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gelnde Infrastruktur und die vie- len Stromausfälle. „Es ist so müh- sam in Yangon zu überleben. So war es früher nicht“, klagt der 30- jährige Taxifahrer Ko Myint Ky- aw über die Verkehrsprobleme. Zu viele neue Autos Die verschärften sich vor drei Jahren, als plötzlich jeder eine Importerlaubnis für Autos be- kommen konnte, ohne dass die Regierung von Thein Sein ein an- gemessenes System des Ver- kehrsmanagements entwickelt hätte. Vom 25. Oktober 2011 bis 24. September 2013, also in knapp zwei Jahren, stieg laut Handelsministerium die Zahl der Autos in Yangon von zuvor 300.000 um weitere 210.000. Erst jetzt gibt es Vorschläge, das Bahnsystem auszubauen, mehr Busse zu importieren und ein funktionsfähiges Straßen- netz aufzubauen. Schon vor ei- nem Jahr hatte das Stadtentwick- VON SHWE SIN OO Der größte Krach kommt vom Hupen der Autos, selbst wenn sie durch Zonen mit Hupverbot fah- ren. Autofahrer nehmen Abkür- zungen über Bürgersteige, um Staus auszuweichen. Niemand schert sich dabei um die Fußgän- ger. So ist das täglich an der Kreu- zung Anawratha Straße und Sule Pagode Straße, direkt am Sitz des Komitees für Yangons Stadtent- wicklung (YCDC). Die Menschen in der früheren Hauptstadt Yangon (Rangun) fühlen sich vernachlässigt, seit die neue Hauptstadt Naypyidaw 2005 vom damaligen Militärre- gime bezogen wurde. Heute sind die Hauptsorgen der Bewohner der Hafenmetropole Yangon der stark angestiegene Verkehr, das inadäquate Entwässerungssys- tem, teure Wohnungspreise und Wohnraummangel, das schlech- te Nahverkehrssystem, die man- lungskomitee JCDC zusammen mit Japans Entwicklungsagentur Jica eine Modernisierung des Bahnsystem und die Einführung eines Busspursystems angekün- digt. Auch sollten 3.000 Doppel- deckerbusse aus Japan beschafft werden. Doch die Umsetzung dieser Pläne hat immer noch nicht begonnen. Die fehlende städtische Infra- struktur kann die großen Investi- tionen behindern, die seit Be- ginn der Reformen ins Land kommen. „Wenn ein verarbeiten- der Betrieb wie etwa eine Beklei- dungsfirma hier investieren will, erhöht der Mangel an Infrastruk- tur sicher ihre Produktionskos- ten“, sagt Masaki Takahara von der japanischen Handelsorgani- sation Jetro. Yangon könnte zu ei- ner zentralen Wirtschafts- und Tourismuszone werden. Doch um den alten Stolz der Stadt wie- derherzustellen, bräucht es enor- mer finanzieller Mittel. Während der Regenzeit gibt es Überschwemmungen in allen 45 Bezirken der Stadt. Denn es fehlt ein adäquates Entwässerungs- system. „Jeden Tag während der Regenzeit dringt Wasser in mein Haus ein, selbst wenn es nicht so stark regnet. Manchmal schwim- men Schlangen oder Insekten im Wasser, und dann ist es beson- dern schlimm für uns“, sagt Frau Thiri aus dem Bezirk Tharkata. Die Bezirke Myankone, Hlaing, Nord- und Süd-Oakkalapa sind besonders berüchtigt für ihre Überflutungen. Laut dem Bera- ter des Stadtplanungskomitees Kyaw Latt sind vor allem fehlen- de Fluttore in Yangons Abfluss- kanälen die Hauptursache für die schweren Überschwemmun- gen in der Regenzeit. Wohnungsmangel Weil jetzt schon zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung des Lan- des in Yangon leben, ist die Hauptstadt ungezügelter Umbrüche YANGON Myanmars Metropole und einstige Hauptstadt kämpft mit schnellem Wachstum schnell wachsende Einwohner- zahl zu einer großen Herausfor- derung für das urbane Manage- ment geworden. Der Mangel an Wohnraum kann wegen der durch Spekulation angeheizten Preise nicht so einfach beseitigt werden. Mit der politischen Transformation hat Yangon ei- nen der teuersten Immobilien- märkte Asiens bekommen. Die Bevölkerungszahl ist von 2,47 Millionen im Jahr 1988 auf 5,14 Millionen 2011 gestiegen. Laut dem Entwicklungskomitee der Stadt wächst deren Bevölkerung dreimal schneller als der Wohn- raum. So wurden im Schnitt der letzten Jahre nur 7.200 Wohnein- heiten jährlich neu gebaut, wäh- rend jeweils 23.000 Familien neu in die Stadt zogen. „Wenn die Regierung nicht schnell handelt, entwickelt sich das Wohnungsproblem zu einer Zeitbombe“, sagt ein Mitarbeiter des Entwicklungskomitees. Auch dürften dann die Probleme der Stadt im Umgang mit denjeni- gen wachsen, die einfach wider- rechtlich städtische und öffentli- che Grundstücke besetzten. Die Regierung der Region Yangon, das Stadtplanungskomitee und Japans Jica-Agentur haben eine Zukunftsvision und einen strate- gischen Masterplan erstellt: das Groß-Yangon Stadtentwick- lungsprojekt vom März 2013. Mit der Reformperiode hat die Regierung viele Entwicklungs- projekte überall im Land begon- nen. Aber es ist eine große Her- ausforderung, diese umzuset- zen. Das wird durch die noch vor- herrschende Mentalität des alten Militärregimes behindert und durch das Fehlen starker Institu- tionen in der Verwaltung. So wer- den viele Projekte gar nicht reali- siert oder mitten in der Umset- zung gestoppt. Vor allem das Be- völkerungswachstum verlangt jetzt große Aufmerksamkeit. Teure Neubauten am Stadtrand – für Ausländer und Reiche Foto: reuters Noch gibt es im Zentrum Yangons viele koloniale Altbauten Foto: ap Birma? Myanmar? Burma? Ja was denn nun? Sag, wie du dieses südostasiati- sche Land nennst, und alle wis- sen, wo du politisch stehst. So war das bisher: Da sprachen Re- gimegegner nur von Birma (deutsch) oder Burma (englisch), Juntafreunde nur von Myanmar. Ganz so schwarz-weiß war das zwar nicht, denn Diplomaten wa- ren daran gebunden, das Land so zu nennen, wie es bei der UNO heißt. Aber klar war auch, dass die nicht vom Volk legitimierten Militärs das Land 1989 einfach in Myanmar umbenannt hatten. So gaben sie sich ein antiwestliches Image und stellten ihre Gegner, die an dem aus der Kolonialzeit stammenden Landesnamen festhielten, als Handlanger des Auslands dar. Dabei bedeuten die drei Namen alle das gleiche: Land der Bamar, wie Birmanen in ihrer Sprache heißen. Für die elf jungen Journalisten aus diesem Land, die vom 9. bis 17. November am ersten Myan- mar-Workshop der taz Panter Stiftung teilnahmen, war der Na- mensstreit erfrischenderweise kein Thema. Ihr Tenor: „Wir ha- ben wichtigere Probleme.“ Eini- ge davon beschreiben sie hier ex- klusiv für die taz. Die KollegIn- nen kamen, um in Berlin Anre- gungen über die Rolle der Medi- en in einer Demokratie, über den Umgang mit diktatorischer Ver- gangenheit und das Zusammen- leben unterschiedlicher Kultu- ren zu bekommen. Auch für uns Gastgeber war der Besuch anre- gend, nicht nur beim Länderna- men. SVEN HANSEN MITTWOCH, 18. DEZEMBER 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG www.taz.de | [email protected] „Aung San Suu Kyi kann nicht an den Friedensverhandlungen zwischen den ethnischen Gruppen und der Regierung teilnehmen. Aber sie hat die mora- lische Autorität, den für Myanmar so wichtigen politischen Dialog zu fördern, an dessen Ende ein dauerhafter Frieden stehen sollte.“ SI THU ZEYA „Sie hat moralische Autorität“ AUNG SAN SUU KYI Große Erwartungen an die Friedensnobelpreisträgerin „Als Daw Aung San Suu Kyi im Dezember 2010 endlich aus dem Haus- arrest entlassen wurde, haben wir zu viel von ihr erwartet. Die Erwar- tungen, was sie alles tun könnte, waren so hoch, dass sie zwangsläufig enttäuscht werden mussten. Dennoch könnte sie unser Land nach vorne bringen, wenn sie mehr Macht hätte als im Augenblick.“ MYO MYAT MYAT TUN „Für die Popularität von Aung San Suu Kyi in Myanmar ist ihr Fa- milienname sehr wichtig. Wenn Men- schen in Myanmar ih- ren Namen hören den- ken sie an ihren Vater, General Aung San. Er war die führende Figur im Befreiungskampf gegen die Briten 1945.“ HSANN NYEIN „Die Frage, ob Aung San Suu Kyi Präsidentin von Myanmar werden kann, wird vom Arti- kel 5 der Verfassung aus dem Jahr 2008 be- stimmt. Der besagt, dass eine Person, deren Gatte oder Gattin Ausländer ist, nicht Präsi- dent werden kann. Der verstorbene Mann Aung San Suu Kyis war Brite, ihre beiden Kinder sind auch Briten. Aber in der Politik ist nichts unmöglich, man könnte die Ver- fassung ändern.“ CHIT OO KO KO „Es wäre die richtige Zeit für Aung San Suu Kyi in ihrer Partei, der Na- tionale Liga für Demokratie (NLD), Reformen anzustoßen. Die NLD braucht mehr Leute mit politischer und administrativer Erfahrung.“ YAMON PHU THIT „Als junger Mensch aus Myanmar will ich unbedingt, dass Aung San Suu Kyi 2015 zur Präsidentin gewählt wird. Obwohl es noch verfassungs- rechtliche Hindernisse für ihre Wahl gibt, sie wäre eine fähige Präsiden- tin, die die Aussöhnung mit den eth- nischen Minderheiten voranbrin- gen und den Ruf Myanmars in der Welt verbessern würde.“ AUNG THURA KO KO „Aung San Suu Kyi ist auf der gan- zen Welt zu einer Ikone geworden. Dies hängt auch damit zusammen, dass sie immer sehr geschmackvoll gekleidet ist und mit ihren Röcken sowie den Blumen im Haar dem tra- ditionellen Stil und der Mode von Myanmar folgt.“ SHWE SIN OO „Aung San Suu Kyi hat un- ser Land bekannt gemacht und ihm international ein besseres Image verschafft, aber bei der Lösung inter- ner Konflikte hat sie weni- ger geleistet. Mitglieder ethnischer Minderheiten oder Menschen, die sich ge- gen den Kupferabbau durch China wehren, ha- ben deshalb das Vertrauen in sie verloren.“ HSU MEN AUNG „Anfangs habe ich sie nicht so gemocht, weil sie sehr vorsichtig und zögerlich war, aber dann habe ich sie 2012 im Wahlkampf erlebt und finde, dass sie große moralische Autorität hat. Sie wird dafür kritisiert, dass sie zu den Auseinan- dersetzungen zwischen Buddhisten und Muslimen nichts sagt. Ich unterstütze sie dennoch, weil sie etwas riskiert hat und hoffentlich noch mehr riskieren wird.“ KHIN SU WAI Aung San Suu Kyi im September 2013 Foto: reuters Sonderseiten der taz Panter Stiftung mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes und der Heinrich Böll Stiftung

Birma?Myanmar?Burma?Jawasdennnun?€¦ · Birma?Myanmar?Burma?Jawasdennnun? Sag, wie du dieses südostasiati-scheLandnennst,undallewis-sen, wo du politisch stehst. So wardasbisher:DasprachenRe-gimegegner

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Page 1: Birma?Myanmar?Burma?Jawasdennnun?€¦ · Birma?Myanmar?Burma?Jawasdennnun? Sag, wie du dieses südostasiati-scheLandnennst,undallewis-sen, wo du politisch stehst. So wardasbisher:DasprachenRe-gimegegner

gelnde Infrastrukturunddie vie-lenStromausfälle. „Es ist somüh-sam in Yangon zu überleben. Sowar es frühernicht“, klagt der 30-jährige Taxifahrer Ko Myint Ky-aw über die Verkehrsprobleme.

Zu viele neue Autos

Die verschärften sich vor dreiJahren, als plötzlich jeder eineImporterlaubnis für Autos be-kommen konnte, ohne dass dieRegierungvonTheinSein einan-gemessenes System des Ver-kehrsmanagements entwickelthätte. Vom 25. Oktober 2011 bis24. September 2013, also inknapp zwei Jahren, stieg lautHandelsministerium die Zahlder Autos in Yangon von zuvor300.000 umweitere 210.000.

Erst jetzt gibt es Vorschläge,das Bahnsystem auszubauen,mehr Busse zu importieren undein funktionsfähiges Straßen-netz aufzubauen. Schon vor ei-nemJahrhattedas Stadtentwick-

VON SHWE SIN OO

Der größte Krach kommt vomHupenderAutos, selbstwenn siedurch Zonenmit Hupverbot fah-ren. Autofahrer nehmen Abkür-zungen über Bürgersteige, umStaus auszuweichen. Niemandschert sichdabeiumdie Fußgän-ger. So istdas täglichanderKreu-zung Anawratha Straße und SulePagode Straße, direkt amSitz desKomitees für Yangons Stadtent-wicklung (YCDC).

DieMenschen inder früherenHauptstadt Yangon (Rangun)fühlen sich vernachlässigt, seitdie neue Hauptstadt Naypyidaw2005 vom damaligen Militärre-gime bezogenwurde. Heute sinddie Hauptsorgen der Bewohnerder Hafenmetropole Yangon derstark angestiegene Verkehr, dasinadäquate Entwässerungssys-tem, teure Wohnungspreise undWohnraummangel, das schlech-te Nahverkehrssystem, die man-

lungskomitee JCDC zusammenmit Japans EntwicklungsagenturJica eine Modernisierung desBahnsystemunddie Einführungeines Busspursystems angekün-digt. Auch sollten 3.000 Doppel-deckerbusse aus Japan beschafftwerden. Doch die Umsetzungdieser Pläne hat immer nochnicht begonnen.

Die fehlende städtische Infra-strukturkanndiegroßen Investi-tionen behindern, die seit Be-ginn der Reformen ins Landkommen. „Wenneinverarbeiten-der Betrieb wie etwa eine Beklei-dungsfirmahier investierenwill,erhöhtderMangel an Infrastruk-tur sicher ihre Produktionskos-ten“, sagt Masaki Takahara vonder japanischen Handelsorgani-sation Jetro. Yangonkönnte zuei-ner zentralen Wirtschafts- undTourismuszone werden. Dochumden alten Stolz der Stadtwie-derherzustellen,bräuchtesenor-mer finanzieller Mittel.

WährendderRegenzeit gibt esÜberschwemmungen in allen 45Bezirken der Stadt. Denn es fehltein adäquates Entwässerungs-system. „Jeden Tag während derRegenzeit dringt Wasser in meinHaus ein, selbst wenn es nicht sostark regnet.Manchmal schwim-menSchlangenoder Insekten imWasser, und dann ist es beson-dern schlimm für uns“, sagt FrauThiri aus dem Bezirk Tharkata.Die Bezirke Myankone, Hlaing,Nord- und Süd-Oakkalapa sindbesonders berüchtigt für ihreÜberflutungen. Laut dem Bera-ter des StadtplanungskomiteesKyaw Latt sind vor allem fehlen-de Fluttore in Yangons Abfluss-kanälen die Hauptursache fürdie schweren Überschwemmun-gen in der Regenzeit.

Wohnungsmangel

Weil jetzt schon zwölf ProzentderGesamtbevölkerungdes Lan-des in Yangon leben, ist die

Hauptstadtungezügelter

UmbrücheYANGON Myanmars Metropole

und einstige Hauptstadt kämpftmit schnellemWachstum

schnell wachsende Einwohner-zahl zu einer großen Herausfor-derung für das urbane Manage-ment geworden. Der Mangel anWohnraum kann wegen derdurch Spekulation angeheiztenPreise nicht so einfach beseitigtwerden. Mit der politischenTransformation hat Yangon ei-nen der teuersten Immobilien-märkte Asiens bekommen. DieBevölkerungszahl ist von 2,47Millionen im Jahr 1988 auf 5,14Millionen 2011 gestiegen. Lautdem Entwicklungskomitee derStadt wächst deren Bevölkerungdreimal schneller als der Wohn-raum. So wurden im Schnitt derletzten Jahre nur 7.200Wohnein-heiten jährlich neu gebaut, wäh-rend jeweils 23.000 Familienneu in die Stadt zogen.

„Wenn die Regierung nichtschnell handelt, entwickelt sichdas Wohnungsproblem zu einerZeitbombe“, sagt ein Mitarbeiterdes Entwicklungskomitees. Auch

dürften dann die Probleme derStadt im Umgang mit denjeni-gen wachsen, die einfach wider-rechtlich städtischeundöffentli-che Grundstücke besetzten. DieRegierung der Region Yangon,das Stadtplanungskomitee undJapans Jica-Agentur haben eineZukunftsvisionund einen strate-gischen Masterplan erstellt: dasGroß-Yangon Stadtentwick-lungsprojekt vomMärz 2013.

MitderReformperiodehatdieRegierung viele Entwicklungs-projekte überall im Land begon-nen. Aber es ist eine große Her-ausforderung, diese umzuset-zen.Daswirddurchdienochvor-herrschendeMentalitätdesaltenMilitärregimes behindert unddurch das Fehlen starker Institu-tionen inderVerwaltung. Sower-denviele Projekte gar nicht reali-siert oder mitten in der Umset-zung gestoppt. Vor allem das Be-völkerungswachstum verlangtjetzt große Aufmerksamkeit.

Teure Neubauten am Stadtrand – für Ausländer und Reiche Foto: reuters Noch gibt es im Zentrum Yangons viele koloniale Altbauten Foto: ap

Birma? Myanmar? Burma? Ja was denn nun?

Sag, wie du dieses südostasiati-sche Land nennst, und alle wis-sen, wo du politisch stehst. Sowar das bisher: Da sprachen Re-gimegegner nur von Birma(deutsch) oder Burma (englisch),Juntafreunde nur vonMyanmar.Ganz so schwarz-weiß war daszwarnicht,dennDiplomatenwa-ren daran gebunden, das Land sozu nennen, wie es bei der UNO

heißt. Aber klar war auch, dassdie nicht vomVolk legitimiertenMilitärs das Land 1989 einfach inMyanmar umbenannt hatten. Sogaben sie sich ein antiwestlichesImage und stellten ihre Gegner,die an dem aus der Kolonialzeitstammenden Landesnamenfesthielten, als Handlanger desAuslands dar. Dabei bedeutendie drei Namen alle das gleiche:

Land der Bamar, wie Birmanenin ihrer Sprache heißen.

Fürdieelf jungenJournalistenaus diesem Land, die vom 9. bis17. November am ersten Myan-mar-Workshop der taz PanterStiftung teilnahmen,war derNa-mensstreit erfrischenderweisekein Thema. Ihr Tenor: „Wir ha-ben wichtigere Probleme.“ Eini-gedavonbeschreiben siehier ex-

klusiv für die taz. Die KollegIn-nen kamen, um in Berlin Anre-gungen über die Rolle der Medi-en in einerDemokratie, überdenUmgang mit diktatorischer Ver-gangenheit und das Zusammen-leben unterschiedlicher Kultu-ren zu bekommen. Auch für unsGastgeber war der Besuch anre-gend, nicht nur beim Länderna-men. SVEN HANSEN

MITTWOCH, 18. DEZEMBER 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNGwww.taz.de | [email protected]

„Aung San Suu Kyi kann nicht an den Friedensverhandlungen zwischen denethnischen Gruppen und der Regierung teilnehmen. Aber sie hat die mora-lischeAutorität, denfürMyanmarsowichtigenpolitischenDialogzufördern,an dessen Ende ein dauerhafter Frieden stehen sollte.“

SI THU ZEYA

„Sie hat moralische Autorität“AUNG SAN SUU KYI Große Erwartungen an die Friedensnobelpreisträgerin

„AlsDawAungSanSuuKyi imDezember2010endlichausdemHaus-arrest entlassenwurde, habenwir zuviel von ihr erwartet.Die Erwar-tungen,wassiealles tunkönnte,warensohoch,dasssiezwangsläufigenttäuscht werden mussten. Dennoch könnte sie unser Land nachvorne bringen, wenn siemehrMacht hätte als im Augenblick.“

MYO MYAT MYAT TUN

„Für die Popularitätvon Aung San Suu Kyiin Myanmar ist ihr Fa-milienname sehrwichtig. Wenn Men-schen in Myanmar ih-renNamenhörenden-ken sie an ihren Vater,General Aung San. Erwardie führendeFigurim Befreiungskampfgegen die Briten 1945.“

HSANN NYEIN

„DieFrage,obAungSanSuuKyiPräsidentinvonMyanmarwerdenkann,wirdvomArti-kel 5 der Verfassung aus dem Jahr 2008 be-stimmt.Derbesagt, dass einePerson, derenGatte oderGattinAusländer ist, nicht Präsi-dent werden kann. Der verstorbene MannAung San Suu Kyis war Brite, ihre beidenKinder sind auch Briten. Aber in der Politikist nichts unmöglich, man könnte die Ver-fassung ändern.“

CHIT OO KO KO

„Eswäre die richtige Zeit für Aung San SuuKyi in ihrer Partei, derNa-tionale Liga für Demokratie (NLD), Reformen anzustoßen. Die NLDbrauchtmehr Leutemit politischerundadministrativer Erfahrung.“

YAMON PHU THIT

„Als junger Mensch aus Myanmarwill ich unbedingt, dass Aung SanSuuKyi 2015 zurPräsidentingewähltwird. Obwohl es noch verfassungs-rechtlicheHindernisse für ihreWahlgibt, sie wäre eine fähige Präsiden-tin, die die Aussöhnungmit den eth-nischen Minderheiten voranbrin-gen und den Ruf Myanmars in derWelt verbessern würde.“

AUNG THURA KO KO

„Aung San Suu Kyi ist auf der gan-zen Welt zu einer Ikone geworden.Dies hängt auch damit zusammen,dass sie immer sehr geschmackvollgekleidet ist und mit ihren RöckensowiedenBlumenimHaardemtra-ditionellen Stil und der Mode vonMyanmar folgt.“

SHWE SIN OO

„Aung San Suu Kyi hat un-ser Land bekannt gemachtund ihm international einbesseres Image verschafft,aber bei der Lösung inter-ner Konflikte hat sie weni-ger geleistet. Mitgliederethnischer MinderheitenoderMenschen, die sichge-gen den Kupferabbaudurch China wehren, ha-ben deshalb das Vertrauenin sie verloren.“

HSU MEN AUNG

„Anfangs habe ich sie nichtso gemocht, weil sie sehrvorsichtig und zögerlichwar, aber dann habe ich sie2012 im Wahlkampf erlebtund finde, dass sie großemoralische Autorität hat.Sie wird dafür kritisiert,dass sie zu den Auseinan-dersetzungen zwischenBuddhisten und Muslimennichts sagt. Ich unterstützesie dennoch, weil sie etwasriskiert hat undhoffentlichnochmehr riskierenwird.“

KHIN SU WAIAung San Suu Kyi im September 2013 Foto: reuters

Sonderseiten der taz Panter Stiftung

mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes und der Heinrich Böll Stiftung

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MYANMAR/BIRMA

II MITTWOCH, 18. DEZEMBER 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG

zen ein und ließ seine Günstlin-ge Medien betreiben. Journalis-ten mussten wegen der Zensurhart kämpfen, um relevante In-formationen zu veröffentlichen.Damals wurde das Presseamt als„Medien-Kempeitai“ bezeichnet,benannt nach der brutalen Mili-tärpolizei der japanischen Besat-zer im ZweitenWeltkrieg.

Thein Sein führte schnell Än-derungen imMedienbereichein.Schon in seiner Antrittsredesprach er von der „Vierten Ge-walt“. Schrittweise ermunterte erdie Ministerien, auf die Medienzuzugehen,wie er auch selbst in-ternationalenMedienInterviewsgab. Er ersetzte 2012 den unbe-liebten InformationsministerKyaw San mit Aung Kyi. Der Ex-militär war der Verbindungs-mann der Junta zu Oppositions-führerin Aung San SuuKyi gewe-sen. Das stieß auf große Aner-kennung und wurde im In- undAusland als Schritt zumehr Pres-sefreiheit gewertet.

40 neue Sprecher

Doch obwohl die Regierung seit2012 rund 40Generaldirektoren,stellvertretende Generaldirekto-renundDirektorenzuSprechernvon mehr als 30 Ministerien er-nannte, kommunizieren nachMeinung der Journalisten nurwenigemit denMedien.

Das Informationsministeri-umhat versucht, die Public-Rela-tions-Fähigkeiten der Sprecher

durch Trainings zu verbessern.Aber laut den Trainern ist einHaupthindernis der Sprecher ih-re Angst vor Bestrafung, solltensie etwas Falsches sagen.

Zur Medienallergie auf Regie-rungsseite trägt bei einigen Jour-nalistenmangelndeProfessiona-lität und unethische Arbeitswei-se bei. Die meisten Beschwerdengibt es, wenn bei zugesicherterVertraulichkeit doch die Quellegenannt und wenn ungenaumitFaktenumgegangenwird. SowieMyanmars Regierungssprecherwenig Erfahrung im UmgangmitMedienhaben, sohatdie jun-ge Journalistengeneration selbstkaum eigene journalistische Er-fahrung.

Nach Meinung von Journalis-ten sind die den Medien amfeindlichsten gesonnenen Mi-nisterien die für Verteidigung,Bildung und Bergbau. Auch eini-ge Behörden des Ministeriumsfür Lokalregierungen zählen da-zu. Es gibt aber auch einige rechtoffeneRegierungsstellenwiedasPräsidialamt, das Informations-ministerium, das Fischerei- unddas Eisenbahnministerium.

Myanmar hat kein Informati-onsfreiheitsgesetz und der Ent-wurf des neuen Pressegesetzeshängt im Parlament fest. Er ent-hält nichts, was Behörden zwin-gen könnte, Medien mit Infor-mationen zu versorgen, die ei-gentlich andieÖffentlichkeit ge-hören.

Sprachlose SprecherMEDIEN I Die langjährige Feindschaft zwischen Junta undMedienprägt noch heute die Einstellung vieler neuer Regierungssprecher

VON YAMON PHU THIT

Trotz größerer Pressefreiheit istdie Zurückhaltung von Ministe-riumssprechern, überhaupt mituns Journalisten zu reden, eingroßes Problem. Die sogenannteZivilregierung von Thein Seingab zwar denMedien erstmals in50 Jahren einen Freiraum. Aberdie fortgesetzte Feindschaft zwi-schen Offiziellen und Medienunterminiert das Recht der Be-völkerung auf Information.

Nach dem die Verfassung desMilitärs 2008 in einem umstrit-tenen Referendum abgesegnetworden war, brachten die Wah-len 2010 Exmilitärs unter demfrüheren Premierminister TheinSein ins Amt – die erste gewählteZivilregierung seit Jahrzehnten.Um sich als Reformer zu legiti-mieren, beendete Thein Sein dieZensur und ernannte erstmalsPressesprecher in allen Ministe-rien. Aber deren Einstellung istnoch immer von der jahrzehnte-langen Feindschaft zu denMedi-en geprägt.

Das Militärregime ist mitJournalisten hart umgesprun-gen. DieGeneräle unterdrücktendie Medien mit Erlassen undSondergesetzen und sperrtenJournalisten ein. Der frühere In-formationsminister, Brigadege-neral Kyaw San, verfuhr in sei-nem Ministerium nach demMotto: „Die Medien mit den Me-dien angreifen.“ Er führte Lizen-

mas (DVBTV) dazu. Zu der Zeitzählten auch noch die birme-sischsprachigen Dienste derBBC, der Voice of America, vonRadio Free Asia, DVBTV, des Irra-waddy-Magazins, Mizzima Newsund andere zu den wichtigstenInformationsquellen für Birme-sen im In- und Ausland.

Das Informationsministeri-um des Regimes beschuldigtedie Exilmedien in den kontrol-lierten Staatsmedien regelmä-ßig der Lüge und verbreitete Slo-gans wie „Bekämpft die Hand-langer des Ausland, die unserLand schlechtmachen“. Verdecktfür Exilmedien arbeitende Jour-nalisten wurden für viele Jahresins Gefängnis geworfen.

Die durch die Wahlen von2010 insAmtgekommeneRegie-rung hat die Medienlandschaftin Myanmar verändert. TheinSein forderte die Exilmedien auf,nach fast zweieinhalb Jahrzehn-tenwieder in dieHeimat zurück-

begrenzten lokalen Markt beste-hen zu müssen, der bereits vonlokalen Medien besetzt ist. Kür-zungen bei Budgets und Perso-nal machen es noch schwieriger,wettbewerbsfähig zu sein.

MitderneugewonnenenPres-sefreiheit verloren die bisheri-gen Exilmedien auch ihr Mono-pol aufunzensierteNachrichten.Weil diese jetzt auch von den lo-kalen Medien verbreitet werden,hat sich der Wettbewerb im In-land verschärft.

Für Birmesen, die im Exil aus-ländische Staatsbürgerschaftenangenommen haben und jetztBürger der USA, Großbritanni-ens, Australiens oder Thailandssind, bringt die Heimkehr großeUnruhe ins Familienleben. Vielesind hin und her gerissen zwi-schen ihrenFamilien imAuslandund ihrer Arbeit in Birma. LokaleUKW-Sender und das Regie-rungsfernsehen gingen auf Exil-medien wie Democratic Voice ofBurma zu, um neue Nachrich-tenprogramme zu starten. EinExilmedium names Mizzimaschloss mit einem Regierungs-fernsehsender einen Ver-trag. EhemaligeFeindeko-operieren jetzt in der neu-enMedienlandschaft.

Die Rolle der früherenExilanten bleibt dennochvon Unsicherheit geprägt.Es ist nämlich weiterhinunklar, ob die Ein-nahmenausAbonne-ments und Anzeigenzum Überleben rei-chen werden. In-zwischen gibt es14 Tageszeitun-gen, 20Radiosen-der und drei TV-Stationen.

Sie hoffen auf einewirtschaftliche Ent-wicklung, von der auchder lokale Medienmarktprofitiert, auf eine weitere Li-beralisierungderMediengesetzeund auf einen fortgesetztenHunger der Bevölkerung nachNachrichten.

Kein Happy End für ExilmedienMEDIEN II Mit der neu gewonnenen Freiheit verloren die Exilmedien ihrMonopol auf unzensierte Nachrichten. Der Wettbewerb hat sich verschärft

VON SI THU ZEYA

In der Übergangszeit des soge-nannten Frühlings von Myan-mar sind Exilmedien, die zuvorinderdunkelstenZeitdes Landesder Bevölkerung gedient haben,in die Heimat zurückgekehrt.Doch sind sie dort mit einer un-sicheren Zukunft konfrontiert.

Der Militärputsch nach demgescheiterten Volksaufstand von1988 hatte Tausende Studentenund Aktivisten zur Flucht in denDschungel und in den bewaffne-ten Kampf getrieben. Viele gin-gen auch diesen Weg, nachdemsich dieMilitärjunta 1990 gewei-gert hatte, den Wahlsieg vonAung San Suu Kyis Nationaler Li-ga für Demokratie anzuerken-nen. Nach Jahren der vergebli-chen bewaffneten Revolutionfanden sich einige Aktivisten alsJournalisten in Exilmedien wie-der – im benachbarten Thailandoder gar in westlichen Ländern.Sie legten die Waffen nieder, umfortanmit Artikeln für den Regi-mewechsel zu kämpfen.

Mehr als zwei Jahrzehnte langhieltendieGeneräle inMyanmardieganzeGesellschaftmit einemeisernen Vorhang von Nachrich-ten und Informationen ab. Wäh-rend die lokalen Medien unterstrengerKontrolle derVorzensurstanden, warfen die Generäle je-ne JournalistenundAutorenhin-ter Gitter, die eswagten, das Volkzu informieren. In MyanmarsdunkelsterZeitkonntendieMen-schen nur von den Exilmediendie Wahrheit erfahren.

Dank billiger Radiogeräte„Made in China“ erfuhren dieMenschen in Myanmar nachtsüber Exilsender, was in ihremLandwirklich vor sich ging.Mor-gens erzählten sie dann ihrenFreunden, Nachbarn und Kolle-gen,was sie gehörthatten. ZuderZeit hielten die Exilmedien die„FlammederHoffnung“desgan-zen Landes am Leben.

Später kamen auch noch On-linemedien und der Exil-TV-Sen-der Demokratische Stimme Bir-

Die Verantwortung der Journalisten

VON CHIT OO KOKO

Eines Nachts im Oktober sindUnbekannte in die Redaktions-räume des Sun Light Journals inYangon eingedrungen. Sie nah-men 14 Computermit undmehrals 600 Exemplare der Zeit-schrift. In den sozialen Mediengab es viele Berichte, dass dieDiebe angeführt wurden vonNay Swe Thwe Aung, auch PhoeLa Pyae wurde genannt, einemEnkel des Juntachefs GeneralThan Shwe. Unter den Begleiternsoll auch der Sohn des Handels-ministers gewesen sein. In densozialenNetzwerken,woderVor-fall meist als Angriff auf Myan-mars Medien gewertet wurde,gab es sehr heftige Reaktionen.

Doch später kam heraus, dassderEigentümerderZeitschrift,UYu Naing, bei dem Vorfall dabeiwar. Doch waren schon Artikelim Sun Light Journal erschienen,

die Günstlinge der früheren Jun-ta angegriffen und bei dem Vor-fall eine Verbindung zwischenMyanmars berühmter Miss Uni-versum und Phoe La Pyae gezo-gen hatten.

Deshalb entschuldigten sichdie Anteilseigner des Magazinsund die Redaktion öffentlich fürihre unethischen Berichte undbeschlossen die Einstellung desJournals. Zugleich wurde derChefredakteur kritisiert, Artikelpubliziert zu haben, welche diejournalistische SorgfaltspflichtunddieHausregelnverletzen. Ei-gentümer U Yu Naing erklärte:„Der Chefredakteur verstieß ge-gen die Regeln, obwohl wir ihngewarnt hatten, niemanden per-sönlich anzugreifen.“MyanmarsJournalistenverband erklärte,unethisches Verhalten von Jour-nalisten sei inakzeptabel.

Myanmars Medien gehöreninzwischen zu den freiesten in

MEDIEN III Viele kennen die Pflichten noch nicht, die zur neuen Freiheit gehören

Südostasien. Doch wegen jahre-langer Isolation undDiktatur so-wie des geringen Ausbildungs-stands der Journalisten gibt essolche inakzeptablen persönli-chen Angriffe und völlig subjek-tiven Berichte. Weil zugleich derRechtsstaat noch schwach istund Gesetze fehlen, die in Ver-leumdungsfällen greifen, ge-fährdet dies die neu gewonneneMedienfreiheit.

NochkennenvieleMediendieVerantwortung und Pflichtennicht, diemit den neuen Freihei-ten verbunden sind – oder siewollen sie nicht berücksichtigen.Der Chefredakteur des YangonChronicle, SoungOoKoKo, hofft,„dass mit fortschreitender Kon-solidierung der Demokratie dieBoulevardmedien, die keineethischen und journalistischenGrundsätze haben, Einfluss ver-lieren und nur die professionel-lenMedien übrig bleiben.“

Ehemalige Feindekooperieren jetztin der neuen Medien-landschaft

zukommen. Regierungen westli-cher Staaten änderten nicht nurihre Politik gegenüber der neuenRegierung und schwächten dieSanktionspolitik ab, sondern for-derten auch die Exilmedien auf,einen andere Ton anzuschlagen.Geldgeber forderten die Exilme-dienauf, indieHeimatzurückzu-kehren.

Ab 2011 kehrten Journalistenallmählich auch nach Hause zu-rück. Erstmals konnteHörer undZuschauer inMyanmar ihre Hel-denpersönlichhörenundsehen,die siebishernuraus fernenExil-medien kannten. Aber das be-deutete kein Happy End. Mit ih-rer bisherigen Abhängigkeit vonSpenden und Zuwendungen istes für die Exilmedien eine großeHerausforderung, jetzt in dem

Ende der Vorzensur: Frau bei der Lektüre einer Wochenzeitung mit Aung San Suu Kyi auf dem Titel Foto: ap

Sie haben diese Beilage geschrieben: Die elf Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ersten Myanmar-Workshops der taz Panter Stiftung im November in Berlin Foto: Anja Weber

VON AUNG THURA KO KO

UND HSU MON AUNG

Die von den Militärs gestütz-te Zivilregierung hat seit ih-rem Amtsantritt im März2011Waffenstillständemit ei-nem Dutzend ethnischer be-waffneter Gruppen geschlos-sen. Außen vor blieb aber bis-her die Unabhängigkeitsar-meederKachin (KIA).DieRegie-rungerzieltebeiTreffenmitKIA-

Führern zwar einigeFortschritte, einWaffen-stillstand gelang aber

noch nicht. Des-halb gibt es imNorden desLandes nochimmer Kämp-

Mitglieder der Union Solidari-täts- und Entwicklungspartei(USDP) und 25 Vertretern desMi-litärs. Hinzu kommen siebenMitglieder von SuuKyisNationa-ler Liga für Demokratie (NLD)und fünf von ethnischen Partei-en. Jede VerfassungsänderungerfordertdieZustimmungvon75Prozent des Parlaments. Für dieOpposition ist das eine Heraus-forderung, denn die USDP unddas Militär kontrollieren bislangüber 80 Prozent der Sitze.

„Die Rolle der Minderheitenkann nur mit einer Änderungoder Erneuerung der Verfassunggestärkt werden“, sagt der Akti-vist Ragu Ne Myint. „Wir brau-chen eine Verfassung, die ein fö-derales System vorsieht.“

Derweil bereiten sich schonzahlreiche Parteien der ethni-schenMinderheitenaufdieWah-len2015vor.DazugehörenGrup-pen der Shan, derMon, der Zomiund der Kachin. Sie haben ver-standen, dass sie die Sache ihrerVölker nur dann vertreten kön-nen,wennsieandenWahlen teil-nehmen.Diesehatten 2010nochzahlreicheGruppen boykottiert.

Aber bloße Teilnahme reichtnichtaus,wieUTayzardipate, einMönch und Aktivist, sagt: „JedePartei hat Konkurrenz, denn inder mächtigen USDP und in derNLD sitzen auch Vertreter derMinderheiten. Deshalb müssendie eigenen ethnischen Parteienin ihren Wahlkreisen noch stär-ker werden.“

Nach Meinung von Beobach-tern haben einige Abgeordneteethnischer Minderheiten die La-ge noch nicht begriffen: Sie sindüberwiegend passiv, schlagenkaum Gesetze vor, stellen keineFragen und repräsentieren nochnicht mal ihr eigenes Volk imParlament.

Das Leiden der VölkerMINDERHEITEN Die ethnischen Volksgruppen hoffen auf mehrRechte, doch neue Landgesetze erleichtern sogar den Landraub

„Wir brauchen eineVerfassung, die einföderales Systemvorsieht“RAGU NE MYINT, AKTIVIST

Unterschriften gesammelt. DieRegierung, klagt Myint Thein,habe bislang niemanden be-straft. „Wirhabenzwarkeinekon-kretenBeweise, aberdieAuslöserfür dieÜbergriffe ähneln sich, sodass wir vermuten, dass einigeGruppen vorsätzlich handeln.“

Oppositionsführerin AungSan Suu Kyi führt die Problemeunter anderem auf die gegensei-tige Furcht zurück, die auf bei-den Seiten herrsche. Die Span-nungen würden ihrer Ansichtnach noch durch das weltweiteGefühl angeheizt, dass sich derIslam allenthalben ausbreite.

In jüngster Zeit hat sich Präsi-dent Thein Seinmit Führern bei-der Religionen getroffen und sieaufgefordert, das Blutvergießen

zubeenden. „EinigeGruppenha-bendenKonflikt vorsätzlich aus-gelöst. Er spricht bestimmte Ge-fühle in der Bevölkerung an, diebeide Seiten nicht beherrschenkönnen“, meint der angeseheneMönch Ahshin Kumara aus demAlodawpyae-Kloster. Die Folgesei ein Vertrauensverlust zwi-schen den Gemeinschaften, diesich nicht nur weigern, wiedermiteinander zu leben, sondernauch Geschäfte miteinander ab-lehnen.

Das Parlament von Myanmarhat die Vorfälle bislang nochnicht diskutiert. Auch Aung SanSuuKyikommentierte sie gegen-überdenMedienbishernur indi-rekt. Ansonsten schweigt sie da-zu lieber.

Religiöse Gewalt bedroht ReformenMUSLIME/BUDDHISTEN Die gewalttätigen Konflikte schüren das Misstrauen auf beiden Seiten

Die Ereignisse drohen inzwi-schen, die Reformbemühungenvon Präsident Thein Sein zuüberschatten. Der Chef der Mus-lim-Vereinigung Myanmars,Myint Thein, sagt: „BuddhistenundMuslimehaben lange Zeit inMyanmar friedlich miteinandergelebt, ohne dass etwas passier-te. Nun häufen sich die Zwi-schenfälle.“ Er zieht eine Verbin-dung zur buddhistischen 969-Bewegung, die das Land mitHass-Reden überziehe. „Sie istsehr populär.“

Die 969-Bewegung lehnt dieVerantwortungab.Sie isteinena-tionalistische, antimuslimischeGruppe, angeführt vom MönchWirathu. Die Zahl 969 beziehensich auf Eigenschaften Buddhas,seine Lehre und die der Mönche.Wirathu wirbt für ein Gesetz,dass Buddhisten verbietet, Part-ner anderen Glaubens zu heira-ten. Er hat bereits vier Millionen

VON MYO MYAT MYAT TUN

Brutale Zusammenstöße zwi-schen der buddhistischen Mehr-heit und dermuslimischenMin-derheit haben schon HunderteMenschenleben gefordert. Diemeisten Toten waren Muslime.Rund 140.000 Muslime müssenderzeit in armseligen Flücht-lingslagern hausen, in denen eskaum Arbeit gibt und in denendie Polizei die Bewegungsfrei-heit der Bewohner einschränkt.

Religiöse Aggressionen eska-lierten bereits im Rakhaing-Staat, in der Stadt Lashio imShan-Staat, in Meiktila und inOkhan in der Region Yangon. InMeiktila mündete ein Streit beieinem Juwelier in einendreitägi-gen Aufruhr gegen Muslime mitmehr als 100 Toten. Im überwie-gend muslimischen Rakhaing-Staat löste ein Vergewaltigungs-fall eine Welle der Gewalt aus.

ern schützen sollten. InWahrheitaberbietensiekaumSchutz, son-dern erleichtern sogar noch denLandraub, wie Aktivisten be-haupten. NachAnsicht von Fach-leuten befassen sich die Gesetzenicht mit dem sogenanntenWanderfeldbau, den viele Min-derheiten in den Grenzregionenpraktizieren. Die Gesetze erlau-benderRegierung, solche Lände-reien als „nicht bewohnt“ zu be-trachten und es Unternehmenfür große Infrastrukturprojektezu überschreiben.

Ein Bericht der Menschen-rechtsgruppe des Karen-Volkeszeichnete jüngst ein ähnlichesBild: Das Tempo des ausbeuteri-schen Landraubs durch lokaleund ausländische Kräfte hatnachdemWaffenstillstand im Ja-nuar 2012 zugenommen. Erhattemehr als sechs Jahrzehnte Kriegzwischen der Regierung und derKaren-Nationalunion (KNU) be-endet.

Myanmars Parlament erwägt,die Rechte der ethnischen Min-derheiten durch Verfassungsän-derungenbesserzuschützen.Einföderales System sei im Ge-spräch, berichten Abgeordnete.Bundesstaaten und Bezirke sol-lenmehrRechteerhalten, ihreei-genen Angelegenheiten zu re-geln. Minderheiten machen 40Prozent der rund 60 MillionenBürgerMyanmars aus.DieÄnde-rungsvorschläge würden dieRechte der ethnischen Minder-heiten stärker schützen, versi-chernAbgeordnete.Dazugehört,die eigene Religion zu praktizie-ren, traditionelle Zeremonien zufeiern und ethnische Literaturund Sprachen zu lehren.

Andere Vorschläge würdendenMinderheitengleicheRechtezur Gesundheitsversorgung undArbeit sichern.Weitere Entwürfe

sehenvor, statt den früherenbir-mesischen Generälen Angehöri-gen von Minderheiten das Rechtzu geben, die Regierung in denBundesstaaten zu bilden.

Zwei Möglichkeiten werdendiskutiert, um ein föderales Sys-tem einzuführen: 1. Eine voll-ständig neue Verfassung zuschreiben oder 2. die derzeitigeVerfassung zu ändern. Zahlrei-che Abgeordnete glauben, dassdie zweite Variante die einfache-re ist. Auf jeden Fall müssen dieRechte der Minderheiten besser

fe. Die anderen Abkommen las-sen dagegen hoffen, dass Myan-mar nach Jahrzehnten ethni-scher Konflikte endlich zur Ruhekommen kann.

Die Bürger in den ethnischenGebieten sind nicht nur von Ku-geln und Granaten bedroht, son-dern auch durch Zwangsarbeit.Angehörige der Minderheitenmüssen in sogenannten „Mo-delldörfern“, umgesiedelten Or-ten oder in Infrastrukturprojek-ten der Regierung arbeiten – ob-wohl Myanmar die Konventionder Internationalen Arbeitsorga-nisation (ILO) der UNO gegenZwangsarbeit unterzeichnethat.

Der Besitz von Land ist poli-tisch und wirtschaftlich heikel.Myanmars Bevölkerungsmehr-heit lebt von der Landwirtschaft,die 43 Prozent der Wirtschaftausmacht. Äcker und Feldergehören dem Staat, Bauern ha-

bennurdasRecht, siezubearbei-ten. Das Land kann ihnen jeder-zeit genommen werden, wie esoft inden letzten Jahrzehntenge-schah. Die Medien nennen dasschlicht „Landraub“. Fast täglichprotestieren Opfer dagegen.

Im März 2012 wurden zweineue Landgesetze verabschiedet,dieeigentlichdieRechtederBau-

geschützt werden, sagt ShweMann, einst hochrangiges Mit-glied des früheren Regimes, dernächster Präsident des Landeswerden will.

Myanmars Regierung erkenntacht größere ethnische Minder-heiten und viele Untergruppenan, insgesamt 135. Das frühereRegime lehnte föderale Tenden-zen immer ab, weil dies angeb-lich Sezessionismus ermutige.Myanmars Parlament hat inzwi-schen ein 109-köpfiges Komitee,das Verfassungsänderungen fürden größeren Schutz von Min-derheiten ausarbeiten soll sowieneueParagrafen, die esOppositi-onsführerinAungSanSuuKyier-lauben könnten, fürs Präsiden-tenamt zu kandidieren. Bislangsind Kandidaten verboten, diemit Ausländern verheiratet sindoder waren.

Das Komitee dominiert aller-dings die Regierungspartei: 50

Zeittafel Myanmar

1948 Unabhängigkeit, Beginnethnischer Aufstände1962 Militärputsch von General NeWin. „Birmesischer Weg in den So-zialismus“ führt zu Selbstisolation1988 Beginn von Massenprotes-ten, Rücktritt Ne Wins, Verhän-gung des Kriegsrechts, neuer Mili-tärputsch und gewaltsame Re-pression mit Tausenden Toten1989 Aung San Suu Kyis erstmalsunter Hausarrest, Sanktionen

1990 Wahlsieg von Suu Kyis NLD,doch Militär hält an der Macht fest1991 Nobelpreis für Suu Kyi2008 Zyklon Nargis verwüstet Ir-rawaddy-Delta, umstrittenes Ver-fassungsreferendum2010 NLD boykottiert Wahlen,Freilassung Suu Kyis2011 Neuer Präsident, GeneralThein Sein, beginnt Reformen2012 Suu Kyi wird Oppositionsab-geordnete im Parlament

Kämpfer der KachinIndependenceArmy (KIA) inLaiza Foto: ap

Demonstration gegen eine Delegation der Organisation der IslamischenKonferenz (OIC), die über antimuslimische Gewalt sprechen will Foto: ap

Page 3: Birma?Myanmar?Burma?Jawasdennnun?€¦ · Birma?Myanmar?Burma?Jawasdennnun? Sag, wie du dieses südostasiati-scheLandnennst,undallewis-sen, wo du politisch stehst. So wardasbisher:DasprachenRe-gimegegner

IV MITTWOCH, 18. DEZEMBER 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG MYANMAR-WORKSHOPwww.taz.de

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Anlage in Kyaukpyu (Rakhaing-Staat), von der die neue Pipeline Gas von Myanmar nach China bringt

Chinesen beim Bau des Ölhafens vor Kyaukpyu (Rakhaing), dessen Pipeline nach China führt

Schüler posieren vor dem Gasterminal in der Stadt Kyaukpyu (Rakhaing-Staat) Fotos: Ni Ni Myint

von einemMilitärregime regiertzu werden – und was dies fürmein Land bedeutet.

Im Jahr 2011 begannen Refor-men im Land. Präsident TheinSeins Regierung zurrte dieNeue-rungen in vielen Bereichen fest,aber natürlich ist alles noch imFluss. Ausländische Investorenschauen auf Myanmar mit sei-nen unendlichen Rohstoffquel-len, seiner tüchtigen jungen Be-völkerung und seinen billigenArbeitskräften.AbereinProblemgibt es: die Versorgung mit elek-trischem Strom.

Im vorigen September be-suchte ich den Rakhaing-Staatim Westen Myanmars, wo Kon-flikte zwischen verschiedenenEthnien und Muslimen ausge-brochen waren. Nahe der StadtKyauk Phyu fördert der koreani-sche Daewoo-Konzern Gas, dasnach China verkauft wird. DieChinesen haben eine Pipeline

Wir bleiben im Dunkeln odermüssenUnmengen bezahlen. Istdas etwa fair?“ 29 Kraftwerke ar-beiten in Myanmar – 18 Wasser-kraftwerke, eines wirdmit Kohlebefeuert, der Rest mit Gas. Aberdie zehn Gaskraftwerke produ-zieren nur 340Megawatt im Jahrfür den lokalen Verbrauch.

China hat versucht, den Irra-waddy-Fluss mit sieben Däm-men zu stauen. Das Myitsone-Projekt istdergrößtedavon.Abernach massiven Protesten der Be-völkerung hat Präsident TheinSein denBau 2011 gestoppt.Wäreer errichtet worden, hätte Myan-marnurzehnProzentdesStromserhalten, der Rest wäre nach Chi-na geflossen.

Wenig Strom, dafür teurer

Mehr als ein Viertel der Men-scheninMyanmar lebennachEr-kenntnissen der Weltbank unterder Armutsgrenze. 70 Prozenthaben keinen Zugang zu Strom.In ländlichen Gebieten, wo dieMehrheit der Armen lebt, sindnur 16 Prozent der Haushalteüberhaupt an das Elektrizitäts-netz angeschlossen.

Am 29. Oktober dieses Jahreshat die Regierung den Strom-preis erhöht, um Verluste auszu-gleichen.WenndieKundenmehrals 100 Einheiten abnehmen,müssen sie nun vier statt dreiCent pro Einheit zahlen. Das seiimVergleichzuanderenLändernbillig, erklärt das Elektrizitätsmi-nisterium. Aber seitdem fällt derStrom in Yangon öfter aus.

Mein Heimatdorf war nichtdabei, als jüngst 4.700 Dörfer(von insgesamt 68.000) ansStromnetz angeschlossen wur-den. Meine Eltern müssen nochimmer private Generatoren nut-zen, die jeden Tag von sechs Uhrmorgens bis 22Uhr Stromerzeu-gen. Das kostet sie fast vierein-halb Euro im Monat. Der Stromreicht nur für einen Farbfernse-her und zwei Lampen. Für einbesseres Leben, für eine bessereWirtschaft in unserem Land istElektrizität entscheidend. Wannbekommt das ganze Land end-lichStrom?Bleibter fürdieLand-bevölkerung nur ein Traum?

Im Schein des TomatenlichtsELEKTRIZITÄT Obwohl viele Birmesen noch gar keinen Zugang zu Strom haben,wird viel Energie nach China exportiert. Inzwischen regt sich dagegenWiderstand

VON NI NI MYINT

Es war eine heiße Nacht im No-vember 2000, als ich beinahemein Elternhaus anzündete. Ichwar 15 Jahr alt, lag auf dem Bettund machte meine Hausaufga-ben. Dann fielen mir die Augenzu. Die Flamme der Kerze erfass-te das Moskitonetz. Doch zumGlück konnten wir das Feuerrechtzeitig löschen.

Ich stamme aus dem kleinenDorf Seik Gyi, 177 Kilometer ent-fern von der ehemaligen Haupt-stadt Yangon. Immer schon ha-bendieBewohnermeinesDorfesKerzen und Öllampen angezün-det.EineinhalbKilometerweiter,in demgrößerenOrt Sharkhe, dagab es sogar elektrischen Strom.Aber die Glühbirnen dort nann-ten wir nur „Tomatenlicht“, weilsie im Dunkeln so schwachleuchteten wie Tomaten.

Ich hatte nie darüber nachge-dacht, wie wichtig Elektrizitätwar, bevor ich 2002 zum Studi-um nach Yangon zog. Plötzlichkonnte ich fernsehen, wann im-mer ichwollte. InmeinerHeimataber lief unser kleiner Schwarz-Weiß-Fernseher mit Batterie-strom. Mein Großvater, der 84Jahre altwurde,war süchtignachden TV-Nachrichten. Danachpries er die Regierung, die Brü-cken und Straßen baute. ÜberStromleitungen sagte er nie et-was, obwohl er manchmal nichtdieNachrichten schauenkonnte,weil wir die Batterie zum Aufla-den weggegeben hatten.

Reiches armes Land

Ichhabe früher auchniedarübernachgedacht, warum wir in un-seremDorf keinenStromhatten.Die Fragen kamen mir erst, alsich anfing, als Journalistin zu ar-beiten. Und es wurden immermehr Fragen, nachdem ich 2007von einem Besuch aus Bangkokzurückgekehrt war. Die staatli-chen TV-Sender erklärten mirständig, wie reich Myanmar anNaturschätzenwieGas, Teak, Ru-bine und Jade ist. Aber warumwar unser Lebensstandard vielschlechter als in Bangkok? Nachundnachbegriff ich,was eshieß,

VON KHIN SU WAI

UND HSANN NYEIN

Der historische Besuch von US-Präsident Barack Obama in My-anmar im Mai dieses Jahres hatdas Verhältnis zu einemganz an-derenLand indenBlickpunkt ge-rückt: zu China. Die traditionellguteVerbindungzudemmächti-gen Nachbarn im Norden ist inletzter Zeit brüchig geworden.China habe zu großen EinflussaufMyanmar, lautetdieKritik. Esnutze die Situation aus, um Roh-stoffe zu billig einzukaufen.

den 10.000 Menschen hättenumgesiedelt werden müssen.Schließlich istder Irrawaddy„dieHauptschlagader Myanmars“,sagt der Journalist Aung MyintMyint aus der Stadt Sagaing.

Myanmar bemüht sich inzwi-schen um die Aufmerksamkeitvieler Regierungen, darunter ge-rade auch die asiatischen. Eswirbt vor allem um Indien, mitdem es eine lange Grenze teilt.Und es streckt seine Fühler nachJapan und den Asean-Staatenaus. Doch weiterhin spielt Chinaeine überragende Rolle im „Gol-denen Land“. Knapp 95.000 chi-

„Sie sind sehrgeschäftstüchtig“CHINA Der große Einfluss des mächtigen Nachbarnbereitet immermehr Birmesen Unbehagen

nesische Touristen kamen 2012.In Mandalay, Myanmars zweit-größter Stadt, sind die Hälfte al-ler registrierten Ausländer Chi-nesen. Nicht eingerechnet sindHunderttausende ethnischerChinesen, die hier schon langeleben. Vermutlich weitere 1,6Millionen chinesische Staatsbür-ger leben illegal im Land.

Chinesisches Mandalay

Die Rolle der Chinesen in Myan-mars Gesellschaft werde auf al-len Ebenen immer deutlicher,sagt Ko Wunna aus dem nördli-chen Myitkyna. „Und sie sind

von hier in die Provinz Yunnangebaut. Parallel dazu läuft eineLeitung für Rohöl, das aus demNahen Osten angelandet wird.

Jährlich sollen zwölf Milliar-den Kubikmeter Gas nach Chinagepumpt werden, 20 Prozent be-trägt der Anteil Myanmars. Ersoll dafür genutzt werden, dieHäuser imRakhaing-StaatundinanderenGebietenzubeleuchten.

Aber im Rakhaing sind dieStrompreise unglaublich hoch.In den Städten Rambre, Sittweund Taugup müssen die Men-schen drei Cent pro Einheit be-zahlen, wenn sie weniger alszehn Einheiten verbrauchen. Beiüber zehn Einheiten steigt derPreis auf 44 Cent. Die Stromge-sellschaft ist mit der Regierungeng verbunden. Also fragen sichdie Anwohner: „In dieser Regiongibt es reichlich Gas. Die Militär-regierung hat fast alles verkauft.

sehr geschäftstüchtig.“ Der pro-minente Pop-Sänger Lin Lindrückt die verbreitete Sorge,Mandalay könne zur chinesischgeprägten Stadt werden, in demLied „Königsstadt – Mandalaywurde begraben“, aus.

Chinesische MegaprojektelocktenTausendeArbeiter an.Al-leindiekombinierteÖl-undGas-pipelinebrachtefürHunderttau-send Chinesen Lohn und Brot inMyanmar. Die Folgen für kleineund mittlere Geschäfte sindnicht zu übersehen: Ma Ei EisPhyus Juwelierladen in Manda-lays 80. Straße nimmt 10.000

US-Dollar mehr am Tag ein,wenn ein Bus chinesischer Tou-risten in die Stadt rollt. Mit Sorgesehen die Birmesen auch denMenschenhandel. Mädchen ausMyanmar werden nach Chinaverkauft, wo sie gezwungenwer-den, Chinesen zu heiraten.

China investiert weniger

China ist Myanmars stärksterHandelspartner, beide Ländertauschten 2012/2013 Waren imWert von 5,11 Milliarden US-Dol-lar aus. Doch offizielle Daten zei-gen, dass die engenBeziehungenlockerer werden. Von 2008 bis2011 investierte China 12 Milliar-den US-Dollar, 2012 bis 2013schrumpfte die Summe auf 407Millionen US-Dollar.

Chinas Botschafter in Myan-mar, Yang Houlan, spielt diesenRückgang herunter: Die Rollekleinerer und mittlerer chinesi-scher Unternehmen in der Tex-tilindustrie, der Telekommuni-kation und der Leichtindustrienehme nach wie vor zu, sagte erkürzlich. Trotz wachsender Op-position in Myanmar werden inden kommenden Jahren wohlweitere Chinesen in das GoldeneLand ziehen.DieBeziehungen zuChina dürften stark bleiben –wenn auch von Kontroversenund Streit überschattet.

Der Streit entzündet sichauchan chinesischen Großprojektenwie dem Staudamm Myitsoneam Irrawaddy, an Öl- und Gas-pipelinessowieanderKupfermi-ne Letpadaung im Kachin-Staat.Die Projekte verschmutzten dieUmwelt und sindmitMenschen-rechtsverletzungen verbunden,lautendieVorwürfe. Bei derKup-fermine etwa seien Menschenohne Entschädigung von ihremLand vertrieben worden.

Dies alles führte 2011 zur Ent-scheidung, den Bau des Myitso-ne-Staudamms zu stoppen, für

Myanmar in Zahlen

Einwohner: 55,2 MillionenBevölkerung: 135 Ethnien. Birma-nen (68 Prozent), Shan (9), Karen(7), Rakhine (3,5), Chinesen (2,5)Religion: Buddhisten (87 Pro-zent), Christen (6), Muslime (4)Lebenserwartung: 65,6 JahreAlphabetisierung: 92,7 ProzentPro-Kopf-BSP/Jahr: 915 DollarExporte: Thailand (40 Prozent),Indien (15), China (14): Gas, Holz,Fisch, Reis, Kleidung, EdelsteineImporte: China (37 Prozent), Thai-land (20), Singapur (9): Stoffe, Öl-produkte, Dünger, Maschinen

200 km

Yangon/Rangun

Golf vonBengalen

Naypyidaw

BHUTAN

BANGLA-DESCH

MYANMAR/BIRMA

THAILAND

INDIENCHINA

LAOS

Myanmar/Birma

ASIEN

taz.Grafik: Infotext/S. Weber

Redaktion: Sven Hansen

Mitarbeit: Andreas Lorenz,

Michael Sontheimer

Layout: Nadine Fischer

Die Artikel geben nicht unbedingt

die Meinung der Redaktion wieder.