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BERATUNG MÄNNLICHER OPFER HÄUSLICHER GEWALT Georg Fiedeler Fachtag „Betrifft: Häusliche Gewalt“ Hannover 04.11.2015 1

BERATUNG MÄNNLICHER OPFER HÄUSLICHER GEWALT Männer als Opfer HG sind keine Einzelfälle 7 Im Kontext Häusliche Gewalt ergibt sich eine Gewaltbetroffenheit bei Männern von ca

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BERATUNG MÄNNLICHER OPFER HÄUSLICHER GEWALT

Georg Fiedeler

Fachtag „Betrifft: Häusliche Gewalt“ Hannover 04.11.2015

1

Arbeitsbereiche Männerbüro

2

Psychosoziale

Beratung

Sex.

grenzverl.

Jungen

Täterarbeit

Allg. Gewalt

Täterarbeit

Sex Gewalt

Täterarbeit

HG

HG BISS

männl.

Opfer HG

Opfer

Sex Gewalt

:: Männer als Opfer HG ::

Häusliche Gewalt gegen Männer

…nur ein Randphänomen?

…und warum wird nicht darüber gesprochen?

…wie gehen wir als Gesellschaft damit um?

…und wie gehen die Männer mit ihren (häuslichen)

Gewalterfahrungen um?

…was brauchen Männer mit Opfererfahrungen?

Beratung von Männern als Opfer im HAIP-BISS Verbund

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Männer als Opfer …ein Randphänomen?

Die meisten

Gewalttaten

gehen von

Männern aus.

Zugleich

bilden Männer

die größte

Opfergruppe

von Gewalt.

Prävalenz

74% aller Gewalttaten wurden 2014 von Männern begangen (PKS 2014).

ca. 60% aller Gewalt-Opfer in Deutschland waren Männer (ebd.).

Von den meisten Gewaltdelikten sind Männer im Verhältnis zu Frauen häufiger betroffen.

Gilt nicht für Sexualdelikte, Stalking und Zwangsheirat.

Auch in Kindheit und Jugend sind Jungen häufiger von körperlicher Gewalt betroffen als Mädchen (Genderreport 2005).

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Tatverdächtige und Opfer HG Hellfeld

Anteil der Tatverdächtigen HG

nach Geschlecht

Anteil der Opfer HG

nach Geschlecht

Anteil der männlichen Tatverdächtigen 80,5%

Anteil der männlichen Opfer 24%

Anteil der weiblichen Tatverdächtigen 19,5%

Anteil der weiblichen Opfer 76%

Die Zahlen beziehen sich auf Niedersachsen

Niedersächsischer Landtag (2014) PKS 2013

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Gewaltbetroffenheit HG Dunkelfeld

LKA NI (2014): Gewalterfahrungen in Paarbeziehungen

[Referenzzeitraum 2012]

männlich weiblich

Opfer psychischer u. körperlicher Gewalt

(Geschlechterverhältnis)

6,1%

(39,4%)

9,4%

(60,6%)

Opfer mit Verletzungen 26,7% 47,7 %

Opfer sehr schwerer körperlicher Gewalt

(Geschlechterverhältnis)

0,2%

(20%)

0,8%

(80%)

Mehrfachviktimisierung 28% 34,6%

Mit anderen darüber Sprechen 24,6% 54,4%

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Männer als Opfer HG sind keine Einzelfälle

7

Im Kontext Häusliche Gewalt ergibt sich eine Gewaltbetroffenheit bei Männern von ca. 24% im Hellfeld (PKS 2013) bzw. 39% im Dunkelfeld (LKA NI 2014) - sämtliche Gewalthandlungen zusammengenommen.

Der Anteil männlicher Opfer verringert sich im Verhältnis zum weiblichen Opfern, je schwerer die Gewalthandlungen und die Verletzungsfolgen sind.

Diese Zahlen sind ein Beleg dafür, dass es sich bei männlichen Opfern und weiblichen Täterinnen im Kontext Häuslicher Gewalt nicht um einige wenige Einzelfälle handelt.

Obwohl viele Männer Opfererfahrungen machen bildet sich das in der sozialen Rollenzuschreibung nicht angemessen ab.

Männer werden von der Gesellschaft als Täter wahrgenommen und nicht als Opfer.

Dieser Zusammenhang bildet den Hintergrund für die Selbst- und Fremdwahrnehmung von Männern, die Opfer Häuslicher Gewalt werden.

…warum wird nicht darüber gesprochen?

Opfer-erfahrungen von Männern:

TABU

Gewalterfahrung generell:

Angriff auf persönliches Sicherheits- und

Schutzbedürfnis & auf soziale Normen.

aus psychologischer Sicht:

Abwehrreaktion

aus soziologischer Sicht:

Widerspruch von Opferrolle und

vorherrschenden Männlichkeitskonstrukten

Männer als Opfer: kein soziales Rollenskript

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Wie gehen wir als Gesellschaft damit um?

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Dissoziation/Negierung: Keine Erwähnung von männlichen Opfern. Auch in Fachtexten,

Aktionsplänen, Broschüren.

Bagatellisierung: Häufig wird das Geschehen bagatellisiert: Vorkommen wird

kleingerechnet, es wird von „Einzelfällen“ gesprochen.

Polarisierende Gleichsetzungen: Männer/Väter werden mit Tätern und Frauen/Mütter mit Opfern

gleichgesetzt.

Fokussierung auf die Täterrolle: Immer wieder ist die Betonung zu finden: Häusliche Gewalt geht von

Männern aus, ist „Männergewalt“, ist „Gewalt gegen Frauen“.

Männer finden sich als Opfer HG häufig nicht in der öffentlichen Wahrnehmung wieder

Wie gehen die Männer mit ihren

Gewalterfahrungen um?

In der Logik dieser Gesellschaft stellt der Begriff des „männlichen Opfers” ein kulturelles Paradox dar. Entweder ist jemand ein Opfer oder er ist ein Mann.“

Lenz 2002, S. 36

Abwehr:

Verleugnung

Bagatellisierung

Rationalisierung

Selbstvorwürfe und Schuldgefühle

wenn Gefühle auftauchen:

Hilflosigkeit, Ohnmacht

Erniedrigung

Scham

Angst

keine Unterstützung holen

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Was brauchen Männer mit Opfererfahrungen?

Parteilichkeit

Unterstützung

Information

spezialisierte Beratungsangebote

niedrigschwellig

parteilich

geschlechtersensibel

Krisenintervention & Beratung

Information

Gewaltschutzgesetz

Hilfemöglichkeiten

Zufluchtsorte

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Beratung für männliche Opfer Häuslicher Gewalt

Beratungsangebot seit 2007 im Männerbüro Hannover

Krisenintervention und Beratung nach HG

mit den Zielen Psychische und emotionale Stabilisierung

Schutz vor weiteren Gewaltsituationen

Verarbeitung der Gewalterfahrung

Unterstützung bei Inanspruchnahme weiterer Hilfen

Zugangswege proaktive Kontaktaufnahme durch Männerbüro (HAIP)

Hinweise aus Hilfesystem

Selbstmelder (persönliche Empfehlung, Internet/Flyer etc.)

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Fallzahlen

Männliche Opfer HG im Männerbüro Hannover

Klienten/

Fälle 2011 2012 2013 2014

LHH 144 229 233 237

Region - - 123 178

Summe 144 229 356 415

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Art der Gewalt die Männern widerfährt Opfer HG Männerbüro Hannover 2011

Körperverletzung 58%, davon 17% gefährliche Körperverletzung

Bedrohungen 15%

Beleidigung und Nötigung 6%

Sachbeschädigung 10%

Sonstiges 30% (Stalking, Freiheitsberaubung, Hausfriedensbruch und weiteres)

Psychische Gewalt (Bedrohung, Beleidigung und Nötigung) macht einen Anteil von 21% aus.

Wird eine Körperverletzung zur Anzeige gebracht, kann davon ausgegangen werden, dass auch Bedrohung und wahrscheinlich auch Beleidigung im Spiel war. Psychische Gewalt geht fast immer physischer Gewalt voraus.

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Beratung für männliche Opfer HG

Was müssen wir im Blick haben? Opferempathie und Parteilichkeit

Position beziehen – gegen Gewalt!

Schutz Schutzräume / Notfallpläne / Deeskalation

Selbstfürsorge Was brauche ich? Wo ist meine eigene Grenze? Bedürfniskommunikation

Abgrenzung Abgrenzungskompetenzen stärken und Kommunikationsräume schaffen

Täteranteile in der Opferberatung/Wechselseitige Gewalt Impulskontrolle

Verantwortungsübernahme

Kinderschutz aktiv nach direkter und indirekter Betroffenheit von Kindern fragen

Verantwortung

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…und nun?

Die Gewaltbetroffenheit von Männern muss öffentlich thematisiert werden, damit sie

sichtbar wird. Das hilft den Betroffenen

Schwellen zu überwinden, sich Unterstützung zu holen,

Geschlechterrollenklischees zu durchbrechen und eigene Verletzlichkeiten wahrzunehmen.

Schaffung spezifischer Fachberatungsstellen für Männer als Opfer

Angebot an spezialisierten Beratungsstellen und sozialen Trainingsprogrammen für

Täterinnen

Stärkung von Netzwerken

Förderung wissenschaftlicher Forschung

Verortung des Themas im staatlichen und politischen System

„Jungen und Mädchen, Frauen und Männern, muss der gleiche Grad an Verletzlichkeit

und an Würde zugebilligt werden. Erst daraus kann sich eine neue Solidarisierung der

Geschlechter gegen Gewalt entfalten. Hegemoniale Männlichkeitsmuster, die ein Ideal

von Männlichkeit prägen, für das Herrschaft, Macht und Ausbeutung konstitutive

Elemente sind, sind zu überwinden.“ (Schröttle 2010)

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Verwendete Literatur

BMFSJ (Hg.) (2004) „Gewalt gegen Männer in Deutschland. Personale Gewaltwiderfahrnisse von Männern in Deutschland.“ Pilotstudie i. A. des BMFSFJ.

Gloor, Daniela & Hanna Meier (2003) „Gewaltbetroffene Männer – wissenschaftliche und gesellschaftlich-politische Einblicke in eine Debatte“. Die Praxis des Familienrechts Heft 3.

Kavemann, Barbara (2002) „Gewalt gegen Männer – ein vernachlässigtes Problem?“ Vortrag zur Fachveranstaltung der FHVR Berlin 18.11.2002.

Lenz, Hans-Joachim (2002) „Mann oder Opfer? Kritische Männerforschung zwischen Verstrickung in herrschende Verhältnisse und einer neuen Erkenntnisperspektive“. In: Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.) Mann oder Opfer? 24-60.

LKA Niedersachsen. Kriminologische Forschung und Statistik (2014) „Bericht zu Gewalterfahrungen in Paarbeziehungen in Niedersachsen im Jahr 2012".

Niedersächsischer Landtag (2014) „Kleine Anfrage: Häusliche Gewalt - Immer mehr Männer betroffen?“ Drucksache 17/1951.

Schröttle, Monika (2010) „Kritische Anmerkungen zur These der Gendersymmetrie bei Gewalt in Paarbeziehungen“. In: Gender, Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft 1, 2. Jahrgang 2010.

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Häusliche Gewalt: Beratung & Kontakt

Beratung

für Männer, die Opfer Häuslicher Gewalt geworden sind

Projektleitung:

Georg Fiedeler

Sozialpsychologe

Männerbüro Hannover e.V.

Ilse-ter-Meer-Weg 7

30449 Hannover

telefonische Sprechzeiten unter 0511-123 589 0

Mo 10-12 und 16-17 Uhr

Di 14-15 Uhr

Mi 15-17 Uhr (auch türkischsprachig)

Do 10-12 Uhr

Fr 10-12 Uhr

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