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Dipl. Soziologe
Werner Hartl
Das Oberland-Gedenken am Schliersee
als umkämpfter Erinnerungsort
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Herausgeber:
Gemeinnützige Respekt! Kein Platz für Rassismus GmbH Wilhelm-Leuschner-Straße 79 D-60329 Frankfurt am Main [email protected] www.respekt.tv
Autor:
Werner Hartl studierte Diplom Soziologie, Volkswirtschaftslehre sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er arbeitet als Bildungsreferent im IG Metall Bildungszentrum Lohr am Main und leitete von 2007 bis 2016 das IG Metall Jugendbildungszentrum am Schliersee. Kontakt: [email protected]
Frankfurt und München – 27. Januar 2019
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1 Um was es geht ...................................................................................... 4
2 Hintergründe zur Geschichte des Freikorps Oberland ....................................... 6
2.1 Niederschlagung der Münchner Räterepublik im April und Mai 1919 ....................6
2.2 Gründung des Freikorps Oberland und dessen Rolle in München 1919 ................. 10
2.3 Die Kämpfe in Oberschlesien 1921 ........................................................... 11
3 Phasen des Oberland-Gedenkens von 1921 bis heute ....................................... 17
3.1 Von der Grundsteinlegung 1921 bis 1945 ................................................... 17
3.2 Neuerrichtung gegen Widerstände und Einweihung – 1951 bis 1956 .................... 18
3.3 Etablierung im Schlierseer Festkalender – 1960er Jahre ................................. 21
3.4 Ehre und Treue – 1968 bis 1990 .............................................................. 24
3.5 Gärung und Klärung – 1990 bis 2010 ......................................................... 27
3.6 Ausgrenzung und Distanzierung – 2010 bis heute.......................................... 32
4 Exkurs: vom Oberland über Oberschlesien nach Auschwitz ............................... 35
5 Perspektiven des Gedenkortes am Schlierseer Weinberg .................................. 39
Quellen- und Literaturverzeichnis ................................................................ 43
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4
Der vorliegende Text basiert auf einem Vortrag, der im Rahmen der Veranstaltungsreihe „gedenken – umdenken – versöhnen. Das Annabergdenkmal in Schliersee“ des katholischen Bildungswerks im Landkreis Miesbach e.V. gehalten wurde. Titel der Veranstaltung, auf der Dr. Thomas Schlemmer und Dipl. Soziologe Werner Hartl sprachen, lautete „Die beiden Denkmäler von 1923 und 1956. Wie wirken sie in der Nachkriegszeit fort?“.
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1 Um was es geht
Dem Freikorps Oberland, das 1919 aus der republikfeindlichen und antisemitischen Thule-
Gesellschaft hervorging, ist am Schliersee eine Gedenktafel gewidmet. Dieses Denkmal,
sowie die jährlich stattfindende Ehrung der Gefallenen Freikorps-Kämpfer beim „Sturm auf
den Annaberg“ in Oberschlesien, sorgen seit vielen Jahren für Kritik und Protest.
Der vorliegende Text soll einen Beitrag dazu leisten, sich ein Bild vom Charakter und der
politischen Bedeutung des belasteten Gedenkortes machen zu können. Ziel ist es, eine
kritische Meinungsbildung auf Grundlage historischer Quellen und der vorliegenden
Rechercheergebnisse zu fördern.
Für ein Verständnis der Zusammenhänge ist es wichtig, die Gründungsgeschichte des
Freikorps Oberland und dessen Rolle in der Frühphase der Weimarer Republik zu kennen. Es
werden daher zu Beginn die Ereignisse des revolutionären Umbruchs bei Kriegsende 1918,
zur Zeit der Münchner Räterepublik 1919 und bei der Auseinandersetzung in Oberschlesien
1921 in gebotener Kürze dargestellt und in Verbindung mit dem Freikorps Oberland gebracht.
Es folgt ein schlaglichtartiger Blick auf die Geschichte des Oberland-Gedenkens am
Schliersee. Einzelne Phasen, mit dem sich über die Zeit wandelnden Charakter des
Gedenkens, werden skizziert und benannt. Der Kategorisierung der Phasen liegt eine Analyse
der Berichterstattung der regionalen sowie überregionalen Presse, Veröffentlichungen in der
rechtsextremen Szene und Rechercheergebnisse des Autors zugrunde. Beleuchtet wird
weiterhin das mit dem Oberland-Gedenken verbundene politische Umfeld der
„Kameradschaft Freikorps Oberland – Bund Oberland“.
Aus der Sichtung der Literatur und dem Aufspüren historischer Dokumente werden
exemplarisch einzelne Rechercheergebnisse vorgestellt. Sie zeigen, wie ideologische und
politische Verbindungslinien zu einer Verstrickung des Freikorps- und Bund Oberland mit dem
Nationalsozialismus und dem System des „Dritten Reiches“ führten.
Im Schlusskapitel soll der Versuch unternommen werden die Bedeutung des Gedenkortes im
politisch rechtsstehenden Lager zusammen zu fassen. Für die Diskussion zur möglichen
Neugestaltung des Gedenkortes am Schliersee werden Eckpunkte benannt, die als
Orientierung für Gestaltungsvorschläge dienen können.
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6
2 Hintergründe zur Geschichte des Freikorps Oberland
Um das Oberland-Gedenken am Schlierseer Weinberg verstehen und bewerten zu können,
sind grundlegende Kenntnisse über die Geschichte des Freikorps Oberland und dessen
Aktionen in der Frühphase der Weimarer Republik erforderlich. Zwei Ereignisse spielen bei
der Herausbildung der Ziele und des Charakters sowie den späteren politischen Aktionen des
Freikorps Oberland eine entscheidende Rolle. Über die gewaltsame Niederschlagung der
Münchner Räterepublik 1919 und die Grenzkämpfe in Oberschlesien 1921 wird daher im
Folgenden ein kurzer Überblick gegeben und mit der Geschichte des Freikorps Oberland in
Verbindung gesetzt.
2.1 Niederschlagung der Münchner Räterepublik im April und Mai 1919
Angesichts der immensen Zahl an
Gefallenen nach vier Jahren Stellungskrieg
und der immer schlechter werdenden
Versorgungslage, waren große Teile der
Bevölkerung kriegsmüde. Die anfängliche
Begeisterung für den Waffengang schlug
nach und nach in ihr Gegenteil um. Schon
im Frühjahr 1918 wurde beispielsweise
durch die Streiks in Munitionsfabriken
offensichtlich, dass Teile der Bevölkerung
die Sinnhaftigkeit des Krieges
anzweifelten. Im Herbst 1918 waren viele
Soldaten nicht mehr bereit, sich sinnlos an der Front zu opfern. Sie wollten zurück zu ihren
Familien, in denen sie schmerzlich vermisst wurden.
Den militärischen Oberbefehlshabern war die aussichtslose militärische Lage längst bewusst.
Den drohenden Zusammenbruch an den Fronten vor Augen, drängte die Oberste
Heeresleitung unter Hindenburg und Ludendorff den militärischen Oberbefehlshaber Kaiser
Wilhelm II. im Spätsommer 1918 zu Waffenstillstandsverhandlungen mit den Alliierten.
Anfang November begann mit den Matrosenaufständen in Kiel ein revolutionärer Umbruch
des gesellschaftlichen Systems. Die revolutionäre Stimmung griff nun auch auf Bayern über.
Am 7. November 1918 wurde mit der Ausrufung des Freistaates die Monarchie in Bayern
gestürzt und eine provisorische Regierung unter dem Ministerpräsidenten Kurt Eisner
gebildet.
Zentrale Ziele der Politik Eisners waren permanente Mitbestimmung weiter Teile der
Bevölkerung und Verwirklichung des Friedens nach Ende der Kampfhandlungen im November
1918. Kurt Eisner war der Meinung, der Weg für Frieden sei für immer sicher, da
Bild 2: Kundgebung auf der Münchner Theresienwiese am 7. November 1918.
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„wir die Schuldigen an diesem Weltverbrechen (…) so menschlich beiseite schoben, wie noch
niemals, mit einer Rücksicht, die jene nicht verdient haben“1
Eisner versuchte in den folgenden Wochen zwischen Mehrheitssozialdemokraten (MSPD), die
eine parlamentarische Demokratie anstrebten und unabhängigen Sozialdemokraten (USPD),
den Verfechtern einer Rätedemokratie, zu vermitteln. Er glaubte, Rätesystem und
Parlament könnten als unabhängige demokratische
Institutionen nebeneinander bestehen. Die Räte würden
sich mit der Zeit ganz von selbst durchsetzen und die
Parlamente in der Machtausübung ablösen.2
Bei den ersten demokratischen Wahlen zum bayerischen
Landtag im Januar 1919 erlitt die USPD, die Partei Kurt
Eisners, jedoch eine herbe Niederlage. Am 21. Februar
1919 wurde Eisner, bereits auf dem Weg zur Bekanntgabe
seines Rücktritts, von dem nationalistisch gesinnten
Attentäter Anton Graf von Arco auf Valley erschossen. Über
die Motive des Attentäters gibt ein überliefertes Zitat
Auskunft:
„Eisner strebt nach Anarchie, er ist Bolschewist, er ist Jude,
er ist kein Deutscher, er fühlt nicht deutsch, er untergräbt
jedes deutsche Gefühl, er ist ein Landesverräter. (…) Ich hasse den Bolschewismus“3
Der Ermordung Kurt Eisners ging eine Welle antisemitischer Hetze und Verleumdungen
voraus. Eine herausragende Rolle spielte hierbei die völkisch-antisemitische und republik-
feindliche Thule-Gesellschaft, der auch der Attentäter Graf von Arco zugeordnet wird. Die
Thule-Gesellschaft war eine Geheimorganisation, die im August 1918 aus dem
antisemitischen Germanenorden4 hervorging. Sie wurde nach dem Sturz der Monarchie 1918
zur wichtigsten gegenrevolutionären Kraft in München und entwickelte sich weiter zur
zentralen Wegbereiterin der nationalsozialistischen Bewegung. Aus der Thule-Gesellschaft
sollte auch das Freikorps Oberland hervorgehen.
Nach der Ermordung Eisners kam es zu einer Zuspitzung der Ereignisse. Der Zentralrat der
bayerischen Republik, legitimiert durch den Rätekongress5, übernahm die Regierungsgewalt.
Am 17. März 1919 bildete der bayerische Landtag eine weitere, von der SPD geführte und
von der Bayerischen Volkspartei (BVP) tolerierte Minderheitsregierung unter Einschluss von
1 Auszug aus der Rede Kurt Eisners vom 17. November 1918. Zitiert nach Weidermann 2017, Seite 72. 2 Vgl. Weidermann 2017, Seite 72. 3 Zitiert nach: Weyerer 1993, Seite 78 f. 4 Der 1912 gegründete Germanenorden war eine anti-jüdische Geheimorganisation, hatte eine rassisch reine deutsche Nation zum Ziel und
forderte schon früh die Deportation von „Juden, anarchistischen Mischlingen und Zigeunern“. Goodrick-Clarke 2004, S. 114 ff. 5 Der bayerische Rätekongress setzte sich aus Mitgliedern der MSPD, USPD und der KPD zusammen.
Bild 3: Attentatsstelle Kurt Eisner im
Februar 1919.
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8
USPD-Vertretern. Die Mitglieder des von den Münchner Arbeiter- und Soldatenräten
eingesetzten Zentralrats der bayerischen Republik riefen daraufhin, gestützt durch die
Mehrheit der in Gewerkschaften und Parteien organisierten Arbeiterschaft, am 7. April die
„Münchner Räterepublik“ aus.
Der revolutionäre Umbruch 1918, die erste Phase der Demokratisierung Bayerns, bis zu den
Ereignissen unmittelbar nach der Ermordung Eisners, verlief bis dahin beachtlich unblutig.
Dies änderte sich, als die von der SPD geführte Regierung unter Johannes Hoffmann nach
Bamberg auswich und versuchte, die zuvor gebildete Räteregierung durch einen Angriff der
„Republikanischen Soldatenwehr“ zu stürzen.
Dieser Angriff, der am 13. April 1919 begann, scheiterte am Widerstand der zur Verteidigung
der Räteregierung gegründeten Münchner „Roten Armee“ 6 . Nach diesem militärischen
Zwischenerfolg der Räterepublik übernahm der als gemäßigt geltende Führer der USPD, Ernst
Toller, die Regierungsgewalt in München. Er drängte angesichts der katastrophalen
Ernährungslage in der Stadt auf Verhandlungen. Die Bamberger Regierung unter Hoffmann
lehnte jedoch jeden Kompromiss ab und wollte die Räteregierung in München nach wie vor
militärisch niederringen. Zu diesem Zweck ging Hoffmann ein Bündnis mit reaktionären
Kräften, unter ihnen auch die Freikorps, ein.
Am 30. April 1919 startete ein zweiter Vormarsch auf München. Der Beginn dieser
militärischen Aktion war geprägt durch Gewaltexzesse und Morde durch Freikorps- und
Reichswehreinheiten. Bereits im Münchner Umland fielen ganze Gruppen willkürlichen
Erschießungen und Hinrichtungen zum Opfer. Beispielsweise wurden in Gräfelfing 52
russische Kriegsgefangene und in Perlach 12 Räteanhänger ermordet.
Unter diesem Eindruck der Bedrohung durch die vorstoßenden Freikorps- und
Reichswehreinheiten, exekutieren Anhänger der Räterepublik im Hof des Luitpold-
Gymnasiums zehn Gefangene, denen Spionagetätigkeit und Sabotage der Räteregierung
vorgeworfen und teils nachgewiesen wurde. Bei den zehn Hingerichteten handelte es sich
überwiegend um Mitglieder der Thule-Gesellschaft und deren Umfeld. Infolge dieser
Ereignisse trieb die antisemitisch-antibolschewistische Hetze auf einen neuen Höhepunkt zu
und heizte die Stimmung in den ohnehin radikalisierten und gewaltbereiten Freikorps weiter
an.
Am 1. Mai 1919 wurde von Rudolf Egelhofer, dem Oberkommandierenden der Münchner
„Roten Armee“, der Befehl erteilt, die Waffen niederzulegen. Ungeachtet dessen rückten
an diesem 1. Mai Reichswehr- und Freikorpstruppen, so auch das Freikorps Oberland, in
München ein. Während der Kämpfe um die Stadt waren Erschießungen von Gefangenen und
6 Diese Militäreinheiten wurden im April 1919 nach sowjetrussischem Vorbild gebildet und nach der dort bestehenden Roten Armee benannt. Sie sollten die Errungenschaften der Räterepublik verteidigen.
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gezielte Morde an Führungsfiguren der Rätebewegung an der Tagesordnung. Insgesamt
schwanken die Angaben zu den Zahlen der Getöteten zwischen 557 und 1.200 Personen. Als
sicher gelten etwa 650 Opfer, darunter allein 335 Zivilpersonen. Die meisten von ihnen
starben infolge von sogenannten „Säuberungsaktionen“ 7 und nicht infolge der
Kampfhandlungen. Diesen etwa 650 Getöteten standen bei den Reichswehr- und
Freikorpstruppen gerade einmal 38 Gefallene gegenüber8.
Terror und Willkür setzten sich noch den ganzen Mai hindurch fort. Bei der Durchsuchung
von Häusern nach Waffen und Räteanhängern waren Plünderungen, Beschlagnahmungen und
Gewalt üblich. Berichte der Münchner Polizei belegen den Umfang solcher Übergriffe aus
den Reihen der Freikorps. Anfang Mai wurden bis zu 100.000 Personen zeitweilig festgesetzt9.
Das entsprach etwa einem Sechstel der Münchner Bevölkerung, wobei zunächst kaum
zwischen aktiven Anhängern der Räterepublik, Mitläufern und unbeteiligten Arbeitern
unterschieden wurde. Ihre Verhaftung war regelmäßig von Beschimpfungen und körperlichen
Misshandlungen begleitet. Wohnungen wurden willkürlich aufgebrochen, oftmals vollständig
verwüstet und Sachwerte entwendet. Gerade diese Hausdurchsuchungen zählten zum
zentralen Aufgabenbereich des Freikorps Oberland. Erst Anfang Juni 1919 kehrten wieder
gesicherte Rechtsverhältnisse in der Landeshauptstadt ein.
7 Als „Säuberungsaktionen“ gelten Maßnahmen, bei denen politische Gegner, aber auch unbeteiligte, in der Regel ohne rechtlich abgesichertes Verfahren „beseitigt“, also ermordet wurden.
8 Zahlen siehe Hillmayr 1973, Seite 120 f. 9 Vgl. Hillmayr 1973.
Bild 4: Plakat der Bayerischen Volkspartei von 1919. Bild 5: Lithographie von George Grosz von 1919 mit
dem Titel „Feierabend“.
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Ein Plakat der Bayerischen Volkspartei von 1919 bringt das in der Weimarer Zeit weit
verbreitete diffamierende Bild von angeblichen „anarchistischen Zuständen“ während der
Münchner Räterepublik zum Ausdruck (Bild 4). Die verharmlosende Darstellung eines „Ur-
Münchners“ relativiert die tatsächlich stattgefundenen Übergriffe seitens der Freikorps- und
Reichswehreinheiten. In politisch aufgeklärteren Kreisen wurden die Ereignisse durchaus
kritischer gesehen. Eine Lithographie des Künstlers George Grosz ist Ausdruck dieser
anklagenden Sichtweise (Bild 5). Zu sehen ist in der rechten Bildhälfte ein Vertreter der
„Befreier“ Münchens. Dieser Reichswehr- oder Freikorpskämpfer blickt vor der düsteren
Stadt-Silhouette auf einen leblosen, am Isarufer liegenden, offensichtlich misshandelten,
Körper.
Der Schriftsteller Oskar Maria Graf, Augenzeuge der gewaltsamen Niederschlagung der
Münchner Räterepublik, beschreibt die Stimmung in seinem autobiografischen Roman „Wir
sind Gefangene“:
"jetzt fing bei den Soldaten eine wahre Treibjagd auf verdächtige Zivilisten an. Ein
furchtbares Denunzieren setzte ein. Kein Mensch war mehr sicher. Wer einen Feind hatte,
konnte ihn mit etlichen Worten dem Tod überliefern. Jetzt waren auf einmal wieder die
verkrochenen Bürger da (…). Wahrhaftig gierig suchten sie mit den Augen herum, deuteten
dahin und dorthin, rannten einem Menschen nach (…), spuckten, stießen wie wild geworden
und schleppten den Halbtot geprügelten zu den Soldaten."10
2.2 Gründung des Freikorps Oberland und dessen Rolle in München 1919
Das Freikorps Oberland wurde im April 1919, unmittelbar vor der gewaltsamen Nieder-
schlagung der Räterepublik, von dem Gründer der Thule-Gesellschaft, Rudolf von
Sebottendorf, gegründet. Dem Freikorps gehörten zunächst vorwiegend Mitglieder des
Thule-Kampfbundes, der Kampforganisation der Thule-Gesellschaft, an. Neu angeworbene
Freiwillige stammten zum Teil aus der Gegend um Miesbach. Der Namenszusatz Oberland
nimmt Bezug auf die geographische Lage Miesbachs, dem „Oberland“ im Süden Münchens.
Die Zentrale des Freikorps Oberland wurde in den Räumen der Thule-Gesellschaft im Hotel
Vier Jahreszeiten eingerichtet. Dort residierten auch andere nationalistische Gruppen wie
etwa der „Alldeutsche Verband“ oder die „Deutsche Arbeiterpartei“ (DAP), die sich kurz
darauf in NSDAP umbenennen sollte. Die Redaktionsräume des „Münchner Beobachter“, der
sich etwas später „Völkischer Beobachter“ nannte, waren ebenso dort untergebracht.
Nach Abschluss der eigentlichen Kampfhandlungen in München wurde das auf 1.000 Soldaten
angewachsene Freikorps Oberland zur Sicherung von Straßen und Plätzen sowie für
10 Graf 1994, Seite 448.
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Hausdurchsuchungen eingesetzt. Der Kopf der Thule-
Gesellschaft, Rodolf von Sebottendorf, hielt die
Fäden des Freikorps Oberland in der Hand. Sein Ziel
war keineswegs die Republik zu retten. Es ging ihm
vielmehr darum, seine vermeintlichen Feinde, also
„Juden“ und „Bolschewisten“, zu bekämpfen und
eine völkische Diktatur zu errichten. Der Charakter
und die politische Motivation des Freikorps Oberland
wurzelt in diesem tiefsitzenden Antisemitismus und
Antibolschewismus.
Ein Zitat eines Oberland-Aktivisten aus den frühen
1920er Jahren verdeutlicht, um was es der Führungs-
riege des Freikorps Oberland tatsächlich ging:
„Da sammelte ein Beherzter handfeste Burschen um sich, um (…) das Land von dieser
Gottesgeißel des jüdischen Mammons zu befreien (…) ‚Oberland‘ heißt sich die Schar (…). Die
wahrhaft Schuldigen an Münchens Räteherrschaft, die Führer = Schürer und Hetzer, die
Juden, (…) das sind unsere wahren Feinde, ihnen gilt unser Kampf!“11.
Die organisatorisch und inhaltlich ausgesprochen enge Verbindung zur Thule-Gesellschaft
und zur frühen nationalsozialistischen Bewegung findet sich auch in der Symbolik des
Freikorps Oberland wieder: das Erinnerungszeichen für den Einsatz in München 1919 zeigt
ein stilisiertes Hakenkreuz, gekreuzte Schwerter und die Runenkombination der Thule-
Gesellschaft (Bild 6).
Das Gedenken an die Taten des Freikorps Oberland beschränkte sich nicht nur auf
Erinnerungszeichen wie diese Anstecknadel. Der antidemokratischen Motivation des
Freikorps Oberland wurde bei den jährlichen Gedenkfeiern auch am Schliersee gefolgt.
2.3 Die Kämpfe in Oberschlesien 1921
Nach der Niederlage im ersten Weltkrieg musste das Deutsche Reich territoriale Verluste
akzeptieren. Der neu gebildete polnische Staat erhob Anspruch auf Oberschlesien. Aufgrund
der Bestimmungen des Versailler Vertrags fand in Oberschlesien, das nach Kriegsende dem
Völkerbund unterstellt worden war, am 20. März 1921 eine Volksabstimmung über die
11 Zitiert nach: Traditionsgemeinschaft des Freikorps und Bundes Oberland 1974, Seite 27 f.
Bild 6: Das Erinnerungszeichen des Freikorps
Oberland an dessen Einsatz in München 1919
mit stilisiertem Hakenkreuz.
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staatliche Zugehörigkeit des Gebiets statt. Wie das Bild 7 zeigt, waren im Jahr 1905/06 vor
allem die ländlichen Gebiete Oberschlesiens polnischsprachig geprägt (blaue Farbe).
Lediglich in den Städten und Industriezentren Oberschlesiens hatte die deutschsprachige
Bevölkerung einen höheren Anteil (rote Farbe).
Der Volksabstimmung ging ein propagandistisch aufgeheizter
Abstimmungskampf voraus. Die aus polnischer Sicht seit
Jahrhunderten währende deutsche Unterdrückungspolitik
gegenüber der polnischsprachigen Bevölkerung war ein
wichtiges Element in der polnischen Propaganda. Ein Plakat
aus dieser Zeit arbeitet mit diesem populären Bild. Es zeigt
einen polnischen Arbeiter, der auf seinem Rücken je einen
Vertreter des deutschen Großbürgertums, des preußischen
Militärs und der deutschen Justiz trägt (Bild 8). Der in
polnischer Wahrnehmung seit jeher in Richtung Osten
ausgreifende deutsche Expansionsdrang wurde ebenso
thematisiert. Für das wirtschaftliche Überleben des neuen
polnischen Staates war die durch Bergbau und Stahlindustrie
geprägte Region, vor allem im Osten Oberschlesiens, von
größter Bedeutung.
Auf deutscher Seite kamen in der Abstimmungspropaganda
völkisch-nationalistische sowie rassistische Argumente zum
Bild 7: Sprachen in Schlesien 1905/06: deutschsprachige Mehrheiten (rot) und polnischsprachige Mehrheiten (blau).
Bild 8: Polnisches Plakat zur
Abstimmung in Oberschlesien
1921. Ein polnischer Arbeiter
trägt auf seinem Rücken je einen
Vertreter des deutschen
Bürgertums, des preußischen Militärs und der Justiz.
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Tragen. „Den Polen“ wurden negative Eigenschaften wie etwa Arbeitsunwilligkeit
unterstellt. Während der folgenden Kämpfe in Oberschlesien wurden zudem Instrumentarien
antijüdischer und antibolschewistischer Propaganda erprobt und perfektioniert. Gegen das
sogenannte „Ostjudentum“ wurde mit Hetzkampagnen Stimmung gemacht. Juden in aller
Welt wurden als die wahren Provokateure und
Profiteure der Kämpfe hingestellt.
Hakenkreuzfahnen und antisemitische Parolen
waren zu sehen und zu hören. In einem Aufruf zur
Unterstützung der freiwilligen Kampfeinheiten in
Oberschlesien heißt es:
„Oberschlesien brennt! Die wohlbekannten
Gaukler sind wieder am Werke. (…) Wer hätte die
Stirn diese Tatsachen zu leugnen? Nur das
schmutzige Volk der Schieber und Wucherer, das
keine Not und kein Elend kennt!“12
Mit den „wohlbekannten Gauklern“ und dem
„schmutzigen Volk der Schieber und Wucherer“ sind
unzweifelhaft und in abwertender Absicht Juden
gemeint. Es kommt auch Angst vor einer diffusen
Bedrohung durch „unzivilisierte Horden“ aus dem
Osten zum Vorschein. Thematisch dargestellt ist
dies auf einem Plakat mit der Überschrift „Die
Heimat ist in Gefahr!“. Ein asiatisch anmutender
Schädel mit stilisierter Pelzmütze bedroht die
„heimische“ Bevölkerung (Bild 9).
Im Ergebnis der Auseinandersetzung stimmten etwa 60% der Abstimmungsberechtigten für
den Verbleib beim Deutschen Reich. Das Abstimmungsergebnis scheint allerdings nur auf den
ersten Blick eindeutig. Sieht man sich das Abstimmungsverhalten in einzelnen Orten oder
Verwaltungsbezirken an, ergibt sich ein weit weniger eindeutiges Bild eines Flickenteppichs
mit sich abwechselnden Mehrheiten (Bild 10 und Bild 11).
Zur Abstimmung waren auch deutsche Staatsbürger zugelassen, die aus der Region
Oberschlesien stammten, ihren Wohnsitz mittlerweile aber in anderen Teilen des Reiches
hatten. Dies sorgte für Unmut auf polnischer Seite. Kurz nach Bekanntgabe des
12 Zitiert nach: Traditionsgemeinschaft des Freikorps und Bundes Oberland 1974, Seite 29 f.
Bild 9: Plakat der „Osthilfe“ von 1919. „In den
Kämpfen an der deutschen Ostgrenze, die bis in die
20er Jahre dauern, brechen alte Wunden auf. Polen
geht es um nationale Selbstbestimmung, bei den
Deutschen zeigt sich eine uralte Angst vor
Einbrüchen aus dem Osten.“
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14
Abstimmungsergebnisses begann am 3. Mai 1921 der sogenannte „dritte Aufstand“ 13
polnischer irregulärer Einheiten, um den Anschluss an Polen gewaltsam durchzusetzen.
Durch die Mobilisierung aufgelöster Freikorps bildeten sich auch deutsche Kampfverbände,
unter denen sich das Freikorps Oberland befand. Am 21. Mai 1921 nahm das Freikorps
Oberland den St. Annaberg ein, der als
wichtige Befestigung der polnischen Auf-
ständischen galt. Bei den Kämpfen in Ober-
schlesien wurden auf beiden Seiten zahlreiche
Verbrechen, auch an der Zivilbevölkerung,
begangen.
Das Reichskommissariat für Überwachung der öffentlichen Ordnung stufte das Freikorps
Oberland als hochgefährlich und kriminell ein:
„Die Angehörigen des Freikorps Oberland vor allem waren es, die (…) die große Anzahl
strafbarer Handlungen begangen haben (…). Vor allem aber hat sich in den aus dem Korps
Oberland hervorgegangenen Nachrichtenstellen ein reines Verbrechertum ausgebildet.“14
Ihnen wurde vorgeworfen, Diebstähle, Veruntreuungen, Unterschlagungen und Raub-
überfälle begangen zu haben. Die Angehörigen dieser „Nachrichtenstellen“ sollen mit
gefälschten Polizeiausweisen Beschlagnahmungen durchgeführt und von Dorfbewohnern
13 Im Gebiet Oberschlesien kam es von 1919 bis 1921 zu drei „polnischen Aufständen“. Aus Sicht der polnisch-nationalistischen Freischärler
ging es jeweils um nationale Selbstbestimmung der Polen und die Befreiung von der Unterdrückung durch die deutsche politische und wirtschaftliche Elite. Ziel dieser Bewegung war es, Oberschlesien an die polnische Republik anzugliedern. Auslöser des ersten „Aufstands“
war ein von der deutschen „Schwarzen Reichswehr“ durchgeführtes Massaker an streikenden Bergarbeitern, bei dem 10 polnische Arbeiter ums Leben kamen. Anlass für den zweiten „Aufstand“ waren gewaltsame Übergriffe von prodeutschen Demonstranten gegenüber polnischen Geschäften und Einrichtungen.
14 Sauer 2010, Seite 1.
Bild 11: Abstimmungsergebnis nach Orten in einer
zeitgenössischen Darstellung. Blau: Mehrheit für einen
Verbleib im deutschen Reich. Rot: Mehrheit für die
Angliederung an Polen.
Bild 10: Abstimmungsergebnis nach Kreisen: Orange:
Mehrheit für einen Verbleib im Deutschen Reich,
Gelbgrün: Mehrheit für eine Angliederung an Polen. Der
Ort St. Annaberg liegt im Kreis „Groß Strehlitz“.
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15
Geld erpresst haben. Sie führten außerdem „standrechtliche Exekutionen“ an vermeint-
lichen polnischen Spionen durch. So etwa geschehen im Fall des Krappitzer Hoteliers Wilhelm
Walenczyk, der als mutmaßlicher polnischer Spion verhaftet und in einem Wald hingerichtet
wurde.15
Hans Weber, der in den 1970er Jahren die „Kameradschaft Freikorps Oberland – Bund
Oberland“ führen sollte, schreibt in einem Erlebnisbericht über die Einsätze des Freikorps
Oberland in Oberschlesien:
„In jeder Stadt, in jedem Ort, welche wir erstürmten, von den polnischen Banden säuberten
und befreiten, war stets die erste Frage bei den Einwohnern, beim Bürgermeister, ‚wie war
die Abstimmung?‘, wieviele deutsche und polnische Stimmen? Von dieser Auskunft war
weitgehend unser Verhalten, unsere Sicherungsmaßnahmen bestimmt.“16
Das Reichskommissariat stellte
zudem eine äußerst bedrohliche
Ansammlung rechtsradikalen
Potentials im Freikorps Oberland
fest, die im Falle eines Rechts-
putsches Verwendung finden
würden.
Die in ihrer politischen Program-
matik noch recht vagen Freikorps
aus der gesamten Republik trafen
nach den Kämpfen von 1919, dem
„Kapp-Putsch“ 1920, der Nieder-
schlagung des „Ruhr-Aufstands“
1920 und den Kämpfen im Baltikum
1919/1920 in Oberschlesien wieder
zusammen. Die völkisch-nationalistischen Einflüsse hätten, so Bernhard Sauer, besonders im
Fall des Freikorps Oberland als militärischer Ableger der Thule-Gesellschaft gefruchtet.17
Einige Oberländer in führenden Positionen waren bereits vor den Ereignissen in
Oberschlesien Mitglied der jungen bayerischen NSDAP geworden. So etwa der spätere
Kommandeur der „SS-Leibstandarte Adolf Hitler“, Josef „Sepp“ Dietrich oder der spätere
künstlerische Berater Heinrich Himmlers, Karl Diebitsch. Zeugnis hiervon ist beispielsweise
auch die Verwendung des Hakenkreuzes auf einem Gedenkstein zu Ehren der „Erstürmer“
15 Sauer 2010, Seite 20. 16 Traditionsgemeinschaft des Freikorps und Bundes Oberland 1974, Seite 55. 17 Sauer 2010, Seite 10.
Bild 12: Bereits bei ihrem Kampfeinsatz in Oberschlesien 1921 standen
die „Oberländer“ der NS-Bewegung nahe. Gedenkstein zu Ehren der
„Erstürmer“ des Annaberges.
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16
des Annaberges (Bild 12). Einer der wichtigsten Organisatoren des oberschlesischen
Selbstschutzes, Heinz Oskar Hauenstein, beschrieb dessen Gesinnung:
„Das Freikorps Oberland verbreitete als einziges die Idee des Nationalsozialismus bereits
während des 3. polnischen Aufstandes in O[ber]S[chlesien] zu einer Zeit, als die anderen
Freikorps nicht einmal Hitlers Namen kannten.“18
Fasst man den Werdegang des Freikorps
Oberland zusammen, so ist festzu-
halten, dass es in seiner Gründungs-
phase durch die Thule-Gesellschaft
politisch dominiert wurde. Bei den
Kämpfen in Oberschlesien war die Nähe
des Freikorps zum Nationalsozialismus
offensichtlich bereits bekannt. Das
Freikorps Oberland trug zur Verbreitung
des Antisemitismus und der NS-Ideologie
unter den Freikorps in Oberschlesien
bei.
Nach seinem Einsatz in Oberschlesien wurde das Freikorps Oberland aufgelöst und gegen
Ende des Jahres 1921 als Bund Oberland e.V. neu gegründet. In der Folge kam es zu diversen
Richtungsstreitigkeiten und Abspaltungen. Der Veterinärarzt Friedrich Weber übernahm die
Führung der übriggebliebenen Oberländer. Er verfolgte nun einen Kurs der Annäherung an
die radikalen nationalen Kräfte im Umfeld von Ernst Röhm und Adolf Hitler. 1923 ging der
Bund Oberland im „Deutschen Kampfbund“ ein Bündnis mit der NSDAP ein und unterstellte
sich der Befehlsgewalt Hitlers. Die aktive Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch im
November 1923 führte schließlich zum Verbot des Bund Oberland und zur Inhaftierung
Friedrich Webers in der Festung Landsberg.
Nach der Aufhebung des Verbots wurde der Bund Oberland 1925 neu gegründet. Wieder
auftretende Richtungsstreitigkeiten führten zu weiteren Abspaltungen. Ein Teil der
ehemaligen Oberländer schloss sich dem Nationalbolschewisten Ernst Niekisch an. Unter der
Führung des ehemaligen Stabschefs des Freikorps Oberland beim Einsatz in Oberschlesien,
Josef „Beppo“ Römer, suchte ein anderer Teil die Nähe zum national gesinnten Flügel der
KPD.
18 Zitiert nach: Institut für Zeitgeschichte München – Berlin. Aktenzeichen ZS-1134, Seite 4. Aktennotiz Heinz Förster zu einem Gespräch mit Heinz Oskar Hauenstein vom 18.07.1956 in München.
Bild 13: Königsplatz in München, 10. Jahrestag des Hitler-
Ludendorff-Putsches von 1923. Freikorps übergeben ihre
Fahnen an den Stabsführer der SA, Ernst Röhm.
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17
Der Bund Oberland versank spätestens ab 1930 in der politischen Bedeutungslosigkeit. Er trat
1933 zum letzten Mal offiziell in Erscheinung. In einer feierlichen Zeremonie zum 10.
Jahrestag des Hitler-Ludendorff-Putsches wurden die Oberland-Fahnen dem Stabsführer der
SA, Ernst Röhm, übergeben (Bild 13).
3 Phasen des Oberland-Gedenkens von 1921 bis heute
3.1 Von der Grundsteinlegung 1921 bis 1945
Enge persönliche Verbindungen des Schlierseer Bürgermeisters Hans Miederer zum Bund
Oberland führten zur Wahl des Gedenkortes in der Marktgemeinde Schliersee. Schon im Juli
1920, also bereits 10 Monate vor den Kämpfen in Oberschlesien, gab es die ersten Pläne für
ein Denkmal. Beachtlich ist also, dass sich der Bund Oberland weit vor dem heute bekannten
Gedenkanlass, dem „Sturm auf den Annaberg 1921“, schon um ein Denkmal für ihre Kämpfer
bemühte. Die Inschrift des geplanten Denkmals sollte lauten:
„Den 53 im Kampf für deutsche Erde anno 1920 in Oberschlesien gefallenen Oberländern zum
andauernden Gedenken.“
Unklar bleibt, welchen Gefallenen eigentlich gedacht werden sollte. Die Namen der Kämpfer
und die Umstände ihres Todes oder gar das zugrundeliegende Ereignis sind nicht bekannt.
Die Formulierung „Kampf für deutsche Erde“ verrät die Intention des Gedenkens. Den
Akteuren ging es nicht um Totengedenken im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr um eine
ideologische Verklärung im Geiste des Freikorps Oberland. Es sollte eine Weihestätte für
dessen Kampf um das Deutschtum geschaffen werden.
Unklar war zudem, wie der Gedenkort gestaltet werden sollte. Um Zeit zu gewinnen, fand
im Herbst 1921 lediglich die Grundsteinlegung statt. Es vergingen noch zwei weitere Jahre,
bis das nötige Geld zusammengesammelt und die Pläne zur Errichtung von den Behörden
genehmigt wurden. In dieser Zeit tauchten weitere Gestaltungsvorschläge auf, die wiederum
verworfen wurden. Zur Ausführung kam der ursprünglich von Willy Maurer skizzierte Entwurf
von 1920. Die damals geplante Inschrift wurde leicht modifiziert und mit dem Zusatz „Sie
werden wieder auferstehen“ ergänzt.
Zur Einweihung im September 1923 waren Oberland-Kämpfer, Angehörige rechtsextremer
Organisationen wie dem Stahlhelm sowie Einheiten der SA angetreten. Hans Miederer sorgte
dafür, dass Schliersee festlich geschmückt und die Gäste freundlich empfangen wurden.
Unter anderem nahmen Erich Ludendorff, Hermann Göring und Bund Oberland-Führer
Friedrich Weber die Paraden ab. Nur wenige Wochen nach der Einweihung des Oberland-
Denkmals marschierte der Bund Oberland am 8. und 9. November 1923 an der Seite der
Putschisten Hitler und Ludendorff zur Feldherrnhalle.
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18
Zu den Jahrestagen der Kampfhandlungen am
oberschlesischen Annaberg trafen sich in den
Folgejahren Oberland-Kämpfer, national
gesinnte Kameraden sowie Abordnungen von
SA und SS. Auch Adolf Hitler selbst stattete
dem Oberland-Denkmal 1927 einen Besuch ab.
Wie das Bild 14 zeigt, wurde die
Gedenktradition auch zusammen mit
Abordnungen der allgemeinen SS fortgeführt.
Der Freikorps-Oberland-Mythos wurde 1933
bis Kriegsende 1945 gepflegt und in nationalsozialistischem Sinne überhöht: Die
„Oberländer“ und die NS-Bewegung konnten schließlich auf gemeinsame völkisch-
nationalistische Wurzeln zurückblicken.
Nach Friedrich Webers Interpretation wurden die Oberland-Kameraden zu Blutzeugen der
nationalsozialistischen Bewegung. Er fasste in einem 1936 herausgegebenen Schliersee-
Reiseführer die Rolle des Freikorps Oberland beim Aufstieg der NSDAP wie folgt zusammen:
„Zum Gedenken an seine 52 im Frühjahr 1921 bei den Abwehrkämpfen in Oberschlesien
gefallenen Kameraden hat Oberland in den schwersten Monaten des Jahres 1923 diesen
Gedenkstein auf dem Weinberg in Schliersee errichtet. Der Opfertod dieser und seiner
anderen Toten in München, an der Ruhr und in der Pfalz hat seine Erfüllung im
Nationalsozialismus durch die Schaffung des Dritten Reiches gefunden.“19
Die enge Verbindung zur NS-Bewegung sorgte wohl auch dafür, dass das 1923 errichtete
Denkmal nach Kriegsende 1945 entfernt wurde. In der unmittelbaren Nachkriegszeit war die
Rede davon, dass „die Polen“ mit ihren deutschen „Helfershelfern“ das Denkmal zerstört
hätten. Behauptet wurde auch, die Amerikaner hätten den Steinquader „gesprengt“. Es
kursierten später Aussagen SPD-naher Zeitzeugen, die gesagt haben sollen: „Das waren wir
schon selber!“. Die genauen Umstände der Entfernung und Zerstörung des Denkmals konnten
in den Archiven nicht ermittelt werden. Klar ist, dass das Denkmal bereits wenige Wochen
nach Kriegsende nicht mehr existierte.
3.2 Neuerrichtung gegen Widerstände und Einweihung – 1951 bis 1956
Ab etwa 1951 wurde die Errichtung eines neuen Denkmals am Schlierseer Weinberg von
national gesinnten betrieben. Gemeinderat und Bürgermeister sperrten sich gegen ein
Oberland-Gedenken am Ursprungsort des Denkmals am Weinberg um „politische Tendenzen“
19 Müllner 1936, Seite 19. Die Auflistung der Regionen nimmt Bezug auf folgende Ereignisse: Niederschlagung der Räteregierung in
München 1919, Niederschlagung des sogenannten Ruhraufstandes im Frühjahr 1920 sowie die Bekämpfung separatistischer Bestrebungen in der Pfalz 1923/1924.
Bild 14: Allgemeine SS bei der Gedenkfeier 1935
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19
zu vermeiden. In Einigkeit mit alten Oberland-Kämpfern setzte sich die Kirchengemeinde
über diese Bedenken hinweg und ermöglichte die Anbringung einer neuen Gedenktafel an
der Südmauer der St. Georgs Kapelle.
Als wichtigste treibende, scheinbar überparteiliche, Kraft in der Auseinandersetzung um die
Wiedererrichtung trat der Redakteur des Miesbacher Merkur, August Bierling in Erscheinung.
Er bemühte sich im Landkreis Miesbach um Unterstützung des Gedenkprojekts. Mit Bierling
habe man allerdings, so Dr. Thomas Schlemmer vom Institut für Zeitgeschichte, „den Bock
zum Gärtner gemacht“20. Bierling war NS-Funktionär und in den Jahren 1932/33 Kreisleiter der
NSDAP in Bad Aibling. Somit kann er keineswegs als un- oder überparteilich angesehen
werden.
Am Pfingstmontag, den 21. Mai 1956 fand die Einweihung des neuen Denkmals am Schlierseer
Weinberg statt. Die Gedenktafel wurde, wie es in der Regionalzeitung „Neuer Miesbacher“
vom 22. Mai 1956 heißt, der Pfarrgemeinde St. Sixtus „in treue Obhut“ übergeben. Die Inschrift
lautet nun:
„Freikorps Oberland. Dem Gedenken seiner 52 im Freiheitskampf um Oberschlesien anno
1921 gefallenen Kameraden. Sie werden wieder auferstehen.“
Zu der Veranstaltung hatte Ernst Horadam, ehemaliger Führer des Freikorps Oberland,
eingeladen. Die Festfolge sah zum Auftakt eine Feldmesse vor. Die beiden offiziellen
Ansprachen hielten Viktor Tschauder, Vorsitzender der bayerischen Landsmannschaft der
Oberschlesier sowie Karl Diebitsch. Letzterer
hatte auch den Auftrag für die Gestaltung der
Gedenktafel erhalten. Mit dabei waren, laut
Miesbacher Merkur, Angehörige des ehemaligen
Freikorps Oberland, „die da zum Teil aus weitem
Umkreis zusammenkamen“. Ebenso anwesend
waren Oberschlesier, die „zahlreich an der Feier
teil[nahmen]“.
Auf Bild 15 ist zu sehen, wie die Gedenktafel
wieder als Weihestätte inszeniert wird. Pfarrer Wiedholz hielt von nun an bis in die 1990er
Jahre den Feldgottesdienst ab. Der Grund für sein offensichtlich starkes Engagement ist
sicherlich in Wiedholz’ familiärer Geschichte zu suchen. Sein um fünf Jahre älterer Bruder,
Ludwig Wiedholz, war 1921 bei den Kämpfen in Oberschlesien als 16-Jähriger dabei. Zum
Zeitpunkt der Rückkehr seines älteren Bruders aus Oberschlesien war Josef Wiedholz erst 11
Jahre alt.
20 Zitat Dr. Thomas Schlemmer: aus Miesbacher Merkur vom 20. Juli 2018
Bild 15: Einweihung des Denkmals am 21. Mai 1956
durch Pfarrer Josef Wiedholz.
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20
Um der Frage näher zu kommen, welche Intention die Träger des Oberland-Gedenkens
verfolgten, lohnt sich ein Blick auf die Lebensläufe der bei der Einweihung wichtigen Akteure
aus dem Kreis der Oberländer:
Ernst Horadam führte bereits bei der gewaltsamen Niederschlagung der Münchner
Räterepublik das Freikorps Oberland an. Ebenso wie 1919 in München war er als Kommandeur
an den Aktionen in Oberschlesien 1921 beteiligt. Horadam war es auch, der im Herbst 1921
mit dem Schlierseer Bürgermeister Miederer die Grundsteinlegung des ersten Denkmals
vornahm. Zur Einweihung desselben nahm er 1923 zusammen mit Hermann Göring, Erich
Ludendorff und Friedrich Weber die Parade von Freikorps- und SA-Einheiten ab. Horadam
beteiligte sich am Aufbau des Bund Oberland als Nachfolgeorganisation des Freikorps
Oberland. 1921 wurde er in dessen Bundesleitung gewählt und 1922 stellvertretender
Geschäftsleiter. Der Bund Oberland war in dieser Phase enger Verbündeter und Unterstützer
der noch jungen nationalsozialistischen Bewegung in Bayern. Horadam hatte in den späten
1920er Jahren auch bei dem als republik- und demokratiefeindlich anzusehenden „Stahlhelm
– Bund der Frontsoldaten“ eine führende Position inne. In der Zeit des NS-Regimes war er
Obersturmbannführer der SA und später Stabsführer der SA-Brigade Unterfranken.
Karl Diebitsch war ebenso wenig wie August Bierling und Ernst Horadam ein unbeschriebenes
Blatt. Er trat bereits 1920 in die NSDAP ein und war 1921 Kompanieführer des „Sturmzug
Tirol“ bei den Kämpfen in Oberschlesien. Durch seine heroisierenden zeichnerischen
Darstellungen des Soldatentums beim „Sturm auf den Annaberg“ trug er zur Ausgestaltung
des Oberland-Mythos bei. Diebitsch war während der Zeit des Nationalsozialismus eine
erstaunlich steile Karriere vergönnt. Er trat 1933 in die SS ein, stieg zum engen
künstlerischen Berater Heinrich Himmlers auf, leitete die Porzellanmanufaktur Allach, einem
Außenlager des KZ Dachau, durchlief weitere Karrierestufen und war zuletzt SS-Oberführer
der allgemeinen SS.
Als ehemalige Führungsfiguren des Freikorps Oberland und des Bund Oberland waren Ernst
Horadam und Karl Diebitsch die antidemokratischen Ziele, die völkisch-antisemitische
Agitation sowie die brutale militärische Praxis des Freikorps bei seinen Einsätzen bestens
bekannt.
Das Gedenken am Schliersee in den 1950er Jahren ist von den ideologisch gefestigten
Ansichten der Oberland-Akteure dieser Zeit nicht zu trennen. Zum 25. Jahrestag des „Sturms
auf den Annaberg“ wird dem von der Täter-Generation überlieferten verklärenden Erzählung
gefolgt. Der „Neue Miesbacher“ wärmt diesen Oberland-Mythos im Mai 1956 neu auf:
„…durch das heiße Gefecht am Annaberg [wurde] das freie Selbstbestimmungsrecht in dem
von polnischen irregulären Banden überfallene Oberschlesien wiederhergestellt.“
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21
3.3 Etablierung im Schlierseer Festkalender – 1960er Jahre
Um das Oberland-Gedenken auf Dauer wieder etablieren zu können, wurde es nötig, neue,
positive Bezüge herzustellen. In den 1960er Jahren wurde ein Teil des altbekannten
Oberland-Mythos in scheinbar unpolitischer Weise mit neuen Themen verbunden und
reaktiviert. Wichtigstes Element war der Bezug zur oberschlesischen Heimat und der dort
geflohenen oder vertriebenen Bevölkerung.
Die alten Kameraden der Oberländer
suchten neue Unterstützer und die aus
Oberschlesien Geflüchteten oder Ver-
triebenen suchten Anschluss an die
Bevölkerung ihrer neuen Heimat. Diese
Verbindung der Freikorps- und Bund
Oberland-Kameraden zu Vertriebenen-
verbänden konnte genutzt werden, um sich
selbst als „Kameradschaft“ und das
Oberland-Gedenken wieder zu etablieren.
Auch ideologisch standen sich die beiden
Lager nahe. Das Thema „Erinnerung an, Verteidigung und Rückgewinnung der
oberschlesischen Heimat“ konnte von allen ohne Vorbehalte vertreten werden. In der Charta
der Heimatvertriebenen des Bundes der Vertriebenen (BdV) wird die Forderung erhoben:
„Wiedervereinigung aller Teile Deutschlands in Freiheit und Frieden (…), für die Erhaltung des
Volkstums der Deutschen unter fremder Herrschaft.“21
Die Anerkennung der bestehenden Grenzen in Europa wurde vom BdV entschieden abgelehnt.
Die revisionistische Programmatik des BdV, dem auch die Landsmannschaft der Oberschlesier
angehörte, war bei den alten Freikorps-Kameraden sowie den Vertretern des neo-
faschistischen Lagers von Deutscher Volksunion (DVU) und Nationaldemokratischer Partei
(NPD) anschlussfähig. Ein Zeitungsausschnitt aus dem DVU-Blatt National-Zeitung gibt einen
Eindruck von der revisionistischen Haltung dieser Zeit (Bild 16).
Um die Akzeptanz in der Mitte der Gesellschaft nicht zu verspielen, wurde zumindest in
öffentlichen Bekundungen ein allgemeinerer Ton angeschlagen. In Meldungen der regionalen
Presse aus den 1960er Jahren finden sich, im Gegensatz zur Einweihung 1956, versöhnliche
Töne. Zwar wurde der Anspruch auf die verlorenen Gebiete nicht aufgegeben, der Kampf um
die Heimat aber dürfe
21 Mecklenburg 1996, Seite 348.
Bild 16: Zeitungsausschnitt aus der Schlesischen
Landesausgabe der Deutschen National-Zeitung aus dem
Jahr 1971. Die National-Zeitung war die Wochenzeitung des
DVU Gründers Gerhard Frey.
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22
„nicht mehr mit der blanken Waffe aus Eisen, sondern nur mit den friedlichen Mitteln der
Diplomatie und dem überzeugenden Argument des Rechtes geführt werden“.22
Die Bildunterschrift im dazugehörenden Artikel des Miesbacher Anzeiger vom 26. Mai 1966
lautete: „Gebet um Frieden und Brüderlichkeit in blühender Wiese.“
Dies passte auch gut zum herrschenden Zeitgeist. Weithin akzeptiert war ein Gedenken an
gefallene Soldaten und Kämpfer für die nationale Sache. Im konservativen Milieu wurde auch
in dieser Zeitspanne über die NS-Vergangenheit im Allgemeinen sowie die der anwesenden
Akteure im Besonderen, großzügig hinweggesehen.
Die Teilnahme von Persönlichkeiten sowie Abordnungen von Vereinen des Ortes, wie etwa
dem Bürgermeister Ludwig Bachhofer, dem 2. Bürgermeister Lorenz Leitner oder der
historischen Gebirgsschützen-Kompanie zeugen davon, dass das Oberland-Gedenken in den
Schlierseer Festkalender Einzug fand.
Gleichwohl zeigen die überlieferten
Teilnehmerzahlen, dass die Veranstaltung
mehr von „Auswärtigen“ als von
„Einheimischen“ Schlierseern getragen
wurde. Der Merkur beziffert die Zahl der
Teilnehmer für das Jahr 1966 auf
insgesamt 300 Personen, davon etwa 250
Oberschlesier und zwei Dutzend aus der
„Kameradschaft Freikorps Oberland –
Bund Oberland“. Es bleiben also maximal
25 Personen aus Schliersee.
Die zweifelhafte Rolle des Freikorps Oberland in München 1919, Oberschlesien 1921 und beim
Aufstieg des Nationalsozialismus wurde verschwiegen. Eine kritische Auseinandersetzung
oder gar Distanzierung vom völkischen Rassismus oder dem der Nation untergeordneten
Opferkult, fand offensichtlich nicht statt. Die scheinbar gelungene Integration des
Gedenkens in die Schlierseer Gesellschaft darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die
Führungsriege der „Kameradschaft“ in den 1950er und 1960er Jahren aus frühen NSDAP-
Mitgliedern und bereits in der Frühphase der Weimarer Republik aktiven Rechtsextremisten
zusammensetzte.
22 Miesbacher Anzeiger vom 26. Mai 1966
Bild 17: Oberland-Gedenkfeier Ende der 1960er Jahre.
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23
Max Grünwald etwa, Kameradschaftsführer von 1957-1964, war Teilnehmer am Hitler-
Ludendorff-Putsch und Träger des „Blutorden“23. Von 1922 bis 1932, also auch in der Phase
der engen Kooperation mit der NSDAP, war er Mitglied im Bund Oberland. Von 1932 bis
Kriegsende war er Mitglied der allgemeinen SS. In den Unterlagen seines Spruchkammer-
verfahrens24 vom Mai 1948 heißt es:
„Der Betroffene hat aber durch seine langjährige und freiwillige Mitgliedschaft in der NSDAP
und der Allg.SS, sowie durch seine Teilnahme – wenn auch unbewusst – am Hitlerputsch 1923
wesentlich mitdazubeigetragen [sic!], die nat.soz. Bewegung zu fördern und zu
unterstützen.“25
Er wurde in diesem Spruchkammerverfahren in die Gruppe III der Minderbelasteten
eingestuft. Im Nachverfahren des Jahres 1949 wurde er in die Gruppe IV – Mitläufer
eingereiht.
Heinrich Hauck, der Max Grünwald im Amt des Kameradschaftsführers 1964-1968 folgte,
wurde bereits 1920 NSDAP-Mitglied, trat aber 1923 wieder aus. 1933 wurde er erneut Mitglied
der NSDAP. Von diesem Jahr an bis Kriegsende war er, wie viele seiner ehemaligen Oberland-
Kameraden, Angehöriger der Allgemeinen SS.26
Wilhelm Runck, Mitglied des Kameradschaftsrates in den 1970er Jahren, war von 1929 bis
1945 Mitglied der NSDAP und ebenso von 1933 bis 1945 Mitglied der allgemeinen SS. In den
Unterlagen seines Spruchkammerverfahrens ist zu lesen:
„[Es] konnte festgestellt werden, daß derselbe [Wilhelm Runck] bereits 1924 in der damaligen
Oberland-Uniform verhaftet worden ist und unter dieser Uniform das Hakenkreuz und einen
Revolver trug. Er wurde auch bei einem damaligen Umzug der Nationalsozialisten in der
Ludwigstraße verhaftet. (…) Aus der Einsichtnahme [in Polizeiprotokolle] geht hervor, daß
sich Runck bereits seit 1924 für den Nationalsozialismus interessierte und in seiner Ansicht
ein Fanatiker gewesen ist.“27
Bei einer Hausdurchsuchung in seiner Wohnung, ebenso im Jahr 1924, wurden Waffen mit
ausreichend Munition sowie weitere Militaria gefunden und beschlagnahmt.
Das Oberland-Gedenken wurde in diesen Jahren also von Rechtsradikalen aus der Weimarer
Zeit und Anhängern der frühen nationalsozialistischen Bewegung getragen, die auch ab 1933
Funktionen im NS-Apparat übernahmen.
23 Der Blutorden wurde Teilnehmern des Hitler-Ludendorff-Putsches vom 9. November 1923 verliehen und war eine der bedeutendsten
Auszeichnungen der NSDAP. 24 Die Verfahren hatten die „Entnazifizierung“ der deutschen Nachkriegsgesellschaft zum Ziel. Rechtsgrundlage für die durchgeführten
Spruchkammerverfahren waren die Beschlüsse der Alliierten bei der Potsdamer Konferenz. Die Spruchkammern stellten fest, ob der
Betroffene Hauptschuldiger (Gruppe 1), Belasteter (Gruppe 2), Minderbelasteter (Gruppe 3), Mitläufer (Gruppe 4) oder Entlasteter (Gruppe 5) ist.
25 Staatsarchiv München. Spruchkammerakte Max Grünwald, geboren 05.08.1900. Karton Nr. 573. Spruchkammer München VII.
Aktenzeichen VII-9179 vom 10.05.1948. 26 Staatsarchiv München. Spruchkammerakte Heinrich Hauck, geboren 14.02.1900. Karton Nr. 639. Spruchkammer München VI 24.11.1948. 27 Staatsarchiv München. Spruchkammerakte Wilhelm Runck, geboren 30.10.1904. Karton Nr. 1476. Spruchkammer München XI,
Ermittlungsakten vom 22.07.1948.
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24
3.4 Ehre und Treue – 1968 bis 1990
Ungeachtet dieser Vorbelastung der Organisatoren des Gedenkens scheint die Etablierung im
Schlierseer Festkalender auch Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre nach wie vor
geglückt. Allerdings ändert sich der Tonfall in der Berichterstattung ab dem Ende der 1960er
Jahre deutlich. Der Kern des Oberland-Mythos, also die einseitige Betonung des heldenhaften
Kampfes der Oberländer, rückt wieder in den Vordergrund:
„Sonne von Annaberg scheint auf weiße Häupter“ titelt der Miesbacher Anzeiger im Jahr 1968
und weiter heißt es: „In dem heißen Gefecht am St. Annaberg schlugen sie die Korfanty-Leute in die
Flucht.“28
Möglicherweise trugen die persönlichen Verbindungen aus der „Kampfzeit“, etwa beim
Hitler-Ludendorff-Putsch oder bei den früheren Aktionen des Bund Oberland dazu bei, dass
der Oberland-Mythos wieder stärker gepflegt wurden. Denn in den Jahren 1968 bis 1990
prägen zwei alte Oberland-Kämpfer mit eindeutig rechtsextremer Gesinnung den Charakter
der „Kameradschaft“. Ihr Lebensweg war, wie der von vielen anderen Oberland-Kameraden,
eng mit dem Erstarken der rechtsextremen Bewegung der 1920er Jahre und dem Aufstieg
des Nationalsozialismus verknüpft:
Hans Weber, Kameradschaftsführer von 1968 bis 1979, kämpfte 1921 in Oberschlesien, war
Teilnehmer am Hitler-Ludendorff-Putsch und trat 1926 in die NSDAP ein. Zwischenzeitlich
war er Pförtner in der Empfangshalle des
Braunen Hauses, der NSDAP-Parteizentrale in
München. Er betätigte sich nach dem Krieg als
Archivar der „Kameradschaft“ und half bei der
Erstausgabe der „Bildchronik zur Geschichte
des Freikorps und Bund Oberland“29.
Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde
Hans Weber von den Alliierten interniert.
Welche Gesinnung er selbst kurz nach seiner
Entlassung hatte, zeigt ein Blick in die Akten
seines Spruchkammerverfahrens. Er wurde
zunächst in die „Gruppe 3 – Minderbelasteter“
eingestuft. Beachtlich ist, dass er 1949 in einem Revisionsverfahren in die „Gruppe 2 –
Belasteter (Aktivisten, Militaristen, Nutznießer)“ hochgestuft wurde. Üblicherweise endeten
28 Miesbacher Anzeiger vom 21. Mai 1968. 29 In dem Band werden die „Kämpfer für die nationale Sache“ geehrt und die Verbindungen der Oberländer zur NS-Bewegung unreflektiert
und mit einem durchaus stolzen Unterton dargestellt. Dem Oberland-Mythos der extremen Rechten der Weimarer- und NS-Zeit wird in dieser Publikation ungebrochen gefolgt.
Bild 18: Publikation einer rechtsextremen
Splittergruppe, die den Kameradschaftsführer Hans
Weber verehrt und dem Oberland-Mythos der
neofaschistischen Szene folgt.
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25
Revisionsverfahren dieser Zeit in einer Herabstufung in die Gruppe der Mitläufer. Im
Protokoll des Verfahrens heißt es:
„Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht fest, dass der Betroffene im Jahre
1948 seinen jüdischen Mitbürgern gegenüber eine äußerst gehässige Haltung eingenommen
hat. Er betonte u.a., dass er nach wie vor gegen das Judentum kämpfe. Er bezeichnete es als
untragbar, dass Juden unter Deutschen wohnen und vertrat die Ansicht, dass Hitler nicht
genügend Juden umgebracht hätte.“30
Fridolin von Spaun, Kameradschaftsführer
von 1979 bis 1990, war Oberschlesien-
Kämpfer des Freikorps Oberland, lernte in
den 1920er Jahren Adolf Hitler kennen,
war seither dessen Verehrer und schloss
sich der NS-Bewegung vorbehaltlos an. In
der Nachkriegszeit war er Funktionär der
als rechtsextremistisch einzustufenden
„Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit
der Angehörigen der ehemaligen Waffen-
SS“ (HIAG). Die HIAG ehrte Spaun etwa
anlässlich seines Geburtstages in ihrer Zeitschrift „Der Freiwillige“. Auf einem dort
abgedruckten Bild wird die enge Verbindung der HIAG zur Kameradschaft deutlich: Es ist zu
sehen, wie die Oberland-Kameraden Glückwünsche anlässlich seines Geburtstages
überbringen (Bild 19).
In der Führung der „Kameradschaft“ treten also völkisch-antisemitisch gesinnte ehemalige
Nationalsozialisten stärker in den Vordergrund und befeuern die Erzählung vom Oberland-
Mythos. Sie halten die Ehre der Kameraden aus der Kampfzeit der Bewegung hoch und
bekunden die Treue zu Vertretern der NS-Bewegung und Wegbegleitern während der Zeit
des „Dritten Reiches“.
Für was die Inschrift der Gedenktafel aus Sicht dieser Kameraden der Kampfzeit stehen soll,
macht das Geleitwort des Herausgebers der oben erwähnten „Bildchronik“ von 1974
deutlich:
„Unsere Generation darf hoffen, daß sich die Worte auf der Gedenktafel für die Gefallenen
in Schliersee auch hinsichtlich des Oberland-Geistes erfüllen werde: ´Sie werden
auferstehen´.“31
30 Staatsarchiv München. Spruchkammerakte Hans Weber, geboren 16.4.1901. Karton Nr. 1912. Aktenzeichen H/IV/1034/49 v. 19.5.1949. 31 Traditionsgemeinschaft des Freikorps und Bundes Oberland 1974, Seite 6.
Bild 19: Links: Fridolin von Spaun (Kameradschaftsführer
1978-1990), Mitte: Jürgen Popp (Kameradschaftsführer
2001-2017), zweiter von rechts: Rudolf Hüfner
(Kameradschaftsführer 1990-2001).
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26
Es geht aus Sicht der Initiatoren und Träger des Oberland-Gedenkens keineswegs um ein
Totengedenken in herkömmlichem Sinne. Die Hoffnung und die Sehnsucht nach einer
Rückkehr der alten reaktionär-nationalistischen Werte nährt ganz offensichtlich das
Engagement der Oberland-Kameraden dieser Zeit. Der Geist dieses Gedenkens kommt
selbstredend ohne Distanzierung gegenüber der Gedenktradition während der Zeit des
Nationalsozialismus aus.
Einen Eindruck vom Charakter der Veranstaltungen der 1970er und 1980er Jahre vermittelt
ein Blick in die Tageszeitung „Passauer Neue Presse“ vom 3. Juni 1981:
„Bei der weltlichen Feier (…) wurden die Namen der im letzten Jahr verstorbenen
Freiheitskämpfer von ‚Oberland‘ verlesen. Besonders wurde der verdienten Schwester Pia
gedacht, die kurz vor dem Treffen starb (…) mit dem Deutschlandlied schloss die Feier.“
Doch so besonders verdient, im Sinne einer demokratischen Gesellschaft, war Eleonore Baur,
alias „Schwester Pia“, nicht. Die glühende Verehrerin Adolf Hitlers unterstützte den „Kampf
um das Deutschtum“ bei den Einsätzen des Freikorps Oberland in München und
Oberschlesien, später mit dem Bund Oberland. Als erster Frau wurde ihr der im
Nationalsozialismus höchst angesehene
„Blutorden“ für ihre Teilnahme am Hitler-
Ludendorff-Putsch 1923 verliehen. Auf
eigenen Wunsch wurde sie zur SS-Ober-
führerin ernannt und erhielt privilegierten
und uneingeschränkten Zugang zum Gelände
des KZ Dachau. Auch aufgrund ihrer dortigen
Tätigkeit wurde sie 1949, unter anderem
wegen der Beteiligung an Unterkühlungs-
versuchen von Häftlingen, zu 10 Jahren
Internierung verurteilt. Bis zu ihrem Tod blieb
sie überzeugte Nationalsozialistin. Die
„Kameradschaft“, die zu diesem Zeitpunkt von Fridolin von Spaun geführt wurde, ließ in der
Traueranzeige den Wahlspruch der SS abdrucken: „Ihre Ehre hieß Treue – Ihr Leben galt
Deutschland!“32.
Hans Weber hielt bei der Beisetzung im Mai 1981 die Trauerrede. Auch hier war Prominenz
aus der rechtsextremen Szene zugegen. Vertreter der „Hilfsgemeinschaft der Angehörigen
der ehemaligen Waffen-SS“ (HIAG), Flugkapitän Baur, bekannt als „Hitlers Chefpilot“ sowie
Gudrun Burwitz, die Tochter Heinrich Himmlers und Ikone der rechtsextremen Szene, gaben
ihr die letzte Ehre (Bild 20). Zum Ausdruck kommt auch hier die enge Verbundenheit der
32 Weber 1982, Seite 458.
Bild 20: Beisetzung Eleonore Baur alias „Schwester Pia“
Mitte Mai 1981 in München. Vorne: Hans Weber, mit
Sonnenbrille: Hitler-Pilot Hans Baur, am rechten
Bildrand: Gudrun Burwitz.
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27
Oberländer mit einem Netzwerk aus gläubigen Nationalsozialisten sowie Leugnern und
Relativierern von NS-Verbrechen.
Das Oberland-Gedenken und seine Vertreter fanden in dieser Zeitspanne beachtlichen
Widerhall in der rechtsextremen Szene von Alt- und Neofaschisten wie NPD, DVU,
Burschenschaften, Kameradschaften und rechtsextremen Splittergruppen, wie auch in
Bild_18 zu sehen ist. Die national gesinnte Presse berichtete regelmäßig über die
„Feierstunde des Freikorps Oberland“, wie etwa im „Nationalanzeiger - Deutsche Wochen-
Zeitung“ vom 12. Juni 1981 und pflegte in bekannter Manier den verklärenden Oberland-
Mythos.
3.5 Gärung und Klärung – 1990 bis 2010
Die letzten an den Auseinander-
setzungen in München 1919 und
Oberschlesien 1921 beteiligten
Mitglieder der „Kameradschaft“
waren bereits verstorben oder
traten in den Hintergrund. Es
begann eine Phase der Gärung und
Klärung innerhalb des Kreises der
Träger des Gedenkens sowie im
Verhältnis zur Öffentlichkeit. Als
Pfarrer Wiedholz, der bis 1997 die
Feldmesse am Weinberg hielt,
verstarb, ging ein wichtiger Anker
für das Oberland-Gedenken in der Schlierseer Marktgemeinde verloren.
Rudolf Hüfner, der ebenso als HIAG-Funktionär agierte, leitete die „Kameradschaft“ von
1990 bis zum Jahr 2001. In enger Verbindung mit Gertrud Müller, der Vorsitzenden der
Landsmannschaft der Oberschlesier München, prägte er das Oberland-Gedenken dieser
Jahre. Das Bild 21 aus der HIAG-Publikation „Der Freiwillige“ vom August 2001 gibt einen
Eindruck davon, wie die Verbindungen im rechtsextremen Lager ungebrochen weitergeführt
werden. Zu sehen ist, wie die Fahnen der Oberschlesier und der Oberländer die Gedenktafel
einrahmen.
Beachtlich ist, dass die Gedenkfeier im Miesbacher Merkur bereits 1995 der rechten Szene
zugeordnet wird und die Polizei betont, dass es zu keinen Straftaten oder Störungen kam.
Durch das offene Auftreten offensichtlich rechtsgerichteter Extremisten, wurde später auch
die überregionale Öffentlichkeit auf die Veranstaltung aufmerksam. In ihrem Buch „Stille
Hilfe für braune Kameraden“ aus dem Jahr 2001 schreiben die Autoren Schröm und Röpke:
Bild 21: „Der Freiwillige“ vom August 2001. In der Mitte Gertrud
Müller, Vorsitzende der Landsmannschaft der Oberschlesier
Kreisgruppe München, rechts daneben Rudolf Hüfner, Oberland-
Kameradschaftsführer.
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„Die alljährlichen Gedenkfeiern der Kameradschaft und Bund Oberland waren immer etwas
Besonderes, so auch 1999. Hier trafen sich die Spitzen der braunen Gesellschaft, über das
Treffen wurde in allen wichtigen rechten Blättern berichtet.“33
Die Süddeutsche Zeitung titelte am 8. Dezember 2000:
„Als ‚Patrioten‘ pflegen sie stolz den unseligen Geist. Bei den Kameraden vom ‚Freikorps und
Bund Oberland‘ sind auch Skinheads aus den neuen Ländern gern gesehene Gäste.“
Seit den 1990er Jahren nahmen auch Abordnungen rechtsgerichteter Burschenschaften, wie
die Münchner Burschenschaft Danubia, an den Oberland-Gedenkfeiern teil. Die Danubia wird
dem „radikal-völkischen“ Flügel der burschenschaftlichen Gemeinschaft zugeordnet und
vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet. Sie war immer wieder in rechtsextreme
Übergriffe verwickelt.
Einigen Schlierseern, so auch dem neuen Gemeindepfarrer Alfred Gigglberger, war die
Veranstaltung nicht mehr ganz geheuer. Gigglberger nahm für die „Kameradschaft“
unerkannt und lediglich noch als stiller Beobachter teil. Der Feldgottesdienst wurde nun von
einem Geistlichen abgehalten, den die Landsmannschaft der Oberschlesier engagierte. Die
Feierlichkeiten liefen zu dieser Zeit, wie in den Jahren davor, in stark ritualisierter Form ab
und folgten dem eingespielten Ablauf:
‣ Feldgottesdienst am Weinberg
‣ Verlesen der Namen verstorbener Kameraden
‣ Niederlegung von Kränzen, kurze Ansprachen auch rechtsextremer Gruppierungen
‣ Oberschlesier-Lied
‣ Gemeinsames Essen in einer Schlierseer Gastwirtschaft
‣ Fahneneinmarsch mit musikalischer Begleitung
‣ Festvortrag
‣ Singen des Deutschlandliedes, auch der ersten Strophe34
Mit dabei waren stets die an die Farben des Kaiserreichs erinnernde schwarz-weiß-rote
Oberland-Fahne sowie die Reichskriegsflagge, die in der rechtsextremen Szene als
Ersatzsymbol für verbotene NS-Symbole verwendet wird. Wie Beteiligte berichten, wurde
am Biertisch im weiteren, inoffiziellen Verlauf der Veranstaltung die Gelegenheit genutzt,
sich in den einflussreichen Zirkeln der rechten Szene kameradschaftlich auszutauschen. Mit
geschichtsrevisionistischen Positionen sowie den Themen „Asylantenflut“ oder „Über-
fremdung der deutschen Gesellschaft“ gab es genügend verbindenden völkisch-
nationalistischen Gesprächsstoff.35
33 Schröm, Oliver/Röpke, Andrea 2006, Seite 181. 34 Das Singen der ersten Strophe (Deutschland, Deutschland über alles“) in der Öffentlichkeit gilt als Ausdruck nationalistischer Gesinnung. 35 Auskunft von Teilnehmern der Veranstaltungen gegenüber dem Autor.
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Das Machtzentrum der Kameradschaftsszene im Hinterzimmer des Oberland-Gedenkens
bekam schon ab den 1980er Jahren eine neue Identifikationsfigur. Gudrun Burwitz löste die
bis zu ihrem Tod umschwärmte Eleonore Baur als „Grande Dame“ der Treffen ab. Die Tochter
Heinrich Himmlers hatte sich zur Aufgabe gemacht, ihren Vater, den Organisator des
Holocaust, zu rehabilitieren und war in den 1990er Jahren unangefochtener „Star der
rechten Szene“. Sie kümmerte sich im Rahmen der Organisation „Stille Hilfe“ um die
Unterstützung von NS-Verbrechern.
Auch in der Schlierseer Gesellschaft gärte es unter der Oberfläche. Jedoch erst mit der
Berichterstattung in der Presse wurde Kritik aus der Bevölkerung laut. Das Mitte der 2000er
Jahre gegründete „Bündnis gegen rechtsextreme Umtriebe im Oberland“ aus
Gewerkschaften, SPD, Die Linke, Grüne Jugend sowie der Infogruppe Rosenheim versuchte
über die Hintergründe und Zusammenhänge des Oberland-Gedenkens aufzuklären. Es wurden
Informationsabende durchgeführt, zu der die Schlierseer Bürger eingeladen waren.
Einigen Staub wirbelte eine Protest-Demonstration im Mai 2007 auf. Der Bayerische Rundfunk
berichtete in zwei Sendungen der „Abendschau“ darüber, während das Nachrichtenmagazin
„Der Spiegel“ einen Artikel samt Interview mit Pfarrer Alfred Gigglberger abdruckte. Teile
des Gemeinderates sowie auch der Schlierseer Bürgermeister sahen den Ruf der
Tourismusgemeinde gefährdet und gingen auf Distanz zum offen rechtsextremen Umfeld des
Gedenkens.
Die „Kameradschaft“ sagte aus Sorge vor
Konfrontation mit den Demonstrierenden
kurzerhand die Gedenkveranstaltung am
Weinberg ab. Auf diese Weise unter Druck
geraten, gärte es nun auch hinter den
Kulissen der „Kameradschaft“ und deren
Unterstützer. Das Verhältnis zur Schlierseer
Öffentlichkeit wurde neu geklärt und erhielt
einige Risse. Die Frage, wie mit den Kritikern
umgegangen werden soll, entzweite die
Kameraden. Die militant und aktivistisch
auftretenden jüngeren Kameraden warfen den älteren, eher auf NS-Traditionspflege und
Kameradschaftsabende abzielenden Kameraden fehlende Standhaftigkeit vor.
Die Vorsitzende der Landsmannschaft der Oberschlesier, Gertrud Müller, verteidigte den
Oberland-Mythos vehement und identifizierte sich zunehmend mit den rechtsextremen
Akteuren. Sie tauchte immer wieder in der Berichterstattung der einschlägigen Presse,
beispielsweise in der Zeitschrift der HIAG, auf und nahm an gemeinsamen Treffen teil, etwa
an der von der HIAG abgehaltenen alt-germanischen „Julfeier“ im Raethenhaus in München.
Bild 22: Teilnehmer der Oberland-Gedenkfeier Anfang der 2000er Jahre. Mit dabei die Reichskriegsflagge.
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Im Ergebnis der Auseinandersetzungen verlor die „Kameradschaft“ Anhänger in ihrem
Umfeld. Es kam zu einem Schulterschluss zwischen den übriggebliebenen alten Kameraden,
der treu zum Oberland-Mythos stehenden Landsmannschaft der Oberschlesier und einem Teil
der jüngeren rechtsextremen Aktivisten. Darunter war auch die rechtsextreme Junge
Landsmannschaft Ostdeutschlands (JLO). Die JLO machte es sich zur Aufgabe, das Oberland-
Gedenken in den Reihen jüngerer Kameraden wiederzubeleben.
Die JLO war in den 1990er Jahren die Jugendorganisation der Landsmannschaft Ostpreußens.
Nachdem sie sich klar rechtsextrem ausrichtete und Kontakte zur NPD offensichtlich wurden,
trennte sich die Landsmannschaft von ihrer bisherigen Jugendorganisation. Die JLO
organisierte die jährlich stattfindenden Aufmärsche europäischer Faschisten anlässlich des
Jahrestages der Bombardierung Dresdens und war Sprungbrett auf der Karriereleiter junger
Neonazis im Umfeld der NPD sowie militanter Neonazis.
Ein Blick in Ausgaben des Mitgliedsblattes „Der Oberländer“ zeigt, welches Gedankengut die
„Kameradschaft“ in diesen Jahren verbreitete (Bild 23). Abgedruckt wurden Artikel aus
einschlägigen Publikationen des rechten Lagers. Völkischer Nationalismus gehörte ebenso
zur inhaltlichen Ausrichtung wie die Relativierung und Leugnung von Verbrechen des
deutschen Faschismus. Gespickt war das Mitgliedsblatt mit nationalsozialistischer Symbolik.
Verwendung fanden etwa die SS-Lebensrunen als Zeichen für Geburt und Tod.
In dem Mitgliedsblatt wird über das Oberland-Gedenken am Weinberg sowie über weitere
Aktionen der „Kameradschaft“ berichtet. Sie beteiligte sich etwa am rechtsextremen
Bild 23: Titelblatt (rechts) und Rückseite (links) des Mitteilungsblattes der „Kameradschaft“ aus dem Jahr 2007.
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Ullrichsberg-Treffen in Österreich und anderen Veranstaltungen aus dem neofaschistischen
Spektrum. Oberländer waren unter anderem bei Gedenkveranstaltungen anlässlich der
Ehrung spanischer oder italienischer Faschisten in deren Heimatländern vertreten.
Eine aggressiv revisionistische Haltung kam auch bei den Oberland-Gedenkfeiern dieser Zeit
zum Tragen. Im Mai 1994 etwa ging es dem Festredner weniger um die Gefallenen des
Freikorps, sondern vielmehr um völkisch motivierte Tagesforderungen, wie sie ebenso von
Vertretern der NPD oder DVU hätten formuliert werden können:
„Verehrte Gäste, Freunde unserer Kameradschaft, liebe Oberland-Kameraden, (…) so ist uns
dieser Gedenktag (…) ein Anlaß zur Pflege einer nationalen Tradition. (…) [Es ist geboten,]
sich auf Werte zu besinnen, die Grundlage, Voraussetzung für die Erhaltung des Lebens
unseres Volkes sind. Ein Gedenktag wie der heutige soll unser Bewußtsein vertiefen, daß nur
gemeinschaftliche Opferbereitschaft Heimat und Leben zu sichern vermag. (…) Wir
verwahren uns gegen die Bildung eines Völkerbreies. (…) Bekennen uns (…) zur nationalen
Eigenständigkeit der Völker Europas, zu einem Europa der Vaterländer. Und seien wir wieder
stolz, Deutsche zu sein.“36
Das Mitgliedsblatt „Der Oberländer“ kommentiert seine Rede mit den Worten:
„Ich glaube, ER hat ALLEN aus der Seele gesprochen, der Aplaus [sic!] zeugte davon.“37
Der von den Oberschlesiern engagierte Geistliche sagte während seiner Ansprache bei der
Oberland-Gedenkfeier 2001:
„‚Schlesien bleibt unser‘ lautete in den 80er Jahren das Motto eines Deutschlandtreffens der
Schlesier und es gab damals viel Freude darüber.“38
Bei den Kranzniederlegungen sparten ältere Kameraden nicht mit markigen Worten:
„Schlesien wird wieder deutsch werden“39 war ein Ausruf eines Gedenkredners. Jürgen Popp,
Kameradschaftsführer ab 2001 schreibt in „Der Oberländer“:
„Ich möchte noch eine Richtigstellung zu Oberschlesien vorbringen: Rechtlich ist Schlesien
auch nach Abschluß der sogenannten Ostverträge Teil des Deutschen Reiches.“ 40
Im Übrigen wird der Erzählung vom heldenhaften Kampf um das Deutschtum und dem
heroisierenden Oberland-Mythos von München 1919 und Oberschlesien 1921 gefolgt.
36 Der Oberländer Nr. 8 – 1994. 37 Der Oberländer Nr. 8 – 1994. Hervorhebungen im Original. 38 Informationsportal blick nach rechts. www.bnr.de vom 13.06.2001. 39 Antifaschistische Nachrichten. Nr. 4, 18. Jahrgang vom 14.02.2002. 40 Der Oberländer Nr. 46 – 2007.
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3.6 Ausgrenzung und Distanzierung – 2010 bis heute
Die Gemeinde Schliersee distanzierte sich in Folge der Protestaktionen des Bündnis gegen
rechtsextreme Umtriebe im Oberland und der kritischen Berichterstattung in den Medien
nach und nach von der Gedenkveranstaltung. Um ein erneutes Auftreten von
Rechtsextremisten zu verhindern, wurde 2009 der Weinberg von der Gemeindeverwaltung
an dem betreffenden Wochenende, unter dem Vorwand Baumfällarbeiten durchzuführen,
gesperrt.
Die Landsmannschaft der Oberschlesier beteuerte im Folgejahr ihre Integrität gegenüber der
Gemeinde Schliersee und führte 2010 im prominentesten öffentlichen Saal des Ortes, dem
Terofal-Saal, das Oberland-Gedenken durch. Doch auch hier traten die rechtsextremen
Akteure „Junge Landsmannschaft Ostdeutschlands“ (JLO), Burschenschaften und Aktivisten
der Kameradschaftsszene auf. Edda Schmidt, Vorsitzende der Frauenorganisation der NPD,
berichtete auf einer Online-Plattform der „Nationaldemokraten“ (NPD) von dem „Gedenken
des Bundes Oberland“41.
Infolge dieses Vertrauensbruches verlor das
Oberland-Gedenken den letzten Rückhalt in der
Gemeindeverwaltung. Eine offizielle Kooperation
oder Duldung in öffentlichen Räumen findet
seither nicht mehr statt.
Auch das katholische Pfarramt St. Sixtus
beschäftigte sich intensiver mit der Angelegenheit,
stellte in Aussicht, eine zweite, erklärende Tafel
neben dem bisherigen Denkmal anzubringen und
lud dazu ein, sich mit einem „Entwurf, sprachlich-
inhaltsmäßig und grafisch“ 42 zu beteiligen.
Vorschläge von Schlierseer Bürgern und des Bündnisses wurden wegen inhaltlicher
Differenzen allerdings teilweise in einem unsachlich forschen Ton zurückgewiesen. Die vom
erzbischöflichen Ordinariat angestrengten Bemühungen zur Lösung des Problems verliefen
daher letztlich im Sande.
Die Landsmannschaft der Oberschlesier war in den Jahren nach dem Bruch mit der Gemeinde
vorübergehend mit nur noch wenigen Personen am Oberland-Gedenken beteiligt. Doch selbst
als der harte Kern der völkisch-nationalistischen Kameraden zusammen mit militanten
41 Url: http://www.ring-nationaler-frauen.de/netzseiten/index2.php?option=com_content&task=view&id=233&pop=1&page=0&Itemid=1,
eingesehen am 11. Mai 2010 42 Schreiben Pfarramt St. Sixtus an das Bündnis gegen rechtsextreme Umtriebe vom 26.03.2009.
Bild 24: Oberland-Gedenken im Jahr 2016. In der
Mitte ist die gelb-blaue Fahne der Oberschlesier
zu sehen. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte
wurden vom Autor die Gesichter der Betroffenen
unkenntlich gemacht.
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33
Rechtsextremisten als aktive Träger des Oberland-Gedenkens übrigblieb, hielt die
Vorstandschaft der Kreisgruppe München an der zweifelhaften Kooperation fest (Bild 24).
Auch 2016 hielt Gertrud Müller die Festansprache vor den Kameraden, die ihre
Veranstaltungen nunmehr im Verborgenen abhalten. Die Vorstandschaft der
Landsmannschaft der Oberschlesier München scheut
sich nicht, inmitten der rechtsextremen Kameraden,
stolz ihre Fahnen zu präsentieren (Bild 24 und 25).
Die Auseinandersetzung um den zukünftigen Kurs
sorgt bei der „Kameradschaft“ und in dessen Umfeld
für Konfliktstoff. Auf der einen Seite sind die den
alten Kämpfern nahestehenden Bewahrer der
Tradition zu finden, die das Gedenken als
nationalistische Traditionspflege und Anlass für
Kameradschaftsabende ansehen. Auf der anderen
Seite versuchen rechtsextreme Aktivisten, das
Oberland-Gedenken zur Agitation für ihre Ziele im
nationalistischen Lager und am rechten Rand der
Gesellschaft zu nutzen.
Es kommt offensichtlich zu weiteren Streitigkeiten und Abspaltungen. Ab Mitte der 2010er
Jahre firmiert der Zusammenschluss der übrig gebliebenen Oberland-Kameraden unter dem
Namen „Traditionsverband Freikorps/Bund Oberland“. Das Mitgliedsblatt „Der Oberländer“
erscheint weiterhin und zeichnet sich wie bisher durch seine extrem rechte Ausrichtung aus.
Ab dem Jahr 2017 fungieren der Gmunder Aktivist Vinzenz J.43 und der Alt-Nazi Erwin Arlt
als Kameradschaftsführer des „Traditionsverbandes“.
Erwin Arlt machte schon in den 1970er Jahren als revisionistischer Aktivist auf sich
aufmerksam. Er war Bundesvorsitzender der „Aktion Oder-Neiße AKON e.V.“, die mit den
Mitteln aggressiver Agitation das Ziel verfolgte, die nach den beiden Weltkriegen verlorenen
Gebiete wieder zurückzuerlangen. Welche Landesgrenzen sich der AKON e.V. vorstellte,
zeigt Bild 26. Erwin Arlt war Mitbegründer der Neo-Faschistischen Partei „Deutsche
Volksunion“ (DVU) des Verlegers Gerhardt Frey und deren 2. Vorsitzender in den 1970er
Jahren. Artikel aus seiner Feder sind regelmäßig in der rechtsextremen Presse und in den
letzten Jahren auch verstärkt im Mitgliedsblatt „Der Oberländer“ zu finden.
43 Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen wird hier der Name nicht vollständig angegeben. Anders verhält es sich bei Erwin Arlt, der als Mitgründer der Partei DVU als Person der Zeitgeschichte gilt.
Bild 25: Oberland-Gedenken im Jahr 2016.
Präsentiert wird auch das von der
„Kameradschaft“ gestiftete grüne Gedenkband
des Freikorps Oberland. Die Oberschlesier
führen dieses Fahnenband bei all ihren
Veranstaltungen mit.
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34
Vinzenz J. wurde bekannt durch seine
Verurteilung zu zwei Jahren Haft wegen
Verstoßes gegen das Waffengesetz. Er hatte ein
umfangreiches Waffenlager angelegt, darunter
Schusswaffen sowie Sprengblöcke mit insgesamt
zwei Kilogramm TNT. Das Gericht stellte seine
Nähe zum Rechtsextremismus fest. Er ist in der
militanten rechtsextremen Szene bis heute
bestens vernetzt. So wurde er beispielsweise bei
einem Treffen der rechtsterroristischen Orga-
nisation „Objekt 21“ aus Österreich angetroffen. Diese erregte einiges Aufsehen wegen ihrer
brutalen Vorgehensweise, der Verquickung mit dem Rotlichtmilieu und durch das Auffliegen
ihres umfangreichen Waffenarsenals inklusive 10 Kilogramm Sprengstoff. Die
rechtsterroristische Organisation „Objekt 21“ wurde von österreichischen Behörden
verboten und aufgelöst. Es bestanden ihrerseits zahlreiche Verbindungen in die rechts-
extreme Kameradschaftsszene Deutschlands.
Auffällig ist nicht nur die Affinität des Kameradschaftsführers Vinzenz J. zum gewaltbereiten
rechtsextremen Lager. Auch die JLO, die sich seit dem Anfang der 2000er Jahre um das
Oberland-Gedenken kümmert, unterhielt Kontakte zu der rechten Terror-Organisation aus
Österreich. 44 Einzelpersonen des rechtsterroristischen „Objekt 21“ statteten der JLO
regelmäßig Besuche ab. 45 Das „Objekt 21“ hatte
wiederum zu bayerischen Aktivisten der
gewaltbereiten Kameradschaft „Freies Netz Süd“
Kontakt. 46 Fünfzehn der „Objekt 21“-Aktivisten
sind für bayerische Staatsschützer alte Bekannte.
Sie zählen zum festen Bestandteil der süddeutschen
Kameradschaftsszene, darunter der verurteilte
Rechtsterrorist Martin Wiese und der militant
rechtsextremistische Norman Bordin.47 In Bild 27 ist
zu sehen, wie in der rechtsextremen Subkultur des „Objekt 21“ die Verbrechen des
Nationalsozialismus verharmlost werden. Das T-Shirt mit der Aufschrift „University
Auschwitz. Est. 1941“ stellt eine Verhöhnung der Opfer des Holocaust dar.
Das Oberland-Gedenken erfüllte seit den 1990er aber auch noch in den 2010er Jahren ganz
offensichtlich eine wichtige Scharnierfunktion zwischen nationalkonservativem Umfeld und
44 Informationsportal blick nach rechts. www.bnr.de vom 13.06.2001. 45 Informationsportal blick nach rechts. www.bnr.de vom 17.09.2010. 46 Informationsportal blick nach rechts. www.bnr.de vom 10.08.2010. 47 Informationsportal blick nach rechts. www.bnr.de vom 04.07.2013.
Bild 26: Anzeige des „Aktion Oder-Neiße (AKON) e.V.“
in den 1970er Jahren.
Bild 27: Teilnehmer eines „Balladenabends“ in
den Räumen des „Objekt 21“.
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dem gewaltbereit-militanten rechtsextremen Lager. Die Treffen am Schliersee sorgten und
sorgen auch weiterhin für eine gute Vernetzung innerhalb der Kameradschaftsszene. Mit der
Ausgrenzung dieser Szene durch die Schlierseer Öffentlichkeit verlor die Scharnierfunktion
zum bürgerlichen Lager des Oberland-Gedenkens im Lauf der Zeit an Bedeutung.
4 Exkurs: vom Oberland über Oberschlesien nach Auschwitz
Bei der Recherche zum vorliegenden Text ist der Autor auf Berichte, Dokumente und
Informationen gestoßen, die Auskunft über die Ausgrenzung und Verfolgung von Bürgern aus
Schliersee und dem Landkreis Miesbach geben. Die Verbindung und Verstrickungen der
radikalen Rechten in der Weimarer Republik, auch im Umfeld des Freikorps- und Bund
Oberland, endeten im Holocaust und dem Mörder-Lager Auschwitz. Einige Belege aus der
Recherche werden im Folgenden vorgestellt.
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Bei den Aktionen in Oberschlesien 1921 verbreitete sich Antisemitismus und völkischer
Nationalismus unter den beteiligten Kampfverbänden und Freikorps. Das Freikorps Oberland
hatte Anteil an dieser Entwicklung. Der Autor Lohalm schreibt in seiner Publikation
„Völkischer Rassismus“:
„Als Folge des außerordentlich schnell um sich greifenden Antisemitismus setzte in den vom
Selbstschutz besetzten oberschlesischen Gebieten eine intensive antijüdische Hetze ein. Es
kam zu Ausschreitungen, die sich insbesondere gegen Ostjuden richteten. Hakenkreuze
prangten auf schwarz-weiß-roten Fahnen, an Uniformen, Fahrzeugen und Häusern.“48
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Bei der Einweihung des Schlierseer
Oberland-Denkmals im September 1923
fand eine öffentlichkeitswirksame
Verbrüderung zwischen Oberland und der
NSDAP statt. Auch SA-Einheiten erwiesen
dem Bund Oberland die Ehre. Bild 28 zeigt
den Vorbeimarsch an Bund Oberland-
Führer Friedrich Weber sowie Erich
Ludendorff und Hermann Göring. Wenige
Wochen danach marschierte der Bund
Oberland in den Reihen der Putschisten an
48 Lohalm 1970, Seite 220.
Bild 28: Vorbeimarsch der SA bei der Einweihung des
Denkmals im September 1923. Friedrich Weber, Führer des
Bund Oberland, Erich Ludendorff und Hermann Göring
nehmen die Parade ab.
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der Seite Hitlers zur Münchner Feldherrnhalle. Die Putschisten nahmen in München auch
jüdische Geiseln.
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Einheiten des Bund Oberland waren aktiv am „Hitler-Ludendorff-Putsch“ im Bürgerbräu-
keller und beim „Marsch auf die Feldherrnhalle“ beteiligt. In den Morgenstunden des 9.
November 1923 formierte sich in Miesbach ein zusätzlicher Trupp des Bund Oberland, um die
Putschisten in München zu unterstützen. Der Miesbacher Trupp fuhr mit der Bahn zum
Ostbahnhof, kam dort allerdings erst an, als der Putsch schon erfolglos zusammengebrochen
war. Glaubt man dem Bericht, waren auch Männer aus Hausham und Schliersee beteiligt:
„Die Nachricht über die Vorgänge, die durch die nationale Erhebung durch unseren Führ