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25. MARZ ~ 9 2 4 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 3. JAHtlGANG. Nr. 13 543 ()FFENTLICHES DAS TUBERKULOSEGESETZ LIND DIE BEKAMPFUNG DER TUBERKULOSE IN DER LANDLICHEN INDUSTRIE. yon Kreismedizinalrat Dr. DIETRICH, Hoyerswerda. Im Gegensatz zu der bereits jahrzehntelangen fruchtbaren T~tigkeit der auf dem Gebiete der Tuberkulosebek~mpfung mit besonderen gesundheitspolizeilichen Einrichtungen ver- sehenen GroBst~dte und Industriezentren lassen, selbst unter vielseitigen anregenden und unterstiitzenden Einflfissen, die l~ndlichen Bezirke hinsichtlich der Verbreitung des Gedankens unbedingter Notwendigkeit die unaufhaltsam um sich grei- fende ,,WeiBe Seuche" einzud~mmen, noch aul3erordentlich viel zu wfinschen fibrig. Die Hauptursache ffir dies Zurfick- bleiben ist einmal zu suchen im Mangel einer planm~tgigen Zusammenfassung aller bis dahin mehr oder weniger frei- willigen Kr~fte, der Organisation als solcher, dann aber vor allem der Vereinigung des Willens mit dem Zwang, ohne den in unserer Zeit drohender allgemeiner Aufl6sung die Verwirklichung einer groBen Idee und die Zielfreudigkeit dazu kaum gedacht werden kann. Unter diesem Gesichtspunkte sind die Bestimmungen des Gesetzes zur Bek/~mpfung der Tuberkulose vom 4. August 1923 und seiner Ausffihrungsbestimmungen zu betrachten. Gehen sie doch Hand in Hand mit denen der meisten tibrigen Wohlfahrtsgesetze der Nachkriegszeit, welche letzten Endes alle die L6sung des Wiederaufbauproblems einer k6rperlich and geistig gesunden Jugend anvertrauen. Kraftvoll Wurzel schlagen aber kann dieser tiefere Sinn des Gesetzes, wenigstens in unserer heutigen Zeit, vorwiegend auf dem wirtschaftlich noch gut gestellten und darum ffir Fragen der Volkswohlfahrt einigermaBen aufnahmef~hig gebliebenen Lande. Hier ver- mag sein Geist zwangsl~tufig tiberzugreifen auf den sich vieler- orts mehr und mehr yore Landwirt zum Fabrikarbeiter wandelnden ]3ewohner, um schlieBlich in seinen Erfolgen denen der hoehwertigen Einrichtungen nahezukommen, wie sie die aus innerer kultureller Notwendigkeit geborene Sozial- hygiene und Fiirsorge in den St~dten geschaffen und auf- zuweisen hat. Deshalb steht and f/illt auch das Tuberkulose- gesetz mit dem Optimismus seiner Erfiiller. Und wenn in allerneuester Zeit unter dem zermalmenden Druck einer hie auch nut geahnten Not bereits wieder yon einer Suspendierung des Tuberkulose- und des Jugendwohlfahrtsgesetzes ge- sprochen werden muB, so kann und darf diese niemals die obengedachte Verbindung yon Pflicht und freiem Willen beriihren oder gar 16sen -- trotz allem! Gerade in gewissen l~ndlichen Gegenden, die in der Aus- wirkung der Folgen des verlorenen Krieges eine unerwartet hohe Bedentung ftir die deutsche Wirtschaft gewonnen haben und in denen wegen ihrer Bodensch~tze und ihrer Besie- delungsm6glichkeit eine sehr rasclhe Industrialisierung vor sich geht -- es sei erinnert an das mitteldeutsche and Lau- sitzer Braunkohlenrevier -- muB eine geordnete Wohlfahrts- pflege and deren zur Zeit wohi nXchstliegendster and wich- tigster Zweig, die Tuberkulosebek~Lmpfung, yon Anfang an mit iener eng -r und auf den tragf~higeren ]3oden der ArbeitsgemeinsehaJt gestellt werden. Einen unumg~nglichen Bestandteil dieses Bodens bildet Ierner bei der Verschieden- heit der 6rtlichen Verh~ltnisse, die kein Schema vertragen, die per8Snliche 1Vote, die seitens der berufenen Trgger des Gesetzes beizubringen ist, und schliel31ich als gleichwichtige Forderung die einer zweckm~13igen, nicht planlosen GescMi]ts- /iihrung. Diese drei Grundsteine erm6glichen eine Ein- und Durchfiihrung des Gesetzes -- sit venia verbo -- auch ohne Geld, Zum mindesten verbilligt ihr Vorhandensein in her- vorragendem MaBe die einzelnen Ffirsorgemaflnahmen, sicher abet erm6glicht es das Durchhalten des Beratungs- und Be- Iehrungsdienstes und damit die fortdauernde Wacherhaltung GESUNDHEITSWES EN. des Willens der Kranken, ,,ihr Geschick selbst in die Hand zu nehmen". Bei der jetzigen ~uBersten Betriebseinschr~nkul~g der Heilst~tten, ohne materielle Zuwendungen, ohne wirksame Abhilfe der Wohnungsnot, ja sogar nur zu oft ohne die bisher selbstverst~ndliche regelrechte ~rztliche ]3ehandlung, wird die Tuberkulosebek~mpfnng vorl~tufig fiber Wasser gehalten werden mfissen. Ihr Gesetz abet weist diese in verst~rktem Umfange zu begehenden Wege, selbst wenn neben den ge- nannten Dingen das kraftvollste, yore Gesetzgeber gleichsam versprochene Hilfsmittel der staatlichen Finanzierung aus- fallen mfiBte und voraussichtlich so gut wie ausfallen wird. Die Kleinarbeit auI unserem Gebiete a.ber, die sich liebevoll mit jedem einzelnen Falle befal3t, hat dann mehr denn je einen wirklichen Ersatz fiir alles das zu bilden, was jetzt infolge h6herer Gewalt tats~chlich fiber unser aller Kraft geht. Von diesem Standpunkte aus wurde seit dem Jahre 1919 im Wirkungskreise des Verf. an das Problem einer yon Widrigkeiten weitgehend unabh~ngigen systematischen Tuberkulosebek~mpfung herangetreten. Den zu bearbeitenden Grand und Boden stellte der Kreis H. dar, als ungef~hrer 1VIittelpunkt des aus erwi~hnten Ursachen in besonderem Grade aufblfihenden Lansitzer Braun- kohlengebietes. Die besorgniserregende 5rtliche Tuberkulose. stafistik gab einerseits den Anstol3 zu der Bewegung, withrend andererseits die allgemeine volkswirtschaftliche Umstellung des Landes mit seinem Zuzng betr~chtlicher Arbeitermassen und allen dazugeh6rigen Begleiterscbeinungen eine frflh- bzw. rechtzeitige Inangriffnahme nicht nur praktisch-hygienischer, sondern vielmehr auch allgemein volkserzieherischer MaBnahmen geradezu heraus- forderte. Dementsprechend galten die Vorarbeiten der Erweekung des aktuellen lnteresses bei der Bev61kerung. AnschlieBend an die dnrch Landrat und Kreisarzt vorgenommene Grfindung des dem Deutschen Zentralkomitee z. B. d. T. angegliederten, naeh bestimmter AuswabI seiner Mitglieder zusammengesetzten Orts- ausschusses Ianden in monatelanger Folge eine den ganzen Kreis umgreifende Reihe yon Au/kliirungsvortrdigen durch den Kreisarzt start, die "con Zeit zu Zeit in wechselnder, neu fesselnder Form, insbesondere unter wirkungsvoller Benutzung des Films wiederholt wurden. Eine wichtige Nebenrolle spielte dabei die bis heute fort- gesetzte ausgiebige Verwendung der verschiedenen bekarmten, zum Teil vorzfiglichen Merkblditter, die der Zahl nach in die I-tand jedes Kreiseingesessenen gelangt sind, abgesehen yon der Wirkurtg der allerorts, nicht zuletzt an den Arbeitsst~tten, angeschlagenen ein- dringlichen Au/ru/e an die Bev/51kerung zur Mitarbeit in jeder Form. Der inhere wie gnBere Erfolg dieser MaBnahmen, besonders der zwar mi~hsamen, aber dutch ein aus psychologischen Grfinden nicht zn gering bemessenes Eintrittsgeld ihre Kosten meist selbst deckenden Vortrgge entsprach den Erwartungen: Eine yon er- wflnschter, leicht hypochondrischer Unterstr6mung getragene Welle des Interesses an der anfgew0rfenen 6ffentlichen Frage erfagte die Einwohnersehaft und halt sie bis genre gefangen, ein Bestand yon etwa IOOO bereits jahrelangen Mitgliedern des Kreis- vereines sichert in Gestalt terminmXBiger Sitzungen zwar nicht die mater[elle, so doch die nicht minder wichtige geistige Lebens- f~higkeit des Gedankens, die in der unverminderten, zum Teil sehr lebhaften Inanspruchnahme der IO Ffirsorgestellen sowie der dem Kreiswohlfahrtsamte verwaltungstechnisch angeschlossenen Gesch4i/ts/i~hrung des Vereines, dann in den gegen frfiher weft zuhl- reicher und besser eingehenden MeZdungen and der Steigerung der Zahl der Des~nJel~tionen ihren merkbaren Niederschlag findet. Eine besondere Fornl der Werbet~tigkeit, n~mlich die vermittels der 6rtlichen Pres'se, erscheint hier noch erw~hnenswert: Die in ihrer Einfachheit mad lapidaren Kraft der Vermittlung gesundheit- lichen Wissens nnfibertroffenen Bilder des bekannten Dohrnschen Tuberkulosemerkblattes wurden mit erweitertem Text in meh- r eren, je 2--4monatlichen Serien in den am meisten gelesenen Ortsbl~tter~ gebracht. Das gfinstige Ergebnis dieser MaBreget dfirfte in der ebenso gefNligen wie nachhaltigen Heranbringung des Lehr- stoffes bis an die Bewohner des letzten Haidehauses zu finden sein (vgl. Zeitschr. f. lV[edizinalbeamte 1921, S. 369). Die oben geschilderte ideelle Grundlage wurde yon atlem An- fang an befestigt und erg~nzt durch die wir/csehaftliche, geldliche Sicherstellung der yon einer stets sich mehrenden Anzahl Schultern getragenen Einrichtung. tgs geschah dies durch die weitschauende, verst~ndnisvoll grol3zglgige Kreisleitung, der die Bereitstellung einer die dringlichsten Kosten aufbringenden Kreisbeihilfe und deren jeweilige Anpassung an die Geldentwertung zu danken ist, abgesehen yon einer all~Ahrlich organisierten Erwirkung namhafter Beitr~ge

Das Tuberkulosegesetz und die Bekämpfung der Tuberkulose in der Ländlichen Industrie

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Page 1: Das Tuberkulosegesetz und die Bekämpfung der Tuberkulose in der Ländlichen Industrie

25. MARZ ~ 9 2 4 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 3. J A H t l G A N G . Nr . 13 543

()FFENTLICHES DAS TUBERKULOSEGESETZ LIND DIE BEKAMPFUNG DER TUBERKULOSE IN

DER LANDLICHEN INDUSTRIE.

y o n

K r e i s m e d i z i n a l r a t Dr . DIETRICH, H o y e r s w e r d a .

I m Gegensa tz zu de r be re i t s j a h r z e h n t e l a n g e n f r u c h t b a r e n T~ t igke i t der auf d e m Geb ie te der T u b e r k u l o s e b e k ~ m p f u n g mi t b e s o n d e r e n gesundhe i t spo l ize i l i chen E i n r i c h t u n g e n ver- s ehenen GroBs t~d te u n d I n d u s t r i e z e n t r e n lassen, se lbs t u n t e r v ie lse i t igen a n r e g e n d e n u n d u n t e r s t i i t z e n d e n Einflf issen, die l~nd l ichen Bez i rke h in s i ch t l i ch de r V e r b r e i t u n g des G e d a n k e n s u n b e d i n g t e r N o t w e n d i g k e i t die u n a u f h a l t s a m u m sich grei- fende , ,WeiBe Seuche" e i n z u d ~ m m e n , n o c h au l3erordent l ich viel zu wf inschen fibrig. Die H a u p t u r s a c h e ffir dies Zurf ick- b l e iben i s t e i n m a l zu suchen im Mange l e iner p lanm~tgigen Z u s a m m e n f a s s u n g al ler bis d a h i n m e h r oder wen ige r frei- wil l igen Kr~fte , der O r g a n i s a t i o n als solcher, d a n n abe r vor a l lem der Ve re in igung des Wi l lens m i t d e m Zwang, ohne den in unse re r Zei t d r o h e n d e r a l lgemeiner Auf l6 sung die Ve rwi rk l i chung e iner groBen Idee u n d die Zie l f reudigke i t dazu k a u m g e d a c h t w e r d e n k a n n .

U n t e r d iesem G e s i c h t s p u n k t e s ind die B e s t i m m u n g e n des Gesetzes zu r Bek/~mpfung der T ube r ku l o s e v o m 4. A u g u s t 1923 u n d se iner A u s f f i h r u n g s b e s t i m m u n g e n zu b e t r a c h t e n . G e h e n sie doch H a n d in H a n d m i t d e n e n der m e i s t e n t ibr igen W o h l f a h r t s g e s e t z e der Nachkr iegsze i t , welche l e t z t en E n d e s alle die L 6 s u n g des W i e d e r a u f b a u p r o b l e m s e iner k6rpe r l i ch a n d geis t ig ge sunden J u g e n d a n v e r t r a u e n . Kra f tvo l l Wurze l s ch l agen abe r k a n n dieser t iefere S inn des Gesetzes, wen igs t ens in unse re r h e u t i g e n Zeit , vo rwiegend auf d e m wi r t s cha f t l i ch noch gu t ges te l l ten u n d d a r u m ffir F r a g e n der V o l k s w o h l f a h r t e in ige rmaBen a u f n a h m e f ~ h i g geb l i ebenen Lande . H ie r ver- m a g sein Geis t zwangsl~tuf ig t iberzugre i fen auf den sich vieler- or ts m e h r u n d m e h r yore L a n d w i r t z u m F a b r i k a r b e i t e r w a n d e l n d e n ]3ewohner, u m schlieBlich in se inen Er fo lgen d e n e n der h o e h w e r t i g e n E i n r i c h t u n g e n n a h e z u k o m m e n , wie sie die aus i nne r e r ku l tu re l l e r N o t w e n d i g k e i t geborene Sozial- hyg i ene u n d Fi i r sorge in den S t ~ d t e n geschaf fen u n d auf- zuweisen ha t . D e s h a l b s t e h t a n d f/illt a u c h das Tube rku lose - gesetz m i t d e m O p t i m i s m u s se iner Erfii l ler. U n d wenn in a l l e rneues te r Zei t u n t e r d e m z e r m a l m e n d e n D r u c k e iner h ie a u c h n u t g e a h n t e n N o t bere i t s wieder yon e iner S u s p e n d i e r u n g des Tube rku lo s e - u n d des J u g e n d w o h l f a h r t s g e s e t z e s ge- sp rochen werden muB, so k a n n u n d da r f diese n i ema l s die o b e n g e d a c h t e V e r b i n d u n g yon P f l i ch t u n d f re iem Wi l l en b e r i i h r e n oder gar 16sen -- t r o t z a l lem!

Gerade in gewissen l~nd l ichen Gegenden , die in der Aus- w i r k u n g der Fo lgen des ve r lo renen Krieges e ine u n e r w a r t e t hohe B e d e n t u n g ftir die deu t s che W i r t s c h a f t gewonnen h a b e n u n d in d e n e n wegen ih r e r B o d e n s c h ~ t z e u n d ih re r Besie- de lungsm6g l i chke i t e ine sehr rasclhe I n d u s t r i a l i s i e r u n g vor s ich geh t -- es sei e r i n n e r t a n d a s m i t t e l d e u t s c h e a n d Lau - s i tzer B r a u n k o h l e n r e v i e r -- muB eine geo rdne te W o h l f a h r t s - pflege a n d de ren zu r Zei t w o h i nXchs t l i egends te r a n d wich- t ig s t e r Zweig, die Tuberkulosebek~Lmpfung, yon A n f a n g an m i t i ene r eng -r u n d auf den t r a g f ~ h i g e r e n ]3oden der ArbeitsgemeinsehaJt geste l l t werden. E i n e n u n u m g ~ n g l i c h e n B e s t a n d t e i l dieses Bodens b i lde t Ie rner bei der Versch ieden- he i t der 6 r t l i chen Verh~l tn isse , die kein S c h e m a ve r t r agen , die per8Snliche 1Vote, die se i tens der b e r u f e n e n Trgge r des Gesetzes b e i z u b r i n g e n ist, u n d schliel31ich als g le ichwicht ige F o r d e r u n g die e iner zweckm~13igen, n i c h t p l an losen GescMi]ts- /iihrung. Diese dre i G r u n d s t e i n e e rm6g l i chen eine E in - u n d D u r c h f i i h r u n g des Gesetzes -- s i t v e n i a v e r b o - - a u c h ohne Geld, Z u m m i n d e s t e n ve rb i l l ig t ih r V o r h a n d e n s e i n in her- v o r r a g e n d e m MaBe die e inze lnen F f i r so rgemaf lnahmen , s icher a b e t e r m 6 g l i c h t es das D u r c h h a l t e n des B e r a t u n g s - u n d Be- I eh rungsd iens te s und d a m i t die f o r t d a u e r n d e W a c h e r h a l t u n g

GESUNDHEITSWES EN. des Wi l lens der K r a n k e n , , , ihr Geschick se lbs t in die H a n d zu n e h m e n " . Bei de r j e t z igen ~uBers ten Be t r i ebse inschr~nkul~g der He i l s t~ t t en , ohne mate r ie l l e Z u w e n d u n g e n , ohne w i r k s a m e Abhi l fe de r W o h n u n g s n o t , j a sogar n u r zu of t ohne die b i she r s e lbs tve r s t~nd l i che rege l rech te ~rz t l iche ]3ehandlung, wird die T u b e r k u l o s e b e k ~ m p f n n g vorl~tufig fiber W a s s e r geha l t en werden mfissen. I h r Gesetz a b e t weis t diese in v e r s t ~ r k t e m U m f a n g e zu b e g e h e n d e n Wege, se lbs t w e n n n e b e n den ge- n a n n t e n D i n g e n das k ra f tvo l l s te , yore Gese tzgeber g le ichsam ve r sp rochene H i l f smi t t e l de r s t a a t l i c h e n F i n a n z i e r u n g aus- fa l len mfiBte u n d vo rauss i ch t l i ch so g u t wie ausfa l len wird. Die Kleinarbeit auI u n s e r e m Geb ie te a.ber, die s ich l iebevol l m i t j e d e m e inze lnen Fal le befal3t, h a t d a n n m e h r d e n n je e inen wi rk l i chen E r s a t z fiir alles das zu bi lden, was j e t z t infolge h6he re r Gewa l t t a t s ~ c h l i c h f iber unse r al ler K r a f t geht .

Von diesem Standpunkte aus wurde seit dem Jahre 1919 im Wirkungskreise des Verf. an das Problem einer yon Widrigkeiten weitgehend unabh~ngigen systematischen Tuberkulosebek~mpfung herangetreten. Den zu bearbei tenden Grand und Boden stellte der Kreis H. dar, als ungef~hrer 1VIittelpunkt des aus erwi~hnten Ursachen in besonderem Grade aufblfihenden Lansitzer Braun- kohlengebietes. Die besorgniserregende 5rtliche Tuberkulose. stafist ik gab einerseits den Anstol3 zu der Bewegung, withrend andererseits die allgemeine volkswirtschaftl iche Umstel lung des Landes mit seinem Zuzng betr~chtl icher Arbeitermassen und allen dazugeh6rigen Begleiterscbeinungen eine frflh- bzw. rechtzeitige Inangriffnahme nicht nur praktisch-hygienischer, sondern vielmehr auch allgemein volkserzieherischer MaBnahmen geradezu heraus- forderte. Dementsprechend galten die Vorarbei ten der Erweekung des aktuellen lnteresses bei der Bev61kerung. AnschlieBend an die dnrch Landra t und Kreisarzt vorgenommene Grfindung des dem Deutschen Zentralkomitee z. B. d. T. angegliederten, naeh bes t immter AuswabI seiner Mitglieder zusammengesetzten Or t s - ausschusses Ianden in monatelanger Folge eine den ganzen Kreis umgreifende Reihe yon Au/kliirungsvortrdigen durch den Kreisarzt start , die "con Zeit zu Zeit in wechselnder, neu fesselnder Form, insbesondere unter wirkungsvoller Benutzung des Films wiederholt wurden. Eine wichtige Nebenrolle spielte dabei die bis heute fort- gesetzte ausgiebige Verwendung der verschiedenen bekarmten, zum Teil vorzfiglichen Merkblditter, die der Zahl nach in die I-tand jedes Kreiseingesessenen gelangt sind, abgesehen yon der Wirkurtg der allerorts, nicht zuletzt an den Arbeitsst~tten, angeschlagenen ein- dringlichen Au/ru/e an die Bev/51kerung zur Mitarbei t in jeder Form. Der inhere wie gnBere Erfolg dieser MaBnahmen, besonders der zwar mi~hsamen, aber dutch ein aus psychologischen Grfinden nicht zn gering bemessenes Eintr i t tsgeld ihre Kosten meist selbst deckenden Vortrgge entsprach den Erwar tungen: Eine yon er- wflnschter, leicht hypochondrischer Unters t r6mung getragene Welle des Interesses an der anfgew0rfenen 6ffentlichen Frage erfagte die Einwohnersehaft und ha l t sie bis genre gefangen, ein Bestand yon etwa IOOO bereits jahrelangen Mitgliedern des Kreis- vereines sichert in Gestalt terminmXBiger Sitzungen zwar nicht die mater[elle, so doch die nicht minder wichtige geistige Lebens- f~higkeit des Gedankens, die in der unverminderten, zum Teil sehr lebhaften Inanspruchnahme der IO Ffirsorgestellen sowie der dem Kreiswohlfahrtsamte verwaltungstechnisch angeschlossenen Gesch4i/ts/i~hrung des Vereines, dann in den gegen frfiher weft zuhl- reicher und besser eingehenden MeZdungen and der Steigerung der Zahl der Des~nJel~tionen ihren merkbaren Niederschlag findet. Eine besondere Fornl der Werbet~tigkeit , n~mlich die vermittels der 6rtl ichen Pres'se, erscheint hier noch erw~hnenswert: Die in ihrer Einfachheit mad lapidaren Kraft der Vermit t lung gesundheit- lichen Wissens nnfibertroffenen Bilder des bekannten Dohrnschen Tuberkulosemerkblat tes wurden mit erweitertem Text in meh- r eren, je 2 - -4mona t l i chen Serien in den am meisten gelesenen Ortsbl~tter~ gebracht. Das gfinstige Ergebnis dieser MaBreget dfirfte in der ebenso gefNligen wie nachhalt igen Heranbr ingung des Lehr- stoffes bis an die Bewohner des letzten Haidehauses zu finden sein (vgl. Zeitschr. f. lV[edizinalbeamte 1921, S. 369).

Die oben geschilderte ideelle Grundlage wurde yon atlem An- fang an befestigt und erg~nzt durch die wir/csehaftliche, geldliche Sicherstellung der yon einer stets sich mehrenden Anzahl Schultern getragenen Einrichtung. tgs geschah dies durch die weitschauende, verst~ndnisvoll grol3zglgige Kreisleitung, der die Bereitstellung einer die dringlichsten Kosten aufbringenden Kreisbeihilfe u n d d e r e n jeweilige Anpassung an die Geldentwertung zu danken ist, abgesehen yon einer all~Ahrlich organisierten Erwirkung namhaf ter Beitr~ge

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dutch Herantreten an das Kapital des Is::reises, Groggrundbesitz und Industrie. Kann auch bier, wie bei der oben besprochenen Werbearbeit yon gfinstigen Ergebnissen berichtet werden, die in der bisherigen Aufrechterhaltung des gesamten, etwa 4oo Kranke und doppelt so viele Verdachtige umfassenden, den alle Wohlfahrt niederwerfenden St~rmen der Gegenwart trotzenden und darum so ungemein wertvollen Ffirsorgebetriebes sichtbar werden, so liegt auch bier des so oft er6rterten R~tsels L6sung in derjenigen der personellen Frage, in der bewul3ten Verwertung des bedeutungs- vollen Verh~ltnisses des Wie zum Was in Anbetracht der er- strebten Leistung. Diese Leistung abet grflndet sich, wie immer wieder herv0rgehoben zu werden verdient, ganz weseatlich auf der getanen Kleinarbeit des Alltags und selbstzufassendem Ant- und Zusammenbauen einzelner, oft sperriger Steine. Mit dem Ab- stecken des Gel~ndes und der noch so sachverstandigen Bauleitung allein ist es, wie mich bedflnken will, nicht getan. Hier scheitern nut zu h~ufig selbst die begeistertsten und vom besten Willen be- seelten ,,Unternehmer".

Eine vielleicht bureaukratisch anmutende Genauigkeit der fiir- sorgegrztlichen Buchftihrung unter Berticksichtigung wissen- schaftlicher und statistischer Verwendbarkeit des entstehenden Materiales, das in den einzelnen, jeden Pflegling gesondert be- handelnden Fi~rsorgebogen niedergelegt wird, zeigt die vollzogene Umsetzung der oben aufgestellten Forderung in die Praxis. Nut auf diesem Wege vermochte die Ffirsorge ihren anfangs engen Pflichtenkreis allm~hlich zu erweitern dutch Einzelarbeit auf dem Gebiete der Kinder- and Wohnungsffirsorge und dem der Heil- verfahren, das heute, wo die Aufgabe der Erfassung der Kranken and Gef~hrdeten im groBen und ganzen als vollendet angesehen werden dart, das Hauptfeld der Bet~tigung yon Arzt, Ffirsorgerin and Gesch~ftsffihrer darstellt. Die tats~chliche Durchffihrnng not- wendig erachteter FfirsorgemaBnahmen, der das Gesetz bekannt- lich besonderen Wert beilegt, war und ist gerade in der l~ndlichen Industrie mit ihrer Mannigfaltigkeit der ~uBeren Bedingungen nut denkbar in Gestalt der Bearbeitung des einzelnen FaIies und der Vertretung seiner Belange bei alien irgendwie in Frage kommenden und beteiligten Stellen. Von geradezu ausschlaggebender Bedeutung erwies sich dieser bisweilen zwar umsfandliche und zeitraubende, aber als durchaus gangbar befundene Weg bei Unbemittelten und dem nichtversichertenMittelstande., Hier vermochte die Verwirk- lichung des Fflrsorgegedankens die segensreichsten Frfichte zu zeitigen. Hinsichtlich der besonderen dabei einzuschlagenden Wege dart auf die in die ,,Ver6ffentlichungen a. d. Gebiete der Medizinalverwaltung" (Heft i7o ) aufgenommene Arbeit des Verf. ,,Drei Nachkriegsjahre lXndlich-industrieller Tuberkulosebek~mp- fang" verwiesen werden. Jene zusammenfassend m6ge gesagt sein, daB, wie flberall, auch in der Tuberkulosebek~mpfung das Geb~ude einer weithin sichtbaren straiten, taten~ und erfolg- begleiteten Organisation dieser selbst zu Achtung und Anerkennnng verhilft, deren gelegentlichen materiellen Ansprfichen sich auch Fernerstehende ebensowenig wie auf anderen Gebieten der freien Liebest~tigkeit zu entziehen verm6gen.

Ich glaube im vorstehenden den Nachweis erbracht zu haben, dab sich die zwei Forderungen, die das Gesetz stellt, bei einigermallen ernsthafter und gemeinsamer Arbeit unter allen Umst~nden auf dem Lande ohne kostspieligen Apparat ebenso erffillen lassen wie in der Stadt: Die ErJassung der Kranken und die Verhi2tung der Ansteckung, insbesondere bei den gefXhrdeten Kindern. Die Hauptaufgabe hierbei f~llt zweifellos der Ffirsorge- bzw. der Gemeindeschwester zu, der bekanntlich einzig in Betracht kommenden Vermitt- lerin gesundheitliehen Wissens, Denkens und Handelns in denjenigen Volkssehichten, welche diese Vermitt lung am nStigsten haben und die gerade in der l~ndlichen Industrie gemeinsam betreut zu werden verm6gen: der dutch den t~glichen, heutigentags unerh6rt aufreibenden Kampf urns Dasein bildungsmatte Arbeiter, der bislang verkehrsentlegene bildungsrfickst~ndige Landmann An sie kommt das Gesetz nur heran durch die ]reie eharitative WohlJahrts~Jlege, die Ffir- sorge im engeren Sinne. Angesichts deren Not und Bedr~ng- nis und des dadurch drohenden Eingehens zahlreicher Ge- meindepflegestationen ist der letzteren Erhal tung selbst im Zusammenbruch unserer Wirtschaft yon tiberragender Be- deutung, nicht zuletzt ffir die Abwehr der Seuchen fiberhaupt: Die praktische Arbeit dieser Stationen stellt damit die festeste und einzige unmittelbare Waffe gegen die Tuberkulose auf dem Lande dar. DaB dabei die Begriffe yon ,,Erfassnng" und ,,Verhfitung" auBerordentlich viel welter zu fassen sind, als sie der Wort laut des Gesetzes vorsieht, bedarf nur eben

der Erw~hnung. Dieser bewirkt in Landkreisen die Erfassung der Kranken an sich dutch die amtliche Meldung eines an Tuberkulose Erkrankten oder Verstorbenen seitens des be- handelnden Arztes an den Kreisarzt. Auf Grund der bei der Einftihrung des Krfippelgesetzes gemachten Erfahrungen kann auch hier mit einer baldigen, nahezu restlosen Kenntnis- nahme aller F~tlle gerechnet werden, zumal das bereits vor- liegende Material der Fiirsorgestellen mit zu verwenden ist. Trotzdem vermag m. E. die amtliche Liste auch nichtamt- licher Meldungen, gerade fiir entlegene Landesteile, seitens aller Organe der Ffirsorge nicht zu entraten, da sich j a heute mehr denn je leider viele Kranke aus verschiedenen Griinden wie 6rtlicher Entfernung yon Arztsitzen, NotIage, Indolenz oder Unkenntnis der Art des Leidens nicht in ~rztlicher Be- handlung befinden. Die l:lbermittlung des Gesetzes and seiner Ausffihrungsbestimmungen sowie freigemachter Meldekarten an die einzelnen Jkrzte und Schwestern, wie sie im Kreise H. veranlaBt wurde, ist ffir die beabsichtigte Erfassung durch dergestalte Erleichterung der Meldepflicht und die nie zu vernachl~tssigende Erzeugung lebhafter innerer Anteilnahme vorteilhaft.

Die anschlieBende eigentliche Ffirsorge fibernimmt die Ftirsorgestelle, als welche auf dem platten Lande auch ohne weiteres die zust~ndige Gemeindepflegerin und die Hebamme zu gelten hat. Deren im engeren durch den w 5 der Aus- fiihrungsbestimmungen klar umschriebene Aufgabe ist zu- n~chst die der Vermitt lung diagnostisch einwandfreier ~rzt- Iicher Untersuchung in der Ffirsorgestelle. In den meisten Landkreisen wird damit der Kreisarzt deren Tuberkul6se als seine besonderen Pflegebefohlene~ pers6nlich kennen lernen. Als ein anderer Fortschri t t dart aber die Bereit- willigkeit einzelner Land~rzte, selbst die Obliegenheiten der Ffirsorge fiber ihre tuberkulosekranken Patienten zu fiber- nehmen, angesehen werden. Dieser Umstand gew~hrt er- freulichste Aussichten in bezug auf das allgemache Einziehen des Ftirsorgegedankens in die H~user der praktischen Arzte. \u irgendwo, so ist es hier wiederum die pers6nliehe Note, die auf Grund der Beziehungen des Kreisarztes zum nichtbeamteten Arzte, deren Pflege die Dienstanweisung vorschreibt, den Dienst enflastet and f6rdert zugleich.

Eine wertentspreehende Bezahlung nebenamtlicher ~rzt- licher Ffirsorgearbeit ist wohl tiberall zur Zeit ausgeschlossen. Die m6glichste Fernhaltung yon Schreibarbeit jedoch durch diesbeztigliches Eingreifen der Fiirsorgestelle und ihrer Tr~tger, die Bereitstellung des notwendigen diagnostischen Materiales, Tnberkulin, Auswurfversandgef~Be, Merkbl/~tter usw. an die betr. ~rz te gew~hrt, wie die Erfahrung gelehrt hat, Hilfen der neben der Praxis zu leistenden Arbeit, die sich 6fters in dankenswertem Verzicht aug Entsch~digung ~uBern. Freilich dient dies alles nur der rein sachlichen, in ganz geringem MaBe der materiellen Fiirsorge. Die Frage der letzteren muB ja bis auf weiteres g~nzlich often und ungel6st bleiben. Da- fiir ist das angedeutete, mit kostenlosen oder doch erschwing- lichen Mittein anzugehende Ziel der Erfassung einer- und der Prophylaxe andererseits auch in den geltenden Zeitl~uften zu erreichen und nach bestem Ermessen auszudehnen. Es gilt bier eine eindringliehe Vereinigung aller irgendwie be- teiligten KrMte und nicht zuletzt die bereits begrfindete l~lbernahme der zwar gemeinhin gefiirchteten, m. E. aber durchaus tragbaren Last der schriftlichen Niederlegung des Geleisteten und zu Leistenden in kurzer, aber ersch6pfender F~rsorgereglstratur, um durch stete l)bersichtlichkeit des Arbeitsfeldes dessen Grenzen beurteilen zu lernen. K6nnen wir dem Kranken nicht helfen, so nennt uns der Ffirsorge- bogen seine Angeh6rigen, seine Kinder, bei denen die andere, gleichwichtige Arbeit, die Vermeidung oder Unwirksam- machung der Ansteckung zu beginnen hat. Aus diesem Grunde wurde oben neben der der dienstlichen Listenffihrung des Kreisarztes einer geordneten Buch- und GeschMtsfiihrung der Ffirsorgestellen das Wort gesprochen. Deren Unterlagen und Ergebnisse aber er6ffnen bei gleichzeitigem wissenschaft- lichen und statistischem Nutzen M6glichkeiten hinsichtlich der r~umlichen Erweiterung bew~hrter Ifirsorgerischer Grund-

Page 3: Das Tuberkulosegesetz und die Bekämpfung der Tuberkulose in der Ländlichen Industrie

25. MARZ 1924 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 3. J A H R G A N G . N r . 13

sgtze und B a h n e n auf gr6Bere, wi r t schaf t l i ch sich gleichende Ffirsorgebezirke und de ren Organis ie rung zu beh6rd l ich an- e rkann ten , e inhei t l ich gelei~eten Arbeitsgemeinseh~flen. Deren ies tem, d u t c h den Geise des Gesetzes ge t r agenem und ge= s i che r t em Geffige dfirfte d a n a auch in Ai lsehung seiner Be- d e u t u n g ffir die Gesamthe i t die in Auss ich t g e n o m m e n e t a t - kr~!ftige geldliche U n t e r s t i i t z n n g yon S taa t s wegen auf die Daue r n i ch t zu versagen seth.

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Die endliche Rf ickkehr / iuBeren wie inneren R u h e z u s t a n d e s des deu i schen Volkes abet, die Vorherrscha~t des Sinnes fiir das N~ichsterreichbare an Stelle des Wf inschenswer t en und sein d e m e n t s p r e c h e n d e r iolgerichfiger seelischer Zusammen- schluB ist anges ichts der eben in zerst6reDder Hef t igke i t tobenden , aus der a l lgemeinen N o t geborenen, jedoch per- sonell ob jek t iv ie r t en Ex i s t enzk i impfe gerade seiner berufei len Wohl fahr t s t r l tge r G r u n d b e d i n g u n g fa r j eden W i e d e r a u f b a u

REFERATENTEIL. EINZELREFERATE UND BUCHBESPRECHUNGEN.

ALLGEMEINES. O Spezielle Pathologie und Therapie innerer Krankheiten. Hrsg. yon FR. Kt~AUS und TH. 131RUGSCH. Liefg. 333--.38o. 13erlin u. Wien: Urban & Schwarzenberg 1923.

Das grol3zfigige Werk schreitet seiner u entgegen; die Mehrzahl der ]3Xnde ist jetzt bereits vollstis erschienen. Die zum Referate vorliegendeu Lieferungen halten sich durchweg auf der HOhe der Irfiheren. Das viele Neue, was vorgebracht wird, namentlich das sorgf~Lltige Eingehen aui die Zusammenh~.nge der einzelnen Krankheitserscheinungen rnit Eragen der allgemeinen Pathologie, die trotz erschLp~ender u knappe Darstel- lung kehrt wie in den meisten frfiheren 13eitr~igen auch bier wieder. Leider verbietet es der Raum auf die einzelnen Beitrfige genauer ein- zugehen. Da Kritik immer etwas ausffihrlichere Begrfindung heischt, mul3 ich darauf hier verzichten, obwohl manches zu kritischer 13e- sprechung anffordert. Aus der Kinderheilkunde berichtet Pi REYHER fiber ,,Morbus Barlow", It. ECKERT fiber ,,Pathologie und Therapie des Mteren Kindes". Das im letzten ]ahrzehnt mit neuen Ideen befruchtete Gebiet ,,Beziehungen der Geburtshil/e und Gyn~kologie zur inneren ~3/ledizin" bearbeiteten X. FEANZ und 13. ZONDEK. Aus der Nervenheilkunde finden sich Abhandlungen yon A. KUTZIN- SKI fiber,,Hysterie", yon E. S~rlER fiber ,,Neurasthenie" und,, Trauma- 2ischeNeurose", yon W. ALEXANDER fiber ,,Besehd/tigungsneurosen", yon M. DE CRINIS fiber ,,Epilepsie", yon T. COHN fiber., Ldhmung der peri/pher~sehen Herren", yon W .ALEXANDER fiber, ,iVeuralgie und Neu- r fiber ,,Myalgie'" ned fiber ,,Polyneuritis", yon P. SC~VS~rER fiber ,,Wirbels~ulenerlc:rankungen", yon tt . BING fiber ,,Topische Gehirndiagnostik". Die Lehre yon Giften und Vergiftungen leitet E. STARKENSTEIN rnit einer Abhandlung fiber ,,Allgemeine Sym- ptomatoloqie, Diagnostik, Prophylaxis und Therapie'" ein. Dann folgen ,,Anorganische Gifle" yon dem gleichen Autor, ,,Gi/te der alipha~isehen, d~r Benzol- und Naph$halinreihe", yon J. POHL, ,,Alka!oide , Glykoside, Saponine, Gi]~pilze, hautreizende Pflanzen, Gi]ttiere" yon E. Ros% ,,Nahrungsmittelvergl]tungen ba]cterieller Herkun/t" yon 0. SPITTA. Ganz eigenartig, wie alle Bficher des Verf., weit fiber das im Titel Angedeutete hinausgreifend, eine Ffille yon Anregung bietend, aber auch zu mancheln kritischen Worte berechtigend ist die Abhandlung yon FR. I(RAUS fiber ~,InsuJfizienz des Kreislaufes". Ihr folgen die 13eitriige yon g. BLU- ~ENFELDT fiber ,,Angeborene Herz- und Ge]gfl~ran~helten" und yon E. L E s c m ~ fiber ,,Endos Arts dem Gebiete der Lungenkrankheiten berichtet E. STUERTZ fiber ,,LungenLdem, F. M. GROEDEL fiber ,,Lungensyphilis", X. 1RETZLAF~ fiber ,,Lungen- aktiuomykose", 0. 13Ruins im u mit W. EWla fiber ,,l~ ''. Den Scblut3 des II. ]3andes des Werkes (Infektionskrankheiten: in Wirklichkeit 3 stattliche 13gnde) bilden die 13eitr~ige yon FR.MUNK fiber ,,Fi~nJtage- oder Wolhynisches Fieber'" und fiber ,,Typhus exanthematleus" nnd eine zusammenfassende, jedenfalls sehr will- kommene Darstellung you C. LARGE fiber ,,Lumbalpunktion und Liquordiagnostis Alle Lieferungen sind reiehlich mit sch6nen Abbildungen ausgestatte L C . v . NOORDEN, Frankfurt a. M. O Die Leibesfibungen. Ihre biologisch-anatomischen Grundlagen, Physiologie und Hygiene. Mit Anhang: Erste Hilfe bet Ungliieks- f/illen. Lehrbuch der medizinischen Hilfswissenschaften der Leibes- tibungen fiir Turner und Sportsleute, Arzte, Studierende und Lehrer, ffir das Studium der Turn- und Sportle:hrer(innen) und ffir Lehrer- bildungsanstalten: Von J. MULLER. 3- Aufl. 418 Abb. U. 25 Tar. XII, 575 S. Leipzig u. Berlin: t3. G. Teubnei" I924. Geb. I3 Goldmark.

Das bekannte Buch erfreut sich an allen Stgtten, wo Leibes- gbungen betrieben \verden, ether grolaen Beliebtheit. Bei der vor- liegenden drit ten Auflage is{ das Bernfihen des Autors nicht zn -r auch neuere Eorschungsergebnisse zu belileksiehtigen. Wir schlieBen uns dem Wunsch des Verf. an, dab dieses 13uch mit dazu beitrage, die Freude an den Leibesfibungen zu verbreiten.

AWZLXR, Berlin.

Klinische Wochenschrift, 3. Jahrg.

THERAPIE. Die V4irkung der Chloroformnarkose auf den KLrperhaushalt. \Ton P. SCHENK. (Med. Poliklin., Marburg.) Arch. f. exp. Pathol. n. Pharmakol. Bd. 99, H. 3]4, S. 2o6. 1923 .

Verf. geht der Frage nach dem EinfluB der Chloroformnarkose auf die Stoffwechselvorggnge im Organislnus durch Analysen des I<ohlenhydrat- und Phosphors~urehaushalts in der Muskulatur nach. Mit Hilfe der durch die moderne Muskelphysjologie.(MEYER- HOF, Fi~RTH, E~aBDEN und seine $chule) geschaffenen Arbeits- methoden und subtilen Analysenggngen weist Verf. nach, dab w~hrend und nach der Chlorolormnarkose im Skelettmulskel, in geringerem Grade auch im Herzmusket, eine betr~ichtliche An- hfiufung yon Zwischenprodukten des I4ohlenhydrat- und P-Stoff- wechsels statthat. Der Glykogenvorrat selbst ist herabgesetzr, die sog. Zwischenkohlenhydrate (alle atkohollSslichen, zwischen Glykogen und Milchsiiure hegenden Produkte der Ab- und Auibau- reihe, hauptsachlich Dextrose) vermehrt, die Mitchsgure stmgt bis zu Maximalwerlen. Entsprechend der Zunahme der Tgtigkeits- substanz, des sog. Lactacidogens, ist die Restphosph0rsaure, die nach EmBDEN die Reserve ifir das La#tacidogen darstellt, stark vermindert. Es gebt aus den 13efunden hervor, dab die Annahme einer Stoffwechselverlangsamung in der Narkose zur Erkliirung aller Erscheinungen keineswegs genfigt. Es t r i t t teilweise eine Beschleunigung sogar ein, die SCHENK als ~Zirkung verstitrkter Zellreize zu Beginn der Narkose aHffagt. Was deuilich gestLrt ist, ist der geregelte Ablauf der eingeleiteten Oxydationen, die Stoffwechselvorggnge bleiben gleichsam im intermedigren Stadium stecken, es wird nicht vollkomrnen verbrannt und ebenso unvoll- kommen zurfickoxydiert. Daher die Anhi~ufung yon Zwischen- produkten wie des Lactacidogens ned der Milchsgure, deren Ver- brennung in der Erholungspause (z. t3. des tlerzens) maugelhaft ist ned deren 1Rficksynthese zu Glykogen gelitten hat. AuI diese W'eise ist auch die Ausscheidung der AcetonkOrper nach der Nar- kose zu erklgrelL Praktisch sind die u deshalb yon hohem lVert, well aus ihnen die Begrflndung der yon v. NOORDX~ und BRACHEL vorgeschlagenen Darreichung yon reichlichen Mengen Kohlenhydraten vor der Narkose hervorgeht. Der 0rganismus deckt aus dem {JberschuB das Kohlenhydratbedfirfnis, dem der in der Narkose angegriffene 13estand nieht naehkommen kann und entfaltet aul3erdem eine antiketogene Wiikung und bessere Fettverbrennung. Als weitere SchluBfolgerung wird die Darreichung gr0Berer Alkatilnengen und Phosphate nach der Narkose verst~nd- lich, wie sie anch schon vorgeschlagen wurde. Es wird damit die Acidose und der Phosphorsgureverlust bekgmpff. Verf. empfiehlt deshalb vor und Each der Narkose intraven6se Traubenzucker- infusionen und Verabfolgung von Alkuliphosphaten (abet nicht die im Darm unlLslichen Calciumphosphate). OPPEI~I~ClMER. Experimentetle Untersuehungen zur pharmakologischen Wirkung des Ergotamins. Von F. KAUFFMANN und H. KALK. (Med. Klin., Frankfurt a. N.) Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. Bd. 35, t-1.4/6, S. 344. I9z3.

Ausgehend yon den Beziehungen der Schmerzempfindung und, des -Tegetativen Nervensystems (Adrenalin bet Gelenkerkrankungen, Atropin bei Eingeweideschmerzen) haben die Verff. versucht, dutch Ergotoxin, sp~iter dutch Ergotamin bet Kranken mit intra- abdominellen Schmerzen den Sympathicus auszuschalten. Die paravertebrale An~isthesie, yon der man annimmt, dab sie die sensiblen Teile der sympathischen 13ahnen trifft, war zur Prfifung der Rolle, die der Sympathicus beim Schmerz spielt, deshalb nicht geeignet, well nicht mit Sieherheit auszusehalten ist, dab das hierbei verwendete Novocain auch die sensiblen hinteren Wurzeln lghmt. In 2/.~ yon 18 Fgllen konnte in der Tat vollkommene Schmerz- Ireiheit unabh~ingig yon der vor der Injektion bestehenden Inten- sitlit des Schmerzes mit Ergotoxin bzw. Ergotamin erzielt werden. Es wurde o,2 mg Ergotoxin bzw. Ergotamin intraven6s gegeben;

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