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348 | Chemie in unserer Zeit | 35. Jahrgang 2001 | Nr. 6

Damit der Durchblick erhalten bleibt:

Proteinentfernung von KontaktlinsenCHRISTOPH JANIAK

In Deutschland tragen zur Zeit mehr als 7%der Menschen, die Sehhilfen benötigen, Kon-taktlinsen. Das sind 3,4 Mio Personen, unddie Tendenz ist steigend. In den USA liegt derAnteil bereits bei über 20% [1]. Dementspre-chend groß ist die Bedeutung von Kontakt-linsen-Pflegemitteln: Saubere Kontaktlinsenverringern das Auftreten von Augeninfektion,erhöhen den Tragekomfort der Linsen undverlängern deren Lebensdauer.

Was wäre aber die richtige oder besser, zur Zeit opti-male Methode, um saubere Kontaktlinsen zu erhal-

ten? Hierzu nur zwei Zahlen: 45% aller Kontaklinsenträgerversuchen, dieses Ziel ohne eine manuelle Oberflächenrei-nigung zu erreichen, 40% ohne eine enzymatische Reini-gung [2].

Kontaktlinsen stehen als körperfremde Substanz in en-gem Kontakt mit der Augenoberfläche. Es kommt zu Wech-selwirkungen mit dem Tränenfilm des Auges und daraus zurBildung von Ablagerungen [3]. Eine der wichtigsten undzugleich problematischsten Interaktionen ist dabei die An-sammlung von Proteinen auf und in der Kontaktlinse. Nachdem Einsetzen neuer Kontaktlinsen kommt es auf der Lin-se innerhalb von Minuten zur Abscheidung eines Protein-films [4]. (Abbildung 1) Diese schnelle Adsorption istzunächst reversibel: Der Proteinfilm kann von der Lin-senoberfläche noch durch Abspülen entfernt werden. Pro-teinablagerungen erscheinen nach Trocknung der Kon-taktlinse als transparente, milchig-weiße Trübung oder alsgräulicher Film auf der Linsenoberfläche (Abbildung 2) [5].Von untergeordneter Bedeutung sind Abscheidungen, dievon außen aus der Umwelt in das Auge eindringen.

Je nach dem Kontaktlinsen-Material (siehe unten) findetsogar auch innerhalb der Linse eine Proteinansammlungstatt. Die Beschichtung mit einem körpereigenen Protein-film ist dabei zunächst eine sinnvolle physiologische Ant-wort des Organismus auf das fremde Material. Der gebildete„Biofilm“ beugt einem starken Immunangriff auf die Kon-taktlinse vor.

Abb. 2 (a) Linsen-hälfte mit Protein-ablagerung; (b)Oberfläche einerungereinigtenKontaktlinse.

a

b

A B B . 1 PROT E I N A B L AG E R U N G E N AU F V E R S C H I E D E N E N H Y D RO G E L L I N S E N

Bereits nach weni-gen Minuten sinddie Kontaktlinsenvollständig vonProteinen bedeckt.(Diagramm aus Lit. Q. Garrett und B. K. Milthorpe, Invest. Ophthalmol.Vis. Sci. 1996, 37,2594-2602.)

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Die meist gut wasserlöslichen Proteine sind gegen phy-sikalische und chemische Einwirkungen im allgemeinenziemlich empfindlich. Während des Tragens verändert sichdas ad- und absorbierte Protein daher in seiner chemischenStruktur. An der Kontaktlinsenoberfläche treten Konfor-mationsänderungen der Proteinmoleküle auf. Die ur-sprüngliche sekundäre und tertiäre Raumstruktur der Pro-teine (Abbildung 3) wird zerstört. Das Protein wird dena-turiert, und damit geht die leichte Wasserlöslichkeit verlo-ren. Man bezeichnet dieses auch als irreversiblen Adsorp-tionsprozess. Durch die Denaturierung wird es außerdemvom Körper nicht mehr als arteigenes Protein erkannt, undeine Abstoßungsreaktion des Immunsystems wird als Ant-wort ausgelöst.

Ablagerungen führen zu Komplikationen:In der Folge kann es zur Entwicklung von Augeninfektionen,Bindehautentzündung und allergischen Reaktionen (gigan-topapilläre Konjunktivitis, GPC) kommen (Abbildung 4) [4, 6]. Darüber hinaus kann eine unregelmäßige undschlechte Entfernung der Ablagerungen, d.h. Reinigung derKontaktlinsen, folgende Konsequenzen haben [7,14]: • Die Kontaktlinsentransparenz und damit die optische

Qualität der Linse nehmen ab.• Weiche Kontaktlinsen verhärten schneller, und damit

verringert sich der Tragekomfort.• Es treten mechanische Reizungen auf.• Die Sauerstoffdurchlässigkeit der Kontaktlinse wird re-

duziert.• Die Kontaklinsenoberfläche wird schlechter benetzt.

Der kontinuierliche Tränenfluss wird behindert, wasdie Transportfunktionen des Tränenfilms stört (sieheAbbildung 5).Aus den beiden letztgenannten Punkten resultiert eine

schlechtere Sauerstoffversorgung der Hornhaut.• Die Lebensdauer der Linse wird verkürzt.

Merkbare Reaktionen auf die Proteinablagerungen sinddann: Trockenheitsgefühl, Fremdkörpergefühl, Juckreiz,Kratzen, Brennen, Rötung des Auges, erhöhte Schleimse-kretion am Morgen, schließlich auch während des Tages,Verminderung der Sehschärfe.

Die tägliche Proteinablösung ist deshalb eine wichtigeAnforderung an Kontaktlinsenpflegemittel. Eine Protein-entfernung ist auch bei Austauschlinsen nötig, die nur übereinen Zeitraum von wenigen Wochen getragen werden. Ent-gegen der Erwartung zeigten Studien bei den Einmal- oderAustausch-Kontaktlinsen sogar wesentlich höhere Kompli-kationsraten [8]. Untersuchungen ergaben, dass über einenkürzeren Zeitraum größere Mengen an Protein auf solchenEinmallinsen abgelagert werden [4]. Die Proteinentfernungist dabei natürlich nur ein Teil der umfassenderen Kon-taklinsenhygiene [9].

Verschiedene Kontaktlinsen-MaterialienIm Jahre 1997 waren die Umsatzanteile an Kontaktlinsen fol-gendermaßen verteilt [2]:

Weichlinsen 42 %; Weich-Austauschlinsen 36 % (darun-ter Wochen-/Monatslinsen 32 %, Tageslinsen 4 %); Hart-linsen 23 %

Die gesteigerte Sauerstoffdurchlässigkeit zur Versorgungder Hornhaut und die leichte Anpassung haben die Hydro-gel- oder weiche Kontaktlinse zur ersten Wahl für einenGroßteil der Kontaktlinsenträger werden lassen.

Für ein besseres Verständnis der Bildung der Ablage-rungen soll kurz auf die Natur von weichen Kontaktlinsen-Materialien eingegangen werden. Weiche Kontaktlinsensind aus Hydrogelen aufgebaut. Hydrophile (Wasser-lie-bende) aber Wasser-unlösliche Polymere bilden zunächstein dreidimensionales Netzwerk als Basis. In Wasser quel-len diese Netzwerke durch Einlagerung von Wassermo-lekülen auf, wobei die äußere Form beibehalten wird. DieKombination aus Polymernetzwerk und Wassereinlagerungist das Hydrogel. Hydrogele sind allgemein gut verträglichmit lebenden Geweben. Die Eigenschaften des Hydrogelswerden über die Polymere, bzw. die zugrundeliegenden Po-lymer-Bausteine, die Art der Vernetzung und die Vernet-zungsdichte eingestellt. Tabelle 1 gibt eine Übersicht zurKlassifizierung von weichen Kontaktlinsen.

Je nach Linsenmaterial sind verschiedene Ablagerungenvon Bedeutung. Die früher allein verwendeten harten Kon-taktlinsen neigten nur gering zur Ausbildung hartnäckigerAblagerungen. Die Verschmutzungen waren oft einfach zubeseitigen, ohne dass es dafür besonderer Pflege- und Rei-nigungsmittel bedurfte. Mit der Markteinführung der wei-chen Hydrogellinsen entstand dann die Notwendigkeit, ei-ne stringente Pflege und Desinfektion durchzuführen, oh-ne die die Hydrogellinsen in der Praxis nicht anwendbar wa-ren. Die hierzu erarbeiteten Lösungen waren durch gesetz-liche Bestimmungen von Land zu Land unterschiedlich. Inden USA war lange Zeit nur die Hitze- und Wasserstoff-

Abb. 3 Struktur-aufbau von intak-ten, aktiven Pro-teinen mit Unter-scheidung vonprimärer, sekun-därer, tertiärerund quaternärerStruktur.

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peroxid-Desinfektion zugelassen. In Europa fand überwie-gend die chemische Desinfektion Anwendung [10].

Auf weichen Kontaktlinsen machen Proteine den Groß-teil der Ablagerungen aus. Je höher der Wassergehalt undder ionische Charakter des Materials sind, desto mehr Pro-tein wird darauf abgelagert. Kontaktlinsen mit geringemWassergehalt binden nur wenig Protein. Für Linsen aus denGruppen I bis III mit ihren geringeren und nur oberflächli-chen Proteinablagerungen scheint eine effektive Reinigungweniger ein Problem zu sein. Einfache Tensidreiniger undverschiedene Multifunktionslösungen führen hier zu ähn-lich guten Reinigungsergebnissen [11].

ProteinablagerungenEine Anlagerung von Proteinen an die Kontaktlinse erfolgtinnerhalb von Sekunden. Im adsorbierten Protein tretendann sofort oder über mehrere Tage Denaturierungser-scheinungen ein. Denaturiertes Protein ist als grauer Belagauf der Linsenoberfläche oder in der Linsenmatrix zu er-kennen (siehe Abbildung 2). Als Hauptbestandteil von Pro-teinablagerungen wird häufig auf Lysozym verwiesen [5],gleichwohl finden sich auch die anderen Tränenproteinein der linsengebundenen Proteinschicht [4,7].

Die Oberfläche von Kontaktlinsen kann in Bereichenoder auch in ihrer Gesamtheit positiv oder negativ geladen(polarisiert) sein. Auch Proteine verfügen über positive undnegative Teilladungen entlang der Aminosäurekette. Im wäss-rigen Milieu schirmen die Dipole der Wassermoleküle sol-che geladenen Moleküle zum Teil voneinander ab. Sind je-doch die Anziehungskräfte zu groß, vermögen die Wasser-moleküle diese abschirmende Wirkung nicht mehr aufrechtzu erhalten: Es kommt zur Anlagerung. An die negativenTeilladungen der Proteine können sich außerdem positivgeladene Calciumionen, die ja auch Bestandteil des Trä-nenfilms sind, anbinden. Der positiv geladenene Calcium-Protein-Komplex lagert sich an die negativ geladene (pola-risierte) äußere Kontaktlinsenoberfläche an. Den Calcium-Ionen kommt gleichsam eine Brückenfunktion zwischenOberfläche und Protein zu (Abbildung 6).

Die meisten Kontaktlinsenpolymere weisen Ober-flächenladungen auf, die die wässrige Benetzung mit demTränenfilm erleichtern, aber eben auch Proteine anlagern.Die adsorbierte Proteinmenge steigt mit dem Wassergehaltund dem ionogenen Charakter der Linse.

Kontaktlinsen mit neutraler Oberfläche weisen un-abhängig von ihrem Wassergehalt mit weniger als 10 µgProtein eine geringe Proteinabsorption auf. Linsen mit nied-rigem Wassergehalt zeigen lediglich Oberflächenablage-rungen, während sich die Proteine bei Hydrogellinsen mithohem Wassergehalt gleichmäßig über die Oberfläche derLinse und innerhalb der Linsenmatrix verteilen [13]. Weiche Hydrogel-Kontaktlinsenmaterialien der Gruppe IVzeigen die höchste Proteinaufnahme. Solche Kontaktlinsenmit ionischer Oberfläche und einem hoch wasserhaltigenPolymer binden innerhalb 24 h des Tragens 400 µg Protein.Bei einem Linsentyp wurden sogar Ablagerungen von ungefähr 750 µg Lysozym pro Linse gemessen [14].

In Bezug auf quantitative Aussagen ist ein genauer Ver-gleich von Studien allerdings oft kaum möglich. Die Palet-te der Tränenfilmkomponenten, der Kontaktlinsen-Gelma-terialien und ihrer Wechselwirkungen ist zu umfangreichund unübersichtlich. Hinzu kommen zahllose unterschied-liche Reinigungs- und Pflegevarianten. Wichtig ist aber, dassder oben ausgeführte Trend immer wieder bestätigt wird.

Zusammensetzung von Kontaktlinsenreinigern

Abbildung 7 gibt einen Überblick zu handelsüblichen Pfle-gemitteln. Bei den Produkten überwiegen Multifunktions-

Abb. 4 Foto einer giganto-papillären Konjunktivitis,GPC.

Abb. 5 Schlechte(oben) und gut(unten) benetzteLinse.

Die (unterschied-liche) Anlagerungvon Proteinen auf-grund ihrer (ver-schiedenen) La-dung an geladeneOberflächen nutztman übrigens inder Ionenaus-tausch-Chromato-graphie zur Auf-trennung von Proteinen aus [12].

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lösungen, die Reinigen, Abspülen, Desinfizieren und Auf-bewahren miteinander verbinden. Dazu enthalten sie ge-wöhnlich drei Bestandteile – ein antimikrobielles Mittel, einPuffersystem zur pH-Wert-Einstellung und einen grenz-flächenaktiven Stoff (Tensid). Letzterer wird in einigen Fäl-len aber auch weggelassen. Die Lösungen werden durchKochsalz (Natriumchlorid) isotonisch auf das Kontaktlin-sengel eingestellt.

Antimikrobielle Mittel oder Konservierungsmittel sinddie Inhaltsstoffe Borsäure, Biguanide (Polyhexanid, Dymed®, TrisChem) oder Polyquaternium (Polyquad®).Ethylendiamintetraacetat (EDTA) als Dinatriumsalz (Dinat-riumedetat) unterstützt die Wirkung von Konservierungs-mitteln. EDTA bindet als Komplexbildner zweiwertige Metallionen, die von Mikroorganismen für ihr Zellwachstumbenötigt werden. EDTA hemmt so das Zellwachstum undsteigert synergistisch die Aktivität der Konservierungsmit-tel [9]. Typische Puffersysteme bei Kontaktlinsenreinigernsind Citrat oder Borat. Als Tenside werden üblicherweise Poloxamine eingesetzt.

Entfernen der ProteinablagerungenMit der Einführung der weichen Kontaktlinsen traten Abla-gerungsprobleme auf, die mit den bis dato üblichen Ober-flächenreinigern nicht in den Griff zu bekommen waren.Bei diesen Ablagerungen handelte es sich um Proteine ausdem Tränenfilm [15]. Proteine lassen sich im Gegensatz zuanderen Ablagerungen nur ungenügend durch eine manu-elle Oberflächenreinigung („Reiben und Abspülen“ oder„rub and rinse“) entfernen. Allerdings ist eine regelmäßigeProteinentfernung wichtig, um die beschriebenen Proble-me beim Tragen der Kontaktlinsen zu vermeiden.

Für die Entfernung der Proteine wurden verschiedeneLösungen entwickelt und kommerzialisiert. Zunächst wur-den dafür Enzymtabletten mit meistens wöchentlicher An-wendung eingesetzt. Die heute auf dem Markt befindlichenReinigungssysteme setzen dagegen verstärkt auf eine (täg-liche) Proteinentfernung im Rahmen der täglichen Kon-taktlinsenhygiene. Gegenüber früheren wöchentlichen Pro-teinentfernungen mit Enzymtabletten (siehe unten) soll sodem Entstehen hartnäckiger Ablagerungen vorgebeugt wer-den, und vor allem soll die erhöhte Bequemlichkeit auch ei-ne bessere Patientencompliance nach sich ziehen. Im Fol-genden sollen drei Wege zur täglichen Proteinentfernungnäher betrachtet werden:

1. PeroxidreinigungWasserstoffperoxid, auch kurz Peroxid oder H2O2 genannt,ist als 3 %-ige Lösung ein gut eingeführtes Reinigungs- undDesinfektionsmittel insbesondere für weiche Hydrogel-Kon-taktlinsen. Es ist ein relativ wirksames Mittel gegen vielepathogene Keime.

In Bezug auf die Proteinentfernung machen verglei-chende Studien aber deutlich, dass die Reinigungswirkungvon H2O2 nicht so gut ist, wie die eines Enzymreinigers[16]. Bei den zur Kontaktlinsenpflege eingesetzten Kon-

zentrationen von 3 % wird lediglich eine Ablösung von sehrstarken Proteinablagerungen oberhalb 80 µg/Linse erreicht,und der verbleibende Proteinfilm erscheint gleichmäßiger.Die Proteinentfernung wird eventuell aber auch nur durchdie bessere Wasserlöslichkeit bei geändertem pH-Wert er-reicht, denn eine Lösung von Wasserstoffperoxid reagiertganz leicht sauer. Die Bleichwirkung von H2O2 verhindertaußerdem Verfärbungen im Proteinfilm, die diesen sonstfrüher sichtbar machen würden. Die Folge ist, dass Pro-teinablagerungen unerkannt und unbehandelt bleiben.Nach einer solchen Peroxidbehandlung ist ein Proteinfilmalso immer noch vorhanden. Durch das Aufbrechen von Disulfidbrücken im Protein vermag H2O2 die Denaturierungmit den daraus resultierenden negativen immunologischenKonsequenzen, z.B. GPC sogar noch zu verstärken.

Erst höher konzentrierte 10 %-ige Wasserstoffperoxid-lösungen oder Wasserstoffperoxid-abspaltende Salze wiePersulfate oder Perborate vermögen eventuell eine rück-standslose Entfernung der Proteinablagerungen zu errei-chen [5,15]. Die höheren H2O2-Konzentrationen bleiben al-lerdings nicht ohne negative Auswirkungen auf das Kon-taktlinsenmaterial.

Abb. 6. Die di-rekte Anlagerungdes Proteins andie Kontaktlin-senoberflächeund die Brücken-funktion von Ca2+

zwischen Kon-taktlinsenober-fläche und Pro-tein: Vor allemdas nach außenpositiv geladeneProtein Lysozymkommt für die di-rekte Anlagerungohne Ca-Brückenin Betracht. Lyso-zym ist einer derHaupt-Protein-bestandteile desTränenfilms.

TA B . 1 | F DA a- K L A S S I F I Z I E R U N G VO N W E I C H E N H Y D RO G E L-

KO N TA K T L I N S E N

nniicchhtt iioonniisscchh Gruppe I Gruppe IIMedalist Classic Precision UVSeeQuence Softlens 66

Lunelle ES 70

iioonniisscchh Gruppe III Gruppe IVDurasoft 2 AcuvueSoft Mate B SurevueSoftlens 38 Focus

Freshlooka FDA = Food and Drug Administration, in etwa das amerikanische Gegenstück zum Bundesamt

für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Klassifizierung Wassergehalt WassergehaltBeispiele < 50 % > 50 %

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Kontaktlinsenreinigern sind Citrat (Opti-Free Express®)oder Hydranate (ReNu-Multiplus®) (Abbildung 8). Hydra-nate sind Hydroxyalkylphosphonate. In-vitro-Studien zur Ly-sozym-Proteinentfernung von Gruppe IV-Kontaktlinsen be-legen die Wirkung der Komplexbildner im Vergleich zu Lö-sungen, die diese Bestandteile nicht enthalten. Dabeischeint Citrat außerdem besser zu reinigen als Hydranate[20]. Grundsätzlich sind allerdings Adsorptionen denatu-rierter Proteine über eine ionische Ablösung kaum zu ent-fernen.

3. Enzymatische Reinigung [21]Eine dritte Möglichkeit der Proteinentfernung bietet derEinsatz von Proteasen. Diese Enzyme “zerschneiden” lang-kettige Proteine in kleinere Bruchstücke. Je geringer dieSpezifität einer Protease, desto kleiner sind diese Bruch-stücke bis herunter zur Aminosäure (Abbildung 9). Sonst inder Proteinchemie sicher eine Ausnahme, ist eine geringeSpezifität bei der Proteinentfernung sogar erwünscht. Diekleinen Bruchstücke lassen sich dann durch herkömmlicheReinigungslösungen oder einfach durch Wasser leicht vonder Oberfläche abspülen.

Der Vorteil einer enzymatischen Reinigung wurdeschon seit einiger Zeit erkannt. Zunächst wurde die Pro-teinentfernung durch eine zusätzliche wöchentliche An-wendung mit separaten Enzymtabletten durchgeführt. Hierkonnten sich die Ablagerungen aber über eine Woche auf-bauen (Abbildung 10). Studien zeigten, dass dann bei derReinigung auch nur 75% des adsorbierten Proteins entferntwurde [22]. Von den Kontaktlinsenträgern wurden die re-lativ teuren Tabletten zudem aus Sparsamkeitsgründen nichtimmer mit der gebotenen Regelmäßigkeit angewendet.

Es wurde deshalb versucht, die enzymatische Reinigungin die tägliche Kontaktlinsenhygiene zu integrieren. Ein täg-licher flüssiger enzymatischer Reiniger (Supraclens®) wirdfür diesen Zweck als Ergänzung zu verschiedenen Multi-funktionslösungen, die lediglich eine ionische Ablösung er-lauben, angeboten. Aus Stabilitätsgründen ist ein direkter la-gerungsfähiger Zusatz des enzymatischen Reinigers zu einerMultifunktionslösung ab Werk nicht möglich. Wenige Trop-fen der separaten Enzymsuspension werden deshalb für dietägliche Anwendung in die Reinigungslösung gegeben. DieWirksamkeit eines solchen flüssigen Proteinentferners wur-de durch Langzeitstudien belegt. Auch nach 6 Monaten ent-sprachen Linsenverträglichkeit und Sehschärfe der von neu-en Linsen [23].

Für die enzymatische Kontaktlinsenpflege hat man auseiner Vielzahl natürlicher Proteasen die Enzyme Papain undSubtilisin bei Tabletten und das Enzymgemisch Pankreatinfür das Flüssigadditiv ausgewählt. Insgesamt liegen rechtunspezifische proteinspaltende Enzymsysteme vor, die dieProteine an verschiedenen Punkten angreifen können. Sowird eine rasche und wirkungsvolle Spaltung von Protein-ablagerungen erreicht. Nach der Anwendung müssen dieEnzymreiniger allerdings gründlich von der Kontaktlinse ab-gespült werden.

Abb. 7 EinigehandelsüblicheKontaktlinsen-pflegemittel.

Abb. 8 Die ionische Ablösung durch Komplexbildner.

Nach der Anwendung mussWasserstoffperoxid möglichstvollständig entfernt werden, umIrritationen oder gar Schädigun-gen des Auges durch H2O2-Rück-stände zu verhindern [17]. EineMöglichkeit der Neutralisationist die katalytische Zerlegung inWasser und Sauerstoff. Die Zer-setzung kann mit dem EnzymKatalase oder an einer Platin-be-schichten Scheibe erfolgen. Ei-ne stöchiometrische („reaktive“)Neutralisation setzt auf eine che-mische Umsetzung in einer Redoxreaktion. Als Reduktions-

mittel wird z.B. Natriumthiosulfatzugesetzt. Eine dritte Variante der Entfernung

ist das Verdünnungsprinzip durch ein-faches Abspülen und Einweichen mitund in Wasser [18].

2. Ionische Ablösung [19]Der Wirkmechanismus einer ionischenAblösung soll zweigleisig sein: Zum ei-nen das gezielte Herauslösen der Calci-um-Ionen, die eine Brücke zwischen derKontaktlinsenoberfläche und den Pro-teinen bilden (siehe Abbildung 4). Zumanderen werden die nach außen positivgeladenen Lysozymproteine wieder vonder negativen Kontaktlinsenoberflächeabgelöst. Die wasserlöslichen Proteine

sollten nach Verlust der starken Calciumbrücke oder Ablö-sung dann durch die Unterstützung von „Reiben und Ab-spülen“ entfernt werden können. Für die Aufnahme derCalciumionen und Lysozymproteine werden anionischeKomplexbildner eingesetzt. Diesbezügliche Inhaltsstoffe in

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Abbildung 11 fasst die verschiedenen Methoden zur Pro-teinentfernung zusammen.

FazitProteinablagerungen sind vor allem auf ionischen und starkwasserhaltigen Hydrogel-Kontaktlinsen eine sich sehr raschbildende und äußerst problematische Verunreinigung. Fürdie Entfernung von Proteinablagerungen im Rahmen derKontaktlinsenhygiene stehen drei unterschiedliche Lösun-gen zur Verfügung:

1) Peroxidreinigung2) Ionische Ablösung3) Enzymatische Reinigung

Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand bietet alleinedie enzymatische Reinigung die Gewähr einer gründlichenProteinentfernung. Wegen der raschen Neubildung von Pro-teinablagerungen auf entsprechenden Kontaktlinsen ist da-bei die tägliche Anwendung eines flüssigen Enzymreinigersder wöchentlichen Anwendung von enzymatischen Reini-gertabletten vorzuziehen.

Unsere Arbeiten werden von der Deutschen For-schungsgemeinschaft, dem Fonds der Chemischen Indust-rie und der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Freiburg unterstützt. Der Firma Alcon wird für die freundliche Über-lassung von Abbildungen gedankt.

ZusammenfassungEin Hauptproblem bei den heute vorherrschenden weichenKontaktlinsen ist die Bildung von Proteinablagerungen. Pro-teinablagerungen sind vor allem auf ionischen und stark was-serhaltigen Hydrogel-Kontaktlinsen eine sich sehr rasch bil-dende Verunreinigung. In diesem Artikel wird die chemischeZusammensetzung und Wirkungsweise von Kontaktlinsen-Reinigern vor allem in Bezug auf die Proteinentfernung er-läutert. Für diese Aufgabe haben sich Kontaktlinsen-Pflege-mittel in einer Kombination aus Multifunktionslösung und en-zymatischen Reinigern als beste Lösung herausgestellt.

SummaryA major problem with todays predominant soft hydrogel contact lenses is the rapid formation of protein deposits. Thisarticle explains the (chemical) composition and mode of action of contact lense cleaners, especially with respect toprotein removal. Protein removal appears to be best accom-plished by a cleaning system based on combination of a multi-purpose solution with an enzymatic cleaner.

A B B . 9 | D I E W I R KU N G VO N PROT E A S E- E N Z Y M E N

Wöchentliche imVergleich zur täg-lichen Enzymrei-nigung: Die nichtvollständige Ent-fernung der Pro-teinablagerungenbei wöchentlicherReinigung führtzu einem An-wachsen der Ablagerungen.

ABB. 10 | ANWACHSEN DER PROTEINABLAGERUNGEN

A B B . 1 1 | M E T H O D E N Z U R PROT E I N E N T F E R N U N G

Peroxidreinigung, ionische Ablösung und enzymatische Reinigung im Vergleich.

� bei wöchentlicherenzymatischer Reinigung

� bei täglicherenzymatischer Reinigung

Proteasen „zer-schneiden“ lang-kettige Proteinein Bruchstücke,die sich leichtervon der Linsen-oberfläche ent-fernen lassen.

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Der AutorProf. Dr. Christoph Janiak, geb. 1961 in Berlin,studierte Chemie an der TU Berlin und der Universityof Oklahoma. Er promovierte 1987 an der TU Berlinunter der Leitung von Prof. H. Schumann. NachPostdoc-Aufenthalten an der Cornell University (inder Gruppe von Prof. R. Hoffmann) und im Kunst-stofflaber der BASF AG in Ludwigshafen kehrte er1990 nach Berlin zurück. 1995 erfolgte die Habilita-tion an der TU Berlin. 1996 ging er nach Freiburg,wo er seit 1998 Professor für Anorganische undAnalytische Chemie ist.

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Christoph Janiak, Chemisches Institut, Universität Freiburg, Albertstr. 21, 79104 Freiburg;E-Mail: [email protected]