Basistext_Kap3

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    Zllner (Ludwigsfelde) / Vollstdt (Kassel)

    Basistext: Dimensionen und Strategien individueller Frderung

    3. Schulinterne Rahmenbedingungen fr die individuelle Frderung

    Jede Lehrerin und jeder Lehrer kann im eigenen Unterricht von heute auf morgenbeginnen, einzelne dieser Gestaltungsbereiche individueller Frderung einzufhren.Lehrkrfte berichten, dass sie mit einzelnen Manahmen selbst gesteuertes Lernenin ihren Klassen frdern oder die Schler zu aktivittsanregenden Lernformen hinfh-ren. Das ist ein wichtiger Schritt, ohne den sich nichts verndert. Aber wirksamerkann die individuelle Frderung sein, wenn mehr Kollegen diese Praxis teilen und dieSchule darauf ausgerichtet wird. Individuelle Frderung wird damit auch zu einerAufgabe der Schulentwicklung. Welche schulinternen Rahmenbedingungen, die jaentscheidend vom Lehrerkollegium selbst gestaltet werden, knnen die individuelleFrderung im Unterricht wirksam untersttzen?

    3.1 LernorganisationDas gemeinsame Lernen von Schlerinnen und Schlern auf unterschiedlichemKompetenzniveau hat sich als eine wirksame Untersttzung der individuellen Frde-rung jedes Lernenden erwiesen. Ziel ist es, die Anregungspotentiale einer heteroge-nen Schlerschaft zu aktivieren und auf diesem Weg alle Schlergruppen zu frdern.In der Praxis haben sich vor allem zwei Formen der Lernorganisation bewhrt:

    bildungsganggemischte Lerngruppen (klasseninterne Differenzierung) und der jahrgangsbergreifende Unterricht.

    Bildungsganggemischte Lerngruppen (klasseninterne Differenzierung)

    Die Schlerinnen und Schler der unterschiedlichen Bildungsgnge bleiben im Klas-senverband zusammen, klasseninternwird aber differenziert. Die Zuweisung zu denKursniveaus erfolgt auf dem Papier, nicht aber durch eine rumliche Trennung derLerngruppen. Die Zugehrigkeit einer Schlerin oder eines Schlers zu einem Kurs-niveau wird regelmig, z. B. halbjhrlich auf der Basis der gezeigten Leistungenberprft. In dieser fortbestehenden Klassensituation werden Lernangebote fr alleLernenden gemacht. Zielsetzung ist es, mehr Schlerinnen und Schlern erfolgrei-ches Lernen zu ermglichen. Ein Mastab fr den Erfolg besteht darin, ob die Sch-ler sich nach oben orientieren und auch tatschlich entwickeln. Untersuchungser-gebnisse zeigen, dass tatschlich eine Leistungsverbesserung der schwcherenLerngruppen erreicht wird ohne dass die Leistungsstrkeren Nachteile haben 1. Zu-

    sammengefasst liegen die Vorteile dieser Form der Unterrichtsorganisation in der stabilen Struktur der Lerngruppe und der Orientierung des individuellen Lernens am hheren Niveau.

    Ein solcher Unterricht erfordert von den Lehrkrften

    die Fhigkeit zur Anforderungsdifferenzierung und zur

    Gestaltung individualisierter und kooperativer Lernphasen.

    Die Fhigkeit der Schlerinnen und Schler, zunehmend selbst gesteuert zu lernen,ist Bedingung und Ergebnis dieses Unterrichts.

    1vgl. Ulrich Vielhuf (2003): Heterogenitt als Chance? In: PDAGOGIK 3/2003

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    Jahrgangsbergreifender UnterrichtDie Jahrgangsklasse ist nicht generell das geeignete Prinzip fr die Bildung vonLerngruppen. Sie hat fr die Selbstwahrnehmung den wichtigen Nachteil, dass derLernfortschritt vom Alter und nicht vom eigenen Verhalten abhngig erscheint. Des-halb werden von vielen Schulen zeitlich befristet oder unbefristet sowie fr mehr oder

    weniger Unterrichtsfcher jahrgangsbergreifende Gruppen (meist fr eine Doppel-jahrgangsstufe) gebildet. Ziel ist es, in einem stabilen sozialen Rahmen die Lern-gruppe flexibel nach unterschiedlichen Kriterien zu bilden.

    Die Schulen der Sekundarstufe I, die mit jahrgangsbergreifenden Gruppen arbeiten,sehen folgende Vorteile2:

    Kinder und Jugendliche lernen lieber von anderen Kindern und Jugendlichen ohne dass sie ihr Ansehen verlieren oder dass ihr Selbstbild in Gefahr gert.Helfen und Voneinanderlernen sind in solchen Gruppen konstitutiv.

    Verschiedenheit ist konstruktives Merkmal und Anregung fr die Lerngruppeund fhrt fast von selbst zu einer anderen Unterrichtsplanung und -gestaltung.

    Kinder und Jugendliche orientieren sich an individuellen Aufgaben.

    Eine flexible und zeitlich befristete Gruppenbildung nach Kompetenzstufen (eineForm der temporren ueren Leistungsdifferenzierung) verstrkt die Selbstverant-wortung der Jugendlichen fr ihre Lernergebnisse so die Erfahrungen aus der Pra-xis einiger jahrgangsbergreifend arbeitenden Schulen.

    Die Einfhrungder klasseninternen Lerngruppen oder des jahrgangsbergreifendenUnterrichts bedarf einer grundstzlichen Entscheidung in der Schule. Als jahrgangs-bergreifenden Unterricht kann man z. B. den Wahlpflichtunterricht organisieren o-der zeitlich befristeten Trainingskurse nach Kompetenzstufen einrichten. Man kannauch den Unterricht in einzelnen Fchern des Pflichtbereichs jahrgangsbergreifendorganisieren. Curriculare Hindernisse bestehen nicht, weil die meisten Rahmenlehr-plne Doppeljahrgangsstufen ausweisen.

    GestaltungselementeEs ist fr die Arbeit grundlegend, dass unterschiedliche Anforderungsniveaus trans-parent sind und das Lernen bestimmen knnen. Als Instrument eignet sich dafr dasKompetenzraster, mit dem die Schlerinnen und Schler ihren Leistungstand selbsteinschtzen, an dem sie sich bei der Wahl ihrer Aufgaben im individualisierten Unter-richt orientieren knnen und das ihnen bei der Leistungsbewertung den Vergleichzwischen der sachlichen Bezugsnorm und ihrem individuellen Leistungsstand ermg-

    licht.Aufgaben im Unterricht sind entsprechend der Kompetenzraster niveaudifferenziertund mglichst offen. Sie sollen auf die Interessen der Schlerinnen und Schler ein-gehen, weil interessiertes Lernen intensiver ist und Erfahrungen eigener Leistungs-fhigkeit ermglicht. Kooperative Lernformen nehmen im Unterricht breiten Raumein, weil Schlerinnen und Schler lieber voneinander lernen und die Leistungsun-terschiede zum Lernen mit Lernpartnern genutzt werden knnen. Das erfordert diesystematische Frderung der Methodenkompetenz. Durch Anleitung zur Reflexionlernen die Schlerinnen und Schler aus ihren Lernprozessen, knnen ihr Lernenverbessern und erfahren Selbstwirksamkeit. Voraussetzung dafr ist die klare Unter-scheidung von Lernsituationen und Situationen der Leistungsberprfung.

    2R. Bauer(2001): Schule als Lern- und Lebensort gestalten, Berlin, S. 98.

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    Eine grundlegende soziale Voraussetzung fr die Arbeit in heterogenen Lerngruppenist, dass Regeln ber den Umgang in der Klasse und in der Schule vereinbart wer-den, Regelverletzungen besprochen und sanktioniert werden ( z.B. der Klassenrat)und die Schlerinnen und Schler nach ihren Mglichkeiten den Lernprozess und dieAktivitten des Schullebens mitbestimmen knnen.

    3.2 Zusammenarbeit innerhalb der SchuleEine individuelle Frderung, die nicht nur die leistungsschwachen und besondersbegabten Schlerinnen und Schler, sondern alle Lernenden bercksichtigt, kannletztlich nur dann erfolgreich gestaltet werden, wenn sie koordiniert und kooperativerfolgt. Teamarbeit ist hier gefragt. Der notwendige Austausch und damit verbundeneAbsprachen beginnen bereits bei der Erfassung der Heterogenitt der Schlerinnenund Schler, bei der Ermittlung der Lernausgangslage, der besonderen Interessenund Einstellungen. Als besonders wichtig erweist sich dabei die Verstndigung berden Stand und die nchsten Schritte bei der Frderung der Lernkompetenz. Auf

    Schulebene soll es dazu Vereinbarungen bzw. schulinterne Plne oder Curricula ge-ben, in denen Festlegungen ber die systematische Entwicklung der Lernkompetenzin der Verknpfung von Fach-, Methoden-, Sozial- und Personalkompetenz getroffenwerden, die nur koordiniert erfolgreich verwirklicht werden knnen. Die Kooperationsetzt sich fort bei Festlegungen zur Konkretisierung der Bildungsstandards in Formentsprechender Kompetenz(niveau)stufen und deren Verwirklichung im Fachunter-richt, im fcherverbindenden Unterricht oder bei gemeinsamen Unterrichtsprojekten.Notwendig sind Absprachen ber das angestrebte Niveau der Selbststeuerung desLernens durch die Schlerinnen und Schler, ber Beurteilungsmastbe und Me-thoden und Verfahren der kompetenzorientierten Leistungsermittlung und -bewertung. Fr die Phasen des individualisierten Lernens mssen Unterrichtsmateri-

    alien entwickelt oder ausgewhlt und aufbereitet werden. Kurz gesagt: Die individuel-le Frderung der Schlerinnen und Schler ist die gemeinsame Verantwortung allerLehrkrfte einer Schule und kann letztlich nur in Teamarbeit erfolgreich gestaltetwerden. Eine Bedingung fr eine effektive Zusammenarbeit ist die Verankerung vonZeiten fr gemeinsame Absprachen und Planungen3.

    3.3 PartizipationSelbst gesteuertes Lernen ist ohne Partizipation ein Nonsens-Begriff: Partizipationwird schon mit jedem Schritt zum selbstgesteuerten Lernen gefordert und gefrdert.Die entscheidende pdagogische Begrndung liefern wieder die Lerntheorien. DieWahrnehmungs- und Verarbeitungsprozesse von Informationen unterschiedlicher Art

    werden als Konstruktionen verstanden. Die Welt wird nicht unverndert im Sinne ei-ner Abbildung bernommen, sondern sie wird in einem inneren Verarbeitungspro-zess neu strukturiert. Dieser lsst den Lernenden nicht unberhrt, sondern verndertihn. Aufnahme und Verarbeitung sind abhngig von kognitiven Voraussetzungen,Motiven, Interessen, Einstellungen, Gefhlen der Lernenden und ihren Umweltbedin-gungen. Der ganze Mensch und nicht nur der Kopf oder die Hand ist also im Lern-prozess involviert.

    Deshalb ist aus pdagogischer Sicht Partizipation ein Gestaltungselement des Unter-richts, das aber mit einer Abfrage von Schlerwnschen nur oberflchlich bercksich-tigt wrde. Fr den Lernerfolg dagegen ist die Beteiligung der Schlerinnen und

    3 Im Verbundprojekt Lernen fr den Ganztag wurde ein Fortbildungsmodul zur Zusammenarbeit in der Schuleund mit auerschulischen Partnernentwickelt. Dort finden sich weitere handlungsorientierende Materialien.

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    http://ganztag-blk.de/ganztags-box/cms/front_content.php?idart=619http://ganztag-blk.de/ganztags-box/cms/front_content.php?idart=619http://ganztag-blk.de/ganztags-box/cms/front_content.php?idart=619http://ganztag-blk.de/ganztags-box/cms/front_content.php?idart=619
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    Schler an den Entscheidungen ber die Ziele, Inhalte, Organisation und methodi-sche Gestaltung der Lernprozesse im Unterricht und im Schulleben bedeutsam.4

    In der Zielfindung, Planung, Durchfhrung, berwachung und Auswertung des eige-nen Lernprozesses erlernen die Schlerinnen und Schler zu partizipieren. Die Ges-

    taltung sozialer Beziehungen in den Klassen und in der Schule sind bergreifendeLern- und Erfahrungsfelder fr die Partizipation in der Schule5.

    3.4 Vertrauen, Respekt, VerantwortungEin Klima, das von Vertrauen, Respekt und Verantwortung gekennzeichnet ist, stellteine wirksame frderliche Bedingung fr individuelle Lernprozesse dar, die ber dieBedeutung des didaktisch-methodischen Arrangements hinausgehen kann. Vor al-lem skandinavische Schulen legen groen Wert auf den Aufbau eines solchen Kli-mas. Dafr gibt es gute Grnde: Ein Schler begreift, dass er selbst fr sein Lernenverantwortlich ist, ihm wird Vertrauen entgegengebracht, Aufgaben zu bewltigen, ineinem Klima gegenseitigen Respekts und Vertrauens kann er seine Leistungen zei-gen. Diese Zusammenhnge beruhen auf den Erkenntnisses der psychologischenForschung, dass menschliche Grundbedrfnisse nach Sicherheit, Partizipation undKompetenzerfahrung (Deci/Ryan) befriedigt werden mssen, damit Lernen erfolg-reich und persnlich wirksam wird.

    3.5 Anforderungen an Raum- und Zeitgestaltung6

    Ein auf Selbststeuerung angelegter Unterricht, der fr individuelle Lernprozesse or-ganisiert wird, braucht eine andere Raumausstattung als ein fr Instruktion gedachterRaum. In den Beschreibungen fr Freiarbeit oder Werkstattunterricht findet manEmpfehlungen fr eine geeignete Raumausstattung. Lehrkrfte, die als einzelne ih-

    ren Unterricht umstellen, schaffen sich in der Regel die Freirume und planen eineandere Raumausstattung selbst.Ein flexibles Zeitkonzept mit lngeren Einheiten und wenigen Takten erleichtert es,individualisierende Unterrichtsphasen zu gestalten. Es ist sinnvoll, ein Konzept fr dieZeitstruktur nach dem inhaltlichen Konzept zu planen.

    3.6 Qualittssicherung: Wirksamkeit sichernWie wir sehen, durchziehen die mit der individuellen Frderung verbundenen An-sprche und Aufgaben alle Qualittsbereiche von Schule. Die individuelle Frderungsollte deshalb als Aufgabe im Schulprogrammverankert werden. Alle schulinternenEntwicklungsmanahmen knnen dann auf ihre Wirkung fr die individuelle Frde-

    rung berprft werden. Im Schulprogramm sollten auch jhrliche Entwicklungsvorha-ben zur Przisierung aufgenommen werden, die intern evaluiert werden.Wichtige Daten zu den Ergebnissen sind

    - Die individuelle Lernausgangslage- Die individuelle Leistungsentwicklung im Verlauf des Bildungsgangs- Der Erfolg bei den bergngen ( Ziele der Schler, Realisierungen, Rckmel-

    dung der aufnehmenden Institutionen).

    4Neben der pdagogischen gibt es auch eine explizite politische Begrndung, vgl. Zehnter Kinder- und Jugend-bericht der Bundesregierung, Drucksache 13/11368 Deutscher Bundestag, 13. Wahlperiode.5vgl. zu allen Aspekten und Mglichkeiten der Partizipation die Materialien des BLK-Verbundprojekts Demokratie

    lernen und leben6Material fr eine systematische Entwicklung eines Zeitkonzepts findet man im Fortbildungsmodul fr Ganztags-

    schulen Rhythmisierung.

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    http://www.blk-demokratie.de/http://www.blk-demokratie.de/http://ganztag-blk.de/ganztags-box/cms/front_content.php?idart=71http://ganztag-blk.de/ganztags-box/cms/front_content.php?idart=71http://ganztag-blk.de/ganztags-box/cms/front_content.php?idart=71http://ganztag-blk.de/ganztags-box/cms/front_content.php?idart=71http://www.blk-demokratie.de/http://www.blk-demokratie.de/