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1
Crowdfunding: Eine neue Möglichkeit der Finanzierung - Eine juristische und wirtschaftliche Betrachtung von
Crowdfunding im deutschen Rechtsraum
Prüfer: Prof. Dr. Philipp Maume
Assistant Professorship Corporate Governance and Capital Markets Law
TUM School of Management
Technische Universität München
Betreuer: Prof. Dr. Philipp Maume
Master of Science
Technologie- und Managmentorientierte Betriebswirtschaftslehre
(TUM-BWL)
Verfasst von: Jonathan Layer
Hohenzollernstraße 56
D-80801 München
Tel.: +49 176 830 99 292
Matrikelnr.: 03605539
Eingereicht am: 01.10.2015
2
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung 8
1.1. Hinführung zum Thema .................................................................................... 8
1.2. Begriffsbestimmung .......................................................................................... 8
1.3. Literaturrecherche und Stand der Forschung .................................................. 10
1.4. Forschungsfrage .............................................................................................. 12
1.5. Vorgehensweise bei der Arbeit ....................................................................... 13
2. Annäherung an des Phänomen Crowdfunding 14
2.1. Enabler für Crowdfunding .............................................................................. 14
2.1.1. Entwicklung des Internets ........................................................................ 14
2.1.2. Digital Natives werden erwachsen ........................................................... 15
2.1.3. Von Web 2.0, Social Media ..................................................................... 16
2.2. Treiber des Crowdfundings ............................................................................. 18
2.2.1. Niedrigzins, Kreditklemme und Vertrauensbruch als Folgen der
Finanzkrise ......................................................................................................... 18
2.2.2. Startup und Gründerfinanzierung in Deutschland ................................... 19
2.3. Funktionsweise und Gemeinsamkeiten aller Crowdfundingarten .................. 20
2.3.1. Reward-Based Crowdfunding .................................................................. 23
2.3.2. Equity-Based Crowdfunding .................................................................... 26
2.3.3. Lending-Based Crowdfunding ................................................................. 28
2.4. Zwischenfazit zum Crowdfunding .................................................................. 29
3. Rechtsgebiete mit Einfluss auf Crowdfunding Initiatoren 30
3.1. Regelungen mit direktem Einfluss auf Crowdfunding Initiatoren .................. 30
3.1.1. Reward-Based Crowdfunding .................................................................. 30
3.1.2. Equity-Based Crowdfunding .................................................................... 35
3.1.3. Lending-Based Crowdfunding ................................................................. 41
3.2. Regelungen mit Einfluss auf die Initiatoren aller Crowdfundingarten ........... 43
3.3. Zwischenfazit zur rechtlichen Situation .......................................................... 45
4. Überblick über Crowdfunding in Deutschland 47
4.1. Reward-Based Crowdfunding ......................................................................... 48
4.1.1. Marktanalyse ............................................................................................ 48
4.1.2. Plattformen, Kategorien und Kampagnen ................................................ 51
4.2. Equity-Based Crowdfunding ........................................................................... 55
4.2.1. Marktanalyse ............................................................................................ 55
3
4.2.2. Plattformen, Kategorien und Kampagnen ................................................ 58
4.3. Lending-Based Crowdfunding ........................................................................ 62
4.3.1. Marktanalyse ............................................................................................ 62
4.3.2. Plattformen, Kategorien und Kampagnen ................................................ 63
5. Experteninterviews 67
5.1. Ziel der empirischen Erhebung ....................................................................... 67
5.2. Interviewmethodik und Auswahl der Befragten ............................................. 67
5.3. Ergebnis der Leitfadeninterviews ................................................................... 68
5.3.1. Vorstellung der Befragten und Einzelauswertung ................................... 69
5.3.2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der befragten Initiatoren ................ 80
6. Zusammenfassung der Ergebnisse 83
7. Diskussion 88
4
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Zeitleiste Internet .................................................................................15
Abbildung 2: Web 2.0 Meme Map ............................................................................17
Abbildung 3: Finanzierungsformen ...........................................................................20
Abbildung 4: Vertragstypen Reward-Based ..............................................................31
Abbildung 5: Vertragstypen Equity-Based ................................................................36
Abbildung 6: Auxmoney Vertragsbündelung ............................................................42
Abbildung 7: Reward-Based Kapital .........................................................................49
Abbildung 8: Reward-Based Erfolgsquote ................................................................51
Abbildung 9: Reward-Based Plattformen ..................................................................51
Abbildung 10: Reward-Based Kampagnen ...............................................................52
Abbildung 11: Reward-Based Kategorien .................................................................52
Abbildung 12: Reward-Based eigene Daten ..............................................................53
Abbildung 13: Kickstarter .........................................................................................55
Abbildung 14: Equity-Based Kapital .........................................................................57
Abbildung 15: Equity-Based Plattformen ..................................................................59
Abbildung 16: Equity-Based Kampagnen .................................................................59
Abbildung 17: Equity-Based eigene Daten ...............................................................60
Abbildung 18: Equity-Based Rechenbeispiel ............................................................61
Abbildung 19: Lending-Based Bonität ......................................................................63
Abbildung 20: Lending-Based eigene Daten .............................................................64
Abbildung 21: Lending-Based Bester-Zins ...............................................................66
Abbildung 22: Lending-Based Schlechtester-Zins ....................................................66
Abbildung 23: Aufwand Initiatoren ...........................................................................82
5
ANHANGVERZEICHNIS
Anhang 1: SWK- Bank Vertrag ................................................................................90
Anhang 2: Excel Reward-Based Crowdfunding .......................................................93
Anhang 3: Excel Equity-Based Crowdfunding ........................................................94
Anhang 4: Vertrag Belsonno ....................................................................................95
Anhang 5: Vertrag Naturbursche ..............................................................................96
Anhang 6: Excel Lending-Based Crowdfunding ......................................................97
Anhang 7: Anonymisierte Interviews .......................................................................98
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
mio. Millionen
mrd. Milliarden
SWK- Bank Süd-West-Kreditbank Finanzierung GmbH
B2B Business-to-Business, Verhältnis zwischen
zwei Unternehmen
B2C Business-to-Consumer, Verhältnis zwischen
Unternehmen und Kunden
6
KURZFASSUNG (deutsch)
Diese Arbeit soll den Initiatoren von Crowdfundingkampagnen einen Überblick über
das Crowdfunding unter der deutschen Rechtslage bieten. Die Forschungsfrage
lautet: Inwiefern ist es für Initiatoren sinnvoll unter der aktuellen deutschen Rechts-
lage eine Finanzierung durch die Crowd in Erwägung zu ziehen? Für die Untersu-
chung dieser Frage wird das Phänomen Crowdfunding in drei Unterformen einge-
teilt: Reward-Based Crowdfunding, Equity-Based Crowdfunding, Lending-Based
Crowdfunding. Als erstes wird auf die Voraussetzungen für Crowdfunding und
dessen Treiber eingegangen. Die Funktionsweise der einzelnen Formen wird erklärt.
Anschließend wird das rechtliche Umfeld des Crowdfundings beleuchtet. Hierbei
liegt der Fokus auf den vertraglichen Verhältnissen, die Initiatoren eingehen. Ein
anschließender Marktüberblick soll zeigen, wie weit diese Finanzierungsform in
Deutschland entwickelt ist. Im Praxisteil dieser Arbeit werden Initiatoren und Exper-
ten anhand eines qualitativen Leitfrageninterviews zu ihren Erfahrungen befragt.
Ergebnis dieser Arbeit ist, dass es keine allgemeine Empfehlung für oder gegen
Crowdfunding geben kann. Kreative Initiatoren sowie junge Unternehmen und Start-
ups mit Bezug zum Endkunden sollten eine Reward-Based oder Equity-Based Crow-
dfundingkampagne zur Finanzierung in Erwägung ziehen. Dabei sollte die Finanzie-
rung jedoch nicht der einzige Anreiz sein. Marketing, Testing und Feedback sollten
auch erwünscht sein. Beim Lending-Based Crowdfunding gibt es für die Initiatoren
viele Risiken und sie sollten sich vor einer Kampagne mit der jeweiligen Plattform
sehr genau auseinander setzen. Im Zweifel ist unsicheren Initiatoren von dieser
Finanzierungsart abzuraten.
7
ABSTRACT (english)
This thesis presents an outline for crowdfunding campaign initiators concerning the
concept of crowdfunding under German law. In the current legal situation the questi-
on of interest is whether it is reasonable to take crowdfunding into consideration. For
analysis, the concept of crowdfunding is divided into three subtypes; reward-based
crowdfunding, equity-based crowdfunding and lending-based crowdfunding. First,
requirements and preconditions are stated as well as the driving factors of crowdfun-
ding. Furthermore, the characteristics and procedures of each subtype are explained,
complemented by the legal context focusing on contractual commitments for cam-
paign initiators. A following market review shows how crowdfunding is developed
across Germany. In the practical section qualitative guided interviews were conduc-
ted with experts and campaign initiators about their experiences. The result of this
work is that no general recommendation can be given for or against crowdfunding.
Initiators coming from the creative sector, young businesses and end-consumer
related start-ups are advised to take either reward-based or equity-based crowdfun-
ding campaigns into consideration, whereas funding the project should not be the
only motivation. Marketing, testing and feedback are also contributing factors for
success. Lending-based crowdfunding involves high risks for initiators. Initiators
using lending-based crowdfunding should be well familiar with the chosen platform
and its possible commitments. In case of doubt insecure initiators are advised against
this type of funding.
8
1. Einleitung
1.1. Hinführung zum Thema
Schon früh in der Geschichte haben sich Menschen für die Finanzierung von großen
wirtschaftlichen Projekten zusammengeschlossen. Diese Zusammenschlüsse hatten
den Sinn, durch Sammlung von Kapital Projekte finanziell zu ermöglichen oder die
möglichen Risiken auf mehrere zu verteilen.
Spätestens seit dem Ende des 18. Jahrhunderts entstehen Genossenschaften und
Aktiengesellschaften.1 Die Idee der Finanzierung eines Zwecks durch viele Geldge-
ber hat also lange Tradition. Hierfür entwickelten sich Finanzmärkte auf denen Kapi-
tal gesammelt, weitergeben und Finanztitel gehandelt wurden. In den Zeiten vor dem
Internet war der Kapitalmarkt ein gut vernetzter, aber in sich geschlossener Raum. In
dem sehr gut informierte und professionelle Finanzexperten ihre Geschäfte tätigen.
Privatpersonen blieben diese Märkte theoretisch oder faktisch verschlossen. Sie
konnten Kapital nur über Intermediäre am Markt platzieren. Durch die Entwicklung
des Internets, die damit verbundene Vernetzung und dem vereinfachten Fluss von
Informationen ergeben sich für gemeinsame Finanzierungen neue Möglichkeiten.
Der Informationsfluss ist schneller, einfacher und hat eine deutlich weitere Reich-
weite und erreicht auch interessierte Privatpersonen. Dadurch verschmelzen offline
und online, wodurch sich neue Formen der Finanzierung ergeben. Aus dieser Ent-
wicklung definierte sich der alte Gedanke „Finanzierung durch Viele“ ganz neu. Dies
kann man unter dem Begriff Crowdfunding zusammenfassen. Seit dem Aufkommen
der ersten Vermittlerplattformen um das Jahr 2009 ist es auch in Deutschland eine
stark wachsende Finanzierungsart. Neben der wirtschaftlichen Entwicklung zielen
erste Gesetzesänderungen auf die Regulierung dieses Marktes ab. Das neue Kleinan-
legerschutzgesetz, welches am 9 Juli 2015 im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde,
enthält erstmals explizite Regelungen zu Crowdfunding in Deutschland.
1.2. Begriffsbestimmung
Der Begriff Crowdfunding stammt aus dem englischen und ist aus ‚crowd’ ([Men-
schen]menge) und ‚funding’ (Finanzierung) zusammengesetzt.2 Meist wird auch im
deutschsprachigen Raum ‚Crowdfunding’ verwendet. Crowdfunding dient als Über-
1 Exenberger, 2003, S. 21. 2 Übersetzt auf www.ponts.com
9
begriff für verschiedene alternative Finanzierungsformen, die sich in jüngerer Zeit
durch die neuen Nutzungsformen des Web 2.0 entwickelt haben.3 Dabei sammelt ein
Kapitalnehmer, im Folgenden stets Initiator genannt, Kapital mit einem Aufruf im
Internet von vielen Nutzern ein. Diese werden im Folgenden stets Geldgeber ge-
nannt. Jeder Geldgeber gibt einen Teilbetrag bis das gewünschte Volumen zusam-
men kommt.
Crowdfunding ist ein Teil des größeren Crowdsourcinggedankens. Dieser wurde
2006 erstmals von Jeff Howe in seinem Artikel für das Technologie-Magazin Wired
„The Rise of Crowdsourcing“ beschrieben. Dies ist bis heute einer der meist zitierten
Artikel in diesem Forschungsgebiet.4 Kurz umschrieben handelt es sich bei Crowd-
sourcing darum, eine Aufgabe, welche traditionell von einem Unternehmen oder
einer Person selbst erbracht wird, über einen Aufruf im Internet an Viele zu verge-
ben.5 Die Möglichkeit im Internet Inhalte zu entwerfen, zu nutzen zu verändern
sowie über Sozialen Netzwerke zu kommunizieren, gaben dem Crowdsourcing und
Crowdfunding einen enormen Schub.6 Erst das Web 2.0 ermöglicht die Umsetzung
des Crowdsoucringgedankens und das Crowdfunding wendet dieses auf die Finan-
zierung an.7
Es gibt verschiedene Arten von Crowdfunding. Die für diese Arbeit gewählten Defi-
nitionen und Begriffe folgen denen des German Crowdfunding Network. Es versteht
sich als Interessenvertretung der Deutschen Crowdfunding Szene.8 Zu jedem Begriff
gibt es in den unterschiedlichen Literaturquellen Alternativen.
1. Reward-Based Crowdfunding: Das zur Verfügung gestellte Kapital wird
nicht zurückbezahlt oder verzinst, sondern es werden Sach-, Dienstleistungen
oder ideeller Werte gewährt. Diese Gegenleistung wird als Reward be-
zeichnet.
Alternativbegriffe: Crowdfunding, Crowdsponsoring, Preselling, Preordering
2. Equity-Based Crowdfunding: Das zur Verfügung gestellte Kapital wird zu-
rückbezahlt und es erfolgt eine Beteiligung am Umsatz, Gewinn oder Exiter-
lös. Meist ist auch ein fester Basiszins enthalten.
Alternativbegriffe: Crowdinvesting, Investment Crowdfunding
3 Sixt E. , 2014, S. 55 f. 4 Howe, 2006. 5 Ebenda. 6 Ordanini, Miceli, Pizzetti, Parasuraman, 2011, S. 445. 7 Leimeister, 2012, S. 389. 8 German Crowdfunding Network, 2015.
10
3. Lending-Based Crowdfunding: Das zur Verfügung gestellte Kapital wird wie
bei einem klassischen Kredit vom Initiator in Raten fest verzinst zurückbe-
zahlt.
Alternativbegriffe: Crowdlending, Peer-to-Peer Lending,
4. Das Donation-Based Crowdfunding: Hierbei handelt es sich um einen Spen-
denaufruf über das Internet. Die Crowd soll ohne Gegenleistung ein soziales
Projekt unterstützen. (Wird in dieser Arbeit nicht behandelt, da kein wesent-
licher Unterschied zu einer offline Spendenkampagne besteht.)
1.3. Literaturrecherche und Stand der Forschung
Als Ausgangspunkt der Literaturrecherche zum aktuellen Stand der Forschung die-
nen vier Literaturstudien. Als erstes die 2011 veröffentlichte Studie von Bachmann et
al die das Peer-to-Peer Lending (Lending-Based Crowdfunding) beschreibt und den
Forschungsstand zusammenfasst.9 Des Weiteren untersuchten 2013 Feller, Gleasure
und Treacy ausführlich die bestehende Literatur zu den Crowdfundingarten unter
technischen, rechtlichen, sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten.10 Moritz und
Block ordnen 2014 den Stand der Literatur den Akteuren innerhalb des Crowdfun-
dings zu und beschreiben die Ergebnisse.11 Als viertes, die sehr ähnlich aufgebaute
Studie aktueller Literatur von Bouncken, Komorek und Kraus, welche den Stand der
Literatur von 2000 bis 2014 umfasst.12
Ergänzt wurde diese Literaturrecherche durch einen seit 9. Oktober 2014 bestehen-
den Google Scholar Alert. Bei dieser Funktion der Suchmaschine Google wird eine
automatische Email beantragt, welche zu einem eingestellten Begriff aktuelle Su-
chergebnisse liefert. Als Begriffe wurden „crowdfunding“ und „crowd funding“
gewählt, um einen möglichst breiten Suchbereich zu umfassen. Dieser ergab bis zum
20. Juli 2015 in 113 Alertemails 306 Ergebnisse. Im ersten Schritt wurden alle
deutsch- und englisch-sprachigen Ergebnisse ausgewählt. Im nächsten Schritt wur-
den alle offensichtlich nicht für diese Arbeit relevanten Ergebnisse aussortiert. Da-
nach umfasste die Sammlung noch 112 Ergebnisse. Diese Literatursammlung wurde
gesichtet und die Quellen nach ihrer Relevanz sortiert. Dann wurden die Quellen den
9 Bachmann, et al., 2011. 10 Feller, Gleasure, Treacy, 2013. 11 Moritz, Block, 2014. 12 Bouncken, Komorek, Kraus, 2015.
11
drei Crowdfundingarten zugeordnet. Rechtliche und wirtschaftliche Aspekte wurden
unterschiedlich gekennzeichnet.
Weitere Suchabfragen im Internet sowie bei der Bibliothek der Technischen Univer-
sität München und der Datenbank Beck Online vervollständigten die Literatur-
recherche.
Crowdfunding ist ein sehr neues Phänomen, das aktuell Bestandteil sehr vieler For-
schungsarbeiten ist. Trotz großem wissenschaftlichem Interesse sind aktuell stets nur
kleinere Ausschnitte des Crowdfunding Phänomens Bestandteil von Arbeiten. Laut
Moritz und Block ist ein größerer Überblick darüber momentan noch nicht zu fin-
den.13 Das Hauptproblem innerhalb dieses Forschungsgebietes sind die fehlenden
empirischen Daten. Es gibt einzelne Befragungen und Interviews mit Akteuren, wie
zum Beispiel in dem Artikel der Autoren von Moritz, Block und Lutz.14 Die Daten
sind allerdings bei weitem noch nicht ausreichend, um allgemein gültige wissen-
schaftliche Aussagen treffen zu können.15 Daher ist es unbedingt notwendig, durch
weitere Befragungen die Datenbasis zum Crowdfunding Phänomen zu erhöhen und
diese auf unterschiedliche Gruppen von Initiatoren auszuweiten. Schwerpunkte der
meisten wissenschaftlichen Betrachtungen liegen dabei aktuell auf Unternehmen als
Initiatoren von Crowdfunding Kampagnen. Eine sehr ähnliche Meinung vertreten
auch Bouncken, Komorek und Kraus in der neusten Literaturübersicht. Auch sie
ordnen das Sammeln von mehr praxisnahen Daten als wichtigsten nächsten Schritt
ein. Speziell betonen sie hierbei die rasante Entwicklung im Crowdfunding. Ständig
entstehen neue Plattformen und neue Modelle, die in die wissenschaftliche Betrach-
tung einbezogen werden müssen.16
Laut Feller, Gleasure und Treacy fehlen aber auch interdisziplinäre Studien, welche
Verbindungen zwischen technischen, rechtlichen, sozialen und ökonomischen As-
pekten schaffen. Sie machen in ihrer Literaturübersicht klar, dass Crowdfunding kein
Phänomen eines dieser Themengebiete ist, sondern eine Mischung von Einflussfak-
toren all dieser Bereiche. Aktuell überwiegen noch Arbeiten mit einer stark ökono-
mischen Betrachtungsweise. Die Autoren sind allerdings davon überzeugt, dass
gesellschaftliche Untersuchungen des Phänomens notwendig sind. Nicht zuletzt
fordern sie eine verstärkte Untersuchung des rechtlichen Umfelds von Crowdfun-
13 Moritz, Block, 2014, S. 1. 14 Moritz, Block, Lutz, 2015. 15 Bouncken, Komorek, Kraus, 2015; Belleflamme, Lambert, Schwienbacher, 2010. 16 Bouncken, Komorek, Kraus, 2015.
12
ding. Zur Begründung führen sie an, dass Entwicklungen im Finanzmarkt stets stark
von diesen Vorgaben abhängig sind.17
Die folgende Arbeit soll weitere empirische Daten zum Thema Crowdfunding liefern
und somit helfen die Lücke in der Datenbasis zu schließen. Des Weiteren werden
durch die sowohl juristische als auch die wirtschaftswissenschaftliche Betrachtung
interdisziplinäre Aspekte beleuchtet. Eine Vielzahl von Studien beinhaltet diese
Verbindung bereits. Allerdings wird hierbei fast ausschließlich auf die amerikanische
Rechtslage eingegangen.18 Wissenschaftliche Arbeiten mit Bezug auf die Neuerun-
gen in den deutschen Regelungen liegen momentan nur sehr vereinzelt vor.
1.4. Forschungsfrage
Die dieser Arbeit zugrunde liegende Forschungsfrage leitet sich aus der aktuell noch
bestehenden Forschungslücke ab. So werden bei der Befragung nicht nur Unterneh-
men als Initiatoren herangezogen. Diese Arbeit hat auch das Ziel, Disziplinen zu
verknüpfen. Es wird das juristische Umfeld des Crowdfundings ebenso betrachtet
wie wirtschaftliche Aspekte. Damit folgt diese Arbeit dem Ruf nach mehr interdis-
ziplinären Ansätzen zur Untersuchung des Phänomens. Speziell versucht sie rechtli-
che Aspekte miteinzubeziehen, die unbestritten einen großen Einfluss auf diese
Finanzierungsart haben. Zuletzt wird auf die aktuellen Gesetzesänderungen einge-
gangen. Die Begrenzung des Themas auf den deutschen Rechtsraum ist notwendig,
da eine Betrachtung aller relevanten Rechtsgebiete bei weitem zu umfangreich wäre.
Trotz der Bemühungen der Europäischen Union gibt es selbst in Europa länderspezi-
fisch starke Unterschiede.
Eine weitere Fokussierung des Themengebietes auf die Initiatoren, dient der weiteren
Begrenzung der Arbeit. Denn eine Übersicht über alle Beteiligten, ihre Motive sowie
alle interdisziplinären Zusammenhänge ist bei dem momentan noch knappen Stand
der Forschung nicht möglich. Die Initiatoren wurden gewählt, da sie am Anfang
einer Crowdfunding Kampagne stehen und diese starten.
Aus dem aktuellen Stand der Forschung, der identifizierten Forschungslücke und den
getätigten Begrenzungen leitet sich folgende Forschungsfrage ab: Inwiefern ist es für
Initiatoren sinnvoll, unter der aktuellen deutschen Rechtslage, eine Finanzierung
durch die Crowd in Erwägung zu ziehen?
17 Feller, Gleasure, Treacy, 2013, S. 29. 18 Moritz, Block, 2014, S. 10-11.
13
1.5. Vorgehensweise bei der Arbeit
Zur Beantwortung dieser Frage ist es in einem ersten Schritt wichtig, das Phänomen
des Crowdfundings zu verstehen. Daher werden die Schlüsselbegriffe und Schlüssel-
entwicklungen beschrieben, welche Crowdfunding ermöglicht und anschließend zum
momentanen Boom verholfen haben. Dabei werden auch die unter dem Begriff
Crowdfunding zusammengefassten Finanzierungsarten getrennt beschrieben und ihre
Funktionsweise erklärt. In diesem Teil wird nochmals auf die aktuelle Literatur
eingegangen.
Anschließend wird der rechtliche Rahmen beschrieben, in dem sich die Initiatoren in
Deutschland bewegen. Im Vordergrund stehen hierbei die Vertragsverhältnisse,
welche die Initiatoren bei einer Finanzierung durch Crowdfunding eingehen. Auch
diese Betrachtung wird für jede Crowdfundingart einzeln durchgeführt. Am Ende
dieses Abschnittes werden weitere rechtliche Regelungen angesprochen, die für alle
Arten gelten. Viele rechtliche Fragen im Bereich des Crowdfundings werden noch
sehr kontrovers diskutiert, daher werden die in Frage kommenden Regelungen ledig-
lich besprochen. Welche der Regelungen wirklich auf das Crowdfunding Anwen-
dung finden, kann erst die zukünftige Entwicklung und Rechtsprechung zeigen.
Eine Analyse von Marktdaten zu den einzelnen Arten soll einen Überblick über die
aktuelle Bedeutung von Crowdfunding in Deutschland liefern. Eine genauere Be-
trachtung einiger Deutscher Plattformen schafft den Bezug zur Praxis. Konkrete
Kampagnenbeispiele und Rechenbeispiele sollen das Phänomen Crowdfunding
anschaulich machen.
Durch qualitative Leitfrageninterviews mit Initiatoren werden dann die Ergebnisse
aus den ersten Teilen überprüft und neue praxisnahe Gesichtspunkte erschlossen. Die
Daten aus erster Hand sollen weitere Erkenntnisse zu dem Thema liefern. Die Erfah-
rungsberichte von erfolgreichen und nicht erfolgreichen Kampagnen liefern ein
genaueres Bild vom Crowdfunding.
Während der Zusammenfassung der Ergebnisse sollen die wichtigsten Aspekte der
Arbeit nochmals aufgefasst und die Forschungsfrage beantwortet werden. Am Ende
wird in der Diskussion die Arbeit kurz kritisch beleuchtet.
14
2. Annäherung an des Phänomen Crowdfunding
2.1. Enabler für Crowdfunding
Zur Annäherung an das Phänomen Crowdfunding werden nun Entwicklungen vorge-
stellt, ohne die das Crowdfunding nicht entstanden wäre.
2.1.1. Entwicklung des Internets
Die Geschichte des Internets ist weithin bekannt, daher werden im Folgenden nur
Eckpunkte, Schlüsselentwicklungen und Begriffe erklärt, die für die weitere Arbeit
wichtig sind. Als Geburtsjahr des Internets wird häufig das Jahr 1993 genannt, aller-
dings war der Kreis der Nutzer noch sehr beschränkt. So lag 1997 der Anteil der
Internetnutzer in Deutschland lediglich bei 6,5%. Dieser stieg bis 2003 auf über 50%
und liegt 2013 bei 77,2% aller Deutschen über 14 Jahren.19 Die wirtschaftliche Be-
deutung des Internets startete gegen Ende der 1990er Jahre mit der „New Economy“.
Auf Grundlage neuer Technologien in der Informationswirtschaft entstanden neue
Geschäftsmodelle und Firmen, welchen unbeschränktes Wachstum zugesagt wur-
de.20 Diese Entwicklung nahm mit dem Platzen der „Dotcom-Blase“ im Jahr 2000
ein rasches Ende. Viele Unternehmen mussten Insolvenz anmelden aber einige über-
lebten den Crash.21 Schon nach einer relativ kurzen Zeit entstanden wieder neue
Internetunternehmen. Facebook, gegründet 2004, und Twitter, gegründet 2006,
prägen die neuere Entwicklung des Internets enorm. Zusammen mit der raschen
technischen Weiterentwicklung des Internets, dem schnellen mobilen Internet und
dem Aufkommen des Smartphones prägen sie die heutige Nutzungsform des Inter-
nets. Diese wird oftmals auch als Web 2.0 bezeichnet.
19 ARD/ZDF, 1998-2013. 20 Welsch, 2003, S. 362 f.. 21 von Frentz, 2003.
15
2.1.2. Digital Natives werden erwachsen
Als Digital Natives wird die Generation bezeichnet, die von Anfang an mit einem
digitalen Umfeld konfrontiert ist und mit ihm aufgewachsen ist. Für die Abgrenzung,
wer zu dieser Generation hinzugezählt werden kann, gibt es viele Kriterien. Eine sehr
klare Aussage treffen John Palfrey und Urs Gasser, die alle Personen dazuzählen die
nach 1980 geboren sind, also alle Personen, die heute unter 35 Jahre alt sind.22 Im
Mittelpunkt der digitalen Entwicklung stehen natürlich das Internet sowie die techni-
schen Endgeräte für dessen Nutzung wie Computer, Laptops, Tabletts und Smart-
phones. Marc Prensky verwendete diesen Begriff als einer der Ersten im Zusammen-
hang mit einer neuen Generation von Studenten und setzte ihn in Gegensatz zu den
Digital Immigrants.23 Die Generation der Digital Immigrants ist nicht mit dem Inter-
net aufgewachsen, sondern erlernt dieses Verhalten je nach Interesse oder Eignung.
Prensky ist der Meinung das hierbei allerdings, sehr ähnlich wie bei dem erlernen
von Fremdsprachen, ein Akzent zurückbleibt.24 Sie nutzen erst als zweite Wahl die
digitale Welt, also erst wenn offline keine Lösung gefunden wird. Die Digital Nati-
ves hingegen integrieren die Nutzung des Internets in ihren Lebensablauf und viele
Dinge, die bisher traditionell offline getätigt wurden, werden online erledigt. Da die
Digital Natives mit diesen Gewohnheiten aufgewachsen sind, beeinflussen diese
auch die Entwicklung und die Tätigkeits- sowie Denkmuster dieser Generation.25
Das Internet besetzt nach und nach jeden Teil des Lebens mit einer digitalen Lösung.
Auch hat die Nutzung von Internet und Smartphone gleichermaßen im Privatleben
und im Berufsleben Einzug gehalten.26 Für diese Generation gibt es keine Trennung
22 Palfrey, Gasser, 2008, S. 346. 23 Prensky, 2001. 24 Ebenda. 25 Ebenda. 26 Vertical Media GmbH, 2015.
16
mehr zwischen der digitalen und der realen Welt. Dass dieses Verhalten auch Einzug
in die Finanzdienstleistungsbranche hält, bestätigt eine Studie der Managementbera-
tung Horváth & Partner unter Leitung von M. Niebudek und M. Adelt. Danach in-
formieren sich schon heute rund 60% der Kunden vorab im Internet über Finanz-
dienstleistungen. Das Onlineabschlussverhalten und Onlineserviceverhalten liegen
momentan noch bei 20%. Allerdings sehen die befragten Versicherungen und Ban-
ken hier enormes Wachstum für die nächsten Jahre.27
2.1.3. Von Web 2.0, Social Media
Die Anfänge des Internets sind geprägt von einer einseitigen Nutzung. Webseiten
und Inhalte werden erstellt und anderen Nutzern zur Verfügung gestellt. Eine Kom-
munikation zwischen den Akteuren findet nicht statt. Durch neue Anwendungsideen
entwickelte sich die Nutzungsform des Internet jedoch weiter. Man spricht nun vom
Web 2.0.
Es gibt zum Begriff Web 2.0 zahlreiche Artikel und Definitionen, welche entweder
die technischen, die gesellschaftlichen oder die wirtschaftlichen Aspekte hervorhe-
ben. Mit dem Begriff Web 2.0 wird allerdings stets die Entwicklung des Internets hin
zu einer interaktiven Plattform beschrieben.28 Tim O’Reilly, Autor, Internetpionier
und Entwickler von freier Software, machte den Begriff durch seinen Artikel „What
is Web 2.0?“ weitläufig bekannt und hat in seiner „Web 2.0 Meme Map“ die zentra-
len Prinzipien zusammengefasst. Viele davon sind auch für das Crowdfunding rele-
vant.
27 Niebudek, Adelt, 2015. 28 Knorr, 2003.
17
Ausgehend vom Internet als eine interaktive Plattform ändert sich als zentraler Punkt
laut O’Reilly, dass der Nutzer die Daten und Inhalte „besitzt“. Dies bedeutet er er-
stellt sie und verändert sie in der Rolle des Internetnutzers.29 Das heißt natürlich
auch, dass Inhalte nicht statisch sind, sondern sich in einem fortwährenden Verände-
rungsprozess befinden. Für diese lebenden Informationen und das Web 2.0 allgemein
ist Wikipedia ein passendes Beispiel. Ein Musterbeispiel für Schwarmintelligenz und
den Plattformgedanken.30 Eine technisch simple Anwendung wird durch ihre Nut-
zungsform und ihre Vielzahl von Nutzern zu einer der meist genutzten Webseiten der
Welt.31
Maßgeblicher Teil des Web 2.0-gedankens sind auch die Sozialen Netzwerke. Die
Webseitenbetreiber erstellen keinerlei Inhalt, sondern die Gestaltung der Inhalte geht
ausschließlich von den Nutzern aus. Die Webseite stellt hierfür lediglich den Rah-
men und die technische Möglichkeit zur Verfügung. Trotzdem ist der Soziale Nach-
richtendienst Twitter einer der größten Contentersteller im Internet.32 Mitglieder
Sozialer Netzwerke teilen Meinungen, Erfahrungen und Inhalte, die wiederum von
anderen Mitgliedern bewertet und kommentiert werden. Hieraus bilden sich durch
gemeinsame Interessen, Einstellungen und ähnlichem Nutzungsverhalten Gruppen
und Soziale Netzwerke. Meinungen sind nicht länger privat oder einem Freundes- 29 O'Reilly, 2005. 30 Alby, 2008. 31 Alexa, 2015. 32 Kroker, 2013.
18
kreis vorbehalten, sondern werden öffentlich und verbreiten sich durch Soziale
Netzwerke rasend schnell. Die grundlegenden Veränderungen des Web 2.0 haben
auch in der Wirtschaft und Gesellschaft ihre Spuren hinterlassen und sind nicht nur
eine Entwicklung im Netz. Durch den schnellen und unbegrenzten Fluss sind Infor-
mationen für Jedermann verfügbar.33 Dies führt mit der veränderten Nutzungsform
zu mündigeren Nutzern und Konsumenten. Daher spricht man im Zusammenhang
mit dem Web 2.0 Begriff auch oftmals von der Demokratisierung des Internets bzw.
Demokratisierung von Informationen. Zusammengefasst sind die Charakteristika des
Web 2.0 die Nutzerbeteiligung und Kommunikation der Nutzer, die veränderlichen
Informationen, Vernetzung von Intelligenz(Schwarmintelligenz), Unabhängigkeit
von Software und Hardware und dadurch die Demokratisierung des Internets. Das
Internet an sich, aber vor allem die Veränderungen des Web 2.0 werden weitläufig
als Voraussetzung für das Crowdfunding gesehen.
2.2. Treiber des Crowdfundings
Neben den Entwicklungen, die das Crowdfunding ermöglicht haben, gibt es noch
einige Dinge die dem Phänomen zum Boom und großen Wachstum verholfen haben.
2.2.1. Niedrigzins, Kreditklemme und Vertrauensbruch als Folgen der Finanzkrise
Betrachtet man den Finanz- und Kapitalmarkt in den letzten 10 Jahren, ist er vor
allem geprägt durch die Krise auf den Finanzmärkten ab 2008 und der fast gleichzei-
tig beginnenden Eurokrise. Begonnen hat diese Entwicklung mit einem Aufdecken
der zunehmend schlechten Bonität amerikanischer Hypotheken und dem darauf
folgenden Zusammenbruch der amerikanischen Hypothekenmärkte. Sie entwickelte
sich rasch zur System- und Bankenkrise mit zunehmenden Folgen für die Realwirt-
schaft.34 Was die genauen Folgen für die Realwirtschaft sind, wird seitdem kontro-
vers diskutiert. Definitiv kam es jedoch durch die Krise zu einem fast weltweiten
Konjunktureinbruch und groß aufgelegten staatlichen Rettungs- und Förderungspro-
grammen. Weltweit senkten die Zentralbanken zur Bewältigung der Krise die Leit-
zinsen, was zu einem sehr niedrigen Zinsniveau für Kapital- und Spareinlagen führte.
Durchaus strittiger wird diskutiert, ob ursächlich durch die Krise in Deutschland eine
Kreditklemme herrscht.35
33 Reigner, 2007, S. 439. 34 Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2008. 35 IFD, 2010, S. 38 ff..
19
Unstrittig ist jedoch der große Vertrauensbruch zwischen Privatanlegern und Banken
sowie Finanzinstituten. So hat eine Studie ergeben, dass die Vertrauenswürdigkeit in
die Beratung zur Aktienanlage durch Banken, Sparkassen und Broker von 39% 2008
auf 27% 2013 abgenommen hat.36 Eine Studie von Ernst & Young unterstreicht
diesen Trend und sagt aus, dass das Vertrauen in Banken allgemein in Deutschland
2015 das 7. Jahr in Folge gesunken ist. Dieser Trend ist in den europäischen Krisen-
ländern am stärksten.37
Das niedrige Zinsniveau zieht Kapitalgeber in neue alternative Anlageformen und
die striktere Vergabe von Krediten zwingt Kapitalsuchende ebenfalls, sich andere
Quellen der Finanzierung zu suchen. Zusammen mit dem anhaltenden Vertrauens-
verlust in Banken sind das starke Treiber für alternative Finanzierungsformen, zu
denen auch das Crowdfunding gehört.
2.2.2. Startup und Gründerfinanzierung in Deutschland
In der Befragung „Startup Barometer Deutschland“ von Ernst & Young wurden 151
Startups telefonisch befragt. 44% aller Startups und über 90% der Startups in der
Seedphase nannten hier die Finanzierung als größte Sorge für ihre Gründung.38 Die
Studie zeigt, dass in Deutschland die Finanzierung überwiegend aus privaten Mitteln
ist und in der späteren Gründungsphase oft durch Cashflow ergänzt wird. Venture
Capital Geber, strategische Investoren, Bankkredite und Beteiligungsgesellschaften
spielen bei der Gründung nur selten eine Rolle.
36 Pellens, Schmidt, Ruhr, 2014. 37 Trinkaus, 2014, S. 4. 38 Lennartz, 2014, S. 13.
20
Das fehlende Kapital von Venture Capital Gebern und Business Angels führt gerade
in der frühen Phase der Unternehmungsgründung zu einer Finanzierungslücke in
Deutschland. Peter Lennartz, Leiter der EY Startup-Initiative, nannte in der dazuge-
hörigen Pressemitteilung, die fehlende Venture Capital Geber Landschaft in
Deutschland als einen der Hauptgründe für die Finanzierungsschwierigkeiten Deut-
scher Startups. Wörtlich sagt Lennartz dazu, „...Das eigentliche Problem besteht
dabei in der fehlenden adäquaten Venture Capital Landschaft wie sie z.B. in den
USA, in England oder Israel besteht. ...“.39 Crowdfunding nutzen laut der Studie bis
jetzt nur 5% der befragten Startups.40 Doch sollte Crowdfunding weiter an Bedeu-
tung gewinnen, könnte es die Finanzierungslücke schließen.41 Nahezu deckungsglei-
che Resultate liefert der Deutsche Startup Monitor 2014.42
2.3. Funktionsweise und Gemeinsamkeiten aller Crowdfundingarten
In diesem Abschnitt sollen der Ablauf und die Merkmale einer Crowdfunding Kam-
pagne allgemein beschrieben werden. Beim Crowdfunding startet ein Initiator mit
einem offenen Aufruf an alle Internetnutzer eine Kampagne. Darin beschreibt er ein
Projekt und bittet um dessen Finanzierung. Nutzer, die Gefallen an der Kampagne
39 Ernst & Young GmbH, 2014. 40 Lennartz, 2014, S. 14. 41 KPMG-Redaktion, 2014. 42 Ripsas, Tröger, 2014, S. 42.
21
finden, können diese mit einem frei gewählten Betrag unterstützen und werden somit
zu Kapitalgebern.43 Zur Verbreitung der Kampagnen bedient sich Crowdfunding bei
den Mechanismen des Web 2.0 und social media. Ein Argument für Crowdfunding
ist dabei der Abbau von Marktineffizienzen durch „intelligentes Geld“44. Anders als
bei klassischen Finanzprodukten wird angenommen, dass diese Intelligenz nicht von
einer kompetenten Einzelperson eingebracht wird. Vielmehr entsteht diese durch das
Kollektiv der Internetnutzer. Ob diese Schwarmintelligenz wirklich zu einer markt-
effizienten Allokation des Kapitals führt, kann nicht sicher bestätigt werden.45 Dem
steht entgegen, dass gerade im Internet durch Herdenverhalten oftmals unüberlegt
Entscheidungen getroffen werden, die nur mit dem Verhalten anderer begründet
werden.46
Inzwischen ist es üblich, dass dies über eine Plattform erfolgt. Die Plattform stellt
eine technische Lösung für die Präsentation der Kampagnen bereit. Über sie ist eine
einfache Kommunikation mit den Kapitalgebern möglich und sie ist auch für sonsti-
ge Abwicklungsprozesse zuständig. Es zeigt sich auch, dass das Einschalten einer
Plattform als Intermediär die Informationsasymetrie zwischen Initiator und Geldge-
ber reduziert. Dadurch sinkt auch das damit einhergehende Risiko für beide Teil-
nehmer.47
Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlich ausgestalteten Crowdfundingarten. Die
zugrundeliegenden Merkmale und Prinzipien sind allerdings ähnlich.
1. Unbegrenzte Anzahl von Investoren
Bei Crowdfundingkampagnen wird eine unbegrenzte Anzahl oder zumindest eine
Vielzahl von Investoren angesprochen.48 Es wird ein öffentlicher bzw. sehr weit
gefasster Kreis von Investoren angesprochen, d.h. jeder der möchte, kann sich betei-
ligen. Es werden keine/geringe Kriterien an den Investor gestellt. Es kann sich um
Privatpersonen, aber auch andere Investoren handeln. Grenzen für die Anzahl an
Investoren ergeben sich wenn dann durch den Finanzierungsbetrag oder durch Mini-
malstückelungen.
2. Klarer Verwendungszweck
43 Belleflamme, Lambert, Schwienbacher, 2010, S. 5. 44 Klöhn, Hornuf, 2012, S. 257. 45 Ebenda, S. 257. 46 Ebenda, S. 259. 47 Berger, Gleisner, 2009. 48 Leimeister, 2012, S. 389.
22
Crowdfundingkampagnen werden für bestimmte Projekte oder klare Finanzierungs-
aufgaben ins Leben gerufen. z.B. ein Film, ein Projekt, eine Unternehmensgründung.
In der Literatur ist zu sehen, dass Kampagnen mit einem genau beschrieben Ziel eine
deutlich höhere Wahrscheinlichkeit zur erfolgreichen Finanzierung besitzen. Unter-
suchungen zeigen, umso klarer der Verwendungszweck kommuniziert wird, desto
größer ist die Erfolgswahrscheinlichkeit der Kampagne.
3. Finanzierungsziel
Crowdfundingkampagnen haben ein Finanzierungsziel, also einen Betrag, der für das
Investment angestrebt wird. Die meisten Plattformen wenden das Alles-oder–Nichts-
Prinzip (engl. all-or-nothing) an. Das heißt, wird das Finanzierungsziel nicht erreicht,
kommt das Projekt nicht zustande und alle Investoren erhalten ihr Geld zurück.49
Eine weitere Variante ist das Behalte-was-du-bekommst-Prinzip (engl. Keep-what-
you-get), hier wird der am Ende der Laufzeit gesammelte Betrag an den Initiator
ausgezahlt.50 Wash und Salomon haben in 14 Experimenten mit 168 Teilnehmern
untersucht, wie sich die zwei Prinzipien auswirken. Bei dem „Alles-oder-Nichts-
Prinzip“ wird von den Geldgebern ein höherer Gesamtbetrag, in mehr und risikorei-
chere Kampagnen investiert. Es erreichen jedoch weniger Kampagnen die Finanzie-
rungsschwelle, da eine weitere Streuung auf die Kampagnen erfolgt. Bei dem „Be-
halte-was-du-Bekommst-Prinzip“ werden jedoch mehr Kampagnen erfolgreich
finanziert. Da die Investoren ihr Geld auf keinen Fall zurückbekommen, investieren
sie es in Kampagnen, die risikoarmer und damit wahrscheinlicher finanziert werden.
Es wird auf weniger Projekte gestreut und die Investoren koordinieren sich stärker
untereinander.51 Die meisten Plattformen wenden inzwischen das Alles-oder-Nichts-
Prinzip an. Viele Plattformen funktionieren dazu nach dem „first come, first served-
Prinzip“.52 Dabei kann solange nacheinander in die Kampagne investiert werden, bis
das Finanzierungsziel erreicht ist. Dann wird die Kampagne geschlossen. Einige
Plattformen lassen auch eine Finanzierung über das Finanzierungsziel hinaus zu.
4. Finanzierungszeitraum
Bei Crowdfundingkampagnen wird ein Zeitraum bestimmt innerhalb dessen das
Finanzierungsziel erreicht werden muss. Dieser wird von dem Initiator vor Beginn
festgelegt. Ist dieser Zeitraum abgelaufen, wird je nach angewendetem Prinzip, der
49 Sixt E. , 2014, S. 65f.. 50 Ebenda, S. 10. 51 Wash, Salomon, 2014, S. 10. 52 Mäschle, 2012, S. 25.
23
bis dahin eingesammelte Betrag ausgezahlt oder den Kapitalgebern zurückerstattet.
Eine Kampagne kann auch bei Erreichen des Finanzierungsziel schon vorzeitig
beendet werden.
5. Gegenleistung
Alle Crowdfundingarten haben gemeinsam, dass für das Investment eine Gegenleis-
tung angeboten wird.53 In der einschlägigen Literatur wird die Abgrenzung stets
anhand dieser Gegenleistung vorgenommen. In den nächsten Abschnitten wird näher
auf die Arten eingegangen.
2.3.1. Reward-Based Crowdfunding
Wie bereits erläutert, unterscheiden sich die Crowdfundingarten vor allem durch die
für das Investment angebotene Gegenleistung. Beim Reward-Based Crowdfunding
handelt es sich um keine klassische Anlage. Für den Initiator stellt das eingesammel-
te Kapital auch kein Fremd- oder Eigenkapital in der Bilanz dar, sondern es handelt
sich um zusätzliche Einnahmen oder Umsatz, den er generiert. Bei dieser Form erhält
der Geldgeber am Ende der Laufzeit sein eingesetztes Kapital nicht verzinst zurück,
sondern erhält später als Gegenleistung eine Anerkennung oder ein Dankeschön.54
Dabei stellt der Initiator stets mehrere verschiedene Rewardoptionen zur Verfügung,
aus denen der Geldgeber wählen kann. Es kann beim Reward-Based Crowdfunding
noch etwas genauer nach der Gegenleistung unterschieden werden, allerdings werden
in einer Kampagne fast immer beide Ausgestaltungsformen kombiniert.
Liegt der Wert der Gegenleistung unter dem eingesetzten Kapital, so ist der Mehr-
wert, den der Initiator gewährt, ideeller Art. Er entsteht durch die Nennung des Na-
mens als Sponsor im Zusammenhang mit der Kampagne. Beispiele hierfür sind die
Nennung auf der Internetseite, auf dem Album Cover einer Band, auf dem Produkt
oder im Abspann eines Films. Diese Ausgestaltung des Reward-Based Crowdfun-
dings wird daher oftmals auch als Crowdsponsoring bezeichnet.
Ebenfalls unter Reward-Based Crowdfunding fallen Kampagnen bei denen der Ini-
tiator als Gegenleistung eine Sache, das entwickelte Produkt, die Dienstleistung oder
das Werk anbietet. Im Gegensatz zum klassischen Vertrieb erfolgt erst der Kauf / die
Bestellung und dann wird das Produkt erstellt. Daher spricht man hier oftmals auch
von Preselling oder Preorder.55 Dadurch ist es Künstlern, Musikern und Filme-
machern möglich Alben, Konzerte und Aufführungen vorzufinanzieren. Aber auch 53 Belleflamme, Lambert, Schwienbacher, 2010; Leimeister, 2012, S. 10 f.. 54 Mitra, 2012, S. 69. 55 Hermer, 2011, S. 14.
24
produzierende Initiatoren können dadurch ihre Produktions- oder Entwicklungskos-
ten vorab decken.56
Beispiel 1:
Eine Band möchte ein neues Album finanzieren und benötigt hierfür 10.000 €.
Im Zuge der Crowdfundingkampagne erhält der Geldgeber eine Gegenleistung.
Er kann zwischen verschiedenen Rewardoptionen wählen: für 5 € bekommt er
eine Nennung auf der Internetseite der Band, für 10 € erhält er einen Merchan-
dise Artikel der Band, für 30 € erhält er das Album als Download und für 50 €
zusätzlich die CD, für 500 € darf er einen Probentag mit der Band verbringen
und für 1000 € spielt die Band ein Wohnzimmerkonzert beim Geldgeber. Oft-
mals gibt es auch eine Option für Spenden.
Beispiel 2:
Ein Veganes Restaurant benötigt für ein neues Kühlhaus 6.000 €. Rewardopti-
onen: für 30 € erhält er einen Kuchen mit individueller Aufschrift, für 50 € er-
hält er eine 10er Karte für Getränke. Wahlweise kann der Geldgeber auch
spenden oder einen Gutschein mitbestellen.
Für die Initiatoren ist diese Beschaffung von Kapital für die Umsetzung ihres Projek-
tes natürlich einer der Hauptbeweggründe eine Kampagne zu starten. So ordneten
93% der Teilnehmer einer Befragung durch Lambert und Schwienbacher der Finan-
zierung sehr hohe Relevanz zu.57 Weiter zeigt die Studie allerdings auch, dass weite-
re Motive eine Rolle bei der Auswahl dieser Finanzierungsart spielen. So nannten
85% der Befragten die öffentliche Aufmerksamkeit und 60% das Feedback der
Community als sehr relevant oder relevant.58 Die Aufmerksamkeit während einer
Crowdfundingkampagne führt zu Marketingeffekten. Durch das Kommunizieren mit
der Community kann das Produkt besser auf die Kundenwünsche zugeschnitten
werden.59 Dieselben Antworten finden sich auch in der Studie von Gerber, Hui und
Kuo wieder. Zusätzlich wurden als Beweggründe die Vernetzung mit Gleichgesinn-
ten genannt. Auch ist nach dieser Studie den Initiatoren wichtig, dass sie nicht nur ihr
Produkt vorstellen können, sondern auch ihre Arbeit an sich darstellen können.60
Mollick macht anhand der Projekte Pebble Watch, einer digitalen Uhr, und Ouya,
einer Spielekonsole, auch deutlich, dass neben der Kapitalsammlung und einem
56 Harrison, 2014, S. 283. 57 Lambert, Schwienbacher, 2010, S. 20. 58 Ebenda, S. 20. 59 Kuckertz, 2015, S. 50 f.. 60 Gerber, Hui, Kuo, 2012.
25
Marketingeffekt ein weiterer Aspekt wichtig ist. Denn es ist möglich, durch die
Aufmerksamkeit einer Kampagne Hilfe für die Weiterentwicklung seines Projektes
oder Produktes zu finden.61 Somit fanden sich für diese Projekte Entwickler, welche
Apps und Addons für die Projekte entwickelten und somit die Attraktivität des Pro-
duktes erhöhten.62 Beim Reward-Based Crowdfunding wird stets eine große Zahl
von unterschiedlichen Rewards zur Auswahl gestellt. Das heißt zum Beispiel wird
für einen kleinen Betrag ein Dankeschön geboten und für größere Investments das
Produkt. So entstehen für die Geldgeber mehrere Pakete, die sie je nach ihrer In-
vestmenthöhe auswählen. Neben der Vorfinanzierung ist dies für die Initiatoren sehr
interessant. Die Kunden wählen je nach individueller Neigung, das Paket mit dem
größten Nutzen für sie und bezahlen dadurch unterschiedliche Beträge für das eigent-
liche Gut. Bellaflamme hat in einem theoretischen Modell nachgewiesen, dass hier-
durch eine Preisdiskriminierung der Kunden möglich ist.63 Durch dieses Vorgehen
kann der Initiator auch testen, wie viel der Kunde für ein Produkt oder eine Produkt-
kombination bereit ist zu bezahlen. Damit ist es möglich im späteren regulären Ver-
kauf durch die Wahl des richtigen Preises die Zahlungsbereitschaft der Kunden
optimal abzuschöpfen. Gerade bei neuartigen Produkten ohne bestehende vergleich-
bare Güter kann dies wertvoll sein. Ohne die vorherigen Preisinformationen aus dem
Crowdfunding könnte der Hersteller den Preis zu niedrig ansetzten. Ein zu hoher
Preis führt dazu, dass einige Kunden das Produkt nicht kaufen. In beiden fällen
würde der Initiator Potential verschenken. Ähnliche Vorteile ergeben sich für den
Initiator auch für die Mengenplanung. Durch die Vorbestellung weiß er, wie viel
hergestellt werden muss. Für die Absatzplanung in der Zeit danach kann die Crowd-
fundingkampagne als Stichprobe gesehen werden. Anhand derer kann der Markt für
das Produkt abgeschätzt werden.64
Auch bei der Projektrealisierung durch Reward-Based Crowdfunding ist das Ein-
sammeln von Kapital der Hauptgrund eine Kampagne zu starten. Allerdings bietet es
dem Initiator noch weitere Vorteile, die andere Finanzierungsarten nicht bieten kön-
nen. Zum einen kann er das Produkt und das Marktumfeld testen, zum anderen kann
er öffentliche Aufmerksamkeit generieren. Beides kann den Erfolg seiner Unterneh-
mung steigern.
61 Mollick, 2014, S. 3. 62 COMPUTER BILD Digital GmbH, 2012. 63 Belleflamme, Lambert, Schwienbacher, 2014. 64 Greggers, 2015, S. 25.
26
2.3.2. Equity-Based Crowdfunding
Equity-Based Crowdfunding wird im deutschsprachigen Raum auch oft Crowdinves-
ting bezeichnet. Es entspricht eher einer klassischen Kapitalanlage. Der Begriff
Equity-Based Crowdfunding lässt darauf schließen, dass der Geldgeber Anteile
erwirbt oder Gesellschafter wird. Beim Aufkommen dieser Crowdfundingart handel-
te es sich auch meist um stille Beteiligungen oder Genussrechte. Momentan wird das
Kapital vorwiegend mit Darlehensverträgen bereitgestellt. Diese sind rechtlich meist
so ausgestaltet, dass sie als Mezzaninkapital anzusehen sind. Mezzaninkapital ist
sehr eng an das Unternehmen gebundenes Kapital und liegt zwischen dem klassi-
schen Eigen- und Fremdkapital.65 Daher ist der Begriff „equity“ immer noch recht
zutreffend. Diese Art von Crowdfunding ist schon rein vertraglich aufwendiger und
das Investment der Geldgeber ist längerfristig. Das Volumen des eingesammelten
Kapitals liegt auch deutlich über dem beim Reward-Based Crowdfunding. Daher
nutzen diese Art vor allem junge Unternehmen für die Gründung oder ein frühes
Wachstum.
Im Zuge einer Kampagne überlässt der Geldgeber dem Initiator Kapital und ist als
Gegenleistung während der Laufzeit am Erfolg, Umsatz oder Gewinn beteiligt. Auch
eine Beteiligung am Liquidations- oder Exiterlös ist oftmals enthalten.66 Eine Betei-
ligung an den Verlusten ist in den meisten Fällen ausgeschlossen. Allerdings ist bei
einer Insolvenz des Initiators mit einem Total- oder Teilverlust des eingesetzten
Kapitals zu rechnen.
Beispiel:
Ein junger Onlineshop möchte den Ausbau der Webseite und sein Wachstum
finanzieren und benötigt hierfür 300.000 €. Für das gewährte Kapital bietet es
eine Gewinnbeteiligung an. Am Ende der vereinbarten Laufzeit von 7 Jahren
wird das Kapital zusätzlich mit 1% p.a. fest verzinst und zurückbezahlt.
Die Ergebnisse der Studien von Lambert und Schwienbacher67, sowie von Geber,
Hui und Kuo über die Beweggründe für Crowdfunding gelten auch für das Equity-
Based Crowdfunding.68 Natürlich steht auch hier die Beschaffung von Kapital für
Initiatoren im Vordergrund. Aber auch die öffentliche Aufmerksamkeit und das
Feedback sind wie beim Reward-Based Crowdfunding wichtig.
65 WSS Redpoint Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, 2014. 66 Tomczak, Brem, 2013, S. 352. 67 Lambert, Schwienbacher, 2010, S. 20. 68 Gerber, Hui, Kuo, 2012.
27
Im Vergleich zu einer Finanzierung durch Banken, ist es für einen Initiator möglich
durch eine Crowdfundingkampagne ohne Sicherheiten an ein Darlehen zu gelangen.
Dies ist gerade für junge Unternehmen und Gründer sehr schwierig und langwierig.69
Die Verträge beim Equity-Based Crowdfunding sind mit langen Laufzeiten versehen.
Das ermöglicht selbst jungen Unternehmen an eine langfristige und solide Finanzie-
rung zu kommen, was über Bankkredite schwierig sein kann.70 Geht der Initiator für
die Kapitalbeschaffung auf Venture Kapital Geber oder Business Angels zu, möch-
ten diese ein Mitsprecherecht bei Entscheidungen. Da die Rechte der Geldgeber beim
Crowdfunding stark begrenzt sind, kann der Initiator Kapital einsammeln ohne un-
ternehmerische Freiheiten abzugeben.71
Neben dem Kapital geben Venture Kapital Geber und Business Angels Unternehmen
auch wertvolles Knowhow weiter oder coachen die Initiatoren. Dies können die
Geldgeber im Crowdfunding nicht leisten.72 Allerdings liefert das Feedback der
Geldgeber bei einer guten Kommunikation eine Vielzahl von verwertbaren Informa-
tionen. Sie geben Feedback zu den Produkten oder Services, die der Initiator anbie-
ten möchte, untersuchen seine Idee kritisch und untersuchen das Businessmodel.73
Rossi ist sogar überzeugt, dass bei einer aktiven Einbindung der Geldgeber, ähnlich
wie beim Crowdsourcing, Aufgaben von den Geldgebern für den Initiator übernom-
men werden.74 Nach der Meinung einer Vielzahl von Autoren, ist es auch wahr-
scheinlich, dass Geldgeber zu Kunden werden. Sie unterstützen die Idee des Initia-
tors, da sie diese positiv bewerten und interessiert sind. Daher wirbt der Initiator
nicht nur Kapital ein, sondern wirbt auch neue Kunden oder profitiert zumindest von
deren Mundpropaganda. Eine weitere große Chance für den Initiator ist es, durch die
Öffentlichkeit ein Netzwerk aufzubauen und von ihm zu profitieren.75
Equity-Based Crowdfunding ist attraktiv, um sehr eng gebundenes Kapital einzu-
sammeln ohne Stimmrechte abzugeben. Zudem muss dafür keine Bank oder ein
Investor überzeugt werden. Weitere Vorteile sind jedoch auch das wertvolle Feed-
back und die Aufmerksamkeit, die ein Initiator mit einer Kampagne generieren kann.
69 Demant, 2014, S. 53. 70 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 2007. 71 Schramm, Carstens, 2014, S. 173. 72 Wilson, Testoni, 2014, S. 8. 73 Rossi, 2014, S. 17. 74 Ebenda, S. 14. 75 Rubinton, 2011, S. 12.
28
2.3.3. Lending-Based Crowdfunding
Das Lending-Based Crowdfunding ist dem klassischen Kreditgeschäft sehr ähnlich.
Auf entsprechenden Plattformen veröffentlichen die Initiatoren eine Kreditanfrage
und Geldgeber können diese mit vielen kleinen Beträgen ermöglichen. Die meisten
Angebote zielen momentan auf Privatkunden ab. Daher spricht man auch oft von
peer-2-peer oder manchmal auch von private-2-private Finanzierung. Es werden aber
aktuell auch Modelle für Klein- und Mittelstandsunternehmen entworfen und gestar-
tet.76 Bei allen Plattformen sind die Kredite momentan als klassische Ratenkredite
ausgestaltet. Der Initiator bezahlt den Kredit in Raten mit einem festen Zinssatz
zurück. Der Zinssatz ergibt sich aus den vom Initiator eingereichten Daten wie Schu-
fa-Auskunft, Rating (z.B. Creditreform), Alter, Beruf. Zusätzlich ist der Zinssatz
auch abhängig von Kredithöhe und Laufzeit. Der Zinssatz wird aktuell bei den deut-
schen Plattformen nach einer Kreditanfrage durch den Initiator von der Plattform
festgelegt.77
Beispiel:
Eine Familie möchte ein neues Auto kaufen und benötigt hierfür 15.000 €. Für
einen Kredit über diese Höhe ist sie bereit 10% p.a. Zinsen zu bezahlen. Den
Betrag bezahlt sie in Form von Monatsraten über 48 Monaten mit Zinsen zu-
rück.
Bei Lending-Based Crowdfundingkampagnen steht der Zweck der Finanzierung im
Vordergrund. Die Initiatoren möchten die unterschiedlichsten Dinge finanzieren. Es
reicht von privaten Umzügen, Umbauten, Ablöse bestehender Kredite, Dispoaus-
gleich bis hin zu Gründung von Unternehmen und Selbständigkeiten. Andere Effekte
wie Werbung, Kundengewinnung oder Verkauf können durch diese Art schlecht
erreicht werden. Beim Lending-Based Crowdfunding ist auch die Investitionsent-
scheidung der Geldgeber stärker an der Rendite orientiert. Daher sollten Initiatoren
darauf achten, möglichst genaue Angaben zu machen. Dabei sind die Erfolgsfaktoren
dieselben wie bei herkömmlichen Bank Krediten. Am wichtigsten ist auch hier die
Kreditwürdigkeit des Initiators. Persönliche Angaben und ein Foto haben ebenfalls
einen signifikanten Einfluss.78 Initiatoren starten eine Kampagne vor allem, um
schneller und einfacher an einen Kredit zu kommen. Dass Lending-Based Crowd-
funding durch das Auslassen der Bank für den Initiator auch zu geringeren Kredit-
76 Drost, 2014. 77 Bachmann, et al., 2011, S. 6. 78 Bachmann, et al., 2011, S. 7ff..
29
kosten führt, ist nicht unbedingt der Fall.79 Klafft zeigt, dass davon vor allem Initia-
toren mit gutem Ranking profitieren. Initiatoren mit schlechtem Ranking haben auch
beim Lending-Based Crowdfunding Probleme.80 Oft spielt es auch eine Rolle, dass
sie bei Banken keinen Kredit mehr bekommen. Die Daten, die zur einer Abweisung
bei einer Bank führen, müssen bei den Plattformen auch angegeben werden, führen
aber meist nicht zu einer Abweisung durch die Plattform. Daher können diese Initia-
toren trotzdem versuchen, einen Kredit über die Crowd zu erhalten.81
2.4. Zwischenfazit zum Crowdfunding
Crowdfunding ist eine logische Schlussfolgerung aus der technische Entwicklung
des Internets und gesellschaftlichen Veränderungen durch dessen neue Nutzungs-
formen. Hinzu kommen die starke Skepsis gegenüber klassischen Finanzinstituten,
die anhaltende Niedrigzinsphase sowie eine striktere Kapitalvergabe. Für Initiatoren,
die eine Finanzierungsmöglichkeit suchen und dafür bereit sind interessante und
kreative Gegenleistungen zu bringen, bietet sich Reward-Based Crowdfunding an.
Vorteile sind, dass das Kapital nicht zurückbezahlt werden muss und das Produkt,
das Marktvolumen und Preise vor einer regulären Markteinführung getestet werden
können. Durch die Präsentation im Internet wird dazuhin eine breite Öffentlichkeit
auf die Idee aufmerksam. Es entstehen Marketingeffekte und Möglichkeiten sein
Netzwerk auszubauen. Equity-Based Crowdfunding bietet ähnliche Vorteile durch
die Öffentlichkeit, allerdings muss das Kapital verzinst und meist mit einer Gewinn-
beteiligung zurückbezahlt werden. Bei dieser Art kann aber nicht das konkrete Pro-
dukt getestet werden, sondern wenn dann nur die Idee an sich. Die rechtliche Ausge-
staltung sowie die längeren Laufzeiten bieten allerdings Sicherheit, ohne Mitsprache-
rechte abzutreten und damit Vorteile im Vergleich zu Business Angels und Venture
Kapital Gebern. Das Lending-Based Crowdfunding ist sehr ähnlich zum klassischen
Ratenkreditgeschäft von Banken. Allerdings bietet es Initiatoren mit schlechten
Bonitäten, eine Möglichkeit an Kapital zu kommen. Weitere Motive spielen hierbei
nur eine untergeordnete Rolle.
79 Ashta, Assadi, 2009. 80 Klafft, 2008. 81 Orthwein, 2014, S. 25.
30
3. Rechtsgebiete mit Einfluss auf Crowdfunding Initiatoren
Im folgenden Kapitel sollen die gesetzlichen Regelungen betrachtet werden, die
Initiatoren beim Crowdfunding direkt betreffen. Anschließend aber auch Regelun-
gen, welche starken Einfluss auf die Initiatoren haben. Momentan werden in diesem
Bereich eine Vielzahl von Neuerungen angestoßen, wie zum Beispiel das Kleinanle-
gerschutzgesetz. Da Crowdfunding noch sehr neu ist, wird die Auslegung der beste-
henden Gesetze oftmals noch diskutiert, beziehungsweise fehlen hierzu noch weg-
weisende Gerichtsentscheidungen. Regelmäßig werden zu dem Thema auch Stel-
lungnahmen von verschiedenen Beteiligten veröffentlicht. Daher bezieht sich die
Arbeit auf die derzeit herrschenden Meinungen. Die rechtliche Betrachtung kann im
Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend sein. Sie soll den Initiatoren aber einen
ersten Überblick bieten, was sie zu beachten haben.
3.1. Regelungen mit direktem Einfluss auf Crowdfunding Initiatoren
Für Crowdfunding bestehen in Deutschland fast keine spezifischen rechtlichen Rege-
lungen, sondern es wird bestehendes Recht angewendet. Je nach Ausgestaltung des
Crowdfundings bestehen zwischen den Parteien unterschiedliche Vertragsverhältnis-
se. Daher sind auch die vertraglichen Rechte und Pflichten zwischen diesen Teil-
nehmern unterschiedliche. Im Folgenden werden für jede Crowdfundingart, die in
Frage kommenden Verhältnisse vorgestellt und die daraus resultierenden Rechte und
Pflichten dargelegt. Des Weiteren gibt es auch Regelungen, die der Initiator je nach
Crowdfundingart zusätzlich beachten muss.
3.1.1. Reward-Based Crowdfunding
Wie bereits oben beschrieben, gibt es beim Reward-Based Crowdfunding verschie-
dene Möglichkeiten der Gegenleistung: symbolisch, sachlich oder in Form eines
Werks oder einer Dienstleistung. Die Vertragstypen des Reward-Based Crowdfun-
ding sind die Schenkung, der Kaufvertrag, der Dienstvertrag und der Werksvertrag
sowie der Werkslieferungsvertrag. Da in den Kampagnen meist mehrere Rewardop-
tionen angeboten werden, können innerhalb einer Kampagne auch mehrere verschie-
dene Vertragstypen sowie gemischte Verträge auftreten.
31
Bietet der Initiator eine Rewardoption an, bei der für das Geld eine symbolische oder
ideelle Gegenleistung ohne materiellen Wert erbracht wird, kann ein Schenkungsver-
trag vorliegen (§§516 ff. BGB). Zum Beispiel bei einer Spende oder einer Nennung
auf der Internetseite des Initiators. Man spricht von einer Schenkung, wenn ein Zu-
wender (Geldgeber) eine Vermögensleistung einem Anderen (Initiator) unentgeltlich
überlässt.82 Da die Schenkung eine einseitige Entäußerung des Geldgebers bedeutet,
ist sie an eine notarielle Beurkundung gebunden (§ 518 Abs.1 BGB).83 Dieser
Formmangel wird durch die Bewirkung der Schenkung jedoch geheilt (§518 Abs. 2
BGB).84 Auf den Plattformen erfolgen Schenkungsversprechen und Zuwendung
zeitgleich, durch Kreditkartenzahlung, Sofortüberweisung oder andere direkte Zah-
lungsarten. Daher kann in diesem Zusammenhang auch von einer Handschenkung
gesprochen werden.85 Des Weiteren muss bei einer Schenkung eine Bereicherung
des Initiators vorliegen.86 Dies bedeutet, dass der Initiator, nach der Beschenkung
insgesamt besser gestellt sein muss als vorher.
In den Fällen des Reward-Based Crowdfundings handelt es sich um Schenkungen
unter Auflage (§ 525 BGB) oder um Zweckschenkungen. Bei einer Schenkung unter
Auflage kommt eine bestimmte Leistungspflicht des Initiators hinzu.87 Als Beispiel
die Nennung auf seiner Internetseite. Hier kann der Vollzug der versprochenen Ge-
genleistung gefordert werden (§525 BGB) oder bei Nichtvollziehung der Geldbetrag
82 Gehrlein, in: Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 516 Rdnr. 1. / Schwenker, in Handkommentar BGB, 12. Aufl. (2008) § 516 Rdnr. 1. 83 Busche, in: Kommentar zum BGB, Neubearbeitung, 2014/2015, Rdnr. 45. 84 Gehrlein, in: Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 518 Rdnr. 5. 85 Ebenda, § 516 Rdnr. 2. / Herrmann, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008, § 516 Rdnr. 3. 86 Gehrlein, in: Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 516 Rdnr. 5. 87 Alexandru, 2014.
32
zurückgefordert werden (§527 BGB). Bei der Zweckschenkung erfolgt die Schen-
kung im Zusammenhang mit einer bestimmten Verwendung der Zuwendung.88 Da-
von ist auszugehen, da der Initiator in seiner Kampagne meist für einen bestimmten
Zweck sammelt. Verfolgt der Initiator nicht diesen Zweck, kann der Geldgeber
allerdings nicht die Schenkung zurückfordern (§527 BGB). Er kann vom Initiator
Herausgabe des Geleisteten aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung verlangen
(§812 Abs. 1 S.2 BGB).89 Ob dies möglich ist, ist in der Literatur umstritten und
auch rechtlich nicht eindeutig.90
Eine Rückforderung wegen Verarmung des Geldgebers (§528 BGB) oder ein Wider-
ruf wegen Undankbarkeit (§530 BGB) ist auch beim Crowdfunding denkbar aber
wohl unwahrscheinlich.
Ob es sich bei Reward-Based Crowdfunding Kampagnen ohne materielle Gegenleis-
tung wirklich um Schenkungen handelt, wird ebenfalls strittig gesehen.91 Dies ist
stets im Einzelfall zu betrachten.
Bei einer Rewardoption, bei der als Gegenleistung für den Geldbetrag ein materieller
Gegenstand angeboten wird, handelt es sich um einen Kaufvertrag (§433 BGB). Es
handelt sich somit um einen gegenseitigen schuldrechtlichen Vertrag.92 Wenn der
Geldgeber den angegebenen Preis bezahlt hat, steht ihm der Gegenstand rechtlich zu.
Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Initiator einen Merchandiseartikel oder
einen Warengutschein verspricht. Dagegen abzugrenzen ist der Werklieferungsver-
trag. Dabei handelt es sich um einen Vertrag, der den Initiator verpflichtet, eine
bewegliche Sache herzustellen oder zu erzeugen (§ 651 BGB). Dieser richtet sich,
mit Ausnahmen (§ 651 S.3 BGB), nach den Regelungen des Kaufrechts.93 Beispiel
für eine solche Rewardoption ist die Bestellung einer noch nicht eingespielten CD
oder eines individualisierten Gegenstandes.
Die Betrachtung der aus diesen Vertragsverhältnissen resultierenden Rechte und
Pflichten für den Initiator sind beim Crowdfunding interessant. Der Initiator hat die
Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben. Das heißt die Sache muss für
die beschriebene Verwendung geeignet sein (§434 Abs. 1, S.2 BGB). Hierzu gehören
auch Eigenschaften, die der Initiator im Rahmen seiner Kampagne beschrieben oder
88 Herrmann, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008, § 525 Rdnr. 6. 89 Gehrlein, in: Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 525 Rdnr. 7. 90 Schaub, 2008, S. 218 f.; Ferner, 2012. 91 Wenzlaff, 2014. 92 Faust, in: Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 433 Rdnr. 12. / Grunewald, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008, § 433 Rdnr. 1. 93 Schreiber, 2013, S. 21.
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öffentlich geäußert hat (§434 Abs. 1, S.3 BGB).94 Eine einseitige Erwartung des
Geldgebers genügt hier allerdings nicht.95 Dies ist daher kritisch, da bei Crowdfun-
dingkampagnen meist der versprochene Gegenstand noch nicht existiert oder die
Entwicklung erst am Anfang steht. Initiatoren sollten darauf achten, dass sie nichts
versprechen, was sie dann nicht halten können. Gerade auf der amerikanischen Platt-
form Kickstarter häufen sich aktuell solche Fälle. Dabei sind die Initiatoren auch
wirklich davon überzeugt, die Eigenschaften entwickeln zu können. Später stellt sich
dann heraus, dass dies technisch nicht möglich ist. Nicht selten haben die Initiatoren
von sehr erfolgreichen Kampagnen auch Probleme, die bestellte Menge zu liefern.96
Auch wenn die spektakulärsten Fälle aktuell noch aus den USA zu hören sind97,
werden sicherlich auch in Deutschland solche Fälle eintreten. Rechtsmängel könnten
vorliegen, wenn der Gegenstand individuell belastet ist.98 Schutzrechte anderer, wie
Urheberrechte Dritter, werden allgemein als Sachmängel gewertet.99 Die Unterschei-
dung zwischen Sach- und Rechtsmängel ist von geringer Bedeutung, da sich die
Rechtsfolgen weitestgehend nicht unterscheiden.100 Bei Mängeln könnte der Käufer
vom Initiator101
1. Nacherfüllung fordern (§439 BGB),102
2. unter Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten (§§440, 323, 326 Abs.5 BGB)103
oder den Kaufpreis mindern (§441 BGB)104 und
3. Schadensersatz (§§440, 280, 281, 283, 311a BGB) oder Ersatz vergeblicher
Aufwendungen (§284 BGB) fordern.105
Prinzipiell hat der Nacherfüllungsanspruch Vorrang. Für die anderen Ansprüche
bedarf es einer Fristsetzung und Aufforderung zur Nacherfüllung.106 Der Geldgeber
kann entscheiden, ob er Nachbesserung oder Neulieferung vom Initiator wünscht.107
94 Grunewald, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008, § 434 Rdnr. 15 und 22. 95 Faust, in: Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 434 Rdnr. 40. 96 Kühl, 2014. 97 Smith, 2014. 98 Faust, in: Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 435 Rdnr. 6. 99 Ebenda, § 435 Rdnr. 10. / Grunewald, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008, § 435 Rdnr. 1. 100 Faust, in: Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 435 Rdnr. 3. / Grunewald, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008 § 435 Rdnr. 1. 101 Faust, in: Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 437 Rdnr. 8-153. / Grunewald, in Handkom-mentar BGB, 12. Aufl., 2008 § 437 Rdnr. 1, 2, 9 und 10. 102 Faust, in: Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 439 Rdnr. 6 f.. 103 Grunewald, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008, § 440 Rdnr. 1-8. 104 Faust, in: Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 441 Rdnr. 3. 105 Grunewald, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008, § 440 Rdnr. 1-8. 106 Vgl. Fußnoten 102-104. 107 Faust, in: Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 439 Rdnr. 8.
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Verspricht der Initiator dem Geldgeber in einer Rewardoption ein Werk oder eine
Dienstleistung, so entsteht zwischen den Parteien ein Werkvertrag (§631 BGB) oder
ein Dienstvertrag (§611 BGB). Bei einem Werkvertrag schuldet der Initiator einen
Erfolg. Handelt es sich um einen Dienstvertrag, so schuldet der Initiator eine best-
mögliche Leistung, aber keinen Erfolg. Diese Vertragstypen sind oftmals schwer
voneinander abzugrenzen. Bei Crowdfundingkampagnen handelt es sich wohl in den
meisten Fällen um Werkverträge und nicht um Dienstverträge. Welcher der beiden
Vertragstypen vorliegt, ist jedoch stets im Einzelfall zu prüfen.108 Indizien für einen
Werkvertrag sind, wenn eine Leistung nur einmalig erbracht wird, der Umfang des
Werkes beschrieben ist und der Initiator nach dem Ergebnis vergütet wird. Dafür
spricht auch, dass die Geldgeber gegenüber dem Initiator kein Weisungsrecht besit-
zen.109 Ähnlich wie beim Kaufvertrag ist das Werk frei von Sach- und Rechtsmän-
geln zu liefern (§633 BGB). Dies erfüllt das Werk, wenn es die vereinbarte Beschaf-
fenheit besitzt oder die Beschaffenheit gleichartiger Werke besitzt.110 Gerade bei
kreativen Projekten könnte dies zu Problemen führen, wenn das Werk anders als
vom Geldgeber erwartet geliefert wird. Ein reines Nichtgefallen ist allerdings noch
kein Sachmangel.111 Liefert der Initiator ein anderes oder eine zu geringe Menge,
liegt ebenfalls ein Sachmangel vor (§633 Abs.2 BGB).112 Rechtsmängel könnten bei
kreativen Projekten zum Beispiel durch Urheberrechte Dritter bestehen (§633 Abs. 3
BGB).113 Bei Mängeln werden dem Geldgeber Rechte zugesprochen (§634 BGB).114
So kann er eine
1. Nacherfüllung fordern (§635 BGB), 115
2. den Mangel mit Erstattung der Kosten selbst beseitigen (§637 BGB), 116
3. vom Vertrag zurücktreten (§§636, 323, 326 Abs.5 BGB) oder die Vergütung
mindern und (§638 BGB)117
4. Schadensersatz (§§636, 280, 281, 331a BGB) oder Ersatz für vergebliche
Aufwendungen (§284 BGB) fordern. 118
108 Fuchs, in Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 611 Rdnr. 11. 109 Voit, in Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 631 Rdnr. 10. 110 Ebenda, § 633 Rdnr. 4. / Schwenker, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008, § 633 Rdnr. 11. 111 Voit, in Kommentar zum BGB, 3. Aufl., 2012, § 633 Rdnr. 15. 112 Ebenda, § 633 Rdnr. 16. / Schwenker, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008, § 633 Rdnr. 18. 113 Voit, in Kommentar zum BGB 3. Aufl., 2012, § 633 Rdnr. 17 / Schwenker, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008, § 633 Rdnr. 19. 114 Schwenker, in Handkommentar BGB, 12. Aufl. (2008) § 634 Rdnr. 2-13. 115 Voit, in Kommentar zum BGB 3. Aufl. (2012) § 634 Rdnr. 17. 116 Ebenda, § 637 Rdnr. 2 ff.. 117 Ebenda, § 633 Rdnr. 18 f.. 118 Ebenda, § 633 Rdnr. 21.
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Bei der Nacherfüllung (Nr.1) kann der Initiator wählen, ob er das Werk nachbessert
oder ein gänzlich neues erstellt.119 Außer bei der Nacherfüllung ist bei den restlichen
Ansprüchen (Nr. 2-4) eine Fristsetzung notwendig. 120
Ein weiteres Rechtsgebiet, welches der Initiator im Blick haben sollte, ist, wie die
Einnahmen durch eine Reward-Based Crowdfundingkampagne anzusehen sind.
Einerseits bezüglich der Art der Einkunft und andererseits wie die Einkunft steuer-
lich behandelt wird. Im Falle einer Schenkung wären die Einkünfte steuerfrei. Aller-
dings wird eine Schenkung von den Finanzämtern meist nicht anerkannt. Beim
Kaufvertrag, Dienstvertrag oder Werksvertrag ist die Antwort eindeutig. Die Ein-
künfte sind gleich zu behandeln wie Einkünfte aus diesen Verträgen ohne Crowd-
funding. Das heißt es fallen auch die sonst üblichen Steuern an. Zu beachten ist die
Umsatzsteuer und die Einkommens-, Gewerbe- oder Körperschaftssteuer.121 Des
Weiteren muss der Initiator die Mehrwertsteuer abführen.122 Es ist auch zu beachten,
dass Privatpersonen bei einem gewerblichen Charakter der Kampagne ein Gewerbe
anmelden müssen. Diese Aspekte muss der Initiator beachten und in seine Entschei-
dung für oder gegen eine Reward-Based Crowdfundingkampagne einschließen.
Als letztes soll betrachtet werden, was im Falle einer Insolvenz des Initiators für
rechtliche Ansprüche gegen den Initiator bestehen. Bei allen oben genannten Ver-
tragstypen, bestehen die Forderungen weiter und gehen in die Insolvenzmasse ein.
Das heißt der Initiator muss weiterhin leisten, sofern er wieder zu Geld kommt.
3.1.2. Equity-Based Crowdfunding
Im Equity-Based Crowdfunding sind die bisher verwendeten Finanzierungsformen
Aktien, stille Beteiligungen, Genussrechte, Darlehen, Nachrangdarlehen und partiari-
sche Darlehen, wobei Aktien nur sehr selten im Rahmen von Crowdfunding verge-
ben werden. Die anfangs sehr häufig genutzte Form der stillen Beteiligung wurde
inzwischen von dem partiarischen Darlehen als meist genutzte Form abgelöst.
119 Ebenda, § 635 Rdnr. 8. 120 Ebenda, § 633 Rdnr. 16. 121 Sixt E. , 2014, S. 196. 122 Sixt, Eckl, Berka, 2014, S. 10.
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Gewährt der Initiator als Gegenzug Aktien seines Unternehmens an, dann erwerben
die Geldgeber einen Teil am Grundkapital. Sie sind dann Aktionäre und erhalten
damit Vermögens- und Verwaltungsrechte. Vermögensrechte sind unter anderem der
Anspruch auf Anteile am Bilanzgewinn (§§58, 60 AktG)123 und die Beteiligung am
Liquidationserlös (§271 AktG). Wichtige Verwaltungsrechte sind das Auskunftsrecht
(§131AktG), Teilnahme an der Hauptversammlung (§118ff. AktG) und das Stimm-
recht (§12 AktG). Beim Crowdfunding werden meist Aktien ohne Stimmrecht aus-
gegeben (§12 S2. AktG).124 Der Initiator sollte bei einer derartigen Crowdfunding-
kampagne darauf achten, dass die Aktionäre Einfluss auf sein Unternehmen nehmen
können. Durch zusätzliche Pflichten gegenüber den Aktionären können auch Kosten
entstehen. Der Vorteil einer aktienbasierten Crowdfundingkampagne ist, dass das
eingesammelte Kapital bilanziell unstrittig als Eigenkapital zu sehen ist. Steuerlich
ergeben sich erst Folgen, wenn die Aktiengesellschaft tätig wird. Dann kommen
Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer in Frage. Der Gewinn, der an die Geldgeber
ausbezahlt wird, muss von diesen in die Einkommenssteuer aufgenommen werden.
Es ist auch möglich, Crowdfundingkampagnen so zu gestalten, dass der Geldgeber
stiller Gesellschafter beim Initiator wird. Es entsteht also ein Gesellschaftsverhältnis.
Teil eines solchen Verhältnisses ist die Förderung eines gemeinsamen Zwecks (§705
BGB) und weitere Treue- und Förderungspflichten.125 Bei einer Kündigung durch
den Geldgeber während schwieriger Zeiten, könnte sich der Initiator auf den gemein-
samen Zweck berufen und Rücksichtnahme fordern.126 Die stille Gesellschaft ist im
Handelsgesetzbuch beschrieben (§ 230ff HGB). Danach gibt der stille Gesellschafter
123 Bayer, in Münchner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., 2003, § 58 Rdnr. 1-7 und § 60 1-3. 124 Heider, in Münchner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., 2003, § 12 Rdnr. 28 f. 125 Schöne, in Kommentar zum BGB 3. Aufl., 2012, § 705 Rdnr. 9 / Westermann, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008, § 705 Rdnr. 29. 126 Ebenda, § 705 Rdnr. 51.
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eine Einlage und ist dann am Gewinn und Verlust angemessen beteiligt. Oftmals ist
die Verlustbeteiligung ausgeschlossen (§231 HGB).127 Dem stillen Gesellschafter
stehen auch Informationsrechte zu (§233 HGB). Dies besteht in Form einer Mitttei-
lung des Jahresabschlusses128 und im Insolvenzfall kann er seine Forderung geltend
machen (§263 HGB). Es können auch weitere Regelungen innerhalb einer stillen
Beteiligung getroffen werden. Häufig sind beim Crowdfunding weiterführende Re-
gelungen zu Kündigungsfristen Bestandteil. Bei einer stillen Beteiligung stehen den
Stillen keine weiteren Mitspracherechte zu (§ 233 Abs. 2 HGB).129
Das Kapital aus einer stillen Gesellschaft ist in den meisten Ausgestaltungsformen
als Mezzanine-Kapital zu sehen. Bilanziell muss es als Fremdkapital unter den Ver-
bindlichkeiten ausgewiesen werden. Wirtschaftlich wird sie allerdings meist dem
Eigenkapital zugerechnet. Dies hat für den Initiator den Vorteil, dass sich zum Bei-
spiel die Kreditlinie für weitere Bankkredite erhöht oder das Rating verbessert.
Die stille Gesellschaft ist beim Initiator nicht zusätzlich zu versteuern. Die vom
Initiator zu zahlenden Zinsen können bei der Bemessungsgrundlage der Einkom-
mens- oder Körperschaftssteuer abgezogen werden. Bei der eventuell anfallenden
Gewerbesteuer müssen sie allerdings wieder dazugerechnet werden.
Genussscheine, partiarisches Darlehen und Nachrangdarlehen sind relativ frei zu
gestalten. Daher ist es schwierig, sie an dieser Stelle vollständig zu beschreiben.
Viele Eigenschaften dieser Verträge sind allerdings ähnlich. Genussscheine sind
schuldrechtliche Verträge, bei denen der Geldgeber dem Initiator Kapital zur Verfü-
gung stellt und dieser gesteht ihm im Gegenzug ein Vermögensrecht zu. Zum Bei-
spiel Anteile am Gewinn oder Liquidationserlös. Auf Genussscheine sind die allge-
meinen schuldrechtlichen Regelungen anzuwenden (§241 BGB). Auch Genussschei-
ne werden inzwischen relativ selten im Crowdfunding genutzt.
Beim Equity-Based Crowdfunding auf deutschen Plattformen werden inzwischen
fast ausschließlich partiarische Nachrangdarlehen vermittelt. Bei Darlehensverträgen
ist der Geldgeber verpflichtet, dem Initiator den vereinbarten Geldbetrag zur Verfü-
gung zu stellen. Der Initiator hat die geschuldeten Zinsen und bei Fälligkeit das
Darlehen zurückzubezahlen (§488 BGB). 130 Beim Darlehen bestehen die wesentli-
127 Schmidt, in Münchner Kommentar zum HGB, 2. Aufl., 2007, § 231 Rdnr. 20 f.. 128 Ebenda, § 233 Rdnr. 9. 129 Ebenda, § 233 Rdnr. 5. 130 Rohe, in Kommentar zum BGB 3. Aufl., 2012, § 488 Rdnr. 1. / Saenger, in Handkommentar BGB, 12. Aufl., 2008, Vor § 488 Rdnr. 1.
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chen Rechte und Pflichten in Form von Geld.131 Ist für das Darlehen keine feste
Vertragslaufzeit festgelegt, endet es durch Kündigung einer der beiden Parteien
(§488 Abs.3 BGB).132 Dem Initiator steht ein ordentliches Kündigungsrecht zu (§489
BGB). Dieses kann allerdings vertraglich beschränkt oder ausgeschlossen werden.133
Eine Beschränkung oder der Ausschluss des Kündigungsrechts kann auch still-
schweigend oder konkludent aus dem Vertragsinhalt folgen.134 Dem Initiator kann
bei einer wesentlichen Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse von den
Geldgebern außerordentlich gekündigt werden (§490 Abs. 1 BGB). Ausschlagge-
bend ist das Vermögen des Initiators zum Vertragsschluss im Vergleich zum Zeit-
punkt der Kündigung.135 Der Zusatz partiarisch drückt im Zusammenhang mit Dar-
lehen eine erfolgsabhängige Verzinsung aus.136 Durch eine Rangrücktrittsvereinba-
rung wird aus einem Darlehen ein Nachrangdarlehen. Es handelt sich hierbei um
einen Schuldänderungsvertrag (§311 BGB). Tritt der Geldgeber mit seiner Forderung
hinter alle übrigen Gläubiger zurück, handelt es sich um einen relativen Rangrück-
tritt. Bei einem qualitativen tritt der Geldgeber in den Rang des Eigenkapitals zurück.
Damit steht er bei einer Insolvenz auf gleichem Rang wie der Initiator.
Bei Darlehensverträgen fallen keine Steuern beim Initiator an. Er kann sogar die
Kosten, zu denen auf jeden Fall die fälligen Zinsen zählen, als Aufwand geltend
machen. Die Geldgeber