31
4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa Herausforderungen aus Sicht der chemischen Industrie und Logistikdienstleister Hannelore Hofmann-Prokopczyk, Christian W. Flotzinger, Fritz Starkl 4.1 Einleitung 4.1.1 Projekt ChemLog Chemical Logistics Cooperation in Central and Eastern Europe Als Forschungseinrichtung ist das Logistikum seit Herbst 2008 Partner im EU- Projekt ChemLog Chemical Logistics Cooperation in Central and Eastern Europe[1, 2]. Im ChemLog-Projekt kooperieren Regionen, Unternehmensver- bände und wissenschaftliche Einrichtungen aus den Ländern Deutschland, Polen, Tschechien, Ungarn, Österreich und Italien, um die logistische Vernetzung der Chemieindustrie in Mittel- und Osteuropa zu verbessern. Das Projekt mit einer Laufzeit von drei Jahren erhält eine Förderung der Europäischen Union im Rahmen des Programms Central Europe 20072013. Die Inhalte des Projektes fokussieren auf den Abbau von Barrieren des transnationalen Transportes in Hinblick auf WestOst- und OstWest-Dimensionen durch die Initialisierung eines breiten Wissensaustausches sowie die Förderung internationaler Infrastruk- turprojekte mit Relevanz für die chemische Industrie. Dies mit den Zielen der Verbesserung der logistischen Infrastruktur in Zentral- und Osteuropa, Bildung von Logistikkooperationen sowie zur nachhaltigen Festigung der Wettbewerbs- position zentral- und osteuropäischer Standorte der chemischen Industrie. Weitere Projektziele sind: 1) Stärkung der Wettbewerbssituation der alternativen Transportträger Bahn und Binnenwasserstraße, um in weiterer Folge eine Verlagerung von Verkehren zu erzielen 2) Erhöhung der Sicherheit beim Transport gefährlicher Güter, Reduktion von Kosten sowie Steigerung von Geschwindigkeit und Flexibilität der Logistik 3) Unterstützung bei der Entwicklung von Logistikzentren für den intermodalen Transport und deren Integration in die Infrastrukturplanung 4) Stärkere Verbindung der Pipelines für die Entwicklung eines effektiven zentral- und osteuropäischen Netzwerkes 81 Chemielogistik: Markt, Geschäftsmodelle, Prozesse, 1. Auflage. Herausgegeben von Carsten Suntrop Copyright © 2011 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Chemielogistik (Markt, Geschäftsmodelle, Prozesse) || Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa - Herausforderungen aus Sicht der chemischen Industrie und Logistikdienstleister

  • Upload
    carsten

  • View
    218

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:293B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    4Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa Herausforderungen aus Sicht der chemischen Industrie undLogistikdienstleisterHannelore Hofmann-Prokopczyk, Christian W. Flotzinger, Fritz Starkl

    4.1Einleitung

    4.1.1Projekt ChemLog Chemical Logistics Cooperation in Central and Eastern Europe

    Als Forschungseinrichtung ist das Logistikum seit Herbst 2008 Partner im EU-Projekt ChemLog Chemical Logistics Cooperation in Central and EasternEurope [1, 2]. Im ChemLog-Projekt kooperieren Regionen, Unternehmensver-bnde und wissenschaftliche Einrichtungen aus den Lndern Deutschland, Polen,Tschechien, Ungarn, sterreich und Italien, um die logistische Vernetzung derChemieindustrie in Mittel- und Osteuropa zu verbessern. Das Projekt mit einerLaufzeit von drei Jahren erhlt eine Frderung der Europischen Union imRahmen des Programms Central Europe 20072013. Die Inhalte des Projektesfokussieren auf den Abbau von Barrieren des transnationalen Transportes inHinblick auf WestOst- und OstWest-Dimensionen durch die Initialisierungeines breiten Wissensaustausches sowie die Frderung internationaler Infrastruk-turprojekte mit Relevanz fr die chemische Industrie. Dies mit den Zielen derVerbesserung der logistischen Infrastruktur in Zentral- und Osteuropa, Bildungvon Logistikkooperationen sowie zur nachhaltigen Festigung der Wettbewerbs-position zentral- und osteuropischer Standorte der chemischen Industrie.Weitere Projektziele sind:

    1) Strkung der Wettbewerbssituation der alternativen Transporttrger Bahn undBinnenwasserstrae, um in weiterer Folge eine Verlagerung von Verkehren zuerzielen

    2) Erhhung der Sicherheit beim Transport gefhrlicher Gter, Reduktion vonKosten sowie Steigerung von Geschwindigkeit und Flexibilitt der Logistik

    3) Untersttzung bei der Entwicklung von Logistikzentren fr den intermodalenTransport und deren Integration in die Infrastrukturplanung

    4) Strkere Verbindung der Pipelines fr die Entwicklung eines effektiven zentral-und osteuropischen Netzwerkes

    81

    Chemielogistik: Markt, Geschftsmodelle, Prozesse, 1. Auflage. Herausgegeben von Carsten SuntropCopyright 2011 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:293B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    5) Initiierung eines transnationalen Know-How- und Technologietransfers fr dieEntwicklung eines effizienten Transportsystems zwischen West und Ost

    6) Untersttzung bei der Implementierung eines transeuropischen Transportkor-ridors, Mitwirkung bei der Harmonisierung von Regulationen, koordiniertePlanung der Infrastruktur und koordinierte Investitionen.

    Um Lsungen zur langfristigen Wettbewerbssicherung im Bereich Infrastrukturund Transport zu erzielen, ist es notwendig, relevante Stakeholder und Entschei-dungstrger aus Wirtschaft und Politik mit einzubeziehen. Diese werden einer-seits durch die Projektpartner reprsentiert, andererseits werden bewusst Mei-nungsbildner und Experten in die Erstellung von Analysen und Studien integriert.Dies ermglicht den Wissensaustausch auf internationaler Ebene und somit einehohe Akzeptanz und Reprsentativitt der Projektergebnisse. Relevante Interes-sensgruppen finden sich in Chemieunternehmen, Logistikbetrieben, Interessens-vertretungen wie beispielsweise Fachverbnden oder Kammern, nationalen bzw.regionalen Ministerien und Behrden sowie Forschungseinrichtungen und Hoch-schulen.Eben diese wurden in das Projekt integriert, um eine internationale, alle Projekt-

    partner umfassende Analyse der Herausforderungen im Bereich der Verkehrs-infrastruktur sowohl fr Unternehmen der chemischen Industrie als auch ausSicht der Logistikdienstleister durchzufhren. Der hohe Stellenwert einer effizien-ten Verkehrsinfrastruktur fr die langfristige Wettbewerbs- und somit auch Stand-ortsicherung tritt klar hervor. Handlungsempfehlungen fr Entscheidungstrgeraus Politik und Wirtschaft sollen ebenso definiert werden wie die notwendigenRahmenbedingungen fr eine nachhaltige Entwicklung des fr Zentral- undOsteuropas uerst wichtigen Wirtschaftssektors.

    4.1.2Problemstellung

    Fr zentral- und osteuropische Chemieunternehmen gelten die Geschftsbezie-hungen WestOst als uerst zukunftsreich. Die Sicherung der Wettbewerbs-position der chemischen Industrie in Zentral- und Osteuropa hngt jedochmageblich von der Bildung wettbewerbsfhiger Cluster im Bereich der Rohstoff-bereitstellung sowie der kooperativen Zusammenarbeit bzw. Bndelung der Inte-ressen gegenber politischen Entscheidungstrgern im Bereich der Infrastruktur-planung und -bereitstellung ab. Die arbeitsteiligen Produktionsprozesse innerhalbder chemischen Industrie sind durch zahlreiche Verflechtungen gekennzeichnet.Eine Vielzahl von unterschiedlichen Abnehmerbranchen sowie eine weit diver-sifizierte Produktpalette bewirken Ausstrahlungseffekte auf vor- und nachgelagerteBereiche. Globale Strukturen, sowohl inner- als auch berbetrieblich, fhren zuhohen, transportintensiven Lieferverflechtungen innerhalb der Branche sowie zueiner Verlngerung der Lieferkette. Die derzeitigen Entwicklungen im Bereich derVerkehrsinfrastruktur hinken den Anforderungen der Wirtschaft nach. Die Schereaus Angebot und Nachfrage der Verkehrsflchen ffnet sich weiter und stellt die

    82 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:303B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    chemische Industrie vor die Herausforderungen, die Transportablufe in ausrei-chender Qualitt und Kapazitt durchfhren zu knnen. Fehlende Harmonisie-rung von technischen, administrativen und sozialen Rechtswerken (nationaleStandards), mangelnde lnder- und verkehrstrgerbergreifende Infrastrukturpla-nung und -entwicklung, fehlende Interoperabilitt von Schienensystemen oderMangel an intermodalen Logistikknoten sind Abrisse jener Optimierungspoten-ziale, die derzeit diskutiert werden.

    4.2Forschungsfokus und methodische Vorgehensweise

    4.2.1Konzept und Struktur der bergeordneten SWOT-Analyse

    Eine umfassende Analyse der Strken, Schwchen, Chancen und Risiken (SWOTfr strengths, weaknesses, opportunities, threats) der Chemieunternehmen ausSicht der Logistik wurde im Zuge des ChemLog-Projektes zu Beginn durchgefhrt.Dabei wurde der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Ost-europa oberste Prioritt zugeschrieben. Folgendes Konzept der SWOT schaffteinnerhalb des Projektteams ein einheitliches Verstndnis ber die notwendigeDifferenzierung in der Betrachtung von beeinflussbaren und nicht beeinfluss-baren Faktoren (Abbildung 4.1).Expertenworkshops in den jeweiligen Partnerlndern wurden abgehalten, um

    Strken, Schwchen, Chancen und Risiken im Bereich der Chemielogistik in

    NegativeFaktoren

    PositiveFaktoren

    STRKEN(Strenghts)

    SCHWCHEN(Weaknesses)

    MGLICHKEITEN(Opportunities)

    RISIKEN (Threats)

    Interne untersttzende oder hindernde Faktoren fr Wertschpfung = beeinflussbar

    Externe untersttzende oder hinderndeFaktoren fr Wertschpfung = nicht-beeinflussbar

    Abb. 4.1 Konzept der bergeordneten SWOTAnalyse [3, 4].

    4.2 Forschungsfokus und methodische Vorgehensweise 83

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:303B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    Zentral- und Osteuropa zu erfassen und zu analysieren. Da Chancen und Risikenmehr globaler Natur sind, werden Strken und Schwchen unternehmensspezi-fisch gesehen. Die Zielgruppe dieser Expertengesprche, welche im ZeitraumJanuar bis Juni 2009 durchgefhrt wurden, bestand aus Unternehmen der che-mischen Industrie sowie des Logistiksektors.Die Struktur der SWOT-Analyse umfasste einerseits Einflsse aus der so ge-

    nannten allgemeinen Umwelt, Faktoren die Wettbewerbsstruktur und -dynamikbetreffend, andererseits gab es auch einen speziellen Fokus auf Parameter mitspezieller Relevanz fr die chemische Industrie aus Sicht der Logistik. Diesesspezielle Augenmerk galt der Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa,insbesondere den Verkehrstrgern Bahn, Binnenschiff, Strae und Rohrleitungs-verkehre. Zur Identifizierung der unternehmensspezifischen Strken und Schw-chen in der Chemielogistik wurden die funktionalen Logistikbereiche Auftrags-bearbeitung, Beschaffung, Lagerung, Produktion, Distribution, Planung undSteuerung sowie Informationslogistik herangezogen.

    4.2.2Forschungsfokus

    Die folgenden Ausfhrungen beschftigen sich mit den fr Unternehmen nichtbeeinflussbaren Faktoren der Verkehrsinfrastruktur und beleuchten fr jedenVerkehrstrger die Chancen und Risiken aus Sicht von Experten der chemischenIndustrie bzw. des Logistiksektors.Die Ziele der Analysephase wurden in allen Regionen der Projektpartner wie

    folgt festgelegt:

    1) Identifizierung der Herausforderungen aus Sicht der chemischen Industrieund des Logistiksektors in Bezug auf administrative, technische und rechtlicheBelange der Verkehrsinfrastruktur in Zentral und Osteuropa.

    2) Formulierung von Handlungsempfehlungen an Politik und Wirtschaft zurVerbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa.

    Eben diese aus der Analysephase erzielten Ergebnisse werden in den folgendenAusfhrungen behandelt.

    4.3Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen in Zentral- und Osteuropa aus Sicht derchemischen Industrie und des Logistiksektors

    Die Logistikkosten in der chemischen Industrie reprsentieren im Durchschnitt10 % des Umsatzes, wohingegen bei Basis-Chemikalien dieser Prozentsatz bis zu40 % betragen kann. Der Logistikkostenanteil kann teilweise durch die geogra-fische Situation der Chemieunternehmen in Zentral- und Osteuropa erklrtwerden. Trotz permanenter Bemhungen, die Transportdistanzen bzw. die Anzahl

    84 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:303B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    der Gefahrguttransporte durch Clusterbildung und strkere Integration zu verkr-zen bzw. zu limitieren, wird eine jhrliche Steigerung der Transportvolumina vonmehr als 2,5 % erwartet [5]. Die Bewegung chemischer Gter, die damit einher-gehende notwendige Effizienz der logistischen Ablufe sowie die Kapazitt undVerfgbarkeit von Transportsystemen bzw. Verkehrsinfrastruktur sind essenziell,um die Wettbewerbsfhigkeit der chemischen Industrie nachhaltig aufrecht zuhalten.

    4.3.1Verkehrsinfrastruktur als standortentscheidender Faktor fr die chemische Industrie inZentral- und Osteuropa

    Wesentliche Voraussetzung fr wirtschaftliches Wachstum und die Sicherungeiner nachhaltigen Position im globalen und intrakontinentalen Wettbewerb isteine leistungsfhige und moderne Verkehrsinfrastruktur. Durch den Ausbau wirddie Erreichbarkeit verbessert und so in Verbindung mit einer optimalen Nutzungdie Basis fr effiziente Logistikablufe und somit die Erschlieung von Beschaf-fungs- und Absatzmrkten geschaffen [6]. Wichtige berregionale und interna-tionale Verbindungen sichern die Konkurrenzfhigkeit im zunehmenden Stand-ortwettbewerb von Regionen und Lndern. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktursoll demnach vorrangig dazu dienen, Wirtschaftsstandorte und -regionen zustrken und gleichzeitig die regionalen Unterschiede sowie das Erreichbarkeits-geflle abzubauen.Im Hinblick auf den vorherrschenden und sich zuknftig weiter verschrfenden

    internationalen Wettbewerb nimmt die Bedeutung der infrastrukturellen Kom-ponente stetig zu [7]. Es stellt sich nun die Frage, ob die lnderspezifische Verkehrs-infrastruktur bei Standortentscheidungen von Unternehmungen eine Rolle spieltund wenn ja, welche. Im Zuge der Standortwahl sind fr Unternehmungen imWesentlichen zwei Faktoren von Relevanz. Erstens die Versorgungssicherheit undzweitens der Transportdurchsatz. Letzterer inkludiert alle fr die zu bewltigendenTransportaufgaben relevanten Verkehrstrger, insbesondere die Strae und dieSchiene. Fr den Verkehrstrger Schiene fallen die Existenz von Ganzzgen, ver-schiedenen Containertypen sowie die Frage des Bahnanschlusses, existierendeGterterminals und die Transportentfernungen bei der Standortwahl ins Gewicht.[8, S. 49] Unabhngig von den Faktoren Versorgungssicherheit und Transportdurch-satz fllt die Wahl auf einen Standort fast immer auf Grund von Kostenaspekten. AlsFaktoren sind der Anteil der Transportkosten an den Gesamtkosten und die Existenzder fr die Geschftsttigkeit bentigten Partner zu nennen [8, S. 50]. EmpirischeUntersuchungen zeigen, dass fr Standortentscheidungen bzw. einen Standort-wechsel vor allem folgende Faktoren von Relevanz sind: Nhe zu bestehenden undzuknftigen Mrkten, geringes Investitionsrisiko, steuerliche Vorteile, Rechtssicher-heit fr Betrieb und Investitionen, Humanressourcen, niedrige Betriebskostensowie niedrige Personalkosten. Erst in zweiter Instanz, wenn also die grundstz-lichen Rahmenbedingungen stimmen, werden die Standorte hinsichtlich ihrerVerkehrsinfrastruktur, also der Anbindung an das internationale und regionale

    4.3 Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen in Zentral- und Osteuropa 85

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:303B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    Verkehrsnetz und auf Grund entstehender Transportlogistikknoten, beurteilt. Allesin allem lassen sich auf Basis der Daten folgende Schlsse ziehen:

    Verkehrsinfrastrukturmanahmen auf nationaler Ebene beeinflussen wedereine Verlagerung ins Ausland noch eine Ansiedelung im Inland.

    Verkehrsinfrastrukturverbesserungen im stlichen Ausland fhren im Gegen-satz dazu zu Abwanderungen gen Osten [8, S. 58 f.].

    Zusammenfassend lsst sich feststellen, dass eine leistungsfhige und anforderungs-adquate Verkehrsinfrastruktur eine wichtige, jedoch nicht hinreichende Voraussetzungfr Wirtschaftswachstum und Wohlstand fr einen Standort ist [10, S. 44]. So zeigenauch andere empirische Untersuchungen einen klaren Zusammenhang. Unter derZuhilfenahme eines makrokonomischen Modell von Bruns et al. [11], welches mikro-und makrokonomische Sichtweisen gleichermaen betrachtet und bndelt, konntegezeigt werden, dass durch die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur zustzlichesWachstum entstehen kann. Dies gilt auch, wenn einzelne Regionen gegebenenfallsdurch Verlagerungseffekte temporr verlieren (Abbildung 4.2).

    4.3.2Zuknftige Verkehrsentwicklungen versus Verkehrsinfrastrukturangebot inZentral- und Osteuropa

    Um eine Einschtzung der zuknftigen Entwicklungen im Verkehrssektor zubekommen, wird nun ein kurzer Blick auf selektierte Prognosen aus sterreichund Deutschland geworfen. Einen Blick ins Jahr 2030 wirft die 2007 von derAMTC-Akademie [12] verffentlichte Delphi-Studie Mobilitt 2015/2030.In den Kernaussagen, die Infrastruktur und den Verkehr betreffend, wird im EU-

    Raum eine Zunahme der Verkehrsleistung des Personen- und Gterverkehrs vonzumindest 65%1) in Relation zu 2005 prognostiziert. Sieht man diese Entwicklungin Kombination mit der Tatsache, dass das hochrangige Straennetz laut Expert-Innen um 30 % wachsen wird, zeigt sich, dass bis ins Jahr 2030 der Ausbau deshochrangigen Straen-, aber auch des Schienennetzes mit der Verkehrsleistungs-entwicklung nicht Schritt halten knnen wird. Um dieser konomisch und kolo-gisch nachteiligen Entwicklung entgegentreten zu knnen, werden von den Studi-enautoren Preismanahmen empfohlen; 62 % der befragten ExpertInnen sehen inder Bepreisung der externen Effekte den wirksamsten Weg, um menschliches undunternehmerisches Verhalten nachhaltig ndern zu knnen. Einen detailliertenBlick auf die langfristige Entwicklung des Gterverkehrs warf, ebenfalls im Jahr2007, das zustndige Ministerium in Deutschland [13, S. 1 ff.]. Die Szenarien-abschtzung [13, S.17 ff.]2) mit einem Zeithorizont bis 2050 zeigt fr Deutschland

    1) Die Schtzungen der ExpertInnen bewegen sich in einem Bereich von mindestens 65 % bis zumaximal 240 %.

    2) Fr die Abschtzung der langfristigen Gterverkehrsentwicklung wurde ein Hauptszenarioerarbeitet.

    86 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:303B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    Ver

    kehr

    s-in

    frast

    rukt

    ur,

    V

    -A

    ngeb

    ot

    Tran

    spor

    tkos

    ten

    ( Z

    eita

    ufw

    and

    usw

    .)

    Pro

    dukt

    ions

    kost

    en,

    Gt

    er-/D

    iens

    t-le

    istu

    ngsp

    reis

    e

    Pro

    dukt

    ion

    und

    Kon

    sum

    Bes

    chf

    tigun

    gE

    inko

    mm

    en

    Fina

    nzen

    der

    f

    fent

    liche

    n H

    and

    Ver

    kehr

    sauf

    kom

    men

    und

    Mod

    al-S

    plit

    Ver

    kehr

    sang

    ebot

    (Kos

    tenf

    unkt

    ion)

    Ver

    kehr

    snac

    hfra

    ge

    Akt

    ivit

    ten

    von

    Unt

    erne

    hmen

    und

    H

    aush

    alte

    n

    Pol

    itik

    -Inf

    rast

    rukt

    ur-V

    erke

    hrsp

    oliti

    k-R

    aum

    plan

    ung

    Rau

    mst

    rukt

    ur-P

    rodu

    ktio

    n-K

    onsu

    m-A

    rbei

    t-W

    ohne

    n-F

    reiz

    eit

    Son

    derfa

    ktor

    en-E

    rrei

    chba

    rkei

    t-A

    rbei

    tsm

    arkt

    -Bod

    enpr

    eise

    -Um

    wel

    t-U

    nfl

    le-S

    teue

    rbel

    astu

    ng-I

    mag

    e -u

    sw.

    Kap

    azit

    ts-

    ausl

    astu

    ngBau

    -, B

    etrie

    bs- u

    ndU

    nter

    halts

    kost

    en

    Sof

    ortig

    e/ku

    rzfri

    stig

    e A

    usw

    irkun

    gen

    Mitt

    el- u

    nd la

    ngfri

    stig

    e A

    usw

    irkun

    gen,

    Rc

    kkop

    plun

    gsef

    fekt

    e

    Ma

    nahm

    enV

    ern

    deru

    ngen

    Abb. 4.2 Das Wirkungsmodell WirtschaftVerkehr im Detail [9, S. 24].

    4.3 Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen in Zentral- und Osteuropa 87

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:313B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    im Vergleich zu 2007 eine Zunahme des Gterverkehrsaufkommens von 3,7 auf5,5 Mrd. Tonnen, also um gut 48%, und bezglich der Gterverkehrsleistung eineVerdopplung von 600 Mrd. tkm auf 1200 Mrd. tkm. Die Studie unterscheidetzwischen Binnenverkehren und grenzberschreitenden Verkehren, wobei Letztereim Vergleich zum ab 2030 leicht stagnierenden Binnenverkehr bis 2050 stark undunvermindert wachsen werden.3) Es zeigt sich also in den Zahlen und unterschied-lichen Wachstumsraten von Aufkommen und Leistung eine klare Tendenz hin zulnger laufenden Transporten. nderungen im Modal Split (Anteil jedes Verkehrs-trgers am Gesamtaufkommen) werden sich bis ins Jahr 2030 in einem Bereichvon 3%-Punkten bewegen. Die hchsten Zuwachsraten im Modal Split, aufkom-mens- und leistungsbezogen, wird mit 2%-Punkten die Bahn verzeichnen knnen.Der Studie zufolge wird der kombinierte Verkehr einhergehend mit der Entwick-lung des Verkehrstrgers Schiene stark wachsen. Dieser profitiert einerseits vomGterstruktureffekt hin zum Stckgut und andererseits von den stark von derBahn beeinflussten Entwicklungen in der Gterabteilung Fahrzeuge, Maschinenund sonstige Halb- und Fertigwaren. Die Strae wird ihren Anteil am leistungs-bezogenen Modal Split halten bzw. leicht, im Bereich von 12%-Punkten, aus-bauen knnen. Wohingegen die Binnenschifffahrt bis 2050 ca. 3%-Punkte amleistungsbezogenen Modal Split verlieren wird. Abbildung 4.3 gibt einen berblickber die zentralen Einflussgren und Wirkungszusammenhnge der Gterver-kehrsentwicklung wieder.

    3) Eine besonders dynamische Entwicklung wird auch dem Transitverkehr bescheinigt.

    EuropischeIntegration/

    Globalisierung

    Gesellschaft/Ressource Technologie

    Raumstruktur

    Verkehrspolitik A/EU(Marktordnung, Abgaben/

    Preise, Infrastruktur/ Verkehrsmittel,

    Verkehrsordnung)

    Transportwirtschaft & Logistik

    (Verladeranforderungen,Logistikangebote)

    Soziokonomie (Wirtschaft, Bevlkerung)

    Verkehrspreise,Strae, Schiene etc.

    Infrastruktur-qualitt

    BIP, Importe, Exporte, EWS

    Sendungs-gren

    Modal Split Transportweiten Verkehrsmengen

    Verkehrsleitungen

    Transportintensitt

    Abb. 4.3 Wirkungsgefge der langfristigen Gterverkehrsentwicklung. In Anlehnung an [13, S. 19].

    88 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:313B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    4.3.3Verkehrspolitische Aspekte in Zentral- und Osteuropa

    4.3.3.1 Internationale Harmonisierung von verkehrsinfrastrukturellen Gesetzenund Richtlinien

    Insbesondere innerhalb internationaler Konzerngruppen ist die grenzbergrei-fende Harmonisierung von transport- und verkehrsrelevanten Gesetzes- undRegelwerken ein uerst wichtiges Thema, hauptschlich in Hinblick auf gleicheWettbewerbsbedingungen. Dies betrifft ebenso Richtlinien in Bezug auf denTransport und das Handling von Gefahrgtern. Die befragten Experten empfan-den die derzeitige Situation fr den zentral- und osteuropischen Raum alsuerst nachteilig. Diese Verschiedenheit behindert die reibungslose Implemen-tierung von logistischen Prozessen und Rahmenbedingungen und beeinflusst deninternationalen Standortwettbewerb enorm. Der Harmonisierungs- und Standar-disierungsprozess innerhalb der chemischen Industrie ermglicht den Unterneh-men, aktiv an der Bildung und Formulierung von Standards, gleichzeitig amWissenstransfer teilzunehmen. Unzureichende Harmonisierung von internationa-len Gesetzen, Richtlinien und Standards fhrt zu erhhten Kosten und Durchlauf-zeiten in der gesamten grenzbergreifenden logistischen Kette. Die Experten derchemischen Industrie sind sich einig: Harmonisierung ermglicht Standardisie-rung und in weiterer Folge Marktffnung, erleichtert grenzbergreifende Ablufeund erhht die Effizienz.

    4.3.3.2 Nachhaltige, integrierte und rational orientierte Verkehrspolitikzur Standortsicherung

    Grundlage der europischen Verkehrspolitik ist das Weibuch der EuropischenUnion, erschienen im Jahre 2001. 2006 prsentierte die EU-Kommission auf Basisder in Auftrag gegebenen ACCESS-Studie4) ihre Halbzeitbilanz zum Verkehrs-weibuch. Die Evaluierung der Zielsetzungen zog wesentliche nderungen nachsich. Den von der ACCESS-Studie aufgedeckten Mngeln des Weibuches 2001wurde, dem BMVIT zufolge, in der Halbzeitbilanz groteils Rechnung getragen,wobei das Hauptziel einer Trendumkehr im Verkehrsgeschehen, namentlich dieVerlagerung des Straenverkehrs auf den Verkehrstrger Schiene (ursprnglichging man von einer Steigerung des Bahnanteils am Verkehrsaufkommen auf 35 %bis 2010 aus), den realen Gegebenheiten angepasst wurde. Demnach muss eineVerlagerung auf umweltfreundliche Verkehrstrger zuknftig nur mehr soweitdies mglich ist, vor allem bei lngeren Strecken, in Ballungsgebieten und ber-lasteten Gebieten [9, S. 19 und 14, S. 4] realisiert werden. Um dem ungeachteteiner Verschlechterung der Umweltsituation entgegenzuwirken, sollen durch ver-mehrten Technologieeinsatz und kologische Normensetzung der Straenverkehrkologischer gestaltet und die Co-Modalitt gefrdert werden. Letztere mit demZiel einer optimalen nachhaltigen Nutzung der Ressourcen.

    4) Die ACCESS-Studie diente als Grundlage zur Verffentlichung der Halbzeitbilanz.

    4.3 Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen in Zentral- und Osteuropa 89

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:313B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    Entsprechend zur Gesamtbeurteilung wurde sterreich im Zuge der Detaileva-luierung von ACCESS attestiert, das Ziel, den Anteil der Bahn vor allem imGterverkehr massiv zu steigern, klar verfehlt zu haben [9, S. 4 und S. 10]. Wiebereits dargestellt, hat die zustndige EU-Kommission5) die Ziele der europischenVerkehrspolitik 2006 im Zuge der Erarbeitung der Halbzeitbilanz neu ausgerich-tet. Wesentliches Ziel der europischen, also auch nationalen, Politiken muss eslaut Kommission zuknftig sein, die spezifischen Potenziale der einzelnen Ver-kehrstrger zu optimieren sowie die Entwicklung und Einfhrung zukunftsorien-tierter innovativer Lsungen zu frdern und damit die Erreichung der Ziele frsaubere und effizientere Verkehrssysteme zu gewhrleisten [14, S. 3 f.]. Kernpunktder europischen infrastrukturellen Verkehrspolitik ist das transeuropische Ver-kehrsnetz (TEN). Die Umsetzung hinkt jedoch bis dato der Planung weit hinterher[9, S. 14]. Durch ein mehrjhriges Investitionsprogramm sollen laut Arbeitsplander Halbzeitbilanz bis 2013 die physische Infrastruktur fr den europischenBinnenmarkt darstellenden TEN-Netze durch eine Maximierung der Investitionen,genauer gesagt durch die Mobilisierung aller verfgbaren Investitionsquellen,optimiert werden [14, S. 18 ff. und S. 28].Derzeit schpft die Verkehrspolitik ihre Handlungsmglichkeiten im Hinblick

    auf die Standortsicherung laut Experten nicht aus. Entscheidungen fr Infrastruk-turmanahmen werden hufig mit standortpolitischen Argumenten untermauert,eine nachhaltige Sicherung von Wirtschaftsstandorten und -regionen ist jedochmit der Anwendung von transparenten Gesamtverkehrskonzepten verbunden.Zwar existieren auf nationaler Ebene Reihungen zum Ausbau der hochrangigenVerkehrsinfrastruktur, eine verkehrstrger- und regionenbergreifende Zielformu-lierung konnte konsensual jedoch nicht flchendeckend erreicht werden. DieVerkehrsinfrastrukturpolitik orientiert sich vorrangig an kurz- bis mittelfristigenund weniger an langfristigen Strategien. Im Bereich der Verkehrspolitik befrch-ten Experten eine Verschlechterung der derzeitigen Situation. Die Entscheidungs-horizonte werden noch kurzfristiger, ohne eine langfristige, die Gesamtentwick-lung umfassende Strategie zu haben. Das politische Denken beschrnkt sich aufLegislaturperioden. Auch im Bereich der Raumplanung bzw. Einbeziehung dieserin die Verkehrspolitik ist eine Fortsetzung der derzeitigen Situation zu erwarten.Die Priorisierung von Aspekten der Verkehrsinfrastruktur innerhalb politischerProgramme sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene wird von Exper-ten als uerst wichtig angesehen.

    4.3.3.3 Verlagerung des Straenverkehrs durch PreismanahmenDie Zuwchse im Straengterverkehr haben sich in den letzten Jahren vomWirtschaftswachstum entkoppelt; der Lkw-Verkehr wchst heute deutlich schnel-ler, wird aber, volkswirtschaftlich gesehen, ineffizient eingesetzt. Nur ein geringerTeil der verursachten externen Kosten und Aufwendungen fr Infrastruktur wirdvom Lkw-Verkehr bezahlt. Mit der Zunahme des Gterverkehrs steigen die

    5) Wenn nicht explizit ausgewiesen, handelt es sich im vorliegenden Dokument um die Generaldi-rektion fr Energie und Verkehr.

    90 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:313B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    externen Kosten berproportional. Nach Untersuchungen des VC [15, S. 9 f und12 ff.] werden 56 % der vom Lkw-Verkehr verursachten Straenkosten gedeckt.Insgesamt kommt der Lkw-Verkehr der Allgemeinheit fast dreimal so teuer wieder Gtertransport per Bahn. Der Kostendeckungsgrad des Schwerverkehrs liegtlaut VC auf allen Straen bei 32 %. Aktuell betrgt beispielsweise in sterreichdie Maut auf dem hochrangigen Straennetz (Autobahnen und Schnellstraen)durchschnittlich 22 Cent pro gefahrenen Kilometer. Seit 2006 ist es laut EU-Beschluss auch mglich Mauten am untergeordneten Straennetz zu erheben.Der Kostendeckungsgrad des Lkw auf Landes- und Gemeindestraen liegt insterreich bei nur 19 %. Diese Tatsache fhrt in Kombination mit dem Faktum,dass die Bahn am gesamten Schienennetz eine Schienenmaut pro Zugkilometerbezahlen muss, zu einer Wettbewerbsverzerrung: Der VC tritt daher in seinerStudie Lkw-Maut auf allen Straen fr eine flchendeckende Maut auf allenhoch- und unterrangigen Straen ein. Um vollstndige Kostendeckung zu errei-chen, msste die Maut im gesamten Straensystem durchschnittlich 54 Centbetragen.Als Beispiel fr die gelungene Realisierung wird die Schweiz angefhrt. Diese

    habe, laut VC, dank der Bemautung des gesamten Straennetzes (ab 2008 von 70Cent) in Verbindung mit der leistungsabhngigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA)6)

    den Anstieg des Schwerverkehrs bremsen knnen. Auch konnte die Bahn ihrenAnteil am Modal Split nahezu behaupten. Als weiteres Beispiel wird Deutschlandgenannt, jedoch im negativen Sinne. Hier sei die Bemautung fr eine Verringe-rung der Zuwchse bzw. zur Generierung von Verlagerungseffekten zu gering(durchschnittlich 12 Cent) angesetzt worden. Deutschland habe daher von derMauteinfhrung nicht profitiert. Summa summarum hlt der VC eine Lkw-Mautauf allen Straen in sterreich, unter Beachtung gewisser Kriterien wie z. B. derAnsiedelung der Mautkompetenz beim Bund, fr durchfhrbar und zur Herstel-lung der Kostenwahrheit bzw. Begnstigung von Verlagerungseffekten auf dieSchiene fr sinnvoll. Andere Studien, wie beispielsweise jene des BMVIT [9,S. 26 f.], beurteilen die Thematik der Verlagerung mittels Preismanahmen (Maut)wesentlich zurckhaltender. Eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene ausschlie-lich ber Preismanahmen erreicht nur eine geringe Verlagerungswirksamkeitvon ca. einem Prozentpunkt. Puwein [16, S. 141 ff.] sieht in der Minerallsteuerden entscheidenden Schlssel, sich der politischen Zielsetzung eines nachhaltigenVerkehrs anzunhern. Das Modell fut auf der Annahme, dass die Ausfinanzie-rung der Investitionen in das hochrangige Straennetz durch Mauteinnahmengesichert wird, die entsprechend der steigenden Kosten (auch der Kreditzinsen)angehoben werden. Die Benutzungsentgelte mssen jedoch nicht weiter gesteigertwerden, da die Minerallsteuer das weitaus effizientere Instrument zur Verbes-serung der Nachhaltigkeit des Verkehrs darstellt.Den Aussagen der im Zuge des Projektes ChemLog hinzugezogenen Experten

    zufolge sind Entgelte fr die Benutzung von Verkehrsinfrastruktur essenziell fr

    6) Auch fhrte die Bemautung zu Effizienzsteigerungen wie z. B. weniger Leerfahrten, hherenDurchschnittsfrachten und geringerem Schadstoffaussto.

    4.3 Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen in Zentral- und Osteuropa 91

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:313B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    die Finanzierung von Infrastrukturprojekten, jedoch aus Sicht der verladendenWirtschaft nachteilig.

    4.3.3.4 Internalisierung externer KostenExterne Kosten dienen oftmals als Begrndung fr eine Verteuerung des Straen-verkehrs. Der Verkehrssektor ist prinzipiell durch die Eigenschaft geprgt, dassauftretende negative externe Effekte, namentlich sind dies die Belastung der Um-welt, des Menschen und des Wirtschaftssystems, nicht ber Marktmechanismenreguliert werden [17, S. 221 f.]. In anderen Worten: Nicht alle Kosten, die vomVerkehr verursacht werden, werden auch von ihm getragen. Ein wesentlicher Teilder von Verkehr verursachten Umwelt-, Unfall- und Infrastrukturkosten (Bau undUnterhalt), ergo externen Kosten, geht zu Lasten der Allgemeinheit. Insbesondereder Gterverkehr (Lkw-Verkehr) wird volkswirtschaftlich ineffizient eingesetzt. Dievon der Allgemeinheit getragenen Kosten flieen derzeit nicht in die Mobilitts-leistungen und daher in weiterer Folge in die Verkehrsentscheidungen der Wirt-schaftssubjekte mit ein, eine Tatsache, die die Funktionsfhigkeit des Marktesbeeintrchtigt. Auch kann der Gterverkehr mehr Schaden als Nutzen bringen.Denn dem durch zustzliche Transporte generierten betriebswirtschaftlichen Netto-nutzen stehen immer die verursachten externen Kosten gegenber [15, S. 11]. Sollenderartige Fehlentwicklungen vermieden werden, mssen zuknftig die bisher nichtbercksichtigten externen Kosten in die Entscheidungsfindung der Wirtschaftssub-jekte mit einbezogen werden. Wer also Kosten im Verkehr verursacht, sollte, nachdem Verursacherprinzip, fr diese auch aufkommen. Eine Einbeziehung bzw.Bercksichtigung aller externen Kosten im Verkehrssystem wird gemeinhin alsKostenwahrheit bezeichnet [10, S. 217]. Bezogen auf die jhrliche Transportleis-tung zeigt sich, dass die Binnenschifffahrt und der Schienengterverkehr diegeringsten externen Kosten verursachen. Der kombinierte Verkehr verursacht inRelation etwa viermal hhere Kosten, whrend die spezifischen externen Kosten desStraengterverkehrs 13mal (im Vergleich zur Bahn) und 15mal (Schiff ) hherliegen [10, S. 218]. Hauptproblem bei der Thematik der Internalisierung externernegativer Effekte ist die Tatsache, dass es bis dato fr die rechnerische Ermittlungbzw. Zu- und Anrechnung der externen Kosten keine allgemein anerkannte wissen-schaftliche Methode gibt. Groe Anstrengungen dies zu ndern, unternimmt derzeitdie EU-Kommission. Sie verffentlichte Anfang 2008 ein durch ein Konsortium vonForschungseinrichtungen zusammengestelltes Handbuch, welches als Leitfaden frdie Veranschlagung der externen Kosten dienen soll. Das Handbuch ist Teil des vonder Kommission eingeleiteten Verfahrens zur Definition einer Strategie fr dieschrittweise Integration der externen Kosten. Es legt erneut die inhrente Komple-xitt der Thematik offen. So kommt das ExpertInnenkonsortium zu dem Schluss,dass es bei Luftverschmutzung, Lrm- und Unfallkosten durchaus Einigkeit ber dieMethodik gibt, jedoch in allen anderen Bereichen noch kein Konsens [18, 19]gefunden wurde. Von einer anwendbaren gesamtheitlichen Berechnungslsung istman also noch weit entfernt.Unterschiedliche Berechnungs- und Bewertungssysteme der externen Kosten im

    zentral- und osteuropischen Raum fhren zu ungleichen Wettbewerbsbedingun-

    92 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:313B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    gen im internationalen Kontext. Weiterhin besteht die Gefahr, dass Transporte aufdas niederrangige Straennetz verlagert werden, um Benutzungsentgelten aufdem hochrangigen Netzwerk zu entgehen. Experten sehen eine Chance dahin-gehend, dass die erzielten Einnahmen in den Ausbau bzw. in die Instandhaltungder Verkehrsinfrastruktur investiert werden und es somit zu einer Steigerung derEffizienz in den logistischen Ablufen kommt.

    4.3.3.5 Finanzierungs- und Frderpolitik im Bereich der VerkehrsinfrastrukturDie Aufwendungen fr Infrastrukturerrichtung und -erhaltung im Straenbereichwaren in den letzten Jahren auf Grund hoher Kosten im Bereich der Projektierung,der Zusatz- und Kompensationsmanahmen (Lrm, Sicherheit, Umwelt, etc.) undauf Grund zunehmender Rohstoffpreise erheblichen Steigerungsraten unterwor-fen. Eine ausgeprgte Konsensorientierung verteuert die Realisierung der geplan-ten Bauvorhaben zustzlich. Die Finanzierung erfolgt auf nationaler Ebene bei denAutobahnen und Schnellstraen durch die erhobenen Nutzungsentgelte undSchuldenaufnahme sowie beim niederrangigen Straennetz aus den Budgets derGebietskrperschaften. Von befragten Experten erfolgt der Hinweis, dass Poten-ziale zur Senkung der Errichtungs- und Erhaltungskosten durch moderne Ver-fahren, technische Innovationen und verkehrstrgerbergreifende Manahmennicht erkannt werden.Um die ffentliche Hand bei den Finanzierungsengpssen zu entlasten bzw.

    Effektivitts- und Effizienzproblemen entgegenzutreten, werden alternative koope-rative Finanzierungsformen wie Public Private Partnership (PPP) verfolgt. PrivateUnternehmen oder Organisationen teilen sich hierbei mit staatlichen Institutionendie bernahme ffentlicher Aufgaben. Die Nutzung von Synergieeffekten steht anvorderster Stelle. Der Kooperationszweck ist entweder ein Eigentum, eine Errich-tung oder eine Finanzierung. Meistens werden PPP-Kooperationen aber im Zusam-menhang mit dem Betrieb der Verkehrsinfrastruktur gebildet. Hierbei befindet sichgem der Definition von Kummer [17, S. 195 ff.] die Verkehrsinfrastruktur imBesitz der ffentlichen Hand. Der Betrieb erfolgt dagegen privat. Um zu berprfen,ob fr einen konkreten Fall ein PPP-Modell7) die bessere Alternative darstellt, sindfolgende Kriterien von Bedeutung: Erlse, Kosten, Effektivitt, Finanzierung, Kon-trolle, Transparenz und Risiko. Hauger et al. [20] haben die bisher realisierten,geplanten und gescheiterten PPP-Projekte in Europa entsprechend der bis datogesammelten Erfahrungen auf Strken und Schwchen8) analysiert. Als Schwchenwurden unter anderem die geringe Einnahmesicherheit, der geringe Einfluss derPrivaten auf die Erlsseite, die fehlende Rechts- und Investitionssicherheit, dermangelnde Umsetzungswille in Politik und Verwaltung sowie die wenig effizienteRisikoverteilung identifiziert. Positiv sind die durch PPP-Modelle ermglichte Rea-lisierung zustzlicher Projekte, die Einhaltung von Bauzeiten und Kostenrahmenund die erreichten Kostenersparnisse durch Kooperation und Flexibilitt. Die Finan-

    7) Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Betreibermodellen. Siehe hierzu [17, S. 197].8) Die Aufzhlungen stellen jeweils eine Summe der aus verschiedenen Modellen bzw. Lndern

    gesammelten Erfahrungen dar.

    4.3 Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen in Zentral- und Osteuropa 93

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:313B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    zierung der Verkehrsinfrastruktur durch einen zu hohen Privatanteil knnte jedochauch aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu einem Rckgang der Auf-wendungen fr Ausbau und Erhaltung und somit in der Summe zu einer generellenVerschlechterung der Verkehrsinfrastruktur fhren.9)

    Die befragten Experten erwarten eine fr die chemische Industrie angemesseneVerwendung von Frdergeld fr Investitionen in Verkehrsinfrastruktur sowieinsbesondere in die Frderung alternativer Verkehrstrger (Bahn und Binnen-schiff ). Experten befrchten jedoch eine Einschrnkung der Frdergelder aufGrund der derzeit schwierigen Wirtschaftslage, das in weiterer Folge zu einemmassiven Rckschritt im Bereich der effizienten Nutzung bzw. der Erweiterungvon Verkehrsinfrastruktur fhren wrde. Als Herausforderung sehen die Befrag-ten die Nachvollziehbarkeit der Verteilung von Subventionen in die bestehendeVerkehrsinfrastruktur und die Gefahr einer gewissen Intransparenz und befrch-ten einen mglichen Mangel an ganzheitlicher Logistikkompetenz der zustndigenBehrden. Sollte die finanzielle Frderpolitik in seiner derzeitigen Struktur erhal-ten bleiben, bedeutet dies, dass die bestehenden brokratischen Hrden nichtabgebaut werden und infolgedessen der Frderungsprozess wenig transparentund schwer zugnglich bleibt. Das Fehlen substanzieller Frderungen seitens derEU, um das Kapazittsangebot der Verkehrsinfrastruktur zu verbessern, bedeutetfr die chemische Industrie einen zu langsamen und unzureichenden Ausbauund somit lediglich eine partielle Deckung des Kapazittsbedarfs zur Erschlieungneuer Mrkte.

    4.3.3.6 Integration der Raumplanung in die VerkehrspolitikAktuelle Ausbauplanungen und Priorittensetzungen lassen auf nationaler EbeneThemen der Raumplanung auer Acht. Raumordnungs- und Verkehrspolitik sindbeispielsweise in sterreich durch die bestehende Zersplitterung von Kompeten-zen weitgehend entkoppelt. Auf regionaler Ebene werden wirtschafts- und ver-kehrspolitische Planung teilweise abgestimmt allein der Kontext zu einer lnder-oder regionenbergreifenden Raumplanung fehlt. Bei der Ansiedelung von Indus-trie- und Gewerbegebieten finden Zugnge zu alternativen Verkehrstrgern (Schie-ne, Binnenschiff ) und logistische Einflussfaktoren keine Bercksichtigung. Auchwerden lokale Logistikzentren sowie Betriebsbaugebiete ohne Gleisanschluss ge-widmet und errichtet. Die Umsetzung von ganzheitlichen Konzepten theoretischErfolg versprechend stt bei der praktischen Umsetzung auf erheblicheSchwierigkeiten. Die Raumplanung entfaltet daher derzeit geringe Steuerungs-effekte im Hinblick auf die Verkehrspolitik, obwohl die Mglichkeit des Eingriffsgrundstzlich bestnde.Diesem Faktor wurde beispielsweise in der Studie Logistik 2030 [21, S. 111]

    hohe Wichtigkeit zugeteilt. Die befragten Experten im Projekt ChemLog dagegenempfinden diesen Faktor fr die Branche an sich als wenig relevant im Sinne einerwettbewerbsentscheidenden Chance oder eines Risikos.

    9) Motivation fr private Investoren sind die erhofften hohen Renditen.

    94 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:323B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    4.3.4Grenz- und verkehrstrgerbergreifende Kapazittsplanung der Verkehrsinfrastrukturin Zentral- und Osteuropa

    Die Experten sehen ein enormes Entwicklungspotenzial und somit eine Chancezur Erhaltung der Wettbewerbsposition in der grenz- und verkehrstrgerber-greifenden Kapazittsplanung der Verkehrsinfrastruktur. Als herausforderndwerden jedoch die essenzielle internationale Volumenbndelung sowie die trans-regionale Integration von nationalen bzw. regionalen Entwicklungsplnen gese-hen. Auf EU-Ebene wurde trotz einiger Initiativen noch keine Vereinheitlichungumgesetzt, und somit ist die Kompatibilitt verkehrstrgerbergreifend nichtgewhrleistet. Politische Interessen und das Hten nationaler Standards verhin-dern die verkehrstrgerbergreifende Harmonisierung der fr die Co-Modalittbedeutsamen Regeln und Normen, die Verlagerung von internationalen Verkehrs-strmen auf alternative Verkehrstrger wird erschwert.

    4.3.5Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen des Verkehrstrgers Schiene in Zentral-und Osteuropa

    4.3.5.1 Lage, Struktur und Kapazitt des SchienennetzwerkesSprechen kurze Distanzen fr einen Straentransport, so steigt mit zunehmenderTransportentfernung (ab ca. 300 km [22]) die Wettbewerbsfhigkeit der Schiene.Meist wird bei einer multimodalen Ausfhrung, wie oben bereits kurz angeschnit-ten, der Hauptlauf auf der Schiene, der Vor- und Nachlauf auf der Strae abge-wickelt. Bei einem Vergleich des Schienen- und Straennetzes fllt auf, dass dieHauptverkehrsknoten der hochrangigen Netze der Strae grtenteils parallelzum hochrangigen Netz der Schiene verlaufen, hnlich verhlt es sich mit denwichtigsten Knotenpunkten. Hinsichtlich einer multimodalen Abwicklung fallenjedoch die oftmals groen Entfernungen zwischen den Anschlussstellen deshochrangigen Straennetzes einerseits, und den Bahnhfen und Terminals ande-rerseits nachteilig ins Gewicht. Systembedingte Vorteile der Schiene sind dieUmweltfreundlichkeit, hohe Sicherheit sowie die Mglichkeit hohe Tonnagen proTransport zu transportieren. Nachteile sind die eingeschrnkte zeitliche undrumliche Flexibilitt, fehlende Berechenbarkeit, geringe Beweglichkeit sowiehohe Lrmbelastung [23, S. 7 f.].Auf Grund der systembedingten Eigenschaften der Schiene ergeben sich nach

    Lckler [23, S. 10 ff.], aus dem Gesichtspunkt des multimodalen Transports, zurSicherung der zuknftigen Wettbewerbsfhigkeit eine Vielzahl an Anforderungenan die Schiene:

    Verbesserung der Schnittstellen durch Integration der Strae in die Planungs-prozesse der Terminals

    Optimierung der Abwicklung von Baumanahmen an den KreuzungspunktenStraeSchiene

    4.3 Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen in Zentral- und Osteuropa 95

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:323B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    Gemeinsame intermodale/ multimodale Projektaktivitten Qualittsoffensiven (Modernisierung des Rollmaterials, Kundenorientierungetc.)

    Optimierung der Fahrplne zwischen Schiene und Strae Optimierung des Ablaufes des Gtertransportes.

    Die Experten im Projekt ChemLog erhoffen sich fr die Zukunft eine wett-bewerbsfhige Alternative zum Straentransport, insbesondere auf Grund derhohen Transportvolumina sowie des hohen Sicherheitsinteresses, Gefahrengut-transporte von der Strae auf die Schiene zu verlegen.Die Mehrheit aller befragten Experten beurteilen die Lage und Struktur des

    Schienennetzwerkes in Zentral- und Osteuropa als ineffizient und suboptimal.Zwar existieren groe Netze und eine annehmbare Auslastung, jedoch fhrt einemassive Unterfinanzierung zu dringendem Handlungsbedarf, da es ansonsten zueiner weiteren Senkung der Leistungsfhigkeit der Schieneninfrastruktur kommt.Zwar gibt es ein langfristiges Investitionsprogramm (TEN-T) der EU-Kommissionmit den Zielen der Integration von nationalen Netzwerken und Anbindung derPeripherie an das Zentrum der EU. Die Umsetzung der Infrastrukturmanahmenin den TEN-T-Schienenkorridoren in Zentral- und Osteuropa ist aber oftmals erstin den Anfngen [24, S. 23]. Fehlende Investitionen in das Netzwerk, mangelndeFinanzkraft bei Staatsbahnen sowie eine intransparente Preispolitik werden somitals Hauptkritikpunkte angefhrt.Die Schnittstellenproblematik, ungengende Integration des Verkehrstrgers

    Strae in die Planung von Bahnterminals, mangelnde multimodale Projektaktivi-tten und suboptimale Gestaltung der Fahrplne bilden in Summe ineffizienteLogistikprozesse. Weitere Herausforderungen der chemischen Industrie liegen imZugang zum System Schiene wegen der unzureichenden Struktur bezglich derVerkehrsstationen und Gterterminals sowie in der professionellen Projektabwick-lung der Rahmenplaninvestitionen unter Einhaltung von Kosten, Terminen undQualittsvorgaben, aber auch in der internationalen Abstimmung von Investitions-vorhaben.Einige Experten weisen darauf hin, dass die Struktur des Schienennetzwerkes

    per se gut situiert ist, jedoch der Zustand bzw. die Qualitt der BahngleiseOptimierungspotenzial aufweist. Wesentliches Kriterium dabei sind die Unter-schiede in den Klassen zwischen Zentral- und Osteuropa (verpflichtender Stan-dard in zentral- und westeuropischen Lndern ist Klasse D und in einigen CEE-Lndern findet man Klasse C vor) und deshalb die notwendige Adaptierung desBahn-Equipments (bspw. sind Klasse-C-Schienenstrnge nicht erlaubt fr mo-derne Tankwaggons nach RID, TSI, etc.). Nichtsdestotrotz ist eine inadquateSchieneninfrastruktur ein groes Hindernis fr Chemietransporte, da auf Grunddieser Limitierung ein groer Anteil des Transportes chemischer Gter auf derStrae erfolgen muss. Das Kapazittsangebot der Strae wiederum entsprichtderzeit nur bedingt und zuknftig nicht mehr den Anforderungen der verladen-den Wirtschaft.

    96 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:323B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    4.3.5.2 Kapazitt, Eff izienz und Lage von BahnterminalsDie Lage von Bahnterminals wird von Experten als unzureichend und fr dieAnforderungen der chemischen Industrie inadquat insbesondere in Hinblick aufden Umschlag chemischer Gter evaluiert. Ein Defizit in Bezug auf Qualitt,Quantitt und Zugangsmglichkeiten wird angemerkt. Bahnterminals in Zentral-und Osteuropa werden sogar als logistische Bottlenecks Engpsse bezeichnet.Dieser Faktor stellt somit eine Herausforderung bzw. ein Risiko fr die chemischeIndustrie dar.

    4.3.5.3 Verfgbarkeit, Qualitt und Kapazitt von Bahnwaggons und -equipmentProbleme in der Verfgbarkeit von Bahnwaggons und Spezial-Equipment entste-hen insbesondere bei Ad-hoc- oder Individualtransporten. Je lnger der Horizontfr die Planung logistischer Ablufe im Schienengterverkehr ist, desto hher istdie Verfgbarkeit (insbesondere bei Ganzzgen). Die Beschaffung bzw. der Rck-lauf von Spezial-Equipment und Waggons ist problematisch, ebenso die Rei-nigung. Hinzu kommen veraltetes und eben schlecht gereinigtes Transport- undHandling Equipment, welches den spezifischen Anforderungen der chemischenIndustrie nicht entspricht.

    4.3.5.4 Liberalisierungsfortschritt im SchienengterverkehrEin essenzielles Thema ist ebenso die Liberalisierung im Schienengterverkehr, diemit Marktwachstum, Chancengleichheit und intensiviertem Wettbewerb einhergeht[25 und 24, S. 18]. Hier liegen die vorrangigen Ziele10) in der vollstndigen Markt-ffnung des nationalen und internationalen Verkehrs, der Trennung des Manage-ments von Infrastruktur, Fracht- und Passagierservice, der Etablierung unabhngi-ger Regulierungsstellen sowie in der Regelung von Sicherheitsanforderungen,Interoperabilitt und Zugang zu wesentlichen Anlagen. Derartige Parameter undderen Fortschritte werden anhand des Liberalisierungsindex [26] gemessen. Dieserzeigt, dass die Lnder in Zentral- und Osteuropa weit fortgeschritten sind und sichhomogen entwickeln. Die volle Marktffnung in EU-Mitgliedsstaaten wurde bereits2007 umgesetzt. In den meisten Lndern wurden die Mrkte planmig geffnetbzw. neue Marktteilnehmer sind zugelassen und aktiv. Die Lnder Deutschland,Grobritannien, Niederlande sowie Schweden weisen einen fortgeschrittenen Libe-ralisierungsgrad auf (zwischen 15 und 30 %), wohingegen es dennoch einige Mono-pollnder ohne Liberalisierung gibt (vor allem in Osteuropa, Ex-Jugoslawien, Trkei,Ukraine, etc.) [26, 27]. Somit bieten einige CEE-Lnder potenziellen Marktteilneh-mern stabile Rahmenbedingungen. In Bezug auf Frachtkosten und Qualitt scht-zen die Experten die Liberalisierung als chancenreich ein. Weiterhin gehen dieExperten von einem selbstregulierenden Markt aus, welcher die Marktstruktur vonprivaten Anbietern sowie quasi-monopolartigen Unternehmen bzw. Staatsbahnen imSinne einer Liberalisierung und Privatisierung steuert.

    10) Dies wird auch von den befragten Experten der chemischen Industrie und des Logistiksektors alsmassive Chance gesehen.

    4.3 Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen in Zentral- und Osteuropa 97

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:323B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    4.3.5.5 Interoperabilitt im Bereich des Verkehrstrgers SchieneInteroperabilitt im Schienenverkehr bedeutet im engeren Sinne, dass Schienen-fahrzeuge durchgngig und mglichst reibungslos zwischen unterschiedlichennationalen Netzwerken verkehren knnen. So fasst die Neufassung der bisherigenEG-Richtlinien ber die Interoperabilitt im Eisenbahnverkehr zusammen: Vo-raussetzung fr den kommerziellen Zugbetrieb im gesamten Eisenbahnnetz istinsbesondere eine hervorragende Kohrenz von Infrastruktur- und Fahrzeugkenn-werten, jedoch auch eine effiziente Verknpfung der Informations- und Kom-munikationssysteme der verschiedenen Infrastrukturbetreiber und Eisenbahn-unternehmen. Die nationalen Rechtsvorschriften sowie die internen Regelungender Eisenbahnunternehmen und die von ihnen angewandten technischen Spezifi-kationen weisen groe Unterschiede auf, da sie Ausdruck der technischen Beson-derheiten der Industrie des jeweiligen Landes sind und ganz bestimmte Abmes-sungen, Vorkehrungen und besondere Merkmale vorschreiben. Dieser Sachverhaltsteht einem flssigen Zugverkehr im gesamten Gebiet der Gemeinschaft ent-gegen. [28]Die Problematik der Interoperabilitt im europischen Schienenverkehr ist

    Hauptanliegen des European Rail Traffic Management Systems (ERTMS)11), wel-ches zuknftig fr die Steuerung des Eisenbahnverkehrs auf den Strecken dertranseuropischen Netze zustndig ist. Dieses fr die Zukunft des europischenSchienenverkehrs wesentliche Projekt wurde durch die Mitglieder der UNIFE(Union des Industries Ferroviaires Europennes Verband der europischenEisenbahnindustrie) initiiert und in enger Kooperation mit der EuropischenUnion, Interessensgruppen sowie der GSM-R- (Global System for Mobile Com-munications Railway) Industrie entwickelt. Demnach zielt ERTMS darauf ab, diebestehende Vielzahl an unterschiedlichen Leit- und Sicherungssystemen aufHochgeschwindigkeitsstrecken und konventionellen Strecken auszutauschen undsomit zu vereinheitlichen. ERTMS besteht aus zwei technischen Teilsystemen:Einerseits ETCS (European Train Control System), welches die Funktionen dergrenzbergreifenden Zugsicherung realisiert, andererseits das MobilfunksystemsGSM-R fr die Sprach- und Datenkommunikation zwischen den Fahrzeugen,mobilen Endgerten und sonstigen Einrichtungen [29].Die technische Interoperabilitt bezieht sich im Wesentlichen auf die inkom-

    patiblen Signalsysteme, Spurweiten, Lichtraumprofile, Stromsysteme sowie Zugs-icherungssysteme. Administrative Harmonisierung betrifft in diesem Kontext dieVereinheitlichung von Frachtdokumenten. Beides wrde den Ablauf der Logistik-prozesse effizienter, flexibler und verlsslich gestalten. Weiter wrde dies laut derbefragten Experten zu einer erheblichen Verkrzung der Transportzeit sowie zueiner Kostenreduktion fhren.

    11) Siehe hierzu www.ertms.com und www.unife.org (06.12.2009).

    98 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:333B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    4.3.6Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen des Verkehrstrgers Binnenwasserstraein Zentral- und Osteuropa

    4.3.6.1 Lage, Struktur und Kapazitt des Binnenwasserstraen-NetzwerkesDie Binnenschifffahrt findet in Zentral- und Osteuropa im Wesentlichen auf demRheinMainDonau-Kanal statt. Der entscheidende Faktor ist dessen Leistungsfhig-keit: Die Befahrbarkeit der Wasserstrae bestimmt die Auslastung und schlussend-lich die Konkurrenzfhigkeit der Binnenschifffahrt gegenber Strae und Schiene.Beide Verkehrstrger sind einerseits direkte Konkurrenten im Hauptlauf und ande-rerseits Partner im Vor- und Hauptlauf. Fr die Wettbewerbsfhigkeit ebenso ent-scheidend ist die Qualitt der Schiffe bzw. Innovationskraft der Werften. Um imWettstreit der Modi in Zukunft bestehen zu knnen, wird in der Binnenschifffahrteine Verbesserung des PreisLeistungs-Verhltnisses von elementarer Bedeutungsein. Wesentlich sind hierbei die Komponenten Transportdauer, Verlsslichkeit undPlanbarkeit. Die sterreichische Wasserstraen-Gesellschaft Via Donau beispiels-weise beziffert als langfristiges Ziel fr die Donauschifffahrt eine Steigerung desAnteils am Gesamttransportaufkommen von derzeit ca. 1 % auf 7 % [30, Abschnitt Aund B]. Erreicht werden soll dies unter anderem durch intensivierte Handelsaktivit-ten mit dem sdosteuropischen Donauraum und der Schwarzmeerregion (HafenConstanza). Traditionelle Haupttransportgter der Binnenschifffahrt sind Schttgutund Flssigkeiten und somit uerst interessant insbesondere fr den Transport vonBasis-Chemikalien. Die Binnenschifffahrt verursacht im Vergleich zu den anderenVerkehrstrgern die geringsten negativen externen Effekte. Ein verstrkter Schiffs-transport fhrt daher gemeinhin zu verbesserten Umweltbedingungen. Die dreiwesentlichen Vorteile gegenber den Verkehrstrgern Strae und Schiene lauten:

    Geringere Transportkosten je Tonnen-Kilometer (tkm) Geringere externe Kosten (Stau-, Unfall- und Emissionskosten) Ausreichend freie Kapazittsreserven.

    Liegen die externen Kosten der Binnenschifffahrt bei 10 /1000 tkm, so ver-ursacht die Bahn 15 /1000 tkm und die Strae 35 /1000 tkm an externen Kosten[31, S. 98]. Im Zusammenhang mit den externen Kosten der Schifffahrt muss derVollstndigkeit halber erwhnt werden, dass auf Grund der in der Schifffahrteingesetzten Treibstoffe und der in Relation zum Straenverkehr unterentwickel-ten Motortechnik die Umweltbelastung durch die Schifffahrt netto pro Tonnedoppelt so hoch wie im Straengterverkehr ist [9, S. 11]. Im Auftrag der ViaDonau wurde 2006 anhand der Studie COLD (Container Liniendienst Donau) [32,S. 6 f.] das Potenzial des Containerverkehrs auf der Donau analysiert. Eineeffiziente Zu- und Abfuhr der Containermengen in das Hinterland der ber-seehfen ist fr die europische Wirtschaft von immenser Bedeutung. Die Ergeb-nisse attestieren in diesem Kontext der Containerschifffahrt auf der Donau ins-besondere in Richtung Schwarzmeer (Constanza) groes Potenzial. Das derzeitigeberseecontainer-Aufkommen der Lnder sterreich, Ungarn und Slowakei be-

    4.3 Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen in Zentral- und Osteuropa 99

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:333B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    trgt derzeit schtzungsweise 700 000 TEU (Twenty Feet Equivalent Unit) pro Jahr.Einer Prognose des sterreichischen Instituts fr Raumplanung (IR) zufolgeliegt das Potenzial der containerisierbaren Verkehre auf der Donau bis 2020 bei 1,3bis 2,4 Mio. TEU. Zielgruppe fr den Containerverkehr sind die Seereedereien.Diese sollen durch geringe bis vernachlssigbare Laufzeitnachteile und Kosten-vorteile gegenber der Bahn auf die Option Donau aufmerksam gemacht werden[32, S. 12 ff.]. Wie gro das Potenzial der Containerschifffahrt auf der Donauwirklich ist, mssen die nchsten Jahre noch zeigen.Infrastrukturelle Engpsse haben erhebliche Auswirkungen auf die Wett-

    bewerbsfhigkeit und Wirtschaftlichkeit der Binnenschifffahrt. Ziel der politischenEntscheidungstrger muss es daher sein, die Wasserstraeninfrastruktur durchordnungsgeme Erhaltung, Beseitigung von Engpssen und effizientes Schleu-senmanagement zu verbessern. Dabei ist auf eine international koordinierteVorgehensweise mit den jeweiligen Anrainerstaaten zu achten [31, S. 4].Die Lage und Struktur der Binnenwasserstraen an sich ist im zentral- und

    osteuropischen Raum laut den befragten Experten vorteilhaft, obwohl in einigenLndern der Binnenschifftransport auf ein bis zwei Korridore limitiert ist. Auslangfristiger Sicht erscheint die Binnenwasserstrae als uerst attraktiv fr diechemische Industrie unter der Voraussetzung, dass die Kapazitt und Effizienzgarantiert ist. Eine weitere Bedingung, die Binnenschifffahrt vermehrt in die logis-tische Kette zu integrieren, ist die besser Anbindung an die Verkehrstrger Schieneund Strae im Sinne der Co-Modalitt. Angesichts logistisch teilweise ungnstiggelegener Chemiestandorte sowie der zum Teil berfllten Hochseeschiffhfen,erlangt die Binnenwasserstrae eine bedeutendere Rolle. Dies einerseits zur Belie-ferung des asiatischen Marktes, andererseits um kostenintensive Inlandrouten zuumgehen.Die effiziente Nutzung der Binnenwasserstrae in CEE-Lndern ist von Eis-, Flut-

    und Niederwasserproblemen sowie der Anzahl der Schleusen abhngig. Da Naturge-walten nicht komplett beherrscht werden knnen und geografische Gegebenheitenhingenommen werden mssen, ist eine flexible Anpassung der logistischen Ketteim Falle von Kapazittsengpssen notwendig. Der Ausbau der Binnenwasserstraesteht in den seltensten Fllen im positiven Interesse der ffentlichkeit, da dies mitder Regulierung von Naturregionen einhergeht.

    4.3.6.2 Kapazitt, Eff izienz und Lage von Binnenschiffhfen und -TerminalsDie Integrationsfunktion zwischen den Verkehrstrgern Wasserstrae, Schieneund Strae bernehmen die Hfen und Umschlagslnden im Sinne von multi-modalen Logistikknoten. Trotz teilweise zweistelliger Wachstumsraten der trans-portierten Gtermenge, beispielsweise am RheinMainDonau-Kanal, mangelt eslaut der befragten Experten an einer international abgestimmten Entwicklungs-und Investitionsstrategie zur Umsetzung von Innovationen in den Hfen sowie ander Untersttzung der Weiterentwicklung sdosteuropischer Donauhfen.Die befragten Experten kritisieren weiterhin die schlechte Anbindung der Bin-

    nenschiff-Terminals an das Schienen- und Straennetzwerk und somit die Integ-ration in multimodale Logistikketten. Die Zugangsvoraussetzungen sind teilweise

    100 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:333B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    laut Expertenmeinung problematisch, einerseits hinsichtlich der Kapazitt, ande-rerseits in Bezug auf ffnungszeiten. Chancen zur Steigerung der Effizienz vonTransporten sehen die Befragten in alternativer Motorisierung von Binnenschiffensowie privaten Finanzierungsmodellen fr die Adaptierung von Binnenschiff-Terminals, insbesondere fr Umschlagstechnologien und Lagermglichkeitenvon chemischen Gtern. Weiterer Investitionsbedarf wird im Hochwasserschutzder Hfen gesehen, um eine ganzjhrige Befahrbarkeit zu garantieren.

    4.3.6.3 Verfgbarkeit, Qualitt und Kapazitt von Binnenschiffen und EquipmentDie Anforderungen der chemischen Industrie gehen dahin, bestehende Flotten zumodernisieren. Der Privatisierungsprozess der Binnenschifffahrt ist in den meistenCEE-Lndern bereits vollzogen, und neue Unternehmen sind daraus entstanden.Um die Wettbewerbsfhigkeit der Binnenschifffahrt zu erhhen, bedarf es einerModernisierung und Anpassung an die Anforderungen der verladenden Wirtschaft.Dabei sollten laut Experten die Aspekte Umweltfreundlichkeit, Sicherheit, Erschlie-ung neuer Mrkte und wettbewerbsfhige Kostenstrukturen im Vordergrundstehen. Weitere Probleme sehen die Befragten derzeit ebenso in der Verfgbarkeitvon Schiffen fr den Transport chemischer Gter, in der Reinigung der Transport-mittel sowie in der nicht vorhandenen Mglichkeit die Schiffe so auszulasten, dasses sich um eine kostenmig wettbewerbsfhige Alternative zur Strae handelt.

    4.3.7Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen des Verkehrstrgers Strae inZentral- und Osteuropa

    4.3.7.1 Lage, Struktur und Kapazitt des StraennetzwerkesZentraleuropa verfgt ber einen vergleichsweise hohen Standard der Straenin-frastruktur, somit besteht eine gute Erreichbarkeit von Bezugs- und Absatzmrk-ten. Im Angesicht des stetig steigenden Gterverkehraufkommens und einerknftig eher marginalen Vernderung des Modal Split wird mit groer Wahr-scheinlichkeit eine Knappheit an Transportkapazitt besonders entlang der Haupt-verkehrsachsen und in Ballungsrumen entstehen. Die Schere zwischen verfg-baren Verkehrsflchen und steigendem Verkehrsaufkommen ffnet sich somitzunehmend und die Verkehrsinfrastruktur wird zu einem knappen Gut [33].Im Allgemeinen wurde das Angebot an Verkehrsinfrastruktur im Bereich des

    Straentransportes in Bezug auf Qualitt und Quantitt als verbesserungswrdigbewertet. Insbesondere die Experten aus osteuropischen Regionen betonen denhohen Zentralisierungsgrad der hochrangigen Straeninfrastruktur, im Gegensatzzu einem favorisierten, synergetischen und dezentralisierten Straennetzwerk.Hohe Relevanz fr die chemische Industrie stellt die Sicherheit des Straentrans-portes im Hinblick auf die Befrderung von Gefahrgut dar.

    4.3.7.2 Kapazitt und Eff izienz des StraennetzwerkesDie Grnde fr eine ineffiziente Nutzung des Straennetzwerkes liegen einerseitsim Zusammenspiel des sich ndernden Nachfrageverhaltens, etwa in Bezug auf

    4.3 Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen in Zentral- und Osteuropa 101

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:333B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    die zeitliche Verteilung (Anteil des Freizeitverkehrs), sowie in steigenden Quali-ttsansprchen im Personen- und im Gterverkehr (komplexe Logistikketten),andererseits in den teilweise wenig bedarfsgerechten und durch nationalstaatlichesDenken geprgten Verkehrsinfrastrukturkonzepten. Die befragte Wirtschaft ver-tritt groteils die Meinung, dass derzeit ein Mangel an Verkehrsinfrastruktur imBereich des Verkehrstrgers Strae besteht und meint damit wohl einen Mangelan Verkehrsangebot. Die Grnde hierfr liegen in der wenig transparenten, kurz-fristig am Personenverkehr und wenig am Wirtschaftsverkehr orientierten Pla-nung, sowie in der mangelhaften Bercksichtigung methodisch abgestimmterEntscheidungsgrundlagen. Seitens der Entscheidungstrger in der Politik werdendie Anforderungen des europischen Verkehrsmarktes in Zusammenhang mitnationalen Standortanforderungen nur ungengend bercksichtigt. Ausbaupla-nungsphasen dauern zu lange, auch fehlen intelligente, effiziente Lsungen undInnovationen. Weiterhin wird seitens der Politik auf eine stark angebotsorientierteVerkehrspolitik gesetzt, welche die reale Nachfrage und bestehenden Marktbedrf-nisse oft auer Acht lsst. Die Leistungsfhigkeit und Qualitt des Angebots anVerkehrsinfrastruktur leidet laut den befragten Experten zudem unter tendenziellzunehmenden Restriktionen und Verboten. Mangelnde Aufklrung lsst dasBewusstsein sowie die Akzeptanz bezglich der Notwendigkeit von gesetztenBeschrnkungen in den Nutzergruppen zustzlich sinken.

    4.3.7.3 Interoperabilitt im Bereich des Verkehrstrgers StraeIm Straenbereich wurden die notwendigen Aktionen zur Umsetzung der Inter-operabilitt bereits initiiert. Die Harmonisierung sozialer Gesetze und Richtliniensowie die Vereinheitlichung von Fahrzeugdimensionen und -gewicht im interna-tionalen Transport steigern die Effizienz von physischen Logistikprozessen. Harmo-nisierungsbedarf besteht jedoch weiterhin fr Gefahrguttransporte, beispielsweiseerfllen eine Vielzahl von Straentunnels im zentral- und osteuropischen Raumnicht die notwendigen ADR-Kriterien (Europisches bereinkommen ber dieinternationale Befrderung gefhrlicher Gter auf der Strae). Weiterhin ist derTransport gefhrlicher Gter auf einigen internationalen Strecken (E) nicht erlaubt.

    4.3.8Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen im intermodalen Transport in Zentral-und Osteuropa

    Die befragten Experten erwarten vom intermodalen Transport grundstzlich eineMglichkeit die Logistikprozesse effizienter und kostengnstiger zu gestalten.Dies unter der Voraussetzung eines sicheren Transportes und weniger Waren-beschdigungen. Groe intermodale Terminals existieren an den strategischwichtigen Punkten, es mangelt jedoch an dezentralen Umschlagsstandorten bzw.einem flchendeckenden Netz. Die Umschlagstechnologien sind zwar in denGroterminals ausgereift, die Erschlieung der Flche ist aber auf Grund man-gelnder Kompatibilitt und der Inflexibilitt der Systemkomponenten nur schwermglich. Nationale und internationale Konzepte sind nur unzureichend ber-

    102 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:343B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    greifend und zu wenig gesamtheitlich entwickelt. Die Terminals an sich werdenselten den spezifischen Anforderungen der chemischen Industrie gerecht, ins-besondere was das Handling und die Lagerung gefhrlicher Gter betrifft. DieAnzahl von Tankreinigungsanlagen ist weder ausreichend noch sind diese in dieErrichtungs- und Erweiterungsplanung von intermodalen Terminals integriert.Die Lage von intermodalen Knoten wre fr die chemische Industrie optimaler-weise auerhalb von Ballungsgebieten, um einen sicheren Umschlag und einesichere Lagerung chemischer bzw. gefhrlicher Gter zu gewhrleisten.

    4.3.9Verkehrsinfrastrukturelle Herausforderungen im Rohrleitungstransport inZentral- und Osteuropa

    Ein Rohrleitungsnetzwerk (Pipelines) ist fr die chemische Industrie in Zentral- undOsteuropa ausschlaggebend, da diese Art des Transportes einen wesentlichenBeitrag zur Reduktion von Kosten, Emissionen und Risiken leistet. Aus kologischerSicht ist der Transport via Pipelines umweltfreundlicher als traditionelle Transport-mittel, vorausgesetzt Aspekte des Umweltschutzes wurden bei der Planung undKonstruktion beachtet. Errichtung und Erweiterung von Rohrleitungen sind oftmalsmultinationale Projekte und auf Grund einer Vielzahl von involvierten Behrdenund Regelwerken sehr zeit- und kostenintensiv. Das Ziel einer europischen Visionist die Entwicklung eines integrierten paneuropischen Olefin-Pipeline-Netzwerkes,welches bestehende Rohrleitungen verbindet und somit die Lcke zu Sdosteuropadurch Integration der wesentlichen Chemiecluster fllt.Die Finanzierung von Pipeline-Projekten ist oftmals schwierig, da auf Grund

    einer hohen Kostenintensivitt und oftmals niedriger Ertrge aus dem investiertenKapital alternative Finanzierungsmodelle gewhlt werden mssen. Sowohl dieUntersttzung aus dem ffentlich-rechtlichen Bereich als auch private Finanzie-rungsmodelle sind hier gefragt, um die Konstruktion zu ermglichen.Die befragten Experten sehen das inadquate Olefin-Pipeline-Netzwerk als wett-

    bewerbsnachteilig, da eine Verbindung wichtiger Cluster bzw. Chemie- oder Wert-schpfungsparks nicht oder nur unzureichend vorhanden ist. Die verladendeWirtschaft ist gezwungen, hohe Transportvolumina, welche fr den Rohrleitungs-verkehr geeignet wren, per Strae, Schiene oder mglicherweise Binnenschiff zutransportieren. Der Skaleneffekt kommt somit nicht zum Tragen.

    4.4Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und derenRahmenbedingungen in Zentral- und Osteuropa

    Die grten Herausforderungen, denen sich Unternehmen im Zusammenhangmit der Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa stellen mssen, sind dienicht den Anforderungen der chemischen Industrie entsprechenden Bahn- undStraennetzwerke, insbesondere nicht kompatible Bahnsysteme, der Mangel an

    4.4 Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur 103

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:343B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    intermodalen Logistikknoten, berlastete Binnenschiffhfen, mangelnde Standar-disierung von rechtlichen, administrativen und technischen Standards, sowie dieSchwierigkeit, ausgezeichnetes logistisches Personal zu finden. Die Handlungs-empfehlungen richten sich demnach stark an politische sowie ffentlich-rechtlicheEntscheidungstrger12) (siehe hierzu auch [21, S. 105 ff.]).

    4.4.1Grenzbergreifende und ganzheitliche Koordinationpaneuropischer Infrastrukturprojekte

    Ziel ist eine Vereinheitlichung der Regeln und Normen, sowie eine Zurckdrngungder nationalen Besonderheiten. Langfristig ist aber darauf zu achten, bestimmteInfrastrukturen auch auf nationaler Ebene zu planen, zu errichten und zu verwalten,um die Handlungskompetenz nicht vollstndig an die EU abzugeben. In diesemZusammenhang ist auf eine ausgewogene und anforderungsgerechte Kompetenz-verteilung zwischen Nationalstaaten und EU zu achten. Fr die Verkehrstrger Bahnund Binnenschiff mssen seitens der Politik Randbedingungen fr eine flchen-deckende und grenzbergreifende Planung und Steuerung im Sinne eines Gesamt-systems geschaffen werden, in dem Informationstransparenz gewhrleistet ist. Dieskann nur durch Betreibergesellschaften der ffentlichen Hand mit neutralem Statuserreicht werden. Wesentlich fr grenzbergreifende multimodale Verkehre ist eineeuropaweit wettbewerbsneutrale Gestaltung des Netzzugangs zur Bahn, eine Verein-heitlichung der Bahnsysteme, das Setzen von nationalen oder EU-weiten Rahmenbe-dingungen, um die Vernetzung zu erleichtern bzw. zu ermglichen und somit dieInteroperabilitt der Bahn zu gewhrleisten. Um die Wettbewerbsposition von Bahnund Schiff langfristig verbessern zu knnen, ist eine Kostenanrechung nach demVerursacherprinzip erforderlich. Eine koordinierte Vorgehensweise bei paneurop-ischen Infrastrukturprojekten ist notwendig fr eine gemeinsame Priorittensetzungin der Entwicklung von Verkehrskorridoren. Entscheidungstrger und Anspruchs-gruppen aus Politik und Wirtschaft mssen in diesen Prozess aktiv mit eingebundenwerden, um Reprsentativitt und somit eine hohe Umsetzungswahrscheinlichkeitauf Basis der Anforderungen der Wirtschaft zu erzielen.Ziel ist es somit, europaweit einheitliche, grenzbergreifende Standards fr die

    Planung und Steuerung der Verkehre sowie eine koordinierte Vorgehensweise beipaneuropischen Infrastrukturprojekten zu schaffen.

    4.4.2Langfristige und nachhaltige Orientierung der Verkehrs- und Transportpolitik

    Die Verkehrspolitik sollte einen integrierten, langfristigen und ber die Regie-rungsperioden hinausgehenden Ansatz verfolgen. Durch die Bercksichtigung

    12) Die Experten wurden im Zuge der ChemLog Projekt-Workshops gebeten, Handlungsempfeh-lungen zur Strkung der Wettbewerbsposition chemischer Betriebe in Zentral- und Osteuropa inBezug auf die Verkehrsinfrastruktur und damit einhergehender Themen abzugeben.

    104 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:343B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    aller relevanten politischen Teilbereiche und unter Beachtung der wechselseitigenAuswirkungen wird die Bewltigung der Verkehrsaufgabe durch die Entwicklungeines verbesserten Gesamtverkehrssystems erreicht. Mittels einer integriertenVerkehrspolitik sind rationale, schlssige und nachhaltige Ziele zu verfolgen. UmMultimodalitt zuknftig, im von der Politik geforderten Ausma, umsetzen zuknnen, mssen die Rahmenbedingungen entsprechend den Anforderungen derWirtschaft bereitgestellt werden. Oberstes Ziel der Manahmen muss die Verbes-serung der Qualitt der gesamten Logistikkette sein.

    4.4.3Schaffung verlsslicher und nachhaltiger politischer Rahmenbedingungen aufnationaler bzw. regionaler Ebene

    Die Anforderungen der Wirtschaft stehen dem teils politikabhngigen Angebot,d. h. den gesetzlichen, sozialen, personellen und ordnungspolitischen Rahmenbe-dingungen, gegenber. Die Gestaltung der Rahmenbedingungen liegt in denHnden der Nationalstaaten, in anderen Worten, sie hngen vom Willen und denPrferenzen der politischen Entscheidungstrger ab. In diesem Spannungsfeldoffenbaren sich oftmals groe Differenzen, denn die Anforderungen der Wirt-schaft sind mit den angebotenen Rahmenbedingungen des Staates nicht immerim Einklang. So kann insbesondere die Logistik unter der Voraussetzung entspre-chender Rahmenbedingungen einen wertvollen Beitrag fr einen nachhaltigerfolgreichen Wirtschaftsstandort liefern. Die Politik ist aufgerufen, die Voraus-setzungen hierfr zu schaffen und gleichzeitig bestehende Widersprche aufzul-sen oder zumindest zu entschrfen. Von besonderer Wichtigkeit fr die logisti-schen Ablufe der Wirtschaft sind die Verkehrsinfrastruktur, Umweltbelangesowie die fr den Transport relevanten Gesetze, Normen und Regelungen. Der-artige Infrastrukturprojekte weisen jedoch zeitintensive Planungs- und Bauphasenvon bis zu 20 Jahren auf. Diese Umsetzungsgeschwindigkeit erklrt, waruminfrastrukturelle Manahmen oft der Marktentwicklung, und somit den Anforde-rungen der heimischen Wirtschaft, hinterherhinken. Hauptgrund ist, neben derRealisierungsphase, der politische Prozess der Entscheidungsfindung, welcher inhohem Mae von der ffentlichen Meinung bzw. Akzeptanz und der aktuellenpolitischen Situation abhngt. Hierin offenbart sich anschaulich die beschriebeneDiskrepanz zwischen marktgesteuerten und politikabhngigen Entscheidungen.So existiert in der Bevlkerung ein eklatanter Widerspruch zwischen einerseits derAkzeptanz von Gterverkehr und der Einsicht in die Notwendigkeit der dafrnotwendigen Infrastruktur, und andererseits den individuellen Prferenzen derWirtschaftssubjekte. Zu Letzteren zhlt auch die Aufrechterhaltung der persnli-chen Mobilitt als Dogma der modernen Gesellschaft. Auch die Convenience-Orientierung im Kaufverhalten des Einzelnen zieht Transporte und Verkehrenach sich. Wieder ist die Politik gefragt, auf diesen Widerspruch aufmerksam zumachen.Ein weiteres Beispiel ist der kombinierte Verkehr. Dieser wird von den Expert-

    Innen zu Recht als ein Lsungsbeitrag fr viele aktuelle und zuknftige Verkehrs-

    4.4 Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur 105

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:343B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    probleme genannt. Ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen wird der kom-binierte Verkehr weder heute und noch weniger in Zukunft in der Lage sein, denModal Split zu Gunsten des nachhaltigen Verkehrstrgers Schiene und, mitAbstrichen, der Binnenwasserstrae zu verschieben. Bei passenden Rahmenbe-dingungen kann der kombinierte Verkehr einen wichtigen Beitrag zur kologi-schen Nachhaltigkeit des Standortes leisten. Auch hier liegt die Verantwortung zurSchaffung der notwendigen Voraussetzungen vor allem bei der Politik. Die Auf-gabe der Politik ist ferner, meinungsbildend auf die Gesellschaft einzuwirken.Die Politik ist aufgefordert als Impulsgeber stimulierend zu wirken und lang-

    fristig gltige, verlssliche Rahmenbedingen mit einem Zeit- und Entschei-dungshorizont weit ber die jeweilige Legislaturperiode hinaus zu gestalten.Das Agieren der politischen Entscheidungstrger im Sinne einer nachhaltigenEntwicklung bewirkt einen Standortvorteil im internationalen Wettbewerb.

    4.4.4Eff iziente und transparente Verteilung von Frdermittel

    Die Entwicklung grenzbergreifender Infrastrukturprojekte in Zentral- und Ost-europa sollte durch eine effiziente Verwendung von Frdermittel der EU, in engerAbstimmung mit nationalen und regionalen Frdergeldern, untersttzt werden.Dies sollte dazu beitragen, die Integrationen neuer Mitgliedstaaten hinsichtlichVerbesserung der Verkehrsinfrastruktur zu frdern und somit die Wettbewerbs-position der chemischen Industrie zu strken. Die Wichtigkeit eines transparentenFrdersystems sowie dessen Hebelwirkung fr die Mobilisierung von ffentlichenund privaten Infrastrukturinvestitionen sollte hervorgehoben werden.

    4.4.5Institutionalisierung einer integrierten Infrastruktur- und Raumplanung

    Durch gegenseitige Verpflichtungen, wechselseitigen Interessensausgleich undlngerfristige Planungssicherheit soll die Sicherung von Flchen fr den Infra-strukturausbau im Rahmen von Korridoren verbessert und die Widmung vonFlchen entlang hochrangiger Infrastrukturen transparent gestaltet werden. Einemehrheitlich vereinbarte und mehrere Legislaturperioden umfassende Planungs-stabilitt und Finanzierungssicherheit soll gewhrleistet werden. Eine besondereBetrachtung verdienen hierbei die fr einen gesicherten Verkehrsdurchflusserfolgskritischen Knoten. Notwendige Manahmen bei den jeweiligen Verkehrs-trgern sind in einem gesamtfunktionalen Kontext der Nutzergruppen sowie desRaumes zu analysieren. Daraus leitet sich der Einzelbedarf an notwendigenInfrastrukturmanahmen bei den Verkehrstrgern sowie der Raumbedarf ab.Jede Infrastrukturmanahme sollte in Abstimmung mit und abhngig von verkehrlichen wie rumlichen Einflussfaktoren, wie z. B. den vorhandenen Sied-lungsstrukturen, gettigt werden. Groe Verkehrserreger bzw. Betriebsbaugebietesind so zu konzipieren, dass Gleisanschlsse bereits in der Planungsphase inte-griert werden.

    106 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:343B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    4.4.6Transparente Grundlagen fr Eff izienzsteigerung oder Ausbau derVerkehrsinfrastruktur

    Die Analyse bestehender, geplanter und bentigter Infrastruktur, also eine Gegen-berstellung von abgeschtztem Bedarf und vorhandener Kapazitt, gibt Auskunftber die zu treffenden Manahmen. Erst nach Implementierung von effizienz-steigernden Manahmen zur verbesserten Nutzung bestehender Kapazittensollte in einem zweiten Schritt die Infrastrukturerweiterung angedacht werden,wenn der Spielraum des ersten Schrittes tendenziell zur Neige geht. Durch eineSteuerung der Nachfrage ist der Auslastungsgrad der bestehenden Infrastrukturzu erhhen. Reicht dies nicht aus, ist darber hinaus die Infrastruktur zuerweitern. Die Sicherung der Mobilitt geschieht demnach durch das optimaleZusammenspiel von Erweiterung und Effizienzsteigerung im Betrieb. Entschei-dungsgrundlage ist eine transparente Netzbetrachtung bzw. eine selektive undsituationsabhngige Analyse der Infrastrukturkomponenten. Nur durch die ntigeTransparenz ist die Handlungsfhigkeit gewhrleistet. Die berbetonung vonTeilaspekten, wie z. B. der Verkehrssicherheit (mit der letztendlich fast jedesProjekt zu rechtfertigen ist), muss vermieden und kompetenzbergreifend nachLsungsalternativen gesucht werden. Im Zusammenwirken der Logistikfunktionvon Handel, Industrie und Gewerbe, der Logistikdienstleister und der Infrastruk-tur und unter Bercksichtigung des motorisierten Individualverkehrs ist einGesamtoptimum zu suchen.

    4.4.7Intelligente Verkehrssteuerung durch fahrleistungsabhngige Entgeltgestaltung

    In Expertenkreisen werden effizienzsteigernde Manahmen gefordert. Ziel allerManahmen ist die Gewhrleistung der Leistungsfhigkeit der Verkehrssysteme.So knnen innovative Nutzenoptimierungen wie etwa eine zeitlich differenzier-te, nachfrageabhngige Bepreisung der Infrastruktur sowie eine intelligente Steue-rung des Verkehrs, abhngig von der Kapazittsauslastung den Nutzungsgradverbessern und somit Stau- und Verlustzeiten wesentlich vermindern. Damit wirddas Entstehen selbst organisierender Effekte begnstigt. Die derzeit bestehendenRahmenbedingungen mssen fr die erfolgreiche Realisierung der genanntenManahmen angepasst werden. Darber hinaus sind verkehrstrgerbergreifen-de, gesamtheitliche Konzepte zur intermodalen Mobilittssteuerung ntig, um denAuslastungsgrad aller Verkehrstrger verbessern zu knnen. Um eine Verschrn-kung der Modi zu erreichen, sollte ein organisatorisches Dach fr alle Verkehrs-trger geschaffen werden, das fr die organisatorische und strategische Abstim-mung bzw. Ausrichtung verantwortlich zeichnet. Sowohl auf europischer als auchauf nationaler Ebene, zwischen Lndern und Regionen, besteht Bedarf dafr, dieZusammenarbeit zu verbessern, um damit Widerstnde und Verluste an Schnitt-stellen zu reduzieren. Es wird empfohlen, eine europische Harmonisierung derEntgelte fr Infrastrukturnutzung voranzutreiben und eine transparente Struktur

    4.4 Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur 107

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:343B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    zu schaffen. Dieses Lenkungsinstrument fhrt mittelfristig zu Effizienzsteigerun-gen im Gter- sowie im Personenverkehr. Letzterer darf in diesem Kontext nichtauer Acht gelassen werden, hat er doch den ExpertInnen zufolge einen gewich-tigen Anteil am Gesamtverkehr und ist somit auch bedeutend fr die erforderlicheKapazitt der Infrastruktur. In Ballungsrumen ist nicht der Gterverkehr, son-dern der Personenverkehr Hauptgrund fr Kapazittsengpsse und ihre negativenkonomischen und kologischen Folgen.

    4.4.8Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

    Kapazittssteigerungen durch pekunire Manahmen sind notwendig, um dieVerkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa im Sinne der Chemielogistik zuverbessern. Prioritt sollte dabei die Beschleunigung des Durchsatzes bei grenzber-schreitenden Transporten haben, um die Zielmrkte der chemischen Industriebestmglich zu erreichen. Transitstrme durch Ballungsrume sollten, wenn mg-lich, beim Transport chemischer Gter vermieden werden. Ebenso sollte das Sicher-heitsthema verstrkt im Bereich der Klassifizierung von Straentunnels sowie derBereitstellung von Parkflchen fr Lkw beachtet werden. Bei der Planung undSteuerung des Straennetzwerkes sollten derartige chemiespezifische Anforderun-gen beachtet werden.Die Steigerung der Effizienz im Schienengterverkehr bedarf einer Modernisie-

    rung der Bahnkorridore13) sowie einer Vernderung von teilweise monopolisti-schen Strukturen hin zu einem kundenorientierten Verhalten im Sinne einesbeschleunigten Privatisierungs- und Liberalisierungsprozesses. Zeitgerechte Er-satz- und Neuinvestitionen zur Instandhaltung bzw. Erweiterung des Schienen-netzwerkes sowie von Umschlagstechnologien in Bahnterminals sind erforderlich,um die Wettbewerbsfhigkeit in Zukunft zu strken. Die Harmonisierung tech-nischer, sozialer und administrativer Gesetze und Regulationen ist mitbestim-mend im Standortwettbewerb.Die Wasserwege ermglichen einen leistungsfhigen, kostengnstigen und

    umweltschonenden Gterverkehr. Zudem wird durch die Verlagerung auf alterna-tive Verkehrstrger die Staugefahr an wichtigen Nadelhren in ganz Europadeutlich verringert. Prioritten, um die Binnenschifffahrt zu forcieren, sind dieBeseitigung der Engstellen, die Gewhrleistung einer ganzjhrigen Befahrbarkeitsowie bei Entwicklungsvorhaben eine Anlehnung an Vereinbarungen auf europ-ischer Ebene14). Investitionen sollten auf Basis des EU-Standards erfolgen.

    13) Beispielhaft ist hierzu die AGTC-Vereinbarung (European Agreement on Important InternationalCombined Transport Lines and Related Installations) anzufhren, welche ein Abkommenzwischen der Europischen Gemeinschaft und so genannten neuen Mitgliedstaaten zur Rege-lung der Gterbefrderung auf der Strae und zur Frderung des kombinierten Verkehrsdarstellt.

    14) Beispielhaft sei hier die AGN-Vereinbarung (European Agreement on Main Inland Waterways ofInternational Importance) angefhrt.

    108 4 Verkehrsinfrastruktur in Zentral- und Osteuropa

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:343B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    4.4.9Errichtung und Erweiterung von intermodalen Logistikknoten durch gezielteInvestitionen auf Basis der Anforderungen der chemischen Industrie

    An Effizienzkriterien orientierte Manahmenpakete knnen die Attraktivitt frneutrale Umschlagsknoten und Terminals unter Beteiligung aller Verkehrstrgersteigern und eine sinnvolle, verkehrstrgerbergreifende Vertaktung und Verein-heitlichung sicherstellen. Abhngig von Bedarf und geografischer Lage ist derAusbau von bi- und trimodalen Umschlagsknoten zu forcieren. Die Wirtschaftbesitzt die notwendige selbstorganisatorische Lsungskompetenz, die Politik stelltbei minimalem Einfluss die Randbedingungen bereit und gewhrleistet die Plan-barkeit. Sollten in diesem Bereich keine Aktionen zeitgerecht gesetzt werden, sowird die Co-Modalitt und damit die Verkehrstrger Schiene und Binnenschiffkeinen zustzlichen Marktanteil gewinnen.Fr die chemische Industrie sollten intermodale Logistikknoten branchenspezi-

    fische Einrichtungen vorweisen. Dies bezieht sich vorrangig auf den Umschlagund die Lagerung chemischer Gter, auf die Mglichkeit, wertschpfungsstei-gernde Leistungen15) in Anspruch zu nehmen sowie auf die Bereitstellung vonTankreinigungsanlagen.

    4.4.10Entwicklung eines paneuropischen Pipeline-Netzwerkes insbesonderefr Olef inprodukte

    Die Entwicklung eines paneuropischen Olefin-Pipeline-Netzwerkes in Zentral-und Osteuropa ist ein wichtiges Anliegen der chemischen Industrie und wrdeeinen hohen Beitrag zur Strkung der Wettbewerbsfhigkeit liefern, insbesondereim Hinblick auf die hochintegrierten westeuropischen Chemiestandorte. Dieskann nur unter ganzheitlicher Bercksichtigung von Interessen der verladendenWirtschaft und jenen der politischen Entscheidungstrgern verwirklicht werden.Zusammenfassend lsst sich feststellen, dass Lsungen nur in enger Zusam-

    menarbeit der chemischen Industrie, des Logistiksektors sowie politischer Ent-scheidungstrger auf regionaler, nationaler und europischer Ebene verwirklichtwerden knnen und sollten.

    Literatur

    1 Logistikum: www.logistikum.at.2 EU-Projekt ChemLog Chemical LogisticsCooperation in Central and Eastern Euro-pe: www.chemlog.info.

    3 Mller-Stewen, G., Lechner, C. (2005)Strategisches Management. Wie strategi-sche Initiativen zum Wandel fhren,3. Auflage, Stuttgart. S. 214 ff.

    15) Beispielsweise das Um- und Abfllen von Flssigkeiten, Um- bzw. Abpacken von Produkten,Gefahrgutmanagement, etc.

    Literatur 109

  • Reemers Publishing Services GmbHO:/Wiley/Suntrop/3d/c04.3d from 21.03.2011 13:56:343B2 9.1.431; Page size: 170.00mm x 240.00mm

    4 Welge, M. K., Al-Laham, A. (2008) Strate-gisches Management. Grundlagen Pro-zess Implementierung, 5. Auflage.Wiesbaden, S. 289.

    5 High Level Group on the competitivenessof the European Chemicals Industry(2008) Energy, Feedstock, Infrastructureand Logistics Conclusions of the Discus-sion. Brussels, S. 12.

    6 WIFO Weibuch: Teilstudie 10 Produk-tivittssteigernde Infrastrukturinvestitio-nen, November 2006, Wien, S. 66 f.

    7 Ungar Klein, D., Kornfeld, K. (2007):Future Business Austria Infrastruktur-report 07/08. Status der Entwicklung dersterreichischen Infrastruktur. Wien,S. 12.

    8 Bundesministerium fr Verkehr, Innova-tion und Technologie BMVIT (2005)Wechselwirkungen zwischen SC undTransportstrmen, Endbericht. Wien,S. 49.

    9 Bundesministerium fr Verkehr, Innova-tion und Technologie BMVIT (2006) DieHalbzeitbilanz der EU-Kommission zumVerkehrsweibuch von 2001 Informa-tion fr die Sektionsleitung; eine Analyse,Abteilung II/GV Gesamtverkehr undInfrastrukturfinanzierung, August 2006.Wien.

    10 Bundesministerium fr Verkehr, Innova-tion und Technologie BMVIT (2007) Ver-kehr in Zahlen, Ausgabe 2007. Wien.http://www.bmvit.gv.at/verkehr/gesamtver-kehr/statistik/downloads/ viz07/gesamt.pdf.

    11 Bruns, F., Cerwenka, P., Chaumet, R.,Haller, R. (2005) Bercksichtigung von er-reichbarkeitsbedingten Vernderungender Wertschpfung in KostenNutzen-Analysen, Schlussbericht. Zrich, S. 122.

    12 AMTC-Akademie (2007) Mobilitt 2015/2030 Potentiale fr eine nachhaltigeEntwicklung. Wien, Band 5 der AMTC-Akademie Schriftenreihe, S. 9 f und 30.

    13 Bundesministerium fr Verkehr, Bau undStadtentwicklung BMVBS (2007) Abscht-zung der langfristigen Entwicklung desGterverkehrs in Deutschland bis 2050 Schlussberic