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Ausgabe 6 Erscheinungsjahr 2017 Vorwort S. 2 Tätigkeitsbericht Transplantationszentrum Tübingen S. 3 Der Blick hinter die Kulissen – Vom Organangebot zur Transplantation S. 6 Richtlinienänderung zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms von 2015 S. 8 Bauchwandhernien bei Wartelistenpatienten: Wann sollte operiert werden? S. 11 Alternativen zur Dünndarmtransplantation – neue konservative Therapiemöglichkeiten des Kurzdarmsyndroms S. 14 Budd-Chiari Syndrom: Eine seltene aber potentiell lebensbedrohende Lebererkrankung S. 17 Schwangerschaft nach Ovarialgewebe- Retransplantation S. 21 Ein Blick in die Studienzentrale Tübingen – 10 Jahre Chirurgische Studienzentrale, Transplantationszentrum Tübingen S. 26 Die Rolle der Psychosozialen Betreuung in der Transplantationsmedizin im Hinblick auf eine „Lebendspende“ S. 29 Chronisches Nierentransplantat-Versagen durch Polyomavirus-assoziierte Nephropathie (PVAN) S. 31 Kunsttherapie in der Transplantationsmedizin S. 34 Das eigene Leben als bestes Argument S. 41 Wichtiges in Kürze S. 43

Ausgabe 6 Erscheinungsjahr 2017 · Ausgabe 6 Erscheinungsjahr 2017 Vorwort S. 2 Tätigkeitsbericht Transplantationszentrum Tübingen S. 3 Der Blick hinter die Kulissen – Vom Organangebot

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Ausgabe 6Erscheinungsjahr 2017

Vorwort S. 2

Tätigkeitsbericht Transplantationszentrum Tübingen S. 3

Der Blick hinter die Kulissen –Vom Organangebot zur Transplantation S. 6

Richtlinienänderung zur Feststellung des endgültigen,nicht beheb baren Ausfalls der Gesamtfunktion desGroßhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms von 2015 S. 8

Bauchwandhernien bei Wartelistenpatienten:Wann sollte operiert werden? S. 11

Alternativen zur Dünndarmtransplantation –neue konservative Therapiemöglichkeiten des Kurzdarmsyndroms S. 14

Budd-Chiari Syndrom: Eine seltene aber potentielllebensbedrohende Lebererkrankung S. 17

Schwangerschaft nach Ovarialgewebe-Retransplantation S. 21

Ein Blick in die Studienzentrale Tübingen –10 Jahre Chirurgische Studienzentrale, Transplantationszentrum Tübingen S. 26

Die Rolle der Psychosozialen Betreuung in der Transplantationsmedizin im Hinblick auf eine „Lebendspende“ S. 29

Chronisches Nierentransplantat-Versagen durch Polyomavirus-assoziierte Nephropathie (PVAN) S. 31

Kunsttherapie in der Transplantationsmedizin S. 34

Das eigene Leben als bestes Argument S. 41

Wichtiges in Kürze S. 43

Auch im Jahr 2016 war die Situation im Bereichder Organtransplantation in Deutschland schwierig.Bestenfalls kann man von einer Stabilisierung derTransplantationszahlen auf einem niedrigen Niveausprechen.

Leber

Im Gegensatz zu den deutschlandweit stagnieren-den Zahlen, stieg im Jahr 2016 die Zahl der Trans-plantationen in Tübingen im Allgemeinen und dieZahl der Leber-Transplantationen im Speziellen imVergleich zum Jahr 2015 sogar um 14% an.

Hervorzuheben sind:

1. Mehr Split-Lebertransplantationen 2016

Der Anteil dieser Transplantationsoption betrug inTübingen 19%, wohingegen in Deutschland der Anteil lediglich bei 9% und im gesamten Eurotrans-

plant-Raum bei 5% lag. Die Technik der Split-Le-bertransplantation (Gewinnung von zwei Transplan-taten aus einer Spenderleber) ist in erfahrenenHänden ein sicheres Verfahren, das somit nachweis -lich zu einer reellen Vermehrung von Spenderorga-nen führt. Davon profitieren insbesondere Kinder,ohne dass dadurch Erwachsenen ein Nachteil er-wächst. In Tübingen hat diese Option teilweisen zueiner Entschärfung des Organmangels beigetragen.

2. Mehr Lebertransplantationen bei Kindern

Als pädiatrisches Transplantationszentrum und Referenzzentrum für seltene Lebererkrankungenkonnte sich Tübingen eine nationale und internatio-nale Reputation erarbeiten. Im letzten Jahr betrugder Anteil pädiatrischer Lebertransplantationen28% und liegt somit weit über dem landesweitenDurchschnitt. Wurden in der Vergangenheit Trans-plantationen vorwiegend nach einer Lebendspenderealisiert, wurden im Jahr 2016 vor allem postmor-tale Voll- und Splitleber-Organe transplantiert.

Eine Leber-Lebendspende musste im Jahr 2016 invier ganz besonderen Fällen und bei einer Patientinin einer Extremsituation durchgeführt werden. Erst-mals weltweit kam das sogenannte APOLT-ALPPSzum Einsatz.

Vergleicht man die Ergebnisse wie die Transplantat-funktionsrate und das Patientenüberleben unseresZentrums mit anderen deutschen Transplantations-

3Transplantationszentrum Tübingen2

Vorwort

Prof. Dr. Alfred Königsrainer, Ärztlicher Direktor, Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum Tübingen

Tätigkeitsbericht Transplantationszentrum Tübingen

Prof. Dr. Silvio Nadalin, Allgmeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum Tübingen

Verehrte Patientinnen und Patienten, Kolleginnen und Kollegen,liebe Freunde und Gönner des Transplantationszentrums Tübingen,

mit Freude dürfen wir Ihnen nun schon die 6. Auflage unseres Reports überlassen.

Dabei war 2016 für unser Zentrum ein besonderes Jahr. Trotz des nach wie vor rückläufigen Spenderauf -kommens, konnten wir die Transplantationszahlen geringfügig steigern. Dies gelang insbesondere durch dasenorme Hinzutun aller Kooperationspartner, gerade im Bereich der Lebendspende. Nach wie vor sind unsereErgebnisse sowohl bei der Nieren-, als auch bei der Leber-Transplantation exzellent.

Ein besonderes Highlight war die weltweit erste erfolgreiche auxilläre heterotope Lebersegmenttransplanta-tion durch eine Lebendspende der linkslateralen Segmente in Verbindung mit einer zweizeitigen Hepatektomiebei einer Patientin mit irresektablen Lebermetastasen eines Kolonkarzinoms. Obwohl man grundsätzlich voneiner Palliativsituation ausgehen muss, erwarten wir für diese Patientin einen signifikanten Überlebensvorteil.In einer Pilotstudie aus Norwegen, allerdings durch eine klassische Lebertransplantation bei gleicher Indika-tion, konnte ein 5-Jahres-Überleben von nahezu 60% erreicht werden. Nachdem im Eurotransplantbereicheine Lebertransplantation bei dieser Indikation ausgeschlossen ist, wurde dieses neue Konzept entwickelt.Nachdem die Leberlebenspende durch ein linkslaterales Lebersegment ein sehr risikoarmes Vorgehen dar-stellt, könnte dieses Verfahren einen Paradigmenwechsel in der Behandlung von Patienten mit nicht mehr resektablen Lebermetastasen bedeuten. Dazu wurde in Tübingen eine klinische Studie etabliert, die ab diesem Jahr Patienten rekrutieren kann.

Ein weiteres Novum in Tübingen und in Deutschland war die erste Uterus-Transplantation in Kooperation mitder Universitäts-Frauenklinik und der Universität Göteborg. Nach jahrelangen Vorarbeiten konnte das Konzeptnun erfolgreich umgesetzt und etabliert werden.

Ein weiteres sehr relevantes Novum ist die Autotransplantation von Ovarialgewebe, gerade für Patientinnenmit Kinderwunsch, bei denen eine zytotoxische Chemotherapie angezeigt ist. Im letzten Jahr wurde in Tübingen ein gesundes Kind nach einer Ovarialtransplantation zur Welt gebracht.

Zuletzt möchte ich mich im Namen des Zentrums bei allen Patienten, Kooperationspartnern und allen Mitar-beitern sowie zuweisenden Kollegen für das Vertrauen bedanken. Mit Ihrer Hilfe werden wir auch weiterhinmit vollem Einsatz für die uns anvertrauten Patienten rund um die Uhr zur Verfügung stehen.

Ihr

Prof. Dr. med. A. KönigsrainerÄrtzlicher Direktor der Klinik für AVT

Impressum

Herausgeber:

TransplantationszentrumUniversitätsklinikum TübingenHoppe-Seyler-Straße 3, D-72076 Tübingen

Verantwortlich für den Inhalt:

Prof. Dr. Alfred KönigsrainerYvonne Hary, Dr. Beate Harder

Herstellung:

Druckerei Maier GmbH, Rottenburg a. N.

Auflage:

3000 Stück

© Universitätsklinikum Tübingen 2017

Bildnachweis:

Titelbild Transdia Sport Deutschland e.V.Seite 7 H. Schramm, UKTSeite 11 Prof. Dr. Nadalin, UKTSeite 20 Universitätsklinikum TübingenSeiten 21–22 Department für Frauengesundheit, UKTSeiten 31–32 Prof. Dr. K.Amann, Universitätsklinikum ErlangenSeiten 34–39 K. Hillermann, UKTSeite 41 Müller, UKT

Abb. 1: Vergleich UKT vs. Deutschland Leber Tx (Daten siehe Eurotransplant)

Abb. 2: Verteilung der unterschiedlichen Leber Tx-Formen am UKT im Jahr 2016

Abb. 3: Anteil der Split Leber Tx im Eurotransplantraum vs.Deutschland vs. UKT im Jahr 2016

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Neben der Lebendspende sind postmortale Spender,die älter als 65 Jahre alt waren, die zweit häufigsteSpendergruppe. Im Jahr 2016 war ein Drittel allerpostmortalen Spender älter als 65Jahre. Bis auf zweiAusnahmen wurden diese Organe über das sog.„Old-For-Old“-Programm an unser Zentrum alloziert.

PankreasGemäß dem allgemeinen Trend in Deutschland,bleibt die Pankreastransplantation auch im Jahr2016 das Stiefkind aller Transplantationen.

Zwei wesentliche Probleme sollen hier aufgezeigtwerden. Zum einen hat sich die Zahl der Pankreas-Spender seit dem Jahr 2007 halbiert (siehe Abb. 9),zum anderen war die Qualität der angebotenen Organe zum Teil sehr kritisch. So mussten im Inte-resse unserer Patienten angebotene Organe wegenrelevanter Komorbiditäten, langer Reanimationszei-ten, hoher BMI beim Spender abgelehnt werden.

Zunehmend problematisch wird auch die man-gelnde Erfahrung der Entnahmechirurgen. Geradediese ist aber von entscheidender Bedeutung, denndie kompetente und sichere Pankreasentnahme istentscheidend für den Transplantationserfolg.

GebärmutterIm Oktober 2016 wurde am Tübinger Universitäts-klinikum erstmals in Deutschland eine Gebärmut-tertransplantation vorgenommen. Die Patientin hatdas Transplantat von ihrer Mutter durch eine Le-bendspende erhalten. Das mehrköpfige multidiszip-linäre Ärzteteam der Tübinger Frauenklinik und desTransplantationszentrums Tübingen wurden vomUterus-Transplantationsteam der Klinik von Göte-borg (Schweden) unter Leitung von Prof. Brännströmunterstützt. Die ausgezeichneten Transplantationsergebnisseund zwar insbesondere die exzellenten Überlebens-raten sind Früchte unserer interdisziplinär ausge-richteten Vorgehensweise. Auch im Jahr 2017 ver-folgen wir diese Strategie und zwar haben inunserem Zentrum Menschen und nicht Fallzahlenoberste Priorität.

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Pankreas -Transplantationen(2010-2016)

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zentren, dann liegen unsere Ergebnisse wie schonseit Jahren im Spitzenbereich. Siehe dazu die Be-rechnungen des IQTIG-Instituts.

Niere

Die Zahl der Nierentransplantationen konnte inTübingen im Wesentlichen konstant gehalten werden.

Bemerkenswert dabei ist der anhaltend hohe Anteilan Lebendspenden, der im Jahr 2016 bei 39% unddamit 10% über dem bundesweiten Durchschnittlag (siehe Abb. 7).

Durch eine strenge Spenderselektion waren dieTransplantate von exzellenter Qualität. Ebenso wirdmöglichst eine präemptive Transplantation ange-strebt, d.h. noch bevor eine Nierenersatztherapiebegonnen wurde.

Erwähnenswert ist zudem die erfolgreiche Imple-mentierung der minimal invasiven totalen retroperi-toneoskopischen Nephrektomie bei 40% der Le-bend-Nierenentnahmen.

5Transplantationszentrum Tübingen4

Abb. 4: Leber Tx: Überlebensrate nach 1 Jahr (UKT vs. andere Transplantationszentren in Deutschland in 2015)

Abb. 5: Leber Tx: Überlebensrate nach 3 Jahren (UKT vs. andere Transplan tationszentren in Deutschland in 2015)

Abb. 7: Anteil der Lebendspenden-Nierentransplantationenim Eurotransplantraum vs. Deutschland vs. UKT im Jahr 2016

Abb. 6: Vergleich UKT vs. Deutschland Nieren Tx (Daten siehe Eurotransplant)

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Abb. 8: Vergleich UKT vs. Deutschland Pankreas Tx (Daten siehe Eurotransplant)

Abb. 9: Entwicklung der Pankreas-Spenderzahlen in Deutschland (2007–2016)

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Übersicht Transplantationen am UKT04.2004 bis 31.12.2016

Leber gesamt 625Voll (p.m.) 509SPLIT (p.m.) 63Lebendspende 53Leber Erwachsene 516Voll (p.m.) 475SPLIT (p.m.) 26Lebendspende 15Leber Kind (≤16J) 109Voll (p.m.) 34SPLIT (p.m.) 37Lebendspende 38Nieren gesamt 640Spende (p.m.) 453Lebendspende 187Niere Erwachsene 599Spende (p.m.) 419Lebendspende 180Niere Kind (≤16J) 41Spende (p.m.) 34Lebendspende 7Pankreas 74SPK/PAK/PA 55/7/8Pankreas und Leber 3Inselzell 1Darm 15Erwachsene 10Kinder (≤16J) 5Multiviszeral 4Erwachsene 3Kinder (≤16J) 1Gebärmutter 1Gesamt 1359

p.m.: post mortem / SPK: Simultane Pancreas Kidney / PAK: Pancreas after Kidney /PA: Pancreas alone Stand 01.01.2017

7Transplantationszentrum Tübingen6

Nach der Aufnahme auf die Warteliste zur Trans-plantation beginnt für die Patienten die Zeit vieleroffener Fragen, der Ungewissheiten und vor allenDingen die Zeit des Wartens. Warten auf den er-sehnten Anruf mit der Nachricht, dass das dringendbenötigte Organ endlich zur Verfügung steht.

Wir möchten Ihnen im Folgenden einen Blick hinterdie Kulissen ermöglichen.

Wie funktioniert die Zuteilung von Organen? Wie kommt das Organ zum Zentrum und waskommt auf Sie zu, wenn Sie den so lange erwar -teten Anruf erhalten?

In der Funktion einer übergeordneten Koordinie-rungsstelle übernimmt Eurotransplant die Alloka-tion, d.h. die Ver- und Zuteilung aller Organe inDeutschland, Österreich, Belgien, Luxemburg, denNiederlanden, Kroatien, Slovenien und Ungarn.

Die Allokation von Organen beginnt mit der Mel-dung eines potentiellen Organspenders an die Eurotransplant-Zentrale in Leiden, Niederlande.Diese erfolgt elektronisch, in Deutschland durch dieKoordinatoren der „Deutschen Stiftung Organtrans-plantation“ (DSO), durch die alle Organspenden inden Entnahmekrankenhäusern betreut werden.

Sobald, gemäß den vorgeschriebenen Kriterien, einpassender Empfänger für das aktuell angeboteneOrgan ermittelt wurde, kontaktieren die Eurotrans-plant-Koordinatoren telefonisch die Geschäftsstelledes betreffenden Transplantationszentrums. DieseAnrufe können rund um die Uhr eingehen, weshalbdie Geschäftsstelle des TransplantationszentrumsTübingen 24 h besetzt ist.

Mittels einer Spendernummer, die von Eurotrans-plant vergeben wird, können die Transplantations-koordinatoren des Zentrums die relevanten medizi-nischen Spenderdaten auf derEurotransplant-Homepage einsehen.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den DSO-Koordinator im Spenderkrankenhaus zu kontaktie-

ren, um ggf. zusätzliche Informationen zur Todesur-sache oder zur Einschätzung der Organqualität zuerhalten.

Die Zentrumskoordinatoren stellen die medizini-schen Daten des Spenders dem diensthabendenTransplantationschirurgen vor, der auf Basis dieserInformationen und der vorliegenden Befunde desEmpfängers darüber entscheidet, ob das angebo-tene Organ für den Patienten geeignet ist.

Die Koordinierungsstelle (Eurotransplant) wird imAnschluss umgehend telefonisch über die Akzep-tanz oder Ablehnung des Organs informiert.

Die Organisation des Organtransports vom Spender-krankenhaus in das Transplantationszentrum unddamit zum Patienten übernimmt die Deutsche Stif-tung Organtransplantation, die dazu den Auftragvon Eurotransplant erhält.

Der ersehnte Anruf …„Ein Organ steht zur Verfügung…“

Nachdem der zuständige Chirurg ein Organ für einen Patienten unseres Zentrums akzeptiert hat,wird dieser durch einen der Mitarbeiter der Ge-schäftsstelle umgehend telefonisch kontaktiert. Im Fall von Nierenangeboten werden zunächst dieniedergelassenen Dialyseärzte informiert, um denaktuellen Gesundheitszustand des Patienten zu erfragen.

Im Rahmen ihres Anrufs erfragen die Koordinatorenu.a, ob der Patient im Moment infektfrei ist. Er wird gebeten, ab sofort nichts mehr zu essenoder zu trinken und schnellstmöglich in die Klinikzu kommen.

In dieser emotional belastenden Situation empfeh-len wir den Patienten, sich nicht selbst hinter dasSteuer zu setzen, sondern sich von Angehörigen insKrankenhaus bringen zu lassen oder einen Kran-kentransport in Anspruch zu nehmen. Für Patien-ten, die auf einer Warteliste zur Transplantation

Der Blick hinter die Kulissen –Vom Organangebot zur Transplantation

Yvonne Hary, Transplantationszentrum, Universitätsklinikum Tübingen Dr. Martina Guthoff, Innere Medizin IV, Universitätsklinikum Tübingen

stehen, empfiehlt es sich ggf. vorab mit der Kran-kenkasse die Kostenübernahme für einen solchenKrankentransport abzuklären.

Ist der Patient informiert und unterwegs in die Kli-nik, beginnt für die Mitarbeiter der Geschäftsstelledie interne Organisation der anstehenden Trans-plantation.

Zunächst wird bei der DSO, die für die Organisationder Organentnahme sowie den Transport zuständigist, der Zeitplan erfragt. Wann startet die Organent-nahme? Ist ein Boden- oder Lufttransport vorgese-hen? Wann wird das Organ in Tübingen sein?

Danach werden alle an der Transplantation beteilig-ten Abteilungen informiert.

Ein freier Operationssaal muss verfügbar sein, dasTransplantationsteam wird zusammengestellt undder zuständige Anästhesist wird informiert.

Darüber hinaus werden auch die Blutbank und dieIntensivstation über die anstehende Transplantationinformiert. Für den Eventualfall müssen passendeBlutkonserven bereitgehalten werden. Auf derTransplantationsstation werden parallel dazu dieVorbereitungen zur Aufnahme und OP-Vorbereitungdes Patienten getroffen.

Im Falle eines Nierenangebotes muss vor derTransplantation eine Kreuzprobe, das sogenannteCrossmatch, zwischen Spender- und Empfänger-blut erfolgen. Hierbei geht es darum, präformierteHLA-Antikörper auszuschließen, die zu einer(per)akuten Abstoßung der Niere führen würden.Nur bei negativem Crossmatch-Ergebnis kann eineTransplantation erfolgen.

Bei Empfängern ohne immunologisches Risiko isthierfür das zu jedem Quartal abgenommene und andas Transplantzentrum versendete Blut ausrei-chend. Bei sensibilisierten Patienten (Status „I“ fürimmunisiert), d.h. Patienten, die aufgrund von vor-herigem Kontakt mit Fremdantigenen (vorausge-hende Transplantation, Schwangerschaft, Bluttrans-fusion) HLA-Antikörper gebildet haben, ist einaktuelles Crossmatch mit am Tag der Transplanta-tion entnommenem Blut erforderlich.

Liegt eine ausgeprägte Sensibilisierung vor (Status„HI“ für hochimmunisiert), erfolgt nach Abnahmedes aktuellen Crossmatches gegebenenfalls nocheine Plasmaseparation zur extrakorporalen Antikör-perelimination vor Transplantation. Die Induktions-therapie wird in Abhängigkeit der Sensibilisierunginterdisziplinär festgelegt.

Je nach Dialysemodalität, Zeitpunkt der letzten Dia-lyse und aktuellen Laborwerten erfolgt vor Opera-tion eine Dialyse in der Klinik. Der Zeitpunkt, dieDialysedauer und die Notwendigkeit werden in Ab-wägung mit dem zu erwartenden Operationszeit-punkt gewählt.

Für Patienten die eine Lebertransplantation erhal-ten, wird vor Beginn der Operation die postopera-tive Übernahme auf die Intensivstation organisiert.Dort bleiben die Patienten in der Regel 2–3 Nächtezur Überwachung bevor sie auf die Normalstationverlegt werden können. Darüber hinaus wird beiBedarf noch eine aktuelle Bildgebung (z.B. CT)durchgeführt um den Eingriff und das operativeVorgehen optimal planen zu können.

Sobald der Patient in Tübingen eintrifft, wird er sta-tionär auf der Transplantationsstation 47 aufge-nommen und dort für die OP vorbereitet.

Dann ist es endlich soweit, das Organ ist da.

Das Transplantationsteam aus Chirurgen, Anästhe-sisten und OP-Pflegepersonal wird nun gemeinsamdie mehrstündige Operation durchführen.

Damit ist für den Patient der Wendepunkt in seinerKrankengeschichte erreicht. Er lässt die Zeit auf derWarteliste hinter sich und wird zum transplantiertenOrganempfänger. Es erwartet ihn ein neues Lebenmit neuen Herausforderungen und hoffentlich bes-serer Lebensqualität.

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Richtlinienänderung zur Feststellung des endgültigen, nicht beheb barenAusfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms von 2015

Dr. Carl-Ludwig Fischer-Fröhlich, Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO)

Im Transplantationsgesetz (TPG) ist in § 3 Abs. 1 dieFeststellung des Todes als eine Voraussetzung furdie Organentnahme vorgeschrieben. Dies hat nachden Regeln zu erfolgen, die dem Stand der Erkennt-nisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen.Hierfur erstellt die Bundesärztekammer (BÄK) dieRichtlinine (TPG, § 16 Abs.1) zur Feststellung desendgultigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamt-funktion des Großhirns, des Kleinhirns und desHirnstamms. Mit dieser Diagnose ist naturwissen-schaftlich-medizinisch der Tod eines Menschenfestgestellt.

Die vierte Fortschreibung dieser Richtlinie wurdeam 30. März 2015 vom Bundesministerium fur Gesundheit genehmigt und trat am 6. Juli 2015 inKraft. Präzisiert werden im wesentlichen Aspekteder praktischen Durchfuhrung der Diagnostik undderen Dokumentation, die Anforderungen an dieQualifikation der untersuchenden Ärzte und die Regulierung von Abläufen und Qualitätssicherung.Dabei hat sich an den Grundlagen zur Feststellungdes irreversiblen Hirnfunktionsausfalls jedochnichts geändert. Bereits gemäß § 5 TPG muss diesdurch zwei Ärzte unabhängig voneinander erfolgen.Sie durfen weder an der Entnahme noch an derÜbertragung der Organe des Organspenders be -teiligt sein, noch der Weisung eines beteiligten Arztes unterstehen. Die erfolgt in einem dreistufi-gen Schema:

1. Feststellung der Voraussetzungen, mit zweifels-freiem Nachweis einer akuten schweren primä-ren oder sekundären Hirnschädigung inklusivedem Ausschluss reversibler Ursachen für einenFunk tionsausfall.

2. Feststellung von Bewusstlosigkeit, Ausfalls allerHirnstamm-Reflexe und der Spontanatmung.

3. Danach Nachweis der Irreversibilität durch klini-sche Verlaufsuntersuchungen nach den vorge-schriebenen Wartezeiten und/oder durch ergän-zende Untersuchungen.

4. In genau vorgegebenen Einzelfällen (z.B. Klein-kinder, Hirnstammschäden) sind die Vorgaben fürSchritte 1. bis 3. exakt beschrieben.

Nach der neuen Richtlinie dürfen auch moderneapparative Verfahren zum Nachweis der Irreversibi-lität der Hirnfunktionsausfalls eingesetzt werden,wie z.B. Computertomographie-Angiographie (CTA)oder die Duplexsonographie.

Die Qualifikationsanforderungen an die untersu-chenden Ärzte wurden nun präzisiert: Sie müsseneine mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehand-lung von Patienten mit akuten schweren Hirnschä-digungen besitzen und Fachärzte sein. Einer derbeiden Ärzte muss Facharzt für Neurologie oderNeurochirurgie sein. Bei Untersuchungen von Kin-dern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr muss ei-ner der Ärzte Facharzt fur Kinder- und Jugendmedi-zin sein. Nimmt diese Funktion ein Facharzt furKinder- und Jugendmedizin mit dem SchwerpunktNeuropädiatrie ein, muss der zweite untersuchendeFacharzt nicht aus den Gebieten Neurologie oderNeurochirurgie kommen.

Integraler Bestandteil der Todesfeststellung ist diekorrekte und vollständige Dokumentation.

Die diagnostischen Voraussetzungen sowie die klinischen und die ergänzenden apparativen Unter-suchungsbefunde müssen mit Datum und Uhrzeitsowie den Namen der untersuchenden Ärzte aufden dafür vorgesehenen Protokollbögen dokumen-tiert werden.

Die abschließende Feststellung des irreversiblenHirnfunktionsausfalls muss immer durch zwei Ärztedokumentiert werden.

Für die Todesfeststellung sind die Unterschriftenbeider Ärzte auf dem abschließenden Protokollbo-gen zu leisten. Die Dokumentation des irreversiblenHirnfunktionsausfalls ist mit der zweiten Unter-schrift des letzten Untersuchungsgangs abge-schlossen.

11Transplantationszentrum Tübingen

Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose(Child-Pugh B/C) entwickeln in ca. 40% der Fälleeine Nabelhernie [1]. Pathogenetisch ist ein chro-nisch erhöhter intraabdomineller Druck aufgrundrelevanter Aszitesmengen ausschlaggebend. Wei-tere Risikofaktoren sind das männliche Geschlecht,Alter >65 Jahre, Hypalbuminämie (<3g/dl) sowieeine Schwäche bzw. Atrophie der Bauchwandmus-kulatur [1, 2].

Aufgrund der möglichen Komplikationen (Hernien-ruptur, Hautnekrose mit Aszitesfistel und Inkarzera-tion), kann es bei diesen Patienten zu einer wesent-lichen Erhöhung der Morbidität und Mortalitätkommen. In der aktuell verfügbaren Literatur wer-den der Zeitpunkt, die Art des Hernienverschlusses(offen vs. laparoskopisch bzw. mit vs. ohne Netz-material) kontrovers diskutiert [3]. In der Vergan-genheit wurde die Indikation zum Bruchlückenver-schluss sehr zurückhaltend und wenn dann nur beiVorliegen von bereits aufgetretenen Komplikationenim Rahmen einer Notfalloperation gestellt [2].

Die Rationale für dieses Vorgehen war vor allem dieBefürchtung einer postoperativen Dekompensationder bereits eingeschränkten Leberfunktion. Die aktuelle Literatur gibt jedoch Hinweise darauf, dasseine verzögerte Hernienversorgung, sprich einBruchlückenverschluss, bei vorliegenden Komplika-tionen, zu einer deutlich erhöhten Morbidität undMortalität führt [2, 3]. Diese Daten legen nahe, dassauch bei Patienten mit einer deutlich reduziertenLebersyntheseleistung eine elektive chirurgischeVersorgung von Nabelhernien sicher durchführbarist. Eine wesentliche Grundvoraussetzung ist je-doch, dass präoperativ eine Stabilisierung der Leberfunktion und eine medikamentöse Aszites-kontrolle erreicht werden kann. Die Rezidivwahr-scheinlichkeit nach erfolgtem Bruchlückenver-schluss erhöht sich deutlich mit steigenderAszitesmenge [1]. In jedem Falle sollten intraopera-tiv Aszitesdrainagen eingelegt werden. Bei Patien-ten mit therapierefraktärem Aszites und einer Na-belhernie sollte das Management abhängig vomZeitpunkt einer möglichen Lebertransplantationweiter bestimmt werden. Ist zu erwarten, dass eineTransplantation innerhalb der nächsten 3 bis 6 Mo-naten realistisch erscheint, kann ein simultaneschirurgisches Vorgehen angestrebt werden. Hier istzu beachten, dass der Bruchlückverschluss übereine separate Inzision mit einer signifikant geringerRezidivrate vergesellschaftet ist (6% vs. 40%) [2].Sollte eine „zeitnahe“ Lebertransplantation als un-wahrscheinlich angesehen werden und die medika-mentöse Asziteskontrolle nicht zielführend gewesensein, muss über eine TIPS-Anlage nachgedachtwerden. Die Hernienversorgung kann dann nachReduktion der Aszitesmenge elektiv erfolgen. In allen Fällen sollte zur Prophylaxe einer spontanbakteriellen Peritonitis eine Antibiotikatherapie miteinem Gyrasehemmer durchgeführt werden.

Bei lebergesunden Patienten wird standardmäßigbei größeren Bruchlücken (>1,5-2cm) bzw. beischlechten Faszienverhältnissen eine Verstärkungder Bauchwand mittels Netzmaterial durchgeführt.

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Die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktions-ausfalls ist Aufgabe des Krankenhauses. Diesesveranlasst die Diagnostik durch eigene, qualifizierteÄrzte oder durch die konsiliarische Hinzuziehunggeeigneter Ärzte. Die Koordinierungsstelle Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) unterstützt dieKrankenhäuser bei Bedarf durch die Vermittlung eines Konsiliararztes nach Verfügbarkeit.Im Rahmen der Überprüfung der rechtlichen Voraus-setzungen vor einer geplanten Organentnahme ob-

liegt der DSO die Kontrolle der formalen Korrektheitund Vollständigkeit der Dokumentation des irrever-siblen Hirnfunktionsausfalls und damit der Todes-feststellung gemäß den gultigen Richtlinien. Die DSO nutzt hierfur mit der BÄK abgestimmteChecklisten, die auch den Krankenhäusern über dieHomepage der DSO zur Verfügung stehen und alsweiteres Unterstützungsangebot genutzt werdenkönnen.

Bauchwandhernien bei Wartelistenpatienten: Wann sollte operiert werden?

Dr. Philipp Horvath, Allgmeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum Tübingen Dr. Karolin Thiel, Allgmeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum Tübingen

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In der Literatur wird jedoch die Netzimplantationbei leberkranken Patienten als komplikationsbehaf-tet eingestuft. Eine randomisierte Studie [4] mit ins-gesamt 80 Patienten mit einem Follow-up zwischen6 und 28 Monaten konnten zeigen, dass die Im-plantation eines Polypropylennetzes mit einer signi-fikant geringeren Rezidivrate verbunden war.Wundinfektionen traten jedoch in der Netzgruppehäufiger auf, jedoch ohne Notwendigkeit zur Netz-explantation. Vor allem Netze die in Onlay-Technikimplantiert werden, neigen eher zur Entwicklungvon Wundinfektionen [5]. Die „beste“ Netzpositionwird in der Literatur bis dato ebenfalls kontroversdiskutiert.

Eine Reihe von Studien [5, 6, 7] haben sich mit derlaparoskopischen Versorgung von Nabelhernien beileberkranken Patienten beschäftigt. Die Vorteile deslaparoskopischen Zugangweges sind der minimal-invasive Zugang, eine reduzierte Aszitesdrainageüber den operativen Zugangsweg und eine vermin-derte Elektrolyt- und Flüssigkeitsverschiebung auf-grund einer nicht vorhandenen Exposition des Peri-toneums. Die Netzimplantation im Sinne eineslaparoskpischen IPOM mit einem nicht- bzw. teilre-sorbierbaren Netz wäre im Hinblick auf eine zu-künftige Lebertransplantation als nachteilig zu be-werten. Ein weitere Nachteil des laparoskopischenVerfahrens ist, dass es durch das Pneumoperito-neum zu Flussveränderungen im portal-venösenSystem und folglicher Dekompensation der Leber-funktion kommen kann.

Zusammenfassung:

Zusammenfassend sollten Nabelhernien bei Patien-ten mit eingeschränkter Leberfunktion nach medi-kamentöser Asziteskontrolle elektiv, sprich vor demAuftreten von Komplikationen verschlossen wer-den. Aufgrund der Datenlage kann aktuell keineEmpfehlung zur primären Netzimplantation gestelltwerden. Intraoperativ sollte auf jeden Fall mindes-tens eine Aszitesdrainage eingelegt werden.

Literatur:

1 Koscielny, A., Hirner, A., Kaminski, M. Nabelhernien bei Patienten mitdekompensierter Leberzirrhose: Konzept zur Risikominderung der Reparation. Chirurg 2010;81:231–235

2 Coelho, J. CU., Claus, C. MP., Campos, A. CL., Costa, M. AR., Blum C.Umbilical hernia in patients with liver cirrhosis: A surgical challenge.World J Gastrointest Surg. 2016;8(7):476-482

3 Andraus, W., Pinheiro, R. S., Lai, Q., Haddad, L. B. P., Nacif, L.S., D’Albuquerque, L. A. C., Lerut, J. Abdominal wall hernia in cirrhotic patients: emergency surgery results in higher morbidity and mortality.BMC Surgery. 2015;15:65

4 Ammar, S. A. Management of complicated umbilical hernias in cirrhoticpatients using permanent mesh: a randomized clinical trial. Hernia2010;14:35–38

5 Holihan, J. L., Nguyen, D. H., Nguyen, M. T., Mo, J., Kao, L. S., Liang, M.K. Mesh Location in Open Ventral Hernia Repair: A Systematic Reviewand Network Meta-analysis. World J Surg. 2016;40:89–99

6 Belli, G., D’Agostino, A., Fantini, C., Cioffi, L., Belli, A., Russolillo, N., Langella, S. Laparoscopic incisional and umbilical hernia repair in cirr-hotic patients. Surg Laparosc Endosc Percutan Tech. 2006;16:330–333

7 Umemura, A., Suto, T., Sasaki, A., Fujita, A., Endo, F., Wakabayashi, G. Laparoscopic umbilical hernia repair in a cirrhotic patient with a peritoneovenous shunt. Asian J Endosc Surg. 2015;8:212–215

Veranstaltungen des Transplantationszentrums 2017

Transplantationsgespräch UKT 18. Mai 2017

Patiententag und Tag der offenen Tür 21. Mai 2017

Wartelistentreffen Leber 09. November 2017

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Dreifaches Gold bei EM-Prämiere für Sarah Kornau

Im Juli 2016 fanden in Vantaa, Finnland die Europameisterschaften derOrgantransplantierten und Dialysepatienten statt. Zum ersten Mal mit amStart war die 33-jährige Sarah Kornau (links im Bild), die im Tischtennisauf Anhieb drei Goldmedaillen gewann. Sie siegte im Damen-Einzel, demDamen-Doppel mit Beate Bea (rechts im Bild) und im gemischten Doppelan der Seite von Michael Klitsch. Von diesem Triumph hätte die EM- Debütantin vor drei Jahren nicht zu träumen gewagt. Im November 2014war sie von heute auf morgen schwer erkrankt und hatte nur durch eineLebertransplantation, die im Transplantationszentrum Tübingen durchge-führt wurde, überleben können. Mit ihrer Teilnahme will sie, wie auch alleanderen EM-Teilnehmer, zeigen, dass:

• eine schicksalhafte Erkrankung, die eine Organtransplantation nötig werden lässt, jeden, auchkerngesunde Sportler, treffen kann;

• man in dieser Lage nur durch die Bereitschaft eines Menschen, nach dem Tod Organe für eineTransplantation zur Verfügung zu stellen, den Weg in ein Leben mit Arbeit, Familie und Sport zurückfinden kann.

Sarah Kornau will mit ihren Siegen allen Organspendern und ihren Familien einerseits und dem Tübinger Transplantationsteam andererseits danken und tiefen Respekt zollen.

15Transplantationszentrum Tübingen14

Vollständige intestinale Rehabilitation langfristiggrundsätzlich erreichbar

Die Langzeitwirksamkeit von Teduglutid über 24bzw. 30 Monate wurde in einer weiteren Studie(STEP-2) untersucht. Die Daten zeigen eine anhal-tende kontinuierliche Reduktion des parenteralenInfusionsvolumens. Insgesamt nahmen 76 Patien-ten der STEPS-Studie an der VerlängerungsstudieSTEPS 2 teil; davon 37 Patienten aus der Verum-gruppe, die bereits sechs Monate Teduglutid erhal-ten hatten, und 39 Patienten aus der Placebo-gruppe. Zusätzlich wurden zwölf weitere Patienteneingeschlossen. Alle 88 Patienten erhielten über 24Monate Teduglutid 0,05 mg/kg/d. Insgesamt er-reichten 57 Patienten ein klinisches Ansprechen miteiner Reduktion des parenteralen Infusionsvolu-mens um mindestens 20 %. Bei Patienten, die dieStudie beendeten, lag der Anteil der Patienten mitklinischem Ansprechen nach 30-monatiger Thera-pie bei 93 % (28/30), bei Patienten der früherenPlacebogruppe bei 55 % (16/29) und bei den neueingeschlossenen Patienten bei 67 % (4/6). Das pa-renterale Infusionsvolumen konnte entsprechenddeutlich reduziert werden: nach 30-monatiger The-rapie um 7,5 l/Woche (– 66 %), in den beiden ande-ren Gruppen nach 24 Monaten um 28% bzw. 39%.Bei insgesamt 13 der 88 Patienten konnte auf die

PE ganz verzichtet werden, darunter bei zehn Pa-tienten, die Teduglutid über 30 Monate erhaltenhatten. Bei 38/65 Patienten konnte die PE um min-destens einen Tag, bei 25/65 um mindestens dreiTage reduziert werden.

Aktueller Stand und Ausblick

Wir setzen das Medikament nun als reguläres zu-gelassenes Medikament ein und haben in Tübingenca. 20 Patienten, die hiermit behandelt werden. DieErfahrungen der Studien können wir bestätigen undwir haben bisher schon einige Patienten die drama-tisch von der Therapie profitiert haben. Wir habenbisher keinen Patienten, der nicht die Fortführungder Therapie wünscht und die Erfahrungen ausSicht der Patienten sind ebenfalls sehr positiv.

Sicherheitssignale traten in der Langzeittherapie imRahmen der Studien nicht auf. Am häufigsten be-richteten die Patienten über abdominelle Beschwer-den, was wir besonders zu Beginn der Therapie be-obachten. Die gezeigte langfristig gute Wirksamkeitund Verträglichkeit von Teduglutid mit der Möglich-keit einer kontinuierlichen Reduktion der PE undder Chance auf orale Autonomie unterstutzen dieLangzeitanwendung von Teduglutid.

Aktuell führen wir eine Reihe von wissenschaftli-chen Untersuchungen zu dem Wirkprinzip und zur

1 Messing B, Crenn P, Beau P et al. Long-term survival and parenteral nutrition dependence in adult patients with the short Short Bowel Syndrome;GASTRO ENTEROLOGY 1999;117:1043–1050

Ohne Nahrungs- und Flüssigkeit-Aufnahme könnenwir nicht leben. Viele gesunde, aber übergewichtigeMenschen wünschen sich weniger Nahrung aufzu-nehmen um Gewicht zu verlieren. Manche lassensich deshalb sogar operieren. Wie wichtig die Körperfunktion der Nahrungsaufnahme ist, wissenPatienten mit Kurzdarmsyndrom nur zu gut. Unsere Patienten kämpfen um jedes Gramm Körpergewicht und sind einen großen – deutlichüberrepräsentativen Teil ihres Alltags mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt. Im Extremfall 15 h an je 7 Tagen die Woche wobei weitere Zeitauf die Pflege des parenteralen Zugangs, der Be-schaffung der parenteralen Ernährung inklusiveSchaffung der Infrastruktur und entsprechendenzeitaufwendigen Behandlung assoziierter Kompli-kationen und Probleme aufgebracht werden muss.Bis vor kurzem gab es keine Möglichkeit einer primären, also kausalen internistischen Therapie.Unsere Möglichkeiten beschränkten sich aus-schließlich auf der Optimierung einer parenteralenErnährung und der damit verbundenen Behandlungaller assoziierten, teils lebensbedrohlichen Kompli-kationen. Natürlich ist ein solcher Zustand zuhöchstem Masse unbefriedigend vor allem für un-sere Patienten. Aber auch aus Sicht der Ärzte er-klärt sich ein Teil der Frustration mit dem grund-sätzlichen Anspruch helfen zu können und nurProbleme zu behandeln macht niemand gerne.Möglicherweise trägt diese Frustration dazu bei,dass die Zahl der Ärzte, die sich für dieses Gebietinteressieren, relativ überschaubar ist.

Wenn der Darm, insbesondere der Dünndarm fehlt,erscheint es nach herkömmlichem Verständnisgrundsätzlich sehr schwierig an der Resorptions -fähigkeit der verbleibenden Schleimhaut etwas zuändern. Die Vorstellung mit einem Medikament das Wachstum der Schleimhaut beeinflussen zukönnen und den Darm wieder zum Wachsen bringen können, erscheint in der allgemeinen medizinischen Sichtweise eher als unrealistischeZukunftsvision, denn als Realität. Erschwerend

kommt hinzu, dass Erkrankungen aus dem For-menkreis Kurzdarmsyndrom vergleichsweise sehrselten sind und bei gleichen Entwicklungskosteneine teure Neuentwicklung ohne großen Markt bisvor einiger Zeit ebenfalls unrealistisch erschien.Genau diese Situation hat sich nun geändert. Wir haben nun sowohl für Erwachsene als auch für Kinder erstmals ein zugelassenes Medikament,einen Wachstumsfaktor, der die intestinale Resorp-tionsfähigkeit verbessert. Mit dem GLP (Glucagon-like-peptide)-2-Analogon Teduglutid (Revestive®)kann das Therapieziel auf eine parenterale Ernäh-rung verzichten zu können, grundsätzlich erreichtwerden. Das Wirkprinzip basiert auf einem prolife-rierenden Effekt auf die Darmschleimhaut.

Wirkweise und Studienerfahrungen derneuen Therapie

Teduglutid steigert die Darmzottenhöhe und Kryp-tentiefe der intestinalen Mukosa und verbessert sodie Resorptionsfähigkeit des Darms. Die Effektivitätdieses Wirkprinzips wurde in verschiedenen Stu-dien bei Erwachsenen und Kindern nachgewiesen.Eingeschlossen waren zunächst Erwachsene mitmindestens dreimal täglicher PE für mindestenszwölf kontinuierliche Monate. Als primärer End-punkt war die Reduktion des parenteralen Infusi-onsvolumens um mindestens 20 % innerhalb derStudiendauer definiert. UnterTeduglutid 0,05mg/kg/dsprachen 63 % der Patienten an (vs. 30 % unterPlacebo; p=0,002). Zudem konnten unter Teduglutiddeutlich mehr Patienten die PE um mindestens einen Tag pro Woche reduzieren (54 % vs. 23 %).Das durchschnittliche Infusionsvolumen ging von12,4 l/Woche unter Teduglutid um 4,4 l/Woche zurück (vs. 2,3 l/Woche unter Placebo). Unser Tübinger Zentrum war an diesen Studien beteiligt.

Alternativen zur Dünndarmtransplantation –neue konservative Therapiemöglichkeiten des Kurzdarmsyndroms

Prof. Dr. Jan Wehkamp, Innere Medizin I, Universitätsklinikum Tübingen

17Transplantationszentrum Tübingen16

Sicherheit der Gabe dieses Wachstumsfaktorsdurch. Wir sind eng mit anderen Zentren wie derBerliner Charite vernetzt und versuchen hier unsereErfahrungen zu teilen. Sicher sind noch nicht alleFragen zum Einsatz dieses Medikaments geklärtund wir sind noch am Beginn einer Lernkurve. Un-

sere ersten Erfahrungen sind aber sehr gut, auchwenn die Behandlung sowohl aus Sicht der Patien-ten, als auch aus unserer Sicht viel Geduld braucht.Zum ersten Mal gibt es die Möglichkeit einer kon-servativen Therapie und es gibt Hoffnung, dass wirweitere Verbesserungen erreichen können.

Der Transplant Report wird realisiert mit freundlicher Unterstützung derShire Deutschland GmbH

Einleitung und Definition des Budd-Chiari-Syndrom (BCS)

Als Budd-Chiari-Syndrom bezeichnet man eine Er-krankung der Leber, bei der es zu einem vollständi-gen oder unvollständigen Verschluss der Leberve-nen kommt. Der Verschluss der Lebervenen ist amhäufigsten durch Thrombosen bedingt und betrifftbei dem klassischen BCS bevorzugt die großen Le-bervenen, die das Blut aus der Leber hin zur unte-ren Hohlvene und zum Herzen führen (Abb. 1).

Das Budd-Chiari-Syndrom ist eine seltene Erkran-kung, die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) ist weit-gehend unbekannt und wird weltweit mit 1/50.000bis 1/100.000 angegeben. Das Syndrom ist be-nannt nach dem britischen Internisten GeorgeBudd, der im Jahre 1845 drei Fälle des Syndromsbeschrieb, und dem österreichischen PathologenHans Chiari, der 1899 erstmals über Lebervenen-verschlußerkrankungen im Rahmen von Obduktio-nen berichtet hatte.

Die Schädigung der Leber erfolgt vor allem durchden Rückstau des Blutes in die Leber, wodurch dasLebergewebe nicht mehr ausreichend mit Sauer-stoff und Nährstoffen versorgt werden kann. Unbe-handelt führt dies zu einer Schädigung bzw. einem

Absterben der Leberzellen und langfristig zu einemnarbigen Umbau der Leber (Fibrose) bis hin zu einerLeberzirrhose. Allerdings ist abhängig von der Ursa-che des BCS die Prognose der Erkrankung, untereiner meist interdisziplinär geführten Therapie, alsinsgesamt günstig anzusehen.

Ursachen des BCS

Die Ursachen des thrombotischen Verschlusses derLebervenen sind vielfältig. Häufig liegt eine Störungdes Blutgerinnungssystems bzw. der Blutbildung imKnochenmark zugrunde. Schätzungen zu Folge trifftdies auf ca. 75% der Fälle zu. Myeloproliferative Erkrankungen wie die essentielle Thrombozytämieoder die Polyzythämia vera sind am häufigsten ur-sächlich für die Lebervenenthrombose (BCS),wenngleich nur ca. 1% der Patienten mit einermyeloproliferativen Erkrankung ein BCS entwickeln.Bei diesen Erkrankungen kommt es zu einer gestei-gerten Bildung von Blutplättchen (Thrombozyten)und/oder roten Blutkörperchen (Erythrozyten), wel-che zu einer Thrombosebildung führen können. Das BCS kann aber auch durch eine mechanischeKompression der Lebervenen verursacht werden, z.B. bei Tumorerkrankungen der Leber, Leberabs-zessen und großen Zysten der Leber und/oder Nieren. Des Weiteren gibt es zahlreiche, meist genetischbedingte Störungen der Blutgerinnung, wie z.B. dieFaktor-V-Leiden-Mutation, der Protein-S oder -C-Mangel oder der Antithrombin III Mangel. All diesen Störungen des Gerinnungssystems istgemeinsam, dass eine erhöhte Gerinnbarkeit des Blutes vorliegt. Auch die Einnahme von bestimmtenMedikamenten kann einen Einfluss auf die Blutge-rinnung haben. Insbesondere zu nennen ist die Einnahme einer hormonellen Antikonzeption („Anti-babypille“). Vor allem bei gleichzeitigem Vorliegeneiner der oben genannten genetisch bedingten Gerinnungsstörungen, steigt dabei das allgemeineRisiko eine Thrombose oder auch ein BCS zu ent -wickeln deutlich an.

Budd-Chiari Syndrom: Eine seltene aber potentiell lebensbedrohende Lebererkrankung

Dr. med. Thomas Klag, Innere Medizin I, Universitätsklinikum Tübingen Prof. Dr. med. Christoph Berg, Innere Medizin I, Universitätsklinikum Tübingen

Abb. 1: Gefäßversorgung der Leber. Bei einem Verschluss derLebervenen (Venae hepaticae) kommt es zu einem Rückstaudes Blutes in die Pfortader (portale Hypertension).

19Transplantationszentrum Tübingen18

In sehr seltenen Fällen kann ein BCS auch durchchronisch entzündliche Prozesse im Körper (z.B.bei Morbus Behcet, Colitis ulcerosa, diverse rheu-matische Erkrankungen), die zu einer Aktivierungder Blutgerinnung führen, ausgelöst werden.

Symptome und Diagnose des BCS

Eines der Hauptsymptome des BCS stellen diffuseBauchschmerzen, manchmal begleitet von Durch-fällen (verursacht durch einen Rückstau des Blutesin den Darm) dar. Zudem tritt häufig eine Bauch-wasserbildung (Aszites) auf, die je nach Ausprä-gung mit einer Zunahme des Bauchumfanges vergesellschaftet sein kann. Bei zunehmender Einschränkung der Leberfunktion, unter anderemerkennbar durch einen Anstieg des Bilirubins imBlut als Zeichen einer abnehmenden Stoffwechsel-leistung der Leber, kann es zu einer Gelbfärbung(Ikterus) der Haut und Augenbindehäute kommen.Im Verlauf führt der anhaltende Rückstau des Blu-tes in der Leber zu einem erhöhten Druck im Ge-fäßsystem vor der Leber, und damit zur Ausbildungeiner portalen Hypertension (Pfortaderhochdruck).Die portale Hypertension begünstigt die Ausbildungvon Umgehungskreisläufen des Blutes an der Lebervorbei. Unter anderem wird das Blut über Venen imBereich der Speiseröhre zurück zum Herzen ge-führt, was zu einer Krampfaderbildung in der Spei-seröhre (Ösophagusvarizen) führen kann. Dabeistellt die Blutung aus diesen Krampfadern eine gefürchtete Komplikation dar.Die Diagnose des BCS wird mittels bildgebenderVerfahren und Bestimmung von Blutwerten gestellt.Die Sonografie (Ultraschall) der Leber ist für dieErstdiagnose wie auch im Verlauf der Erkrankungdas zentrale bildgebende Verfahren. Hier zeigt sichim Falle eines BCS ein verminderter oder fehlenderBlutfluss in den Lebervenen. Je nach Phase desBCS (frische oder ältere Thrombosen) sind mit derSonografie auch Umgehungskreisläufe, Aszites undandere Folgen der portalen Hypertension nachweis-bar. Häufig wird zur Ergänzung der Diagnostik nocheine Computertomografie (CT) oder Magnetreso-nanztomografie (MRT) angeschlossen. Neben einerzusätzlichen Beurteilung der Gefäßsituation der Leber, können mit diesen Verfahren auch Ursachendes BCS, wie z.B. Tumorerkrankungen, nachge -wiesen werden.

Die Bestimmung der Blutwerte wird unter anderemzur Einschätzung des Ausmaßes der Leberzellschä-den und der Leberfunktionseinschränkung benötigt.Hinzu kommen spezielle genetische Untersuchun-gen sowie Untersuchungen des Blutgerinnungssys-tems, evtl. gefolgt von einer Untersuchung des blut-bildenden Knochenmarks (Gewinnung durch eineKnochenmarkpunktion) zur Klärung der Ursachendes BCS.

Therapie des BCS

Für die Therapie des BCS ist allgemein ein schritt-weises Vorgehen empfohlen. Grundsätzlich gilt esdie das BCS auslösenden Ursachen zu erkennenund wenn möglich zu therapieren. Des Weiterengilt, dass zunächst nach Möglichkeit konservative(nicht-operative) Verfahren zur Therapie angewandtwerden sollten. Erst bei einem Versagen oder nichtausreichenden Ansprechen auf die konservativenVerfahren kommen dann interventionelle oder chi-rurgische Maßnahmen zum Tragen.

Die wichtigste konservative Maßnahme zur Thera-pie des BCS beinhaltet eine konsequente Antiko-agulation (Blutverdünnung) der Betroffenen. Diese erfolgt in der Regel zu Beginn mit Heparin. Im längerfristigen Verlauf werden Medikamente wieMarcumar zur Blutverdünnung eingesetzt. Ziel derAntikoagulation ist dabei nicht nur eine Verhinde-rung der Ausdehnung der Lebervenenthrombosen,sondern auch die bestehenden Thrombosen aufzu-lösen bzw. zu Minimieren, was allerdings leidernicht immer gelingt.

Wenn kurzstreckige Thrombosen in lediglich einoder zwei Lebervenen vorliegen, kann zusätzlichein interventionelles Vorgehen mittels Angioplastieerwogen werden. Bei diesem Verfahren wird übereine Halsvene mittels eines dünnen Drahtkatheterszu den Lebervenen vorgegangen, um die Throm-bose lokal mittels Lyse (starke Blutverdünnung vorOrt), Abtragung oder Aufdehnung zu behandeln.

Wenn durch die Blutverdünnung mit oder ohne An-gioplastie keine Kontrolle der Komplikationen desBCS erreicht werden kann, so ist die Anlage eines„Transjugulären Intrahepatischen Porto-systemi-schen Shunts“ (TIPSS) in Erwägung zu ziehen.Hierzu wird ebenfalls mittels Drahtkatheter übereine Halsvene zu den Lebervenen vorgegangen und

eine künstliche Verbindung zwischen der Pfortaderund einer Lebervene mittels Stent gebildet (sieheAbb. 2). Hierdurch wird der Druck im Pfortadersys-tem gemindert und der Blutfluss durch die Leberwieder verbessert. Aszitesbildung und Ösophagus-varizen können so meist gut behandelt werden.

Sollte dies nicht zum gewünschten Erfolg führen, sosind in Einzelfällen chirurgische Methoden einerShuntanlage (z.B. porto-cavaler Shunt) zu diskutie-ren. Aufgrund der guten Ergebnisse mittels TIPSSsind diese Operationen jedoch heutzutage weitge-hend in den Hintergrund getreten. Darauf geachtetwerden sollte, dass im Regelfall auch nach einer In-tervention, mit oder ohne TIPSS-Anlage, eine le-benslange Blutverdünnung notwendig ist.

Bei ca. 10–20% der Patienten mit einem BCS sindoben genannte therapeutische Maßnahmen leiderakut oder im Verlauf nicht ausreichend um ein zu-nehmendes Leberversagen aufzuhalten. In diesenFällen muss die Evaluation zur Lebertransplantationerfolgen. Das 5- und 10-Jahresüberleben nach Lebertransplantation wegen eines BCS ist sehr gutund liegt bei ca. 75%.

Auch wenn dieses schrittweise Vorgehen allgemeinakzeptiert ist, so bestehen dennoch einige Kontro-versen vor allem den richtigen Zeitpunkt zur TIPSS-Anlage oder Angioplastie betreffend.

Prognose des BCS

Die Prognose des BCS ist als insgesamt günstigeinzuschätzen und hat sich in den letzten Jahrendurch die interventionellen Verfahren wie TIPSS undAngioplastie nochmals deutlich verbessert. Für dieLangzeitprognose entscheidend ist die regelmäßigeBetreuung und Nachsorge der Betroffenen, insbe-sondere im Hinblick auf die Möglichkeit der Ent-wicklung einer Leberzirrhose mit den bekanntenKomplikationen. Dabei sollte auch das Risiko derEntwicklung eine Leberzellkarzinoms, vor allem beiVorliegen einer Leberzirrhose, nicht vernachlässigtwerden. Je nach Verlauf der Erkrankung und demVorliegen von Komplikationen sind regelmäßigeÜberwachungen alle 3–6 Monate mittels Sonogra-fie und Laborwertbestimmungen zu empfehlen.

Zusammenfassung

Das Budd-Chiari Syndrom ist eine seltene Erkran-kung der Leber mit einem weiten Ursachenspek-trum. So sind neben der Suche und wenn möglichauch Therapie der das BCS auslösenden Ursachedie frühzeitige Blutverdünnung die entscheidendentherapeutischen Maßnahmen. Falls Blutverdünnungund Therapie der auslösenden Ursache nicht zum gewünschten Erfolg führen, sind die Anlage einesTIPSS und / oder eine Angioplastie wichtige ergän-zende Therapieverfahren. Bei Vorliegen eines progredienten Leberversagens stellt die Leber-transplantation die einzige Möglichkeit dar dasÜberleben zu sichern.

Zusammengefasst ist das BCS eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung, deren Prognose allerdings durch konsequente Diagnostik, Aus-schöpfung der therapeutischen Optionen und regel-mäßige Nachsorge – wenn möglich an einem Leber-zentrum – als insgesamt günstig angesehenwerden kann.

Abb. 2: TIPSS-Anlage bei Budd-Chiari Syndrom (BCS). Bei einem Verschluss einer oder mehrerer Lebervenen (Venae hepaticae) kommt es zu einem Rückstau des Blutesin die Pfortader (portale Hypertension), wodurch über Um -gehungskreisläufe Ösophagusvarizen und/oder Bauchwas-ser (Aszites) entstehen können. Die Umleitung des Blutflus-ses durch die Anlage eines TIPSS, kann diese Komplikatio-nen bei den meisten Patienten erfolgreich beheben.

Weiterführende Literatur:

1 Aydinli M, Bayraktar Y. Budd-Chiari Syndrome: Etiology, pathogenesis anddiagnosis. World J Gastroenterol 2007; 13:2693–2696.

2 Liu L, Qi XS, Zhao Y, et al. Budd-Chiari Syndrome: current perspectivesand controversies. Eur Rev Med Pharmacol Sci 2016; 20:3273–3281.

3 Budd-Chiari syndrome: Focus on surgical treatment. Hepatology Research2016; DOI:10.1111/hepr.12752.

4 Martens P, Nevens F. Budd-Chiari syndrome. United European Gastroente-rology Journal 2015; 3:489–500.

21Transplantationszentrum Tübingen

Allgemeines / Einführung

Vor Abschluss ihrer fertilen Phase, das heißt zwi-schen 15 und 39 Jahren sind jährlich in Deutsch-land ca. 400/100.000 Frauen von einer onkologi-schen Erkrankung betroffen [1].

Zur Primärtherapie kommt neben einer Operationhäufig eine potentiell ovartoxische systemischeChemotherapie zum Einsatz.

Neben Tumorerkrankungen (z.B. Lymphome, Mam-makarzinom u.a.) können aber auch Autoimmuner-krankungen den Einsatz von ovartoxischen Thera-pien erfordern.

Die Chemotherapie kann in Abhängigkeit der einge-setzten Substanzen, der Dosis und Anzahl der Ga-ben die Fruchtbarkeit maßgeblich beeinträchtigen.

Des Weiteren spielt auch das Alter der Patientin unddie Ovarialreserve, die durch den AMH-Wert charak-terisiert werden kann, eine wichtige Rolle.

Seit mittlerweile über 10 Jahren gibt es die Möglich-keit, bei Mädchen und Frauen, die eine Chemothera-pie erhalten müssen und einen prospektiven Kinder-wunsch haben, eine laparoskopische Entnahme vonEierstockgewebe zur Kryokonservierung durchzu-führen, um so die Fertilität nach Abschluss einersystemischen ovartoxischen Therapie zu erhalten.

Kryokonservierung von Ovarialgewebeals fertilitätserhaltende Maßnahme

Dieses Konsortiums berät Patientinnen vor einerChemotherapie bezüglich fertilitätserhaltender Maßnahmen.

Die individuelle Konstellation der betroffenen Patientin – muss bei solch einer Beratung große Berücksichtigung finden – die Möglichkeit einerKryokonservierung von Ovarialgewebe zulässt, kann diese insbesondere auch bei kurzem Zeit -fenster vor Chemotherapiebeginn realisiert oder mit anderen Optionen kombiniert werden.

Wenn nach einer abgeschlossenen Chemotherapiedas eigene Eierstockgewebe die Funktion nicht wie-deraufnimmt und ein sogenanntes „PrämaturesOvarialversagen“ (Vorzeitiges Einsetzen der Wech-seljahre aufgrund einer für immer erloschenen Eier-stockfunktion) eintritt, dann kann das kryokonser-vierte Gewebe per Bauchspiegelung wieder in daskleine Becken retransplantiert werden.

Indikationen und Zeitpunkt für dieRetransplantation von Ovargewebe

Voraussetzung ist, dass keine Einwände gegenübereiner Retransplantation und einer Schwangerschaftmit nachfolgender Geburt vorliegen. Dazu ist eineenge Kooperation zwischen Reproduktionsmedizinund Onkologie unabdingbar.

Wer führt die erforderlichen operativen Eingriffeund die Kryokonservierung durch?

Die Entnahme von Ovarialgewebe vor einer Chemo-therapie erfolgt per Laparoskopie. Hierbei wird inder Regel ca. ½ Eierstock entnommen (Abb. 1).

Schwangerschaft nach Ovarialgewebe-Retransplantation

Prof. Dr. Sara Brucker, Universitäts-Frauenklinik TübingenDr. Melanie Henes, Universitäts-Frauenklinik Tübingen

Abb. 1: Bild einer laparoskopischen Ovargewebsentnahme

17 LigaSure™YEARS OF INNOVATION

Erste Gebärmuttertransplantation in Deutschland

Im Oktober 2016 wurde erstmals in Deutschland eine Gebärmutter erfolgreich transplantiert.Nach langjähriger Vorbereitung auf diesen Eingriff gelang einem multidisziplinären Team, dem17 Ärzte angehörten, parallel in zwei benachbarten Operationssälen die Transplantation.

Der schwierigste und auf-wändigste Teil war die Ent-nahme der Gebärmutter beider Spenderin. Im benach-barten Operationssaal wurdederen Tochter für die Implan-tation des Transplantatesvorbereitet. Nach der erfolg-reichen Marathontransplan-tation, die Patientin hat zwischenzeitlich regelmäßigihre Monatsblutungen, kanndie Uterus-Empfängerin inca. einem Jahr schwanger werden.

23Transplantationszentrum Tübingen22

der geplanten Laparoskopie sollte sie sich in einemguten Gesundheitszustand befinden. Eine immun-suppressive oder anderweitige vorbereitende oderbegleitende medikamentöse Therapie ist nicht erfor-derlich.

Vorliegende Arbeiten geben eine Geburtenwahr-scheinlichkeit von 23–31% an [3, 4].

Vorgehen nach Retransplantation

Nach der Retransplantation werden die Patientinnenzu sogenannten Monitorings (Erfassen möglicherklinischer Beschwerden, Transvaginaler Ultraschall,Hormonbestimmungen per Blutentnahme) im Kinderwunschzentrum der UniversitätsfrauenklinikTübingen betreut. Hierbei kann eine Einschätzunggetroffen werden, ob und inwieweit das retransplan-tierte Gewebe funktionstüchtig ist.

Da die kryokonservierte Gewebemenge nicht großist, sind die Transplantate nur zeitlich begrenzt aktiv.Somit ist ein zügiger Schwangerschaftseintritt anzu-streben.

Deswegen werden die Patientinnen zusammen mitihren Partnern auch weiterhin zum sogenannten Zyklusmonitoring in der Sprechstunde betreut.

Im natürlichen Zyklus oder unter milder hormonellerStimulation können die oben beschriebenen Monito-rings erfolgen. Sie zeigen, wie sich die Follikel ent-wickeln und wann der Eisprung medikamentös un-terstützt werden sollte, um den optimalen Zeitpunktfür Geschlechtsverkehr oder für eine Insemination(bei leicht eingeschränkten Spermiogrammparame-tern) festlegen zu können.

In besonderen Konstellationen (z.B. nicht durchgän-gige Eileiter oder stark beeinträchtigte Spermio-grammparameter) kann auch eine künstliche Be-fruchtung im Sinne einer IVF- oder ICSI-Therapieerforderlich sein. Auch dies ist nach einer Ovarre-transplantation prinzipiell möglich.

Schwangerschaft und Geburt

In aller Regel sind mehrere Zyklusmonitorings erfor-derlich, bis es zu einem Schwangerschaftseintrittkommt.

Die Patienten werden dann in enger Kooperationvom niedergelassenen Frauenarzt zusammen mitder Universitätsfrauenklinik über die weitereSchwangerschaft betreut.

Unter Berücksichtigung der individuellen Vorge-schichte und des Schwangerschaftsverlaufs wirdder Entbindungsmodus festgelegt. Die Tatsache al-lein, dass eine Ovarretransplantation durchgeführtwurde, spielt für Schwangerschaft und Geburt keineRolle.

Wenn sich keine besonderen Aspekte der Grunder-krankung ergeben, wird das transplantierte Ovarial-gewebe im Körper belassen. Auch eine weitereSchwangerschaft kann aus reproduktionsmedizini-scher Sicht bei intaktem Ovarialgewebe angestrebtwerden.

Die erste Geburt nach Retransplantation von Ovarialgewebe an der Universitätsfrauenklinik Tübingen fand im April 2016 statt.

Vorangegangen war bei der Patientin eine Sarkom-erkrankung mit erforderlicher Chemotherapie. Hier-durch kam es zum ovariellen Versagen. Das vor derSystemischen Therapie entnommene Ovarialge-webe konnte der Patientin im März 2015 in die Be-ckenwand retransplantiert werden.

Unter der Betreuung des Kinderwunschzentrumsder Universitätsfrauenklinik Tübingen (hormonelleStimulation und Zyklusmonitoring) kam es im Au-gust 2015 zum Schwangerschaftseintritt mit Geburteines gesunden Kindes im April 2016 (siehe Kastenmit Fallbericht).

Zuweisende und interessierte Ärzte sowie Patientenkönnen sich gern im Kinderwunschzentrum der Universitätsfrauenklinik Tübingen, Leitung Frau OÄDr. med. M. Henes, melden (Tel. 07071 29-83117).

Die laparoskopische Ovarialgewebsentnahme wirdaktuell im deutschsprachigen Raum an Zentrendurchgeführt, die Mitglieder des Netzwerkes Ferti-PROTEKT und operativ tätig sind. Eine hormonelleStimulation ist nicht notwendig.

Das Einlagern des Gewebes erfolgt in dafür speziali-sierten Gewebebanken. Das Gewebe des Ovarialkor-tex (Eierstockrindengewebe) wird in kleinen Streifenisoliert in Flüssigstickstoff bei -196 Grad eingefro-ren.

Das Ovarialgewebe kann über mehrere Jahre kryo-konserviert bleiben (Abb. 2). Die Dauer der Kryokon-servierung kann durch die Patientin jährlich vertrag-lich verlängert werden.

Die Retransplantation von kryokonserviertem Ova-rialgewebe erfolgt wiederum per Laparoskopie.

Ein Teil des kryokonservierten Gewebes wird aufge-taut und entweder in eine Peritonealtasche in derBeckenwand oder auf das verbliebende Restovartransplantiert (Abb. 3). Auf diesem Wege ist sogar

ein spontaner Schwangerschaftseintritt möglich,ohne dass weitere Maßnahmen der Reproduktions-medizin in Anspruch genommen werden müssen.

Im Rahmen der Retransplantation ist ein besonderesSetting erforderlich, das einen regelrechten Auftau-prozess des Gewebes in zeitgenauer Abstimmungmit der Operation gewährleistet.

Aufgrund der Komplexizität und notwendigen Exper-tise ist die Anzahl der retransplantierenden Zentrenbegrenzt.

Am Department für Frauengesundheit und der Uni-frauenklinik Tübingen unter der Leitung von HerrnProfessor Dr. D. Wallwiener und Frau Professor S. Brucker sind dieses Setting als auch die entspre-chende Expertise vorhanden.

Pro Jahr werden hier in der dafür zuständigenSprechstunde unter der Leitung von Frau OÄ Dr. M. Henes ca. 60 Patientinnen vor einer geplantenChemotherapie beraten.

Die Zuweisung der Patientinnen erfolgt von intern(z.B. aus dem Brustzentrum sowie aus der Häma-toonkologie und der Rheumatologie der Universi-tätsklinik Tübingen) als auch von externen Zuwei-sern (Niedergelassene Kollegen bzw. Kliniken imUmkreis von bis zu mehreren hundert Kilometern).

Erfahrungen der Universitätsfrauenklinik

Seit 2006 werden an der UniversitätsfrauenklinikTübingen regelmäßig Laparoskopien zur Entnahmevon Ovarialgewebe durchgeführt, mittlerweile wer-den >30 Eingriffe /Jahr vorgenommen. Die Erfah-rungen mit dieser Methode sind ausgesprochen gut.

Seit 2015 erfolgen an der UniversitätsfrauenklinikTübingen regelmäßig Retransplantationen von Ova-rialgewebe.

Bei der Entnahme und auch bei der Retransplanta-tion muss über die üblichen Operationsrisiken, dieim Rahmen einer Laparoskopie auftreten können,aufgeklärt werden. Hier sind Blutungen, Nachblutun-gen, Infektionen, Verletzungen von anderen Orga-nen, etc. zu nennen. Jedoch sind berichtete Kompli-kationen nach Ovargewebsentnahme selten [2].

Eine Retransplantation von Eigengewebe setzt keinespeziellen Bedingungen bei der Patientin voraus. Vor

Abb. 2: Kryokonservierung von Ovargewebe

v

Abb. 3: Bild einer laparoskopischen Retransplantation vonOvargewebe in Peritonealtasche

Literatur:1 Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V.(GEKID) www.gekid.de

2 Lawrenz B, Jauckus J, Kupka MS, Strowitzki T, von Wolff M. Fertility pre-servation in >1,000 patients: patient's characteristics, spectrum, efficacyand risks of applied preservation techniques. Arch Gynecol Obstet.2011;283(3):651-6.

3 Jensen AK, Kristensen SG, Macklon KT, Jeppesen JV, Fedder J, Ernst E, etal. Outcomes of transplantations of cryopreserved ovarian tissue to 41women in Denmark. Hum Reprod. 2015;30(12):2838-45.

4 von Wolff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schuring AN, BrucknerT, et al. Fertility-preservation counselling and treatment for medical rea-sons: data from a multinational network of over 5000 women. ReprodBiomed Online. 2015;31(5):605-12.

25Transplantationszentrum Tübingen24

Fall-Beschreibung

2011

Vorstellung der damals 25-jährigen 0-Gravida zur Beratung in der Universitätsfrauenklinik TübingenZuweisungsgrund: Ewing-Sarkom des Daumens der linken Hand, pT1b cN0 cM0 R1Z.n. Resektion im Bereich der linken DaumenstrecksehneEine Systemische Therapie war geplant.

Die Patientin entschied sich für eine laparoskopische Ovarialgewebsentnahme.Diese konnte unkompliziert in der Universitätsfrauenklinik Tübingen durchgeführt werden.

Am 3. postoperativen Tag konnte die Therapieeinleitung analog dem Sarkom-Protokoll 2008 beginnen:6 Zyklen VIDE (Vincristin, Ifosfamid, Doxorubicin, Etoposidphosphat)1/2012 Radikale Nachresektion des Tumorbettes mit LappenplastikFortsetzung der Systemischen Therapie mit VAC (Vincristin, Adriamycin, Cyclophosphamid)

2013

Wiedervorstellung der 27-jährigen Patientin der Universitätsfrauenklinik mit Kinderwunsch.Zu diesem Zeitpunkt bestand eine sekundäre Amenorrhoe. Die transvaginalsonographischen und laborchemischen Befunde (Hypergonadotroper Hypogonadismus: FSH und LH deutlich erhöht, niedriges Estradiol, AMH erniedrigt) wiesen auf ein ovarielles Versagen hin.Zunächst erfolgte ein Hochdosisstimulationsversuch mit hMG (225 IE), jedoch ohne ovarielles Ansprechen.Zum anderen bestanden Wechseljahresbeschwerden, auch depressive Verstimmungen, sodass die Patientin dann zunächst den Beginn einer Hormon(ersatz)therapie wünschte. Die Beschwerden besserten sich darunter, die Kinderwunschtherapie wurde pausiert.

2015

Wiedervorstellung mit erneutem Kinderwunsch und bei weiterhin bestehender Amenorrhoe und Parametern des ovariellen Versagens, Entschluss zur Retransplantation.

3/2015 Laparoskopische Re-Transplantation von Ovarialgewebe in die rechte Beckenwand.

Im Verlauf laborchemische und sonographische Monitorings über die Kinderwunschsprechstunde derUniversitätsfrauenklinik Tübingen.Hierbei zeigten sich nun FSH- und LH-Werte, die deutlich niedriger waren als in den präoperativen Untersuchungen sowie Ansteigen der Estradiol-Werte als Zeichen der ovariellen Aktivität.6/2015 1. Zyklusmonitoring (zunächst 37,5 I.E. hMG, Steigerung bis auf 150 I.E.) mit Darstellung einesFollikels, Ovulationsinduktion zum Verkehr zum Optimum und Lutealphasensubstitution.8/2015 Schwangerschaftstest positiv.

In der Folge regelrechter Schwangerschaftsverlauf mit Spontanpartus eines gesunden Sohnes in der37.SSW 4/2016 an der Universitätsfrauenklinik Tübingen.

27Transplantationszentrum Tübingen26

Die Durchführung klinischer Studien ist aufgrundder zu berücksichtigten Anforderungen mit großemAufwand verbunden. Die Einführung des Qualitäts-managementsystem 2016 mit standardisierten Vorgaben zu organisatorischen Maßnahmen undAbläufe sichert die gleichbleibend hoher Qualitätbei der Studiendurchführung.

Im Rahmen der Blockzertifizierung des Zentrumsfür Klinische Studien (ZKS) Tübingen wurde dasQualitätsmanagementsystem der ChirurgischenStudienzentrale zertifiziert nach DIN EN ISO9001:2008.

Neue Studien zur Nierentransplantation

Reduktion der delayed graft function durch Inhibition von p53 (QRK306)

Hintergrund:

Eine verzögerte Funktionsaufnahme des Transplan-tates („delayed graft function“, DGF) nach Nieren-transplantation ist mit einem eingeschränkten

Transplantatüberleben im Langzeitverlauf assoziiert(Giral-Classe et al., Kidney Int 1998). Risikofaktorenhierfür umfassen Spender- (insbesondere Spender -alter), Empfänger- (Adipositas, Diabetes mellitus,vorausgehende Transplantation, Sensibilisierung)und Transplantationsfaktoren (kalte und warmeIschämiezeit) (Nashan et al., Clin Transplant 2016).Insbesondere vor dem Hintergrund der sich wan-delnden Spender- und Empfängerdemographiewerden Strategien zur Verringerung des Risikos derdelayed graft function immer wichtiger.

Neben der Verbesserung der Abläufe im Rahmeneiner Transplantation bzw. der Einführung der Ma-schinenperfusion auch in Deutschland umfassenAnsätze hierfür Konditionierungs-protokolle beiSpender und Empfänger. Die QRK306-Studie unter-sucht die Verringerung der DGF durch Inhibition vonApoptose (=Zelltod) nach Ischämie-Reperfusion:Durch die gekühlte Lage der Spenderniere nachEntnahme und dessen Wiedererwärmung nach Re-perfusion werden inflammatorische und zytotoxi-sche Signale gebildet. Hierüber wird das proapop-totische Protein p53 hochreguliert (Kelly et al., J AmSoc Nephrol 2003). p53 führt zu einer Apoptose derempfindlichen Tubuli der Nieren. Durch eine Hem-mung von p53 kann eine Apoptose der Tubuli nachIschämie verhindert werden (Molitoris et al., J AmSoc Nephrol 2009). Ergebnisse einer Phase II-Stu-die bei Patienten nach Nierentransplantation konn-ten zeigen, dass hierdurch v.a. bei Nieren von älte-ren Spendern die delayed graft function signifikantreduziert werden konnte (Peddi et al., Am J Trans-plant 2014; 14: 153 [abstract]).

Studienprotokoll:

Die aktuelle Studie untersucht den Einfluss vonQPI-1002, einem temporären Inhibitor von p53 auf RNA-Ebene, auf das Auftreten einer DGF nachNierentransplantation von älteren Spendern (≥ 65Jahre oder ≥ 45 Jahre + weitere Risikofaktoren für DGF). Hierfür wird kurz nach Reperfusion desTransplantates eine einmalige Infusion von QPI-1002 oder Placebo verabreicht. Die Studie ist dop-pelverblindet, d.h. weder Arzt noch Patient weiß,was gegeben wurde. Bis 180 Tage nach Transplan-tation werden zu verschiedenen Zeitpunkten klini-sche und laborchemische Parameter zu Transplan-tatfunktion und Verlauf erhoben, eine Abschluss-

S

Abb. 2: Übersicht zur Studiendurchführung von 2007–2016durch die Chirurgische Studienzentrale

Abb. 1: Struktur der Chirurgischen Studienzentrale (2016)

Das in Krafttreten der 12. Novelle zur Änderung desArzneimittelgesetzes (AMG) 2004 war mit umfang-reichen Neuerungen bei der Durchführung von kli-nischen Prüfungen verbunden, die zum einen dieImplementierung europäischen Rechts in nationalesRecht sowie die Umsetzung der Richtlinien über dieAnwendung der guten klinischen Praxis (GCP) beider Durchführung von klinischen Prüfungen bein-haltete. Diese zunehmenden rechtlichen und regu-latorischen Vorgaben führten dazu, dass praktischgesehen klinische Studien nicht von einem Arzt alleine durchgeführt werden können. Somit wurdeein neuer Arbeitsbereich die Chirurgische Studien-zentrale in der Klinik für Allgeneine, Viszeral- undTransplantation gegründet.

Die Chirurgische Studienzentrale, anfänglich ein 2erTeam, unterstützt seit 2007 das ärztliche Team beider Durchführung klinischer Studien. Durch dierasch wachsende Anzahl der zu betreuenden Stu-dien (Abb. 2) vergrößerte sich das Studien Team inden letzten 10 Jahren auf aktuell 6 Personen, wel-che alle wesentlichen Tätigkeitsbereiche abdeckt(Abb.1). Im Laufe der Jahre änderte sich auch die medizini-sche Ausrichtung (Indikation) der Studien. AußerTransplantationsstudien, die ab 2013 aufgrund desOrganmangels rückläufig waren, werden neben chi-rurgischen Verfahren vermehrt onkologisch-chirur-gische Studien durchgeführt. Ein Schwerpunkt istdie chirurgische Behandlung von Tumoren.

Ein Blick in die Studienzentrale Tübingen – 10 Jahre Chirur-gische Studienzentrale, Transplantationszentrum Tübingen

Dr. Silvia Wagner, Chirurgische Studienzentrale, Universitätsklinikum Tübingen Dr. Martina Guthoff, Innere Medizin IV, Universitätsklinikum Tübingen

29Transplantationszentrum Tübingen

Die Rolle der Psychosozialen Betreuung in der Transplan -tationsmedizin im Hinblick auf eine „Lebendspende“

Dipl.-Pädagogin Dorthee Holder, Abteilung II, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Tübingen Carolin Singer, Sozialpädagogin im Psychosozialen Dienst, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Tübingen

In der Praxis nehmen die vorbereitenden Gesprächezur Thematik „Lebendspende“ großen Raum ein.Sowohl die sozialrechtlichen als auch die psycholo-gischen Aspekte, die diese Entscheidung zur Folgehaben, sind für die Spender/in von großer Bedeu-tung und bedürfen genauer Aufklärung mit Raumfür Gesprächsangebote.

In unseren, den Entscheidungsprozess begleiten-den Gesprächen, führen wir mit den potentiellenLebendspendern eine individuelle und ausführlichesozialrechtliche Beratung durch, basierend auf denaktuellsten zur Verfügung stehenden Aufklärungs-unterlagen https://www.organspende-info.de/organ-und-gewebespende/arten/lebendspende[20.12.2016].

Gesetzliche Voraussetzungen undRahmenbedingungen „Lebendorganspende“

Die sozialrechtliche Aufklärung in Hinblick auf Fra-gen wie die der Kostenübernahme von Seiten derKrankenkasse einer Lebendspende, die Erstattungdes Verdienstausfalls, die Weiterversicherung in ge-setzlicher Sozialversicherung – das Gesetz zur Än-derung des Transplantationsgesetzes (TPG) bringthier klare Regelungen und wurde mit der Novellie-rung vom 21.07.2012 deutlich verbessert.

Das TPG regelt den Schutz der Lebendspender/in-nen mit dem Hintergrund, dass eine Organent-nahme ein Eingriff in die körperliche und psy-chische Unversehrtheit darstellt- der Schutz desLebendspender/in steht über allem.

Die medizinischen Leistungen der Lebendspender/innen sind nach § 27 (1a) SGB V festgelegt, dazugehören namentlich

• Voruntersuchungen• Stationärer Aufenthalte• Nachsorge• Fahrtkosten zu all diesen Terminen, sowie Verdienstausfälle

• Rehabilitationsmaßnahmen

Diese werden im individuellen Falle abgeklärt undEinleitungsmaßnahmen getroffen.

Neben der medizinischen Abklärung als Spender/inin Frage zu kommen, wird zudem der familiäre undwirtschaftliche Rahmen der möglichen Spenderfa-milie evaluiert, um bei der Gesamtentscheidungs-findung mitzuwirken.

Begleitende Beratung vor und nach Lebendspende

Innerhalb der individuellen Fallevaluation werdenvor und nach erfolgter Transplantation folgende Aspekte gemeinsam beleuchtet:

VOR

• Familienanamnese• wirtschaftliche Rahmenbedingungen der Spen-derfamilie

• Abklärung der Privaten Vorsorge: Änderung desGesundheitszustandes sind anzuzeigen, um wei-terhin Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten

• Therapieadhärenz• Resilienzfähigkeit

NACH

• Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung• bei medizinischen Komplikationen des Lebend-spender/in auftretende Schuldfrage

Als letzten Punkt wäre zu nennen, dass die Ent-scheidung, sich bei medizinischer Eignung, gegeneine Lebendspende auszusprechen und das Organnicht zu spenden, gravierende Auswirkungen aufinnerfamiliäre Beziehungen mit großer emotionalerBeteiligung zur Folge hat.

Diese emotionale Beteiligung steht einer rationalenBeurteilung mit Anhörung der Argumente gegeneine Lebendspende entgegen, das Wissen um dieDringlichkeit ein passendes Organ zu benötigen,lässt alles in den Hintergrund treten.

visite ist ein Jahr nach Transplantation vorgesehen.Die Studie ist eine multizentrische Studie mit teil-nehmenden Zentren in Deutschland, Europa, Nord-und Südamerika und Australien, insgesamt sollen634 Patienten eingeschlossen werden.

Die Rolle präformierter alloreaktiver T-Zellen in der akuten Abstoßung nach Nierenlebend-spende (Allo-flow Studie)

Hintergrund:

T-Zellen, die gegen die transplantierte Niere gerich-tet sind, sind für zelluläre Abstoßungen nach Nie-rentransplantation verantwortlich. Bislang gibt eskeine klinisch verfügbare Testmethode, um diesealloreaktiven T-Zellen im Vorfeld einer Transplanta-tion zu messen und somit die Wahrscheinlichkeiteiner Rejektion vorherzusagen.

Studienprotokoll:

Die aktuelle Studie untersucht die klinische An-wendbarkeit eines einfachen Assays zur Bestim-mung dieser alloreaktiven T-Zellen (Sester et al.,

Transplantation 2004). Hierfür werden im Vorfeldeiner Nierenlebendspende Blut von Spender undEmpfänger auf das Vorliegen von alloreaktiven T-Zellen untersucht und mit dem klinischen Verlaufbzw. dem Auftreten von Abstoßungen im erstenJahr nach Transplantation verglichen. Die Studie isteine Deutschland-weite Studie, die von Herrn Prof. Dr. med. Urban Sester aus Homburg initiiertwurde. Insgesamt sollen 150 Lebendspendepaareeingeschlossen werden. Die Ergebnisse sollten zeigen, ob durch Bestimmung der alloreaktiven T-Zellen im Vorfeld einer Nierentransplantation dasRejektionsrisiko vorhergesagt werden und somitdie Höhe der notwendigen Immunsuppression indi-viduell festgelegt werden kann. Patienten einer klinischen Studie werden nach einem geprüftenund festgelegten Studienprotokoll, einer genauenArbeitsanweisung, die einheitlich für alle teilneh-menden Studienzentren und deren Mitarbeiter gilt,behandelt. Dieses Protokoll erfüllt die Vorgaben derinternationalen Leitlinie zur „Guten Klinischen Pra-xis“ (GCP), einem ethisch und wissenschaftlichenStandard für Planung, Durchführung, Dokumenta-tion und Berichterstattung von klinischen Prüfun-gen.

31Transplantationszentrum Tübingen

In der Transplantationsmedizin konnte durch dieEinführung und Kombination potenter immunsup-pressiver Medikamente das Abstoßungsrisiko unddas Organüberleben im Langzeitverlauf in den letz-ten Jahrzehnten erheblich verbessert werden. UnterImmunsuppression steigt jedoch das Risiko für dieEntwicklung infektiöser Komplikationen. Unter demBegriff „opportunistischer Infektionen“ verstehtman Erreger (Bakterien, Pilze, Viren), welche ledig-lich unter Immunsuppression oder Formen angebo-rener oder erworbener Immundefizienz zu einer Infektion führt. Das BK-Virus gehört zur Gruppe derPolyomaviren und nimmt innerhalb der opportunis-tischen Infektionen eine Sonderstellung ein, da esfast ausschließlich nach Nierentransplantation zurEntwicklung einer Polyomavirus-assoziierten Neph-ropathie kommt. Die erste Isolierung des BK-Viruserfolgte im Jahr 1971 aus dem Urin eines nieren-transplantierten Patienten, nach dessen Initialendas BK-Virus benannt ist [1]. Es dauerte anschlie-ßend weitere 24 Jahre ehe 1995 vermehrt Fälleüber BKV Infektionen berichtet wurden.

Epidemiologie und Pathogenese

Die Primärinfektion durch das BK-Virus findet typi-scherweise in der ersten Lebensdekade statt undverläuft meist asymptomatisch oder ist gekenn-zeichnet durch milde respiratorische Symptome. Im Erwachsenenalter beträgt die Seroprävalenz fürBKV Immunglobulin G (IgG) 80–90% [2].Das bedeu-tet, dass 80–90% der adoleszenten Population dieInfektion durchgemacht haben. Anschließend gehtdas Virus in eine Latenzphase über, welche vor allem im Urogenitaltrakt stattfindet. Durch die Immunsuppression nach Nierentransplantationkann es zu einer Reaktivierung des Virus kommen.Ferner wird aktuell auch eine Übertragung durchden Spender, eine sogenannte „donor derived infection“ diskutiert und scheint ebenso eine relevante Rolle zu spielen [3].

Die Infektion durch das BK-Virus verläuft für denBetroffenen meist asymptomatisch. Typischerweisefindet sich lediglich eine langsame Transplantat-funktionsverschlechterung, gekennzeichnet durcheinen Anstieg des Serum-Kreatinins (creeping creatinine). Der Nachweis des BK-Virus erfolgtheutzutage über die sehr sensitive Methode derPCR („polymerase chain reaction“) aus dem Urinbzw. aus dem Blut. Der Nachweis von Decoy-Zellen im Urin spielen eine untergeordnete Rolle.Der typische Verlauf beginnt mit einem Auftretendes BK Virus im Urin. Dies findet sich in etwa 20 bis 60% der nierentransplantierten Patienten. Eine BK-Virämie, gekennzeichnet durch eine posi-tive BKV-PCR ist in 10–30 % der Patienten nachNierentransplantation nachweislich, wohingegennur etwa 2–10% der nierentransplantierten Patien-ten eine Polyomavirus-assoziierte Nephropathie(PVAN) entwickeln [4]. Die Diagnose der PVAN wirddurch eine Nierenbiopsie gestellt. In der histologi-schen Aufarbeitung finden sich charakteristischezytopathologische Veränderungen des Tubulusepi-thels und der immunhistochemische Nachweis desVirusbestandteils SV40 (Abb. 1+2).

3030

Hier besteht die Hauptaufgabe der psychosozialenUnterstützung darin, innerfamiliäre Kommunikati-onsstrukturen aufrecht zu erhalten, zu moderieren,um eine weitere Zusammenarbeit zum Wohle deserkrankten Familienmitglieds zu gewährleisten.

Unterstützend zum eigentlichen Beratungsprozessverwenden wir die eigens dafür entwickelte Mappe„Transplantation“, mit dem Inhalt vielfältiger psy-chosozialer- und sozialrechtlicher Informationen.

Chronisches Nierentransplantat-Versagen durchPolyomavirus-assoziierte Nephropathie (PVAN)

Dr. Thomas Mühlbacher, Innere Medizin IV, Universitätsklinikum Tübingen

(

Abb. 1: PAS Färbung mit Tubulitis, 20-fach (Prof. Dr. Amann, Erlangen)

33Transplantationszentrum Tübingen

gen keine relevante Nephrotoxiztität nachweisenkönnen. Hingegen konnte eine Virusclearance, ge-kennzeichnet durch eine Suppression der Virusko-pien in der PCR im Serum < 1000 Kopien/µl, in > 80% der behandelten Patienten erreicht werden[8].

Fazit

Die Polyomavirus-assoziierte Nephropathie stellteine prognostisch relevante Komplikation nach Nierentransplantation dar. Trotz verbesserter diagnostischer Möglichkeiten und zunehmendemVerständnis dieser Erkrankung existiert neben derReduktion der Immunsuppression kein etabliertesTherapiekonzept. Mittels des am Transplantations-zentrum Tübingen entwickelten und validierten Protokolls aus „low-dose“ Cidofovir und Umstellungauf eine mTOR-basierten Immunsuppression kön-nen wir heute in > 80% der Fälle eine anhaltendeViruselimination erzielen.

32

Am häufigsten findet sich eine PVAN im ersten undzweiten Jahr nach Nierentransplantation, diesekann aber prinzipiell zu jedem Zeitpunkt nach Nierentransplantation auftreten. Aus diesem Grunderfolgen nach Nierentransplantation am Transplan-tationszentrum Untersuchungen mittels PCR imersten Jahr nach Nierentransplantation bzw. beiVerschlechterung der Transplantatfunktion.

Therapeutische Optionen

Die Möglichkeiten der Therapie bei Nachweis einerBK-Virämie oder gar einer PVAN beinhalten einer-seits die Reduktion bzw. auch gezielte Umstellungder Immunsuppression, andererseits Versuche mit-tels spezifischer virustatischer Therapien eine Virus-elemination zu erreichen.

• Reduktion der Immunsuppression: Eine Reduktionder Immunsuppression stellt die etablierte, wich-tigste Intervention bei nachweislicher BK-Virämieoder PVAN dar. Meist werden niedrigere Zielspie-gel der Calcineurin-Inhibitoren bzw. eine Reduk-tion des Antimetaboliten angestrebt.

• Gezielte Umstellung der immunsuppressivenTherapie: Obwohl die Entwicklung einer PVAN un-ter jeder Form der Immunsuppression beschrie-ben ist, konnte im Rahmen von Studien gezeigtwerden, dass unter mTOR-Inhibitoren die Quanti-tät und Qualität virusspezifischer zytotoxischer T-Zellen hochreguliert wird [5]. Ferner konnten

in-vitro Untersuchungen zeigen, dass unter Ciclo-sporin und noch stärker unter mTOR Inhibitorendie Replikation von BKV gehemmt werden konnte[6].

• Spezifische antivirale Therapie: Der Versuch einesdirekten antiviralen Ansatzes erscheint insbeson-dere bei histologischem Nachweis einer PVANund progredienter Transplantatfunktionsver-schlechterung notwendig. Die hierbei verwende-ten Medikamente beinhalten:

– das Nukleosidanalogon Cidofovir welches ur-sprünglich für den Einsatz bei der CMV-Retinitiszugelassen wurde und in verschiedenen Unter-suchungen einen potenten virostatischen Effektauf BKV gezeigt hatte [7]

– intravenöse Immunglobuline (IVIG) um Antikör-per gegen BKV zu übertragen

– das Immunsupressivum Leflunomid welchesantivirale Effekte besitzt

– auch Fluorochinolonantibiotika wird eine Wirkung gegen das BK-Virus nachgesagt, allerdings konnten zwei randomisierte Studienkeinen Nutzen dieser Therapie zeigen

Erfahrungen und therapeutisches Vorgehen amTransplantationszentrum Tübingen

Am Transplantationszentrum Tübingen verfolgenwir seit über 10 Jahren ein am Zentrum entwickel-tes, kombiniertes Behandlungsregime.

Wurde die Diagnose einer Polyomavirus-assoziier-ten Nephropathie durch eine Nierenbiopsie gestellt,erfolgt, falls immunologisch vertretbar, eine Umstel-lung der Standard-Immunsuppression auf einemTOR-basierte Immunsuppression mit dem Ziel einer Reduktion der gesamten immunsuppressivenWirkung sowie der bereits zuvor genannten verbes-serten Virusclearance. Zusätzlich verabreichen wirdas Virustatikum Cidofovir nach einem in Tübingenentwickelten und validierten Protokoll (Abb. 3) in einer nierenadaptierten Dosierung (0,25 mg/kgKörpergewicht). Im Gegensatz zum Einsatz bei derCMV-Retinitis wird kein Probenecid gegeben, da dieAufnahme des Medikamentes in die proximale Tu-buluszelle für eine Aktivität gegen BKV erforderlichist. Unter Prähydratation und Applikation nach demTübinger Protokoll haben retrospektive Auswertun-

( Abb. 2: SV 40 Färbung mit angefärbten infizierten Tubulus-zellkernen, 20-fach (Prof. Dr. Amann, Erlangen)

W

Abb. 3: Tübinger Cidofovir-Protokoll

Literatur:

1 Gardner, S.D., et al., New human papovavirus (B.K.) isolated from urineafter renal transplantation. Lancet, 1971. 1(7712): p. 1253–7.

2 Egli, A., et al., Prevalence of polyomavirus BK and JC infection and replication in 400 healthy blood donors. J Infect Dis, 2009. 199(6): p. 837–46.

3 Schwarz, A., et al., Viral Origin, Clinical Course, and Renal Outcomes inPatients With BK Virus Infection After Living-Donor Renal Transplanta-tion. Transplantation, 2016. 100(4): p. 844–53.

4 Hirsch, H.H., et al., Polyomavirus-associated nephropathy in renaltransplantation: interdisciplinary analyses and recommendations.Transplantation, 2005. 79(10): p. 1277–86.

5 Araki, A., et al., mTOR regulates memory CD8 T-cell differentiation. Nature, 2009. p. 108–13.

6 Hirsch, H.H., et al., BK Polyomavirus Replication in Renal Tubular Epithelial Cells Is Inhibited by Sirolimus, but Activated by TacrolimusThrough a Pathway Involving FKBP-12. Am J Transplant, 2016. 16(3): p. 821–32.

7 Momper, J.D., et al., Pharmacokinetics of low-dose cidofovir in kidneytransplant recipients with BK virus infection. Transpl Infect Dis, 2013.15(1): p. 34–41.

7 Mühlbacher, T., et. al., Low-dose Cidofovir und Umstellung auf mTOR-basierte Erhaltungsimmun-suppression bei Polyomavirus assoziierteNephropathie (PVAN) - eine Fallserie, Abstract Kongress für Nephrologie(DgfN) 2016

35Transplantationszentrum Tübingen

und Kinder-und Jugendmedizin. Auch ist aus diesenZahlen nicht ersichtlich, wie viele der Kollegen je-weils kunst- oder musiktherapeutisch tätig waren.

In der Vorbereitung dieses Beitrags habe ich überdas Internet und telefonisch versucht, stichproben-artig die derzeit tätigen Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken, in denen Organtransplantationenvorgenommen werden, ausfindig zu machen. DasErgebnis bislang ist gleich Null.

Eine schriftliche Befragung, die ich momentan er -arbeite, kann ggf. zu einem späteren Zeitpunkt angemerkt werden.

Ich gehe davon aus, dass es in der Transplanta -tionsmedizin tätige Kolleginnen und Kollegen gibtund sie aus verschiedenen Gründen bislang jedochnicht in den Selbstdarstellungen und in den Statisti-ken, vor allem der Akutkliniken vorkommen.

In der Medizinischen Hochschule Hannover hat,schon 1983, Elisabeth Wellendorf neun Jahre auchkunsttherapeutisch Patienten vor und nach Organ-transplantationen begleitet und über ihre Erfahrun-gen ein umfassendes und sehr wegweisendesBuch geschrieben („Mit dem Herzen eines anderenleben“, Kreuz Verlag, Stuttgart, 1983). Kunstthera-pie, und mit ihr alle anderen künstlerischen Thera-pien, wurden erst 2005 in den amtlichen Operatio-nen- und Prozedurenschlüssel OPS 301(Ziffer 9-401psychosoziale Therapien 9-401.4 künstlerischeTherapien aufgenommen). Seit 2009 werden sie inden Auswahllisten der Regelungen zum Qualitäts-bericht der Krankenhäuser des GBA genannt.

„Da das DRG-System ein Fallpauschalensystem ist,wird von den Krankenkassen jeweils eine be-stimmte Pauschale pro stationärem Aufenthalt bezahlt; eine Refinanzierung von Einzelleistungenist für sämtliche psychosozialen Tätigkeiten (unddamit auch für die künstlerischen Therapien) bishernicht möglich und auch nicht vorgesehen“ (PSA-POH, Berufsbild der Kunst- und Musiktherapeuten,www.kinderkrebsinfo.de>index_ger).

Nur ein geringer Prozentsatz der Kunsttherapeutin-nen und Kunsttherapeuten, die im klinischen Be-reich tätig sind, wird von den Kliniken selbst durcheine definierte Stelle auch von ihnen finanziert. In der Regel geschieht dies durch die Inanspruch-nahme von Drittmitteln. Ein gutes Beispiel ist hier-für meine eigene 50%-Stelle in der Tübinger Pädia-

trischen Onkologie. Sie wird seit 1988 durch dieUnterstützung vom Förderverein für KrebskrankeKinder e.V. ermöglicht. Die psychosoziale Versorgung in der PädiatrischenOnkologie könnte durch ihre langjährigen Erfahrun-gen und ihre hieraus erarbeiteten Leitlinien durch-aus eine Vorreiterstellung für die psychozoziale Begleitung auch anderer Krankheitsbilder, insbe-sondere im klinischen Rahmen, darstellen. Innerhalb der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaftin der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie undHämatologie (PSAPOH) gibt es seit 1983 einen Arbeitskreis für die Berufsgruppe der Kunst- undMusiktherapeuten. In diesem Rahmen finden jähr-lich Arbeitstagungen und Fortbildungen statt. 2008 veröffentlichte die PSAPOH eine S3-Leitliniezur psychosozialen Versorgung krebskranker Kin-der, Jugendlicher und ihrer Familien (kinderkrebs-info.de). Hier sind künstlerische Therapien als etab-liertes Angebot ein klarer Bestandteil. Durch dieseOrganisation sind derzeit Kolleginnen und Kollegenaus 37 Akutkliniken aus Deutschland, Österreichund der Schweiz in der familienorientierten Rehabi-litation sowie in Nachsorgeeinrichtungen vernetzt. In der Transplantationsmedizin sind vergleichbareVernetzungen in der psychosozialen Versorgungund eine entsprechende Orientierung bislang nicht,oder nur punktuell vorhanden (siehe: Ria Kortum,Kunsttherapie in der ambulanten Kinderkardiologie,Logos Verlag, Berlin, 2013, S. 63, 3.2.) Faktisch erhalten sehr viel mehr Patienten Stamm-zelltransplantationen als Nieren- oder Lebertrans-plantationen. Zahlenmäßig gar nicht damit zu ver-gleichen ist die ungleich geringere Anzahl derHerz-, Lungen- oder Darm-Transplantationen beiKindern. Das ist sicher einer der Gründe für die inder Transplantationsmedizin bislang nur vereinzeltstattfindenden kunsttherapeutischen Begleitungen.Es scheint sich jedoch auch hier ein zunehmenderBedarf und vor allem ein Bewusstsein hierfür zuformulieren, denn die Gegenwartsmedizin darf dieVersorgung von Menschen mit lebensbedrohlichenErkrankungen, die auch nach erfolgreichen chirur-gischen Eingriffen oder anderen erfolgreichen The-rapien nicht abschließend und nachhaltig gesundsind, sondern mit chronischen Erkrankungen wei-terleben und weiter therapiert werden müssen,nicht auf die somatische Versorgung reduzieren.

34

Ein sechsjähriger Junge malte, als ich ihn auf derStation für Stammzelltransplantationen kennen-lernte, gerne Eisenbahnen, Lokomotiven und dieGleise, auf denen sie fuhren. Eines der Bilder (Abb. 1) aus dieser Reihe fällt heraus, oder fällt esin die Reihe hinein? Da malte er ein Kamel, das allein durch eine bergige Wüste wandert. Seineschwere Krankheit war, so erlebte er es möglicher-weise, nicht auf den schon eingefahrenen Wegen,wie sie das Reisen in und mit Zügen symbolisierenmögen, zu therapieren. Er hatte sich für dieseReise, die für einen Menschen, der – allein in einerWüste unterwegs – vermutlich verloren wäre, in einwüstentaugliches Kamel verwandelt. Offensichtlichkonnte und musste seine Seele erstaunliche Durch-haltekräfte und elementare Energiereserven fürdiese Behandlung mobilisieren.

Es ist ein biblisch anmutendes, aus dem archetypi-schen Bilderschatz gewähltes Motiv, dieser Weg in

und durch eine Wüste. Ein Bild, das vielleicht dieexistentielle Tragweite seiner Krankheit und derenVerlauf symbolisiert. Es war ihm wichtig, dass dieWüste wie eine echte Wüste aussah. So desinfizier-ten wir echten Sand und so konnte er seine Wüstekonkret und begreifbar gestalten.

2013 hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Künst -lerischer Therapien (BAG KT) eine Berufsgruppen-analyse künstlerischer Therapeutinnen und Thera-peuten, die im Gesundheitswesen gemäß SGB tätigsind (N-2134) im Format einer Online-Erhebung inAuftrag gegeben.

2.134 Kolleginnen und Kollegen waren demnach zudiesem Zeitpunkt tätig. Davon in den Kliniken dersomatischen Akutversorgung 264 und hiervon inder inneren Medizin 46. In dieser Gruppe solltenauch die in der Transplantationsmedizin tätigen Kol-leginnen und Kollegen zu finden sein. Nicht explizitdifferenziert wurde zwischen Erwachsenenmedizin

Kunsttherapie in der Transplantationsmedizin

Dipl.-Kunsttherapeutin Kathrin Hillermann, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Tübingen

37Transplantationszentrum Tübingen36

Auch wenn es manchmal den Anschein hat, esgebe so etwas wie Alltag in der Transplantations-medizin, stellt eine Transplantation für den betroffe-nen Menschen und seine Angehörigen, bei aller Unterschiedlichkeit des zu transplantierenden Organs, immer eine Grenz- und Krisensituation inseinem Leben dar. Nicht nur durch die begrenzt zurVerfügung stehenden Organe bedeutet eine Trans-plantation noch immer eine letzte Option wenn andere Möglichkeiten ausgeschöpft oder unmöglichsind. Patienten und ihre Familien müssen sich exis-tentiellen Fragen und Unsicherheiten stellen undsich psychisch mit heftigsten Ambivalenzen undGefühlen der Ohnmacht und des Ausgeliefertseinsauseinandersetzen, manchmal innerhalb einer akutentstandenen existentiellen Gefährdung oder auchnach langer Krankheitszeit. In dieser Lebenssitua-tion wird der ganze Mensch und auch die Men-schen aus seinem persönlichen Umfeld mit ihm er-schüttert und existentiell belastet. Dies macht einePsychosoziale Begleitung unverzichtbar. In diesemZusammenhang wirken künstlerische Therapienhilfreich – und dies nicht ausschließlich bei Kindernund Jugendlichen.

Nicht umsonst sind inzwischen künstlerische Therapien in vielen Bereichen anerkannt und einfester Bestandteil der psychosozialen Versorgung(bagkt.de Künstlerische Therapien in med. Leit-linien).

Medizinische und therapeutische Fakten sindsprachlich gut zu benennen und zu vermitteln. Ob wiederum allein die Sprache ausreichend ist,wenn es um das Erfassen und Bewältigen psy-chischer Prozesse dieses Ausmaßes geht, mag von Mensch zu Mensch sehr verschieden sein. Die meisten Menschen sind in solchen Krisenzeitenauf erweiterte Möglichkeiten seelischen Verarbei-tens angewiesen (Häberle/ Niethammer, Leben willich jeden Tag, S.124, Herder Verlag, Freiburg, 1995).

Die kunsttherapeutischen Stunden für die einzelnenPatienten, die von einer Organtransplantation be-troffen waren, und die ich in Tübingen mit finanziel-ler Unterstützung unterschiedlicher Drittmittel be-gleitet habe, kamen durch die Anfragen des jeweilszuständigen psychosozialen Mitarbeiters, des Pfle-gepersonals oder auf ärztliche Nachfragen zu-stande. Oft war der Patient schon längere Zeit inder Klinik und man suchte nach Möglichkeiten, die

Belastungen des lang andauernden Krankenhaus-aufenthaltes und der damit verbundenen psy-chischen Erschöpfung durch Hinzuziehung einerkunsttherapeutischen Begleitung zu entlasten undum u.a. die weitere Compliance zu gewährleisten.

In kunsttherapeutischen Stunden entstehen sym-bolhafte Darstellungen, die ein Ausdruck des inne-ren Erlebens sind (ein erstes Beispiel hierfür ist die-sem Bericht vorangestellt). Diese zu verstehen isteine der Aufgaben der Therapeutin oder des Thera-peuten. In diesem Zusammenhang macht es häufigauch Sinn, diese symbolhaften Darstellungen aufeine Sprachebene zu führen und zu reflektieren.

Durch den gestalterischen Prozess, in der Ausein -andersetzung mit dem Material und in der Verwirk-lichung dieses Geschehens durch einen sichtbarenAusdruck werden u. a. Selbstwahrnehmung undSelbstwert gestärkt und Ressourcen aktiviert.

Diesen seelischen Gestaltungsprozess zu fördernund zu begleiten ist Aufgabe einer künstlerischenTherapie. Nicht ein bestimmtes Ergebnis, sondernder Prozess selbst definiert hierbei ein möglichesZiel.

Gerade in Akutkliniken kann die Kunsttherapie auchden Ort darstellen, der neben den notwendigen medizinischen, jedoch häufig schmerzhaften, belastenden und bedrohlichen Eingriffen Ruhe, Entlastung und Regeneration für eine notwendigepsychischer Orientierung ermöglicht: einen Raum,in dem Patienten wertfrei ermutigt werden, sich vorallem sich selbst gegenüber zu öffnen, sich ihrerBefindlichkeiten, ihrer Grenzen und ihrer Ressour-cen bewusst zu werden, um sie dann auch für eineaktive Gestaltung ihres Krankheitsverlaufs und fürden weiteren Lebensverlauf zur Verfügung zu haben.

Die in diesem Beitrag vorgestellten Bilder entstan-den in Einzelstunden. Das Material und ebenso dasThema wählten die Patienten selbst.

Das zweite Bild (Abb. 2) ist das eines achtjährigen,an Leukämie erkrankten Jungen. Er malte es, wäh-rend das Knochenmark eines Fremdspenders durcheine Infusion in seinen Körper lief. Die Idee bzw.das Motiv zu dem Bild wählte er aus einem Karten

spiel, das er zu dieser Zeit gerne spielte. In ihmging es um magische Zauberkräfte, um den Kampfzwischen den Guten und den Bösen und für dieseAuseinandersetzung benötigte der Spieler auch

Für Sie. Für Ihr Leben. Für erfolgreiche Transplantationen.

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Eine individuell auf den Patienten abgestimmte Immunsuppression? Wir von Novartis im Bereich Transplantation arbeiten daran.

Jeder Patient ist anders. Deshalb forschen und entwickeln wir zusammen mit Ärzten und Wissenschaftlern intensiv an der am Patienten ausgerichteten Immunsuppression. Denn das bedeutet Leben.

Damit Transplantations-Patienten länger und glücklicher leben können, investieren wir in wegweisende und innovative klinische Studien. Schon heute haben wir vielversprechende Präparate, die auf den Patienten als Individuum eingehen. Und wir arbeiten ständig an Verbesserungen. Mit all unserer Kraft.

Unser Versprechen: mehr Engagement aus Leidenschaft. Ein Leben lang.

Das Ziel dieser Falldarstellungen ist es, den Leserneinen Einblick und ein Bild für die Bedeutung vonKunsttherapie als sinnvoller Ergänzung bei der Be-handlung von Menschen mit schweren Erkrankun-gen, die eine Transplantation erfordern, zu geben.Das Fazit meiner langjährigen Berufserfahrung unddurch den Austausch mit ebenso in diesen Berei-chen tätigen Kollegen ist, dass es nicht nur wün-schenswert, sondern vielleicht unverzichtbar ist, füreine somatische wie auch psychische Gesundungder meisten Patienten künstlerische Therapien festin das Behandlungskonzept zu integrieren. In derTransplantationsmedizin spezifisch wäre es sinn-voll, dort wo es zeitlich und medizinisch möglichist, beginnend mit dem Entscheidungsprozeß eineje nach Bedarf fortlaufende kunsttherapeutischeBegleitung anzubieten.

Für die Transplantationsmedizin besteht, wie auchfür weitere Gebiete, in denen Kunsttherapie ange-wandt wird, ein großer Bedarf an wissenschaftlichausgerichteten Forschungsprojekten. Der Wirkfaktorund die Wirksamkeit der Kunsttherapie können hiererweitert dokumentiert und untersucht werden.

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aus den Anfängen einer jeden Malentwicklung, je-des Kind beginnt mit Punkten und Kritzeln, bevordann Spiralen, Kreise, Linien und Kreuzungen hin-zukommen.

Es gibt die Idee, dass diese ersten Punkte aucheine Erinnerung aus der pulsierenden interuterinenTonerfahrung abbilden könnten. In dieser Welt gibtes kein Oben und kein Unten, weder ein Innen nochein Außen. Es ist eine Welt voller Töne, vielleichtauch wie eine Welt voller bunter Töne, so wie er siein seinen Bildern malte. Von Geburt an ging es indem Leben des Jungen um das Überleben mit ei-nem Darm, der nicht das tat, was er sollte, damit erwachsen und gedeihen konnte. Alles was in seinemBauch geschah oder nicht geschah, bestimmte seinLeben und das Leben seiner Eltern. Zum Beispielwar es ihm erst nach seiner Transplantation mög-lich, nachts zum Schlafen zu Hause zu gehen undnicht – wie bislang – nachts in der Kli nik zu sein,um durch Infusionen ernährt zu werden.

In weiteren Bildern kamen Linien und Kreuzungenals Ordnungsstrukturen hinzu. Sie dokumentierenseine Erfahrungen von Innen- und Außenraum unddas durch seine Erkrankung – an seinem Alter ge-messen – hinausgezögerte Verweilen in diesem Er-fahrungsraum. Sein für ihn bis dahin durch Infusio-nen „verkabeltes“ Leben belastete und erschwerteverständlicherweise seine Autonomiebestrebungen.Ebenso erzählen seine eher seltenen Menschendar-stellungen von einem auf den Bauchraum konzen-trierten Körper-und Selbstbild (Abb. 6 und 7).

immer wieder die zu gewinnenden „Lifepoints“. Die deutliche Parallele zu seinem aktuellen Thera-piegeschehen war ihm nicht bewusst. Es war einSpiel, was zu dieser Zeit vor allem Jungs gernespielten. Nach einem Hinweis von mir löste diesgroßes Erstaunen über sich selbst bei ihm aus, und die Erkenntnis, dass seine Hände vielleichtmanchmal mehr wissen als sein Kopf, empfand er als höchst vergnüglich und anregend.

Das nächste Bild (Abb. 3) malte ein zwölfjährigesMädchen. Sie war notfallmäßig in die Tübinger Klinik gekommen und hier mit einem Kunstherzausgestattet worden. Nun erholte sie sich von der Operation. In dieser Zeit sahen wir uns sieben Mal.Inzwischen wurde ihr Bedarf gelistet um dann,wenn möglich, in einer anderen Klinik ein Spender-herz zu empfangen. Auffällig an dem Bild ist der große schwarze Bereich am Hals, oder am Oberkör-per des dargestellten Mädchens. Auch die Arme hat sie ihr schwarz ausgemalt. Es sind dies die

Stellen in ihrem Körper, die in der Operation betrof-fen und verletzt worden waren und ihr natürlichauch jetzt noch Schmerzen bereiteten. Sie hatte ihrem Kunstherz einen männlichen Namen gegeben(Abb. 4) und sie sprach mit ihm, als wäre es einneuer Freund.Obwohl sie auch – vor allem nachts –große Ängste hatte, halfen ihr diese Akzeptanz unddie gelungene Übertragung ihres Selbst auf dasKunstherz, mit ihrer bedrohlichen Lebenssituationzurecht zu kommen. Die kunsttherapeutischenStunden nutzte sie vor allem, um Bildgeschenke fürdie Fachkrankenschwester zu malen, die ihr Kunst-herz wartete und pflegte. Zu ihr hatte sie – gutnachvollziehbar – eine symbiotische Bezogenheitentwickelt.

Über einen Zeitraum von gut sieben Monaten be-gleitete ich einen 8-jährigen Jungen. Wir trafen unsin dieser Zeit 25 Mal. Er war in die Tübinger Klinikgekommen, um nach schwerster Darmerkrankungdarmtransplantiert zu werden.

Er liebte es, Punkte zu malen (Abb. 5). Viele seinerBilder wimmeln von Punkten. Punkte sind Spuren

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30 Jahre nach seiner Lebertransplantation am Tü-binger Universitätsklinikum führt Torsten Klein einganz normales Leben ohne Einschränkungen. Zum„runden Jubiläum“ seiner Transplantation statteteder heute 47-Jährige der Station, auf der er einstvor und nach der Transplantation gepflegt wordenwar, einen Besuch ab. Ganz bewusst sucht er auchdie Öffentlichkeit: Niemand sollte gedrängt werden,einer Organspende zuzustimmen, aber jeder solltesich mit dem Thema beschäftigen, heißt seine Bot-schaft.

Es ist eine ganz besondere Verbindung zwischenTorsten Klein, der aus der Nähe von Kirchheim/Teckstammt, und dem Universitätsklinikum Tübingen:Die Ärzte und Pflegemitarbeiter, die ihn vor 30 Jah-ren begleiteten, sind zwar inzwischen allesamt imRuhestand. Trotzdem stattet Torsten Klein „seiner“ehemaligen Station immer einen kurzen Besuch ab,wenn er in der Gegend ist oder einen Nachsorge-termin wahrnimmt. Gleich zweimal ist er außerdemans Tübinger Universitätsklinikum zurückgekehrt,um „die andere Seite kennenzulernen“, wie er sagt.Vor Jahren hat er ein zweiwöchiges Pflegepraktikumauf der Station 47, wie sie heuteheißt, absolviert. Später assistierteer im Rahmen seiner Ausbildungzum Rettungssanitäter noch einmalvier Wochen im Zentral-OP des Uni-klinikums.

Als Torsten Klein in der Nacht vom18. auf den 19. Februar 1987 in ei-ner zwölfstündigen Operation eineneue Leber erhielt, war er erst dersiebte Patient überhaupt, bei dem inTübingen ein solcher Eingriff durch-geführt wurde. Die seltene Erb-krankheit Morbus Wilson war kurzzuvor bei dem damals 17-jährigen,der gerade eine Ausbildung zumModellbauer begonnen hatte, diag-nostiziert worden. Sie führt dazu,

dass sich mit der Nahrung aufgenommenes Kupferin der Leber ansammelt und nicht ausgeschiedenwird, was eine Leberzirrhose zur Folge hat. DieÄrzte sagten ihm ohne Spenderorgan eine Lebens-dauer von nur noch wenigen Wochen oder Monatenvoraus. Als er am 6. Mai 1987 nach erfolgreicherTransplantation das Universitätsklinikum wiederverließ, hätte wohl niemand die Prognose gewagt,dass er 30 Jahre später in bester gesundheitlicherVerfassung zu einer fröhlichen Stippvisite vorbei-schauen würde. In der Zwischenzeit wurden in Tübingen beinahe1000 Lebern transplantiert. Allein seit Prof. AlfredKönigsrainer im Jahr 2004 die Leitung der TübingerUniversitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- undTransplantationschirurgie übernahm, wurden amTransplantationszentrum Tübingen 1366 Organ-verpflanzungen durchgeführt. Neben Leber- undNierentransplantationen werden in Tübingen auchBauchspeicheldrüsen und Darm transplantiert. Imvergangenen Jahr wurde hier zudem erstmals inDeutschland eine Gebärmuttertransplantation vor-genommen. Trotzdem war der Besuch von TorstenKlein auch für Prof. Königsrainer etwas ganz Be-

Das eigene Leben als bestes ArgumentPatient besucht zum 30. Jahrestag seiner Lebertransplantation die Chirurgische Uniklinik

Stephan Gokeler

Torsten Klein beim Besuch der Transplantationsstation gemeinsam mit Prof. Alfred Königsrainer, Ärztlicher Direktor der Tübinger Uniklinik für Allgemein-,Viszeral- und Transplantationschirurgie

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Wichtiges in Kürze

Geschäftsstelle des TransplantationszentrumsGeschäftszeiten: Montag bis Freitag 08:00 bis 18:0024 h telefonischer Bereitschaftsdienst

Geschäftsstellenleitung und ÖffentlichkeitsarbeitYvonne Désirée Hary, Dipl.-PflegewissenschaftlerinGebäude 400, Ebene 3, Raum 250

Qualitätssicherung und ÖffentlichkeitsarbeitDr. Beate Harder, Dr. rer. physiol.Gebäude 400, Ebene 3, Raum 252

Administration und Terminvergabe Transplantations-SprechstundenAllmut Eiben Stolz Stephanie Küper Ramona Saile

Interdisziplinäre TransplantationsambulanzDie Transplantationsambulanz befindet sich im Gebäude der Crona-Kliniken, Gebäude 400, Ebene 3, Chirurgische PoliklinikDie Terminvergabe erfolgt nur nach telefonischer Vereinbarung unter: Tel. 07071-29-86600

SprechstundenkoordinationSusanne GeigerErreichbarkeit: Montag bis Freitag 07:00 bis 15:00 Uhr

Sprechstunden

Montag Nachsorge Leber-, Nieren- und Pankreas-Transplantation

Dienstag Nachsorge Leber-, Nieren- und Pankreas-TransplantationTransplantationsstudien

Mittwoch Hepatobilliäre Chirurgie und Transplantation

Donnerstag Nachsorge Leber-, Nieren- und Pankreas-Transplantation

Freitag Nachsorge Nieren- und Pankreas-Transplantation

sonderes: „Es ist eine tolle Bestätigung und Motiva-tion für uns zu sehen, dass wir mit unserer ArbeitMenschen ermöglichen, über eine so lange Zeithinweg ein normales Leben zu führen“, sagt er. Genau das ist bei Torsten Klein der Fall. Als Maschi-nenbaumechaniker arbeitet er bei einer großenFirma im Schichtdienst, ehrenamtlich ist er als Ret-tungssanitäter im Einsatz und hat zur Wendezeitaußerdem Hilfstransporte nach Rumänien begleitet.Für den Jahreswechsel plant er gerade mit seinerEhefrau eine Wohnmobilreise durch Australien. Dass er immer wieder bereitwillig bei Patiententa-gen oder auf öffentlichen Veranstaltungen von seinen Erfahrungen als Transplantierter berichtet,ist insbesondere für Patienten, die noch auf eineTransplantation warten hilfreich, so die Leiterin derGeschäftsstelle des Tübinger Transplantationszen-trums, Yvonne Hary. Torsten Klein selbst ist eswichtig, dass sich möglichst jeder Mensch mit dem

Thema Organspende befasst. Ganz ohne missiona-rischen Eifer: Wenn sich jemand bewusst gegen ei-nen Organspenderausweis entscheidet, ist das fürihn völlig in Ordnung. „Mir geht es darum, dass sichdie Leute mit dem Thema überhaupt auseinander-setzen“, lautet sein Credo.

Sein eigenes Beispiel ist dafür das beste Argument.

Medienkontakt:

Universitätsklinikum Tübingen, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantation-schirurgie, Transplantationszentrum

Yvonne Hary Hoppe-Seyler-Str.3 ,72076 Tübingen Tel. 07071 29-86600 E-Mail:[email protected]

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