch gesundheitsgefährden-de chemische und mechanische Metho-den behandelt ist, so bleibt nur der Griff zur waschechten, urbelassenen, dunkel-blauen Blue Jeans. Diese sind prinzipi-ell weniger behandelt und machen die Shopping-Tour zumindest halbwegs öko-logisch akzeptabel.

Stone-washed Jeans

FalschmeldungTB

In den Medien (SZ, taz etc.) wurde im Juli von einem angeblichen Rückzug Monsantos im Bereich gentechnisch ver-änderter Lebensmittel aus Europa be-richtet. Was als Erfolg der Anti-Gen-technik-Bewegung gefeiert wurde, ist in Wahrheit nur eine Falschmeldung, wie später bekannt wurde (Deutsche Wirtschafts Nachrichten). Es wäre auch verwunderlich gewesen: Erst im Janu-ar 2009 wurde der Neuzulassungsantrag der Maissorte MON810 von der EFSA (European Food Safety Authority) der Europäischen Union akzeptiert und nach

Prüfung wieder zugelassen. Erst nach neun weiteren Jahren müsste eine er-neute Neuzulassung erfolgen. Somit ist kein Grund erkennbar, weshalb Monsan-to auf den europäischen Markt verzich-ten sollte.

Die Sorte MON810 besitzt das Pro-tein Cry1Ab aus Bacillus Thuringiensis, welches als α-Poren-bildendes Toxin über eine Domäne zur Spezifi tätsbestimmung und zwei Domänen zur α-Kanalbildung zu osmotischer Lyse in den Mitteldarm-Zellen von Insekten führt.

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Unterhaltung

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Sudoku

Das kleine ABC

1 3 5

5 1 9

6

8 4

3 7 4 9 1

6 3 7 8

5 1 2 4

4 8 1

7 2

4 8 6 7

5 3

7 5

4 8 7

1

7 9 2

4 2 9

8

9 6 3 1

N… wie Nephelometrie, ist ein optisches Analyseverfahren. Unter Aus-nutzung des Tyndall-Effekts wird die Konzentration kolloidaler und feindisper-ser Teilchen in Flüssigkeiten und Gasen bestimmt. Die Streuung des Lichts kann hierbei entweder durch Messung der In-tensität des einfallenden Lichtstrahls nach Durchgang durch das zu untersu-chende Medium oder durch die Bestim-mung der Intensität des seitlich abge-lenkten Lichts ermittelt werden. Beide Verfahren sind geeignet, um den Staub-gehalt von Abgasen zu bestimmen.

O… wie Ormocere, aus dem Engl. organically modified ceramics, sind Ma-terialien, die über einen chemischen Syntheseprozess durch Verknüpfung von Bausteinen, die typisch für Gläser oder keramische Materialien sind, mit orga-nischen Bausteinen hergestellt werden. Damit lassen sich im Gegensatz zu rei-nen Mischprozessen Homogenitäten bis in den molekularen Bereich herab erzie-len und Werkstoffe von hoher Transpa-renz erzeugen. Ormocere werden vor al-lem für Beschichtungen eingesetzt.

P… wie Paneth, Friedrich (1887–1958), war österreichischer Chemiker und Direktor des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz. Paneth befasste sich mit radioaktiven Zerfallsreihen und Altersbestimmung (besonders von Me-teoriten) und leistete wesentliche Bei-träge zur Chemie radioaktiv markierter Moleküle. Außerdem entwickelte er ein Verfahren zur Trennung von Helium und Neon sowie zur quantitativen Bestim-mung kleinster Edelgase.

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Weichmacher im KinderspielzeugMW

Regelmäßig ist in Schlagzeilen, Testzeit-schriften oder einschlägigen Verbrau-chermagazinen von Gift im Kinderspiel-zeug die Rede. Vieles, was im Bezug darauf immer wiederkehrt, lässt sich thematisch am Beispiel des am häufi gs-ten genutzten Thermoplasten Polyvinyl-chlorid (PVC) auf einen einfachen Nen-ner bringen. Normalerweise würde PVC nach der Polymerisation hart und spröde vorliegen. Um dann das breite Anwen-dungsspektrum des PVC tatsächlich zu

erreichen, müssen bei der thermoplas-tischen Verarbeitung Weichmacher und Stabilisatoren hinzugegeben werden. Diese Weichmacher verändern je nach Wunsch Elastizität und Plastizität des Kunststoffs. Das rührt daher, dass sich die Weichmacher (z. B. Phtalsäureester) in die Struktur der Thermoplaste einla-gern und die Dipol-Dipol-Wechselwir-kungen zwischen den einzelnen Polymer-ketten stören.

Es ist dabei für Spielzeug und Le-bensmittelverpackungen (auch Babyfl a-schen) besonders problematisch, dass die Weichmacher aus dieser Struktur zum Beispiel bei erhöhten Temperatu-ren wieder entweichen können. Kritisch für Kinder ist vor allem die hormonelle Aktivität einiger Substanzen, die sich fa-tal auf Wachstum und Reife auswirken können. Obwohl viele schädliche Kom-binationen nach und nach verboten wer-

den, ist es doch ratsam, sich bei Bedarf vor dem Kauf genau über dieses The-ma zu informieren. Es gibt beispielswei-se Kunststoffe, die grundsätzlich weniger problematisch als andere sind. Alternativ sind Materialen mit weniger chemischen Verarbeitungsschritten (Glas, Holz) zu empfehlen.

Die Badeente

Rebus

Lösungswörter des Rebus: Erlenmeyerkolben

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Unterhaltung

Male alle Felder mit Punkt aus!

Zahnschmelz ist dem Material, aus dem unsere Knochen aufgebaut sind, sehr ähnlich und dadurch sehr langlebig. Aber warum zerfallen dann die Milchzähne? Zahnschmelz ist eine mineralische Sub-stanz, die hauptsächlich aus Calcium, Phosphor, Magnesium, Natrium, Car-bonat, Wasser und sehr geringen Men-gen an organischem Material (Protei-nen) besteht. Die Proteine dienen der Orientierung und Platzierung der Mikro-Kristalle aus natürlichem Hydroxylapa-tit während des Wachstums. Der Verlust selbst kleiner Mengen Wasser im Zahn-schmelz könnte die Ursache dafür sein, dass einige Zähne beim Austrocknen zer-bröckeln. Bei einem gesunden Zahn im

Mund versorgt nämlich die Wurzel den Zahn nicht nur mit Blut, Sauerstoff und Mineralien, sondern auch mit Wasser. Somit wird der Zahn kontinuierlich be-wässert. Wenn ein Milchzahn ausfällt, wird die Wasserversorgung gestoppt und der Zahn trocknet mit der Zeit aus. Es sei denn, er wird sachgemäß konserviert. Sogar Erwachsenenzähne können zum Beispiel nach einer Wurzelkanalbehand-lung intern dehydrieren, weil die nähren-den Blutgefäße verloren gegangen sind. Die Zähne sind dann spröde und anfällig für Frakturen. Im Internet kursieren ver-schiedene Rezepte, wie man Milchzäh-ne als Andenken aufbewahren soll. Eine gründliche Sterilisation des Zahnes sei

ratsam. Außerdem werden verschiede-ne Mischungen zur Milchzahnerhaltung vorgeschlagen, die auf Wasser basieren –zum Beispiel eine Wasser-Glycerin-Mi-schung. Luftdichte Boxen können eben-falls das Austrocknen der Milchzähne verhindern.

Wenn die Zahnfee mal wieder länger braucht...

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Noch kannst Du den „Chemist“ retten!Melde Dich bei

[email protected] und werde Redakteur!

Das war Dein letzter „Chemist“!

Page 31: Ausgabe 03/2013
Page 32: Ausgabe 03/2013

• Leibniz-Rechenzentrum der BAdW• Walther-Meißner-Institut für

Tieftemperaturforschung der BAdW• Fakultät für Chemie der TUM• Fakultät für Informatik der TUM• Fakultät für Maschinenwesen der TUM• Fakultät für Mathematik der TUM• Physik-Department der TUM• Munich School of Engineering (MSE) der TUM• TUM Graduate School• Exzellenzcluster MAP• Exzellenzcluster NIM• Exzellenzcluster SyNergy• Exzellenzcluster Universe• Institute for Advanced Study (IAS) der TUM• Forschungs-Neutronenquelle

Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der TUM• Zentralinstitut für Medizintechnik der TUM

(IMETUM)• Walter Schottky Institut (WSI) und Zentrum für

Nanotechnologie und Nanomaterialien (ZNN) der TUM

• Maier-Leibnitz-Laboratorium der TUM und der LMU

• Bayerisches Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE Bayern)

• Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP)• Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik

(MPE)• Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA)• Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ)• Europäische Südsternwarte ESO • Fraunhofer-Einrichtung für Angewandte und

Integrierte Sicherheit (AISEC)• Fraunhofer Projektgruppe Elektrochemische

Speicher (ECS)• Metall-Innung München-Freising-Erding• GALILEO• gate – Garchinger Technologie- und

Gründerzentrum GmbH• Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit

(GRS) mbH• ITG Isotope Technologies Garching GmbH• T-Systems Solutions for Research GmbH

Kulinarisches bieten das StuCafé der Mensa desStudentenwerks München, Crazy Bean imInstitute for Advanced Study, C2 – die Campus-Cneipe mit Biergarten, Bistro des gate, Imbiss-stände vor dem IMETUM, Betriebsrestaurant undCafeteria des IPP, die Cafeterien der ESO und desMPQ sowie die Cafeterien der Fakultäten.

Für den Besuch der Forschungs-Neutronenquellegilt: Alter über 18 Jahre, gültiger Personalausweisoder Reisepass erforderlich. Anmeldung amVeranstaltungstag im Physik-Department.

Anfahrt: U6 bisEndstation „Garching

Forschungszentrum“ oder Autobahn A9 Ausfahrt„Garching-Nord“. Es stehen nur begrenztParkmöglichkeiten zur Verfügung.

Kostenlose Shuttle-Busse auf dem Gelände.

www.forschung-garching.de

Wissenschaft inGarching. Tag der

offenen Tür am 19. Oktober 2013

11 bis 18 Uhr

Forschunglive.

Es laden ein:

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