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BeNeLux: € 11,40 Norwegen: NOK 127,- Italien: € 12,85 ISBN 978-3-86245-455-6 D: € 9,90 A: € 10,90 CH: sFr 19,80 Das Magazin für Militärgeschichte Clausewitz Spezial Clausewitz Spezial D - DAY 1944 Harte Kämpfe Als die Invasion auf Messers Schneide stand Clausewitz Spezial D - DAY 1944 D - DAY 1944 Flucht der Wehrmacht Die Vorboten des totalen Zusammenbruchs Befreiung von Paris General Charles de Gaulles triumphale Rückkehr Landung der Alliierten 70. Jahrestag!

Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

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Page 1: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

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ISBN 978-3-86245-455-6

D: € 9,90A: € 10,90CH: sFr 19,80

Das Magazin für Militärgeschichte

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Harte KämpfeAls die Invasion auf MessersSchneide stand

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D-DAY 1944D

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1944

Flucht der WehrmachtDie Vorboten des totalen Zusammenbruchs

Befreiung von ParisGeneral Charles de Gaulles triumphale Rückkehr

Landung derAlliierten

70. Jahrestag!

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Page 2: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

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Legenden der Lüfte

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Page 3: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

Liebe Leserin, lieber Leser,am 6. Juni 1944 begann mit der alliiertenLandung in der Normandie der Sturm aufdie „Festung Europa“. Die Invasion in dervon deutschen Truppen besetzten Norman-die und die anschließenden Kämpfe inNordfrankreich zählen zweifellos zu denEntscheidungsschlachten des ZweitenWeltkriegs. Der Durchbruch der Alliiertenund ihr Vorstoß nach Paris bedeuteten eine Vorentscheidung im Kampf gegen das„Dritte Reich“. An zahlreichen Orten in derNormandie wird im Jahr 2014 mit Gedenk-veranstaltungen an die Landungsoperation„Overlord“ und an die verlustreiche

Schlacht erinnert.Anlässlich des 70.Jahres tages derInvasion ruft dieRegion Basse-Nor-mandie alle Ein-wohner und Besu-cher aus dem In-und Ausland dazuauf, die Bewer-bung für die Auf-

nahme der Landungsstrände in das Welt-kulturerbe der UNESCO zu unterstützen.Der Präsident der Region bezeichnete dieStrände kürzlich als „universelles Symbolfür den Frieden und die Aussöhnung frü-herer Kriegsfeinde“.

Eine Vielzahl von Soldatenfriedhöfen für die Gefallenen verschiedener Natio-nen erinnert seit Jahrzehnten an die zahl-losen Toten der blutigen Kämpfe. Mit Na-men oder namenlos, die Gräber mahnennachfolgende Generationen zum Frieden.

Den umfangreichen Feierlichkeiten zurErinnerung an den „D-Day“ – den Tag derEntscheidung – kommt in diesem Jahr ei-ne ganz besondere Bedeutung zu. Ver-mutlich werden zum letzten Mal „Akteure“der dramatischen Ereignisse des Jahres1944 in größerer Zahl an einem „großenJahrestag“ teilnehmen. Denn es ist zu er-warten, dass zum 75. oder gar zum 80.Jahrestag 2019 bzw. 2024 nur noch we-nige hochbetagte Zeitzeugen die Reisenach Nordfrankreich antreten können undwerden.

Umso wichtiger ist es, die Erinnerung an die dramatischen Ereignisse von da-mals in der Gegenwart und für die Zukunftwach zu halten. Mit unserem vorliegendenCLAUSEWITZ-Spezial „D-DAY 1944 – Lan-dung der Alliierten“ wollen wir unseren Bei-trag dazu leisten.

Eine abwechslungsreiche Lektüre wünscht Ihnen

Dr. Tammo LutherVerantwortlicher Redakteur

Titelfotos: picture-alliance/akg-images (3); picture-alliance/Mary Evans Picture LibraryFoto Inhalt: picture-alliance/picture-alliance

4 Sturm auf die „Festung Europa“. Vor 70 Jahren – der „D-Day“ in der Normandie

12 Furcht vor der „ZweitenFront“. Deutsche Abwehrvorbereitungen im Westen

14 Operation „Overlord“. „D-Day“ – Beginn der Invasion am 6. Juni 1944

20 Mit Hightech über den Ärmelkanal. Alliierte Landungsboote und Spezial-Panzer

24 Auf des Messers Schneide. Kampf um die Brückenköpfe

30 Hitlers Bollwerk aus Beton. Unüberwindbares Hindernis?

34 Schlacht um Caen. Kampf um den Durchbruch

40 Führung ohne Fortune. Die deutschen Oberbefehlshaber im Westen

44 Der „Invasionsexperte“.General Dwight D. Eisenhower

48 Meinung: Pas de Calais oder Normandie? Wer ist schuld an der Fehleinschätzung des alliierten Landungsschwerpunktes?

50 Der große Durchbruch. Operation „Cobra“

56 Akteure im „D-Day“-Drama. Uniform und Ausrüstung der Soldaten

58 Der aussichtslose Kampf derLuftwaffe.Ungleiche Gegner

62 Armee im Schatten. Die Résistance und der „D-Day“

64 Im „Widerstandsnest 62“ am 6. Juni 1944. Erinnerungen eines deutschen MG-Schützen

68 Endgültige Entscheidung. Kesselschlacht von Falaise

74 Meinung: Ohne Konzept und materiell hoffnungslosunterlegen: die Hauptgründe für das deut-sche Desaster

76 „D-Day“-Reenactment.Engagement gegen das Vergessen

78 Stumme Zeugen.Der ehemalige Kriegsschauplatz heute

82 Meinung: Gewagtes Gedankenexperiment: Was wäre geschehen, wenn die Invasion gestoppt worden wäre?

86 Die filmische Inszenierung der Invasion.Vom „längsten Tag“ bis „James Ryan“

90 Strände des Sieges, Strändedes Todes.Reise in die Vergangenheit

94 Ein Tag des Ruhms?Literatur zum „D-Day“

97 Impressum

98 Epilog

Editorial Inhalt

Clausewitz Spezial3

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Page 4: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

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Die alliierte Landung

Vor 70 Jahren – Der „D-Day“ in der Normandie

Sturm auf die „Festung

Europa“

RIESIGE STREITMACHT: Der Umfang der alliierten Landungs-truppen war enorm. Bei der Invasion in der Normandie handeltes sich um die größte Landungsaktion, die jemals durchge-führt wurde. Sie sollte den Ausgang des Zweiten Weltkriegsmaßgeblich beeinflussen. Foto: picture-alliance/akg-images

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5Clausewitz Spezial

Eine gewaltige alliierte Invasionsarmee tritt in den frühen Morgenstunden des 6. Juni1944 an, um in Frankreich die von Hitler und seinen Generälen gefürchtete „ZweiteFront“ zu eröffnen. Der Kampf der Westalliierten gegen das „Dritte Reich“ geht inseine entscheidende Phase über. Von Tammo Luther

Ursprünglich für Mai, dann für den 5. Juni 1944 ge-plant, muss die alliierte Landung in der Norman-die aufgrund ungünstiger Wetterverhältnisse einweiteres Mal kurzfristig verschoben werden. Als„D-Day“ ist nun der 6. Juni vorgesehen.

Ein Misserfolg der groß angelegten Landungs-operation käme einer Katastrophe für die Alliierten

gleich, wäre doch die Eröffnung einer breiten Frontim Westen auf längere Sicht nicht mehr möglich.

Mit der Operation „Overlord“ wollen die alli-ierten Streitkräfte den entscheidenden Schritt zurBefreiung Westeuropas von der deutschen Besat-zungsmacht gehen und die Grundlage für den mi-litärischen Sieg über das „Dritte Reich“ schaffen.

Die Operation „Overlord“Die alliierte Invasion

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Page 6: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

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Die alliierte Landung

Die Wehrmacht hat sich auf eine mögliche Inva-sion der Alliierten mit der Errichtung des „Atlan-tikwalls“ seit längerer Zeit intensiv vorbereitet.Dennoch ist man selbst auf höchster Führungs-ebene noch am Morgen des 6. Juni 1944 vom Zeit-punkt und vom Zielgebiet der alliierten Lan-dungsoperation überrascht.

Die an den meisten Küstenabschnitten Nord-frankreichs zahlenmäßig nur schwachen Vertei-diger des „Atlantikwalls“ sehen sich einer über-mächtigen Invasionsarmee mit massiver Schiffs-artillerie und Luftunterstützung gegenüber. Diepersonelle und materielle Überlegenheit der Lan-dungstruppen ist erdrückend.

Die Verteidiger Die deutsche Abwehr in Frankreich

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Page 7: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

7Clausewitz Spezial

Warten auf den Angriff

BEREIT ZUM KAMPF: Ein deutscher Soldatder Küstenverteidigung in einer Geschütz-batterie. Der „Atlantikwall“ erweist sich bei den Kämpfen im Juni 1944 entgegenden Parolen der NS-Propaganda nicht als„unüberwindliches Bollwerk“. An vielen Küstenabschnitten sind statt stark ausge-bauter Verteidigungsanlagen nur befestigte „Widerstandsnester“ (WN) errichtet. Auf-grund ihrer geringen Personalstärke und unzureichender Bewaffnung sind diese vielfach von eher geringem Kampfwert.

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto

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Page 8: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

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Die alliierte Landung

AUF DEM WEG ZUR INVASIONSFRONT: US-Soldaten in einem süd-englischen Hafen kurz vor ihrer Einschiffung auf die wartenden Trup-pentransporter. Tausende von Schiffen und Booten werden im Juni1944 im Einsatz sein, um die alliierte Invasionsarmee nach Frank-reich überzusetzen. Foto: picture-alliance/akg-images

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Page 9: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

9Clausewitz Spezial

Bereit zum Angriff

Die Planungen zur gemeinsamen Landungs-operation werden von den Alliierten seit1943 mit großem Aufwand vorangetrieben.In England laufen die konkreten Vorberei-tungen seit Monaten auf Hochtouren.

Mehr als 160.000 Alliierte, darunter US-Amerikaner, Briten, Kanadier und ein klei-neres französisches Kontingent, sollen am

6. Juni 1944 auf Tausenden von Schiffen undBooten in mehreren Wellen nach Frankreichübersetzen.

Ziel der Landungstruppen ist es, einenstabilen Brückenkopf an der französischenKüste zu errichten, noch bevor die Deut-schen ihre Reserve-Panzerkräfte heranfüh-ren können.

Die Angreifer Der alliierte Aufmarsch in England

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Page 10: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

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Die alliierte Landung

In den frühen Morgenstunden des 6. Juni1944 beginnt der von den Westalliiertenund von Stalin lang ersehnte Angriff aufdie „Festung Europa“. Die Streitmachtsetzt alles daran, trotz zum Teil massiverGegenwehr an den einzelnen Landungs-abschnitten Fuß zu fassen. Nach herbenVerlusten am ersten Invasionstag – etwaim Abschnitt „Omaha“ – können sich die

Landungstruppen schließlich stabilisie-ren. Es gelingt ihnen, die zahlenmäßigdeutlich unterlegenen Verbände der Küs-tenverteidigung in blutigen Gefechtenniederzuringen.

Aber noch sind die Alliierten nicht amZiel: In den folgenden Wochen und Mo-naten wird in Nordfrankreich erbittertweitergekämpft.

Der „längste Tag“ Der Sturm bricht los

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11Clausewitz Spezial

Beginn des „D-Day“

ERSCHÖPFT: US-Soldaten haben am „Omaha Beach“ nach heftigenGefechten die deutsche Küstenverteidigung ausgeschaltet und einen Brückenkopf errichtet. Die Verluste der Amerikaner sind hier anfangs besonders hoch. Doch die erfolgreiche Anlandung weitererTausender alliierter Soldaten an den umkämpften Landungsab-schnitten sollte die Grundlage für die Eröffnung einer zusammen-hängenden Front im Westen bilden. Foto: picture-alliance/Everett Collection

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Küstenverteidigung

Anfang 1944: Die Deutschen bereiteten sich mit der Errichtung des „Atlantikwalls“ seitlängerer Zeit auf eine alliierte Invasion vor. Ein Ansturm des Gegners sollte abgewehrtund die Eröffnung einer „Zweiten Front“ verhindert werden. Von Lukas Grawe

Deutsche Abwehrvorbereitungen im Westen

Furcht vor der „Zweiten Front“

Zum Jahreswechsel 1943/44 hieltendeutsche Truppen noch immer dengrößten Teil Europas besetzt, so auch

Frankreich, die Niederlande, Dänemark undNorwegen. In diesen Staaten erschien derdeutschen Militärführung eine alliierte Lan-dung möglich.

Abgesehen von der großen Gefahr, dievon einer erfolgreichen Invasion für dendeutschen Machtbereich ausging, bot derLandungsversuch auf der anderen Seiteauch eine große Chance: Sollte der Wehr-macht eine Abwehr im Vorfeld des „Atlan-tikwalls“ glücken, wäre eine akute Gefahrim Westen für längere Zeit gebannt. Die eige-nen Kräfte und Anstrengungen könntennoch stärker auf die Ostfront konzentriert

werden. Wenngleich theoretisch die Invasionan der gesamten Nordsee- und Atlantikküs-te stattfinden konnte, vermutete die deut-sche Militärführung eine Landung am ehes-ten in Nordfrankreich zwischen Boulogneund Cherbourg.

Keine SchwerpunktbildungVor allem das Gebiet um die nordfranzösi-sche Hafenstadt Calais an der engsten Stelledes Ärmelkanals sah man als möglichen Ortdes Angriffs an.

Da der deutsche Nachrichtendienst je-doch keine genauen Informationen besaß,mussten die zur Verfügung stehenden Trup-pen der Wehrmacht entlang der gesamtenKüste verteilt und somit zersplittert werden.

Eine Schwerpunktbildung war lediglichpunktuell möglich. Dennoch war es das vor-gegebene Ziel der Verteidiger, die alliiertenLandungstruppen so lange am Strand zuhalten, bis kampfstarke Reserven herange-führt werden konnten. Aus diesem Grundwar eine Kapitulation oder Aufgabe unterkeinen Umständen gestattet.

Der Oberbefehlshaber (OB) West, Gene-ralfeldmarschall von Rundstedt, gab daherdie Devise aus: „Im Bereich West gibt es keinAusweichen.“ Aufgrund der Unklarheit über

GROSSES KALIBER: Blick auf eine im Baubefindliche Fernkampfbatterie. Für Rommelwaren jedoch schnell einsatzbereite Panzer-reserven der „Schlüssel“ zu einer erfolgrei-chen Abwehr des alliierten Ansturms.

Foto: picture-alliance/akg-images

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13Clausewitz Spezial

den möglichen Ort des Angriffs war die deut-sche Führung jedoch uneins über die Frage,wo die Panzerreserven stationiert werdensollten. Während die einen hochrangigen Of-fiziere für eine Positionierung direkt an denKüstengebieten plädierten, hielten andereGeneräle die Aufstellung im Hinterland fürsinnvoller. Sie befürchteten, dass die Panzer-einheiten an der Küste von den alliierten Flie-gern leicht vernichtet werden würden. VomHinterland aus sollten die Panzer schnell anden jeweiligen Landungspunkt entsandtwerden. Nach harten Auseinandersetzungeneinigte man sich auf einen Kompromiss undauf eine Aufteilung der Panzerkräfte.

Ausbau des „Atlantikwalls“Neben der strategisch sinnvollen Positionie-rung der Streitkräfte sollte in erster Linie einengmaschiges Befestigungsnetz den An-sturm der alliierten Landungsarmada ab-wehren. Bereits am 25. August 1942 hatteHitler den Befehl zum Bau einer Festungsli-nie gegeben.

Da ein befestigter Ausbau von Nordnor-wegen bis zur französischen Atlantikküstejedoch illusorisch war, beschränkte man sichvornehmlich auf die am meisten gefährdetenPunkte und auf die Befestigung von Häfenund Städten. Die deutschen Pläne sahen dieErrichtung von 15.000 Bunkern, Unterstän-den und Geschützstellungen vor, wobeiauch hier der Schwerpunkt der Arbeitenzwischen Calais und der Seine-Mündunglag. Die Küstenabschnitte entlang der Nor-mandie und der Bretagne wurden hingegen

nur spärlich ausgebaut und weite Atlantik-und Mittelmeerküstenabschnitte beinahegar nicht befestigt.

Abseits des Gebiets um Calais vernach-lässigte man den Stellungsausbau somitsträflich. Ein Umstand, der sich im Nach-hinein als ein verhängnisvoller Fehler erwei-sen sollte.

Da zu Beginn des Jahres 1944 erst 8.500Anlagen fertiggestellt waren und die deut-sche Führung jederzeit mit einem Beginn dergegnerischen Invasion rechnete, forcierte diefür die Bauvorhaben zuständige „Organisa-tion Todt“ (OT) ihre Bemühungen noch ein-mal erheblich. Mehr als 200.000 Arbeitskräf-te, die meisten von ihnen in Frankreich undOsteuropa zwangsverpflichtet, setzten dasgigantische Bauvorhaben in die Tat um. Biszum Tag der Landung gelang es zwar nicht,das ursprüngliche Ziel zu erreichen, dochwaren immerhin mehr als 12.200 Stellungenfertig. Darüber hinaus hatten die Arbeiterüber 500.000 Vorstrandhindernisse positio-niert, die anlandende Boote und Panzer auf-halten oder beschädigen sollten. 6,5 Millio-nen Minen sollten das alliierte Vordringenzusätzlich erschweren. Zahlreiche Artillerie-geschütze und Panzerabwehrwaffen wur-den – durch Betonmauern geschützt – an denKüsten so aufgestellt, dass sie auch auf Zielefeuern konnten, die von der Landseite an-griffen. Auf diese Weise konnten auch imHinterland vorgehende Fallschirmtruppenunter Beschuss genommen werden. Beute-waffen und Material aus der französischen„Maginot-Linie“ verwendete man ebenfallsim großen Stil.

Zweite VerteidigungslinieEine zweite Verteidigungslinie 20 bis 30 Kilometer landeinwärts sollte durchgebro-chene alliierte Streitkräfte auffangen. Ur-sprünglich sollte diese durch den gesamtenNorden Frankreichs verlaufen, doch wurdesie schließlich nur in der Gegend um Calais

fertig. Material und Personal reichten für ei-nen weiteren Ausbau nicht mehr aus. Zu-dem machten die ständigen alliierten Luft-angriffe die Errichtung des „Atlantikwalls“zu einer äußerst schwierigen Aufgabe. In-nerhalb der zwischen Küste und zweiter Li-nie liegenden „Kampfzone“, in der die Ar-mee-Oberbefehlshaber die Befehlsgewaltausübten, wurden große Teile der französi-schen Zivilbevölkerung evakuiert.

Abseits von Betonbauten bot sich denDeutschen zudem die Möglichkeit, durch ge-zielte Überschwemmungen einzelner Land-striche den alliierten Vormarsch zu verzö-gern. Bis zur Invasion wurde von diesem Mit-tel jedoch nur in geringem Ausmaß Gebrauchgemacht, um ortsansässige Industrieanlagenoder eigene Militärstützpunkte zu schonen.

Letztlich kam es in erster Linie auf dieTruppenkontingente an, die die Stellungenbesetzen und die Küsten verteidigen sollten.Anfang 1944 standen etwa 60 deutsche Divi-sionen in Westeuropa, von denen die wenigs-ten jedoch ihre volle Kampfstärke besaßen.Noch immer befanden sich numerisch diemeisten Soldaten an der Ostfront – aus deut-scher Sicht der „Hauptkriegsschauplatz“.

Eine kontinuierliche Vorbereitung der Ver-bände auf die alliierte Invasion stellte unterdiesen Umständen eine schwierige Aufgabedar. Auch die Zahl von lediglich etwa 1800 ge-panzerten Fahrzeugen aller Art war für dieAbwehr einer möglichen Invasion vollkom-men unzureichend. Die fehlende Schwer-punktbildung verschlimmerte die Lage zu-sätzlich. Zudem waren sowohl die deutscheLuftwaffe als auch die Kriegsmarine ihren al-liierten Pendants in allen Belangen unterle-gen. Insgesamt gesehen, waren die deutschenTruppen im Juni 1944 alles andere als optimalauf eine gegnerische Invasion vorbereitet.

VOR ORT: Der für die Ver-teidigungsmaßnahmen am„Atlantikwall“ zuständigeOberbefehlshaber der Hee-resgruppe B, Generalfeld-marschall Erwin Rommel,macht sich an einem Küstenabschnitt selbst einBild vom Stand der Abwehrvorbereitungen.

Foto: picture-alliance/akg-images

ABWEHRBEREIT: SchwereArtillerie einer mit Netzen

getarnten deutschen Küstenbatterie beim„scharfen Schuss“.

Foto: picture-alliance/akg-images

LiteraturtippHeber, Thorsten: Der Atlantikwall 1940–1945.Band 1: Die Befestigung der Küsten West- undNordeuropas im Spannungsfeld nationalsozia-listischer Kriegführung und Ideologie. Norder-stedt 2008

Lukas Grawe, M.A., Jahrgang 1985, Historiker ausMünster.

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Page 14: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

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Landung in der Normandie

Der 6. Juni 1944: Für die Beteiligten des alliierten Landeunternehmens er sich zum„längste Tag“, der scheinbar nicht enden wollte. Tausende von Soldaten beider Seitensollten ihn nicht überleben. Von Stefan Krüger

„D-Day“ – Beginn der Invasion am 6. Juni 1944

Operation „Overlord“

Die amerikanischen Offiziere traf es wieein Schock, als sie die ersten Berichtevon der Landung erhielten. Die

Sturmkompanien verfielen in Panik und lös-ten sich auf, Tausende von US-Soldaten wa-ren bereits tot oder verwundet. Hatten dieAmerikaner zuvor noch gehofft, dass ihre ge-waltige Schiffsartillerie und ihre übermächti-gen Luftstreitkräfte die deutsche Verteidi-gung weitgehend pulverisieren werden,mussten sie nun einsehen, dass der „Atlantik-wall“ standhielt – zumindest im Landeab-schnitt „Omaha Beach“. GeneralleutnantOmar Nelson Bradley, der die 1. US-Armeebefehligte, stand vor einer schwierigen Ent-scheidung: Weitermachen oder abbrechen?Hätte er die Invasion in „Omaha Beach“ ab-gebrochen, hätte er die verbliebenen Kräfteim britischen Sektor anlanden müssen.„Overlord“ lief hier zwar bedeutend erfolg-reicher, doch war das alliierte Expeditions-heer in der Lage, sich mit nur einem Arm ei-nen Weg ins französische Hinterland freizu-kämpfen? Bradley befahl: „Weitermachen!“

Das Unternehmen „Overlord“ stand vonAnfang an unter keinem guten Stern. Eigent-lich hätte das Unternehmen bereits im Mai1944 starten sollen, denn das Wetter warideal und Stalin saß den Westalliierten mitseiner Forderung nach mehr aktiver Unter-stützung im Nacken. Die Sowjetunion hat-te bereits eine besonders hohe Zahl an Op-fern im Kampf gegen NS-Deutschland ge-bracht. Daher waren nach Ansicht dessowjetischen Diktators nun die US-Ameri-kaner und die Briten an der Reihe, einen stär-keren Beitrag als bisher zu leisten. Doch derOberbefehlshaber der alliierten Expeditions-streitkräfte, Dwight D. Eisenhower, monier-te, dass zu wenig Schiffsraum zur Verfügungstünde. Er bestand daher darauf, eine zu-sätzliche Monatsproduktion abzuwarten.

Sprung ins kalte WasserAls Anfang Juni schließlich ausreichend Ma-terial vorhanden war, versagte der „Wetter-gott“ den Alliierten seine Gunst. Die für den5. Juni angesetzte Invasion musste kurzfris-

tig verschoben werden. Neben der Windstär-ke und dem Seegang spielten bei der Wahldes Datums weitere Faktoren eine Rolle. Sobenötigten die alliierten Fallschirmjäger, dienoch vor der Landung über von Deutschenbesetztem Gebiet abspringen mussten,Mondlicht, während die Invasionstruppenbei Ebbe an Land gehen sollten.

Für den 6. Juni sagten die Meteorologenindes eine leichte Besserung voraus. Eisenho-wer war sich unsicher: Sollte er sich auf die-se eher vage Prognose verlassen oder das Un-ternehmen erneut verschieben? Das Zeitfens-ter, in dem alle Faktoren für eine Landungübereinstimmten, begann sich jedoch bereitszu schließen. Wenn Eisenhower am 6. Juninicht gestartet wäre, hätte sich das nächsteFenster erst wieder Ende Juni geöffnet – mitverheerenden Konsequenzen für die Moralder Truppe und das politische Ansehen derVerbündeten. Am Ende wagten die Alliiertenbuchstäblich den Sprung ins kalte Wasser.

Auf deutscher Seite war man recht ah-nungslos. Es gab zwar Hinweise wie zum

IN ERWARTUNG DES ANGRIFFS: Blickaus einem bewaffneten Unterstand des„Atlantikwalls“. Propagandaaufnahme.

Foto: picture-alliance/ZB©dpa

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Page 15: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

15Clausewitz Spezial

Beispiel die Luftangriffe auf deutsche Radar-anlagen oder via BBC ausgestrahlte, gehei-me Botschaften für die französische Résis-tance, die der deutsche Geheimdienst längstentschlüsselt hatte. Der OB West, General-feldmarschall Gerd von Rundstedt, ordnetejedoch keine höhere Alarmstufe an. Er hieltdie alliierten Luftangriffe für zu wenig ziel-gerichtet und in ihrer Wirkung zu gering, alsdass man sie als ernsten Hinweis auf eine In-vasion hätte werten können. Das Marine-gruppenkommando West kam zudem zudem Schluss, dass US-Amerikaner und Bri-ten noch immer nicht über ausreichendSchiffsraum verfügten.

Landung im HinterlandDie Deutschen ahnten nicht, dass bereits inder Nacht vom 5. auf den 6. Juni alliierteTransportmaschinen mit dem Auftrag abho-ben, drei Luftlandedivisionen in der Nor-mandie abzusetzen. Kurz nach Mitternachtlandeten die ersten Gleiter der britischen 6. Luftlandedivision nördlich von Caen. Die

Division hatte den Auftrag, die linke Flankeder britischen Landezone zu sichern undden östlichsten Brückenkopf („Sword“) ab-zuschirmen. Um diese Aufgabe zu erfüllen,mussten die Briten mehrere Brücken erobernoder zerstören, die „Sword“ mit dem östli-chen Teil der Normandie verbanden. Fernerhatten die Luftlandetruppen den Auftrag,

die Geschützbatterie bei Merville auszu-schalten. Die Alliierten gingen irrtümlich da-von aus, dass die Batterie mit 15-Zentimeter-Geschützen bestückt war, die für die Lan-dungstruppen ein ernstes Problem gewesenwären. Minutiös hatte man die Aktion dahergeplant, nichts wurde dem Zufall überlas-sen. Doch die deutsche Flugabwehr brachte

GEFALLEN: Die Ver-teidiger wurden vomfeindlichen Ansturm

überrannt. Ihnenstand von Seiten der

Wehrmacht nichtsGleichwertiges

gegenüber.Foto: picture-alliance/

Mary Evans Picture Library

ZUSAMMENGEKAUERT: Ein mit US-Soldaten voll besetztes Wasser-fahrzeug nähert sich der französi-schen Küste in der Normandie. Welle für Welle setzen Schiffe undBoote aller Art alliierte Truppen-kontingente über den Kanal, um die eigenen Kräfte an den Landungs-abschnitten zu verstärken.

Foto: picture-alliance/Associated Press

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Page 16: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

Landung in der Normandie

rikaner ähnlich vor. Die 82. und 101. US-Luft-landedivision mit insgesamt 17.000 Mannhatten den Auftrag, mit „Utah“ den west-lichsten Landestreifen zu decken. Doch auchin der Luft hatten die GIs zunächst keinGlück. Tief liegende, dichte Wolken raubten

den Piloten die Orientierung, sodass vieleFallschirmjäger über den Überschwem-mungsgebieten absprangen. Hier ertrankennicht wenige aufgrund ihrer schweren Aus-rüstung. Die Lastensegler mit schwerem Ge-rät zerschellten häufig an Steinmauern oderwurden ein Opfer der „Rommelspargel“. Sokam es, dass allein die 101. Division in jenerNacht etwa ein Drittel ihrer Soldaten und 70 Prozent ihrer Ausrüstung verlor.

Größer und verhängnisvoller als die Ver-luste war indes das Chaos, das nach dem Ab-sprung herrschte. Fallschirmjäger fanden ih-re Kompanien nicht, Kompanien suchtenvergeblich nach ihren Regimentern. Das

US-RANGERS: An Bord von britischen Landungs-booten LCA (Landing Craft, Assault); im Hinter-grund sind Boote des Typs LCI (I für Infantry) zu sehen. Weymouth im Juni 1944. Foto: US Navy

AUSSCHNITT: Teilder Titelseite derNS-Propaganda-zeitung „Völkischer Beobachter“ vom 7. Juni 1944.

Foto: picture-alliance/dpa

die Transportmaschinen wortwörtlich ingrößte Turbulenzen. Die Folge war, dass dieGleiter ihre Landezonen teilweise weit ver-fehlten. Lediglich 150 von 750 Mann fandenvor Merville zusammen. Oberstleutnant Te-rence Otway wagte das Husarenstück den-noch. Nach einem kurzen Gefecht trium-phierten die Briten. Sie stellten allerdingsfest, dass die Batterie lediglich aus 75-mm-Kanonen bestand, die für „Sword“ keinegroße Bedrohung dargestellt hätten. Ent-scheidend war aber, dass es der 6. Luftlande-division gelang, den verwundbaren Ab-schnitt „Sword“ abzuschirmen, indem siedie Orne-Übergänge sicherte.

Auf der anderen Seite der Invasionsfront,auf der Halbinsel Cotentin, gingen die Ame-

BEFEHLSHABER:Generalleutnant

Omar Nelson Brad-ley (1893–1981)

unterstand die 1. US-Armee wäh-rend der Kämpfe

in der Normandie.Foto: picture-alliance/

United Archives/TopFoto

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Page 17: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

Lageentwicklung vom 6. Juni bis 24. Juli 1944KARTE

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich

17Clausewitz Spezial

Durcheinander war letztlich so enorm, dasssich die Deutschen zunächst nicht im Klarendarüber waren, was die Amerikaner mit ih-rer Aktion eigentlich bezweckten.

Fatale FehlinterpretationDennoch gelang es den US-Fallschirmjägern,Sainte-Mère-Église einzunehmen. Die Klein -stadt war die erste größere französische Ort-schaft, die die Alliierten eroberten. Lediglichder Versuch, die Geschützbatterien zu zer-stören, misslang. Insgesamt schafften es dieLuftlandesoldaten aber, das Hinterland von„Utah“ freizukämpfen. Nun konnten dieLandungstruppen kommen.

Erstaunlicherweise hatten die deutschenKommandobehörden im Westen zu diesemZeitpunkt noch nicht begriffen, dass die langerwartete Invasion nun unmittelbar bevor-stand. Stattdessen interpretierten sie dieLuftlandeunternehmen als Sabotageaktio-nen. Noch immer nämlich vermuteten dieDeutschen, dass die Alliierten am Pas-de-Ca-lais – der schmalsten Stelle zwischen Groß-britannien und Frankreich – an Land gehenwürden. Doch wie war es möglich, dass sichdie deutsche Führung so kolossal in die Irreführen ließ?

Die Alliierten waren sich während derPlanungen für „Overlord“ bewusst, dass sieihren Aufmarsch in Großbritannien nichtverschleiern konnten. Daher entwarfen sieein Täuschungsmanöver, das den Deutscheneine Hauptlandung am Pas-de-Calais im

Juli 1944 vortäuschte: Die Operation „Forti-tude“ war geboren. So entstand im SüdostenEnglands – gegenüber dem Pas-de-Calais –die fiktive 1. US-Heeresgruppe mit zwei Ar-meen und insgesamt elf Divisionen, darun-ter die 3. US-Armee. Dieser Großverbandunter Führung von George S. Patton existier-te zwar tatsächlich, doch sollte die Armeespäter als zweite Welle in der Normandie

Folgenreiches Täuschungsmanöver

„Ein unmittelbares Bevorstehen der ,Invasion‘ ist noch nicht erkennbar.“OB West Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt am 5. Juni 1944

nachrücken. Darüber hinaus entstand inSchottland eine britische „Geisterarmee“, dieeinen Ablenkungsangriff auf Norwegen vor-täuschen sollte.

Späte ReaktionErst als die Verbündeten um 4:00 Uhr mor-gens begannen, die Küstenbefestigungenmassiv zu bombardieren, versetzte GFMRundstedt die 7. Armee in der Normandieund die 15. Armee am Pas-de-Calais in Ge-fechtsbereitschaft. Zudem beantragte erbeim Oberkommando der Wehrmacht(OKW) die Freigabe der 12. SS-Panzerdivi-sion „Hitlerjugend“ und der hervorragend

UNTER BESCHUSS: Britische Soldaten gehen an einem noch um-kämpften Landeabschnitt in Deckung. Einige Männer sind offen-sichtlich bereits verwundet. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

SPUREN DES KAMPFES: Ein von den alliierten Landungstruppenausgeschalteter deutscher Bunker unmittelbar nach Ende derKampfhandlungen. Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage

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Landung in der Normandie

ausgerüsteten Panzer-Lehr-Division unterdem Kommando von Generalleutnant FritzBayerlein. Genehmigen musste dies jedochHitler, der sich zunächst sträubte.

Allein am ersten Tag der Invasion flogendie Alliierten über 14.000 Einsätze. Knapp12.000 Tonnen Bomben verwüsteten Minen-felder, ebneten Schützengräben ein und zer-störten Bunker und Geschützstellungen.Frühzünder sorgten obendrein dafür, dassdie Fliegerbomben hochgingen, bevor sie ei-

nen Krater in die französische Erde rissen,der die Landungstruppen bei ihrem Vor-marsch behindert hätte.

Gewaltige ArmadaAuch das Hinterland blieb nicht verschont,wenn es nicht bereits von Fallschirmjägerngesichert worden war. Caen, die größte Stadtder Normandie, wurde in weiten Teilen einRaub der Flammen. Derweil näherte sich dieInvasionsflotte – eine gewaltige Armada mit

insgesamt mehr als 6.000 Schiffen und Boo-ten. Von der Kriegsmarine oder der Luftwaf-fe wurden die Angreifer kaum belästigt.Selbst dann nicht, als die Alliierten rund sie-ben bis elf Seemeilen von der Küste entferntin die Landungsboote umstiegen und sichauf die Küste zubewegten.

Der „Atlantikwall“, laut NS-Propagandaein unüberwindliches Bollwerk, existierte tat-sächlich – allerdings größtenteils nur am Pas-de-Calais. Dagegen fand sich in der Norman-die lediglich eine Kette aus „Widerstandnes-tern“, die aus Bunkern, Schützengräben,befestigten Unterkünften und Geschütz- undMG-Stellungen bestanden. Bestückt mit zumTeil veralteten Beutewaffen, besetzt von Sol-daten, die häufig weit über 30 Jahre alt waren,bot die vorderste Verteidigungslinie der deut-schen Westfront nur geringen Kampfwert.

Kaum hatten die alliierten Flugzeuge ihrtödliches Werk verrichtet, feuerte auch schon

GESCHAFFT: US-Sol-daten gehen mit ihrerSpezialausrüstung anLand, nachdem derKüstenabschnitt vonden eigenen Truppenfreigekämpft wurde.

Foto: picture-alliance/

Usis-Dite/Leemage

KLARE ÜBERLEGENHEIT: Zahlreiche Schiffeund Boote unterschiedlicher Bauart versor-gen einen alliierten Brückenkopf mit Nach-schub. Die materielle Übermacht der Alliier-ten war erdrückend. Foto: picture-alliance/akg-images

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19Clausewitz Spezial

die mächtige Schiffsartillerie los. Dazwi-schen heulten Raketen heran und pflügtenum, was Bomben und Granaten verschonthatten.

Tödliches AbwehrfeuerDie Landungstruppen hatten daher allenGrund, zuversichtlich zu sein. So auch dieMänner der 1. US-Division, die in ihren Boo-ten auf „Omaha Beach“ zubrausten. Kaumhatten sich jedoch die Luken geöffnet, pras-selte wütendes MG-Feuer auf die GIs ein.800 bis 1.000 Meter deckungslosen Strandmussten sie nun überwinden. Rasch zerfieljede Ordnung. In Panik hetzten die Soldatenunter Mörser-, MG- und Geschützfeuernach vorne. Viele warfen sich ins flache Was-ser, um den MG-Salven zu entgehen. Dochauch hier zeigte sich „Omaha Beach“ uner-bittlich: Als die Flut kam, waren sie gezwun-

gen, nach vorne zu robben. Welches Schick-sal erwartete die Soldaten? Würden sie er-trinken oder erschossen werden?

Es waren die wohl kritischsten Stundender Invasion. Grund für das Beinahe-Deba-kel waren zum einen die alliierten Feuerleit-offiziere, die im letzten Moment das Feuerder Schiffsartillerie verlegten, aus Sorge, dieeigenen Leute zu treffen. Der größte Teil derGranaten schlug daher wirkungslos hinterden deutschen Stellungen ein. Zweitens hatten die Amerikaner das Pech, dass die352. deutsche Infanteriedivision, die „Oma-ha Beach“ verteidigte, just an diesem Tag ei-ne Übung absolvierte. Die US-Soldaten tra-fen somit auf einen gefechtsmäßig vorberei-teten Gegner.

Nutzlos war die Schiffsartillerie jedochnicht. Das dichte Sperrfeuer verhindertenämlich, dass auch nur eine Patrone ausNachschubtransporten die deutschen Solda-ten in ihren Schützengräben erreichte. DenMG-Schützen ging dadurch im Laufe desTages die Munition aus. Entscheidend warzudem der Einsatz der Zerstörer, die dichtan die Küste heranfuhren und gezielt deut-sche MG-Stellungen ausschalteten. DerDruck der Deutschen ließ somit immer stärker nach. Am Nachmittag knackten die

Amerikaner dann die Verteidigung. In dennächsten Stunden erweiterten sie den beste-henden Brückenkopf auf 2,2 Kilometer Tiefe und acht Kilometer Breite und ver-stärkten ihn auf 34.000 Mann. Dennoch hat-ten etwa 3.000 ihrer Soldaten den Tag nichtüberlebt.

Alliierter TeilerfolgIn den übrigen vier Landungszonen lief dasUnternehmen deutlich reibungsloser ab. DieAlliierten errichteten hier bereits in den frü-hen Morgenstunden des 6. Juni erste Brü-ckenköpfe und sicherten diese.

Bis zum Ende des 6. Juni gelang es denVerbündeten, 155.000 Mann und 16.000Fahrzeuge anzulanden. Der erste schwierigeTeil von „Overlord“ war somit geglückt. Die-ser Erfolg konnte aber nicht darüber hinweg-täuschen, dass die Alliierten ihre Tageszielegrößtenteils verfehlt hatten. So hätten diefünf Landungszonen bis zum Abend längstzu einem zusammenhängenden Brücken-kopf verschmelzen sollen. Doch auch am 7. Juni 1944 kämpften die Zonen mit Aus-nahme von „Juno“ und „Gold“ isoliert fürsich. Zudem befanden sich entgegen der al-liierten Planung auch die Städte Bayeux undCaen noch in deutscher Hand.

Massive Bombardements

LiteraturtippVogel, Detlef: Deutsche und alliierte Kriegfüh-rung im Westen. In: Militärgeschichtliches For-schungsamt (Hrsg.): Das Deutsche Reich undder Zweite Weltkrieg. Bd. 7: Das Deutsche Reichin der Defensive. Stuttgart 2001, S. 419–639

MIT ERHOBENEN HÄNDEN: In Gefangen-schaft geratene Soldaten der deutschen Küstenverteidigung werden abgeführt.

Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

GEZEICHNET: Ein während der Landungschwer verwundeter US-Soldat wird von einem Kameraden versorgt.

Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage

WEITGEHEND UNBEHELLIGT: In der Anfangs-phase der Operation „Overlord“ versuchen britische Lancaster-Bomber der No 467 Sqn,deutsche Verteidigungsstellungen durch takti-sche Tagangriffe auszuschalten. Foto: Sammlung WM

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Alliierte Landungstechnologie

Bei dem gescheiterten Landungsunter-nehmen in Dieppe 1942 hatten die Al-liierten eine blutige Lektion erhalten:

Die Einnahme eines Hafens zu Beginn einerInvasion ist so gut wie unmöglich. Eine großangelegte Landung an den Stränden der Nor-mandie war deshalb die Lösung für den zwei-ten Versuch. Dazu war nicht nur die absolu-

te Lufthoheit notwendig, sondern auch dasplanmäßige Anlanden einer riesigen Armeesamt Ausrüstung, Panzern und Versorgungs-gütern. 1944 verfügten die Alliierten endlichüber eine ausreichende Menge an Transport-und Landungsbooten sowie speziellen Pan-zermodellen (z. B. Schwimmpanzer), um einso komplexes Unternehmen überhaupt

durchzuführen. Insgesamt 6.500 Schiffe wa-ren an der Operation beteiligt, es wurdenmehr als ein Dutzend unterschiedliche Lan-dungsboote von den Amerikanern, Briten undKanadiern eingesetzt. Diese hatte man speziellfür das Unternehmen konstruiert und sie ver-fügten teilweise über bordeigene Artillerie, umküstennahen Feuerschutz zu geben. Mit

Mit Hightech über den Ärmelkanal

Alliierte Landungsboote und Spezial-Panzer

Die Invasion der Normandie war die aufwendigste Militäroperation des Krieges: Die Alliierten mussten eine gigantische Anzahl von Soldaten an Land bringen und halten – dies konnte nur mit effizienter Militärtechnik gelingen. Von Maximilian Bunk

PORTABLER PORT:Vielleicht illustriertdie Konstruktionvorgefertigter Häfenam besten, wie gigan-tisch der alliierte Aufwandwar – und wie viel Innovationund Technik hinter der Landungsope-ration steckten. Die Zeichnung zeigt eineder „Mullberry harbour“ genannten Anlagen, die nötigwaren, um die großen Mengen an Material rasch anzulanden. Da dieAlliierten seit dem Dieppe-Desaster keine Häfen zu Beginn der Inva-sion einnehmen wollten, kreierten sie diese temporär nutzbarenÄquivalente – Reste eines „Mullberry“ sind noch heute am Strandvon Arromanches zu sehen. Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

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dieser, eigens für die Landung an Sandsträn-den entwickelten, Militärtechnik gelang es denAlliierten, sich an Land festzusetzen, Brücken-köpfe zu errichten und Hitlers „Atlantikwall“schnell zu überwinden. Auf den folgendenSeiten stellt CLAUSEWITZ eine Auswahl derInvasiontechnologie vor, die half, die größteSeelandungs-Operation der Geschichte zu er-möglichen und erfolgreich zu beenden.

Andrew Jackson Higgins’ Firma „Higgins In-dustries“ steht hinter dem LCVP – von den Sol-daten einfach „Higgins-Boot“ genannt. Es istdas berühmteste Landungsboot aus der riesi-gen und vielfältigen Invasionsflotte und in denUSA beinahe eine Ikone des „D-Day“. Die Vor-züge der robusten Konstruktion waren die Ver-

wendbarkeit im seichten Wasser, die gute Ma-növrierfähigkeit sowie die große Rampe amBug des Bootes – unerlässlich für eine schnel-le Anlandung der 36 Soldaten, die im InnerenPlatz hatten. Die Crew bestand aus drei Män-nern. Insgesamt kamen während der Invasionmehr als 1.000 „Higgins-Boote“ zum Einsatz.

Das „Higgins-Boot“ – „Ikone“ der InvasionHINTERGRUND

FAHRT INS UNGEWISSE: Amerikanische Soldaten in einemLCVP (Landing Craft, Vehicle, Personnel) „Higgins-Boot“.Rechts ist eines der beiden 7,62-mm-Maschinengewehre zusehen. Das Landungsboot konnte 36 Soldaten und ein Fahr-zeug transportieren. Foto: picture-alliance/akg

LOGISTISCHE MEISTERLEISTUNG: Es war entscheidend,möglichst viele Soldaten in möglichst kurzer Zeit an denStränden abzusetzen. Der alliierte Oberbefehlshaber DwightD. Eisenhower bezeichnete deshalb die „Higgins-Boote“ alskriegsentscheidend, da ohne sie eine Invasion nicht mög-lich gewesen wäre. Foto: picture-alliance/dpa

LAND- UND SEETAUGLICH: Der DUKW („six-wheel-driveamphibious truck) war besonders vielseitig einsetzbar. Er konnte zwölf Soldaten oder knapp zwei Tonnen Ausrüs-tung transportieren. Das Fahrzeug wurde auch als „duck“ – Ente – von den Soldaten bezeichnet.

Foto: picture-alliance/Leemage

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Alliierte Landungstechnologie

Eigens für die Invasion konstruiertendie Alliierten spezielle Panzermodel-le, die bei der Landung an den Sand-stränden der Normandie eine wichti-ge Rolle spielten. Alle entwickeltenVarianten basierten auf dem mittle-ren US-Panzer M4 Sherman oderdem schweren britischen Panzer„Churchill“. Die Oberaufsicht über dieUmbauten hatte der erfahrene briti-sche Generalmajor Percy „Hobo“ Ho-

bart – deswegen werden die für den„D-Day“ hergestellten Spezialpanzer-fahrzeuge oftmals als „Hobart’s Fun-nies“ bezeichnet. Percy Hobart warKommandeur der 79th (Experimen-tal) Armoured Division Royal Engi-neers, Experte in der Panzerkriegfüh-rung und Schwager von Bernard„Monty“ Montgomery. Letzterer wares auch, der ursprünglich speziellePanzer für die Invasion anforderte.

Spezial-Panzer für den StrandHINTERGRUND

KETTEN GEGEN MINEN: Die auf dem M4 Sherman beru-

hende „Crab“ (Krabbe) räumte mit dem aufmontierten

„Dreschflegel“ Gassen durch Minenfelder. Das Fahrzeug

wog 32 Tonnen und war durch zusätzliche Platten vor

detonierenden Minen geschützt. Foto: National Archives

ANFÄLLIGER SCHWIMMPANZER: Die als „Duplex-Dri-ve tanks“ (DD tanks) bezeichneten Panzer hatten eine

abgedichtete Wanne und Antriebspropeller für dieFahrt im Wasser (s. Hintergrund). Eine Schwimmhülle

bewahrte die Panzer vor dem Sinken. Die Idee einesunerwarteten Panzerangriffs von der Seeseite ging

nicht überall reibungslos über die Bühne – besondersam Omaha Beach sanken viele, bevor sie den Strand

erreichen konnten. Das Foto zeigt britische DD tanks,die am „Gold Beach“ anlanden. Foto: picture-alliance/dpa

PANZERBRÜCKE: Der ChurchillARK war ein Brückenlegepan-zer – er hatte keinen Turm, da-für an jedem Ende eine Rampe,und konnte somit eine Brückeformen, um anderen Fahrzeugendie Überquerung von Hindernis-sen zu ermöglichen. Das Bildzeigt ARKs 1944 in Italien,doch kamen diese Modelle aucherfolgreich bei der Landung inder Normandie zum Einsatz.

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto

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23Clausewitz Spezial

Innovative Invasionstechnologie

Eine für den Erfolg von Operation „Overlord“wichtige Frage war, ob unter den Sandsträn-den der Normandie Torf liegt. Professor Ber-nal, der sich mit den geologischen Fragen derNormandie-Operation befasste, hatte Berich-te aus der Römerzeit studiert. Er wusste,dass an der Normandieküste früher Torf ab-gebaut worden war. Ein Untergrund aus Torfwäre für eine Landung aber ein großes Risi-ko: Ist die Sandschicht darüber dick genug,um Rad- und Kettenfahrzeuge zu tragen? Daskonnte nur durch Bodenproben herausgefun-den werden. Speziell für Stranderkundungenvor Landungsunternehmen waren die Combi-

ned Operations Pilotage Parties (COPP) vonLord Mountbatten ins Leben gerufen worden.Bei den Combined Operations galt Sir Mal-colm Campbell, der Geschwindigkeitsweltre-kordhalter zu Lande und zu Wasser, als Spe-zialist für die Tragfähigkeit von Sandsträndenfür Fahrzeuge. Schließlich hatte er auf demSandstrand von Daytona Beach, den er vor-her selbst auf seine Tragfähigkeit hin unter-sucht hatte, einen Geschwindigkeitswelt-rekord aufgestellt. Nach Campbells Ansichtgenügte eine Sandschicht von 14 Zoll, umschwere Fahrzeuge zu tragen. Kampfschwim-mer der COPP sollten in der Normandie an

Land gehen und Bodenproben sammeln. Alsnach einem erfolgreichen Probelauf in Eng-land die zwei Kampfschwimmer der COPP 1auf Campbell zutraten und um Rat fragten,war dieser äußerst enthusiastisch, dass erseine Teilnahme anbot. Major Logan Scott-Bowden und Sergeant Bruce Ogden-Smithkonnten ihm das wieder ausreden. Sieschwammen zu zweit in der Silvesternacht1943/44, einen halben Kilometer vor derKüste ausgesetzt, bei Minustemperaturenund hohem Wellengang in der Normandie anLand und brachten mit ihren Proben wichtigeErkenntnisse mit. Hagen Seehase

Operation „Bell Push Able“HINTERGRUND

„FEUERSPUCKER“: Der „Churchill Crocodile“ war ein Flammenwer-ferpanzer, der ab Oktober 1943 für die Invasion produziert wurde. AlsBasis diente ein Churchill Mk VII. Das „Krokodil“ war besonders imEinsatz gegen Bunker und Unterstände sehr effektiv und hatte einegroße Schockwirkung. Die Reichweite des Flammenwerfers betrugetwa 110 Meter. Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto

ALLZWECKPANZER: Auf Basis eines Churchill III oder IV ent-stand der AVRE („Armoured Vehicle Royal Engineers“). Dazuwurde das Geschütz abmontiert und mit einem Petard-Mörser(290 mm) ausgetauscht. Die unterschiedlichsten Zusatzgerätekonnten angebaut werden – das hier gezeigte Modell trägt ei-nen Faschinenroller zum Überwinden von Gräben (die Aufnahmewurde wenige Monate nach der Invasion gemacht).

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto

LiteraturtippFalconer, Jonathan: D-Day Manual. In-sights into how science, technology andengineering made the Normandy invasi-on possible. Erschienen 2013 in derReihe „Haynes Operations Manual“.160 Seiten, englischsprachig

EINSCHIFFUNG INENGLAND: Amerika-nische Soldaten einerSanitätseinheit gehenauf diesem Bild anBord eines Landungs-bootes (LCT).

Foto: picture-alliance/akg

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Sicherung der Landeabschnitte

6. Juni 1944: Die erste Etappe war am Nachmittag erreicht. Unermüdlich „pumpten” dieAlliierten Menschen und Material in die Brückenköpfe. Dennoch hinkten sie ihrem Zeitplanhinterher. Der Kampf um die Küste war noch längst nicht entschieden. Von Stefan Krüger

Kampf um die Brückenköpfe

Der für die Verteidigungsmaßnahmen am „Atlantikwall“ zuständige Gene-ralfeldmarschall Erwin Rommel hat-

te bereits lange vor Beginn der Invasion dieAnsicht vertreten, dass man die Alliiertenentweder direkt am Strand aufhalten müsse– oder sie andernfalls gar nicht stoppen kön-ne. Einen Kampf im Hinterland hielt er auf-grund der überwältigenden gegnerischenLuftüberlegenheit für aussichtslos. Er sollteRecht behalten. Doch wo blieben die deut-schen Panzer?

Selbst nach Landungsbeginn herrschte inden deutschen Kommandostellen Unsicher-heit. Hitler und Rundstedt witterten einen„Bluff“, der von der eigentlichen Invasionam Pas-de-Calais ablenken sollte. Offiziere

vor Ort aber identifizierten drei anglo-ame-rikanische Luftlandedivisionen und briti-sche Truppen, die bereits in Afrika gekämpfthatten. Mit anderen Worten: In der Norman-die versammelten sich gerade alliierte Elite-Verbände. Würde Eisenhower seine bestenMänner wirklich für einen Scheinangriff op-fern? Hitler ließ sich jedoch nicht überzeu-gen und weigerte sich in den entscheiden-den ersten Stunden beharrlich, die Reservendes OKW freizugeben. Rundstedt unterstell-te lediglich die 21. Panzerdivision der 7. Ar-mee. Doch der Gegenangriff kam nur müh-sam in Gang. Die Führung im Westen warnämlich durch eine verworrene Befehls-struktur wie gelähmt. Außerdem hielt sichRommel nicht einmal in Frankreich auf. Er

weilte aus privaten Gründen in seinemWohnort Herrlingen.

Hitler indes schlief noch und niemandbrachte den Mut auf, den Diktator zu we-cken. Somit waren auf deutscher Seite in denMorgenstunden des „D-Day“ entscheidendePersonen nicht zu erreichen.

„Das Ganze kehrt!“Erst gegen 9:00 Uhr am ersten Invasionstagrollte die 21. Panzerdivision nach Norden.Zusammen mit Teilen der 716. Infanteriedi-vision sollte sie die britischen Fallschirmjä-ger an der Orne angreifen und die Brückenzurückerobern. Als sie den Einsatzraum er-reichten, dämmerte es der deutschen Füh-rung, dass es wenig sinnvoll wäre, wertvol-

Auf des MessersSchneide

OHRENBETÄUBEND: Soldatender US-Army feuern Granatenauf zurückweichende deutscheVerbände.

Foto: picture-alliance/akg-images

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25Clausewitz Spezial

le Panzer gegen isolierte Luftlandetruppeneinzusetzen, während die Briten zugleich erfolgreich begannen einen stabilen Brü-ckenkopf zu bilden. Prompt kam daher derBefehl „Das Ganze kehrt!“ Die Division rum-

pelte wieder unverrichteter Dinge RichtungCaen. Inzwischen war es Nachmittag.

Zweiter Anlauf. Nun, noch am selbenTag, hatten die Panzer den Auftrag, den Brü-ckenkopf aufzuspalten, indem sie die Naht-stelle zwischen der 3. britischen und 3. kana-dischen Division aufreißen sollten. Und tat-sächlich gelang, was man angesichts derUmstände kaum für möglich gehalten hätte:Die Panzergrenadiere bissen sich durch undtrieben einen Keil zwischen die Landungszo-nen „Juno“ und „Sword“. An der Küste fan-den sie sogar noch deutsche Infanteristen,die sich in einem „Widerstandsnest“ (WN)eingeigelt und alle Angriffe abgewehrt hat-ten. Jetzt mussten die Panzer nachstoßen. Esrächte sich nun aber bitter, dass die deutsche

Führung zuvor ohne Not wertvolle Stundenungenutzt verstreichen ließ.

Die Briten hatten inzwischen nämlich ei-nen Pak-Riegel aufgebaut, den die Panzerzunächst nicht aufbrechen konnten. Feld-marschall Bernard Montgomery, der für denbritischen Invasionsbereich verantwortlichwar, begriff den Ernst der Lage. Am „OmahaBeach“ kämpften die Amerikaner noch im-mer ums Überleben, in seinem Sektor stan-den die Deutschen wieder an der Küste. Be-deutete dies etwa das Scheitern der Invasi-on? Montgomery handelte entschlossen: Waser nur greifen konnte, packte er in Lasten-segler und warf es den deutschen Truppenentgegen. Auch die Schiffsartillerie betei-ligte sich daran, den Vormarsch der Wehr-macht zusammenzuschießen. Mit Erfolg. Die21. Panzerdivision zog sich zurück und rich-tete sich nördlich von Caen zur Verteidigungein. Von 125 Panzern verlor sie knapp 80.

Späte EntscheidungErst am Nachmittag des 6. Juni rang sich Hit-ler dazu durch, die 12. SS-Panzerdivision„Hitlerjugend“ und die Panzer-Lehr-Divisi-on freizugeben. Diese Entscheidung kamviel zu spät. Zudem mussten die Verbändenun bei Tageslicht losfahren. Wie Habichtestürzten sich alliierte Jagdbomber auf diedeutschen Panzertruppen und fügten ihnenschwere Verluste zu, ehe diese überhaupt ih-ren Einsatzraum erreichten. Darüber hinausverzögerten sie die Anfahrt der Panzer er-heblich. Die 12. SS-Panzerdivision konntedadurch erst am 7. Juni um 16:00 Uhr an -treten. Die Panzer-Lehr-Division benötigteobendrein noch einen weiteren Marschtag.

„Hier gibt es keinAusweichen undOperieren, hiergilt es zu stehen,zu halten oder zusterben.“ Hitler am 6. Juni 1944

EINSATZBEREIT: Ein „Sherman“-Panzer der US-Armee wartet auf das Signal zum Angriff aufdie deutschen Stellungen. Foto: picture-alliance/akg-images

GEFALLEN: Ein US-Soldat betrachtet denLeichnam eines deutschen Soldaten der Küs-tenverteidigung. Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage

ERSCHÖPFT: Britische Soldaten drängen sich am „D-Day“ an ihrem Landungsabschnitt von„Sword Beach“. Sanitäter kümmern sich um die Verletzten. Die Verluste waren hoch, aber den-noch gelang der Durchbruch ins Hinterland. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

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Sicherung der Landeabschnitte

SS-Brigadeführer und General-major der Waffen-SS Fritz Witt,Kommandeur der 12. SS-Panzerdi-vision, formierte seine Männer zumAngriff. Zusammen mit der 21. Pan-zer- und den Resten der 716. Infan-teriedivision wollte er die Britenund Kanadier nun endlich ins Meerzurückdrängen. Und hatte Glück:Ein kanadischer Panzerverband nä-herte sich. Die Kanadier ahnten of-fenbar nicht, dass deutsche Kampf-panzer bereits auf sie lauerten, undpräsentierten die Flanke. Die Deut-schen feuerten aus allen Rohrenund schalteten 28 „Sherman“-Panzer aus.Doch die 21. Panzerdivision kam auf demrechten Flügel nicht voran. Sie hatte ihreKampfkraft bereits am Vortag größtenteilsveingebüßt. Auch die 716. Division war aus-gebrannt und konnte Witts Panzer nicht ab-schirmen. Somit musste sich die Division„Hitlerjugend“ alleine gegen wütende Ge-genangriffe wehren. Unter ihrem Druck zogsie sich bald zurück. Die Kraft reichte nichtaus, um den Brückenkopf einzudrücken.Am 8. Juni traf die von Jagdbombern dezi-mierte Panzer-Lehr-Division ein. Nun solltees endlich klappen: Die Kanadier, so hofftendie Deutschen, werden kaum drei Panzerdi-visionen standhalten können. Doch dann er-

schien plötzlich Rommel und blies die Akti-on ab. Die 50. britische Division hatte amVormittag Bayeux erobert. Das war gefähr-lich, denn die Stadt stellte einen der wich-tigsten Verkehrsknotenpunkte dar. Von hieraus verliefen Straßen nach Caen, St. Lô undCarentan auf der Cotentin-Halbinsel. „Oma-ha Beach“ lag nur wenige Kilometer ent-fernt. Die Alliierten waren somit kurz davor,ihre Landungszonen zu vereinigen.

Abbruch des AngriffsDies mussten die Deutschen unter allen Um-ständen verhindern. Die Panzer-Lehr-Divisi-on erhielt daher den Auftrag, Bayeux am 9. Juni zurückzuerobern. Der Angriff lief gutan, doch nur wenige Kilometer vor dem Zielhieß es wieder „Stopp!“ und „Kehrt!“. Es gabeinen triftigen Grund für diese Entscheidung:Die Kanadier hatten die Gelegenheit ge-schickt genutzt und eine Bresche zwischendie Panzer-Lehr-Division und Witts Truppengeschlagen. Die Panzer-Lehr-Division drohteabgeschnitten zu werden. Mit ihrem Gegen-angriff wollten die Deutschen jedoch nichtnur den Einbruch bereinigen. Sie planten da-rüber hinaus, den Schwung zu nutzen undzur Küste vorzustoßen. Der Angriff blieb al-lerdings schnell im massiven gegnerischen

Artillerie- und Pakfeuer liegen.Die Wehrmacht brach die Aktionschließlich ab und ging auf der Li-nie Tilly-Caen zur Verteidigungüber. Es war der letzte ernsthafteVersuch, die Küste doch noch zuerreichen.

Die deutsche Führung hatte diebritischen Truppen als den gefähr-licheren Gegner eingestuft unddementsprechend ihre Kräfte dis-loziert. Dies verschaffte den Ame-rikanern im westlichen Teil des In-vasionsbereichs deutlich Luft.

US-Truppen in BedrängnisUS-Luftlandesoldaten hatten bereits am 6. Juni Sainte-Mère-Église eingenommenund vereinigten sich anschließend mit denLandetruppen aus „Utah“. Die nächstenSchritte lagen auf der Hand: Das VII. US-Korps musste als erstes Carentan im Südender Cotentin-Halbinsel einnehmen. Mit die-sem äußerst wichtigen Verkehrsknoten-punkt wäre die Halbinsel bereits zur Hälfteabgeriegelt. Außerdem konnten die Ameri-kaner von hier ihren bedrängten Kameradenam „Omaha Beach“ die Hand reichen undim Raum Bayeux zu den Briten aufschließen.Das große Ziel – die Vereinigung aller Brü-ckenköpfe – wäre damit erreicht gewesen.Zeitgleich sollte das VII. Korps zur Westküs-te der Halbinsel vorstoßen, um diese voll-ständig abzuschnüren. Zuletzt stand Cher-bourg mit seinen wertvollen Hafenanlagenauf der Liste. Denn die Verbündeten konntenden Nachschub nicht dauerhaft über künst-liche Häfen und Lastensegler heranschaffen.

Carentan wurde von den Resten des 6. Fallschirmjägerregiments verbissen vertei-digt. Zwar war der Verband bereits schwerangeschlagen und litt zudem unter Nach-schubmangel. Doch als die 101. US-Divisionbereits nahe Carentan stand, konnten sich

GRUND ZUR ZUVERSICHT: Bernard L. Montgomery (rechts imBild) und George S. Patton (links) an der Invasionsfront, 1944.

Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Bildarchiv

AUSGESCHALTET: Ein mittlerer Kampfpanzer vomTyp „Panther“ wird während des Kampfes in derNormandie in einem Dorf von US-Einheiten „gestellt“. Der Verlust eines „Panthers“ wog fürdie Deutschen schwer. Foto: picture-alliance/akg-images

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die Fallschirmjäger unter Einsatz von Mör-sern und Artillerie zu einem heftigen Gegen-angriff aufraffen. Unterstützt wurden siehierbei von Teilen der 17. SS-Panzergrena-dierdivision „Götz von Berlichingen“. DieAmerikaner wankten unter den wuchtigenSchlägen für einen Moment bedrohlich undwichen teilweise sogar zurück. Erst als dieUS-Artillerie die Deutschen heftig beschoss,stabilisierte sich die Lage und die Deutschenzogen sich zurück. Am 15. Juni nahm die 101.US-Luftlandedivision schließlich Carentanein. Dass der deutsche Widerstand letztlichstark erlahmte, lag vor allem am fehlendenNachschub, den die alliierten Jagdbombererfolgreich blockierten.

Auch das V. US-Korps in „Omaha Beach“hatte sich derweil von seinem Landungs-schock erholt und brach in drei Stoßkeilen

aus dem Brückenkopf aus. Den linken Keiltrieben die Amerikaner am weitesten in dieFront hinein und eroberten bis zum 17. JuniCaumont. Hierbei konnten sie auch endlichden Briten die Hand reichen. Deren XXX.Korps stieß linker Hand parallel zu den US-Truppen Richtung Süden vor. Damit standdas XXX. Korps gefährlich tief in der linkenFlanke der deutschen Panzertruppen, diesich seit dem 9. Juni auf der Linie Tilly-Caenmühsam verteidigten.

Vereinigung der BrückenköpfeDie mittlere Stoßgruppe des V. US-Korpsmarschierte direkt nach Süden auf Saint-Lôzu, erst wenige Kilometer vor Stadt fraß sichder Angriff fest. Der rechte Keil hingegenbrach vollständig durch. Noch während dieSchlacht um Carentan tobte, erreichte die

Spitze Isigny – nur zwölf Kilometer von derumkämpften Stadt entfernt. Kurz daraufreichten sich die Soldaten des VII. und des V. US-Korps die Hände: „Utah“ und „Oma-ha Beach“ und somit sämtliche alliiertenBrückenköpfe in der Normandie waren abdem 12. Juni 1944 vereint.

Die Wehrmacht hatte nun nicht mehr vie-le „Pfeile im Köcher“. Als Verstärkung führ-te sie lediglich die 275. Infanterie- und die 3. Fallschirmjägerdivision aus der Bretagneheran. Diese Verbände bauten südlich Ca-rentans eine neue Verteidigungslinie auf, umeinen Durchbruch der Amerikaner nach Pé-riers und Saint-Lô zu verhindern. Zwar ge-lang es ihnen zusammen mit den übrigendeutschen Truppen tatsächlich, die Lagenoch einmal zu stabilisieren. Doch lag diesvor allem daran, dass das VII. US-Korps zudiesem Zeitpunkt Front nach Norden Rich-tung Cherbourg machte. Die 1. US-Armeekämpfte daher zu diesem Zeitpunkt mit nureinem Arm Richtung Süden, nämlich mitdem V. Korps.

Eines stand fest: Schafften es die Amerika-ner, die Cotentin-Halbinsel einschließlichCherbourg rasch einzunehmen, würde dieWehrmacht den großen „Dammbruch“ nichtmehr verhindern können. Der erste Schrittdazu war bereits am 18. Juni getan, als

Wuchtige Schläge gegen den Gegner

„Die Anglo-Amerikaner mit den derzeitigenKräften und Mitteln ins Meer zu werfen, er-scheint ausgeschlossen … Selbst die größteTapferkeit der Panzertruppe kann den Ausfallvon zwei Wehrmachtteilen nicht ersetzen.“Generaloberst Heinz Guderian zu Hitler am 20. Juni 1944

VERNICHTET: „Ausgebrannte Panzer und zerstörtes Kriegsgerät der alliierten Truppen an einerStraße in Nordfrankreich“, so die Bildunterschrift unter dieser Propagandaaufnahme. Im Ge-gensatz zur deutschen Seite konnten die Alliierten ihre Ausfälle an Fahrzeugen durch umfang-reiche Nachschublieferungen ersetzen. Foto: picture-alliance/akg-images

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Sicherung der Landeabschnitte

US-Truppen die Westküste der Halbinsel er-reichten. Insgesamt waren nun Reste vonvier deutschen Divisionen mit rund 21.000Mann abgeschnitten. Lediglich Teile der 77.Infanterie- und der 91. Luftlande-Infanterie-division entwischten der „Falle“.

Kampf um jeden ZentimeterRommel und Rundstedt hatten dieses be-drohliche Szenario vorausgesehen und sichdafür ausgesprochen, dass sich die deut-schen Truppen sofort nach Cherbourg zu-rückziehen sollten, sobald die Amerikanerzur Westküste der Halbinsel vorstießen. DieSoldaten sollten dadurch Zeit gewinnen, umsich in der Stadt zur Verteidigung einzurich-ten. Die Feldmarschälle hofften, dass dieFestung starke US-Einheiten binden würde,um den Deutschen im Süden Zeit und Luftzu verschaffen. Hitler aber bestand auf ei-nen Kampf um jeden Zentimeter Boden.Nun mussten sich die angeschlagenen Ver-bände zurückziehen. Dabei setzten ihnendie alliierten Flugzeuge und Kriegsschiffearg zu. Die mächtige Schiffsartillerie schliff

BESIEGT: Generalmajor Robert Sattler, biszum 21. Juni 1944 Kommandant der Fes-tung Cherbourg, folgt US-General Manton Eddy nach Abschluss der Kämpfe. Sattlerverblieb bis 1947 in Gefangenschaft.

Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage

UNGEWISSE ZUKUNFT: Kanadische Solda-ten der alliierten Invasionsarmee bewachenmit aufgepflanztem Bajonett deutscheKriegsgefangene. Sie wurden auf Schiffennach England gebracht.

Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

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Page 29: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

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Clausewitz Spezial

hierbei ganze Ortschaften, um jeden Wider-stand zu brechen.

So war es kein Wunder, dass die Amerika-ner zügig vorankamen. Der Wettergott abermeinte es erneut nicht gut mit ihnen: Am 19. Juni brauste ein gewaltiger Sturm durchden Ärmelkanal, der die Landungsschiffewie Spielzeug hin und her warf. Das Tobenund Brausen währte noch bis zum 23. Juni.Die Alliierten verloren durch das Unwetterzahlreiche Schiffe und viel Material. HätteEisenhower die Invasion um zwei Wochenverschoben, wie kurzzeitig erwogen, hättedies katastrophale Folgen bis hin zum Ab-bruch des Unternehmens haben können.

Der Sturm brachte die Alliierten zudemin eine für sie sehr ungewohnte Lage: Siemussten nun mit dem Nachschub sparsamumgehen. Es mangelte vor allem an Grana-ten für die Artillerie.

Der Kommandeur der 1. US-Armee Brad-ley beschloss, den Schwerpunkt auf die Er-oberung Cherbourgs zu legen. So ging eshier zwar weiter voran, doch dafür erhieltdie Wehrmacht im Süden eine willkommene

Folgenreiches Unwetter

LiteraturtippHall, Tony (Hrsg.): Operation „Overlord“. DieLandung der Alliierten in der Normandie 1944(Titel der 1993 erschienenen Originalausgabe:„D-Day. Operation Overlord from its planning tothe Liberation of Paris“). Stuttgart 2004

GUT GETARNT: Soldaten einer US-Artillerieeinheit nehmen deutsche Stellungen im Kampf umCherbourg Ende Juni 1944 unter Beschuss. Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage

Atempause. Dies sollte den Amerikanernspäter noch schwer zu schaffen machen.

Kampf um CherbourgAm 22. Juni 1944 starteten alliierte Kampf-flugzeuge einen verheerenden Luftangriffauf die Hafenstadt Cherbourg, der zahlrei-che Opfer forderte. Auch Schlachtschiffe nä-herten sich und eröffneten das Feuer. Eineverbliebene Küstenbatterie zwang dieKriegsschiffe zwar zum Rückzug, doch esnutzte den Verteidigern nichts mehr. Als dieAmerikaner die ersten Stellungen stürmten,stellten sie überrascht fest, dass ihre Gegneroffenbar ziemlich demoralisiert und entmu-tigt waren. Zuletzt drängten die Angreiferdie verbliebenen Wehrmachtsoldaten inSchächte und Bunker zurück. In dieser Si-tuation kapitulierte Generalleutnant Karl-Wilhelm von Schlieben, der das zusammen-geschrumpfte Kontingent in Cherbourg be-fehligte. Seine Männer gaben jedoch nichtauf, ohne ihren Kameraden im Süden nocheinen wichtigen Dienst zu erweisen: Sie zer-störten die Hafenanlagen so gründlich, dassdie Alliierten Cherbourg erst drei Wochenspäter nutzen konnten. So lange mussten sienoch auf künstliche Häfen zurückgreifen.

Mit dem Fall von Cherbourg am 26. Juni1944 konnten die Alliierten den Druck aufdie Deutschen im westlichen Abschnitt be-trächtlich erhöhen. Für die Wehrmacht kames nun allein darauf an, einen „Dammbruch“zu verhindern.

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30

„Atlantikwall“

Unüberwindbar?

Hitlers Bollwerkaus Beton

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Page 31: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

31Clausewitz Spezial

Die Verteidigungsanlagen des „Atlan-tikwalls“ waren in ihrer Konzeptiongigantisch – allein geografisch reich-

te der Bau von Spanien bis Norwegen. Aberist eine Küstenlinie von mehreren TausendKilometern wirklich effektiv – und überallgleich stark – abzusichern? Wirklich vollen-det wurde das ehrgeizige Bauwerk zwischen1942 und 1944 nicht. Hitler forderte nach demgescheiterten Kommandounternehmen derAlliierten bei Dieppe (19. August 1942) denAusbau der „Festung Europa“. Es blieb einpropagandistisch überhöhtes Provisorium,das seinen Zweck – die Landung der Alliier-ten im Westen zu verhindern – letztendlichnicht erfüllen konnte. Und das, obwohl

GEBALLTE FEUERKRAFT: Einschweres Geschütz, integriert in den Atlantikwall, in Aktion. An der französischen Kanalküste war die Verteidigungsanlage amstärksten ausgebaut, da hier eineamphibische Großoperation derAlliierten am wahrscheinlichstenerschien. Ab 1944 wurden im Hinterland zusätzlich Luftlandehin-dernisse („Rommelspargel“) auf-gestellt. Foto: picture-alliance/akg-images

1942: Hitler begann die „Festung Europa“ zu konstruie-ren – die westliche Flanke sollte der „Atlantikwall“schützen. Das Projekt kann wohl als das ambitioniertes-te Festungsbauprogramm des gesamten Krieges gelten.Am Ende brachen die Alliierten an einem Tag durch das„unbezwingbare“ Bollwerk … Von Maximilian Bunk

Eigentlich bezeichnet die Abkürzung „D-Day“seit dem Ersten Weltkrieg lediglich den Zeitpunkt einer (beliebigen) größeren Militä-roperation. Die ursprüngliche Herkunft desBegriffes ist unklar bzw. nicht mehr völlig zu rekonstruieren. „D-Day“ kann in der eng-lischen Sprache als Abkürzung für „Debarka-tion Day“ („Landungs-Tag“), „Decision Day“(„Entscheidungs-Tag“), „Deliverance Day“

(„Befreiungs-Tag“) oder „Doomsday“ („Tagdes jüngsten Gerichts“) stehen – oder aucheinfach nur als Doppelung von „Day“, wobeidas „D“ stellvertretend für den noch zu be-stimmenden Termin gesetzt wird. Der heutebekannteste „D-Day“ ist der 6. Juni 1944.Häufig wird deshalb „D-Day“ als Synonym fürdie Landung der Alliierten in der Normandieverwendet.

Die Bedeutung des Kürzels „D-Day“HINTERGRUND

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Page 32: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

hinsichtlich der nackten Zahlen geklotzt undnicht gekleckert wurde: Allein für die Ab-schnitte in Frankreich verbaute eine gewalti-ges Heer von Arbeitern (darunter Zwangsar-beiter) 17 Millionen Kubikmeter Beton undüber eine Millionen Tonnen Stahl. Betraut mitden Ausführungen war die OrganisationTodt. Vielleicht war gerade der GrößenwahnHitlers, der sich im Traum von der „FestungEuropa“ manifestierte, schuld am „Versagen“des Walls. Die enormen Kosten schwächten

die ohnehin schon überstrapazierte deutscheKriegswirtschaft, und Kritiker sahen das star-re Verteidigungskonzept nicht wirklich alskompatibel mit der Kriegsführung der Wehr-macht an. Außerdem wurde die geringe Ver-teidigungstiefe bemängelt: Nach einem er-folgreichen Durchbruch in Küstennähe gabes keine effektiven Verteidigungslinien imHinterland mehr. Erwin Rommel versuchteeinige der konzeptionellen Schwächen derWehranlage zu „entschärfen“: Strände wur-

den verbarrikadiert, Uferzonen und derRaum zwischen einzelnen Verteidigungsan-lagen vermint sowie „Rommelspargel“ (Hin-dernisse aus Holz und Draht, die Luftlande-operationen erschweren sollten) im Hinter-land installiert. Am Ende kam der Angriffnicht dort, wo er erwartet wurde, am Pas-de-Calais, und auch die Ausbesserungen durchden „Wüstenfuchs“ halfen nichts. Innerhalbeines einzigen Tages war Hitlers Bollwerk ausBeton bezwungen.

32

„Atlantikwall“

IN ERWARTUNG DES ANGRIFFS:Deutsche Soldaten in einer befestig-ten MG-Stellung am Atlantikwall. DieStrände selbst waren durch ein Laby-rinth aus Hindernissen (z. B. Holzpfäh-le, die den Boden der Landungsbooteaufreißen sollten) gesichert.

Foto: picture-alliance/akg-images

Wehranlagen an den „D-Day“-SträndenFAKTEN

Strand Dt. Infanterie-kompanien

MGs Mörser Feldgeschütze Panzerabwehr-geschütze

Verluste der Alliier-ten am 6.6.1944

Utah 1 17 3 7 6 197Omaha 8 85 28 20 15 2.374Gold 4 18 1 5 9 413Juno 4 33 5 4 9 805

Sword 2 14 7 8 7 630Daten aus: Doyle, Peter: Der Zweite Weltkrieg in Zahlen. München 2014

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Page 33: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

33Clausewitz Spezial

„Festung Europa“

Bunkeranlagen des „Atlantikwalls“FAKTEN

Frankreich, Stand 1944

Mannschaftsbunker (Gruppenunterstände, Kleinstunterstände usw.)

2.471

Munitionsbunker (Munitionsunterstände) 575Sanitäts- und Versorgungsbunker 171

Nachrichtenstände 36Gefechtsstände 192

Beobachtungsstände (Artillerie) 134Bunker zur Waffenlagerung 151

Kasematten und Geschützunterstände (alle Typen) 2.376Insgesamt 6.106

Daten aus: Zaloga, Steven: The Atlantic Wall (1), France. Oxford 2007

EROBERT: Ein briti-scher Soldat vor ei-nem deutschen Fern-geschütz. Aus Effi-zienzgründen wurdenfür die enormen Anfor-derungen des „Atlan-tikwalls“ standardi-sierte Regelbautenentwickelt – immerhinwurden mehrere Tau-send Bunker errichtet! Foto: picture-alliance/akg-images

GEWALTIG: Der „At-lantikwall“ stellt dasgrößte Festungsbau-projekt in der jünge-

ren europäischenVergangenheit dar –nur die französische

„Maginot-Line“ er-reichte ähnlich ko-lossale Dimensio-

nen. In den Bau flos-sen Unsummen anGeld und Material.

Das Bild zeigt einenGeschütztransport,

die damalige Pro-paganda titelte:

„Reisender Gigant!Kriegsmarsch eines

Riesengeschützeszum Atlantik.“

Foto: picture-alliance/ZB

BLICK INS INNERE:Waffen und Ausrüs-tung der Soldatensind in diesemMannschaftsbunkerstets griffbereit.Über dem Waschbe-cken im Hintergrundsteht: „Ruhe undBesonnenheit – undschnelle gründlicheEntgiftung erhaltendie Kampfkraft undGesundheit!“

Foto: picture-alliance/ZB

REKONSTRUIERT:Diese Szene ausdem Spielfilm „DerSoldat James Ryan“(1998) zeigt, wiesich amerikanischeGIs durch Panzer-sperren („Tsche -chenigel“) kämpfen.Die Strände warennoch mit anderenHindernissen be-stückt: Hemmbal-ken, Minen, Gräbenaller Art sowie Sta-cheldraht sollten ei-ne Anlandung starkerschweren – die alliierten Soldatenmussten bei Ebbeangreifen und sichunter MG-Feuerdurch Barrieren undBlockaden kämpfen.

Foto: picture-alliance

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Zermürbender Stellungskrieg

TRÜMMERWÜSTE: Alliierte Solda-ten in einem durch die schwerenKämpfe stark zerstörten Straßen-zug der Stadt Caen.

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto

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35Clausewitz Spezial

Die Stadt Caen hätte längst erobert seinsollen. Nicht nur, weil es die größteStadt der Normandie war, sondern

weil das Gelände südlich davon für die me-chanisierte Kriegsführung mit Panzern undsonstigen Fahrzeugen wesentlich günstigerwar. Hier konnten die Alliierten ihre Überle-genheit erst vollends ausspielen.

Das Heckenland nördlich von Caen hin-gegen kam den deutschen Verteidigern ent-gegen. Dieser wilde „Dschungel“ aus Ge-strüpp und Bäumen ist so eigentümlich, dassdie Franzosen diesem Landschaftstyp eineneigenen Namen gegeben haben: Bocage.Und hier mussten die Briten durch.

Als die Kritik an Montgomery und dessenOperationsführung immer lauter wurde, ei-nigte sich das alliierte Hauptquartier darauf,die Vorgehensweise der Streitkräfte klarer zudefinieren: Die Amerikaner sollten nun nachder Ende Juni 1944 gelungenen Einnahmevon Cherbourg den Durchbruch im Westenerzwingen, während Briten und Kanadierwie bisher den größten Teil der deutschenPanzertruppen binden sollten.

Hammer und AmbossDem ruhmsüchtigen Montgomery aber be-hagte es nicht, dass er lediglich die „Amboss-Rolle“ spielen sollte, während die Amerika-ner den Hammer schwangen. Er plante da-her, sein ramponiertes Ansehen wiederher -zustellen. Dafür konnte es nur ein Ziel ge-ben: die Eroberung von Caen.

Feldmarschall Montgomery hatte seineKräfte in zwei Korps gegliedert. Das XXX.Korps im Westen, bestehend aus der 7. Pan-zer- und der 50. Infanteriedivision, kämpftegegen die Panzer-Lehr-Division bei Tilly-sur-Seuless, während das I. Korps mit dreiDivisionen gegen die deutschen Stellungennordwestlich und nördlich von Caen an-rannte. Doch wie sollte er die Stadt nun ein-nehmen? Nordöstlich von Caen hielt die

6. britische Luftlandedivision noch immerden Brückenkopf östlich der Orne. Montgo-mery beschloss nun, diesen endlich zu nut-zen. Er beauftragte die 51. britische Infante-riedivision „Highland“, am 12. Juni aus demBrückenkopf nach Süden auszubrechen undCaen östlich zu umgehen. Zugleich sollte die3. kanadische Division nordwestlich derStadt einen Ablenkungsangriff auf die 12. SS-Panzerdivision durchführen. Die Offensivebrach jedoch rasch unter großen Verlusten

zusammen. Die Deutschen rafften sich sogarzu einem Gegenangriff auf den Orne-Brü-ckenkopf auf, der allerdings ebenso fehl-schlug. Eine Art „Patt“ bahnte sich an. Dieswar für die Briten umso verhängnisvoller, da ihr Landestreifen inzwischen vollgestopftmit Menschen und Material war. Dadurchkonnten sie keine weiteren Kräfte mehr indie Normandie verlegen – aus deutscherSicht wäre dies freilich ein „Luxusproblem“gewesen. Auch der Versuch des XXX. Korps,den Widerstand der Panzer-Lehr-Division

zu brechen, scheiterte. Zwar bedrängten dieBriten die Deutschen hart, doch errangen sienur bescheidene Geländegewinne. Für diebritische Führung stellte sich die wichtigeFrage: Wie konnte dieser „Ring aus Stahl“geknackt werden?

Offene FlankeWährend die Briten ihre Wunden leckten,drängte das V. US-Korps die 352. Infanteriedi-vision weit nach Süden zurück. Damit stand

nun die weite linke Flanke der deutschenPanzertruppen offen. Montgomery rieb sichbegeistert die Hände. Da war sie, die großeChance, auf die jeder Feldherr hofft. Ein er-folgreicher Flankenstoß konnte die gesamtedeutsche Front zwischen Tilly-sur-Seullesund Caen zum Einsturz bringen. Montgo-mery setzte seine besten Männer für das Un-ternehmen an: die 7. Panzerdivision, Vetera-nen aus Afrika, die man respektvoll „DesertRats“ (Wüstenratten) nannte. Sogleich ras-selten die Panzer los. Die erste Etappe war

2. Junihälfte 1944: Bei den Alliierten herrschte Angespanntheit. Während die US-Trup-pen Fortschritte erzielt hatten, fraß sich die Offensive der Briten und Kanadier unterFeldmarschall Montgomery in einem Stellungskrieg um Caen fest. Von Stefan Krüger

Durchbruchskampf

Schlacht um Caen

HOHER BESUCH: Derbritische Premierminis-ter Winston Churchillin der Stadt Caen mitdem Oberbefehlshaberder 2. Britischen Armee, Miles Demp-sey, und Feldmarschall Bernard Montgomery.Foto: picture-alliance/ZUMA Press

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Page 36: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

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Zermürbender Stellungskrieg

Villers-Bocage, das direkt südlich von Tilly-sur-Seulles lag.

Auf deutscher Seite ahnte man nichts. DieFührung setzte lediglich die schwere SS-Panzer-Abteilung 101 in Marsch, da mansich inzwischen Sorgen wegen der offenenFlanke machte. Als Kompanieführer Micha-el Wittmann erkannte , dass die Briten Vil-lers-Bocage bereits eingenommen hatten, be-griff er sofort, wie brandgefährlich die Situa-tion war. Entschlossen griffen seine„Tiger“-Panzer die ,,Wüstenratten“ an undschossen etwa 24 Tanks ab, doch schafften esdie Briten, die Stadt zu halten. Auch einemzweiten Ansturm der deutschen Stahlkolos-se hielten sie stand. Dabei büßten sie etwa 30Panzer ein, während die Deutschen zehnKampfwagen verloren.

Montgomery brach das Unternehmen daraufhin ab und beorderte die 7. britische

Panzerdivision wieder zurück. Die großeChance war damit vertan.

Der Druck auf Montgomery wuchs. Nichtnur, weil die 7. Panzerdivision einen enttäu-schenden Start hingelegt hatte, sondern auchaufgrund der V1, die die Deutschen ab dem12. Juni 1944 in großer Zahl auf England ab-feuerten. Allein in London kamen bis EndeJuli mehr als 4.000 Menschen ums Leben,weitere 30.000 wurden verletzt. Vor diesemHintergrund ist es verständlich, dass die Hei-mat endlich weitere Erfolge sehen wollte.

Montgomerys Ass im Ärmel„Monty“ verhielt sich nun wie ein Poker-spieler, der nach ersten Verlusten die Einsät-ze erhöht. Allerdings hatte er noch ein Ass imÄrmel: Das VIII. Korps, dessen Aufmarschsich aufgrund des Sturms im Ärmelkanalsverzögert hatte, meldete endlich Einsatzbe-

reitschaft. Das Korps bestand aus drei Divi-sionen und war rund 60 000 Mann stark. Die-se Soldaten besaßen zwar nur sehr wenigKampferfahrung, waren dafür aber frischund „unverbraucht“. Der Feldmarschallschob sie zwischen dem XXX. und I. Korpsein. Er beabsichtigte, Caen im Westen zu um-gehen und in den Rücken der Stadt zu gelan-gen. Hierfür mussten die Briten die FlüsseOdon und Orne überwinden, die südwest-lich der Stadt Richtung Nordost verliefen.Würde ihnen dies gelingen, wären die Deut-schen gezwungen, Caen aufzugeben. Dieshätte nichts anderes als den endgültigenDurchbruch und damit den alliierten Sieg inder Normandie bedeutet. Den entscheiden-den Stoß sollte das neue VIII. Korps führen,während das XXX. und das I. Korps den Be-fehl erhielten, weiterhin die Panzer-Lehr-Di-vision beziehungsweise die 21. Panzerdivision

„Wir haben verschiedene wichtige Brücken, dienicht gesprengt worden waren, in Besitz ge-nommen. Auch im Innern des Landes, in Caen,geht der Kampf weiter. Das alles aber, obgleich

es ein sehr wertvoller erster Schritt ist – ein le-benswichtiger, wesentlicher erster Schritt –,gibt noch keinen Hinweis darauf, wie sich dieSchlacht in den nächsten Tagen und Wochen

entwickeln wird, denn der Feind wird wahr-scheinlich jetzt versuchen, sich auf dieses Ge-biet zu konzentrieren, und in diesem Fall wer-den sich bald schwere Kämpfe entwickeln (...).“

Unterhausrede von W. Churchill (Auszug) vom 6. Juni 1944DOKUMENT

ABTRANSPORT: Solda-ten der Waffen-SS wer-den nach ihrer Gefangen-nahme auf Lastkraftwa-gen zu einem Sammel-lager gebracht.

Foto: picture-alliance/

Usis-Dite/Leemage

MIT ERHOBENEN HÄN-DEN: Kanadische Solda-

ten durchsuchen deutscheSoldaten unmittelbar nach

ihrer Gefangennahme nahe Caen im Juli 1944.

Foto: picture-alliance/

United Archives/TopFoto

MIT GALGENHUMOR: Soldaten der 10. SS-Panzerdivision „Frundsberg“ posieren auf einem erbeuteten US-Jeep. Die angespannteVersorgungssituation zwang die deutscheSeite zur Improvisation, Beutematerial wurdedaher gerne eingesetzt. Foto: Sammlung Anderson

ACHTUNG VORFAHRT:Stabsoffiziere der 12. SS-Panzerdivision „Hitlerju-gend“ passieren standes-gemaß in Mercedes-Limou-sinen die Panzer der Divisi-on, hier einen PzKpfw IVAusf H der 1. Kompanie.Diese Szene wurde sichervor der Landung der Alliier-ten fotografiert. Anders ist die sorglose Haltung der Soldaten angesichts der feindlichen Luftüberle-genheit nicht zu erklären.

Foto: NARA

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37Clausewitz Spezial

zu „beschäftigen“. Die abgekämpfte 12. SS-Panzerdivision „Hitlerjugend“ hingegen trafder Hauptschlag.

Operation „Epsom“, wie Montgomerydas Unternehmen nannte, begann nach eini-ger Verzögerung am 26. Juni 1944. Mehr als700 Geschütze eröffneten ein mörderischesTrommelfeuer. Dazwischen wummerte dieSchiffsartillerie von drei Kreuzern, die ihreSalven über die gesamte Landezone hinwegin die deutschen Stellungen jagten. Aus derLuft brausten zudem 250 Bomber heran, diedie Feuerglocke über der 12. SS-Panzerdivi-sion „Hitlerjugend“ vollendeten. Dann fuh-ren die Panzer los. Diese machten sich meistgar nicht erst die Mühe, die verbliebenendeutschen Panzerabwehrgeschütze nieder-zuschießen. Sie zermalmten sie schlicht mitden Ketten.

Wo blieb das II. SS-Panzerkorps?Die Verteidiger wehrten sich dennoch ver-bissen. Mit Panzerfäusten und Haftlandun-gen rückten sie den feindlichen Panzern zuLeibe. Die mächtigen „Tiger“-Panzer „brüll-ten“ immer wieder. Aber ihre Zahl war vielzu gering, standen doch dem VIII. Korps im-merhin rund 600 Tanks zur Verfügung. Was

die Alliierten eher aufhielt, waren schwereRegenfälle und Verkehrstaus. Erst am 27. Ju-ni 1944 schafften sie es, einen Brückenkopfsüdlich des Odon zu bilden.

Das nächste Ziel war die beherrschende„Höhe 112“. Noch einmal rafften sich dieVerteidiger auf und griffen den Brückenkopfmit Panzern an. Doch die Schotten der 15. In-fanteriedivision hielten stand, sodass amnächsten Tag die 11. Panzerdivision der Bri-ten ungestört den Fluss überquerte und dieOffensive energisch fortsetzte.

Die Deutschen taumelten und wanktenzurück. Hatte man ihnen nicht Verstärkungversprochen? Wo blieb das II. SS-Panzer-korps? Am 29. Juni fiel „Höhe 112“. DieNachbarverbände eilten ihren schwer be-drängten Kameraden von der 12. SS-Panzer-division endlich zu Hilfe, doch die Gegen-stöße scheiterten.

Der Sieg war für die Alliierten nun zumGreifen nah. Lediglich die Orne mussten sienoch überwinden. In diesem Augenblickaber trat die britische Führung kräftig aufdie Bremse – und sie hatte allen Grund dazu:Das II. SS-Panzerkorps war da. Der Großver-band marschierte unter dem Kommandovon SS-Gruppenführer Wilhelm Bittrich mit

der 9. SS-Panzerdivision „Hohenstaufen“,der 10. SS-Panzerdivision „Frundsberg“ undder 2. SS-Panzerdivision „Das Reich“ an derwestlichen Flanke des britischen VIII. Korpsauf. Die drei Divisionen griffen unverzüg-lich an und gewannen rasch an Boden. Dabeivernichteten sie bis zum Abend 30 gegneri-sche Tanks.

Fataler FehlerWieder waren es die Schotten der 15. Divi-sion, die die Lage für die Alliierten retteten.Mit starker Artillerieunterstützung dräng-ten sie das II. SS-Korps wieder zurück – vorallem die Schiffsgeschütze setzten den Deut-schen schwer zu.

Dennoch konnten die Angreifer einen tak-tischen Erfolg verbuchen, denn General MilesDempsey, Oberbefehlshaber der 2. britischenArmee, sorgte sich um die exponierte Lageseines VIII. Korps und ordnete an, zumindestdie „Höhe 112“ vorläufig zu räumen. EineVorsichtsmaßnahme, die sich später als fata-ler Fehler herausstellen sollte. Montgomerybrach Operation „Epsom“ schließlich am 30. Juni 1944 endgültig ab. 4.000 Mann hattendie Briten verloren, die deutsche Seite hatte et-wa 3.000 Soldaten eingebüßt.

Mörderisches Trommelfeuer

VERMINT: Blick in einen Straßenzug von Tilly-sur-Seulles nach Abschluss der heftigenKämpfe in der 2. Junihälfte 1944. Im Vorder-grund ist ein Panzerfahrzeug „Universal Car-rier“ zu sehen, das durch eine Minenexplosi-on vollständig zerstört wurde.

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto

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Zermürbender Stellungskrieg

Wie prekär die Gesamtlage auf deutscherSeite jedoch inzwischen war, zeigt vor allemdas Verhalten des OB West Rundstedt. Am29. Juni telefonierte er mit dem Chef desOberkommandos der Wehrmacht, General-feldmarschall Wilhelm Keitel, und machtediesem unverblümt klar, dass die Lage in derNormandie hoffnungslos sei und dass dieFührung Frieden schließen müsse. Hitler be-rief Rundstedt daraufhin am 2. Juli als OBWest ab und ersetze ihn durch FeldmarschallGünther von Kluge. Dieser ging zunächstzuversichtlich ans Werk und überschütteteden für die deutschen Abwehrmaßnahmenzuständigen Generalfeldmarschall Rommelzunächst mit Vorwürfen. Doch kaum hatte ersich selbst vor Ort ein Bild der Lage gemacht,schloss er sich Rommels Beurteilung der La-ge an: Es war aussichtslos, die Wehrmachtspielte nur noch auf Zeit.

Montgomery erhöhte nun den Einsatzabermals und plante eine noch größere Of-fensive östlich von Caen. Um den Druck auf-rechtzuerhalten, befahl er dem I. Korps, am8. Juli mit drei Divisionen nördlich der Stadtin die Offensive zu gehen. 450 Bomber leite-ten den Angriff am 7. Juli ein, doch der weit-aus größte Teil der Bomben verfehlte das

Ziel. Der Widerstand der 12. SS-Panzerdivi-sion, die während der Operation „Epsom“hierhin abgedrängt worden war, und der 16.Luftwaffenfelddivision überraschte die Ver-bündeten und kostete sie hohe Verluste.Dennoch wichen die Verteidiger am 9. Juliunter dem gewaltigen Druck zurück undräumten schließlich den Nordteil von Caen.Die Orne teilt die Stadt in ziemlich genauzwei Hälften, sodass die neue Verteidigungs-linie der Wehrmacht nun am südlichen Or-ne-Ufer in Caen verlief. Montgomery hattedamit einen Teilerfolg errungen, doch derPreis war hoch: knapp 4.000 Soldaten undrund 80 Tanks waren verloren. Die Deut-schen büßten rund 2.000 Mann und mehr als20 Panzer ein.

Schwindende ReservenNun zeigte sich, dass auch die Alliiertennicht grenzenlos aus dem Vollen schöpfenkonnten. So warnte man Montgomery, dassdie Reserven an Infanterie rasch „zur Neige“gingen. Er legte daher den Schwerpunkt desneuen Großangriffs auf seine drei Panzerdi-visionen. Unterstützt von nur zwei Infante-riedivisionen, sollten diese den Orne-Brü-ckenkopf nutzen und östlich von Caen Rich-

tung Süden durchbrechen. Montgomerywusste, dass dies sein letzter Versuch war,bevor die Amerikaner ihre eigene großeDurchbruchsschlacht im Westen eröffneten.Noch einmal warf er daher alles in die Waag-schale, was er bei der alliierten Führung he-rausschlagen konnte: 2.000 schwere Bomber,600 mittlere Kampfflugzeuge und weit über1.000 Panzer. Die deutsche „PanzergruppeWest“ verfügte zu diesem Zeitpunkt ledig-lich über 150 Kampfwagen. Musste dieseenorme materielle Überlegenheit nicht dieEntscheidung bringen?

General der Panzertruppe Heinrich Eber-bach, Oberbefehlshaber der „PanzergruppeWest“, besaß allerdings einen entscheiden-den Vorteil: Dank sorgfältiger Aufklärungwar er darüber im Bilde, was sich im Nordenzusammenbraute und verteilte seine Kräfteentsprechend. So baute er auf dem Bourgué-bus-Höhenzug, der südlich von Caen ver-läuft, eine starke Verteidigungs- und Auf-fanglinie auf. Das „Herz“ der Defensive bil-dete hier das III. Flakkorps, das denHöhenzug mit fast 80 Geschützen vom Kali-ber 8,8 cm sicherte. Die 1. SS-Panzerdivisionpostierte er als Reserve südlich der Höhen-züge. Nördlich davon stand lediglich die

TOD AUS DER LUFT: Ein britischer Lancaster-Bomber während eines alliierten Luftangriffs über Caen.

Foto: picture-alliance/united Archives/TopFoto

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39Clausewitz Spezial

21. Panzer- und die 16. Luftwaffenfelddivisi-on. Die 12. SS-Panzerdivision befand sich zur„Auffrischung“ zunächst weit entfernt vomGefechtsraum.

Operation „Goodwood”Die Briten ahnten nicht, dass Eberbach seineVerteidigung so tief gestaffelt hatte. Als Ope-ration „Goodwood“ schließlich am 18. Julistartete, verschonten die alliierten Bomberdaher ausgerechnet das III. Flakkorps. Dieübrigen deutschen Verbände traf es dafürumso härter. 7.500 Tonnen Bomben verwüs-teten Dörfer, Unterstände, Geschützstellun-gen und verwandelten die Gegend in eineKraterlandschaft.

Die 16. Luftwaffenfelddivision hatte esam schlimmsten erwischt: Sie existiertepraktisch nicht mehr.

Mühsam quälten sich sodann die briti-schen Tanks der 7., 11. und der Garde-Pan-zerdivision über Bombentrichter und Trüm-mer. Wieder einmal erwiesen sich das Gelän-de und Staus als große Hindernisse.

Doch nun rächte sich der Infanterieman-gel auf britischer Seite: Die 11. Panzerdivisi-on musste ihre eigene Infanterie ausschwär-men lassen, um die kleinen Ortschaften zu

sichern. Dadurch hatten es die deutschenGrenadiere leichter, die gegnerischen Panzermit Panzerfäusten und Haftladungen zu be-kämpfen und auszuschalten.

Dennoch rasselten die gepanzerten Unge-tüme weiter. Nun gerieten sie aber in Reich-weite der brandgefährlichen 8,8-cm-Ge-schütze, die die Spitzen der Briten rasch zu-sammenschossen. Auch die am Höhenzugpositionierte 1. SS-Panzerdivision griff nunmit ihren Kampfpanzern vom Typ „Panther“in die Schlacht ein und fügte den Angreifernschwere Verluste zu. Derweil versuchte die3. britische Infanteriedivision den Ein-bruchsraum nach Osten zu erweitern. Sie be-drängte die 346. deutsche Infanteriedivisionso hart, dass es zeitweise nach einem erfolg-reichen Durchbruch aussah. Erst als Eber-bach die 12. SS-Panzerdivision „Hitlerju-gend“ wieder heranführte, konnte er die Kri-se meistern. Die Verteidigung stand somitwieder.

Wie schwer die Verluste der Briten waren,zeigte sich am nächsten Tag, als sie beischlechtem Wetter nur noch zaghafte Angrif-fe mit geringen Geländegewinnen ausführ-ten. Am 20. Juli 1944 brach Montgomery dieOperation „Goodwood“ ab.

Die Alliierten hatten rund 500 Panzer ver-loren – dies entsprach etwa 36 Prozent allerTanks, die Briten und Kanadiern in der Nor-mandie insgesamt zur Verfügung standen.Die Wehrmacht büßte ungefähr 80 Kampf-wagen ein. Allerdings hatten die Deutschenweitaus größere Schwierigkeiten, diese Ver-luste auszugleichen.

Enttäuschte ÖffentlichkeitDie Öffentlichkeit in Großbritannien zeigtesich indes maßlos enttäuscht darüber, dassder große Durchbruch nicht gelungen war.Lediglich Caen war nun vollständig erobert.Die letzten deutschen Verteidiger hatten dieStadt verlassen.

Montgomery verwies darauf, dass es an-geblich nur seine Absicht gewesen wäre,deutsche Panzertruppen zu binden, um denAmerikanern den finalen Ausbruch aus derNormandie zu erleichtern. Auch wenn diesnicht ganz der Wahrheit entspricht, hatte„Goodwood“ dennoch genau dies bewirkt:Die Wehrmacht fokussierte sich völlig aufdie Briten, während sich die US-Truppen aufdie Operation „Cobra“ vorbereiteten. IhreOffensive sollte die Entscheidung in derNormandie bringen.

Scheitern des Durchbruchs

LEISTUNGSFÄHIG: Das Panzer-Regiment 12 der Divi-sion „Hitlerjugend” hatte zwei Abteilungen, die I. warmit 79 „Panthern”, die II. mit 98 PzKpfw IV (lang)ausgerüstet. Die Luftüberlegenheit des Gegners führ-te zu großen Verlusten. Foto: NARA

HOCHDEKORIERT: Michael Wittmann giltnach Zahl der Abschüs-se als der erfolgreichstePanzerkommandant desZweiten Weltkriegs. Al-lein in der Schlacht umVillers-Bocage zerstörteer mit seinem „Tiger“zahlreiche britischePanzer und Fahrzeuge.Dafür erhielt er am 22.Juni 1944 die „Schwer-ter“. Wittmann und sei-ne Panzerbesatzung fie-len am 8. August 1944während der Kämpfe inNordfrankreich.

Foto: ullstein bild - ullstein bild

KAMPFKRÄFTIG:Auch die 9. SS Pan-zerdivision „Hohen-staufen” hatte einegemischte II. Abtei-lung im Panzer-Regi-ment, neben 46PzKpfw IV (lang) wa-ren 40 Sturmge-schütze im Bestand.Die I. Abteilung warmit 79 „Panthern“ausgerüstet. Auchdieses Fahrzeug, einSturmgeschütz IIIAusf G, wurde gutgetarnt, um denfeindlichen Fliegernzu entgehen.

Foto: Sammlung Anderson

SELTENER AN-BLICK: Panzergrena-diere der Waffen-SSpassieren mehrerePzKpfw V „Panther“im Kampfraum Tilly-sur-Seulles. Die ma-terielle Unterlegen-heit der Deutschenwar auch bei derZahl von Panzern erheblich.

Foto: picture-

alliance/ZB©dpa

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Deutsche Befehlshaber

ERNSTE MIENE: Erwin Rommel (Mitte) undGerd von Rundstedt (rechts im Bild) währendeiner Besprechung im Mai 1944 in Paris. Bei-de waren sehr unterschiedliche Charaktereund hatten bei der militärischen Führung inFrankreich miteinander auszukommen.

Foto: picture-allaince/akg-images

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41Clausewitz Spezial

Der Oberbefehlshaber West (OB West),Gerd von Rundstedt, wurde 1875 inAschersleben geboren und wuchs als

Sohn eines preußischen Husarenoffiziers inder Tradition der preußischen Armee auf. ImErsten Weltkrieg machte der ehrgeizige Sol-dat in erster Linie in Stäben von VerbändenKarriere und diente nach der deutschen Nie-derlage in der Reichswehr.

Rundstedt begrüßte die MachtergreifungHitlers ausdrücklich, um die „Fesseln vonVersailles“ abstreifen zu können. Seine Loya-lität zu Hitler bewies er unter anderem wäh-rend der „Blomberg-Fritsch-Krise“ 1938, diezur Entlassung des Reichwehrministers unddes Oberbefehlshabers des Heeres führte.Als Hitler durch seinen aggressiven außen-politischen Kurs auf einen Krieg hinsteuerteund sich innerhalb der Wehrmachtführungerster Widerstand formierte, verschloss sichRundstedt entsprechenden „Werbungsver-suchen“. Wenngleich er Zweifel hatte, ob einKrieg zu diesem Zeitpunkt erfolgverspre-chend sein konnte, war sein Vertrauen zum„Führer“ doch größer als seine Bedenken.

Beim Angriff auf Polen im September1939 erhielt Rundstedt den Oberbefehl überdie Heeresgruppe (HGr.) Süd und stieß mit

ihren Verbänden rasch tief in pol-nisches Territorium vor. Nachdem schnellen Sieg über Polenübernahm Rundstedt den Ober-befehl im Westen und befehligteim anschließenden Westfeldzugdie HGr. A, die durch die Ardennen bis zum Kanal vorstieß und damit der Masse der al-liierten Soldaten die rückwärtigen Verbin-dungen kappte.

Generalfeldmarschall RundstedtNach dem überraschenden „Blitzkrieg“ inFrankreich ernannte Hitler im Juli 1940 zwölfGeneräle zum Generalfeldmarschall, darun-ter auch Gerd von Rundstedt. Mehr denn jewar dieser dem „Führer“ treu ergeben.

Beim Angriff auf die Sowjetunion im Juni1941 übernahm Rundstedt den Oberbefehlüber die HGr. Süd, die den deutschenHauptstoß auf Moskau flankieren und diefruchtbaren Gebiete der Ukraine erobernsollte. Beim dortigen Vormarsch beging die„Einsatzgruppe C“ das Massaker von BabiJar. Einsatzgruppen der Sicherheitspolizeiund des Sicherheitsdienstes exekutiertenhier im September/Oktober 1941 insgesamtmehrere Zehntausend Menschen.

Rundstedt befürwortete die „Vernichtungdes Sowjetstaates“ und zeigte sich dem völ-kischen Gedankengut der Nationalsozialis-ten zugänglich.

Als jedoch seine HGr. vor Rostow am Donim Dezember 1941 den ersten Rückschlagdes Krieges einstecken musste, entließ Hitler

seinen Generalfeldmarschall und schickteihn in den Ruhestand. Die Untätigkeit desbereits 67-jährigen und herzkranken Rund-stedt währte nicht lange. Schon Mitte März1942 ernannte ihn Hitler zum OB in den be-setzten Ländern Westeuropas.

Ernennung zum OB WestMit diesem Kommando, das er bis Juli 1944ausübte, war er für die Verteidigung deswesteuropäischen Machtbereichs und damitauch für die Abwehr einer möglichen alliier-ten Invasion zuständig. In der Folge beganner mit der Intensivierung des „Atlantik-wall“-Ausbaus. Im Streit zwischen „mobi-ler“ und „statischer“ Verteidigung neigtevon Rundstedt zur ersteren Option und be-fürwortete die Bildung starker Panzerreser-ven. Als am 6. Juni 1944 die alliierte Landungin der Normandie begann, waren Rund-stedts Operationsmöglichkeiten jedoch starkeingeengt, da die mobilen Panzerreserven,die bei Paris zurückgehalten wurden, nur

Die deutschen Oberbefehlshaber im Westen

Führung ohneFortune

„Der ungleiche Kampf neigt sich demEnde entgegen.“Erwin Rommel im Juli 1944

Mitte 1944: In den kritischen Tagen und Wochender alliierten Invasion leiteten Gerd von Rundstedtals Oberbefehlshaber West und Erwin Rommel alsOberbefehlshaber der Heeresgruppe B die deut-schen Operationen in Frankreich. Von Lukas Grawe

MIT ERNSTEM BLICK: Der OB West Gerd vonRundstedt lasst sich während einer Übunganhand von Karten und Plänen die Lage ein-zelner Truppenteile an einem „Atlantikwall“-Abschnitt erlautern. Foto: picture-alliance/akg-images

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Deutsche Befehlshaber

mit Hitlers Erlaubnis eingesetzt werdendurften. Diese kam jedoch zu spät, um dieBrückenkopfbildung der Invasionsarmee zuverhindern. Als Rundstedt daraufhin offeneKritik an der obersten Führung äußerte,wurde er am 2. Juli 1944 seines Kommandosdes OB West enthoben und durch Günthervon Kluge ersetzt. Noch einmal, im Septem-ber 1944, übernham Rundstedt das Kom-mando als OB West, ehe er im März 1945endgültig von Hitler entlassen wurde.

Kluge als NachfolgerDer 1882 in Posen geborene Günther vonKluge stammte ebenso wie Rundstedt aus ei-ner preußischen Offiziersfamilie. Vor demErsten Weltkrieg als Generalstabsoffizier tä-tig, erlitt Kluge an der Ostfront, in Italienund vor Verdun schwere Verwundungenund versah ab 1916 hauptsächlich in Stäbenvon Militärverbänden seinen Dienst. NachKriegsende trat Kluge in die Reichswehr ein.Dort machte er rasch Karriere und stieg be-reits 1933 zum Generalmajor und ein Jahrspäter zum Generalleutnant auf.

Seine steile Karriere dämpfte allerdingsdie „Blomberg-Fritsch-Krise“. Vom neuenOberbefehlshaber des Heeres, Walther vonBrauchitsch, wurde Kluge im Februar 1938in den Ruhestand versetzt. Die aggressiveAußenpolitik Hitlers machte einen Mann mitden Erfahrungen und Begabungen Kluges

„Mein Führer, ich habe stets Ihre Größe, Ihre Haltung in diesem gigantischen Kampfund Ihren eisernen Willen, sich und den Nationalsozialismus zu erhalten, bewundert.(…) Zeigen Sie nun auch die Größe, die not-wendig sein wird, wenn es gilt, einen aus -sichtslos gewordenen Kampf zu beenden.“Günther von Kluge in seinem Abschiedsbrief an Hitler 1944

jedoch unentbehrlich, sodass er im Novem-ber 1938 reaktiviert wurde. Die Politik Hit-lers beunruhigte den zum General der Artil-lerie beförderten Offizier zwar, und Klugeempfand auch keine Sympathie für die NS-Ideologie. Doch beteiligte er sich nicht anden frühen Widerstandsplänen gegen dasnationalsozialistische Regime.

Als die Wehrmacht im September 1939 inPolen einmarschierte, übernahm Kluge denBefehl über die 4. Armee. Sie stieß innerhalbkurzer Zeit durch den polnischen Korridornach Ostpreußen vor und schwenkte dannnach Süden in Richtung Warschau ein. Hitlerernannte Kluge daraufhin zum Generaloberst.

Im Westfeldzug gegen Frankreich behieltKluge den Oberbefehl über „seine“ 4. Armeeund stieß über das belgische Malmedy in

Richtung Calais zum Ärmelkanal vor. Alsnach sechs Wochen im Juni 1940 die vermeint-lich stärkste Militärmacht Europas bezwun-gen war, wurde Kluge wenig später von Hit-ler zum Generalfeldmarschall befördert.

Anders als die meisten hochrangigenWehrmachtoffiziere befürwortete Kluge denAngriff auf die Sowjetunion im Juni 1941. Er-neut führte er zunächst die 4. Armee als Teilder HGr. Mitte. Als Mitte Dezember 1941 dersowjetische Gegenschlag die erschöpftendeutschen Verbände traf, übernahm Klugeden Befehl über die HGr. Mitte und ersetzteden erkrankten Generalfeldmarschall Bock.Hitlers Befehle, die Front um jeden Preis zuhalten, setzte Kluge mit aller Energie undHärte in die Tat um.

Seine völlig entkräftete Heeresgruppemusste nach der erfolglosen Großoffensivebei Kursk 1943 den Rückzug antreten. Ob-wohl kurzzeitig die Reorganisation der Frontauf der „Hagen-Linie“ gelang, durchbrachen

die sowjetischen Truppen auch die-se Verteidigungsstellung. DieserErfolg des Gegners veranlassteKluge zum Weitermarsch RichtungReichsgrenze.

Im Oktober 1943 erlitt Kluge beieinem Autounfall an der Front schwe-

re Verletzungen. Nach seiner Genesungblieb er vorerst ohne Verwendung und wur-de der „Führerreserve“ zugeteilt. In dieserZeit intensivierte der Widerstand seine Be-mühungen, den schwankenden Generalfeld-marschall auf die Seite der Hitler-Gegner zuziehen. Doch noch immer hoffte Kluge, ei-nen Verständigungsfrieden mit den Westalli-ierten erzielen und den Krieg gegen die Sow-jetunion fortführen zu können.

Da Hitler stark über das Misslingen derAbwehr der alliierten Invasion in der Nor-

BÖSE VORAHNUNG: Erwin Rommel an einem französischen Küstenabschnitt des „Atlantikwalls“. Dem populären Generalfeld-marschall war bereits kurz nach der Invasion die Aussichtslosigkeiteiner erfolgreichen Abwehr der alliierten Landung bewusst.

Foto: picture-alliance/Everett Collection

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43Clausewitz Spezial

mandie verärgert war, entließ er Rundstedtam 2. Juli 1944 und ernannte Kluge zum OB West. Nach der schweren VerwundungRommels übernahm Kluge am 17. Juli über-gangsweise zusätzlich den Befehl über des-sen HGr. B.

In der Folge unterlief ihm bei der Organi-sation des deutschen Gegenangriffs – dem„Unternehmen Lüttich“ – der folgenschwe-re Fehler, die Panzerreserven ohne Luft -unterstützung an die Front zu entsenden.Die deutschen Panzer erlitten durch alliierteLuftangriffe massive Verluste. Ein erfolgrei-cher Gegenschlag war dadurch unmöglichgeworden.

Nach dem 20. Juli 1944 versagte sich Klu-ge nach kurzem Schwanken und entgegenvorherigen Zusagen den Hitler-Gegnern.Dennoch ließen sich seine engen Verbindun-gen zum Widerstand nicht länger verheim -lichen. Hitler war misstrauisch gewordenund befahl Kluge am 17. August 1944 direktvon der Front zu sich. Auf dem Weg nachDeutschland beging Kluge am 19. August1944 in Frankreich Selbstmord.

Rommels WerdegangRommel, im Jahr 1891 in Heidenheim gebo-ren, war 1912 in die württembergische Ar-mee eingetreten und wurde während desErsten Weltkriegs als Frontoffizier mehrfachfür besondere militärische Leistungen aus-gezeichnet.

Nach der Niederlage Ende 1918 dienteRommel – seit Ende 1917 Träger des höchstenTapferkeitsordens „Pour le Mérite“ – in derReichswehr. Als Hitler 1933 die Macht über-nahm, war Rommel von dessen Tatendrangbeeindruckt. Bereits vier Jahre später zählteer zum engen militärischen Gefolge des„Führers“ beim Reichsparteitag in Nürnberg.

Während des Einmarsches in das Sude -tenland im Herbst 1938 erhielt Rommel dasKommando über das Führerbegleitbataillonund befehligte 1939 als Kommandant dasFührerhauptquartier. Rommel hatte dadurchauch während des Krieges gegen Polen ste-ten Kontakt zu Hitler. Im Rahmen des West-feldzugs gegen Frankreich 1940 übertrug Hit-ler Erwin Rommel den Befehl über die 7. Pan-zerdivision („Gespensterdivision“).

Mit seiner vom Gegner gefürchteten un-orthodoxen Führung empfahl sich Rommelfür das nächste Kommando. Im Februar 1941traf er in Libyen ein, um den deutschen Ver-bündeten Italien im Kampf gegen die Britenzu stabilisieren. In Nordafrika gelangen ihminnerhalb der nächsten eineinhalb Jahre er-staunliche Erfolge. Folgerichtig wurde Rom-mel zum Generalfeldmarschall ernannt, ehesich Ende 1942 bei El Alamein das Blatt zu-gunsten der Alliierten wendete.

Anfang März 1943 verließ Rommel denafrikanischen Kontinent und erhielt nachkurzer Regenerationszeit den Posten alsOberbefehlshaber der HGr. B, die die Ent-waffnung der ehemals verbündeten italieni-schen Streitkräfte zu organisieren hatte. Ein-fluss auf die Operationen im Süden Italiensgegen die dort gelandeten Alliierten konnteRommel nicht nehmen. So war er erleichtert,dass seine HGr. Ende 1943 nach Frankreichverlegte. Dort übernahm Rommel, der unterdem Befehl des OB West stand, von Hitlerden Auftrag, die Kontrolle über die Verteidi-gungsmaßnahmen am „Atlantikwall“ zuüberwachen.

In aussichtsloser LageZiel seiner Abwehrmaßnahmen war es, ei-ne Invasion der Alliierten an der Atlantik-küste und die Errichtung einer auf deut-scher Seite gefürchteten „Zweiten Front“im Westen zu verhindern. Rommel ließ Mi-nengürtel anlegen, Vorstrandhindernisse(„Rommelspargel“) aufstellen und neueBunker errichten. Der einst militärisch er-folgreiche „Angreifer“ war zum „Verteidi-ger“ geworden.

Rommel war mittlerweile pessimistisch,was den erfolgreichen Ausgang des Krieges

anging. Dennoch stürzte er sich mit Taten-drang in seine neue Aufgabe. Er hegte dieHoffnung, die erwartete britisch-amerikani-sche Landung doch noch abwehren unddann im Westen aus einer Position der Stär-ke heraus verhandeln zu können. Daher tater alles, um die Moral und die Kampfkraftseiner HGr. zu heben. Fieberhaft trieb derGeneralfeldmarschall den Ausbau des „At-lantikwalls“ voran. Dabei setzte er sich starkfür eine „statische Verteidigung“ ein, da erwegen der absoluten alliierten Luftüberle-genheit größere Verlegungen eigener Pan-zerreserven für ausgeschlossen hielt.

Als die alliierte Landungsoperation„Overlord“ am 6. Juni 1944 begann, weilteRommel aus privaten Gründen in seinemWohnort Herrlingen. Die Invasion nahm ih-ren Lauf, die Alliierten waren nicht zu stop-pen. Schnell gelang es ihnen, Brückenköpfean der französischen Küste zu bilden. Rom-mel ahnte nun, dass die Abwehr der Invasi-on gescheitert war.

Am 17. Juli 1944 wurde er durch feindli-che Tiefflieger schwer verwundet. In derFolge vom Kommando der HGr. B entbun-den, geriet Rommel in den Verdacht, Mit-wisser des Attentats vom 20. Juli zu sein.Vor die Wahl gestellt, vor dem „Volksge-richtshof“ angeklagt zu werden oder Giftzu nehmen, entschied sich Rommel für denFreitod. Er starb am 14. Oktober 1944. Zudiesem Zeitpunkt tobte bereits seit knappzwei Wochen die Schlacht um Aachen. DerKampf um das Deutsche Reich war im Wes-ten längst entbrannt.

Kluge begeht Selbstmord

LiteraturtippOse, Dieter: Entscheidung im Westen 1944. Der Oberbefehlshaber West und die Abwehr deralliierten Invasion. Stuttgart 1982

HOCHDEKORIERT: Erwin Rommel (1891–1944) erhielt zahlreiche Tapferkeitsaus-zeichnungen und Orden, darunter den „Pourle Mérite“ (1917) und das „Eichenlaub mitSchwertern und Brillanten“ (1943).

Foto: picture-alliance/akg-images

AUF INSPEKTIONSREISE: GFM Günther von Kluge (1882–1944), später NachfolgerRundstedts als OB West, lässt sich den Aufbau von Befestigungsanlagen an derfranzösischen Küste erläutern.

Foto: picture-alliance/akg-images

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Alliierter Oberbefehlshaber: Eisenhower

LÄSSIGE POSE: Dwight DavidEisenhower bedient auf die-sem Foto ein MG locker ausder Hüfte. Aufnahme vom Juni1944 bei einem Truppenbe-such. Foto: picture-alliance/AP Photo

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45Clausewitz Spezial

Dwight David Eisenhower wurde am14. Oktober 1890 in Denison, Texas,geboren. Seine Familie war deutscher

Herkunft – sie stammte ursprünglich ausdem saarpfälzisch-lothringischen Grenzge-biet und siedelte im 18. Jahrhundert zuerst inPennsylvania, bevor sie Ende des 19. Jahr-hunderts nach Kansas weiterzog. Dwightwar der dritte von insgesamt sieben Söhnendes Ehepaars David Jacob Eisenhower – einIngenieur – und Ida Elisabeth Eisenhower.Schon seit früher Jugend, die er in Abilene,Kansas, verbrachte, trug Dwight den Spitz-namen „Ike“. Durch die Freundschaft mit ei-nem Landstreicher entwickelte er zeitig einInteresse am Angeln, an der Jagd und Cam-ping. Die Bibliothek seiner sehr belesenenMutter war nicht nur der intellektuelle Ge-genpart zu den zahlreichen Outdoor-Beschäf-tigungen, sondern sie führte zu einem anhal-tenden Interesse für Militärgeschichte. AlsSchüler zog Eisenhower sich eine lebensge-fährliche Infektion zu, die Ärzte wollten sogarsein Bein amputieren, was Dwight strikt zu-rückwies. Er erholte sich wieder und verein-barte mit seinem Bruder Edgar, abwechselnddas jährliche College zu besuchen, währendder andere arbeitete: Das Geld der Familiereichte nicht für die Ausbildung beider Söh-ne. 1911 ging Dwight Eisenhower auf die Mi-litärakademie West Point. Seine Leistungendort waren aber allenfalls durchschnittlich,nur in Sport und Naturwissenschaften glänz-te er mit guten Noten. Der junge Mann hatteSchwierigkeiten, sich der militärischen Dis-

ziplin zu unterwerfen. Wichtig für die späte-ren Ereignisse war aber, dass sich in seinemund in dem folgenden Jahrgang zahlreichevielversprechende Offiziersanwärter befan-den, darunter seine späteren UntergebenenOmar Bradley und George Patton. 1915 gra-duierte Eisenhower in West Point und heira-tete kurz darauf Mamie Geneva Doud. DasPaar hatte zwei Söhne, von denen der eine,Doud, schon im Alter von drei Jahren an ei-ner Kinderkrankheit starb.

Langer Weg nach obenAls 2nd Lieutenant ersuchte Dwight Eisen-hower mehrfach um Versetzung nach Über-see: erst 1915 auf die Philippinen, dann so-fort nach Kriegseintritt der USA 1917 nachFrankreich. Jedes Mal wurde das Gesuch ab-gelehnt, der ehrgeizige Eisenhower schiendem langweiligen Garnisonsdienst in denUSA nicht entfliehen zu können. Stattdessenerhielt er die Aufgabe, eine Einheit des neu

formierten Tank Corps auszubilden, was erhervorragend meisterte. Als konsequenterVerfechter der Mechanisierung der US-Streitkräfte machte er sich mit Denkschriftenunbeliebt und musste disziplinarische Kon-sequenzen fürchten. Er bekam einen Dienst-posten in der Panamakanalzone „verpasst“,wurde dann aber 1925 auf Empfehlung sei-nes Vorgesetzten General Conner zur Gene-ralstabsausbildung in Fort Leavenworth zu-gelassen. Diese bestand er 1926 als bestervon 245 Teilnehmern. Nach verschiedenenVerwendungen in der Militärbürokratie kamEisenhower in den Stab des damaligen Chefdes Stabes der US Army, General MacAr thur,den er 1935 auf die Philippinen begleitete –endlich das ersehnte Auslandsabenteuer! Ei-senhower wurde zum Lieutenant Colonelbefördert und machte sogar den Piloten-schein, der ein lang ersehnter Traum war.Nach dem Kriegseintritt der USA kam erzum Generalstab nach Washington, wo ersich mit strategischen Planungen beschäf -tigte. Er fiel dem neuen Chef des Stabes derUS Army, General Marshall, auf, der ihn un-ter seine Fittiche nahm. Eisenhower unter-nahm eine Inspektionsreise nach Großbri-tannien und wurde als Nachfolger von Ge-neral Chaney Kommandierender Generaldes „European Theater of Operations“. Eine

General Dwight D. Eisenhower

POPULÄR ALS SOLDATUND POLITIKER: DasPrestige, das sich der Texaner Eisenhower wäh-rend des Krieges erwarb,sollte ihm später bei derPräsidentschaftswahl1952 helfen. Die Aufnah-me aus den 1940er-Jahrenzeigt einen gut gelauntenGeneral in seinem Büro. Foto: picture-alliance/Everett Collection

Der „Invasionsexperte“November 1942: Eisenhowerleitete die alliierte InvasionNordafrikas. Unter seinemKommando landeten Britenund Amerikaner 1943 aufSizilien und dem italienischenFestland. Sein militärisches„Meisterstück“ war aber dieLandung am „D-Day“ 1944.

Von Hagen Seehase

„Die einfachste Jagd ist die nachdem Sündenbock.“Dwight D. Eisenhower

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Alliierter Oberbefehlshaber: Eisenhower

steile Karriere, die hier noch nicht ihren Gip-fel erreicht haben sollte.

Im November 1942 übernahm „Ike“ dasKommando über die „Allied ExpeditionaryForce“ für die Landung in Nordafrika.

Eisenhower, der Eroberer!Die Durchführung der „Operation Torch“stellte Eisenhower vor eine politische Heraus-forderung: Er musste die Kooperation derfranzösischen Streitkräfte und Behörden inNordafrika und sogar deren obersten Befehls-haber Admiral Darlan, der vordem noch treu-er Parteigänger des Vichy-Regimes gewesenwar, akzeptieren. Das trug Eisen hower vielKritik ein, mit der er sich jedoch nicht langeaufhielt. Weitere britische Streitkräfte wurdenihm unterstellt, darunter auch Montgomerymit seiner 8th Army. Eisenhower war derOberbefehlshaber während der alliierten Lan-dungen auf Sizilien und in Süditalien – Unter-nehmen, die in militärischer Hinsicht durch-aus als „Generalproben“ für den „D-Day“gelten können. Im Dezember 1943 ernannteihn Präsident Roosevelt – und nicht GeneralMarshall – zum „Supreme Allied Comman-der in Europe“. Am 12. Februar 1944 über-nahm er dann auch noch den Posten als „Su-preme Allied Commander of the Allied Expe-ditionary Force“, eine Doppelfunktion, die erbis zur deutschen Kapitulation behielt!

„Let’s go!“Die Planung der alliierten Landung in Nord-frankreich war eine Herkulesaufgabe, dievon Eisenhower nicht nur Entscheidungs-freude, Durchsetzungsvermögen und Pla-nungskompetenz auf militärisch-operativerEbene verlangte, sondern auch diplomati-sches Geschick auf politischem Gebiet. Esging neben taktischen und logistischen Fra-gen auch um wichtige Personalentschei-dungen und politische Rücksichtnahmen.Bei Admiral King musste er die Zuweisungvon zusätzlichen Landungsbooten vom pa-zifischen Kriegsschauplatz durchsetzen. Mit

Präsident Roosevelt hatte er Meinungsver-schiedenheiten bezüglich eines Abkommensmit dem exilfranzösischen RegierungschefGeneral de Gaulle über den Einsatz von Ein-heiten der Résistance vor und während derInvasion. Beim britischen PremierministerChurchill erwirkte er durch Androhung sei-nes Rücktritts die Unterstellung der briti-schen Bomberflotte unter sein Kommando.Eisenhower verlor bei all den diplomati-schen Winkelzügen aber nicht den Kontaktzu den einfachen Soldaten: Am Vorabend ih-res Einsatzes sprach er zum Beispiel persön-lich mit Angehörigen der 101st Airborne Division. Am 25. Mai 1944 bestätigte Eisen-hower den 5. Juni als Invasionstermin. DasHauptquartier („Supreme Headquarters Al-lied Expeditionary Forces“, SHAEF) wurdenach Southwick House bei Portsmouth ver-legt. Aufgrund widriger Wetterverhältnisse

verschob Eisenhower den Invasionsterminkurzfristig am 4. Juni um 24 Stunden. AmMontag, dem 5. Juni, um 2:00 Uhr früh, tra-fen sich die zwölf höchsten alliierten Befehls-haber unter Eisenhowers Vorsitz im South-wick House. Die Wetterprognose war etwasbesser, Montgomery war für die Landungam 6. Juni, die beiden Air Chief MarshallsTedder und Leigh-Mallory dagegen. Eisen-hower entschied pragmatisch: „Okay. Let’sgo!“ Um 3:30 Uhr gab er den Invasionsbefehl.

Trotz aller Vorbereitungen und der unge-heuren Schlagkraft der ihm unterstelltenVerbände war Eisenhower bezüglich desAusgangs der Invasion nicht ohne Skepsis.Er entwarf sogar ein Rücktrittsgesuch fürden Fall des Scheiterns, in dem er alle Verant-wortung auf sich nahm.

Château-General EisenhowerDoch das Schreiben konnte in der Schubla -de bleiben, die Invasion in der Normandieverlief erfolgreich.

Nach der Landung der Alliierten in Süd-frankreich im August 1944 wurden auch die-se Verbände Eisenhowers Kommando un-terstellt. Er befahl nun über die britisch-ka -nadische 21st Army Group unter GeneralMontgomery, die US 12th Army Group unter General Bradley und General DeversUS 6th Army Group mit amerikanischen undfranzösischen Verbänden. EisenhowersHauptquartier SHAEF verlegte ins „TrianonPalace Hotel“ in Versailles. Seine Untergebe-nen machten es ihm nicht immer einfach, dasie einen Schwerpunkt der Operationen auf

An der nordafrikanischen Front war Gene-ral Eisenhower zu weit vorgeprescht undmusste nun, um nicht abgeschnitten zuwerden, einen weiten Bogen zurück zu deneigenen Linien machen. Stundenlang fuhrer in Begleitung eines einfachen Soldatenin einem Jeep durch die Wüste.

Nachdem er selbst lange Zeit am Steu-er saß, übergab er das Lenkrad dem Un-tergebenen. Eisenhower fiel augenblicklich in tiefen Schlaf – und der Fahrer vermutlichauch, denn der Jeep machte einen Satz

und lag plötzlich in einem Graben. Glückli-cherweise wurde keiner der beiden Insas-sen dabei verletzt. Nach langen Bemühun-gen gelang es ihnen, das Fahrzeug wiederfahrtauglich zu machen und sicher zu deneigenen Truppen zurückzukehren.

„Und was haben Sie mit dem Mann gemacht, der auf seinem Posten einge-schlafen ist?“, wurde der General gefragt.„Ich habe den armen Kerl ins Lazarett ge-schickt, damit er ordentlich ausschlafenkann.“

Endstation Straßengraben

ANSPRACHE ZUM „D-DAY“: Nur wenige Stunden vor dem Einsatz in der Normandie sprichtDwight D. Eisenhower Fallschirmjägern der 101. US-Luftlandedivision Mut zu. Als Oberkom-mandierender litt er darunter, ein „Château-General“ zu sein, der kaum Kontakt zur Fronthatte. Foto: picture-alliance/ZUMAPRESS

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jeweils ihrem Sektor beanspruchten. Eisen-hower gab diesem Drängen zeitweise nach –Kritiker wenden ein, das habe den Krieg ver-längert. Aber er erkannte beispielsweise diestrategische Bedeutung Antwerpens für denalliierten Nachschub. Seinem erfolgreichstenArmeekommandeur, General Patton, ge-währte er sogar große Operationsfreiheit,musste aber häufig zwischen diesem unddem ähnlich „divenhaften“ Montgomeryvermitteln. Dabei empfand es Eisenhowerselbst als großes Handicap, dass er (ungleichMontgomery, Patton und de Gaulle) niemalsselbst Einheiten in den Kampf geführt hatte.Er machte es sich vielleicht deshalb zum Prin-zip, alle an der Invasion beteiligten Divisio-nen persönlich zu besuchen und Gesprächemit den Soldaten zu führen. Zu seinem gro-ßen Verdruss blieb er in seinem Hauptquar-tier in Versailles stets ohne direkten Kontaktzur Front. Er war nahezu abgeschottet durcheinen gewaltigen Stab von Militärangehöri-gen und ein großes Gefolge von Geheim-dienstmitarbeitern, zivilen Behördenvertre-tern, Angehörigen von Hilfsorganisationenund nicht zuletzt von Journalisten.

Differenzen mit de GaulleAm 20. Dezember 1944 stieg „Ike“ zum Ge-neral of the Army auf, dem höchsten Rang inder amerikanischen Armee. Die Endphaseder Kämpfe brachte zwei große Krisen fürihn: Das Auftreten deutscher Kommando-truppen während der Gefechte in den Ar-

dennen führte zu übertriebenen Absiche-rungsmaßnahmen seines Hauptquartiers,die eine effektive Kommandoführung eherbehinderten. Darüber hinaus geriet Eisenho-wer dann auch noch in Streit mit de Gaullebezüglich eines von Eisenhower angeordne-ten Rückzugs der alliierten Streitkräfte aufdie Vogesen, was Straßburg preisgegebenhätte. De Gaulle war damit nicht einverstan-den und drohte, Eisenhower das Komman-do über die französischen Streitkräfte zu ent-ziehen. Aber beide deutschen Offensiven – inden Ardennen und im Elsass – scheitertenletztendlich. Dwight D. Eisenhowers SohnJohn war seit 1944 amerikanischer Offizierund wollte unbedingt in den Kampfeinsatz.General Bradley und General Patton, die bei-de ihren Kommandeur vor der Sorge um dasLeben seines Sohnes verschonen wollten,hielten diesen ohne Wissen General Eisenho-wers mit administrativen Posten in Englandvon der Front fern.

Mit der Kapitulation Deutschlands wur-de Eisenhower zum Militärgouverneur deramerikanischen Besatzungszone in Deutsch-land. Er befahl, die NS-Verbrechen in denKonzentrationslagern umfassend und ge-nauestens fotografisch und filmisch zu do-kumentieren. Er lockerte das Fraternisie-rungsverbot gegenüber der deutschen Zivil-bevölkerung, ließ 400.000 Tonnen Lebens -mittel an deutsche Zivilisten verteilen undsetzte sich für weitere Nahrungs- und Arz-neimittelhilfen an Deutschland ein.

Karrierekrönung: PräsidentIm November 1945 kehrte Eisenhower nachWashington zurück, um Marshalls Nachfol-ger als Chef des Stabes der amerikanischenArmee zu werden. In dieser Position hatte erden Rücktransport der US-Truppen aus Eu-ropa zu organisieren. Eisenhower gehörteaußerdem zu den Kritikern des Atombom-beneinsatzes gegen Japan und hielt ein zu-künftiges gutes Verhältnis zur Sowjetunionfür möglich. Letzteres musste er aber ange-sichts des aggressiven Auftretens der Sow-jets in Deutschland und im griechischen Bür-gerkrieg revidieren.

Eisenhower erhielt Angebote der beidenamerikanischen Parteien, für die Präsident-schaftswahlen von 1948 zu kandidieren,

lehnte aber – zunächst noch – ab. Er nahm lie-ber den Präsidenten-Posten der ColumbiaUniversity an und veröffentlichte seine Me-moiren unter dem schillernden Titel „Crusa-de in Europe“ („Kreuzzug in Europa“). Ende1950 trat er von seinem Universitätsamt zu-rück, um erster Oberkommandeur der NATOin Europa zu werden. Im Mai 1952 nahm erseinen endgültigen Abschied von der Armee,und nach einem kurzen Intermezzo als zu-rückgekehrter Universitätspräsident wurdeer am 20. Januar 1953, nach einem überwälti-genden Wahlsieg über den demokratischenKandidaten Adlai Stephenson, der 34. Präsi-dent der Vereinigten Staaten von Amerika.

Als Präsident gelang ihm die Eindäm-mung und Zurückdrängung des sowjetischenEinflusses. Eine kostspielige Neuausrüstungder konventionellen US-Streitkräfte lehnteer aus wirtschaftlichen und haushaltspoliti-schen Gründen ab, stattdessen setzte er aufnukleare Abschreckung. Zu den außenpoliti-schen Krisensituationen seiner Amtszeit ge-hörten die Suezkrise und der Ungarnaufstand1956, der „Sputnikschock“ 1957 sowie der Ab -schuss einer U2 über der Sowjetunion 1960.Eisenhower formulierte die sogenannte Do-minotheorie, die eine der Grundlagen für dieUS-Außenpolitik in Südostasien werden soll-te. 1956 wurde er wiedergewählt, erneut alsSieger über den unglücklichen Stephenson.

Am 28. März 1969 erlag Dwight D. Eisen-hower in Washington einem langjährigenHerzleiden. Er wurde in Abilene, Kansas, ander Seite seines als Kind verstorbenen Soh-nes Doud beigesetzt.

Eisenhower zieht ins Weiße Haus ein

„Was nicht auf einer einzigen Manuskriptseite zusammengefasstwerden kann, ist weder durchdachtnoch entscheidungsreif.“Dwight D. Eisenhower

LiteraturtippsBrendon, Piers: Eisenhower. Von West Point insWeiße Haus. München 1988

Ambrose, Stephen: Eisenhower. New York1983/1984. 2 Bände (auch als „Eisenhower.Soldier and President“ in einer einbändigen [gekürzten] Fassung erschienen)

Hagen Seehase, Jg. 1965, Studium der Germanistikund Geschichte, Autor von Büchern und Fachartikeln,besonders zu Themen der britischen Geschichte undMilitärgeschichte.

STAATSBEGRÄBNIS IN „STARS AND STRIPES“: Eine Ehrengarde bewacht denSarg des ehemaligen Generals und Präsiden-ten am 31. März 1969 im Rundbau des Ka-pitols in Washington. Seine letzte Ruhestät-te fand „Ike“ im US-Bundesstaat Kansas.

Foto: picture-alliance/dpa

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Meinung

Was auch immer am Vortag der alliierten Lan-dung am 6. Juni 1944 auf dem Obersalzbergherrschte: Nervosität war es jedenfalls nicht.

Bis auf ein paar wenige Besprechungen war alles wieimmer verlaufen, der „Führer“ residierte auf dem Berg-hof und gab seinen Obsessionen des monologisierendenHerrschers der Welt und kunstsinnigen Bohemiens nach.

Das erlebte an diesem 5. Juni auch Joseph Goebbels,der mit Hitler lange Unterredungen über die Unzu-länglichkeiten Görings und Ribbentrops führte und da-bei insgeheim seinen Plan weiter verfolgte, den Führervon der Notwendigkeit des „Totalen Kriegs“ zu über-zeugen – selbstverständlich unter seiner, Goebbels, Lei-tung. Im Übrigen jedoch eröffnete Hitler ihm – frei von„Depression oder von seelischer Erschütterung“, so dasGoebbel’sche Tagebuch – ausufernde Pläne über die„Zukunft des Krieges, groß gefasst und von einer au-ßerordentlich tiefgründigen Phantasie“ zeugend.

In der Tat: Phantasie- und folgenreich waren die Hit-lerschen Vorstellungen, wenn auch kaum „tiefgrün-dig“. Mit England etwa sei keine Verständigung mög-lich, weshalb er, Hitler, fest entschlossen sei, dem Land„den Todesstoß zu versetzen, wenn er auch nur die ge-ringste Gelegenheit dazu bekommt“. Selbst Goebbelszeigte sich an diesem Juni-Tag 1944 unsicher darüber,„wie er das im Einzelnen durchführen wird“, tröstetesich dann aber sogleich mit den autosuggestiven Wor-ten, dass „sein Führer“ es ja schon oft geschafft habe,„Pläne, die im Augenblick absurd klangen, in spätererZukunft doch zu verwirklichen.“

Der Abend aber gehörte – nach dem üblichen nach-mittäglichen und sich Stunden hinziehenden Ritual imTeehaus und den kurzen Spaziergängen davor und da-nach – dem Beisammensein vor dem Kamin und wei-teren, teils endlos sich hinziehenden „Plaudereien“.Am 5. Juni schaute man zuvor „noch die neue Wochen-schau an, die ausgezeichnete Bilder bringt“, wie Goeb-bels in seinem Tagebuch vermerkte, um hernach „nochbis nachts um 2:00 Uhr am Kamin“ zu sitzen. „Wir tau-schen Erinnerungen aus, freuen uns über die vielenschönen Tage und Wochen, die wir zusammen erlebthaben. Kurz und gut, es herrscht eine Stimmung wie inden guten alten Zeiten.“

An dieser so gespenstischen wie anhaltend gutenStimmung des Führungszirkels und der hervorragen-den mentalen und äußerlichen Verfassung Hitlers – er

sehe, so Goebbels, „blendend aus“ – hatten auch die in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni eingelaufenen Mel-dungen über die Besetzung Roms durch alliierte Trup-pen nichts zu ändern vermocht. Italien war als Kriegs-schauplatz – und erste europäische Region einer alliier-ten Landung – offensichtlich von zweitrangiger Natur.Zwar wäre, wie es ungewöhnlich offen schon in derFührerweisung Nr. 51 vom 3. November 1943 hieß, „dieGefahr im Osten geblieben, aber eine größere im Wes-ten zeichnet sich ab: die angelsächsische Landung!“Gelänge ihr der „Einbruch in unsere Verteidigung“, sodamals der richtige Umkehrschluss, wären „die Folgenin kurzer Zeit unabsehbar“.

„Die Entscheidung fällt zweifellos im Westen“, ver-traute der Propagandaminister seinem Tagebuch an,damit die Überzeugung Hitlers wiedergebend. Und„was die Invasion anlangt, so sieht der Führer ihr mitvollem Vertrauen entgegen. Rommel hat die in ihn ge-setzten Hoffnungen vollauf erfüllt.“ Einzig das überdem Obersalzberg und Berchtesgaden am spätenAbend des 5. Juni niedergehende schwere Gewitterschien ein Vorbote kommenden Unheils.

Verblendetes VertrauenDer Verblendungszusammenhang, der sich hier mitBlick auf die halb privaten Gepflogenheiten und Denk-weisen Hitlers und seines engeren Umkreises über dieKriegslage im Allgemeinen und die bevorstehende In-vasion im Besonderen zeigte, war allenthalben anzutref-fen: innerhalb der militärischen Führung ebenso wieunter den im Westen stationierten Soldaten. Die Ver-bundenheit mit Hitler (sie sollte sich dann vor allem be-stätigen, nachdem der Führer das mutige Attentat vom20. Juli 1944 überlebt hatte), die Nähe zur NS-Ideologie,vor allem aber die Entschlossenheit zu kämpfen, trotzder absehbaren materiellen Überlegenheit des Gegners

Wer ist schuld an der Fehleinschätzung des alliiertenLandungsschwerpunktes?

Von Bernd Ulrich

Pas de Calais oder Normandie?

LiteraturtippsBoog, Horst/Krebs, Gerhard/Vogel, Detlef: Das DeutscheReich in der Defensive. Strategischer Luftkrieg in Europa.Krieg im Westen und in Ostasien 1943–1944/45. In: Militär-geschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Das Deutsche Reichund der Zweite Weltkrieg. Bd. 7, Stuttgart/München 2001Keegan, John: Der Zweite Weltkrieg. Berlin 2004

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– und trotz der desolaten deutschen Gesamtlage imFrühsommer 1944 –, war nach wie vor stark ausgeprägt.Und dies nicht nur bei den im Westen stationierten Waf-fen-SS-Einheiten oder Fallschirmjägern.

Sicher, gewisse „Etappenerscheinungen“ – oder, wie der Oberbefehlshaber West, GeneralfeldmarschallGerd von Rundstedt, noch Ende 1943 angeprangerthatte, die „Verwässerung der Westeinheiten“ – bliebenunübersehbar. Trotz gelegentlicher Luftangriffe undeinzelner Aktionen des französischen Widerstands leb-te es sich als Wehrmachtssoldat in der französischen„Festung Europa“ bislang immer noch ungleich ange-nehmer und gefahrloser als an allen anderen Frontab-schnitten. Es gab keinen flächendeckend vorhandenenoder mit den Monaten der „Blitzsiege“ vergleichbarenKampfgeist. Und der vorhandene wurde durch die ge-ringe Kampfkraft mancher Verbände, die oft aus Rest-beständen zerschlagener Einheiten zusammengefügtworden waren, nicht gerade befördert. Hinzu kam,dass viele Soldaten im Falle eines alliierten Angriffs –und anders als an der Ostfront – keine Angst davor hat-ten, in Gefangenschaft zu geraten. Es hatte sich nachden Erfahrungen in Nordafrika und in Italien herum-gesprochen, dass die Alliierten gemeinhin das Kriegs-völkerrecht achteten. Schließlich sprach auch die auffällige Zunahme von Selbstmorden und Fahnen-fluchtdelikten seit Mitte 1943 für einen veränderten Erwartungshorizont mancher deutscher Soldaten.

Aber all das minderte weder die weit über die Inva-sion hinaus anhaltende Kampfzähigkeit deutscherTruppen, noch änderte es etwas an der weit verbreite-ten Überzeugung unter den Soldaten und Offizieren,die sie mit ihrem „Führer“ teilten, jeder alliierten Lan-dungseinheit im Gefecht turmhoch überlegen zu sein.Mehr als alle mangelhaften logistischen oder verfehltentaktischen Vorbereitungen oder Führungsfehler, mehrauch als die Fehleinschätzungen des Landungszeit-punktes und -ortes oder auch die absolute Luftherr-schaft der Alliierten war es diese von sich so überzeug-te wie verblendete Kampfbereitschaft, die im Westen al-lein bis Mitte August rund 250.000 tote, verwundeteoder gefangen genommene deutsche Soldaten forderte.

Getäuschte ArmeeführungDie Vorbereitungen auf deutscher Seite, die drohendeund seit Ende 1943 sicher erwartete „angelsächsischeLandung“ wenn nicht zu verhindern, so doch sofortzurückzuschlagen, waren vor allem nach der großenDenkschrift des OB West, Gerd von Rundstedt, am 25. Oktober 1943 und der kurz darauf ergehenden Füh-rerweisung Nr. 51 (3. November 1943) nochmals inten-siviert und in ihren Anordnungen präzisiert worden.

Das betraf naturgemäß auch die Frage, wann undvor allem wo die Anlandungen stattfinden würden. ImHinblick auf den Zeitpunkt herrschte einige Konfusion,wenn man einmal davon absieht, dass sich trotz alleralliierter Täuschungsmanöver und unzureichender ei-gener Aufklärungsmittel zutreffend die erste Hälfte desJahres 1944 (ab März) mit hoher Wahrscheinlichkeit als

Zeitraum für die Invasion herausgeschält hatte. Hit-ler etwa war sich wochenlang ganz sicher, dass der„Angriff im Westen“ im Frühjahr 1944 kommen würde,und legte sich schließlich auf den 18. Mai fest. Knappdaneben ist auch vorbei – alle näheren Bestimmungenvon Tag und Stunde glichen dem Stochern im Nebel,zumal die Alliierten bis einen Tag vor der Landungselbst nicht wussten, wann genau ihre Riesenoperationbeginnen sollte.

Die herrschende Unsicherheit über den genauenZeitpunkt hing indessen auf deutscher Seite aufs Engs-te mit der zugleich spätestens seit Ende 1943 konstatier-ten, felsenfesten Gewissheit zusammen, wo die Lan-dung erfolgen würde, ja, müsse. Nämlich „natürlich“an der engsten Stelle des Kanals, an den Küstenstreifender Picardie und im Artois, vor allem am Pas de Calais,einer der Küstenregionen, von der aus 1940 auch derdeutsche Angriff auf die britische Insel geplant wordenwar (Operation „Seelöwe“).

Namentlich von Rundstedt und der von Hitler ge-schätzte Generalfeldmarschall Erwin Rommel, seit An-fang November 1943 mit seinem Heeresstab zu einerArt Revisor der Verteidigungsvorbereitungen im Küs-tenbereich befohlen, favorisierten diese Variante. Sieließen sich davon auch nicht durch die Ergebnisse di-verser Planspiele, die Ahnungen einiger Armeeführerund die seit März verstärkt einlaufenden Agentenmel-dungen abringen, nach denen die Normandie, insbe-sondere die Gegend um die Orne-Mündung, die Calva-dos-Küste, Teile der Halbinsel Contentin und der RaumSainte-Mère-Église im Zentrum des Unternehmens„Overlord“ standen.

Diese Gewissheit war so stark, dass sie – im Vereinmit den ebenso sicher erwarteten Täuschungsmanö-vern und Scheinangriffen der Alliierten – noch Geltungbeanspruchte, als die Landung in den Morgenstundendes 6. Juni 1944 in der Normandie begann. Teils bis En-de Juli war die deutsche Führung überzeugt, dass dereigentliche Landungsangriff noch bevorstehen würde –an der Kanalküste.

Einzig Hitler, der sonst in nahezu allen Belangenden Plänen der beiden Feldmarschälle gefolgt war undin seiner Weisung Nr. 51 vom 3. November 1943 eben-falls die Kanalküste als alliierten Landungsschwer-punkt ausgemacht hatte, begann im März 1944 skepti-scher zu werden. Er veranlasste die Verlegung einigerweniger Einheiten in die Gegend um Caen und an dieCalvados-Küste. Dazu gehörte auch die 352. Infanterie-division; sie war jener kampfstarke Verband, der denamerikanischen Soldaten am „Omaha Beach“ so mas-sive Verluste zufügte.

Allerdings hat weder diese Aktion noch hätten prä-zise Kenntnisse über Zeit und Ort der Invasion die ab-sehbare Niederlage verhindert.

Dr. phil. Bernd Ulrich studierte Geschichte und Germanistik an der FU Berlin. Er arbeitet als Historiker und Autor für Verlage,Rundfunk und Zeitungen sowie als Ausstellungskurator.

„DIE ENTSCHEI-DUNG FÄLLT IMWESTEN“: Auf deut-scher Seite erwarteteman eine Landung inFrankreich – der Zeit-punkt wurde rechtakkurat eingeschätzt,aber beim Ort hatsich die Militärfüh-rung verkalkuliert.Das Bild zeigt einenWachposten vor ei-nem Geschütz am Atlantikwall.

Foto: picture-alliance/ZB

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Schlacht in der Normandie

Operation „Cobra“

Vorbei an Ruinen, Trümmern und aus-gebranntem Kriegsgerät holperte derStabswagen durch die Landschaft. Sein

Ziel war der Stab der Panzer-Lehr-Divisionsüdwestlich von Saint-Lô. Der Verband hatteerst Ende Juni 1944 die Caen-Front verlassen.

Als der Druck der Amerikaner nach derEinnahme von Cherbourg rasant zunahm,sollte nun die Panzer-Lehr-Division denKampf gegen die US-Soldaten fortsetzen.Sie war hier das Rückgrat der Verteidigungund Feldmarschall Kluge, dem neuen OBWest, so wichtig, dass er seinen eigenenSohn als Abgesandten zu ihr schickte, umseine Befehle zu übermitteln. Der jungeOberstleutnant Kluge fühlte sich in seinersauberen Uniform sichtlich unwohl im Krei-se dieser von den schweren Kämpfen ge-zeichneten Offiziere der Division. Er richte-te schließlich das Wort an ihren Komman-deur Fritz Bayerlein und teilte diesem mit,dass der Feldmarschall verlange, dass dieLinie Saint-Lô–Périers gehalten werde. To-tenstille. Bayerlein sah mit trüben Augen zuihm auf, ehe er leise antwortete: „MeldenSie dem Feldmarschall, die Panzer-Lehr istvernichtet.“ Generalleutnant Bayerlein hat-te keineswegs übertrieben.

Zäher WiderstandMit der Operation „Goodwood“ hatten dieBriten ihr letztes großes Opfer an der Nor-mandiefront gebracht. Ihr Ziel war es gewe-sen, die schlagkräftigen deutschen Panzer-verbände auf sich zu ziehen. Und sie hattenErfolg: Während die „Panzergruppe West“sieben Infanterie- und acht Panzerdivisio-

nen gegen die Briten ins Feld führte, stan-den den Amerikanern lediglich acht Infan-teriedivisionen und drei motorisierte Ver-bände gegenüber.

Doch der Preis, den die Briten gezahlthatten, war sehr hoch gewesen. Nun oblages den Amerikanern, ihren Teil der Aufgabezu erfüllen – den großen Durchbruch an derNormandiefront.

Nach dem Fall von Cherbourg am 26./27. Juni 1944 waren die US-Soldaten aller-dings nur sehr langsam vorangekommen.Schlechtes Wetter, ungünstiges Gelände undnicht zuletzt der zähe deutsche Widerstandhatten dazu geführt, dass Saint-Lô erst am19. Juli fiel. Mit diesem entscheidenden Ver-kehrsknotenpunkt in der Hand beabsichtig-te Generalleutnant Omar Bradley, Oberbe-

Der große Durchbruch

SCHILDERWALD: Ein US-Soldat blickt auf von den Deutschen auf ihrem Rückzug zurück-gelassene Hinweistafeln. Mit „Cobra“ gelang den Alliierten schließlich der entscheiden-de Durchbruch. Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage

Juli 1944: Bislang war den Alliierten der entscheidende Schlag gegen die deut-schen Verbände in der Normandie verwehrt geblieben. Doch die Voraussetzungenfür einen alliierten Erfolg verbesserten sich von Tag zu Tag. Von Stefan Krüger

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51Clausewitz Spezial

fehlshaber der 1. US-Armee, die Durch-bruchsschlacht am 24. Juli zu beginnen. Dasauf den Namen „Cobra“ getaufte Unterneh-men sah vor, die deutschen Linien westlichvon Saint-Lô zu durchstoßen. Die wichtigsteEtappe war der Küstenort Avranches. Vonhier aus sollten die US-Divisionen in alle dreiRichtungen ausschwärmen, um zum einendie leistungsstarken Häfen in der Bretagneeinzunehmen und zum anderen die deut-sche 7. Armee und die „Panzergruppe West“mit einem großen Schwenk nach Osten ein-zukesseln und zu vernichten.

Neben dem V. und VII. US-Korps standenBradley nun auch noch das VIII. und XIX.Korps zur Verfügung. In Reserve hielt sich diegesamte 3. US-Armee unter George SmithPatton mit drei Korps bereit. Insgesamt warenzu diesem Zeitpunkt bereits 1,3 Millionen al-liierte Soldaten beziehungsweise 31 Divisi -onen in der Normandie aufmarschiert, darun-ter allein 770.000 Amerikaner. Den stärksten

Trumpf der Verbündeten stellten jedoch11.000 Flugzeuge dar, denen kaum 1.000 deut-sche Maschinen gegenüberstanden, die zu-dem bedeutend weniger Einsätze flogen.

Verheerender BombenteppichDie Wehrmacht hatte inzwischen 25 Divisio-nen in der Normandie zusammengezogen,deren Stärke am Vorabend von „Cobra“ je-doch lediglich 16 vollständig aufgefülltenVerbänden entsprach. Zudem litten dieDeutschen erheblich unter Munitions- undTreibstoffmangel. Der Quartiermeister der 7. Armee meldete gar, dass die Versorgungder Armee nicht mehr gewährleistet sei.

Die 14 Divisionen der 1. US-Armee tratensomit unter denkbar günstigen Vorausset-zungen zu „Cobra“ an, vor Pannen und ei-ner ungünstigen Wetterlage waren sie indesnicht gefeit. So verschob Bradley das Unter-nehmen aufgrund schlechten Wetters aufden 25. Juli. Eine Kommunikationspanne

führte jedoch dazu, dass einige Bomber den-noch aufstiegen und prompt die eigenenLeute bombardierten. Das Resultat waren et-wa 600 Soldaten Verluste.

Am nächsten Tag aber stiegen über 2.000Flugzeuge auf, die einen dichten Bomben-teppich auf ein lediglich sieben mal drei Ki-lometer großes Gebiet legten. Dort verteidig-ten sich die Panzer-Lehr-Division und Teilebenachbarter Fallschirmjägerregimenter. Alsob dies nicht genug gewesen wäre, flogenden schweren Maschinen anschließend 400Jagdbomber hinterher, die der Panzer-Lehr-Division endgültig das Genick brachen. Alsdas VII. US-Korps am Ende vorrückte, fan-den die Amerikaner meist nur noch Leichenund Wracks. Der Weg war frei.

Erst am nächsten Tag trafen die US-Solda-ten auf Widerstand, den die alliierten Fliegerjedoch erneut niederbombten. Die drei an-greifenden Infanteriedivisionen des VII.Korps hatten es somit geschafft, ein großes

WICHTIGER ETAPPENSIEG: Ein Half-track derUS-Armee durchquert die Kleinstadt Avranches,Ziel des gescheiterten deutschen Unternehmens„Lüttich“. Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage

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Schlacht in der Normandie

Loch in die deutsche Verteidigung zu schla-gen. Generalmajor Lawton Collins, Kom-mandeur des VII. US-Korps, entschied da-her, bereits am 27. Juli seine beiden Panzer-divisionen in die Schlacht zu werfen, umnun rasch einen Durchbruch zu erzwingen.Dies war gewiss etwas früh, doch der Erfolggab ihm Recht: Schon am 28. Juli 1944 stan-den seine Tanks in Coutances. Für die Vertei-diger bedeutete dies eine Katastrophe, dennnun waren die vier Divisionen, die sich nörd-lich der Ortschaft momentan gegen das VIII.US-Korps verteidigten, abgeschnitten. Raschversuchten sich die Deutschen vom Feind zulösen, den meisten gelang die Flucht jedochnicht mehr.

Vor dem ZusammenbruchVerzweifelt versuchte Kluge, die Lücken zustopfen, indem er Verbände von der „Pan-zergruppe West“ abzog. Deren Zahl waraber erstens viel zu gering und zweitens kamdie Verstärkung zu spät. Dazu trugen auchFesselangriffe der kanadischen Armee undFliegerangriffe bei. Der Zusammenbruch deslinken Flügels der 7. Armee war nun nichtmehr aufzuhalten. Lediglich die Verbändeöstlich von Saint-Lô hielten sich noch, wenn-gleich die US-Soldaten sie nach und nach zurückdrängten. Konsequent spielten dieAmerikaner nun ihren letzten großenTrumpf aus und schoben die 3. US-Armeeunter Patton in die geschlagene Bresche. Pat-ton nahm am 31. Juli Avranches und vollen-dete damit den „Dammbruch“. Eine zusam-menhängende deutsche Front existierte hierzu diesem Zeitpunkt nicht mehr.

Der schnelle Erfolg verführte die Verbün-deten dazu, größere Risiken einzugehen.Hatte das Hauptziel ursprünglich darin be-standen, bis zum Herbst des Kriegsjahres

Alliierte Durchbrüche (Saint-Lô/Avranches)KARTE

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich

AUF DEM VORMARSCH: Soldaten des VII. US-Korps begutachten auf einer frei -gekämpften Straße die eigenen Verluste.

Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage

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53Clausewitz Spezial

Deutsche in Bedrängnis

1944 große Häfen einzunehmen, um die Ver-sorgung mit Nachschub endlich auf ein so-lides Fundament zu stellen, beabsichtigtendie Alliierten nun alles daranzusetzen, umdie deutschen Normandie-Armeen zu ver-nichten. Bradley, der mittlerweile das Kom-mando über die 12. Armeegruppe übernom-men hatte und damit für beide US-Armeenverantwortlich war, unterstellte hierfür dasVIII. Korps der 3. Armee unter Patton. Die-ser erhielt sodann den Befehl, lediglich einKorps auf die strategisch wichtigen Bretag-ne-Häfen anzusetzen, während die drei üb-rigen Großverbände der 3. Armee den Kesselschließen sollten. Die Amerikaner schwan-gen den Hammer, während die Briten undKanadier weiterhin den Amboss bildeten.

Letztere blieben indes nicht untätig. DerAbzug der Panzer-Lehr-Division vor einem

Monat und die vielen schweren Schlachtenforderten mittlerweile deutlich ihren Tributvon den deutschen Truppen an der Caen-Front. So meldete die „Panzergruppe West“nach dem Abbruch der alliierten Operation„Goodwood“ am 20. Juli, „dass in Kürze dieSubstanz der Divisionen aufgebraucht seinmuss“. Allein bis zum 24. Juli summiertensich die Verluste in der gesamten Normandieauf mehr als 116.000 Mann. Als Ersatz trafenlediglich etwa 10.000 Soldaten ein.

Furcht vor GegenstoßEin Durchbruch, wie er den „amerikani-schen Vettern“ gelungen war, blieb den Bri-ten und Kanadiern zwar verwehrt. Dochdrängten sie die Deutschen nach und nachzurück. So standen sie am 5. August rundzehn Kilometer südlich von Caen und etwa

20 Kilometer südlich von Villers-Bocage, wodie schwere SS-Panzer-Abteilung 101 am 13. Juni ihren großen Erfolg über die britische7. Panzerdivision errungen hatte. Nun sah esdüster aus für die Wehrmacht: Hammer undAmboss kamen sich unaufhörlich näher.

Während bei den Alliierten die Zeichenalso auf Sieg standen, erhielt Eisenhower un-erwartet eine eindringliche Warnung des Ge-heimdienstes: Die Deutschen planten angeb-lich einen massiven Gegenschlag mit Pan-zerkräften. War dies überhaupt möglich?

Hitler hatte am 2. August tatsächlich angeordnet, einen Gegenstoß mit mehre-ren Panzerdivisionen auszuführen. Ziel desUnternehmens „Lüttich“ war Avranches.Der Diktator hoffte, die 3. US-Armee voll-ständig abschneiden und aufreiben zu kön-nen. Feldmarschall Kluge, der seit Rommels

AUF DEM WEG NACH VORN: Sol-daten der 12. SS-Panzerdivision„Hitlerjugend” in einem Pionierpan-zerwagen (Sd.Kfz. 251/7). Mithilfeder Spezialausrüstung sowie derbeiden Pionierbrücken konnten diePanzerpioniere die Truppe im An-griff wirkungsvoll unterstützen. DerSchützenpanzerwagen ist aufwen-dig getarnt, das MG zur Fliegerab-wehr bereit. Foto: NARA

MIT GESENKTEM HAUPT: Eine Kolonne deutscherGefangener in einem im Rahmen der Operation„Cobra“ von den Alliierten eroberten französi-schen Dorf. Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage

BILANZ: Ein RAF-Pilot ergänztauf dem „Squadron board“ diemit seiner „Hawker Typhoon“ imKampf gegen die Luftwaffe unddeutsche Bodentruppen errun-genen Abschüsse.

Foto: picture-alliance/empics

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zentrieren. Mittlerweile aber näherte sich die3. US-Armee Brest, Lorient und Saint Nazai-re in der Bretagne, wo 92.000 deutsche Solda-ten Gefahr liefen, eingeschlossen zu werden.Auch auf Domfront im Osten und Le Mansim Südosten von Avranches rückten PattonsMänner im hohen Tempo vor. Damit befan-den sich die Amerikaner bereits tief im Rü-cken der deutschen Normandiefront. VonDomfront nach Argentan waren es wiederumnur noch 57 Kilometer, sodass die 3. US-Ar-mee auch den Nachschublinien der deut-schen Truppen gefährlich nahekam. Es warein Wettlauf darum, wem es zuerst gelingenwürde, den anderen von der Versorgung ab-zuschneiden.

Unternehmen „Lüttich“ Hitler gab deshalb nach und genehmigte dieOffensive. 140 Panzer und 60 Sturmgeschüt-ze standen bereit. Auch die deutsche Luft-waffe sollte diesmal eingreifen und den Pan-zern mit über 300 Jägern ein schützendesDach bieten. So konnte es gehen, es warenschließlich „nur“ rund 30 Kilometer.

schwerer Verwundung am 17. Juli 1944 auchdessen Heeresgruppe B führte, erkannterichtig, dass nur dann eine geringe Aussichtauf Erfolg bestand, wenn die Deutschen sofrüh wie möglich losschlugen. Er hatte je-doch größte Mühe, Verbände von der Caen-Front abzuziehen. Zu groß war der DruckMontgomerys. Bis zum 6. August versam-melten sich daher lediglich vier Panzer- undzwei Infanteriedivisionen im Raum Mortain,das 36 Kilometer östlich von Avranches ent-fernt lag. Bei den vier Panzerdivisionen han-delte es sich ausnahmslos um Verbände, diezuvor der 15. Armee unterstellt gewesen wa-ren, ehe man sie viel zu spät in die Norman-die schickte. Dem raffinierten Täuschungs-unternehmen der Alliierten (Operation „For-titude“), mit dem sie den Deutschen eineLandung am Pas-de-Calais vorgaukelten,kommt somit, wie man sieht, durchaus eineentscheidende Bedeutung zu.

Kluge wollte nun angreifen. Die Zeitdrängte. Doch Hitler war nicht begeistert, erbestand darauf, noch weitere Verbände he-ranzuführen. Er forderte, die Kräfte zu kon-

Der deutsche Gegenangriff brach in derNacht vom 6. auf den 7. August 1944 los. Zü-gig rasselten die Panzer nach Westen, Mor-tain fiel wieder in deutsche Hand. Ein gutesDrittel der Strecke hatte die Wehrmacht be-reits in den ersten Stunden zurückgelegt.Bradley wurde nervös. Er hatte die Schlag-kraft des Feindes offenbar unterschätzt unddie Divisionen der 1. US-Armee, die diesenBereich verteidigten, gerieten in arge Be-drängnis. Mit dem Tageslicht aber kamen dieJagdbomber. Planmäßig hoben zwar auchdie deutschen Jäger ab, doch verwickeltenalliierte Flugzeuge diese unverzüglich inKämpfe und schossen die meisten ab, ehe sieauch nur in die Nähe von Mortain kamen.

Die Jagdbomber vom Typ „Hawker Ty -phoon“ feuerten daher ungestört ihre Luft-Boden-Raketen auf die Panzer ab. Welle aufWelle stürzte sich auf die Deutschen. DieLuftangriffe haben maßgeblich dazu beige-tragen, das Unternehmen „Lüttich“ abzu-würgen. Zudem schafften die Amerikanereilig Feldartillerie in großen Stückzahlenherbei, um den Gegenangriff zusammenzu-

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Schlacht in der Normandie

À VOTRE SANTÉ: US-Solda-ten stoßen mit französischenZivilisten in einem erobertenDorf auf den Erfolg über dieDeutschen an.

Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage

SCHWERSTARBEIT: Eine „Hawker Typhoon“ Mk.Ib der 2nd Tactical Air Force (TAF) wird im Juni 1944 auf einemvorgeschobenen Flugfeld in der Norman-die mit 60-lb-Raketen für den nächstenKampfeinsatz bestückt. Foto: Sammlung WM

ZWISCHEN LEBEN UND TOD: Eine motori-sierte US-Einheit passiert ein aufwendig gestaltetes Grab für einen Soldaten der Waffen-SS in einem Waldstück.

Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage

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55Clausewitz Spezial

schießen. Kluge gab jedoch nicht auf. Erwusste, dass dies die allerletzte und zugleichwinzige Chance war, die große Katastropheim Westen noch abzuwenden. Genau wieMontgomery zuvor im Juli erhöhte er daherden Einsatz und befahl, weitere Verbändevon der „Panzergruppe West“, die am 5. Au-gust in 5. Panzerarmee umgetauft wordenwar, abzuziehen, um den Angriff am 9. oder10. August wieder anzukurbeln.

Dramatische EntwicklungDoch nun überschlugen sich die Ereignisse:Am 8. August trat die 1. kanadische Armee,unterstützt von polnischen Verbänden, süd-lich von Caen zur Offensive an. Operation„Totalize“ hatte das Ziel, den Amerikanernentgegenzustoßen, die am 9. August LeMans erreichten und daraufhin nach Nordeneinschwenkten. Die Schlinge zog sich zu.Der kurz zuvor beförderte SS-Oberstgrup-penführer und Generaloberst der Waffen-SSPaul Hausser, Oberbefehlshaber der 7. Ar-mee, drängte Kluge daher, Teile der 5. Pan-zerarmee den Amerikanern entgegenzuwer-fen. Dies bedeutete freilich nichts anderes,als „Lüttich“ aufzugeben.

Ursprünglich hatten die Alliierten beab-sichtigt, den großen Kessel erst an der Seinezu schließen. „Lüttich“ bewegte sie jedochdazu, die Falle bereits zwischen Falaise undArgentan zuschnappen zu lassen. Die kana-dische Armee hatte daher den Auftrag, den

Höhenrücken südlich von Caen zu überwin-den und Falaise zu nehmen. Zwischen dieserStadt und den Kanadiern lag allerdings dasIII. Flakkorps, das bereits den Briten wäh-rend „Goodwood“ schwere Verluste zuge-fügt hatte. Generalleutnant Guy Simonds,der das II. kanadische Korps befehligte,plante daher, in der Nacht vom 7. auf den 8. August ohne Artillerievorbereitung anzu-greifen. Er setzte auf Tempo und Überra-schung. Aus diesem Grund wies er auch dieInfanterie an, während des Vormarschesnicht wie üblich abzusitzen, sondern in ihrengepanzerten Transportern zu bleiben – eswar der erste größere Angriff mechanisierterInfanterie der Geschichte. Rund 1.000 Bom-ber leiteten die Offensive ein.

Insgesamt warfen die Kanadier drei In-fanterie- und zwei Panzerdivisionen, unter-stützt von zwei Panzerbrigaden, in dieSchlacht. Ihnen gegenüber standen drei In-fanteriedivisionen und die 12. SS-Panzer-division „Hitlerjugend“. Simonds Rechnungging auf: Zwar kamen seine Männer wegender Dunkelheit und dem Staub nur sehrlangsam voran, doch nahmen sie den Hö-henzug bis zum Nachmittag ein. SS-Ober-führer Kurt Meyer, Kommandeur der 12. SS-Panzerdivision, wusste, was nun von seinenSoldaten abhing. Noch am 8. August un-ternahm er mit „Tiger“-Panzern einen wü-tenden Gegenangriff, der allerdings nichtdurchschlug.

Um das drohende „Patt“ abzuwenden,forderte Simonds einen weiteren Luftangriffan. Die Bomber verfehlten aber ausgerechnetdie gefürchtete 12. SS-Panzerdivision, die zu-vor obendrein durch eine schwere Panzer-Abteilung verstärkt worden war. Der Angriffder Kanadier und Polen fraß sich fest. Die Alliierten stellten „Totalize“ schließlich am 11. August ein. Das Unternehmen hatte sie1.256 Soldaten und fast 150 Tanks gekostet,während die Deutschen rund 3.000 Mann undetwa 40 Panzer einbüßten. Dass die kana-disch-polnischen Verluste an Infanterie soverhältnismäßig gering ausgefallen waren,lag vor allem an der Taktik des mechanisier-ten Vormarsches.

Alliierter DurchbruchNoch einmal hatte es die Wehrmacht ge-schafft, die Alliierten aufzuhalten, und nochgab es ein Schlupfloch im Osten, das abervon Tag zu Tag kleiner wurde. Immerhin er-kannte an diesem 11. August 1944 die deut-sche Führung – einschließlich Hitler –, dass„Lüttich“ fehlgeschlagen war. Man würdeden Alliierten sogar in die Hände spielen,wenn man die Offensive fortsetzen würde.Die Schlacht in der Normandie war für dieDeutschen verloren.

SELTENER MOMENT: Dieser Soldat der Panzer-Lehr-Division nutzt die Zeitfür eine Ruhepause. Sein Panzer, einPzKpfw IV, ist aufwendig getarnt, uner-lässlich auf dem westlichen Kriegs-schauplatz. Sowohl Seitenschürzen als auch der Zimmerit-Belag sind guterkennbar. Foto: Sammlung Anderson

Gescheiterter Gegenstoß

Stefan Krüger, M.A., Jg. 1982, Historiker aus München.

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Uniformtafel

Von Maximilian Bunk

Akteure im „D-Day“-DramaAm 6. Juni 1944 rollte die allliierte Kriegs-

maschine wie eine riesenhafte Welle andie Küste der Normandie. Es war die größteInvasionsflotte, die die Menschheit bisher ge-sehen hatte – 6500 Schiffe, voll beladen mitPanzern, Lastwagen, Jeeps und Ausrüstungfür eine gigantische Armee. Tausende vonFlugzeugen stellten die Luftüberlegenheit si-cher und unterstützten das Landungsmanö-ver, das in seiner logistischen Komplexität ei-ne absolute Singularität in der Militärge-schichte darstellt. Auf deutscher Seite warteteman hinter einem Bollwerk aus Beton: dempropagandistisch überhöhten Atlantikwall,

der die „Festung Europa“ angeblich vor je-dem Angriff von außen zuverlässig schützenund jede amphibische Großlandung vereitelnwürde. Befestigte Artilleriestellungen, MG-Nester, Bunker und ein Minengürtel warenBestandteile der kolossalen Anlage, die sichvon Spanien bis Norwegen erstreckte. Der„D-Day“ selbst gilt als bedeutende Entschei-dungsschlacht, als einer der wichtigsten Ta-ge in der Geschichte überhaupt. Doch bei alldiesen technischen und weltgeschichtlichenSuperlativen wird oft der Mensch vergessen– denn der Kampf wurde letztendlich vonSoldaten ausgefochten, die in den Panzern

saßen, die von den Landungsbooten an Landstürmten und die in den Gräben des Atlantik-walls saßen. Menschen aus Fleisch und Blutkämpften, töteten und starben an diesem Tagan den Stränden der Normandie. CLAUSE-WITZ rekonstruiert in aufwendigen Uni-formtafeln drei Soldaten, die stellvertretendfür die Armeen stehen sollen, die an diesemschicksalhaften Tag aufeinanderprallten. Fürdas multinationale Heer der alliierten Angrei-fer wurden ein amerikanischer Infanterist sowie ein britischer Fallschirmjäger ausge-wählt – die USA und England stellten zah-lenmäßig das Hauptkontingent der Invasi-onstruppen. Die deutsche Defensive – zah-lenmäßig unterlegen – wird durch einenInfanteristen repräsentiert. Die farbigen unddetaillierten Illustrationen rücken den Men-schen zurück in den Mittelpunkt des grausi-gen Dramas, das damals an den Sandsträn-den der Normandie stattfand.

Verbissen kämpft dieser amerikanische GI(Dienstgrad „Private“) am Omaha-Beach. Er trägt

die Feldjacke M41 (Standardausführung, darüber eine „assault vest“) sowie einen Munitionsgurt vomTyp M-1923. Das Abzeichen auf seinem Helm gibtihn als Angehörigen der „1st Infantry Division“ derUS Army zu erkennen. Die große rote Eins ist derGrund für den Spitznamen der Einheit: „The Big RedOne“. Am rechten Arm ist eine „gas detection bras-sard“ (Armbinde) zu sehen – sie wurde an alle Ein-heiten während der Invasion ausgegeben. Beim Ein-satz von Kampfgas sollte sie sich verfärben und so-mit im Gefecht den Soldaten als Warnsignal dienen.Die Alliierten rechneten fest damit, dass die deut-schen Verteidiger Giftgas einsetzen würden. Bewaff-net ist der Soldat mit dem M1-Garand-Gewehr, daseine Magazinkapazität von acht Patronen hatte.

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ALLIIERTER ANGREIFER AM STRAND

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57Clausewitz Spezial

Dieser deutsche Infanterist trägt die Feldhose M40(feldgrau, Standardausführung) sowie lederne Marsch-

stiefel M1939. Besondere Beachtung verdienen dieHeeresjacke in Splittertarn und der Splittertarn-Helm-

bezug (M1942). Die Zeltbahn am Rücken ist ebenfallsin dieser Ausführung gestaltet. Ein Klappspaten, Gas-

maske, Brotbeutel, Feldflasche sowie Kochgeschirrvervollständigen die Ausrüstung. Als Hauptwaffe trägtder Soldat das Standardgewehr der Wehrmacht – den1935 eingeführten fünfschüssigen Karabiner 98k imKaliber 7,92 Millimeter. Die Waffe wurde bei Mauserhergestellt und millionenfach produziert. Dazu kom-

men noch das am Koppel getragene Bajonett M1898sowie die im Stiefel steckende Stielhandgranate.

Die Illustration zeigt einen britischen Fallschirmjäger-Offizier der „6th Airborne Division“ (Luftlandedivision). Auf den Schulterklappen ist die königliche Krone zu

erkennen – eine steht für einen „Second Lieutenant“, zwei stehen für einen „FirstLieutenant“ und drei für einen „Captain“. Die blaue Umrandung der Kronen

zeigt an, dass es ein Angehöriger einer Luftlandeeinheit ist. Besonders inte-ressant ist die grüne Litze: Wir haben es hier mit einem Soldaten der „Somerset Light Infantry“ (!) zu tun, die – und das ist wohl einmalig – in eine Luftlandeinheit umgewandelt wurde. Im Gras liegt eine Mk V Sten

Gun im Kaliber 9-Millimeter-Parabellum. Das Tarnmuster der Denison-Jacke sowie die Form des Helmes sind typisch für britische Luftlandeein-heiten. Auf dem Rücken ist das hellgrüne „identification panel“ zu erkennen, das im Juni 1944 während der Invasion verwendet wurde –

die Einheit hatte die Aufgabe, die linke eigene Flanke zu sichern.

DEUTSCHE DEFENSIVE

ALLIIERTER ANGREIFER AUS DER LUFT

LiteraturtippBertin, François: D-Day Normandy. Weapons,Uniforms, Military Equipment. EnglischsprachigeVersion 2007 erschienen (Original in Franzö-sisch). 128 Seiten mit über 300 Farbfotografienvon Waffen, Fahrzeugen, Uniformen und Ausrüs-tungsgegenständen beider Konfliktparteien.

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Luftkrieg

Die Nacht vom 5./6. Juni: Ein heftiges Bombardement auf deutsche Stellungen gingder Invasion voraus. Die Luftwaffe stand einem übermächtigen Rivalen gegenüber –der Luftkrieg war entbrannt … Von Dietmar Hermann

Ungleiche Gegner

Der aussichtslose Kampf der Luftwaffe

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59Clausewitz Spezial

Im Januar 1944 begannen die organisatori-schen Vorbereitungen für die geplante In-vasion in Frankreich. Entscheidend für das

Gelingen der Landung war das Erringen derabsoluten Luftherrschaft. Nur so konnte dermassenhafte Transport von Truppen undNachschub über See und deren Landung inFrankreich sichergestellt werden. Außerdembrauchten die Truppen massive Luftunter-stützung, um nicht bereits in der kritischenLandungsphase aufgerieben zu werden. Da-mit so eine gewaltige Aufgabe überhauptdurchgeführt werden konnte, mussten alleWaffengattungen der britischen RAF und deramerikanischen USAF unter ein gemeinsa-

mes Oberkommando gestellt werden. Dafürschuf man die AEAF (Allied ExpeditionaryAir Force), an deren Spitze Air Chief Mar shalTrafford Leigh-Mallory stand. Um die Nach-schubverbindungen, und damit die deutschePosition in Nordfrankreich, zu schwächen,flogen die Alliierten ab April 1944 strategi-sche Luftangriffe zur Vorbereitung der Inva-sion in Nordfrankreich und Belgien. Allewichtigen Objekte wie Verschiebebahnhöfe,Eisenbahnbrücken, Munitions- und Spreng-stoffwerke und Funkmessgerätestellungenwurden in zunehmendem Maße bombar-diert. Ebenso griffen die Bomber die im Auf-bau befindlichen Abschussbasen für HitlersVergeltungswaffen „V1“ und „V2“ an. DieseAktivitäten entgingen auch der Luftwaffenicht. Die Deutschen erwarteten die Invasionfaktisch jeden Tag. Da die Wehrmacht wederüber genügend Flakkräfte noch über ausrei-chende Luftwaffenverbände verfügte, wardie Wirkung der Angriffe beträchtlich. Sys-tematisch versuchten die Alliierten außer-dem, die Flugplätze der wenigen deutschenLuftwaffenverbände in Nordfrankreich zubombardieren, hier allerdings mit geringemErfolg. Durch gute Tarnung, wechselnde Be-legung und Erhöhung der Ausweichrollfel-der blieben die Angriffe auf die deutschenFlugfelder unwirksam.

Ein riesiges Bombardement durch 1.012schwere Bomber der RAF in der Nacht vom5. auf den 6. Juni leitete den „D-Day“ ein.5.000 Tonnen Bomben gingen auf deutscheBefestigungsanlagen und Küstenbatteriennieder. Noch mitten in der Nacht erhielt derGefechtsstand des Schnellkampfgeschwa-ders SKG 10 die Meldung, dass alliierteKampfflugzeuge die Küste zwischen Caenund Carentan bombardierten. Ursprünglichwar das SKG 10 Anfang 1943 als „Anti-Inva-sionsgeschwader“ gebildet worden. Dochder starke Druck an allen Fronten zwangzum Abzug von zwei Gruppen. Somit bliebnur noch die I. Gruppe übrig, die mit speziel-len Fw-190-Langstreckenjagdbombern aus-gerüstet war. Nur vier Fw 190 der 3. Staffeldes SKG 10 stiegen zur Abwehr auf. Dabeikam es zu ersten Luftkämpfen, in deren Ver-lauf vier schwere britischen Bomber abge-schossen wurden.

„Overlord“ läuft anAls die Invasion am 6. Juni 1944 begann, be-saßen die Alliierten die absolute Luftherr-schaft über Nordfrankreich. Wichtig für ihreStrategie während der Landung war die ge-naue Aufgabenverteilung der einzelnenWaffengattungen. Allein 45 Jägerstaffelnübernahmen während der Landung die

TOTALE LUFTÜBERLEGENHEIT: Diesespektakuläre Aufnahme zeigt amerikani-sche Douglas A-20 Havocs (der 416.Bombergroup) bei der Bombardierung derEisenbahnanlagen in der Nähe von Dom-front an der Orne. Die Luftwaffe konntedie Invasion nicht stoppen. Foto: USAF

Beteiligte FlugzeugeFAKTEN

LETZTE VORBEREITUNGEN: Waffenwarte beladen ei-ne Hawker Typhoon mit Bordraketen für den nächstenEinsatz. Die RAF setzte diesen Jagdbomber äußerstwirkungsvoll gegen Bodenziele ein. Foto: Sammlung Hermann

Luftwaffe RAF USAFJäger Fw 190 A Spitfire P-51 Mustang

Me 109 G P-38 LightningJagdbomber Fw 190 G Typhoon P-47 Thunderbolt

Mittlere Bomber Ju 88/188 Boston B-26 MarauderDo 217 Mitchell A-20 Havoc

Schwere Bomber Lancaster B-17 Flying FortressHalifax B-24 Liberator

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Luftkrieg

Heimatverteidigung (ADGB = Air Defenceof Great Britain). Für den wirksamen Schutzüber den Kampfzonen an den Landungs-stränden war die britische 2. TAF zuständig – sie flog am „D-Day“ über 4.000 Einsätze.

Bereits am Vorabend starteten die erstenTransportflugzeuge, die drei Luftlandedivi-sionen hinter den deutschen Linien absetzensollten. Allein dafür mussten genügend Las-tensegler und Transportflugzeuge bereitge-halten werden.

Während sich die Invasionsflotte auf dem Seeweg Richtung französischer Küstebefand, starteten noch in der Nacht 1.350schwe re US-Bomber zu Einsätzen gegendeutsche Küstenbatterien und gegen dieStadt Caen. Zur direkten Luftunterstützungwurden den einzelnen LandungsabschnittenOmaha, Gold, Juno und Sword amerika-nische Bomberverbände zugeordnet. Die 2. Bomberdivision (BD) begann mit 329 B-24-Bombern, die deutschen Stellungen in derOmaha-Landungszone um 6:00 Uhr morgensanzugreifen. Eine Stunde später folg-ten 385 schwere B-17 Bomber der 1. BD imStrandabschnitt Gold und Juno. Zur gleichenZeit lud auch die 3. BD mit 322 B-17 über derKüstenregion im Abschnitt Sword ihre„Fracht“ ab. Nicht ein Luftwaffenjäger griffsie an und es gab so gut wie keine Verluste.Als zweite Aufgabe sollten die Bomber Ver-kehrsknotenpunkte in den vorgelagertenStädten angreifen, um den deutschen Trup-pen den Weg zu den Landungszonen zu versperren. 528 Bomber übernahmen gegen9:00 Uhr diese Aufgabe.

Ungleiches KräfteverhältnisDie 8. USAF flog ihren vierten und letztenEinsatz mit 736 schweren Bombern gegenVerkehrsknotenpunkte in den kleinen Städ-ten südlich und östlich der Landungsgebie-

te. Für den Begleitschutz sorgten im Laufedes Tages 1929 US-Jäger.

Während die RAF und USAF in Großbri-tannien über 12.000 Maschinen für die ge-plante Landung bereitstellte, verfügte dieLuftwaffe in Frankreich nur noch über gerin-ge Kräfte. Zum einen waren das die beidenJagdgeschwader JG 2 und JG 26. Seit demWestfeldzug 1940 waren diese beiden Ge-schwader ohne Pause ununterbrochen imEinsatz. 14 Tage vor der Invasion musstenbeide Geschwader sogar noch sechs voll aus-gerüstete Jagdstaffeln an die Reichsverteidi-gung abgeben. Damit besaß die 3. Luftflottein Frankreich nur noch vier Jagdgruppen zuje vier Staffeln mit einer Einsatzstärke vonrund 20 Jägern je Gruppe. Hinzu kamen zumanderen noch eine Gruppe des SKG 10 mitrund 30 Fw 190 und einige wenige weitereKampfverbände.

Betrachtet man nur die Anzahl der Jagd-flugzeuge, so lag das Kräfteverhältnis beihöchstens 1:50. Dieses Ungleichgewicht soll-te sich erst Tage später für die deutsche Sei-te bessern. Es verwundert auch nicht, dasssich die wenigen deutschen Jäger nicht zum

Kampf stellten, weil sie anfangs ausschließ-lich zu Tiefangriffen auf Landungsfahrzeugeund Landungsstellen und zum Jagdschutzder wenigen Jabo-Verbände eingesetzt wur-den. Die Erfolge waren allerdings gering,weil die gewaltige Jagdabwehr der Alliiertenmeistens einen wirkungsvollen Angriff nochvor Erreichen des Ziels verhinderte.

Ganz alleine?Wenige Tage vor der Invasion erhielt Oberst-leutnant Josef Priller, Kommodore des JG 26,aufgrund der massiven Jagdbomberangriffeauf die Liegeplätze den Befehl, sein komplet-tes Geschwader weiter ins Hinterland zuverlegen. Obwohl er damit nicht einverstan-den war, begann die Verlegung. Am Morgendes 6. Juni erhielt Priller von der zuständigenJagddivision einen Anruf, wie viele Jagd-maschinen er noch zur Verfügung hätte. Esist überliefert, dass Priller antwortete: „ZweiFw 190 – ich und mein Rottenflieger! DerRest ist ja gerade erst verlegt worden!“ Dasführte zu einer gewissen Ratlosigkeit und esgab sicherlich auch noch das ein oder ande-re unangenehme Wort während dieses Tele-fonats. „Ich werde fliegen, (…) ja, auch mitnur zwei Maschinen, sagen Sie das dem Ge-neral!“, war am Ende Prillers Antwort.

Priller und sein Rottenflieger Heinz Wo-darczyk flogen gegen eine feindliche Arma-da aus über 12.000 Bombern und Jägern! Diebeiden Focke-Wulf Fw 190 starteten gegen8:00 Uhr und nahmen Kurs auf die Küste.Mit nur zwei Jägern machte sich der Kom-modore über ihre Überlebenschancen sicher-lich keine großen Illusionen. Bereits weit vordem Einsatzgebiet sahen die beiden riesigePulks amerikanischer „Mustang“-Jäger. Pril-ler und Wodarczyk hielten sich allerdingssehr tief und blieben von den in großer Hö-he fliegenden Mustang unentdeckt. Je weitersich Priller dem Invasionsraum näherte, um-so mehr feindliche Jäger tauchten auf.

Als die beiden die Küste erreichten, flogensie in Richtung Strand, wo eine riesige Men-

Hitler sah in der Me 262 seinen neuen„Blitzbomber“, der durch die überlegene Ge-schwindigkeit ungehindert die Invasions-strände bombardieren sollte. Die Me 262war ursprünglich als reiner Jäger konzipiert.Deshalb musste zeitaufwendig eine speziel-le Bombenaufhängung unter dem Rumpfkonstruiert und gebaut werden. Als „Blitz-bomber“ zur Bekämpfung der Invasion kamdie Me 262 damit zu spät. Gleichzeitig wur-de der Luftwaffe durch Hitlers Befehl dieletzte Möglichkeit zur Schaffung einerschlagkräftigen Jagdwaffe genommen. TrotzKinderkrankheiten der neuen Triebwerkezeigten sich die wenigen als Jäger einge-setzten Maschinen den alliierten Kolbenjä-gern überlegen.

Der „Blitzbomber“ Me 262HINTERGRUND

WIRKUNGSLOSE „WUNDERWAFFE“: DieMe 262 war zwar technisch herausragend,spielte aber während des Luftkrieges überNordfrankreich keine Rolle.

Foto: Sammlung Hermann

AUF VERLORE-NEM POSTEN:Der Geschwa-derkommodoredes JG 26„Schlageter“,Josef Priller,und sein Flügel-mann flogenden einzigen dokumentiertenEinsatz der Luft-waffe am D-Daygegen die alli-ierten Truppen.

Foto: H. Ringlstetter

ZAHLENMÄSSIG UNTERLEGEN: Im Westenlagen nur zwei Jagdgeschwader. Hier die Fw190 des Geschwaderkommodore Oberstlt. Jo-sef Priller, die zum Schutz vor Tieffliegern inDeckung geschoben wird. Foto: Sammlung Hermann

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61Clausewitz Spezial

ge von Landungsbooten britische und ameri-kanische Soldaten absetzte. Die zwei deut-schen Maschinen trafen hier auf den briti-schen Invasionsabschnitt Sword, der hartumkämpft wurde. In etwa 50 Meter Höheüber dem Boden beschossen sie die britischenTruppen mit ihren Bordwaffen. Sie hatten indiesem Moment Glück, weit und breit warenkeine alliierten Jäger zu sehen. Was wäre hiergeschehen, wenn Priller mit zwei Gruppenseines Geschwaders aufgetaucht wäre? Alsdie alliierten Jäger den Strandabschnitt er-reichten, waren Priller und sein Rottenfliegerschon längst wieder weg. Im Tiefstflug er-reichten beide Maschinen unbeschadet ihrenLiegeplatz. Schweißgebadet und aufgewühltrief Priller unmittelbar nach dem Angriff dieJagddivision in Paris an und berichtete vonseinem Einsatz. Dies war sicherlich einer derverwegensten Einsätze des gesamten Krie-ges. Es ist kein Wunder, dass dieses Ereignisauch in dem Kriegsfilm „Der längste Tag“von 1962 zu sehen ist.

Raketen gegen LandungsbooteDie I. Gruppe des Jagdgeschwaders JG 2 lagam Tag der Invasion nur 60 Kilometer vonder Küste entfernt. Auch sie griff unmittelbarins Kampfgeschehen ein. So berichtet Lt.Wolfgang Fischer von des 3. Staffel des JG 2:„Wir wurden um 4:30 Uhr geweckt und vonden Unterkünften in der Stadt Nancy zumFlugplatz gebracht. Kurze Zeit später warenwir an Bord unserer Maschinen und flogenum 5:00 Uhr nach Creil nördlich von Paris.Dort wurden unsere Fw 190 mit Raketen-werfern unterm Flügel ausgerüstet. Wir star-teten von dort um 9:30 Uhr, um Schiffszieleim amerikanischen Invasionsabschnitt Goldanzugreifen. Als wir die Flussmündung derSeine überflogen, war die Wolkendecke zusieben Zehntel geschlossen. Das erlaubteuns, unbedrängt unsere Ziele zu erreichenund unsere Raketen abzufeuern. Wir konn-ten eine riesige Zahl von feindlichen Jägernsehen, die über die Landungsstrände kreis-

ten. Meine Raketen erzielten wahrscheinlicheinen Volltreffer auf einem Landungsschiff.“

Am Abend des „D-Day“ kam es zu hefti-gen Luftduellen im umkämpften Raum derwichtigen Stadt Caen. Ursprünglich solltendie I. und III. Gruppe vom JG 2 gemeinsamgegen gelandete Lastensegler an der Fluss-mündung der Orne eingesetzt werden. Soberichtet Lt. Fischer weiter: „Hptm. HerbertHuppertz, Gruppenkommandeur der III./JG2, landete mit fünf Maschinen um 19:30Uhr auf unserem Platz. Als wir anschließendzusammen Bernay erreichten, entdecktenwir einen Verband von zwölf Mustang des335. Fighter Squadrons von der 4. FighterGroup, die deutsche Infanterie mit schwerenWaffen in der Nähe einer Brücke über denFluss Risle attackierten. Um eine bessere An-griffsposition zu haben, nutzten wir denAbendnebel und den Schutz der Sonne, umauf 1.200 Meter Höhe zu steigen. Wir nah-men eine klassische Formation für den An-griff ein. Der folgende Kampf dauerte nurwenige Minuten. Jeder konnte ein Ziel aus-wählen und ungehindert angreifen, bevorwir unter dem US-Verband durchtauchten. Acht P-51 wurden so ohne Verluste auf un-

serer Seite abgeschossen!“ Allein am Invasi-onstag gelangen Hauptmann Huppertzsechs Abschüsse. Schon um die Mittagszeittraf er im Raum Caen erstmals auf britischeTyphoon-Jagdbomber, von denen er inner-halb kürzester Zeit vier zerstören konnte.Doch die Übermacht war erdrückend. DieLuftwaffe verlor elf Tagjäger, erzielte aberauch 19 Abschüsse. Nur zwei Tage später fielHuppertz einer angreifenden P-47 zum Op-fer. Die wenigen Maschinen der Luftwaffekonnten gegen diese zahlenmäßige Über-macht so gut wie nichts ausrichten.

Aussichtslose LageDie Invasion bedeutete für die Luftwaffe einevöllig neue Situation. Zur Unterstützung derLuftflotte 3 wurden bereits am nächsten Tagfast alle verfügbaren Tagjägerverbände, diebis dahin in der Reichsverteidigung eingesetztwaren, nach Frankreich abkommandiert. Biszum Morgen des 7. Juni waren so rund zweiDrittel von insgesamt 400 Jägern nach Frank-reich verlegt worden. Dadurch besserte sichzwar das Kräfteverhältnis für die Luftwaffe,trotzdem blieb die materielle Unterlegenheitbestehen. Die Luftherrschaft war verloren

und der Vormarsch derAlliierten konnte nichtgestoppt werden.

Die Luftwaffe hat keine Chance

„Macht euch keine Sorgen wegender Flugzeuge über euch. Es werdenunsere eigenen sein.“General Eisenhower in seiner Ansprache zum „D-Day“

Dietmar Hermann, Dipl. Ing.aus Dortmund, Experte für Luft-fahrtgeschichte und Autor zahl-reicher Fachartikel und Bücher.

AUFFALLEND GEKENNZEICHNET:Diese amerikanischen P-51 Mus-tang der 361. Fighter Group tra-gen sogenannte Invasionsstreifenunter den Tragflächen und amRumpf. Diese Markierung dienteder besseren Freund/Feind-Unter-scheidung. Foto: USAF

Luftkrieg-Statistik des „D-Day“FAKTENLuftwaffe USAF/RAF

Flugzeuge 400 14.000Kräfteverhältnis 1 35

Geflogene Einsätze 500 12.000Verluste 22 107

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Page 62: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

62

Der französische Widerstand

Am 18. Juni 1940 sendete die BBC die Rede eines bisdato kaum bekannten französischen Generalsüber den Kanal: „Dieser Krieg ist mit der Schlacht

um Frankreich nicht zu Ende. Dieser Krieg ist ein Welt-krieg … was immer geschieht, die Flamme des Wider-standes darf nicht und wird nicht erlöschen.“ Damit be-zog sich Charles de Gaulle zwar vor allem auf die Be-mühungen der von ihm geleiteten Exilregierung, seineRede stellte aber auch den historischen Beginn der in-nerfranzösischen Widerstandsbewegung dar.

Doch gemessen an den Zuständen der Ostfront wardas Leben für die deutschen Besatzungssoldaten inFrankreich schon fast als paradiesisch zu bezeichnen.„Leben und leben lassen lautete die Devise, die dasVer hältnis zur einheimischen Bevölkerung bestimmte“,charakterisierte der britische Militärhistoriker JohnKeegan die Besatzungszeit. Die Masse der Deutschenbemühte sich um ein korrektes Auftreten gegenüber

den Franzosen. Es hatte 1940 auch kaum Propagandagegeben, die die Franzosen zu ideologischen Feindenstilisiert hätte. Außerdem blieb der französische Ver-waltungs- und Polizeiapparat weitgehend erhalten,und mit dem Vichy-Regime bestand eine Kollabora -tionsregierung, die in weiten Teilen Frankreichs auchakzeptiert wurde.

Trotzdem existierte auch in der französischen Be-völkerung der Wille zum Widerstand. Unter die heu-tige Bezeichnung „Résistance“ fallen Dutzende ver-schiedener Gruppierungen wie beispielsweise die ge-werkschaftlich organisierten Eisenbahner oder auchdie sehr starke kommunistische Untergrundbewegung.Ihr Kampf galt Verkehrsmitteln, Kollaborateuren, De-pots und Kommunikationsanlagen, und natürlich un-terstützten sie Flüchtlinge und geflohene Gefangene.Diese Bewegung arbeitete seit 1941 eng mit der briti-schen Special Operations Executive (SOE) zusammenund informierte sie über Garnisonen und Transporteder Wehrmacht.

Guerillakrieg in FrankreichDie Planer von „Overlord“ waren sich über die Einbin-dung der Résistance zunächst alles andere als einig.Ein vorläufiger Plan für einen französischen Aufstand,der deutsche Truppen im Hinterland binden sollte,wurde schnell fallen gelassen. Erst auf Initiative derSOE, die die Amerikaner von der Effektivität des Wi-derstands überzeugte, wurden die Gruppen ab 1944

Die Résistance und der „D-Day“

STRASSENKAMPF:Ein Résistance-

Kämpfer im August1944 in der Bretag-

ne. Der französischeWiderstand sollte

während der vorange-gangenen Invasion

hauptsächlich Sabo-tage-Aktionen gegen

die deutsche Infra-struktur ausführen.

Foto: picture-alliance/Leemage

1940: Mit der deutschen Besetzunggroßer Teile Frankreichs begann auchdie Geschichte der Résistance. Vor,während und nach der Landung derAlliierten in der Normandie sollte siediesen im Kampf helfen.

Von Alexander Querengässer

LiteraturtippLieb, Peter: Konventioneller Krieg oder NS-Weltanschau-ungskrieg? Kriegführung und Partisanenbekämpfung inFrankreich 1943/44. München 2007

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63Clausewitz Spezial

verstärkt mit Waffen versorgt und eine Guerillakrieg-führung in die Planung mit einbezogen. Die Hauptauf-merksamkeit der Saboteure galt dem Schienennetz, dadie Eisenbahn der bedeutendste Lieferant von Betonund Nachschub für den Atlantikwall war. Allein imersten Quartal 1944 zerstörte man über 800 Lokomoti-ven und führte über 3000 Anschläge auf Gleise aus.

Um die Einsätze der Résistance effektiv planen zukönnen, wurde im März eigens in London das Büro derForces françaises de l intérieur (FFI) unter General Ma-rie-Pierre Koenig gegründet. Koenig war ein erfahrenerSoldat, der sich 1942 bei der Verteidigung des libyschenWüstenforts Bir Hacheim ausgezeichnet hatte. Unterseiner Führung sollten die Mitglieder der gaullistischenArmée Sécrete, der kommunistischen Francs-Tireurs etPartisans und der im ehemaligen Vichy-Frankreichoperierenden Organisation De Résistance de l’Armée(ORA) einen regulären Kombattantenstatus erhalten.Die FFI wurde zwar von den Amerikanern kaum ernstgenommen, aber für die Gesamtbewegung der Résis-tance stellte ihre Errichtung einen bedeutenden Schrittdar, um die sich mehr als kritisch beäugenden ehema-ligen Offiziere der ORA und die kommunistischenFrancs-Tireurs nun unter einer Führung zu vereinigen.Ab dem Frühjahr 1944 wurden die französischen Wi-derstandsgruppen nun teilweise sogar mit Geschützenausgerüstet, die von alliierten Flugzeugen abgeworfenwurden. Ihre Einsatzbefehle erhielt die Résistance überdie BBC, die an jedem 1./2. und 15./16. des Monats ver-schlüsselte Nachrichten sendete.

Sabotagepläne zum „D-Day“Die Operationen der Résistance sollten sich am Tag derLandung vor allem gegen die deutschen Kommunika-tionsmittel und Nachschubwege richten. Dafür ent-warf man drei Einsatzpläne, die als Ziel die Eisenbah-nen (plan vert), Funk- und Telefonleitungen (planviolet) und Stromleitungen (plan bleu) ausga-ben. Ein vierter Plan (Bibendum) ordnete di-rekte Angriffe auf die Besatzungstruppen an.Insgesamt jedoch blieben die Sabotageakte dereinzelnen Widerstandsgruppen im ganzen Früh-jahr 1944 in ihrer Bedeutung weit hinter denSchäden zurück, die die alliierten Luftbom-bardements dem Schienennetz und denKommunikationsmitteln der Wehrmachtzugefügt hatten.

Besonders auffällig ist, dass, trotz al-ler Beteuerungen des Gegenteils, diefranzösischen Widerständler nur dorterfolgreich gegen die deutscheBesatzungsmacht operieren

konnten, wo diese faktisch nicht präsent war.Als unmittelbare Reaktion auf die alliierte Lan-dung erhoben sich etliche französische Städteund Departements gegen die Deutschen unddas dahinsiechende Vichy-Regime. Doch nur inentlegenen und vor allem gebirgigen Regionen wieden Alpen und im Jura konnten sich diese Gruppeneine längere Zeit behaupten. Sobald die Wehrmachtoder SS jedoch Truppen in die aufständischen Ge-biete entsandte, gelang es ihnen schnell und un-ter geringen eigenen Verlusten, die FFI-Verbän-de auszuschalten.

Das größte Ziel für die Résistance stellten imÜbrigen nicht die Deutschen dar, sondern franzö -sische Kollaborateure, von denen mehr durch denWiderstand umkamen als Wehrmachtssoldaten.

Im Kampf hinter der Front stellte die Résistance ei-nen wichtigen Verbündeten für die hier operierendenalliierten Fallschirmjäger während der Landung dar,denen sie mit ihren Ortskenntnissen half, und vor allemunterstützte sie die alliierten Kommandounternehmen.Dabei handelte es sich um Spezialtruppen wie die ame-rikanischen dreiköpfigen Jedburgh-Teams oder die USOperational Groups mit etwa einem Dutzend Männernsowie den britischen Special Air Service (SAS), der größere Kampfkommandos von bis zu fünfzig Mannverwendete. Auch die freifranzösischen Streitkräfteschickten in der Nacht vom 5. auf den 6. Juni mehrereSAS-Kommandos in die Bretagne, um Widerstandszel-len zu bilden und die lokalen Résistancegruppen in Ba-taillonen zu organisieren. Doch obwohl fast 10.000Mann zusammenströmten, gelang es der Wehrmachtbinnen Stunden, die Bretagne wieder in ihre Hand zubekommen. Seltsamerweise wurden in der Normandieselbst keine solch groß angelegten Operationen gestar-tet. Hier wären die Erfolgsaussichten für die Résistan-ce viel größer gewesen, da Wehrmacht und SS ihr

Hauptaugenmerk auf die regulären Verbände derAlliierten richten mussten und sich nicht nur mit

SAS und Partisanen beschäftigen konnten. Derausschließliche Einsatz der bewaffneten Wider-

standstruppen weit im Hinterland ermög-lichte es den Deutschen da-gegen, sich auf diese Grup-

pen zu konzentrieren.Nichtsdestotrotz ist der Kampf

der Résistance bis heute wichtig fürdas französische Selbstverständnis in

diesem Krieg. Die Widerstandsbewe-gung symbolisiert ein Gegenmodell zur

Kollaborationsregierung des Vichy-Regi -mes und sie setzte ein Zeichen, dass der

Kampf gegen die Besatzung nichtnur von einer kleinen Exilgruppeim Ausland, sondern in Frank-reich selbst fortgesetzt wurde.

Alexander Querengässer, Jg. 1987, ist Militärhistoriker und Autor aus Dresden.

MARTIALISCHE POSE:Ein Angehöriger der FFI mit

einem leichten Bren-MG. Die Résistance war keine ho -

mogene Gruppe, sondern setztesich aus vielen unterschiedli-

chen Organisationen zusammen. Foto: picture-alliance/Leemage

GEFÄHRLICHEREINSATZ: Ein franzö-sischer (Forces fran-çaises libres) SAS-Soldat im Juni 1944.SAS-Kommandosoperierten im Hinter-land und nahmen oftKontakt zu lokalenRésistance-Gruppenauf, die wertvolle In-formationen liefernkonnten. Foto: picture-

alliance/Leemage

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Der Zeitzeuge

Die Landungsboote kamen nun immer inWellen, immer ein ganzer Schwarm in unre-gelmäßiger Formation. Danach hatte es einegewisse Zeit gedauert, dann kam die nächs-te Welle. (Bis zum Mittag registrierte ichsechs solcher Angriffswellen.) Wenn sich dieBoote näherten, konzentrierte ich mich aufdie Frontklappen (die Rampen). Immerwenn sie herabfielen, damit die GIs heraus-springen konnten, begann ich zu feuern. […]

Mit der nun zunehmenden Flut kamen dielandenden Boote dem höher gelegenen Vor-strand auch immer näher (wodurch sich ihrRisiko vergrößerte, da die Strandhindernisselangsam unter der Wasseroberfläche ver-schwanden und somit für die heranfahren-den Boote unsichtbar wurden). Inzwischentrieben etliche von ihnen, einige halb gesun-ken, als Wracks in den Wellen. Die GIs ver-suchten, hinter den noch aus den Fluten ra-genden Strandhindernissen Deckung zu fin-den oder hinter den umhertreibenden Lei-chen ihrer gefallenen Kameraden. Man konn-te oft nur ihre Köpfe mit den Helmen sehen.

Nachdem die Landungsboote ihre leben-de Fracht am Strand ausgespuckt hatten,fuhren sie wieder zurück. Bis zur nächstenWelle schoss ich auf alles, was sich im Was-ser und am Strand bewegte. Dafür gebrauch-te ich gelegentlich meinen Karabiner, da ichmit ihm gezielter auf einzelne Soldatenschießen konnte und gleichzeitig dem MGGelegenheit zum Abkühlen ermöglichte.

Die einzelnen Wellen der jeweils zehn bisfünfzehn Landungsboote verschiedener Ty-pen, die vor WN 62 ankamen, […] brachtenimmer nur ein paar Hundert Leute an denStrand. Wenn diese mit dem Maschinenge-wehr niedergemacht und die restlichen mitdem Karabiner erledigt waren, entstandenmehr oder weniger lange Pausen. […]

Kurz nach Mittag kam ein Feldwebeldurch den mittlerweile von den Granatein-schlägen halb zugeschütteten Graben zu mir.Es war so ein südländischer Typ, schlank,mit fast schwarzem Haar und sehr blass,denn aus zwei Löchern in seinem Hals ranndunkles Blut. Er war an der linken Halsseitedurchschossen worden, was aber seinenElan nicht zu beeinträchtigen schien, dochseine Uniform war blutdurchtränkt. Ich wargerade dabei, das Schloss meines Karabinersmit dem Stiefelabsatz aufzutreten, weil essich von Hand nicht mehr öffnen ließ. Alsder Feldwebel sah, was ich tat, sagte er:

„Junge, mach Dich nicht unglücklich; derKarabiner ist viel zu heiß.“

Das war mir bisher gar nicht aufgefallen,erst als ich auf das Patronenlager fasste, ver-brannte ich mir daran die Finger. Währendich dann wieder mit dem MG weiterfeuerte,lief der Feldwebel in unseren Fernmeldebun-ker und holte einen anderen Karabiner.

„Die brauchen da unten kein Gewehr“,sagte er und lud mir die Waffe tief. („Tief la-den“ bedeutet, dass zu den fünf Patronen imMagazin noch eine sechste direkt ins Patro-nenlager geladen wird.) […]

Leicht links vor unserem Stützpunkt be-fand sich direkt am Strand eine Kieszertrüm-merungsanlage, die aussah wie ein großerMetalltrichter, der auf zwei dicken Beton-klötzen ruhte und von dem aus ein Förder-band bis zum Vorstrand reichte. […] DerFeldwebel, der fast die ganze Zeit bei mir ge-blieben war, deutete auf diese Kieszertrüm-merungsanlage unter uns und sagte:

„Da unten, da läuft noch einer …!“Jetzt erst fiel mir auf, wie viele Tote unten

am Strand von der inzwischen aufgelaufe-nen Flut und den hohen Wellen vor unseremAbschnitt angeschwemmt worden waren. Ineinem etwa dreihundert Meter langen undmehrere Meter breiten Saum aus blutigemSchlamm lagen Hunderte und Aberhunder-te lebloser Körper amerikanischer Soldaten,teilweise mehrere übereinander. Verwunde-te bewegten sich am blutigen Wassersaumlangsam, meistens kriechend, auf den Vor-strand mit seiner etwa eineinhalb Meter ho-hen Böschung zu, um dahinter Deckung zusuchen. Ich konnte nur noch etwa fünfzig bissechzig GIs sehen, die gelegentlich geducktund einzeln umherliefen …

Der GI, auf den mich der Feldwebel auf-merksam gemacht hatte, erreichte nun fast

Ein einziger Tag veränderte das Leben von Heinrich Severloh: Der damals erst 20 Jahrealte Soldat kämpfte am Omaha-Beach ums nackte Überleben: 34.000 Amerikaner tra-fen dort auf 300 deutsche Wehrmachtssoldaten.

Erinnerungen eines deutschen MG-Schützen

„Widerstandsnest 62“am 6. Juni 1944

BRUTALER KAMPF: Heinrich Severlohs MGstand auf dem Rand des Schützengrabensvon „WN 62“. Von dort feuerte er neun lan-ge Stunden auf die anstürmenden Amerika-ner – er war der am meisten gefürchtetedeutsche MG-Schütze der Invasion. Das ge-zeigte Bild ist eine Fotomontage.

Abb.: Archiv von Keusgen

cws_2014_06_64_67_FlugzeugClassic_Klassiker 24.04.14 17:55 Seite 64

Page 65: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

65Clausewitz Spezial

den Vorstrand, und ich konnte erkennen,dass er etwas auf seinem Rücken trug, daswie große Metallflaschen aussah, wie die Öl-tanks eines Flammenwerfers – und ein sol-cher Flammenstrahl mit seinen rund tausendGrad Hitze konnte vom Vorstrand aus viel-leicht bis zu meinem MG-Loch reichen … Ichnahm den vom Feldwebel geladenen Karabi-ner, legte an und schoss auf den GI. Der ver-suchte sofort hinter dem großen Kieszer-trümmerer Deckung zu finden. […] Nochwar der GI nicht in Deckung, und ich ludnach und schoss noch mal. Dem Amerikanerflog der Stahlhelm davon, trudelte über denSand des Strandes und wurde sofort von fla-chen Wellenausläufern umspült. Der GI warabrupt stehengeblieben, sackte hart auf dieKnie, sein Kinn fiel ihm auf die Brust, dannkippte er langsam vornüber und schlug aufsGesicht … (Mein zu hoch gegangener fronta-ler Schuss musste seinen Stahlhelm durch-schlagen und ihn direkt in den Kopf getroffenhaben.) In diesem Moment erst wurde mirwirklich bewusst, was ich eigentlich die gan-ze Zeit lang getan hatte – Menschen getötet …

Im Laufe der Zeit war der Feldwebelmehrmals verschwunden und danach immermit neuer MG-Munition für mich wiederge-kommen. Er hatte mir mindestens 8.000Schuss besorgt; woher, wusste ich nicht. Abernach etwas mehr als einer Stunde fiel mir auf,dass er nicht mehr da war. […]

Plötzlich gab es direkt vor mir, und wäh-rend ich wieder mit dem Maschinengewehrfeuerte, einen hellen, lauten Knall und ir-gendetwas flog mir von der Mündung mei-nes MGs entgegen. Es war mir augenblick-lich, als hätte mir jemand mit einer schmalenPeitsche ins Gesicht geschlagen, direkt untermein rechtes Auge. Ein brennender Schmerzließ mich mit einer Reflexbewegung ins Gesicht fassen – meine Finger waren sofortvoller Blut. Und während ich spürte, wie das Fleisch unter meinem Auge schnell an-schwoll, bemerkte ich, dass vom Lauf mei-nes MGs das spitze, metallene Korn fehlte.Es war von einem Projektil eines offenbar ge-zielten Schusses abgerissen worden und mirins Gesicht geflogen. Ich war nun noch wü-tender und setzte mein brutales Feuer aufdie letzten GIs am Strand vor dem WN 62fort. […]

Gegen 14:00 Uhr bemerkte ich sechs US-Panzer, die sich etwas weiter links von mir(aus Richtung St. Laurent und dem Sektor„Easy Green“) am Vorstrand auf unseren Ab-schnitt zubewegten. […]

Mehrere Tausend Projektile hatte ich in-zwischen aus meinem MG verschossen undmusste nun Munition für Nachteinsätzeverwenden. (In diesen Munitionsgurten war

jede fünfte Patrone mit einer Leuchtkugelversehen.) Obwohl ich mir des Risikos be-wusst war, dass beim Schießen meine ge-naue Position von den Amerikanern nun vielbesser zu erkennen war, begann ich damit zufeuern. […] Plötzlich schlug eine Granate di-rekt vor meinem MG-Stand ein. Eine dunkleFontäne aus Erde und Kalkgestein riss mirwährend des Schießens mein Maschinenge-wehr regelrecht aus den Händen, schleuder-te es über mich hinweg. Ich holte das MGwieder zurück und untersuchte es einen Mo-ment lang auf eventuelle Beschädigungen,konnte aber nichts feststellen und baute eswieder auf. Dann konzentrierte ich michwieder auf die Amerikaner unten am Strand.Neue Landungsboote hatten sich genähert.Wieder hämmerte ich zwischen die heraus-springenden GIs. Einen Moment später wur-de mein MG nochmals von einer dicht vormir einschlagenden Granate weggerissenund innerhalb von zehn Minuten noch zwei-mal. […]“

Ein MG gegen die Invasion„Inzwischen fanden erhebliche Truppenbe-wegungen am Vorstrand statt. Immer mehrAmerikaner waren in der gesamten „Oma-ha“-Bucht gelandet, auch etliche US-Panzerhatten ebenfalls das Land erreichen können.Dass bereits erste kleine Gruppen von GIs ab8:00 Uhr über die nur wenige Hundert Meterentfernten Anhöhen beiderseits unseres Wi-derstandsnestes ins nahe Hinterland vorge-drungen waren, hatte ich von meiner Positi-on aus nicht beobachten können.

Mir war längst klar geworden, dass wir inabsehbarer Zeit unsere Stellung aufgebenund uns zurückziehen würden, denn unsmusste zwangsläufig irgendwann die Muni-tion ausgehen. Von den Soldaten des Grena-dier-Regiments 716 sah ich schon lange nie-manden mehr. Doch vorerst schoss ich wei-

ter, denn das Risiko, beim Rückzug an demschrägen Hang von einer Kugel oder Grana-te getroffen zu werden, erschien mir nichtunerheblich. Die Sorge, in meinem Loch ge-troffen zu werden, hatte ich merkwürdiger-weise nicht. Außerdem glaubte ich noch im-mer, dass WN 62 am Eingang auf der Anhö-he fest verbarrikadiert war.

Ab 15:00 Uhr sah ich dann, nur etwa 250Meter westlich, die Amerikaner gleich zumehreren nebeneinander und in langen Rei-hen die schrägen Anhöhen ersteigen. (Anden von meiner Stellung aus fast fünf Kilo-meter entfernten Hängen zwischen St. Lau-rent und Vierville hatte ich bereits ab etwa12:00 Uhr viele US-Soldaten in dunklen Kolonnen heraufsteigen sehen.) In diesemMoment bemerkte ich, dass unser Beobach-tungsbunker gezielt mit Granaten beschos-sen wurde. Eine war an der oberen Beton-kante des nur eineinhalb Meter breiten Seh-schlitzes eingeschlagen und krachend ex -plodiert. Schnell lief ich zum Bunker, um zusehen, was mit den beiden Insassen gesche-hen war, da kam bereits Leutnant Grasshumpelnd und von Oberleutnant Frerkinggestützt heraus. Als er meinen besorgtenund fragenden Blick sah, erklärte er:

„Mich hat’s am Knie erwischt …“ Nur ein schmaler, dreieckiger Riss in sei-

ner Reithose verriet, dass ein kleiner Granat-splitter in seiner Kniescheibe steckte. Als sielangsam und in gebückter Haltung den halbverschütteten Graben zum Fernmeldebun-ker hinaufgingen, sagte Frerking zu mir:

„Wir hauen jetzt alle ab und geben unse-ren Posten hier oben auf …“

Der Lauf meines Maschinengewehrs hat-te inzwischen längst keine Züge mehr undwar derart heiß, dass sich an seiner Mün-dung trockenes Gras entzündete. Mehr als12.000 Schuss hatte ich aus der Waffe verfeu-ert. Auch die beiden Karabiner, mit denen ich

Heinrich Severloh kam 1923 zur Welt undentstammt einer alten niedersächsischenFamilie, deren Wurzeln bis in die Zeit vordem Dreißigjährigen Krieg reichen. Im Juli1942 wurde er eingezogen und kam zu-nächst an die Ostfront. Ende des Folgejah-res kam die Abkommandierung nach Frank-reich. Severloh erlebte als MG-Schütze denersten Tag der Invasion. Sein Erlebnisberichtdieser dunklen Zeit ist direkt und unge-schminkt – für Severloh ist er ein Vermächt-nis an Nachgeborene, ein Aufruf zur Völker-verständigung und eine Stellungnahme ge-gen den Krieg. Severloh verstarb 2006 imAlter von 82 Jahren.

Chronist schrecklicher Erlebnisse HINTERGRUND

DAMALS: Heinrich„Hein“ Severloh mit20 Jahren. Mit sei-nem Bericht – den er selbst nicht alsRechtfertigung sei-nes Tuns verstandenhaben möchte – er-regte er große Reso-nanz. Selbst ehema-lige Gegner zollenihm für seine „großeBeichte“ Respekt.

Foto: Kollektion

Heinrich Severloh

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Page 66: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

hatte mich zum ersten Mal geduzt. Wirhatten keine Zeit mehr, noch vieleWorte zu sagen. Diese Sekunden unse-res Abschieds waren voller unseligerZweifel. Schweigend drückten wir unsdie Hände – ein kurzer, viel zu kurzer,bizarrer Moment nur. Ein Gefühl vonSympathie, Wärme und Verbunden-heit zu ihm stieg noch einmal kurz in mir auf und gleichzeitig eine tiefeMelancholie. Warum dieser Abschied?Dann presste ich mein Maschinenge-wehr an mich und sprang aus dem fla-chen Graben.

In dem Augenblick, in dem ich denGraben verließ (es war ziemlich genau15:30 Uhr), jagte mir der Gedankedurch den Kopf, dass ich nicht auchnach links laufen sollte, da die GIs denHügel sicherlich im Visier hatten. Sorannte ich halb rechts hinüber und hat-te das Glück, nach nur wenigen Me-tern einen tiefen Granattrichter zu fin-den, in den ich springen konnte. Einpaar Gewehrprojektile peitschten inmeiner Nähe in den Sand, dann sprangich in den nächsten Trichter. Wiederbegleiteten mich die Geschosse derAmerikaner.

Das schwere Bombardement durchdie Flugzeuge im Morgengrauen unddas anschließende Trommelfeuer derSchiffsartillerie hatten oben auf demPlateau derart viele tiefe und nah bei -

einanderliegende Bombenkrater und Gra-nattrichter erzeugt, dass ich nun, teilweise ingebückter Haltung, von einem in den nächs-ten laufen konnte, ohne mich dabei überdem normalen Bodenniveau zeigen zu müs-sen. Somit hatten mir die Bomben, die auchmich hätten treffen sollen, nun geholfen,schnell und sicher den mehr als einhundertMeter langen Weg aus der unmittelbaren Ge-fahrenzone bis hinter den höchsten Grad desPlateaus zu finden.

Etwa vierhundert Meter weiter hintenblieb ich am schmalen Weg, der von St. Lau-rent zum WN 62 führte, in guter Deckungliegen (die heutige Straße zum US-Friedhof).Da ich dort keine Amerikaner mehr sehenkonnte, wartete ich auf meinen Oberleut-nant. Es dauerte nicht lange, da tauchte zwi-schen den Kratern Kurt Wernecke auf. Ichmachte mich ihm bemerkbar, und einen Mo-ment später war er bei mir. Er war verstörtund berichtete atemlos, dass die anderen al-le tot seien und es ihm irgendwie gelungenwar, durchzukommen – Oberleutnant Frer-king sei durch einen Kopfschuss gefallen. Ichwar zutiefst betroffen, denn keine Nachricht,die mich in diesem Moment hätte erreichenkönnen, wäre furchtbarer gewesen …

66

Der Zeitzeuge

annähernd 400 Schuss abgegeben hatte,waren völlig überhitzt. Ich wusste, dassnun der Zeitpunkt gekommen, da allesverloren war. Zwar nahm ich das MGmit, an das ich noch ein Trommelmaga-zin mit 50 Schuss angeschlagen hatte,doch wollte ich niemanden mehr tö-ten – es war genug …

Westlich von uns erschienen nun im-mer mehr Amerikaner. Ich lief die paarMeter zum Fernmeldebunker. Erst jetztsah ich, dass die gesamte Anhöhe unse-res Stützpunkts vom schweren Granat-beschuss der Schiffsartillerie völlig um-gegraben worden war. Ich informiertekurz die Funker Herbert Schulz undKurt Wernecke, dass wir uns nun abset-zen würden.

Als wir drei dann den total verwüs-teten Graben betraten, warteten nahedes Fernmeldebunkers bereits Ober-leutnant Frerking, Leutnant Grass undUnteroffizier Beermann auf uns. IhreStahlhelme und Uniformen waren vonhellem Staub bedeckt. Frerking hattesich einen langen MG-Gurt mit etwaeinhundert Patronen um den Hals ge-hängt – obwohl nur ich noch ein Ma-schinengewehr bei mir hatte. Der Lauf-graben war von der durch das Trom-melfeuer umhergeflogenen Erde nurnoch weniger als halb so tief wie ur-sprünglich. Auch ein verstörter Soldatder 726er hockte sich zu uns Artilleris-ten. Es war der einzige deutsche Infanterist,den ich seit Stunden gesehen hatte. Ober-leutnant Frerking sagte zu ihm:

„Sie springen jetzt als Erster raus und set-zen sich vorsichtig nach hinten ab. Danachspringe ich hinaus, dann folgt mir der Ge-freite Severloh, danach die anderen …“

Der Infanterist sprang sofort aus demGraben, lief in geduckter Haltung schrägnach links davon und suchte hinter dem we-nig entfernten Erdaushub eines geplantenBunkers Deckung. Sofort prasselte ein Hagelvon Projektilen auf den Hügel ein – so, alshätte man eine Hand voll Mais darauf ge-worfen. Auf der westlichen Seite des WN 62hatten sich die Ameri-kaner inzwischen bisan die Umzäunung he-rangewagt. Unten wares ihnen nun endlichgelungen, den Vor-strand zu überlaufenund den Fuß des Küs-tenhanges zu erreichen.Überall dort lagen dieGIs jetzt in guter De-ckung und hatten sichauf uns konzentriert (da

wir zu diesem Zeitpunkt bereits die letztendeutschen Soldaten in diesem Abschnitt wa-ren). Nachdem sich nun der erste von unsabgesetzt hatte, waren die Amerikaner offen-bar noch aufmerksamer und es war klar,dass sie sich auf uns einschießen würden.Wir mussten sehr schnell handeln, wenn wirnoch heil davonkommen wollten …

Dann wandte sich Frerking zu mir. Ernstsah er mich an, betrachtete kurz meinschmerzendes, geschwollenes und blutver-schmiertes Gesicht.

„Du springst als nächster, Hein – mach’sgut …“, sagte er entgegen seiner vorherigenAnweisung und reichte mir die Hand. Er

Lesen Sie die ganze Geschichte:

Severloh, Hein: WN 62. Erinnerun-gen an Omaha Beach – Normandie,6. Juni 1944. Garbsen 2012 (9. Auf-lage), 167 Seiten, 12,50 €Mehr Informationen und Bestell-möglichkeit unter: www.hek-creativ-verlag.de

CLAUSEWITZ dankt dem H.E.K.-Verlag undinsbesondere Herrn Helmut Konrad Frei-herr von Keusgen für die Unterstützung.

ORT DES GESCHEHENS: Dieser Plan zeigt die Topogra-fie und die Verteidigungsanlagen von „WN 62“. Es wareines von 15 Widerstandsnestern in der Omaha-Bucht.Am 6. Juni befanden sich dort 28 Soldaten der 3. Kompa-nie des Grenadier-Regiments 726 sowie 13 Soldaten desArtillerie-Regiments 352. Der Gefreite Heinrich Severlohbefand sich mit seinem MG in einer offenen Feldstellung(Nummer 42 auf dem Plan). Abb.: Helmut Konrad Freiherr von Keusgen

cws_2014_06_64_67_FlugzeugClassic_Klassiker 24.04.14 14:13 Seite 66

Page 67: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

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Sieg der Alliierten

August 1944: Über der Wehrmacht braute sich ein gewaltiges „Unwetter“ zusammen.Denn südlich von Caen zeichnete sich die Einschließung von 100.000 Mann durch denGegner ab. Die Schlacht in der Normandie ging in ihre letzte Phase. Von Stefan Krüger

Kesselschlacht von Falaise

Endgültige Entscheidung

FEUERHÖLLE: Alliierte Soldaten beobachtenentlang der Straße Caen-Falaise die verheeren-de Wirkung ihrer überlegenen Luftstreitkräfte,August 1944. Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto

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Ohne ein Wunder stand den massiv inBedrängnis geratenen Deutschen ei-ne Katastrophe bevor. Erst ab dem

11. August rangen sich Hitler und OB WestGünther von Kluge dazu durch, die Norman-die-Front aufzugeben. Nun drängte alles, wasnoch marschieren und fahren konnte, zu demimmer kleiner werdenden Schlupfloch zwi-schen Falaise und Argentan. Da es wie im-mer an Treibstoff mangelte, blieb das meisteschwere Gerät zurück. Viel war es ohnehinnicht mehr. Priorität besaß die Rettung derSoldaten, um das deutsche Westheer irgend-wann neu aufbauen zu können.

Die Alliierten hingegen wussten, dasssich nun eine einmalige Chance aufgetanhatte. Denn die Vernichtung der deutschenNormandie-Armeen würde nicht nur einenoperativen, sondern auch einen strategi-schen Erfolg darstellen, der im nächstenSchritt zum raschen Kriegsende führen

musste. Doch obgleich über die Bedeutungdes Kessels von Falaise Einigkeit bestand,setzten die Verbündeten ihre Verzettelungs-taktik fort, die sie schon seit ihrem Durch-bruch bei Avranches am 31. Juli 1944 „pfleg-ten“. So setzten sie ein US-Korps auf dieBretagnehäfen an, obwohl diese für die anste-hende Kesselschlacht nicht von Bedeutungwaren. Und auch von den übrigen drei Korpsder 3. US-Armee, die die Südzange der alliier-ten Kesselfront zu bilden hatte, marschiertenur ein einziges den Briten Richtung Nordenentgegen. Die beiden anderen ließ Oberbe-fehlshaber Omar Bradley nach Chartres be-ziehungsweise Orléans marschieren.

Zum einen wollte das alliierte Oberkom-mando weiteres französisches Territoriumeinnehmen und später auf Paris vorstoßen.Zum anderen wollte es damit gewährleisten,den Ring wenigstens an der Seine zu schlie-ßen, für den Fall, dass es größeren deutschen

Truppenteilen gelingen sollte, der „Falle vonFalaise“ zu entkommen.

Derweil plante Montgomery nach demAbbruch der Operation „Totalize“ am 13. Au -gust 1944 den Schlussangriff auf Falaise, umden Kessel zusammen mit den Amerikanernzu schließen. Doch anstatt seine bewährtenVeteranen aus dem Afrikafeldzug mit dieserwichtigen Aufgabe zu betrauen, setzte er we-niger erfahrene kanadische und polnischeTruppen in Marsch. Die britischen Verbändeschickte er hingegen nach Osten RichtungSeine, so, als ob sich Amerikaner und Britenbereits einen Wettlauf zur deutschen West-grenze liefern würden.

Aus all diesen Gründen trügt der Eindrucknicht, dass die Alliierten in der Spätphase von„Overlord“ eher halbherzig – mit angezoge-ner Handbremse – losfuhren. Für die Deut-schen war dies dagegen die einzige Chance,der Vernichtung im Kessel zu entkommen.

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Die dramatische Lage auf Seiten derWehrmacht forderte schon bald ihren Tributan der Spitze. Am 15. August verschwandFeldmarschall Kluge plötzlich während ei-ner Frontfahrt. Hitler, der der Generalität seit dem Attentat vom 20. Juli 1944 miss-trauischer denn je gegenüberstand, fordertesofortige Aufklärung. Wo steckt der OBWest? Der „Führer“ befürchtete, dass KlugeKontakt mit den Alliierten aufgenommenhaben könnte. Doch der Verdacht war unbe-gründet: Kluge war lediglich in einen alliier-ten Fliegerangriff geraten. Hitler blieb aller-dings misstrauisch und ersetzte ihn MitteAugust durch Generalfeldmarschall WalterModel. Dem Defensivspezialisten war eskurz zuvor gelungen, die katastrophale Lagean der Ostfront zu stabilisieren. Nun sollte erdasselbe „Wunder“ im Westen wirken.

Kluge begeht SelbstmordFeldmarschall Kluge hingegen nahm sicham 19. August das Leben. In einem Ab-schiedsbrief an Hitler schrieb er unter ande-rem zum Debakel an der Westfront: „Meine,Schuld‘ als verantwortlicher Führer ist da-mit festgestellt.“ Kluge konnte ein sehr un-angenehmer Offizier und Vorgesetzter sein,doch er war ein fähiger Kommandeur undgewiss trug er nicht die alleinige Schuld ander sich abzeichnenden Katastrophe an derWestfront.

Die Alliierten läuteten währenddessenden Schlussakt von „Overlord“ ein. Am 14. August begann Unternehmen „Tractab -le“. Die Ziele waren überschaubar: Kanadierund Polen sollten noch am ersten Tag Falai-se und am 15. August Trun freikämpfen. Vondort sollten sie dann zu den Amerikanernaufschließen. Deren Auftrag war es, Argen-tan zu nehmen.

Die Verbündeten legten zudem starre Ge-fechtslinien zwischen den britisch-kanadi-schen Truppen und den US-Verbänden fest,

die nicht überschritten werden durften.Auch diese Maßnahme stand im Wider-spruch zur Situation, die eigentlich kühneund temporeiche Vorstöße verlangte.

Montgomery eröffnete seinen Zug wieüblich mit einem schweren Luftangriff. 800Bomber starteten, doch sie warfen ihre Lastteilweise zu früh ab und verursachten damitin den eigenen Reihen Verluste in Höhe von400 Mann. Die Bodentruppen griffen der-weil das während „Totalize“ erfolgreichpraktizierte Konzept des mechanisiertenVorstoßes auf. Um den Verteidigern dieSicht zu nehmen, schoss die Artillerie oben-drein Rauchgranaten. Dennoch kam der Angriff nur zäh in Gang. Wieder war es die12. SS-Panzerdivision „Hitlerjugend“, dieden Vormarsch verlangsamte und den Alli-ierten schwere Verluste bescherte. Dabeiverfügte der Verband nur noch über ganze15 Panzer und einige 8,8-cm-Geschütze. Fa-laise fiel erst am 16. August.

Die Amerikaner hatten derweil bereits am15. August Argentan erreicht, trafen hier je-doch auf verbissenen Widerstand der 9. Pan-zerdivision, die zuvor aus Südfrankreich eingetroffen war. Die 3. US-Armee hätte mitTeilen an der Stadt vorbei Richtung Nordenvorstoßen können, um den Kessel zu schlie-ßen, doch Bradley hielt sich penibel an dieGefechtslinien, während Stunde um StundeTausende von deutschen Soldaten der „Fal-le“ entwischten.

Nadelöhr statt LückeAm 16. August traten Kanadier und Polenerneut an. Eile war geboten. Zwar hatten dieAlliierten den Gefechtsraum der 7. Armeeinzwischen auf ein Gebiet von rund 50 Kilo-meter Breite und 25 Kilometer Tiefe zusam-mengedrückt, doch mussten sie die Lückeim Osten nun schleunigst schließen. Die Angreifer fochten sich allerdings nur müh-sam und unter Verlusten vorwärts. Erst am

18. August eroberten die Verbündeten Trun.Bei den Deutschen brach allmählich großeUnsicherheit aus. Die Spitze des XV. US-Korps stand östlich von Argentan bei Cham-bois – und war damit weniger als sieben Ki-lometer von der 1. kanadischen Armee ent-fernt. Dies war keine Lücke mehr, sondernein Nadelöhr, durch das sich die 7. Armeeverzweifelt hindurchzwängte.

In der „Falle“ Um die Ostseite des Kessels endgültig abzu-riegeln, mussten die Verbündeten das östli-che Ufer des zwischen Trun und Chamboisverlaufenden Flusses Dives sichern und da-rüber hinaus den Mont Ormel (wegen seinerHöhe auch „Hügel 262“ genannt) rund sechsKilometer östlich der Dives nehmen.

In den frühen Morgenstunden des 19. Au -gust rollte die 4. kanadische Panzerdivisionnach Chambois. Parallel dazu attackiertenzwei kanadische Infanterieverbände dieNordost-Seite des Kessels, um deutscheKräfte zu binden. Zwar wiesen die Verteidi-ger den Fesselangriff der kanadischen Infan-terie ab und fügten ihnen schwerste Verlus-te zu, doch die kanadischen Panzertruppenhatten Erfolg und reichten den Amerikanernin Chambois die Hände. Bis zum Nachmit-tag desselben Tages quälte sich auch die polnische Panzerdivision den „Hügel 262“hinauf und brach ebenfalls unter großenOpfern den letzten Widerstand der 12. SS-Panzerdivision. Die „Falle“ war zuge-schnappt und 100.000 deutsche Soldaten sa-ßen darin. „Hügel 262“ bot zudem eine her-vorragende Sicht auf den schrumpfendenKessel, sodass die Polen das Artilleriefeuerkoordinierten. Tagsüber donnerten oben-drein alliierte Flugzeuge heran, die jede Be-wegung für die Eingeschlossenen unmög-lich machten. Gab es für die verbliebenendeutschen Soldaten noch Hoffnung, diesemInferno zu entkommen?

Die 5. Panzerarmee, ehemals „Panzer-gruppe West“, befand sich mit dem II. SS-Panzerkorps längst außerhalb des Kessels.Dies war auch bitter notwendig, denn dasKorps zehrte schon lange von seiner Sub-stanz. Außerdem bereitete die deutsche Füh-rung bereits den Aufbau einer neuen Frontöstlich der Seine vor und konnte dabei nichtauf diese kampfstarke Formation verzichten.Insofern wäre es sinnvoll gewesen, das II. SS-Panzerkorps vollständig nach Osten zu füh-ren. Doch nun war der Großverband die letz-te Hoffnung der 7. Armee. Am 20. August1944 trat das Korps mit der 2. und 9. SS-Pan-zerdivision an. Gerade einmal 20 Panzerkonnten diese ausgebluteten Verbände nochins Feld führen. Ihnen zur Seite standen dreiInfanteriebataillone.

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Sieg der Alliierten

„Ich weiß es nicht, ob der überall bewährteFeldmarschall Model die Lage noch meisternwird. […] Sollte es […] nicht der Fall sein undIhre neuen, heiß ersehnten Kampfmittel, insbes. die der Luftwaffe, nicht durchschla-gen, dann, mein Führer, entschließen Sie sich den Krieg zu beenden. Das dt. Volk hatso namenlos gelitten, dass es Zeit ist, demGrauen ein Ende zu machen.“ Feldmarschall Günther von Kluge in seinem Abschiedsbrief an Hitler vom 18. August 1944

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Hölle auf Erden

PROPAGANDAZEICHNUNG: US-Kampfflug-zeuge greifen eine deutsche Fahrzeugko-lonne an, die versucht, aus dem Kesselvon Falaise zu entkommen.

Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

GIGANT AUF KETTEN: Alliierte Soldatenuntersuchen einen zerstörten

Panzerkampfwagen VI, „Tiger“ II. Mitseiner starken Panzerung und seiner leis-tungsstarken 8,8-cm-Kanone war er eine

gefürchtete Waffe. Doch besonders diealliierte Luftüberlegenheit wurde vielen

„Königstigern“ zum Verhängnis. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

GUT GETARNT: Soldaten der Waffen-SS in ihren charakteristischen Fleck-tarn-Uniformen mit Helmüberzug. Be-sonders die kampferprobten SS-Ver-bände setzten den Alliierten arg zu.

Foto: picture-alliance/akg-images

STAHLKOLOSS: Titelseiteder NS-Propagandazeitung„Signal“. Die „Tiger“ wa-ren beim Gegner gefürch-tet, doch die Stückzahlenviel zu gering.

Foto: picture-alliance/akg-images

HITLERS „FEUERWEHRMANN“:Generalfeldmarschall Walter Model(1891–1945) galt als „Defensiv-spezialist“ und sollte als neuer OBWest ab Mitte August 1944 dieFront in Frankreich stabilisieren.

Foto: picture-alliance/IMAGNO/Austrian Archives

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Mit diesen bescheidenen Kräften war esfreilich kaum möglich, den Einschließungs-ring aufzubrechen. Daher musste die 7. Ar-mee noch einmal alle Kräfte mobilisierenund den Entsatztruppen entgegenstoßen.Armeeoberbefehlshaber Paul Hausser ord-nete daher an, dass alles, was noch kämp-fen und marschieren konnte, sich in Kampf-gruppen zu organisieren und selbstständigauszubrechen hatte. Noch in der Nachtvom 19. auf den 20. August überwandenerste Stoßgruppen die schwachen Kräfte ander Dives und besetzten handstreichartigeinige Brücken. Die Spitze bildeten die Sol-daten der 3. Fallschirmjägerdivision. Sie ge-wannen auch erstaunlich viel Gelände,doch bei Coudehard am Fuße des „Hügels262“ war zunächst Schluss, denn hier trafensie auf die polnische Panzerdivision. Sollteihnen nicht längst das II. SS-Panzerkorpsentgegenkommen?

Die beiden SS-Divisionen kamen im Mor-gengrauen des 20. August ihren eingeschlos-senen Kameraden zu Hilfe. Doch auch sieprallten auf „Hügel 262“ wie gegen eineWand. Verbissen und zäh wehrten die Polenalle Angriffe ab. In jenen Tagen verlor die Di-vision allerdings über 1.400 Mann – 20 Pro-zent ihrer Stärke. Die Polen zahlten den Preisfür Montgomerys inkonsequente Operati-onsführung. Das II. SS-Korps schloss darauf-hin Teile der Verteidiger, denen mittlerweilesogar die Gewehrmunition ausging, auf derHügelspitze ein.

Dramatische FluchtAuf der anderen Seite rafften sich die Fall-schirmjäger noch einmal zum Angriff auf.Unterstützt von den Resten der 2. SS-Panzer-division, vertrieben sie die Polen aus Coude-hard und reichten dem II. SS-Korps die Hän-de. Bis zum späten Nachmittag erweitertensie die Lücke auf bis zu drei Kilometer.

Obwohl alles nach Osten drängte, be-mühte sich die Armee, den Ausbruch organi-siert ablaufen zu lassen. So stellten die ver-antwortlichen Offiziere eine Fahrzeugko-lonne zusammen, die zunächst die Verwun-deten abtransportierte, während man denVerkehr für die anderen sperrte.

Die verbliebenen polnischen Verteidigerauf „Hügel 262“ besaßen zwar nur noch ei-ne sehr geringe Kampfstärke. Sie konnten ih-

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Sieg der Alliierten

BESTAUNT: Panzer und andere Militärfahr-zeuge der Alliierten präsentieren sich nachihrem Einzug in Paris Ende August 1944der erleichterten Bevölkerung der französi-schen Hauptstadt. Foto: picture-alliance/akg-images

UNGEWISSE ZUKUNFT:Soldaten der Wehrmachtwerden nach der Kapitu-lation in Paris am 25.August 1944 auch vonPersonen in Zivil, ver-mutlich Angehörige derRésistance, durchsucht.Foto: picture-alliance/akg-images

LiteraturtippBeevor, Antony: D-Day. Die Schlacht um dieNormandie. Aus dem Englischen von Helmut Ettinger (die Originalausgabe ist 2009 unterdem Titel „D-Day – The Battle for Normandy“ erschienen). 2. Auflage, München 2011

Kessel von Falaise und alliierter Vormarsch KARTE

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich

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re Position jedoch weiterhin hervorragendnutzen, um das Artilleriefeuer zu koordinie-ren, das der fliehenden 7. Armee arg zusetz-te. Daher versuchte das II. SS-Panzerkorpsam 21. August ein letztes Mal, diesen Pfahlim Fleisch zu beseitigen, die Kraft war aller-dings längst verbraucht und gegen Nachmit-tag zog sich das Korps allmählich zurück. In-zwischen hatte nämlich die kanadische Ar-mee Verstärkungen entsandt, die bis zumAbend sämtliche Lücken am Ostrand desKessels schloss. Während sich nun alle geret-teten Soldaten rasch Richtung Seine absetz-ten, kapitulierten die eingeschlossenen Res-te der 7. Armee.

Zwischen 35.000 und 40.000 deutschenSoldaten ist in diesen dramatischen Stun-den, als der Korridor noch offen stand, dieFlucht geglückt. Etwa 50.000 traten ihrenletzten Marsch in die Gefangenschaft an,rund 10.000 waren gefallen. Zudem ließ die7. Armee mehr als 2.700 Fahrzeuge, davon344 gepanzert, und rund 250 Artilleriege-schütze zurück.

Der Ausgang der Schlacht von Falaisehatte für die Alliierten jedoch einen Makel:Unter den entkommenen Soldaten befandsich zum Teil sehr erfahrenes Personal, vorallem aus dem Generalstab. Mit diesen Män-nern konnte die deutsche Führung darandenken, die geschlagene Normandie-Armeezumindest teilweise neu aufzubauen.

Es ist erstaunlich, dass die Verbündeten,die „Overlord“ so vorzüglich geplant undim Laufe der Invasion so vieles richtig ge-macht hatten, nun ausgerechnet in derSchlussphase einen derart schwerwiegendenFehler begingen. Denn sie versäumten es,am Ostrand des Kessels einen Schwerpunktzu bilden und ihre Kräfte entsprechend zuverteilen. So halfen die Amerikaner zwar da-bei, den Kessel von Westen her einzudrü-cken, standen am Südrand „Wache“ und ent-sandten gleich zwei Korps Richtung Ost undSüdost. Doch ausgerechnet dort, wo man sieam dringendsten benötigt hätte, nämlich imAusbruchsraum der Deutschen, blieben sieweitgehend inaktiv.

Die Deutschen hingegen konzentriertenihre verbliebenen Kräfte auf den Fluchtkor-ridor und fügten Polen und Kanadiernschwere Verluste zu. Letztere büßten vom14. bis zum 21. August rund 5.400 Mann ein.

Nun versuchten die Alliierten, die flie-henden Deutschen noch westlich der Seine,

zwischen Elbeuf und der Flussmündung, zustellen. Zwar hatten Bomber bereits vor derLandung die Brücken in diesem Abschnittzerstört, doch rückte die 21. britische Armee-gruppe zu langsam vor. Dies lag zum einemam schlechten Wetter und zum anderen amunerwartet heftigen deutschen Widerstand.

Die Amerikaner wiederum waren erneutschneller, respektierten jedoch die Operati-onsgrenzen und stießen nicht über Elbeufhinaus nach Norden vor. So entkamen vieleDeutsche abermals und evakuierten biszum 30. August den größten Teil ihrer Trup-pen nach Ostfrankreich. Schwer wog indesder Verlust an Fahrzeugen und Geschützen,die die Wehrmacht nicht über die Seine ret-ten konnte.

Die VorentscheidungDer Siegeseuphorie auf Seiten der Verbün-deten tat dies keinen Abbruch. So beendetedie 2. französische Panzerdivision zusam-men mit US-Truppen bereits am 25. Augustdie deutsche Besatzungsherrschaft in derfranzösischen Hauptstadt, in der Stadtkom-mandant Dietrich von Choltitz kapitulierte.Der Jubel der Franzosen kannte keine Gren-zen. Am 26. August 1944 präsentierten sichdie Sieger mit ihren Fahrzeugen auf derAvenue des Champs-Élysées der Bevölke-rung von Paris.

Die hohen Verluste der Deutschen weck-ten bei den Verbündeten nun große Hoff-nungen. Hatte das alliierte Hauptquartiervor der Landung in der Normandie noch dieAbsicht, bis Herbst 1944 lediglich die Seinezu erreichen, wagten einige hochrangige Of-fiziere nun die Prognose, dass der Krieg bisWeihnachten 1944 zu Ende sein könnte.

Doch nach dem unerwarteten Rück-schlag bei Arnheim, als vor allem Panzer-verbände des II. SS-Panzerkorps den alliier-ten Luftlandetruppen eine herbe Niederlagebeibrachten, war dieser „Zeitplan“ nichtmehr einzuhalten.

Allerdings konnte das verlustreicheScheitern der alliierten Operation „MarketGarden“ das Vordringen der Westalliiertenbis zur Reichsgrenze im Herbst 1944 nur ver-zögern, aber nicht stoppen. Mit dem Tri-umph in der Normandie in den Monaten Ju-ni bis August 1944 war die endgültige Ent-scheidung im Westen und eine wichtigeVorentscheidung im Zweiten Weltkrieg zu-gunsten der Anti-Hitler-Koalition gefallen.

Triumphaler Einzug in Paris

„Wenn ,Monty‘ [Bernard L. Montgomery] versucht, vorsichtig vorzugehen, ist es zu spät.“US-General George S. Patton in seinem Tagebuch über die Kesselschlacht von Falaise

Aus Liebezum Detail

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Meinung

Einem bekannten Sprichwort zufolge hat der Erfolgviele Väter, der Misserfolg nur einen. Ein anderesSprichwort lautet: „Erstens kommt es anders, und

zweitens, als man denkt.“ Auf das Landungsunterneh-men der Alliierten in der Normandie gemünzt heißt das,sich genau zu überlegen, in welchem Maß das aus alli-ierter Sicht erfolgreiche Vorhaben planbar war und wel-che Faktoren sich der Planbarkeit widersetzten.

Dass die Angloamerikaner die Schlacht um die Nor-mandie gewannen, weil sie die Sache der Demokratievertraten, war nicht vorherbestimmt. Kriegsgeschehenist Menschenwerk. Es geht um Dinge, die geplant undrealisiert werden durch Menschen, und es geht umDinge, die sich der Steuerbarkeit durch den Menschenentziehen.

Eine Strategie, die sich bewusst auf Unwägbarkeiteneinlässt, als wären sie eine planbare Größe, und auf die-se so baut, als wären diese Unwägbarkeiten unbedingtbegünstigende Faktoren für den eigenen Erfolg, ver-dient nicht den Namen „Strategie“. Sie bedeutet Dilet-tantismus. Anders formuliert: Man siegt nicht deshalb,weil man siegen muss – gerade dann, wenn man einepolitische Idee vertritt. Man kann aber besser siegen,wenn Überzeugung einhergeht mit guter Ausbildungdes Personals und Bereitstellung guten Materials. Unddies immer im Bewusstsein, dass Tugend, Notwendig-keit und Zufall – in den Worten Machiavellis: der Drei-klang „virtù“, „necessitá“ und „fortuna“ – immer auchdes günstigen Augenblicks bedürfen. Für die Alliiertenwar dies der 6. Juni 1944 mit den ihm folgenden 24Stunden, „der längste Tag“ also.

Kein kluges KonzeptDas Hauptproblem auf deutscher Seite bestand darin,dass sie Gefangene ihrer eigenen Vorstellung und Fehl-wahrnehmung war: nämlich Gefangene des Glaubens,der deutsche Soldat habe den Ersten Weltkrieg verlo-ren, weil ihm allein der Wille zum Kämpfen gefehlt ha-be. Deutsches militärisches Denken im Zweiten Welt-krieg setzte folglich nicht nur primär, sondern absolutauf die immaterielle, d. h. auf die geistige Seite soldati-schen Handelns. Und zwar so, dass – hier wirkte derKonformitätsdruck einer totalitären Diktatur erst rechtkontraproduktiv! – auch auf geistiger Ebene nicht in Al-ternativen gedacht wurde, und wenn, dann viel zu

spät. Die militärischen Siege zu Beginn des Krieges wa-ren letztlich dem Überraschungsmoment und auf tak-tischer Ebene durchaus gegebener höherer Kampfkraftgeschuldet. Wie gewonnene Schlachten zu einem zugewinnenden Krieg modelliert werden können, war,betrachtet jenseits der „Qualität“ des NS-Regimes, fürdie deutsche Kriegsführung kein Thema. Sie war gut fi-xiert auf die taktische Ebene, bedingt berücksichtigtesie auch die operative Ebene. Kläglich versagte sie imBegreifen der strategischen Dimension des Krieges.

Was nützte die Eroberung Frankreichs, wenn bis An-fang 1944 die Verteidigung der „Festung Europa“ zuLande und zu Luft kläglich vernachlässigt worden war,weil Hitler und seine Generalität es vorgezogen hatten,sich auf Basis einer improvisierten Kriegsführung inden Weiten Russlands zu verzetteln, um dort ein groß-germanisches Imperium zu errichten? Sie nützte nichts,wie Rommels verspätete Armierungsmaßnahmen amtorsohaften „Atlantikwall“ erwiesen.

Bereits vom Grundansatz her betrachtet, nicht erstin der Umsetzung, war die Verteidigung dieser „Fes-tung Europa“ absolut defizitär:• Weder war sie dynamisch: Man setzte auf starre Fes-

tungen, ohne die räumliche Dimension in Rechnungzu stellen, also zu bedenken, was geschehen würde,sobald die „Festung“ blutreich genommen wordenwar.

• Noch wurde die maritime Sicherung des weiten Vor-feldes bedacht, also die Bekämpfung des Gegners aufSee, bevor dieser mit Amphibienfahrzeugen anlan-den konnte.

• Und am problematischsten: Es fehlte die Luftüberle-genheit, und zwar auch nur ansatzweise!

Gescheiterte GeneralitätUnd nun ein Stück weitergedacht: Ist eine Festung ge-nommen, dann können dem Eindringling immer nochSchwierigkeiten erwachsen aufgrund des Verhaltens derBewohner. Die deutsche Besatzungspolitik hatte inFrankreich nichts getan, um die Herzen derer zu gewin-nen, die nicht eindeutig pro-nationalsozialistisch einge-stellt waren. Wie soll die „Festung Europa“ verteidigtwerden, wo es doch für die meisten, einschließlich der„schweigenden Mehrheit“ (sei es aus Angst vor NS-Ter-ror oder aus Opportunismus), nichts zu verteidigen gab.

Hauptgründe für das deutsche Desaster

Von Peter Andreas Popp

Ohne Konzept und materiellhoffnungslos unterlegen

LiteraturtippsKennedy, Paul: Die Casab-lanca-Strategie. Wie die Alliierten den Zweiten Welt-krieg gewannen. Januar1943 bis Juni 1944. München 2012

Mönch, Winfried: Entschei-dungsschlacht „Invasion“1944? Prognosen und Diagnosen. Stuttgart 2001

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Direkt angesprochen: Die deutsche Verteidigung amAtlantik war in der Tat in technischer und personellerHinsicht absolut unvollständig. Sie war zudem starrund militärisch phantasielos angelegt. Und dort, wosie bautechnisch einigermaßen ausgestaltet war, griffendie Alliierten nur zum Schein an (= Raum Calais/Diep-pe). Von Nachhaltigkeit der Verteidigung keine Spur!Aufgrund der permanenten alliierten Luftangriffe aufdie französischen Verkehrswege und deren erheblicheSabotage seitens des französischen Widerstandes wur-de die Logistik zur Abwehr der Invasionstruppen be-reits im „Hinterland“ paralysiert.

Über die Nichtheranführung deutscher Panzerreser-ven ist viel geschrieben worden. Es stimmt: Diese stan-den in der Normandie nicht zur Verfügung, und Hitlertrug dafür die Verantwortung. Doch nicht er allein. Diedeutsche Generalität an der Westfront erwies sich imJuni 1944 als der beste Verbündete der Alliierten – nicht,weil sie Hitler auch nur ansatzweise untreu wurde (an-dernfalls hätten die Akteure des „20. Juli“ ja auf siebauen können), sondern, weil sie Hitler allzu treu dien-te, indem sie das tat, was die Führungsverantwortli-chen auf angloamerikanischer Seite nicht zu erwartenwagten! Jetzt rächte sich auch hier, dass Hitler dasKämpfen nicht der Generalität exklusiv überließ. Werwird General (von den in politischer Hinsicht „kastrier-ten“, soll heißen politisch willfährig orientierten, Gene-ralfeldmarschällen hier gar nicht erst zu reden) in die-ser Diktatur mit einem Militär, welches sich auf demWege zum „nationalsozialistischen Volksheer“ befand– sei es in Form der selbst gleichgeschalteten Wehr-macht oder der Waffen-SS als Kerntruppe? Mit Sicher-heit nicht derjenige, der über Alternativen nachdenkt,bevor er handelt. Genau hierin lag das strukturelle Pro-blem auf deutscher Seite. Potenziert wurde es durchden Umstand, dass – infolge der ab Juni/Juli drama-tisch ansteigenden Verluste – fortan frei werdendePlanstellen mit militärhandwerklich ausgereiftem Per-sonal nicht mehr besetzt werden konnten. Der bereitsbis zum 6. Juni 1944 an der Ostfront geleistete Tributverstärkte das Problem dramatisch.

Kommando und Kontrolle!1944 hatte die deutsche Rüstungsproduktion zwar ih-ren höchsten „Output“ trotz des alliierten Flächenbom-bardements, aber im Unterschied zu den Alliierten hat-te die deutsche Seite darüber hinaus versäumt, tech-nisch hochwertiges Wehrmaterial in Serienreife „an dieFront“ zu bringen: Dies verkörperte ein strukturellesDefizit bereits im Vorfeld der Invasion, welches die ag-gressive und zugleich improvisierte Herangehenswei-se an die Führung des Krieges deutscherseits nur allzusehr bezeugt.

Die Wehrmacht mochte über „Kampfkraft“ verfü-gen – um mit Martin van Creveld zu sprechen, viel-leicht sogar über mehr als die US Army, was die men-tale Komponente und die Empathiefähigkeit von Vor-gesetzten auf Ebene der Truppe anbelangt –, aber in derhistorischen Situation des 6. Juni 1944 verfügte dieandere Seite über mehr davon. Zur Kampfkraft gehörtauch ein umsichtiges Ressourcenmanagement, geradeunter militärischen Vorzeichen. Und hier fällt auf, dassauf deutscher Seite die Ressourcen an Material undPersonal immer knapper geworden und auf angloame-rikanischer Seite so angewachsen waren, dass das Lan-dungsunternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit –Faktoren jenseits menschlichen Einflusses ausgeklam-mert – nicht scheitern konnte.

Paul Kennedy vertritt in seiner 2013 erschienenenStudie „Engenineers of Victory: The Problem SolversWho Turned the Tide in the Second World War“ (derdeutsche Titel lautet nicht ganz so prägnant „Die Ca-sablanca-Strategie“) die Auffassung: „Von allenAspekten, die zum alliierten Sieg in der Normandiebeitrugen, war der wichtigste sicherlich der von Kom-mando und Kontrolle. Ohne sie scheitert alles andereselbst bei Glanzleistungen auf taktischer Ebene.“ Ge-nau hier lag das gravierende Defizit auf deutscher Sei-te. Worüber die Angloamerikaner verfügten, davonhatte die deutsche Seite zu wenig. Sie entbehrte am 6.Juni 1944 drei weiterer ganz entscheidender Kriterien:der Luftherrschaft, der Seeherrschaft sowie „gute(r)Täuschung und Aufklärung“. Paul Kennedy sum-miert also die im Sinne des Gelingens der Landung„positiven“ Faktoren auf insgesamt vier. Und so blei-ben dann hinsichtlich der aus alliierter Perspektivenegativen Faktoren nur zwei übrig: „Das Wetter imKanal und die Verteilung und Reaktion der deutschenTruppen.“

Das Zusammenwirken all dieser Faktoren AnfangJuni 1944 öffnete für die angloamerikanischen Trup-pen den Weg nach Westeuropa. Bis sie die Elbe er-reichten, sollte es noch fast elf blutige Monate dauern.Aus deutscher Perspektive war der Krieg im Sinneder Anwendung strategisch wirkender Initiative spä-testens bereits Mitte 1942 verloren. Fortan konnte nurnoch reagiert werden. Mit der Landung der westalli-ierten Truppen in der Normandie begann das letzteKapitel des Zweiten Weltkrieges auf dem europäi-schen Kriegsschauplatz.

Dr. Peter Andreas Popp, Oberstleutnant, Jg. 1958, ist ständigerMitarbeiter bei CLAUSEWITZ und seit 2005 Lehrstabsoffizier für Militärgeschichte und Politische Bildung an der Offizierschule derLuftwaffe, Fürstenfeldbruck.

MACHTBEWEIS:Dieser französischeSherman steht fürdas überwältigendeWirtschaftspotentialder Alliierten – über50.000 Stück wurdendavon produziert! Na-türlich kann das„deutsche Desaster“nicht monokausalmit der materiellenÜberlegenheit desGegners erklärt wer-den. Ein weitererPunkt war vor allemdas kopflose Verteidi-gungskonzept derWehrmacht.

Foto: picture alliance/Leemage

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Reenactment

6. Juni 2014: Zum 70. Jahrestag der alliier-ten Landung in der Nor-mandie wird es wiederzahlreiche Reenactment-Veranstaltungen geben,die die historischen Er-eignisse mög lichst au-thentisch rekonstruieren.Ziel ist das Wachhaltender Erinne rung und einbesonderer Zugang zurVergangenheit – dasNacherleben.

Von Hagen Seehase

Engagement gegen das Vergessen

„D-Day“-Reenactment

Geschütze donnern, Infanteriewaf-fen bellen, ein B-25-Mitchell-Bomberfliegt an. Landungsboote bringen

Truppen in US-Uniform an den Strand – ganzso wie am 6. Juni 1944. Allerdings ist es Au-gust 2013 und der Strand ist der des Erieseesbei der Stadt Conneaut in Ohio. Hier wirdlaut Insidern seit 1999 eines der besten Reen-actments des Zweiten Weltkriegs abgehalten.

Blumenkränze für die Gefallenen2013 sind 750 Reenactors, hauptsächlichAmerikaner und Kanadier, dabei. 91 Vetera-nen von Overlord hatten ihr Erscheinen an-gemeldet. Die Motivation dieser Reenactorsmacht die offizielle Verlautbarung der Ver-anstaltung deutlich: Man will die damals be-teiligten Soldaten, auf beiden Seiten, ehrenund die Erinnerung an sie wachhalten undbewahren.

Reenactors und Fahrzeugsammler ausEuropa müssen nicht weit fahren, um an ei-

nem „D-Day“-Reenactment teilzunehmen,ja, sie können sogar die Originalschauplätzeaufsuchen. So fahren Mitglieder von „KeepThem Rolling“, einer niederländischen Ver-einigung von Fahrzeugsammlern, alle fünfJahre nach Courseulles, nahe dem Landeab-schnitt Juno. Exakt dort gingen am „D-Day“die kanadischen Truppen an Land, die 1945die Niederlande befreiten. Für eine Wocheist der Campingplatz von Courseulles vonMilitärzelten und rund 150 alten Fahrzeugen„belagert“, die die niederländischen Enthu-siasten mitgebracht haben. Sie nehmen an ei-nigen Paraden teil, abends spielt eine BigBand im Stil der 40er-Jahre auf dem Cam-pingplatz. 2004 brachte ein Mitglied sogarsein Flugzeug, einen A-26-Invader-Bomber,mit und machte einen Flug über die Pega-sus-Bridge. Mit DUKW-Amphibienfahrzeu-gen brachten Veteranen Blumenkränze vorder Küste aus, um die gefallenen Kameradenvon damals zu ehren.

Um den britischen Part der Invasionkümmert sich besonders die „Gold Beach Li-ving History Group“, zu der verschiedeneDarstellergruppen gehören. Hier ist alles bri-tisch: die Fahrzeuge, die Waffen, die Unifor-men, nur nicht notwendigerweise die Reen-actors. Die kommen aus Großbritannien,aber auch aus den USA, Kanada, Frankreichund Deutschland. Seit 2004 organisiert die„Gold Beach Living History Group“ Reen-actments in der Normandie.

Absprung aus alten DakotasIm Jahre 2008 erließen M. Bart, Präfekt derRegion Calvados, und Admiral Brac de la Per-riere, Präsident der Association NormandieMémoire, eine Charta, die einen Verhaltens-kodex für die Reenactors beinhaltet und dieZusammenarbeit mit den französischen Be-hörden regelt. Aber nicht nur in Frankreichwerden, wie eingangs schon beschrieben,„D-Day“-Reenactments abgehalten. Zur In-

SCHWERES GESCHÜTZ: Reen-actment-Gruppen stecken vielGeld in ihre Ausrüstung – dazugehören auch Jeeps und Panzer.

Foto: Dennis Buijs

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vasion gehören auch die militärischen Vorbe-reitungen in England. Ein großes Reenact-ment hat 2012 in Dorset stattgefunden: „Ar-mour and Embarkation“. Mit dabei: die „FirstDivision“, eine hauptsächlich aus Briten be-stehende Reenactment-Gruppe, die sich dieDarstellung der Company E, 16th InfantryRegiment, 1st Division US Army, zur Aufgabemacht.

Vermutlich die authentischste Art der „li-ving history“ erleben die Mitglieder des Li-berty Jump Teams aus Texas, die jedes Jahrin den USA sowie Europa auftreten. 2012sind sie beim „D-Day“-Reenactment dabeigewesen, 2013 auch, und 2014 nehmen siewieder teil. Manchmal wird sogar aus denMaschinen von damals gesprungen: alten C-47 (Dakotas).

Viele der Mitglieder sind aktive Soldaten,so Lt. Col. Jeffrey Foundas, als US-Soldat ineiner NATO-Stabsverwendung. Er springtwie seine Teamkollegen auf eigene Kosten,

und das sind immerhin rund 200 US-DollarSprung. Die Pilgerstätte der Reenactors, diebritische Fallschirmjäger darstellen, ist die Pe-gasus-Bridge, für die Darsteller der US-Air-borne ist es das Städtchen Sainte-Mère-Église.

Die Bundeswehr beim „D-Day“Was treibt nun die Reenactors an, Kostenund Mühen auf sich zu nehmen, Urlaub zuopfern und behördliche Auflagen befolgenzu müssen? Für Dennis Buijs, der zur Grup-pe „Keep Them Rolling“ gehört, ist die Ant-wort klar: um die Soldaten zu ehren, die am

Unternehmen „Overlord“ teilnahmen. Unddas tut er nicht nur durch seine Teilnahmean Veranstaltungen in der Normandie: Er betreibt seit Jahren schon die Websitewww.white-star.nl, auf der es hauptsächlichum alliierte Fahrzeuge geht. Auch Geoff Lee-se von der „Gold Beach Living HistoryGroup“ beschränkt sich nicht nur auf Reen-actments: Er gehört zu den vielen Mitarbei-tern des America-Gold Beach Museums inVer-sur-Mer, das einen Schwerpunkt auf dieLandung in der Normandie legt.

Das Reenactment gehört heute ganzselbstverständlich zur Erinnerungskultur inder Normandie: Ganz deutlich wurde dies2013 in La Fière, wo zum Gedenken an dieLuftlandung am Vorabend des 6. Juni 1944Fallschirmspringer – allerdings bei hellemTageslicht – abgesetzt wurden. Darunter be-fanden sich sowohl Reenactors als auch akti-ve Soldaten … bei Letzteren waren auch An-gehörige der Bundeswehr vertreten.

DER EHEMALIGE GEGNER: Reenactors, die deutsche Soldaten darstellen, gehören ebenso zu den Veranstaltungen. Foto: Dennis Buijs

AUFWENDIG: Dieses Bild vermittelt einen guten Eindruck von denDimensionen der Veranstaltungen. Foto: Gold Beach Living History Group

AUTHENTISCH: Ziel ist, historisch so korrekt wie möglich aufzutreten.Reenactors einer amerikanischen Fallschirmjäger-Einheit. Foto: Dennis Buijs

EHRUNG: Ein integraler Bestandteil der D-Day-Reenactments ist dasGedenken an die Gefallenen. Foto: Gold Beach Living History Group

Mehr Informationen www.dday70.wordpress.com www.dday-overlord.com www.ddayohio.us www.the70th-normandy.com www.normandiememoire.com

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Relikte des Krieges

In der Normandie erinnern zahlreiche Relikte des Krieges aus Beton und Stahl an diedramatischen Ereignisse von 1944. Viele Anlagen des „Atlantikwalls“ sind mittlerweilefür Besucher zugänglich und wahre Touristenmagneten. Von Tammo Luther

Stumme ZeugenDer ehemalige Kriegsschauplatz heute

AUS DER SICHT DER VER-TEIDIGER: Blick aus einerdeutschen Artillerie-Kase-matte des „Atlantikwalls“bei Pointe du Hoc. DurchErschließungsarbeitensind weite Teile der ausge-dehnten Anlage für Besu-cher zugänglich. Das im Juni 1944 besonders hartumkämpfte Gelände an derFelsenküste ist durch Ero-sion gefährdet und wurdedaher im Zuge umfang -reicher Baumaßnahmendurch Betonverfüllungenstabilisiert. Foto: picture-alliance/Eibner-Pressefoto

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BETRETEN VERBOTEN: Pontons als Überresteder Mulberry-Häfen, hier bei Ebbe am Strandvon Arromanches („Mulberry B“). Über diekünstlichen Nachschubhäfen konnten währendder alliierten Invasion 1944 Schiffe entladenwerden. Foto: picture-alliance/dpa©epa-Bildfunk

INSTANDGESETZT: Eine kanadische Hau-bitze am „Juno Beach“, an dem kanadischeSoldaten am 6. Juni 1944 an Land gingen.In derNähe befindet sich ein Museum, dasan die Ereignisse des Juni 1944 erinnert.

Foto: picture-alliance/Eibner-Pressefoto

GUT ERHALTEN: Küstenver-teidigungsbatterie Longues-sur-Mer. Diese Batteriestellte einen wichtigenStützpunkt des „Atlantik-walls“ dar und umfasste ne-ben einem Feuerleitstandvier Bunker. Die im Zent -rum des alliierten Ansturmsauf der Spitze einer Klippeüber dem Ärmelkanal er-richtete Batterie spielte bei der Invasion am 6. Juni1944 eine strategisch be-deutende Rolle. Longues-sur-Mer ist heute die einzi-ge mit Originalkanonen aus-gestattete Batterie. Sieliegt zwischen Arromanchesund „Omaha Beach“ und er-öffnet dem Besucher eineneindrucksvollen Rundblicküber die Landungsstrände.

Foto: picture-alliance/picture-alliance

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Relikte des Krieges

GUT BESUCHT: WenigeKilometer von Arroman-ches entfernt liegt dieKüstenbatterie Longues-sur-Mer. Unmittelbar ander Küstenlinie befindetsich der gut erhaltenefrühere Beobachtungs-und Feuerleitbunker, vondem hier die Rückseitezu sehen ist. Die etwazwei Kilometer von derKüstenlinie entfernten, in Kasematten unterge-brachten 15-cm-Kanonender Batterie verfügtenüber einen Schwenk -bereich von 120 Gradund eine Reichweite vonknapp 20 Kilometern.

Foto: picture-alliance/dpa

AUS STAHLBETON: Kase-matte der Küstenverteidi-gungsanlage Pointe duHoc, einem rund 500 Me-ter langen und fast 30 Me-ter hohen Abschnitt an derSteilküste der sogenann-ten Calvadosküste in derNormandie. Das 155-mm-Artilleriegeschütz fehlt.Pointe du Hoc zählt zu denbesonderen Sehenswürdig-keiten des ehemaligen„Atlantikwalls“ und weistunter anderem auch einDenkmal für die Angehö-rigen des US-Ranger-Ba-taillons auf, das die deut-schen Stellungen im Zugeder alliierten Invasion er-oberte. Foto: picture-alliance/Eibner-Pressefoto

TOURISTENMAGNET: Die Artilleriebatte-rie zur Küstenverteidigung von Crisbecqwurde ab 1942 von der „OrganisationTodt“ errichtet. Mit ihren 21-cm-Skoda-Langrohrgeschützen deckte sie den Sek-tor zwischen Saint-Vaast-la-Hougue undPointe du Hoc ab. Die Batteriebesatzungleistete den Soldaten der 4. US-Infante-riedivision, die am 6. Juni 1944 bei UtahBeach gelandet waren, erbitterten Wider-stand. Von den etwa 400 Verteidigernkonnten sich am 12. Juni 1944 wenigerals 80 Mann absetzen. Für die Besucherwerden in der ausgedehnten Anlage heu-te verschiedene Szenen nachgestellt, da-runter Ruheraum, Küche, Munitionslagerund Krankenstation. Diese Bereiche sindmit Originalstücken ausgestattet.

Foto: picture-alliance/akg-images

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EXPONIERT: Ein US-Panzervom Typ „M4 Sherman“oberhalb des Strandab-schnitts von Arromanches.Der an prominenter Stelleaufgestellte Panzer ist einbeliebtes Fotomotiv derzahlreichen Besucher vorOrt. Foto: picture-alliance/maxppp

AUS DER VOGELPERSPEKTIVE: Pointe du Hoc war ein strate-gisch wichtiger Stützpunkt der deutschen Küstenverteidigung inder Normandie. Das 2. Ranger-Bataillon sollte die Landspitze ein-nehmen. Den US-Soldaten ist es trotz der glatten Felswände unddes deutschen Abwehrfeuers gelungen, innerhalb kurzer Zeit zumGipfel des Felsvorsprungs zu gelangen. An diesem Standort sindheute noch die Reste der deutschen Heeresküstenbatterie sowietiefe Spuren der harten Kämpfe und die Krater der Luftangriffe zusehen. Pointe du Hoc ist damit einer der wenigen Standorte, dienoch direkt von der Brutalität der Kämpfe bei der Landung der Alli-ierten in der Normandie zeugen. Foto: picture-alliance/dpa©dpa-Report

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Meinung

Die Qualität eines militärischen Führers (und nichtminder eines Politikers!) erweist sich geradeauch in der Planung für den Eventualfall. Wenn

die Landung der Alliierten am Morgen des 6. Junis we-gen schlechten Wetters oder zu starker deutscher Ge-genwehr gescheitert wäre, dann hätte Dwight D. Eisen-hower, der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräftein Europa, folgenden Text verlesen: „Our landings inthe Cherbourg-Havre area have failed to gain a satis-factory foothold and I have withdrawn the troops. Mydecision to attack at this time and place was based onthe best information available. The troops, the air andthe Navy did all that bravery and devotion to dutycould do. If any blame or fault attaches to the attemptit is mine alone.“

Diese nicht verlesene Erklärung, die nichts anderesbedeutete, als dass Eisenhower die volle Verantwor-tung bei einem Scheitern übernommen hätte, ist real.Eisenhower trug sie am 6. Juni 1944 „am Mann“. Nochwichtiger: Er vernichtete sie nicht, und so überdauertesie den Krieg. Das Schriftstück stellt mithin einenGlücksfall dar, weil es Zeugnis davon ablegt, dass diealliierte Invasion – der Begriff ohne Anführungszeichenist im rein militärtechnischen Sinne zu verstehen – al-les andere als ein erfolgssicheres Unternehmen dar-stellte.

Und weil dem so ist, macht es Sinn, sich Gedankendarüber zu machen, was „Unternehmen Overlord“zum Erfolg verhalf und was passiert wäre, wenn es einMisserfolg geworden wäre. Lange Zeit galt nicht nur inDeutschland Geschichtsbetrachtung im Sinne einer Be-schäftigung mit nicht-geschehener Geschichte als „un-historisch“. Die Aufgabe eines jeden Historikers ist esschließlich, im Sinne Leopold von Rankes, des Begrün-ders der modernen Geschichtswissenschaft, die Dingeso darzustellen, „wie es eigentlich gewesen ist“. Es gehtalso um Realität und Wahrheitsliebe.

Bilder des GrauensZugegeben: Wenn sich Historiker mit „Geschichte, diesich so nicht ereignet hat“, beschäftigen, dann zeugtdas nicht nur von kreativer Phantasie, die hoffentlich

nicht mit einem durchgeht, sondern – besonders imFalle von Schreckensszenarios – von kultivierten Le-bensängsten, die Aufschluss über eine bestimmte Stim-mungslage des Historikers als Einzelperson und alsTeil einer politischen Gemeinschaft, also „über Nationund Gesellschaft“, geben.

Das Wissen darum, wie sehr die Existenz Großbri-tanniens seit dem deutschen Angriff auf dem Spielstand und die Rückeroberung, sprich Befreiung, deswestlichen Europas in Gefahr war, erklärt zu einem gu-ten Teil, weswegen sich gerade angelsächsische Histo-riker zur kontrafaktischen Geschichtsbetrachtung hin-gezogen fühlen. Im Falle amerikanischer Gelehrterkommt der Umstand hinzu, dass der Eintritt der USAauf dem europäischen Kriegsschauplatz in den Augender meisten damals lebenden US-Amerikaner längstnicht so dringlich war wie der Krieg gegen den „Ag-gressor Japan“. Gleichwohl, es galt seit der Konferenzvon Casablanca (Januar 1943) auf Seiten der Angloame-rikaner die Devise: „Germany First!“ Nach Lage derDinge konnte die NS-Herrschaft über Kontinentaleuro-pa zeitnah nur mit dem ökonomischen und militäri-schen Potenzial der USA beendet werden.

Um die „bedingungslose Kapitulation“ Nazi-Deutschlands ebenfalls „zeitnah“ zu erreichen, bedurf-te es darüber hinaus der konzertierten Aktion der „Gro-ßen Drei“, also der Vereinigten Staaten, Großbritanniensund der Sowjetunion. Das heißt: Eine Betrachtung desUnternehmens „Overlord“, gerade auch im Sinne einerAlternativgeschichte, bedarf der Inrechnungstellungder Geschehnisse im Osten wie auch der Betrachtungder Erfolgsaussichten alternativer bzw. ergänzenderangloamerikanischer Landungsunternehmen auf demwesteuropäischen Kriegsschauplatz.

Pakt mit dem „roten Zaren“Es bedeutet keine relativierte historische Wahrheit,wenn man vorab festhält, dass ein Scheitern von „Un-ternehmen Overlord“ das Koordinatensystem der Alli-ierten erheblich beeinträchtigt hätte. Wäre daraus danneine die Sowjetunion begünstigende Konstellation ent-standen? Stalin steht neben Hitler, Mao Tse-Tung und

Was wäre geschehen, wenn die Invasion gestoppt worden wäre?

Von Peter Andreas Popp

GewagtesGedankenexperiment

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Pol Pot für die großen politischen Verbrechergestaltendes zwanzigsten Jahrhunderts. Hätte er aus einemScheitern der Invasion Profit schlagen können? Die Fra-ge ist umso berechtigter, weil aus dem Blickwinkel deröstlichen Mitteleuropäer, der Polen zum Beispiel, demgeglückten Landungsunternehmen der West-Alliiertenlängst nicht die hohe Wertschätzung zuteil wird wieaus westeuropäischer Perspektive. Das Gedenken an-lässlich des 60. Jahrestages der Schlacht in der Norman-die (2004) legte davon Zeugnis ab. Der „D-Day“ verhin-derte nicht, dass das östliche Europa die eine totalitäreDiktatur gegen die andere eintauschte. Dafür gibt es einSchlagwort. Es lautet: „Jalta oder die Teilung des Kon-tinents.“

Welche Dynamik vom nationalsozialistischenDeutschland ausging, belegt der Umstand, dass dieAngloamerikaner sich mit Stalins Sowjetunion einenBündnispartner aussuchen mussten, der die immerwieder betonte freiheitliche Werteorientierung westli-cher Politik von vornherein dem Vorwurf des Zynis-mus, ja der Unglaubwürdigkeit, aussetzte. Um bei denwichtigen Einzelpersonen zu bleiben: Zwischen Stalinund Churchill herrschte, erst recht seit der Konferenzvon Teheran (Anfang Dezember 1943), tiefstes Miss-trauen; zwischen Roosevelt und Churchill so etwas wieFreundschaft, zumindest solange es die gemeinsameInteressenlage, gepaart mit „angelsächsischer Nähe inVerschiedenheit“, zuließ. Das Verhältnis zwischen Roo-sevelt und Stalin war, was den amerikanischen Präsi-denten und seinen linksliberal orientierten Beraterstabanging, geprägt von einer mitunter sehr idealistischen,um nicht zu sagen naiv orientierten, Wahrnehmung des„roten Zaren“.

Die Furcht FrankreichsEs fällt auf, dass jeder kontrafaktische Blick auf das al-liierte Landungsunternehmen betont, wie sehr durchdessen Gelingen die Freiheit wenigstens im westlichenEuropa gesichert wurde. Im Rückblick verkörpert der„D-Day“ das letzte große US-amerikanische Militärun-ternehmen, welches nicht dem Vorwurf der Amoralitätausgesetzt sein sollte.

Wenn soeben von der Naivität Roosevelts gegen-über dem „russischen Wolf“ Stalin die Rede war, sosollte nicht verkannt werden, dass angloamerikani-scherseits bei „Overlord“ auch „knallhartes“ Machtkal-kül mitschwang: „Unternehmen Bagration“ (der Vor-marsch der Roten Armee auf die Heeresgruppe Mitteund deren faktische Auflösung im Juni/Juli 1944) hing

mit „Unternehmen Overlord“ haargenau nach Vorbildkommunizierender Röhren zusammen.

Welche Auswirkungen hätte ein Fehlschlag auf dasVerhältnis der Angloamerikaner zur Sowjetunion ge-habt? Dieselbe Frage ist, wenn auch abgeschwächt, fürdas diffizile angloamerikanische Verhältnis zu stellen.Und dann gab es noch Frankreich mit seiner ganzenpolitischen Variationsbreite: Das Kollaborationsregimevon Vichy hatte mit der deutschen Besetzung ganzFrankreichs (Dezember 1942) ideell „abgewirtschaftet“,aber doch nicht so, dass es im Frühsommer 1944 vonder politischen Bildfläche verschwunden war. Generalde Gaulle wurde von seinen Landsleuten, soweit in derRésistance oder mit ihr sympathisierend, als Sprecherdes „Freien Frankreich“ mittlerweile geschätzt. Undfür die Angloamerikaner galt dies nicht minder, aller-dings nicht so, dass de Gaulle gleichberechtigt sich den„Großen Drei“ im Frühsommer 1944 hätte zugesellendürfen. Nebenbei bemerkt, Frankreich war auch aufder Potsdamer Konferenz ein gutes Jahr später nichtmit von der Partie!

Die Angloamerikaner wussten indes sehr genau,dass de Gaulle und sein „Freies Frankreich“, und nichtminder natürlich die Bevölkerung des von den Deut-schen besetzten Landes, psychologisch und materiellkriegsentscheidend waren für das Gelingen des Lan-dungsunternehmens. Für die, infolge der Kollaborationmit den Deutschen, lädierte Psyche der „Grande Nati-on“ wäre ein Fehlschlag katastrophal gewesen. Ohneden Resonanzkörper eines widerständigen Frankreichwäre die Landung wohl gescheitert. Wie kriegsentschei-dend die Résistance tatsächlich war, darüber gehen dieMeinungen der Zeitgenossen wie der Historiker nochimmer auseinander. Die Résistance war sehr reell, undsie war hilfreich. Die Angloamerikaner hatten dafür im-merhin ein bedingtes Gespür. Doch sie war nicht abso-lut gleichrangig, sie blieb eine „Hilfstruppe“. De Gaul-le sah dies natürlich ganz anders, und daraus entstandein französischer Gründungsmythos.

Wäre der Résistance bei einer gescheiterten Lan-dung am 6. Juni 1944 dieser Ruhm geblieben? Eindeu-tig ist dies nur so zu beantworten, dass Frankreich sichunter diesen Umständen nicht aus eigener Kraft hättebefreien können. Die „Grande Nation“ befand sich seit1940 auf dem Weg zum – materiell wie ideell gesehen– zerrütteten Staatswesen. Nach einem Scheitern von„Overlord“ hätten die Westalliierten, im Sinne der Stär-kung der mentalen Abwehrkräfte Frankreichs, soschnell wie möglich mit einem erneuten Landungsun-ternehmen reagieren müssen. Die Varianten liegen aufder Hand: entweder am Ärmelkanal (nur wo?) oder –von Churchill tatsächlich immer favorisiert (!) – viaSüdfrankreich. Am besten natürlich in Kombination!Nur: woher die Kräfte nehmen?

Auswirkungen auf DeutschlandDie deutsche Seite und die mit NS-Deutschland ver-bündeten Staaten betrachtet, wirkt die alternative Ge-schichtsbetrachtung nicht minder herausfordernd, undzwar in folgender Hinsicht. Ab welchem Zeitpunkt war

LiteraturtippsStephen E. Ambrose: Die Landung in der Normandie schei-tert, in: Robert Cowley (Hgg.): Was wäre geschehen, wenn?München 2004.

Harold C. Deutsch (Hgg.): If the Allies Had Fallen. Sixty Al-ternate Scenarios of World War II, Chicago 1997 (hier dasKapitel: „The June 1944 Invasion“, S. 142-166, insbes. S.164-166).

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Meinung

der Krieg für Deutschland tatsächlich verloren? Mit derverlorenen Luftschlacht um England? Ab der „Wendevor Moskau“ (Dezember 1941)? Ab Stalingrad (EndeJanuar 1943)? Ab der verlorenen Panzerschlacht vonKursk oder der Landung der Alliierten auf der italieni-schen Halbinsel (beide Juni/Juli 1943)?

Tatsache ist, dass, nicht nur aus der Perspektive Ber-lins, „die Einschläge seit Stalingrad immer näher ka-men“ und dass ab Sommer 1942 eine strategisch lang-fristige im heutigen Sprachgebrauch „nachhaltige“Kriegführungskapazität gerade unter logistischen Vor-zeichen in Kombination mit operativen Möglichkeitenimmer weniger gegeben war. Andererseits saß das NS-Regime seit Goebbels‘ berühmt-berüchtigter Sportpa-last-Rede („Wollt ihr den totalen Krieg?“) vom 18. Fe-bruar 1943 fester denn je im Sattel. Die Durchsetzungdes totalen Zugriffs auf den im NS-Jargon „deutschenVolksgenossen“ seitens des Regimes war ab Sommer1944, wie der britische Historiker Ian Kershaw in sei-nem Werk „Das Ende“ anschaulich aufzeigt, so fest wieniemals zuvor. „Niemals zuvor“ meint: gerechnet abdem 30. Januar 1933 mit Hitlers Übernahme der Reichs-kanzlerschaft. Die Tötungsfabriken des Regimes liefenim Sommer 1944 noch auf Hochtouren.

Ein Scheitern von „Overlord“ hätte auch auf dasFunktionieren der Mordmaschinerie der Nazis gravie-rende Auswirkungen gehabt. Wie gravierend tatsäch-lich, das wiederum hing ab von den Geländegewinnender Roten Armee. Wie gefestigt das NS-Regime war,wie sehr es tentakelhaft die deutsche Gesellschaft mitt-lerweile korrumpiert hatte, davon legt auch der Wider-stand eines beschämend geringen Teils des Militärs ge-gen Hitler und das NS-Regime Zeugnis ab: Der baldstattfindende „Aufstand des Gewissens“ vom 20. Juli1944 geschah tatsächlich „fünf nach zwölf“; immerhin:Er fand statt in den überlieferten Worten Henning vonTresckows unter der Devise: „Koste es, was es wolle.“Das meint in zeitlicher Hinsicht: nach der geglücktenLandung der Alliierten und noch vor dem Durchbruchder Alliierten in Nordfrankreich (Kessel von Falaise,12. bis 21. August 1944).

Ein zweiter „D-Day“Ein Stück weit „frommer Schauder“ schwingt immermit, wenn sich angloamerikanische Historiker mit kon-trafaktischen Ereignissen beschäftigen. Einer davon istStephen E. Ambrose, mittlerweile verstorben, als krea-tiver Verwerter der Ideen von Fachkollegen überführtund einem Gutteil unserer jungen Leser sicher bekanntals historischer Berater und Stichwortgeber für die TV-Serie „Band of Brothers“. Gerade in seinem Fall geht esauch um Geschichtspolitik, also das patriotische Be-dürfnis, den 6. Juni 1944 als Schlüsseldatum in der Ge-schichte der demokratischen Menschheit zu verankern,und dies unter Führung der USA.

Den Aufhänger für Ambrose bildet die eingangserwähnte Notiz Eisenhowers. Dieser hätte bei einemScheitern vom Kommando zurücktreten müssen. ObOmar Bradley tatsächlich dessen Nachfolger gewordenwäre, sei dahingestellt. Patton oder Montgomery in derFunktion des Supreme Commander hätten jedenfallsden angloamerikanischen „Familienfrieden“ nicht ge-

rade verbessert. Roosevelt und Churchill hätten auf al-le Fälle von einem zweiten Landungsversuch nicht ab-gelassen. Doch wären sie selbst dazu noch gekommen,und wenn, wo? Ambrose verneint dies im Falle Chur-chills, geht aber gleichermaßen davon aus, dass dieWehrmacht gegenüber den Alliierten nicht hätte stand-halten können – dies freilich unter anderen Rahmenbe-dingungen und in gänzlich anderer Konstellation.

Churchill wollte (wie sich in den Monaten vor dem6. Juni 1944 mehrfach intensiv gezeigt hatte!) bei demLandungsunternehmen in der Normandie immer dasminimalste Risiko eingehen. Eisenhower war nicht derGeneral, der die seinem Kommando anvertrauten Sol-daten verheizte. Und jetzt, angesichts der angenomme-nen Niederlage, diese paradox-tragische Situation! Estritt genau das ein, was nicht hatte eintreten sollen:Churchill konnte nicht länger als Premierminister agie-ren – Ende der Karriere! Roosevelt hingegen hätte wohlein zeitnahes Misstrauensvotum im Kongress über-standen, jedoch die in fünf Monaten anstehenden Prä-sidentschaftswahlen verloren.

Zwei VariantenAuf welche Weise wäre nun Nazi-Deutschland besiegtworden? Ambrose geht von zwei Möglichkeiten aus,die er mit unterschiedlicher Wertigkeit bemisst.

Variante 1: US-Präsident Thomas E. Dewey hättenun den Abwurf von Atombomben auf zwei deut-sche Städte autorisiert – ob dann auf Mannheim,München, Hamburg oder gar Berlin, sei dahinge-stellt. Gleichwie, der Krieg wäre in Europa so zu En-de gegangen, wie er in Japan tatsächlich geendethatte. Nur: Wie hätte dann Japan reagiert ...?

Variante 2: Die Rote Armee hätte wegen des ausge-bliebenen Landgewinnes der Westalliierten freieBahn bis hin zum Atlantik und zur Kanalküste ge-habt. Vielleicht hätte sie es auch nur bis kurz vor denRhein geschafft. Gleichwie: Kontinentaleuropa mit„roter“, sprich kommunistischer, Zukunft, keinNordatlantikpakt und vielleicht sogar eine Selbst-gleichschaltung Großbritanniens gegenüber Mos-kau! Ambrose macht keinen Hehl daraus, dass „Va-riante 2“ nicht in US-amerikanischem Interesse gele-gen hätte. Aufschlussreich ist, dass diese Sichthaargenau den transatlantischen Ängsten vor einer„Selbstfinnlandisierung“ Europas gegenüber derSowjetunion zu Zeiten des Kalten Krieges entspricht.

Ein GegenentwurfWas spricht nun für, was gegen diese beiden Varianten?Betrachten wir zur Klärung dieser Frage einen kontra-faktischen Alternativentwurf, formuliert von den bei-den Militärhistorikern Harold C. Deutsch und DennisE. Showalter. Deren zentrale Thesen lauten:(1)Der „D-Day“ war eine militärische Operation, die

nur einmal durchgeführt werden konnte. Dies giltvor allem für die britische Seite, insbesondere wasderen psychische und physische Ressourcen anging.

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Atombomben auf deutsche Städte?

(2)Großbritannien hätte bei einem Scheitern von„Overlord“ innerhalb der angloamerikanischen Al-lianz seinen Einfluss paradoxerweise steigern kön-nen. Begründung: Jetzt müssten die Amerikaner aufChurchills alternative Landungsvorschläge, näm-lich Südfrankreich (vgl. die tatsächlich nach „Over-lord“ durchgeführten Operationen „Anvil“ und„Dragoon“) und Oberitalien, mit Stoßrichtung Bal-kan eingehen.

(3)Norwegen wäre nicht minder als alternative westal-liierte Landungszone infrage gekommen.

(4)Die Angloamerikaner hätten sich nach dem Motto„jetzt erst recht“ auf das Führen des strategischenLuftkriegs verlegt. Er zermürbte bereits in der tat-sächlich durchgeführten Form das deutsche Wehr-potenzial erheblich!

(5)Ein Scheitern von „Overlord“ hätte keineswegs be-deutet, ein erneutes Landungsunternehmen im Är-melkanal zu verwerfen, und das heißt nichts ande-res als: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!“.Nur:

(6)Die Hauptlast bei der Niederringung Deutschlandszu Lande hätte nun wirklich die Sowjetunion tragenmüssen, und dies hätte zu einem noch massiverenAuftreten der Sowjetunion bei interalliierten Kriegs-konferenzen geführt.

Bekanntlich hat in der Politik „alles seinen Preis“. DieSowjetunion trug nach eigenem Selbstverständnis be-reits jetzt die Hauptlast für den alliierten Sieg. DiesesArgument ist insofern berechtigt, als der Krieg im Os-ten von vornherein einen ganz anderen Charakter hat-te. Der Feldzug im Osten war ein Rasse- und Vernich-tungskrieg; und das hieß plakativ auf den Nenner ge-bracht: Die Sowjets waren aus NS-deutscherPerspektive erbitterte Feinde, denen keine Schonungzuteil wurde, die Briten und Franzosen hingegen wa-ren lediglich Gegner. Allerdings: Die Befreiung Frank-reichs sollte mit sich bringen, dass zum Teil auf deut-scher Seite (s. Vorgehen von Einheiten der Waffen-SS,Behandlung west-alliierter Kriegsgefangener) gegen-über den West-Alliierten ähnlich verfahren wurde, wiegegenüber Angehörigen der Roten Armee verfahrenworden war. An der Westfront wurde der Krieg immerinhumaner geführt, auf deutscher Seite griffen nunauch hier die bereits im Osten lang eingeübten militä-rischen Verhaltensstandards.

Kein deutscher Sieg!Interessanterweise gehen Ambrose, Deutsch und

Showalter in einer Bewertung konform: Die USA hät-ten Atomwaffen als Erstes nicht gegen Japan, sonderngegen Nazi-Deutschland eingesetzt. „Die Bombe“ wä-re damit zu einem Kompensationsobjekt für die nichtfrüh genug entstandene und seitens der Sowjetuniongeforderte „Zweite Front“ geworden; und dies mit ei-nem doppelten Effekt: die dann wirklich unumgängli-che Kapitulation Deutschlands und die Errichtung ei-nes Haltesignals gegenüber der raumgreifenden RotenArmee. Auch Deutsch und Showalter gehen bei einemScheitern von „Overlord“ von einem weiten Vorstoßsowjetischer Truppen in den Westen Europas aus, d. h.der Realisierung der immer anti-westlich orientierteneurasischen Variante russischer (damals sowjetischer)Außenpolitik.

Wenn man das Schicksal Ostmittel- und Südosteu-ropas nach 1944/45 in Rechnung stellt, so ist dies fürden Westen Europas alles andere als eine erfreulichePerspektive. Doch eines sollte bedacht sein: War dieRote Armee nicht gerade deshalb bei der Zerschlagungder deutschen Gegenmacht so erfolgreich, weil es dieOperation „Overlord“ gab? Das Scheitern dieses Unter-nehmens hätte „nur“ eine Verzögerung des Kriegsen-des und damit noch unendlich viel mehr Leid bedeu-tet; auf keinen Fall einen deutschen Sieg!

Außerdem sollte nicht vergessen werden (und eswird von allen drei aufgeführten Autoren total ausge-blendet): Der Abwurf von Atombomben auf deutscheStädte hätte es den Deutschen wahrlich nicht erleich-tert, sich mit den Verbrechen des NS-Regimes tatsäch-lich nach Ende des Krieges auseinanderzusetzen. AuchDeutsche waren Opfer dieses Weltenbrandes, durchden Einsatz von Nuklearwaffen auf deutschem Bodenseitens der USA wäre – es steht zu befürchten und seideshalb direkt ausgesprochen – „Auschwitz“ für vieleDeutsche erheblich relativiert worden. So kam es be-kanntlich nicht. Und daher sei als sehr wirklichkeitsori-entierte These abschließend ganz bewusst formuliert:Das Gelingen von „Overlord“ wirkte perspektivischauch für die Deutschen in Richtung „Demokratie“.

DIE ROTE ARMEE AMATLANTIK: Bei einemScheitern von „Over-lord“ hätte es passie-ren können, dass diesowjetischen Truppenviel weiter nach Wes-ten vorgedrungen wä-ren – vielleicht bis anden Atlantik? Das Bildzeigt russische Solda-ten bei Sewastopol/Krim 1944 (doch hättedieses Bild bei einemmissglückten „D-Day“auch vom Rhein stam-men können ...).

Foto: picture-alliance/ZB

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Der „D-Day“ im Film

Der „D-Day“ ist bisheute ein beliebtesSujet für Kriegs- undAntikriegsfilme sowiefür Fernsehsendungen.

Von Daniel Carlo Pangerl

Kampf für die Freiheit

Am 6. Juni 1944 ereignete sich die zah-lenmäßig größte Invasion der Militär-geschichte. An jenem denkwürdigen

Tag, der unter dem Namen „D-Day“ Be-rühmtheit erlangte, stürmten über 150.000 al-liierte Soldaten die Strände der Normandie,um Europa von der faschistischen Gewalt-herrschaft zu befreien. Angesichts der heraus-ragenden historischen Bedeutung dieses Ereignisses ist es nur folgerichtig, dass der„D-Day“ auch zahlreichen Film- und Fern-sehproduktionen als Inspirationsquelle dien-te. Besonders hervorzuheben sind in diesemZusammenhang: „The True Glory“ (GB/USA1945), „Der längste Tag“ (USA 1962), „Kenn-

wort: Overlord“ (GB 1975), „Der Soldat JamesRyan“ (USA 1998), „Band of Brothers“ (USA2001) und „D-Day – Entscheidung in derNormandie“ (GB 2004).

„The True Glory“ „The True Glory“ aus dem Jahr 1945 ist dererste Langfilm über den „D-Day“. Es handeltsich dabei um eine amerikanisch-englischeKoproduktion, die vom United States Officeof War Information und dem britischen Mi-nistry of Information in Auftrag gegebenwurde. Die Zielsetzung dieses Werkes be-stand darin, den Fortgang der Operation„Overlord“ von 1944, also die Invasion des

von den Nationalsozialisten besetzten eu-ropäischen Festlandes durch die alliiertenTruppen, auf Zelluloid festzuhalten.

Hierzu entsandte man nicht weniger als1.400 Kameramänner direkt an die Kriegs-schauplätze. Diese filmten unmittelbar ander Front, oft mals unter Einsatz ihres eige-nen Lebens. Dabei starben 32 Kameramän-ner, 16 gelten als vermisst, über 100 erlittenleichte bis schwere Verletzungen. Als derZweite Weltkrieg schließlich zu Ende war,hatte man einen gigantischen Fundus anFilmmaterial vorliegen.

Die Herkulesaufgabe, aus dieser Stofffülleim Schneideraum einen Dokumentarfilm zuerstellen, übernahmen der englische Regis-seur Carol Reed, welcher 1949 mit seinemMeisterwerk „Der dritte Mann“ (Originalti-tel: „The Third Man“) Filmgeschichte schrei-ben sollte, und der US-amerikanische Dreh-buchautor Garson Kanin. Am 27. August1945 feierte der Film (Laufzeit: 87 Minuten)seine Premiere in London. Zu diesem Zeit-punkt kämpften die Amerikaner noch immerim Pazifik gegen die Japaner. Im Jahr daraufgewann „The True Glory“ den Oscar für diebeste Dokumentation. Reed und Kanin wei-gerten sich jedoch, den Preis anzunehmen.Stattdessen widmeten sie die Auszeichnungall denjenigen, die während des Drehs diesesFilms ums Leben gekommen waren.

„The True Glory“ beginnt mit einer kur-zen Rede von General Dwight D. Eisen-hower, dem Oberbefehlshaber der alliiertenStreitkräfte in Europa während des ZweitenWeltkrieges: Er zieht eine Bilanz des gewon-nenen Krieges und appelliert an die „Kame-radschaft der freien Völker“. Danach setzt

VIELSCHICHTIG: Im Film „The True Glory“ verschwimmen Inszenierung und Wirklichkeit be-sonders stark. Bekannte Personen wie Dwight D. Eisenhower und George S. Patton kommenin der Dokumentation vor. Foto: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

Die filmische Inszenierungder Invasion

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die eigentliche Handlung ein: Diese erstrecktsich von den militärischen Vorbereitungenim Vorfeld der Invasion, insbesondere derWaffen- und Munitionsproduktion, über die Ereignisse des „D-Day“ in der Norman-die und die erfolglose Operation „MarketGarden“ in den Niederlanden bis hin zurSchlacht in den Ardennen. Der Film endetmit einer Schilderung der Rheinüberque-rung und dem Einmarsch in Berlin.

„The True Glory“ ist ein außergewöhnli-ches militärhistorisches Quellenzeugnis überdie Endphase des Zweiten Weltkrieges. Be-dauerlicherweise erschien dieser Film bis-lang in Deutschland weder auf DVD, nochzeigte ihn das Fernsehen. Er kann aber beieinschlägigen Internethändlern als Import-DVD aus England oder den USA bezogenwerden.

„Der längste Tag“Die Normandie am 6. Juni 1944: AlliierteStreitkräfte landen mit dem Ziel, Europa vonden deutschen Besatzern zu befreien. Dasnun folgende Gefecht geht als eines der blutigsten des Zweiten Weltkrieges in dieGeschichtsbücher ein. Dieses Sujet bildet den Rahmen für einen der aufwendigstenKriegsfilme überhaupt: „Der längste Tag“(Originaltitel: „The Longest Day“), ein 1962gedrehter Schwarz-Weiß-Film mit einer mo-

numentalen Laufzeit von 180 Minuten, derauch heute noch zu den Klassikern zählt..

Seit den 1950er-Jahren befand sich dastraditionsreiche US-amerikanische Filmstu-dio Twentieth Century Fox in einer Krise.Darryl F. Zanuck, der Vizepräsident des Stu-dios, versuchte die sinkenden Besucherzah-len in den Kinos zu stoppen, indem er pres-tigeträchtige Großproduktionen in Auftraggab: Hierzu gehörte auch die Verfilmung desüberaus populären Buches „The LongestDay“ von 1959, welches die Ereignisse des„D-Day“ beschrieb. Autor dieses Werkes warder irische Journalist und Schriftsteller Cor-nelius Ryan. Zanuck beauftragte Ryan, einDrehbuch für den geplanten Film zu schrei-ben, welches die Geschehnisse aus Sicht derAmerikaner, der Engländer und der Deut-schen schilderte und genügend Raum fürspektakuläre Kriegsszenen bot. Da dieHandlungsstränge an verschiedenen Schau-plätzen spielten und in der jeweiligen Lan-dessprache gedreht wurden, engagierte

Twentieth Century Fox drei gleichberechtig-te Regisseure: Den Engländer Ken Annakin,den in den USA tätigen Ungarn Andrew (En-dre) Marton und den Deutsch-SchweizerBernhard Wicki, der durch seinen Anti-kriegsfilm „Die Brücke“ von 1959 Berühmt-heit erlangte. Das illustre Schauspieleren-semble weist eine Reihe der größten damali-gen Filmstars auf, darunter Richard Burton,Sean Connery, Henry Fonda, Gert Fröbe,Curd Jürgens, Robert Mitchum, Rod Steigerund John Wayne.

Bei „Der längste Tag“ handelt es sich pri-mär um ein auf Oberflächenreize zielendes,klug kalkuliertes Actionkino für den mäßiganspruchsvollen Zuschauer. Entsprechendfulminant gestaltete sich der Erfolg, den die-ser Film beim Publikum erzielte. Eine histo-risch-kritische und detailgetreue Auseinan-dersetzung mit dem „D-Day“ wird hingegennicht geleistet, ja, gar nicht erst angestrebt.Insofern beeindruckt „Der längste Tag“ auchheute noch in erster Linie als gigantische Ma-terialschlacht der Hollywood-Maschinerie.Wer sich selbst ein Bild von diesem cineasti-schen Spektakel machen möchte, kann diesmit der seit 2001 in Deutschland erhältlichenDVD von Twentieth Century Fox tun.

„Kennwort: Overlord“England 1944: Das Empire mobilisiert seineStreitkräfte. Einer der zahlreichen jungenMänner, die gegen ihren erklärten Willen

SPEKTAKULÄR: Die Invasion ist in dem überlangen Spielfilm „Der längste Tag“ mit großemAufwand inszeniert worden. Das Bild zeigt eine Filmszene, die die Anlandung am OmahaBeach rekonstruiert. Foto: picture-alliance

„Jede große Sache erfordert einen Anfang.Aber die Fortsetzung bis zum Ende, bis zur mühsamen Vollendung, bringt den wah-ren Ruhm.“ Zitat aus dem Film „The True Glory“ von 1945

DREHPAUSE BEIM D-DAY: Stuart Whitmanund John Wayne beim Schachspiel. „Derlängste Tag“ bietet unzählige Filmstars undeinen ungewöhnlichen Ansatz: drei Regis-seure aus drei Ländern. Foto: picture-alliance

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Der „D-Day“ im Film

zum vaterländischen Kriegsdienst eingezo-gen werden, ist Tom Beddows (dargestelltvon Brian Stirner). Tom reist fortan vonCamp zu Camp, wo er die Grundausbildungund verschiedene Spezialausbildungen ab-solviert. Hierdurch wird er nach und nachzu einem kleinen Rädchen im Getriebe dergewaltigen Operation „Overlord“. Schließ-lich kommt der Einsatzbefehl: Die Soldatensollen sich an der Südküste Englands sam-meln, um auf das europäische Festland über-zusetzen. Von Todesahnungen gepeinigt,schreibt Tom einen Abschiedsbrief an seineEltern. Schon bald gerät seine unheilvolle Vi-sion zur schrecklichen Realität: Als er am „D-Day“ zusammen mit seiner Truppe in derNormandie landet, stirbt er beim Kampf ge-gen die deutsche Armee.

Dieses Szenario ist die Grundlage für ei-nen der besten Filme, die je über den Zwei-ten Weltkrieg gedreht wurden: „Kennwort:Overlord“ (Originaltitel: „Overlord“). Regis-seur dieses 1975 in Großbritannien entstan-denen Films ist der US-Amerikaner StuartCooper. „Kennwort: Overlord“ zeichnet sichdurch eine künstlerisch überaus originelleKonzeption aus: Cooper sichtete im ImperialWar Museum in London eine Reihe authen-tischer Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus demZweiten Weltkrieg, die er in seinen Film ein-

baute. Diese historischen Dokumente, die etwa ein Drittel der Gesamtlaufzeit von 79 Minuten ausmachen, kombinierte er mit Spielfilmsequenzen – ebenfalls inSchwarz-Weiß gedreht. Der brillante Kame-ramann John Alcott, der auch Stanley Ku-bricks Meisterwerke „Clockwork Orange“,

„Barry Lyndon“ und „The Shining“ auf Zel-luloid bannte, verwendete für „Kennwort:Overlord“ bewusst Kameralinsen, die auchin der Kriegsberichterstattung der 1930er-und 1940er-Jahre üblich waren. Dadurch ver-schwimmen für das Publikum beim Betrach-ten des Films die Grenzen zwischen Realitätund Fiktion. Das Resultat ist eine beklem-mende Atmosphäre, in welcher das Schick-sal des Tom Beddows den Zuschauer emo-tional unmittelbar berührt.

Obgleich der Film bei seiner Premiere gu-te Kritiken erzielte und beim FilmfestivalBerlinale den Spezialpreis der Jury („Silber-ner Bär“) gewann, blieb er lange Zeit weitge-hend unbekannt. Erst seit Kurzem erhält erdank seiner Veröffentlichung auf DVD einewohlverdiente Würdigung. In Deutschlanderschien „Kennwort: Overlord“ im Jahr 2010beim Label Bildstörung.

„Der Soldat James Ryan“Am „D-Day“ findet an der Küste der Nor-mandie die Invasion der alliierten Truppenstatt. An den Kämpfen ist auch Captain JohnH. Miller (dargestellt von Tom Hanks) betei-ligt. Unter hohen Verlusten können die deut-schen Stellungen erobert werden, jedochüberleben nur wenige von Millers Soldaten.Währenddessen wird in den USA eine Mut-ter von der Armee benachrichtigt, dass in-nerhalb weniger Monate bereits ihr dritterSohn in Europa gefallen sei. Wegen der im-mensen Opfer, welche die Mutter und derenFamilie erbringen mussten, beschließt dasMilitär, den letzten noch lebenden Sohn na-

Steven Spielberg und Tom Hanks, Regisseurbzw. Hauptdarsteller des Hollywood-Block-busters „Der Soldat James Ryan“, produzier-ten 2001 für den US-amerikanischen Privat-sender HBO eine zehnteilige Fernsehseriemit dem Titel „Band of Brothers“ (Gesamt-laufzeit: 603 Minuten). Diese Serie widmetsich, ebenso wie bereits „Der Soldat JamesRyan“, dem „D-Day“. Sie kann jedoch dieseEreignisse aufgrund der deutlich längerenSpieldauer ungleich detaillierter darstellen.Geschildert wird die Geschichte einer Fall-schirmjägereinheit, die im Zweiten Weltkriegkämpft und den Namen „Band of Brothers“trägt. Die Handlung setzt bei der Ausbildungder jungen Männer ein. Darauf folgen mehre-re Episoden: von der Landung der Soldatenin der Normandie während des „D-Day“ bishin zum Kriegsende im Mai 1945. Bemer-kenswert ist die Tatsache, dass es sich beiallen vorkommenden Charakteren um Perso-nen handelt, die wirklich lebten. Dies verleiht„Band of Brothers“ eine gewisse historischeAuthentizität. Zudem wird jede Folge, mit Aus-nahme der zehnten, durch einen Kommentarvon Zeitzeugen eingeleitet, die 1944/45 alsSoldaten der US Army in Westeuropa im Ein-

satz waren. Dank eines hohen Budgets be-sticht die Serie durch realistisch wirkendeSchlachtszenen sowie durch spektakuläreSpezial- und Soundeffekte. In Deutschlandwurde die Serie erstmals 2005 im Free-TVausgestrahlt. Zudem ist sie seit 2007 als 6-DVD-Box des Labels Warner Home Videoerhältlich, die neben einer deutschen Syn-chronfassung auch den englischen Original-ton bietet.

Der „D-Day“ als FernsehserieHINTERGRUND

HISTORISCHES VORBILD: Diese Szene aus Spielbergs Film von 1998 repliziert eines derbekanntesten „Images“ der Invasion: die sogenannten „Jaws of Death“. Foto: picture-alliance

UMFANGREICH: In insgesamt zehn Folgender TV-Serie „Band of Brothers“ (2001)werden die Ereignisse vom „D-Day“ biszum Kriegsende nachgezeichnet. AlsNachfolger erschien 2010 „The Pacific“. Foto: picture-alliance/United Archives

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mens James Ryan (dargestellt von Matt Da-mon) nach Hause zu schicken. Bedauerli-cherweise landeten die Fallschirmjäger der101. Division, deren Mitglied Ryan war, ineinem Himmelfahrtskommando hinter dendeutschen Linien. Daher ist gegenwärtig we-der bekannt, an welchem Standort sich Ry-ans Einheit genau befindet, noch, ob es Über-lebende gibt. Captain Miller erhält deswegenden Auftrag, zusammen mit acht anderenSoldaten im Gebiet des Feindes nach Ryanzu suchen. Die Expedition endet tragisch:Miller stirbt, Ryan hingegen kann gerettetwerden.

Dies ist der Handlungsrahmen von Ste-ven Spielbergs „Der Soldat James Ryan“(Originaltitel: „Saving Private Ryan“) von1998. Dieses mit enormem Aufwand gedreh-te Werk von 163 Minuten Länge gehört zuden populärsten und kommerziell erfolg-reichsten Kriegsfilmen in der GeschichteHollywoods. Besonders berühmt ist dieatemberaubende, etwa 20-minütige Eröff-nungssequenz: Mit virtuosen Kamerabewe-gungen wird die Landung der Alliierten inder Normandie am „D-Day“ in einem gera-dezu dokumentarischen Stil gezeigt, wo-durch der Zuschauer Teil des Geschehenswird. Der Regisseur Spielberg scheut dabeiauch nicht die Darstellung von nackter, un-geschminkter Gewalt.

Leider kann der Film die zu Beginn ge-nährten hohen Erwartungen nicht erfüllen.Allzu oft gleitet er in ein hohles patriotischesPathos ab, überhöht die heldenhaften Gefal-

lenen und zeichnet die deutschen Feinde alsKarikaturen. Aufschlussreich ist in diesemKontext ein Vergleich mit Terrence MalicksAntikriegsfilm „Der schmale Grat“ (Origi-naltitel: „The Thin Red Line“), welcher eben-falls von einer US-amerikanischen Militär -operation während des Zweiten Weltkriegeshandelt und im selben Jahr wie „Der SoldatJames Ryan“ entstand. Während Malick eineglaubwürdige humanistische und pazifisti-sche Botschaft ohne weltanschauliche Vor-eingenommenheit vermittelt, sucht man Vergleichbares bei Spielberg vergeblich.„Der Soldat James Ryan“ ist seit 2001 in einerDVD-Ausgabe von Paramount verfügbar.

„Entscheidung in der Normandie“Im Jahr 2004 produzierte der staatliche briti-sche Fernsehsender BBC ein aufwendiges90-minütiges Doku-Drama über die Lan-dung der Alliierten am 6. Juni 1944: „D-Day – Entscheidung in der Normandie“ (Origi-naltitel: „D-Day 6.6.1944“). Anlass war der60. Jahrestag dieses geschichtsträchtigen

Ereignisses. Als Regisseur engagierte manden Engländer Richard Dale, der für die BBCbereits erfolgreiche populärwissenschaftli-che Dokumentationen kreiert hatte. Dale ent-warf für den Film ein Konzept, welches denSchwerpunkt auf eine möglichst authenti-sche und detailgetreue Nachbildung der Ge-schehnisse legte. Dabei kombinierte er histo-rische Originalaufnahmen, die an denKriegsschauplätzen entstanden, Interviewsmit Zeitzeugen sowie nachgestellte Spielsze-nen, die er mit Schauspielern im Studio dreh-te.

Um ein dem wichtigen Jahrestag ange-messenes Werk zu schaffen, scheute man we-der Kosten noch Mühen: Mithilfe von Com-puteranimationen wurden mehrere TausendSoldaten sowie zahlreiche Fahrzeuge undLandungsboote erschaffen. Für die aufwen-digen Schlachtszenen feuerte man etwa4.000 Platzpatronen von 100 Originalwaffenab und zündete etwa 250 KilogrammSprengstoff. Leider überzeugt das Endergeb-nis sowohl aus technischer als auch aus dra-maturgischer Sicht nur teilweise: Die Com-putereffekte sind oftmals mit dem bloßenAu ge klar zu erkennen. Des Weiteren kannder Film die bedrückende Stimmung undden Spannungsbogen des „D-Day“ nichtdurchgehend vermitteln. Ebenso gerät dieCharakterisierung der beteiligten Figurenteilweise zu pauschal.

Trotz besagter Schwächen handelt es sichbei dieser BBC-Produktion um eine überausverdienstvolle Unternehmung, Geschichteeinem breiten Publikum in plastischer undgut verständlicher Weise zu vermitteln, ohnezu große Zugeständnisse an Inhalt und Stil zu machen. In Deutschland lief „D-Day – Entscheidung in der Normandie“ erstmalsam 5. Juni 2004 im Fernsehen. Der Film istseit 2004 auch als DVD des Labels Polybanderhältlich.

Action und Pathos bei Spielberg

Dr. Daniel Carlo Pangerl, Jg. 1983, ist Historiker undKulturwissenschaftler. Er promovierte 2011 an derLudwig-Maximilians-Universität München.

„Es gibt nichts, wodurch man es wieder vergisst; jedes Mal beginnt man wieder ganzvon vorne. Durch den Krieg werden die Menschen nicht edler; er macht sie zu Hunden;vergiftet die Seele.“ Zitat aus dem Film „Der schmale Grat“ von 1998

PROBLEMATISCH: Spielbergs „Der Soldat James Ryan“ scheut sich nicht, die blutige Seitedes Krieges zu zeigen (Szene aus der bekannten Eröffnungsschlacht des Filmes). Doch wierealistisch können Filme den Krieg überhaupt darstellen? Letztendlich kann die Kamera im-mer nur einen kleinen – noch dazu interpretierten – Ausschnitt zeigen. Foto: picture-alliance

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Gedenkorte & Museen

Mittlerweile treffen in der Normandienicht nur die Veteranen der Kämp-fe regelmäßig aufeinander, sondern

auch junge englische und amerikanische Of-fiziersanwärter, welche die alten Kampfstät-ten für moderne taktische Schulungen besu-chen. Schlachtengewinner vereinnahmen dieSchauplätze ihrer Siege oft für die eigene Er-innerungskultur, und daher verwundert esauch nicht, dass an den französischen Kanal-küsten weitaus mehr amerikanische und englische Denkmäler stehen als deutsche. Inder deutschen Erinnerungskultur wird dieBedeutung des „D-Day“ zudem von den gro-ßen Schlachten an der Ostfront, allen voranStalingrad, überlagert.

Die Landschaft der Normandie hat sichvon den teilweise enormen Zerstörungen

des Jahres 1944 inzwischen weitgehend er-holt. Die dichten Heckenlandschaften imHinterland (Bocage), die den Alliierten einstso große Probleme machten, wuchern wie-der. Doch die französische Atlantikküstewird wohl für immer vom Zweiten Welt-krieg geprägt bleiben, denn die Reste des At-lantikwalls sind nahezu allgegenwärtig. Dieimposantesten Anlagen finden sich sicher-lich weiter nördlich am Pas de Calais. Dochauch vom Verteidigungsgürtel in der Nor-mandie sind immer noch beeindruckendeBunkeranlagen erhalten.

Prinz Charles am AtlantikwallEinen guten Einblick über die Organisationder deutschen Küstenverteidigung gibt dieBatterie de Merville. Diese strategisch wich-

tige Geschützstellung gehörte zum Verteidi-gungsabschnitt der 716. Division östlich desOrne-Kanals. Merville wurde am 6. Junidurch einen überraschenden landseitigen An-griff von Teilen des 9. britischen Fallschirmjä-ger-Bataillons eingenommen. Das Museumerhält die Bunkeranlage und präsentiert eineoriginale tschechische 100-mm-Haubitze. Aufdem Rasen vor den Bunkern steht eine jenerDakota-Maschinen, die die Briten kurz vorCaen abgesetzt hatten. In den einzelnen Bun-keranlagen sind die Museumsräume unter-gebracht, die sich mit dem Leben der deut-schen Batteriebesatzung, der Ausbildung derbritischen Landungskräfte und dem Sturmauf die Batterie beschäftigen. Die Ausstellun-gen sind sehr plastisch und bieten vieleSchaukästen mit Wehrmachtssoldaten in

Reise in die Vergangenheit

Strände des Sieges, Strände des Todes

Für die Westalliierten stellt der „D-Day“ das bedeutendste Ereignis des Zweiten Welt-krieges dar. Daher haben sich die Strände der Normandie zu einem Ausflugsziel für„Schlachtfeldtouristen“ aller Art entwickelt. Von Alexander Querengässer

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Klippen über die Ufer des Kanals, die dendeutschen Verteidigern exzellente Verteidi-gungsstellungen boten. Das Gelände istdurch befestigte Wege gut erschlossen. DerPointe du Hoc bildet einen in jedem Fall se-henswerten Kontrast zu den flachen undsandigen Strandabschnitten.

Ein visuell beeindruckendes Erlebnisstellt das 360-Grad-Kino in der Nähe derKlippen von Arromanches dar. Das Kinopräsentiert in Hollywood-Manier eine beein-druckende Dokumentation über den Ablaufder Landung. Im Ort selbst steht das offizi -elle französische „Musée Debarquement“,welches 1954 zur Erinnerung an die Lan-dung eröffnet wurde. Das Museum rücktweniger die eigentlichen Kampfhandlungen,als den logistischen Aufwand des Ereignissesin den Mittelpunkt. Im ersten Ausstellungs-raum erläutern die Museumsführer den Gäs-ten die Funktion der Mulberryhäfen anhandvon Modellen und warten mit den beeindru-ckenden Statistiken aus dem alliierten Nach-schubwesen auf. Durch das große Panorama-fenster kann man auch einen direkten Blickauf die Reste der künstlichen Häfen erha-schen. Im zweiten Raum wird mithilfe eineranimierten Karte der Ablauf der Landung ge-zeigt und in sechs Sprachen (darunterDeutsch) erklärt. Die „Hall des Alliés“ stelltanschließend die beteiligten Armeen vor (an-ders als der Name erwarten lässt, werden dieDeutschen nicht ausgeklammert) und prä-sentiert ganz klassisch Uniformen, Waffenund andere Relikte in Vitrinen. Im Kinosaalkönnen sich die Besucher abschließend auchnoch einmal von einer Dokumentation ausArchivbildern erklären lassen, wie man dieMulberryhäfen entwarf, baute und zusam-mensetzte. Wer durch diesen Besuch ange-regt wurde, sich ausführlicher mit dem „D-Day“ zu beschäftigen, der findet umfangrei-che Literatur im Museumsshop.

Einen gesamten Landungsabschnitt, denJuno Beach, stürmte die 1. kanadischen Ar-mee. Es war die drittgrößte alliierte Teilstreit-kraft. 2003 eröffnete die kanadische Regie-rung das „Juno Beach Center“ als offiziellesMuseum für den Einsatz kanadischer Solda-ten im Zweiten Weltkrieg. Es fokussiert sichdabei nicht nur auf den Einsatz der kanadi-schen Divisionen, sondern auch auf den zi-vilen Beitrag und die politische Entwicklungim größten Commonwealthstaat, also Ebe-nen, die fast alle anderen Museen in dieserRegion ausblenden. Die militärischen Berei-che präsentieren ausführliche Infotexte, vielBildmaterial und überschaubare Vitrinenund unterscheiden sich somit konzeptionellsehr von den amerikanischen Museen. Über-haupt geht das „Juno Beach Center“ an dieempfindliche Thematik Krieg auf eine nüch-terne und sachlichere Art und Weise heranals die amerikanischen – und teilweise sogarbritischen – Erinnerungsstätten. Das Gebäu-de ahmt mit seinen fünf Flügeln die Form ei-nes Ahornblatts nach.

Denkmäler für die GIsEin Hauptanziehungspunkt für jeden Ameri-kaner ist wahrscheinlich das „Utah-Beach-Museum“, welches sich direkt hinter den Dü-nen des Strandes befindet. Hier findet der Be-sucher neben weiteren Resten desAtlantikwalls etliche Denkmäler für die ame-rikanischen Soldaten. Das letzte wurde erstam 6. Juni 2012 eingeweiht und zeigt Major„Dick“ Winters, dessen Lebensgeschichte vorallem durch die Fernsehserie „Band of Bro -thers“ Bekanntheit erlangte. Im Museum er-läutern zehn Räume die strategische Lage derAlliierten im Sommer 1944, die Stärken undSchwächen der deutschen Verteidigungsan-lagen, die zehn Gefechtsabschnitte dieses Ta-ges und die folgende Besetzung Cotentins.Dem Besucher wird militärisches Großgerät

ihren Unterkünften, Fallschirmjäger-MG-Trupps oder Ausschnitten aus den Transport-flugzeugen. Bereits jetzt bereitet das Museumseine Gedenkveranstaltungen für den kom-menden 70. Jahrestag vor, bei denen nebenPrinz Charles alle Veteranen des 9. Bataillonseingeladen sind und auch eine Nachstellungdieses Teilgefechts geplant ist.

Klippen, Kino, KunsthäfenNicht nur militärhistorisch, sondern auchlandschaftlich reizvoll ist der Pointe du Hocbei Grandcamp-Maisy. Hier wachsen steile

ALLGEGENWÄRTIG: Überreste des ZweitenWeltkrieges prägen die küstennahen Land-schaften im Norden Frankreichs, die heuteAnziehungspunkt für viele Besucher sind.Das Foto zeigt den Überrest eines deut-schen Bunkers bei Merville. Foto: picture-alliance

ANSCHAULICH: Das „Musée Debarquement“ präsentiert Ausrüs-tungsgegenstände aller Art. Foto: picture-alliance /PHOTOPQR/L’EST REPUBLICAIN

AMERIKANISCH: Das „Utah-Beach Museum“ widmet sich vor allemden USA und ihrer Rolle bei der Invasion. Foto: picture-alliance/Vintage

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Gedenkorte & Museen

in erstklassigem Zustand gezeigt, so unteranderem einer der letzten B-26-Marauder-Mittelstreckenbomber und ein Higgins-Lan-dungsboot. Wie fast jedes „D-Day“-Museumsetzt auch „Utah-Beach“ stark auf audiovisu-elle Medien und präsentiert seinen Gästen ei-ne eigens produzierte, aufwendige Doku-mentation. Und wie in Arromanches kannder Besucher auch hier durch ein Panorama-fenster einen beeindruckenden Blick auf denLandungsstrand werfen.

Einsamer FallschirmjägerIn dem Film „Der längste Tag“ spielte derHollywoodstar John Wayne einst einen Co-lonel der 101st US Airborne bei ihrem An-griff auf St. Mere Eglise. Die Szenen wurdenim Ort selbst gedreht. An der Spitze desKirchturms hängt heute noch eine Puppe,die den Fallschirmjäger John Steele dar-stellt, der sich mit seinem Fallschirm amDach verheddert hatte und hilflos denKämpfen im Ort zusehen musste. Wayneund Steele sind wahrscheinlich heute diewichtigsten Werbefiguren für den Ort unddas hier befindliche „Airborne Museum“,eine der ältesten Ausstellungen in der Nor-mandie. Sie setzt sich speziell mit dem tra-gischen Einsatz der amerikanischen 82ndund 101st Airborne Division und denKämpfen um Sainte-Mère-Èglise auseinan-der. Zu den größten Ausstellungsobjektenzählen eine Douglas C-47, das alliierte Ge-genstück zur „Tante Ju“, und ein Waco-Las-tensegler. Ab 1. Mai wurde der Gelände-

komplex um einen neuen Flügel erweitert,der nun auch den Verlauf der gesamtenOperation „Neptune“ präsentiert.

Deutscher FriedhofModerne Schätzungen schraubten die ame-rikanischen Verluste am „bloody“ Omaha-Beach von ursprünglich geschätzten 3.000auf 4.200 Mann hinauf. Auch hier befindetsich ein auf die amerikanischen Besucherausgerichtetes Museum. Da das gesamte Ge-lände um den Strand der amerikanischenRegierung von Frankreich zum Geschenkgemacht wurde, werden hier an jedemNachmittag um 16:30 Uhr die Stars and Stri-pes eingeholt. Direkt neben dem Museumbefindet sich der Friedhof von Colleville-sur-Mer, auf dem 9387 schneeweiße Kreuze andie gefallenen GIs erinnern. Hier wurdeauch die Einführungsszene von StevenSpielbergs „Der Soldat James Ryan“ gedreht.Im nicht weit entfernten La Cambe befindetsich die größte Kriegsgräberstätte mit über21.000 gefallenen Deutschen.

Am Strandabschnitt Omaha gibt es nebender modernen Gedenkskulptur „Les Braves“der Künstlerin Anilore Banon noch drei wei-

tere Museen. Das „Musée D-Day Omaha“ isteine kleine, privat betriebene Einrichtung,deren Hauptaugenmerk auf der Präsenta -tion aller möglichen Militärtechnik, vomFeldgeschütz über Panzer bis zum Jeep undUniformen, liegt. Das „Musée Memoriald’Omaha Beach“ präsentiert in SchaukästenSzenen aus der Besatzungszeit Frankreichsund vom Angriff der ersten Landungswel-len. Diese wurden unter anderem von der 1. Amerikanischen Infanteriedivision, der„Big Red One“, vorgetragen, der das dritteMuseum gewidmet ist. Das „Big Red OneAssault Museum“ geht ebenfalls sehr detail-liert auf die Struktur dieser Einheit und denchronologischen Verlauf ihrer Kämpfe am 6. Juni 1944 ein.

Monumental-Denkmal in den USAAuch außerhalb der Museen und Friedhöfeist der Zweite Weltkrieg an den Stränden derNormandie stets präsent, denn in wohl kei-nem anderen Landstrich sind so viele Straßennach Soldaten oder militärischen Einheitenbenannt. Für Touristen, die nicht nur ein oderzwei Museen besichtigen wollen, lohnt sichdie Anschaffung des Normandie-Passes, der

Im Jahr 2014 jährt sich die Landung in derNormandie zum siebzigsten Mal – es sindzahlreiche Feierlichkeiten, Gedenkveranstal-tungen, Sonderausstellungen, Paraden undFeuerwerke geplant. Veteranen beider Sei-

ten, die damals aufeinander schossen, wer-den die Möglichkeit haben, über ihre Erleb-nisse zu sprechen und sich auszusöhnen.Mehr Informationen unter:www.the70th-normandy.com

Veranstaltungen zum 70. JahrestagHINTERGRUND

ANDENKEN: Ein Angehöriger der Bundes-wehr vor dem Sarg eines unbekannten deut-schen Soldaten auf dem Friedhof in La Cam-be. Die Aufnahme entstand während des 65.Jahrestages der Landung in der Normandie.

Foto: picture-alliance/dpa

ANSPRACHE: Präsident Georg W. Bush beider Eröffnung des nationalen D-Day-Denkmalsin Bedford, Virginia. Die Wahl fiel auf diesenOrt, weil proportional die meisten amerikani-schen Opfer der Invasion von hier stammten.

Foto: picture-alliance/dpa

ANGELSÄCHSISCH: Queen Elisabeth II.während eines Besuches des D-Day-Muse-ums im südenglischen Portsmouth. Die Auf-nahme stammt aus dem Jahr 2009, als dasMuseum eingeweiht wurde.

Foto: picture-alliance/empics

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in fast allen der hier aufgezählten Einrichtun-gen einen ermäßigten Eintritt ermöglicht.

Das größte Denkmal zu den Ereignissenan Omaha- und Utha-Beach steht allerdingsauf der anderen Seite des Atlantiks: das „Na-tional D-Day Memorial“ in Bedford, Virginia.Es wurde komplett durch private Spenden fi-nanziert, die ein Komitee seit 1988 in denganzen USA sammelte. Insgesamt kamen da-bei 25 Millionen Dollar zusammen, von de-nen man in den Blue Ridge Mountains einriesiges Areal kaufte, auf dem sich heute dasDenkmal erhebt. Am 6. Juni 2001 weihte esder damalige Präsidenten Ge orge W. Bushein. Drei Garten- und Platzanlagen stehensymbolisch für den zeitlichen Ablauf vonOperation „Overlord“.

Der erste, Reynolds Garden, hat die Formeines mittelalterlichen Schildes und erinnertsomit an das Abzeichen der „Supreme Head-quarters Allied Expeditionary Force“. DieserBereich steht für die Organisation und Pla-nungsphase. Die Grey Plaza erinnert an dieLandung selbst und präsentiert in Metall ge-gossene amerikanische GIs und Betonskulp-turen, die an die Strandhindernisse derWehrmacht oder die Landungsboote der Al-liierten erinnern sollen. Unregelmäßig in denHimmel schießende Wasserfontänen empfin-den den Effekt ins Wasser rauschender MG-Salven nach. Die den Platz einfassende Mau-er trägt im Westen die Namen der amerikani-schen Toten und im Osten die der übrigenAlliierten. Auf dem Estes Platz erhebt sichschließlich ein 13 Meter hoher Triumphbogenals Monument des Sieges. Links und rechtsdavon sind die Flaggen aller siegreichen Na-tionen gehisst. In amerikanischen Maßen solldie Höhe des Bogens mit 44 Fuß und sechsInch an den Landungstag, den 6. Juni 1944 er-innern. Das Denkmal ist durchgängig geöff-net und lockt regelmäßig mit Feierlichkeitenund Reenactmentveranstaltungen.

Der „Overlord Teppich“Großbritannien unterhält ebenfalls ein ei-genes „D-Day“-Museum in der HafenstadtPortsmouth, wo die Masse der gewaltigenInvasionsarmada ankerte. Das Herzstückder Ausstellung ist der 83 Meter lange„Overlord Teppich“, der die einzelnen Sta-dien der Invasion darstellt (in Anlehnung anden mittelalterlichen Teppich von Bayeux,der die Eroberung Englands durch die Nor-mannen zeigt). Anschließend wird der Besu-cher zunächst in das Großbritannien desZweiten Weltkrieges eingeführt. Hier fällt esauch dem deutschen Gast einfacher, einenZugang zur mentalitätsgeschichtlichen Be-deutung der Jahre 1940 bis 1944 für Großbri-tannien zu bekommen, denn das prägendsteEreignis dieser Zeit waren die deutschen

Luftangriffe. In jenen Jahren war die Inselein Aufmarschgebiet und Trainingslager fürdie alliierten Armeen, was ebenso in mehre-ren Displays dargestellt wird, so wie die Szenen der Landung mit echten Higgins-Booten oder Lastenseglern. Es zeigt einwandgroßes Foto des britischen Soldaten-friedhofs in Ranville mit seinen endlosenReihen von Grabkreuzen.

Umfassendes Gedenken?Der „Schlachtfeldtourist“ kann in der Nor-mandie viel entdecken. Grabstätten sindebenso allgegenwärtig wie Siegesmonumen-te und Museen für die alliierten Armeen. Anden Kampf und das Leben der angloameri-kanischen Soldaten wird in all diesen Aus-stellungen sehr anschaulich erinnert. Anders

sieht es mit den Verteidigern der Strändeaus. Natürlich trifft der Besucher in fast je-dem Ort auf verfallene Bunker und alte Grä-ber. Aber wie die Soldaten der Wehrmacht inFrankreich gelebt haben, wie ihr Verhältniszur französischen Bevölkerung gewesen ist,wie sich ihr soldatischer Alltag gestaltet hatund vor allem auch, wie sie den 6. Juni erlebthaben, blenden viele Museen in ihren Dar-stellungen aus. Doch wenn die alten Gräbentatsächlich überwunden werden sollen,müssen sich einige Museen in Zukunft auf-geschlossener mit den „Gegnern“ beschäfti-gen. Vielleicht liefert der 70. Jahrestag einenentsprechenden Anlass, dieses Defizit zuüberwinden, damit für jeden Besucher einabgerundetes Bild dieser Ereignisse entste-hen kann.

Aufgaben für die Zukunft

Zur Orientierung über Museen und

Ausflugsziele in der Normandie:

www.normandiememoire.com(Hier gibt es auch den Normandie-Pass)

Utah Beach D-Day Museum

50480 Sainte Marie du Montwww.utah-beach.comÖffnungszeiten:

1. Oktober–31. Mai: 10:00–18:00 Uhr1. Juni–30. September: 9:30–19:00 UhrEintritt:

Erwachsene: 8,00 €Kinder unter 15: 3,50 €Gruppen (p. P.): 6,00 €Schulgruppen (p. P.): 3,00 €Kinder unter 7 Jahre und Weltkriegsveteranen: frei

Musée du Débarquement Arromanches

Place du 6 Juin14117 Arromancheswww.arromanches-museum.comEintritt:

Erwachsene: 7,90 €Kinder/Studenten: 5,80 €Gruppen ab 20 Personen: 6,20 € (Erwachsene), 4,00 € (Kinder/Studenten)Mit Normandie-Pass 1,00 € Vergünstigung auf jeden Eintritt

D-Day Museum and Overlord Embroidery

Clarence EsplanadeSouthseaPO5 3NT Englandwww.ddaymuseum.co.uk/d-day/visitor-informationÖffnungszeiten:

April–September: 10:00–17:30 UhrOktober–März: 10:00–17:00 UhrEintritt:

Erwachsener: 6,50 PfundRentner: 5,50 Pfund

Kinder: 4,50 PfundGruppenpreise: 5,50 (Erwachsene), 5,00 (Rentner), 4,00 (Kinder)

Batterie Merville

Musée de la Batterie de MervillePlace du 9ème Bataillon14810 Merville-Francevillewww.batterie-merville.comÖffnungszeiten:

15. Februar–31. MärzMo–So 10:00–17:00 Uhr1. April–30. SeptemberMo–So 9:30–18:30 Uhr1. Oktober–16. NovemberMo–So 10:00–17:00 UhrEintritt:

Erwachsene: 6,00 € (mit Normandie-Pass 5,00 €)Kinder bis 6 Jahre: frei Kinder bis 16 Jahre: 3,50 €Gruppen (ab 10 Personen): 4,50 € (Erwachsene), 3,00 € (Schüler)

Juno Beach Center

Juno Beach Centre Association 828 Legion RoadBurlington, ONL7S 1T5www.junobeach.orgÖffnungszeiten:

1. April–30. September: 9:30–19:00 UhrMärz/Oktober: 10:00–18:00 UhrFebruar/November/Dezember: 10:00–17:00 Uhr Eintritt:

Erwachsene/ermäßigt (Veteranen, Kriegswitwen,Kinder bis 8 Jahre): Juno Beach Center: 7,00 €/5,50 €Nur temporäre Ausstellung: 3,00 €Nur Juno Park: 5,50 €/4,50 €Center + Park: 11,00 €/9,00 €

Adressen in Frankreich und England

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Während Ryans Buch schon vorder Verfilmung ein Klassiker derD-Day-Literatur war, fand einanderes Werk erst durch Holly-wood einen größeren Absatz.1992 erschien Stephen EdwardAmbroses „Band of Brothers, E Company, 506th Regiment,101st Airborne: From Norman-dy to Hitler’s Eagle’s Nest“, dasdurch die von Steven Spielbergproduzierte Fernsehserie zumKlassiker wurde. Ambrose lie-fert eine militärhistorische Mik -rostudie, die chronologisch denWeg einer einzelnen Kompanievon den Ausbildungslagern inden USA und Großbritannienüber die Schlachtfelder Europasbis zu ihrer Auflösung nach-zeichnet. Er fängt die militäri-schen Details, Fragen der Aus-rüstung, des Springens, der Waffen und des Kampfes sehrdetailliert ein. Der „D-Day“nimmt dabei nur ein – jedoch be-sonders spannendes – Kapitelein. Allerdings beschäftigt Am-brose sich wenig mit den Men-schen, wenn sie sich nicht durchbesondere Taten ausgezeichnet

haben. Individuelles Helden-tum und der anscheinend allge-genwärtige schwarze Humor,das sind die beiden Ebenen, aufdenen sich Ambrose den „Ea-sys“ nähert, viel mehr Persönli-ches erfährt der Leser nicht. DasHeldentum nimmt auch einewesentlich breitere Darstellungein als die „Entgleisungen“ ame-rikanischer Soldaten. Diese wer-den zwar vom Autor nicht ver-schwiegen, er erwähnt beispiels-weise Mord, Plünderungen undauch Vergewaltigungen, abermeist nur versteckt in Nebensät-zen, eingebettet in Rechtferti-gungen, die er in anderen Passa-gen weder für die übrigen Alli-ierten noch die Deutschen geltenlässt. Das mag auch der Grundsein, warum das Buch trotz desgroßen Erfolgs der TV-Serie bis-her nicht ins Deutsche übersetztwurde. Trotz allem hat Ambroseeinen flüssig lesbaren, spannen-den Stil und die Kritik, die an„Band of Brothers“ geübt wer-den kann, lässt sich auf sehr viele jüngere amerikanische Bei-träge übertragen.

Die Serie „Band of Brothers“ be-lebte nicht nur den Verkauf vonAmbroses Buch, sondern führteauch zur Wiederentdeckungoder gar Erstveröffentlichung

vieler Kriegserinnerungen vonSoldaten der Easy-Company.Der bekannteste ist Major Ri-chard „Dick“ Winters, der sei-ne Memoiren erst nach Aus-

Mit dem „D-Day“ scheint für vieleangloamerikanische Historikerder Zweite Weltkrieg seine ent-scheidende Wendung genommenzu haben. Die Landung markierteden Punkt, an welchem die Alliier-ten von einer langen Aufrüstungs-phase und einer Strategie des be-grenzten militärischen Wider-

stands zum entscheidendenSchlag gegen das „Dritte Reich“antraten. Folglich nimmt er in derenglischsprachigen Literatur ei-nen wesentlich breiteren Raumein als in der deutschen, die sichvor allem auf die großen Massen-schlachten an der Ostfront kon-zentriert.

Einen der bekanntesten Tatsa-chenberichte stellt vermutlich„Der längste Tag“ von Corneli-us Ryan dar, der seit 1941 alsKriegsberichterstatter für denDaily Telegraph arbeitete. Ryannahm zunächst an einigen Bom-berangriffen teil, ehe er wenigeWochen nach der Invasion Pat-tons 3. US-Armee begleitete.1949 besuchte er die Invasions-strände und begann, sich für dieEreignisse des 6. Juni zu interes-sieren. Über zehn Jahre sammel-te er Informationen und führteüber 3000 Interviews mit alliier-ten und deutschen Soldaten so-wie französischen Zivilisten.1956 begann er, daraus eineernsthafte Studie der Ereignissezu schmieden. Als 1959 „TheLongest Day: D-Day June 6,1944“ erschien, war es sofort einBestseller. Bis heute wurdenüber zehn Millionen Exemplarein 18 Sprachen verkauft. Ryanhat einen sehr romanhaften Stil.Durch die vielen Interviews, dieer für das Buch geführt hat, ge-wann er eine individuelle Per-spektive auf die Ereignisse, dieseine Erzählung durchzieht. Daer auch viele Wehrmachtsoffi-ziere und -soldaten befragteoder ihre Tagebücher las, schaff-te es der Journalist, eine gleich-wertige Darstellung beider Sei-ten zu liefern, die zumeist vorurteilsfrei von politischenHintergründen ist und die Hal-tung dieser Männer aus ihrer Eigenschaft als Soldaten herausbeleuchtet. Einen besonderenFokus legt Ryan auf ErwinRommel, mit dessen Geschichte

er beginnt und dessen Wortender Titel des Buches entlehnt ist:„Die ersten 24 Stunden der In-vasion sind entscheidend … fürdie Alliierten und für Deutsch-land wird es der längste Tagsein.“ Direkt nach dem Erschei-nen des Buches sicherte sichHollywood-Produzent Daryl

Zanuck für 175 000 US-$ dieRechte und schickte 1962 seingleichnamiges Filmepos in dieKinos. Ryan schrieb weiterhinmitreißende Bücher über dieSchlachten der Alliierten, vondenen das bekannteste nach„The Longest Day“ 1974 auf denMarkt kam: „A Bridge Too Far“,das drei Jahre später ebenfallsverfilmt wurde („Die Brückevon Arnheim“).

Ein Tag des Ruhms? – Literatur zum „D-Day“

Mutige Memoiren

BESTENS BEKANNT: Die Bü-cher des in Dublin geborenenJournalisten und Autors Corne -lius Ryan (1920–1974) sind bisheute viel gelesen – nicht zu-letzt durch die Hollywood-Adap-tionen. Aufnahme von 1973. Foto: picture-alliance/dpa

ALLIIERTER BLICK:Der „D-Day“ ist daszentrale Großereignisdes Krieges für dieWestalliierten – des-halb wird er von Ame -rikanern und Englän-dern auch literarischviel öfter bedacht alsvon deutscher Seite.Das Bild zeigt Eisen-hower und seinen Stabam 12. Juni 1944. Foto: picture-alliance/Leemage

Populärhistorischer Bestseller

Bitterer Beigeschmack

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95Clausewitz Spezial

strahlung der Verfilmung ver-fasste und 2006 unter dem Titel„Beyond Band of Brothers. TheWar Memoirs of Major DickWinters“ veröffentlichte. DasBuch bildet einen interessantenKontrast zu Ambroses Studie,denn es ist ein authentischesSelbstzeugnis, im Stil vielleichtnicht immer so geschliffen wiedas Werk des Historikers, aberdafür oftmals ehrlicher.

Auch auf deutscher Seite istdie Zahl der Tagebücher, Me-moiren und anderen Kriegser-innerungen Legion. Doch gera-de bei einem so belasteten The-ma, wie es der Zweite Weltkriegfür Wehrmachtssoldaten dar-stellt, sind solche Selbstzeugnis-se mit Vorsicht zu genießen,denn vielen hängt der Makelder Rechtfertigung oder Klitte-rung an. Einiges Aufsehen inder Medienwelt erregte derschonungslose Bericht des da-mals 21 Jahre alten LandsersHeinrich Severloh (siehe auch„Der Zeitzeuge“ in dieser Aus-gabe). Severloh war MG-Schüt-ze im Widerstandsnest 62 amOmaha Beach. In seinem erstJahre nach dem Krieg veröffent-lichten Bericht „WN 62 – Erin-nerungen an Omaha BeachNormandie, 6. Juni 1944“ schil-dert er den blutigen Tag, den er als MG-Schütze erlebte. Erselbst geht davon aus, 2000 GIsgetötet zu haben. Diese hoheOpferzahl wird heute von His-torikern angezweifelt, abernoch immer bezeichnen ameri-kanische Medien Severloh alsdie „Bestie von Omaha“. Aus

Angst vor genau solchen Titu-lierungen hatte der Landser solang geschwiegen. In seinemBuch schildert er die Ereignissean diesem Strandabschnitt alsarchaischen Überlebenskampfmit modernen Waffen, bei demer nicht wegen des Reizes amTöten, sondern aus der Angstheraus, selbst getötet zu wer-den, handelte. Seine Offenheitfand schließlich internationalesLob. Die Washington Post schriebüber das Buch: „Nach Jahrzehn-ten der Scham, Angst und desselbst auferlegten Schweigenswagen es deutsche Soldatenund die zivilen Opfer nun, ihrePerspektiven des Krieges zuschildern. Hinter den traditio-nellen Darstellungen des Zwei-ten Weltkrieges als einer epi-schen Schlacht zwischen Gutund Böse offenbaren die zumVorschein kommenden Darstel-lungen eine komplexere Ge-schichte.“ Später nahm Sever-loh Kontakt zu einem wahr-scheinlich durch ihn verwunde -ten GI auf, woraus sich eine intensive Freundschaft entwi-ckelte. 2004 sendete Spiegel-TVdie Dokumentation „Die Tod-feinde von Omaha“ über diebeiden ungewöhnlichen Män-ner. Da Severloh einer der ers-ten Wehrmachtssoldaten war,die ihr Schweigen über dieKämpfe des „D-Day“ gebro-chen haben, wird sein Bericht infast allen neueren Publikationenzitiert. Er ist nicht nur wegenseiner Offenheit interessant,sondern vor allem wegen derDiskussionen, die er auslöste.

Einen völlig anderen Ansatz alsviele angloamerikanische Au-toren verfolgte der polnischeHistoriker Janusz Piekalkie-wicz (1925–1988). Ihm fehlt dieindividuelle Ebene Ryans, daseine Bücher größtenteils ausden offiziellen Berichten derEreignisse schöpfen. Darausschuf Piekalkiewicz eine minu-tiöse, aber sachlich neutraleSchlachtendarstellung. DiesemMuster folgt auch „Invasion:Frankreich 1944“. Das Buch beschreibt nicht nur den „D-Day“, sondern auch die inten-sive Vorbereitung eines überra-schenden Angriffs seitens derAlliierten, die Abwehrversucheder Deutschen sowie den wei-teren Verlauf des Feldzugs bis

zum Vorstoß der Alliierten zumRhein. Sensationell waren sei-nerzeit Piekalkiewicz’ Erkennt-nisse über die Bedeutung desWetterumschwungs vom 5. aufden 6. Juni. Der polnische Au-tor hatte von der US-Armee er-beutete deutsche Akten gefun-den, die bewiesen, dass Meteo-rologen der Luftwaffe vor derWetterverbesserung, die eineÜberführung der Invasionsflot-te ermöglichte, gewarnt hatten.Der Stil des Autors ist sehrnüchtern, aber durch seine po-litische Unbefangenheit ist dasBuch auch noch heute lesens-wert. Zwar sind alle Auflagenvergriffen, es kann jedoch sehrgünstig antiquarisch bezogenwerden.

Eine weitere moderne und le-senswerte Darstellung, die bisheute nur in englischer Spracheerhältlich ist, ist John Keegans

„Six Armies in Normandy.From D-Day to the Liberationof Paris, June 6–Aug. 5, 1944“.John Keegan zählt mit seiner

Nüchtern & neutral

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Breitgefächerter Blick

1944 fand nicht nur die Landung der Alliier-ten in der Normandie statt (6. Juni), son-dern auch das Attentat auf Adolf Hitler (20.Juli). Der Name „von Stauffenberg“ stehthier symbolisch für den militärischen Wi-derstand im „Dritten Reich“ – zuletzt popu-larisiert durch den Kinofilm „Operation Wal-küre“ (2008) sowie die zweiteilige TV-Pro-duktion „Stauffenberg – die wahre Ge -schich te“ (2009). Übersehen wird dabei oftdie Person des Artilleriegenerals Fritz Lin-demann, der aktiv an den Vorbereitungen

des Attentats teilnahm und anschließendvon der Gestapo gejagt wurde. Das neueBuch „Der vergessene Verschwörer“ rückt dietragische Person Lindemann ins Zentrumund beleuchtet auch das Schicksal derer,die den Mut aufbrachten, ihm zu helfen.

von zur Mühlen, Bengt (Hrsg.): Der verges-sene Verschwörer. General Fritz Lindemannund der 20. Juli 1944. München 2014, 224 Seiten, 40 Abbildungen, 19,99 €, ISBN: 978-3-7658-1851-6

„Der vergessene Verschwörer“BUCHEMPFEHLUNG

ERWEITERTER BLICK: Das Hitler-Attentat fand kurz nachder Landung der Alliierten statt– eigentlich hatten die Ver-schwörer um Stauffenberg ge-plant, früher loszuschlagen.„Der vergessene Verschwörer“liefert einen vertieften Blickauf das tragische Jahr 1944und stellt gleichzeitig einenMenschen vor, der fast in Vergessenheit geraten wäre … Fo

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AUSGEZEICHNET:Der 2012 verstor -bene britische Mili-tärhistoriker JohnKeegan vor demBuckingham Palace(nach der Verleihungder Ritterwürde imJahr 2000). Seinvielbeachtetes Werk„Six Armies in Nor-mandy“ erschien1982. Foto: picture-

alliance/Photoshot

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Buch ist eine gelungene Über-blicksdarstellung der alliiertenInvasion und der BefreiungFrankreichs. Dabei beschränkter sich nicht nur auf eine Zu-sammenfassung militärischerEreignisse, sondern beleuchtetdie Strukturen der Wehrmachtund der alliierten Armeen,haucht simplen Statistiken inwenigen Sätzen Leben ein undbeleuchtet auch die Geisteshal-tung der einfachen Soldaten.Immer wieder hinterfragt erlang verbreitete Historikerkli-schees und liefert kurze, aberpräzise Antworten anhand ak-tueller Studien. Vor allem hin-terfragt der Autor die patrio -tische Militärgeschichtsschrei-bung der Amerikaner. Ernimmt sich die Zeit, das Wesen

der wichtigsten beteiligten Ar-meen, der britischen, amerika-nischen und deutschen, darzu-legen und kann damit das Pa-radoxon herausstreichen, dasdie für ein totalitäres Regimekämpfenden Wehrmachtssol-daten viel stärker als Indivi-duen wahrgenommen wurdenund freier in der Ausführungihrer „Aufträge“ waren als dieGIs und Tommies der westli-chen Demokratien, die sehr engan direkte „Befehle“ gebundenwaren. Lieb hinterfragt dieAuswirkung der unterschiedli-chen Kräfte- und Nachschub-verhältnisse auf die Ereignissean der Front, vergleicht das Ab-schneiden der britischen mitden amerikanischen Streitkräf-ten, betont die Improvisations-fähigkeit der Wehrmacht, dieStarre der britischen Truppen-führung und die Lernfähigkeitder Amerikaner. Er versuchtdie tatsächlichen Auswirkun-gen der alliierten Lufthoheit zuergründen oder die Bedeutungder Sabotageakte der Résistan-ce zusammenzufassen. Außer-dem scheut sich Lieb nicht, ineinem Kapitel über den „dre-ckigen Krieg“ über die Exzesse,Kriegsverbrechen und Gräuel-taten auf beiden Seiten zu be-richten – Alliierte und Wehr-macht unterschieden sich weni-ger darin, wie sie kämpften, alsvielmehr im „wofür“. Die einenfür ein demokratisches System,die anderen für das verbreche-rische Regime der Nationalso-zialisten. Dabei bleibt sein Stilallzeit klar, verständlich undspannend, was sein Buch zu ei-ner absolut empfehlenswertenEinstiegslektüre macht.

Wer des Englischen nicht mäch-tig ist, aber nach einer aktuel-len, kompakten Darstellungvon „Overlord“ sucht, der soll-te auf Peter Liebs „Unterneh-men Overlord. Die Invasion in

der Normandie und die Befrei-ung Westeuropas“ zurückgrei-fen. Ähnlich wie Keegan hatLieb ein Talent, große und kom-plexe Vorgänge kompakt undübersichtlich darzustellen. Sein

Brillante Einzelstudie

ansprechenden wissenschaftli-chen Prosa zu den unübertrof-fenen Historikern des ZweitenWeltkrieges. Wie sein Titel be-reits suggeriert, betrachtet erdie Ereignisse nicht nur durchdie „angloamerikanische Bril-le“, sondern liefert zudem einefundierte Analyse über Stärken,Schwächen und Einsatz derWehrmacht und räumt auchden kleineren alliierten Kontin-genten Kanadas, Polens undFrankreichs einen würdigenPlatz in der Geschichte ein.Keegan gelingt es, die vernetz-ten Strukturen von einem hal-ben Dutzend alliierter Streit-kräfte in einfachen Worten zuskizzieren. Er erklärt die Bedeu-tung von technischen Ausrüs-tungsstücken für bestimmteOperationen und hat bei jederBetrachtung die Gegenseite imBlick. Mit seiner Kunst zuschreiben zieht er den Leser indie Ereignisse hinein, ohne da-bei auf die romanhafte oderglorifizierende Prosa zurückzu-fallen, die Ambrose in seinenBüchern teilweise benutzt. Kee-gan blickt auf die einfachen Sol-daten ebenso wie auf ihre Ge-neräle, an der Front und gleich-zeitig am „grünen Tisch“, aufdie kleinen Details und im sel-ben Moment auf die großen Zu-sammenhänge. Was ihn vonvielen Militärhistorikern ab-

hebt, ist seine eigenständige Betrachtung militärischer Dok-trinen. Keegan gibt nicht nurstrategische und taktische Kon-zepte wieder, wie sie die Gene-ralstabswerke erläutern, son-dern setzt sich kritisch mit ih-nen auseinander und erklärt,warum bestimmte Feldzügeund Schlachten von zwei unter-schiedlichen Armeen so aus -gefochten worden waren. DasBuch liefert keine umfassendeoperationsgeschichtliche Dar-stellung, sondern greift be-stimmte Episoden der Norman-dieschlacht auf, um die sozialeStruktur und die Kampfweisevon Verbänden zu erklären, wieden Einsatz der amerikani-schen Fallschirmjäger in derNacht des 5. auf den 6. Juni, dieLandung der Kanadier bei Ca-en und Juno, den entscheiden-den Stoß der 1. polnischen Pan-zerdivision der Exilarmee beiFalaise und schließlich die Ein-nahme von Paris durch die freifranzösische PanzerdivisionLeclerc. Keegans Theorien ha-ben vermutlich jeden anderenHistoriker beeinflusst, der seit-dem über den „D-Day“ ge-forscht hat. Es gibt umfangrei-chere Studien als „Six Armies in Normandy“, aber kaum einWerk, das eine solche Fakten-fülle in einem Buch verdichtenkann.

Ein reines Zahlenwerk zu einem sobrutalen Konflikt wie dem ZweitenWeltkrieg mag auf den ersten Blickkühl erscheinen. Doch die furchtbareDimension dieses Krieges wird beson-ders in den nackten Zahlen deutlich –es wird nichts verbal verbrämt oderverschleiert. Fakten und Zahlen zu Opfern, Waffen, Kosten und Auswir-

kungen des globalen Krieges werdenanschaulich präsentiert und mit zahl-reichen Tabellen, Grafiken und Dia-grammen visualisiert.

Doyle, Peter: Der Zweite Weltkrieg in Zahlen. München 2014, 224 Seiten, 200 Abbildungen, 24,99 €, ISBN: 978-3-7658-2038-0

„Der Zweite Weltkrieg in Zahlen“BUCHEMPFEHLUNG

OPTIMALE ORIENTIERUNG: Die Datenfülle in Peter Doyles Buchmacht es zum idealen Begleiter jeder Lektüre zum Zweiten Welt-krieg. Auch zum „D-Day“ findensich Zahlen und Tabellen. Foto: Bucher Verlag

AKTUELL: Ein hervorragender – und umfassender – Überblicklässt sich durch das 2014 er-schienene Buch von Peter Lieb(Militärakademie Sandhurst) gewinnen. Es ist hervorragendrecherchiert und spannend zu lesen! Foto: C. H. Beck

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Page 97: Clausewitz Magazin Spezial - D-Day 1944

RedaktionsanschriftCLAUSEWITZ SpezialInfanteriestr. 11a, 80797 München Tel. +49 (0) 89.13 06 99.720 Fax +49 (0) 89.13 06 [email protected] Dr. Tammo Luther (Verantw. Redak-teur), Maximilian Bunk, M.A. (Redakteur), Markus Wunderlich (Redaktionsleiter),Alexander Losert, Stefan KrügerBerater der Redaktion Dr. Peter WilleStändige Mitarbeiter Dr. Joachim Schröder, Dr. Peter Andreas PoppLayout Ralph Hellberg

LeserserviceTel. 0180 – 532 16 17 (14 Cent/Min.) Fax 0180 – 532 16 20 (14 Cent/Min.) [email protected]

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Geschäftsführung Clemens Hahn, Carsten LeiningerHerstellungsleitung Sandra KhoVertriebsleitung Dr. Regine HahnVertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel, Zeitschriftenhandel: MZV Moderner Zeitschriften Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim

Im selben Verlag erscheinen außerdem:

Preise Einzelheft € 9,90 (D), € 10,90 (A), € 11,40 (BeNeLux), sFr. 19.80 (CH) (bei Einzelversand jeweils zzgl. Versandkosten) Erscheinen und Bezug Sie erhalten CLAUSEWITZSpezial in Deutschland, in Österreich, in derSchweiz und in den BeNeLux-Ländern im Bahn-hofsbuchhandel, an gut sortierten Zeitschriften-kiosken sowie direkt beim Verlag.

© 2014 by GeraMond Verlag. Die Zeitschrift undalle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungensind urheberrechtlich geschützt. Durch Annahmeeines Manuskripts erwirbt der Verlag das aus-schließliche Recht zur Veröffentlichung. Für unver-langt eingesandte Fotos und Manuskripte wird kei-ne Haftung übernommen. Gerichtsstand ist Mün-chen. Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt:Dr. Tammo Luther; verantwortlich für die Anzeigen:Helmut Kramer, beide: Infanteriestraße 11a,80797 München.

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Kanadas KriegEine sehr umfangreiche Dar-stellung ist Anthony Beevors„D-Day. Die Schlacht um dieNormandie“, die ebenfalls eineüber den Landungstag hinaus-reichende Darstellung desKrieges im Westen bis zur Be-freiung von Paris liefert. Derehemalige Offizier und SchülerJohn Keegans verwendet gera-de für seine Darstellung derKämpfe um Omaha Beach einesehr anschauliche, epischeSprache. Seine eigenen Schilde-rungen der Operationen undeinzelnen Schlachten sind mitvielen Zitaten hoher Generäle,aber auch einfacher Soldatendurchsetzt. Obwohl Beevor indiesen Passagen oftmals dazutendiert, den Kampf der Britenund Amerikaner zum Helden-epos zu stilisieren, verschweigter aber auf der anderen Seiteauch nicht die von ihnen be-gangenen Kriegsverbrechen.Dieses delikate Thema, welchesviele Autoren eher nebenbeiabhandeln, erhält in „D-Day“einen breiteren Raum. Beevorstreicht dabei klar heraus, dasses teilweise auch bei den Al-liierten von oben angeordne-te Kriegsverbrechen gab, undsetzt dies ins Verhältnis zu den

Gräueln und Massakern vonWehrmacht und SS. All dieseDetails kann der Autor an-schaulich darlegen. Die Schwä-che des Buches besteht aller-dings in den großen Zusam-menhängen. Beevor handeltdie politischen und strate-gischen Hintergründe von„Overlord“ eher am Rande ab,dabei ist ihre Darstellung vonzentraler Bedeutung für dasVerständnis. Der Leser solltediese Vorkenntnisse also bereitsmitbringen. Auch die Charak-terbilder des Autors bleibeneher blass. Auf deutscher Seitewerden die zwischen Rommelund Hitler ausgetauschten Plä-ne nur skizziert, ohne die da-hinter stehenden strategischenAnsichten wirklich zu erläu-tern. Auf der Gegenseite nimmtBeevors Kritik am britischenFieldmarshal Montgomeryüberproportional viel Raumein. Doch letztlich bietet Beevoreine gut lesbare Geschichte mitteilweise sehr interessantenund neuen Blickwinkeln aufbestimmte Ereignisse.

Alexander Querengässer, Jg. 1987, istMilitärhistoriker und Autor aus Dresden.

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Umfangreiche UntersuchungMit den eher wenig beachtetenKanadiern, die den Juno-Strandstürmten, beschäftigt sich MarkZuehlkes „Juno Beach: Cana-das D-Day Victory, June 61944“. Zuehlke ist ein Expertefür kanadische Militärgeschichtein den Weltkriegen und folgt in seinem Buch den vertrautenStrukturen älterer Standardwer-ke. Er schildert die Aufstellungund Ausrüstung der kanadi-schen 3. Division, die am 6. Juniauf Juno-Beach anlandete, dem1. Fallschirmjägerregiment, wel-ches als Teil der 6. britischen Di-vision im Hinterland absprang,den Zerstörern und Minenräu-mern, die vor der Küste operier-ten, und den Piloten, die mit ihren Jägern und Bombern die Luftherrschaft absicherten.Zuehl ke beschränkt sich nichtauf eine bloße Skizzierung die-ser Verbände, sondern streichtdie Unterschiede ihrer Struktu-ren und Ausbildung im Ver-gleich zu den englischen Trup-pen heraus. Die Kämpfe an Ju-no-Beach waren die heftigstenaller Commonwealth Truppen,nur die Amerikaner an Omahahatten höhere Verluste zu ver-zeichnen. Zuehlke beschreibtdiese sehr genau, wobei dieübersichtlichen Karten das Ver-ständnis für einzelne Angriffeerleichtern. Zur Bewertung derEreignisse bezieht der Autorauch die Aussagen deutscherOffiziere mit ein. Sein Buch kon-zentriert sich allein auf den „D-Day“, allerdings verfassteZuehl ke wenig später mit „Hol-ding Juno“ einen weiteren le-senswerten Band, der die Kämp-fe der 1. Kanadischen Armee un-mittelbar nach der Landung biszum 12. Juni ins Auge fasst.

OFT VERDRÄNGT UND VERSCHWIEGEN:Beide Seiten verübten Gewaltexzesse angefangenen Gegnern. Das Foto zeigt deut-sche Soldaten, die am Utah Beach in dieHände der Alliierten gefallen sind. Foto: picture-alliance/Leemage

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Epilog

„Kriegsgräber sind die großenPrediger des Friedens …“

Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer (1875–1965)

„VERSÖHNUNG ÜBER DEN GRÄBERN“:Unter diesem Motto halfen auf der deut-schen Kriegsgräberstätte La Cambe inder Normandie Ende der 1950er-Jahreerstmals Jugendliche aus mehreren Na-ti onen dem Volksbund Deutsche Kriegs-gräberfürsorge bei der Erweiterung der1961 offiziell eingeweihten Anlage, in der mittlerweile mehr als 21.000 Gefal-lene des Zweiten Weltkriegs ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

Foto: picture-alliance/Eibner-Pressefoto

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