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Der technische Zinssatz Eine Analyse für Stiftungsräte

Der technische Zinssatz - PK-Netz · Der technische Zinssatz Eine Analyse für Stiftungsräte Inhalt Vorwort 3 Die Grundlagen Auswirkungen auf das Vorsorgekapital 6 Auswirkungen auf

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Der technische Zinssatz

Eine Analyse für Stiftungsräte

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Der technische ZinssatzEine Analyse für Stiftungsräte

Inhalt

Vorwort 3

Die Grundlagen Auswirkungen auf das Vorsorgekapital 6Auswirkungen auf die Versicherten 8Festlegung des Zinssatzes 10

Die PK-Experten Einschätzung von Patrick Spuhler 14Einschätzung von Roger Baumann 16

Die Stiftungsräte Einschätzungen von Stiftungsräten 20

Der Trend Entwicklung 24Einschätzung von Professor Tobias Straumann 26Einschätzung von SGB Chefökonom Daniel Lampart 28

Nichts überstürzen – Mut zur Solidarität Vorwort

Liebe Stiftungsrätinnen, liebe Stiftungsräte

Die tiefen Zinsen stellen die 2. Säule vor eine harte Nagelprobe. Wir befinden uns in einer historisch einmaligen Lage, und für die Vertretungen der Arbeitnehmenden in den Stiftungsräten ist dieses unsichere Umfeld eine noch grössere Herausforderung.

Die globale Geldpolitik hat die risikolosen Anlagen unattraktiv gemacht und die Zinsen auf ein unvergleichbar tiefes Niveau gedrückt. Die Schweiz ist mit dem überbewerteten Franken dop-pelt unter Druck, weshalb der technische Zinssatz in den Mittel-punkt rückt. Die Festsetzung des technischen Zinssatzes hat sich zur wichtigsten und schwierigsten Aufgabe des Stiftungsrates entwickelt. Diese Verantwortung zu übernehmen verdient grossen Respekt, eine Verantwortung, die von den Versicherten oft zu wenig gewürdigt wird. Gleichzeitig steht der Stiftungsrat oft in einem Spannungsfeld von Arbeitgeberinteressen und anspruchsvollen gesetzlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen. Trotzdem darf die Kernauf-gabe des Stiftungsrates nicht aus dem Fokus rücken: Für gute Leistungen für die Versicherten zu sorgen. Das bedeutet auch, die Vorschläge der PK- Experten kritisch zu hinterfragen und die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen.

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Oft geht jedoch vergessen, dass auch die 2. Säule als Sozialver-sicherung viele Solidaritäten kennt. Diese müssen nun verteidigt werden. Viele dieser Solidaritäten gehören zur Systemlogik der beruflichen Vorsorge und tragen zum Vertrauen der Arbeitneh-menden in die Pensionskassen bei. Aus der beruflichen Vorsorge ein privates Sparkonto zu machen, lohnt sich für den Einzelnen nicht. Nur gemeinsam sind wir imstande, die Risiken der volatilen Finanzmärkte über längere Zeiträume zu verteilen und zu tragen.Ohne diese kollektive Logik lohnen sich die hohen Lohnabzüge für die Versicherten nicht mehr. Dabei gilt es auch, die Interessen der Aktiven und Rentenbeziehenden nicht gegeneinander aus-spielen zu lassen. Eine zu starke und übereilige Senkung des technischen Zins­satzes entlastet die Arbeitgeber zu einseitig und senkt die Leistungen der zukünftigen Rentnerinnen und Rentner zu stark, und, sie wird der Risikofähigkeit des Kollektivsparens nicht gerecht. Es ist wichtig, dass wir die übervorsichtige Haltung vieler Beratungsfirmen oder PK­ Experten zu hinterfragen wagen.Aus diesen Gründen haben wir zusammen mit dem PK ­Netz eine Broschüre für Sie verfasst, die sich kritisch mit den wichtigsten Grundlagen und Auswirkungen einer Anpassung des technischen Zinssatzes befasst.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre. Und denken Sie daran: Nichts überstürzen – genau hinschauen lohnt sich!

Paul RechsteinerPräsident Schweizerischer Gewerkschaftsbund

Adrian WüthrichPräsident Travail.Suisse

Die Grundlagen

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Auswirkungen auf das Vorsorgekapital

Der technische Zinssatz ist der Diskontsatz (oder Bewertungs-zinssatz), mit dem Vorsorgekapitale und technische Rückstel-lungen bewertet werden. Der Zinssatz dient dazu, die künftigen Rentenverpflichtungen auf den heutigen Wert herunter zu rechnen. Oder kurz:

Wie hoch kann das für die Rentenzahlungen zurückgestellte Kapital verzinst werden?

Diese Annahme hängt von der Erwartung der Entwicklung der Finanzmärkte ab und sollte einer langfristigen und sicher erziel-baren Rendite entsprechen. Je nach Renditeerwartung ergibt sich für dasselbe Kapital eine höhere oder tiefere Rente (zu be-rücksichtigen ist zusätzlich die Lebenserwartung). Der technische Zinssatz ist damit eine wichtige Grundlage für die Festlegung des Umwandlungssatzes sowie der Beiträge zur Finanzierung der künftigen Rentenleistungen. Das nachfolgende Berechnungsbei-spiel zeigt, wie sich die Anpassung des technischen Zins satzes auf den Deckungsgrad auswirkt.

Wird der technische Zinssatz reduziert, muss das den laufenden Renten zugrunde liegende Kapital erhöht werden, da der einbe-rechnete künftige Zinsertrag nun tiefer ausfällt. Nur so können die laufenden Renten in gleicher Höhe weiter ausbezahlt werden.

Gemäss einer Faustregel sinkt der Deckungsgrad um bis zu 5 Prozentpunkte, wenn der technische Zinssatz einer

Pensionskasse um 0.5 Prozentpunkte reduziert wird.

Die folgende Grafik veranschaulicht die Auswirkungen anhand der Zahlen aus der vorgängigen Tabelle; sie zeigt, wie sich eine Veränderung des technischen Zinssatzes auf das Vermögen, die Verpflichtungen und den Deckungsgrad auswirkt. Gemäss einer Faustregel sinkt der Deckungsgrad um bis zu 5 Prozent-punkte, wenn der technische Zinssatz einer Pensionskasse um 0.5 Prozentpunkte reduziert wird.

Auswirkung des technischen Zinssatzes auf Verpflichtungen und Deckungsgrad

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Vermögen

Verpflichtung

Deckung

104% 97% 90% 84% 78% 73%Deckungsgrad

Die konkrete Berechnung (Diskontierung der zukünftigen Leistungen) an einem einfachen Beispiel mit techn. Zins von 3%

Jahr x: Alter 65, Kapital 500`000, UWS 6%, Altersrente 30`000

Jahr x+1 Alter 66, Kapital 484100, Altersrente 30`000 500`000 - 30`000 = 470000 470`000 + 3% = 484100

So kann berechnet werden, wie lange das Kapital ausreicht!

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Verpflichtung

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Folgende Grafik zeigt denselben Mechanismus anhand einer anderen Darstellung auf. Es ist ersichtlich, dass der tiefere technische Zinssatz zu einem höheren Barwert der Verpflich­tungen führt (Barwert: heutiger Wert zukünftiger Zahlungen, unter Annahme einer bestimmten Verzinsung).

Auswirkung auf das Vorsorgekapital der Rentner

Auswirkungen auf die Versicherten

Die Notwendigkeit einer Anpassung ist kritisch im Auge zu behalten. Dasselbe gilt noch mehr für deren Auswirkungen. Für die aktiv Versicherten bedeutet die Senkung des technischen Zinssatzes, dass in aller Regel der Umwandlungssatz gesenkt wird und somit die künftige Altersrente tiefer ausfällt. Als Faustregel gilt hier: Eine Reduktion des technischen Zinssatzes um 0,5 Pro-zentpunkte ergibt eine Reduktion des Umwandlungssatzes um rund 0,3 Prozentpunkte bei gleichbleibender Lebenserwartung.

Eine Senkung des Umwandlungssatzes ist nicht zwingend, kann aber zu einer Querfinanzierung von den Aktiven, zu den Pensio-nierten führen. Bei einer Senkung des Umwandlungssatzes kann die Absenkung des Rentenniveaus trotzdem verhindert werden. Dem Stiftungsrat stehen verschiedene Möglichkeiten offen. Beispielsweise:

• Eine stärkere Kapitalisierung durch die Erhöhung der Spar- beiträge oder eine Verlängerung der Beitragsdauer.

• Einmaleinlagen für die Übergangsgeneration: Für Versicherte, die kurz vor der Pensionierung stehen, kann das Alterskapital so erhöht werden. Finanziert durch die Auflösung von Rück­ stellungen oder durch die Beteiligung der Arbeitgeber.

• Einführung eines Umlagebeitrags, der eine transparente Soli- daritätskomponente beinhaltet, um das Leistungsniveau zu hal­ ten oder eine Senkung abzufedern. (siehe Seite 15, Beispiel von Patrick Spuhler bei der Basellandschaftlichen Pensionskasse)

Bei einer Senkung des Umwandlungssatzes aufgrund einer Sen-kung des technischen Zinssatzes stellt sich die Frage, wie die Angestellten für die Risikoverlagerung durch den Arbeitgeber ent-schädigt werden. Denn die Arbeitgeber können durch die Senkung teure Sanierungen vermeiden. Deshalb sind die Arbeitgeber oft gewillt, Kompensationsmassnahmen für die Übergangsgeneration zu bezahlen. Sie fahren damit mittel­ bis langfristig günstiger und profitieren von einem tieferen technischen Zinssatz.

25 29 33 37 41 45 49 53 57 61 65 69 73 77 81 85 89

Barwert der Renten der 71-Jährigen mit technischemZins 3.5%

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Barwert der Renten der 71-Jährigen mit technischemZins 2.5%

Tiefer technischer Zinsatz

Tieferer Deckungsgrad

Aktive Versicherte Rentner

Höherer Barwert derVerpflichtung

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Versicherungstechnischer Umwandlungssatz

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Exkurs Wackelrenten

Rentenmodelle, in denen Rentner je nach Verlauf der Ren-diten einen Zuschlag oder Abschlag auf ihre Altersrente er-halten, werden angesichts der sinkenden technischen Zinsen immer wieder diskutiert. Bei der Wackelrente werden die Anlagerisiken jedoch voll auf die Versicherten überwälzt. Die nicht garantierte Höhe der Rente, beschönigend als „flexibel“ bezeichnet, ist für mittlere und tiefere Renten verheerend. Denn die Ausgaben für Wohnung, Krankenkasse usw. sind für die Rentnerinnen und Rentner auch nicht flexibel. Das Vertrauen in das System würde ausserdem nachhaltig ge-schädigt. Deshalb ist es für den Stiftungsrat keine Option, die garantierte Höhe der Renten in Frage zu stellen.

Festlegung des Zinssatzes

Der technische Zinssatz wird durch das Führungsorgan (Stiftungs­rat) festgelegt. Das gehört zu den strategischen und deshalb unüber-tragbaren Kernaufgaben eines Stiftungsrates. Der Pensionskassen-experte macht dem Stiftungsrat einen Vorschlag. Wenn der Stiftungsrat einen anderen Zinssatz festlegt, meldet der Experte dies der Auf-sichtsbehörde ­ jedoch nur, wenn die Sicherheit der Vorsorgeeinrich-tung dadurch gefährdet ist.

Referenzzinssatz

Für die Ermittlung des Referenzzinssatzes stützt sich die Kammer der PK-Experten auf eine Formel. Laut dieser Formel berechnet sich der Referenzzinssatz aus dem Durchschnitt, der zu 2/3 der durchschnittlichen Performance der letzten 20 Jahre (BVG­Index 2005 Pictet BVG-25) entspricht und zu 1/3 mit der aktuellen Rendite 10-jähriger Bundesanleihen gewichtet wird. Das Resultat wird danach um 0.5 % reduziert und das so erhaltene Ergebnis auf das nächstliegende Viertelprozent abgerundet.

Für 2016 bedeutet dies konkret: 2/3 vom BVG­Index von 3.12 % und 1/3 Bundesobligationen von – 0.17 % ergeben zusammen 2.951 %. Diesem Wert wird ein halbes Prozent abgezogen, was 2.451 % ergibt. Für das Endresultat wird auf das nächstliegende Viertelprozent abgerundet: 2.25 %.

Formel der Experten für den Referenzzinssatz nach FRP 4

durchschnittliche Performance 2 /3 × der letzten 20 Jahre in % + Rendite für 10-jährige 1/ 3 × Bundesanleihen in %

Versicherungsmathematische Berechnungen beruhen auf An-nahmen, so auch der technische Zinssatz. In der realen Pensions kassenwelt folgt jedoch keine Pensionskasse einer für diese Formel angenommenen Anlagestrategie. Denn der Anteil an Obligationen in der Formel entspricht mehr als 75 %. Allein der Anteil von inländischen Obligationen liegt bei 60 %. Gemäss den Erhebungen der Oberaufsichtskommission BV über

§• Unübertragbar (BVG Art. 51a ABs 2 lit. e)• PK-Experte (BVG Art. 52e Abs. 2) • Meldepflicht (BVG Art. 52e Abs. 3)

-0.5%

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die An la gen aller Vorsorgeeinrichtungen lag der Anteil der Obli-gationen in Schweizer Franken bei 23.5 %, der Gesamtanteil aller Anleihen bei 40 %. Also deutlich tiefer als die angenommenen Ansätze in der Formel für den Referenzzinssatz. Wegen dieser starken Gewichtung der Obligationen und insbesondere der Bundes obligationen erstaunt es nicht, dass der Referenzzinssatz der Experten Jahr für Jahr tiefer ausfällt.

Die Formel der Experten wird voraussichtlich nicht mehr lange in dieser Form bestehen, sie wird aktuell von der Oberaufsichts­kommission der beruflichen Vorsorge mit den PK­Experten über­arbeitet. Deshalb hat der Stiftungsrat das Augenmerk noch stärker auf Renditeperspektiven und die Risikofähigkeit der eigenen Pensionskasse zu richten.

Mit dem standardisierten Referenzzinssatz wird der tatsächlichen Situation der jeweiligen PK kaum Rechnung getragen, etwa ihrer

Fähigkeit, Risiken einzugehen oder ihrer Sanierungsbereitschaft.

Der Stiftungsrat kann in extremis bei lang dauernder Missachtung der Empfehlung, die zur Insolvenz der PK führt, haftbar gemacht werden. Die Haftungsfrage stellt sich jedoch nur bei krasser Miss­achtung oder gar Misswirtschaft. Trotzdem wird in der Praxis oft vorschnell mit der Haftungsfrage gedroht. Dabei ist es wichtig, auch die Empfehlungen des Experten kritisch zu hinterfragen.

Die Festlegung des technischen Zinssatzes wie auch des Referenz -zinssatzes sollte mit einem mittel- bis langfristigen Zeit horizont aufgrund der erwarteten Vermögenserträge erfolgen. Eine unab-hängige ALM­Studie (Asset Liability Management) über die er-wartete Rendite der eigenen Kasse kann dem Stiftungsrat die Beurteilung erleichtern.

Eine ALM­Studie nimmt die bestehende Anlagestrategie unter die Lupe mit Berücksichtigung der Risikobereit-schaft, der Leistungsziele sowie der Risikofähigkeit einer spezifischen Vorsorgeeinrichtung. Dabei werden Chancen und Risiken der verschiedenen Szenarien aufgezeigt.

Die PK-Experten

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Einschätzung der PK-Experten: Patrick Spuhler

Grundsätzlich sagt der technische Zinssatz aus, wie hoch der Umwandlungssatz sein soll. Bei Kassen mit einem sehr hohen Deckungsgrad muss eine Anpassung nicht mit schmerzlichen Leistungseinbussen verbunden sein. Über die Senkung des Deckungsgrades kann sowohl die buchhalterische höhere Verpflichtung ausgeglichen werden, wie auch eine Zusatzver­zins ung der Aktiven gewährt werden. Bei einer Kasse mit einem Deckungsgrad von rund 100 % ist der Spielraum kleiner, und die Konsequenzen für die Versicherten hängen vom Arbeit geber ab. Im folgenden schematischen Ablauf sind die wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit einer Anpassung des technischen Zinssatzes aufgelistet.

Wichtige Fragen für den Stiftungsrat – Ablauf

Das wirtschaftliche Umfeld für die Pensionskassen hat sich seit 2000 verschlechtert. Dieser Trend hat sich seit dem 15. Januar 2015 nochmals drastisch verstärkt. Deshalb kann man nicht durch die rosarote Brille schauen. Der Zinssatz muss jedoch nicht per se so tief angesetzt werden, dass es null Umverteilung gibt. Die Basellandschaftliche Pensionskasse bietet ihren Vorsorgewerken beispielsweise ab 2018 einen Umlagebeitrag von 1.5 % an, der die Umwandlungssatzsenkung um 0.4 % abfedern kann. Das kann ein sehr effizientes Mittel für den Leistungserhalt oder die Ab­federung einer Senkung sein.

„Aus meiner Sicht ist es wichtig, Umverteilungen transparent zu machen. Ein bestimmtes Mass an Umverteilung

ist zu lässig. In den 90er Jahren war es umgekehrt, dort hat man ohne Rententeuerung eine Umverteilung von Rentnern

zu Aktiven praktiziert.“

Der streng ökonomische Ansatz, der für den technischen Zinssatz gegen Null tendiert, ist in der Praxis nicht wirklich realistisch. Es ist durchaus plausibel, dass die Pensionskassen langfristig eine Rendite von rund 1.5 % über dem Zinsniveau erreichen. Nicht zuletzt, weil die Pensionskassen auch Real werte im Portfolio haben. Angesichts der vielen Un sicher heiten ist sicher lich ein Mittelweg angebracht.

Patrick SpuhlerPensionskassen-Experte, Leiter Prevanto AG Basel und Mitglied der Eidg. BVG Kommission

1. Senkung technischer Zinssatz Notwendigkeit, Zielgrösse, erwartete Rendite

2. Art der Senkung Sofort oder mit Übergangsfrist

4. Abfederungsmassnahmen

7. Sparbeiträge und Höhe der Risikobeiträge

8. Kommunikation Weiteres Vorgehen

3. Höhe Umwandlungssatz Zielgrösse, korrekte Höhe, Mass der Umverteilung

5. Neue Rentenmodelle

6. Sanierungsfolgen

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Einschätzung der PK-Experten: Roger Baumann

Drastische Massnahmen sind lediglich bei Kassen mit einem ungünstigen Verhältnis aus Aktiven und Rentnern oder ungüns-tigen arbeitgeberseitigen Rahmenbedingungen angebracht. Die Aussichten bezüglich Sicherheit von Seiten des Arbeitgebers und der Branche spielen für die Beurteilung der Risikofähigkeit eine Rolle. Bei öffentlich-rechtlichen Pensionskassen sind die Sicherheiten beispielsweise gross, und deshalb ist ihre Risikofä-higkeit entsprechend höher.

Die Entscheidungsfaktoren können in quantitative und qualitative unterschieden werden. Die demografische Struktur (Verhältnis Aktive/Rentner) kann als quantitativer Faktor betrachtet werden. Dabei sind auch die Indizien der Zukunft zu berücksichtigen, z.B. wie sich die Altersstruktur und somit die Risikofähigkeit der Pensionskasse verändern wird. Als qualitative Faktoren können beispielsweise die Perspektiven des Arbeitgebers betrachtet werden. Die Flexibilität muss ebenfalls berücksichtigt werden: Kann der Stiftungsrat in angemessener Zeit reagieren, wenn sich das Umfeld massiv verschlechtert? Dazu gehört ebenso die Handlungsfähigkeit bei einer starken Unterdeckung – könnten Sanierungsmassnahmen schnell realisiert werden? Falls diese Faktoren gegeben sind, kann die Pensionskasse auch mehr Risiken übernehmen.

„Den objektiv richtigen technischen Zinssatz gibt es nicht, weil die Bewertung der Solidarität unterschiedlich ist.“

Die Solidaritäten können nicht nur unterschiedlich bewertet, sondern auch systematisch unterschieden werden. Solidaritäten werden bei jeder Kasse anders beurteilt. Solidarität ist nicht

identisch mit systematischer Umverteilung, schliesst Umvertei-lung aber nicht aus. Es gibt zwei Ebenen der Solidarität. Die Solidaritäten im „ersten Moment“ sind planmässige Umverteilun-gen, beispielsweise ein massiv überhöhter Umwandlungssatz, welcher die berufliche Vorsorge belastet. Die Solidaritäten im „zweiten Moment“ betreffen hingegen die Versicherungsrisiken oder die Finanzmarktrisiken.

„Der Risikotransfer ist aus ökonomischer Sicht die Legitimation des Systems der 2. Säule.“

Deshalb ist die risikolose Bewertung in der 2. Säule nicht der passende Ansatz. Im Gegenteil: Dank der Risikotransfers können die Pensionskassen langfristig höhere Risiken eingehen. Was eine bedeutende Stärke der beruflichen Vorsorge ist. Dies führt für den Einzelnen auch zu wesentlich besseren Leistungen. Wie die folgende Grafik aufzeigt, können die Pensionskassen im Vergleich zum individuellen Sparen auf hohem Niveau konstante Leistungen bieten.

Vergleich Endkapital Pro Franken Lohn

individuelle VariantePensionskasse19

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Roger BaumannPensionskassen-Experte SKPE, Aktuar SAV, Partner c-alm AG, Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen

Der Anteil an risikoarmen Obligationen einer durchschnittlichen Schweizer Pensionskasse ist im Vergleich zu einer privaten Lebensversicherung bedeutend kleiner. Hingegen halten die Pen-sionskassen knapp 30% Aktien. Dies ist die Folge davon, dass die Pensionskassen eine risikoreichere Anlagestrategie eingehen können und das Risiko von Generation zu Generation weiterge-geben werden kann. Diese Möglichkeit muss in die Bewertung einfliessen, eine risikolose Bewertung ist nur angemessen, wenn – wie bei einer reinen Rentnerkasse ­ diese Solidarität entfällt.

Vergleich der Anlageportfolios

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Priv

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Obligationen 34.7%

Obligationen 66.8%

Immobilien 20.4%

Immobilien 13.5%

Hypotheken 9.0%

Total: ca. CHF 800 Mia.

Total: CHF 192 Mia.

Durchschnittliche Schweizer Pensionskasse 2,5%Durchschnittliche private Lebensversicherung 0,8%

Aktien 29.4%

Alternative Anlagen 5.4%Übrige 0.7%

Anlagen beim AGLiquide Mittel 7.1%

Hypotheken 1.2%

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Darlehen 1.8%Liquide Mittel 2.4%Übrige 0.5%

Alternative Anlagen 2%Aktien 4.0%

Die Stiftungsräte

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Einschätzungen von Stiftungsräten Die Höhe des technischen Zinssatzes festzusetzen, ist aktuell nicht nur eine der wichtigsten, sondern die schwierigste Aufgabe des Stiftungsrates schlechthin. Wir haben Einschätzungen von erfahrenen Arbeitnehmer vertretenden Stiftungsräten zusammen-getragen.

„Die drastischen Senkungen des Umwandlungs- und des technischen Zinssatzes werden wie ein Main stream nicht mehr hinterfragt. Ich bin der Ansicht, dass heute zum Teil voreilig vorgegangen wird. Die Konsequenzen für die Betroffenen werden zu wenig berücksichtigt. Der aktuelle Trend befreit die Arbeitgeber von jeglichem Risiko, die Versicherten haben das Nachsehen.“

„Der Stiftungsrat darf dem Herdentrieb nicht erliegen. Eine übereilige Senkung entlastet den Arbeitgeber einseitig. Als Delegierte der Versicherten ist es unsere Pflicht, die Vorschläge zu hinterfragen und die Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen – damit sie Leistungsziele ein halten. Die enge Bindung an den Arbeitgeber entspricht auch der Systemlogik der 2. Säule.“

„Das System der beruflichen Vorsorge funktioniert auf der kollektiven Tragung von Anlagerisiken. Pensionskassen können weit mehr in risikobehaftete An lagen wie Aktien oder Immobilien investieren als beispielsweise Lebens-versicherungen. Wenn sich nun die 2. Säule wegen des tiefen technischen Zinssatzes immer mehr in Richtung Festhalten am risikolosen Zins entwi-ckelt, wird die kollektive Risikotragung untergraben.“

Heiri NydeggerMitglied in diversen Stiftungsräten und ehemaliges Mitglied der Eidg. BVG-Kommission

Matthias KuertLeiter Sozialpolitik Travail.Suisse, Präsident Sicherheitsfonds BVG

Aldo FerrariVizepräsident UNIA, Mitglied der OAK BV Kommission

„Eine übereilige Senkung der techni-schen Zinsen muss abgewehrt werden. Zentral bleiben der Leistungserhalt und die Beteiligung des Arbeitgebers. Es muss eine politische Diskussion geführt werden, in Zukunft noch vermehrt. Als Gewerkschaft spürten wir bei den letzten Verhandlungen auch einen grossen Rückhalt unserer Mitglieder.“

Giorgio PardiniStiftungsrat bei ComPlan & Leiter des Sektors Telekom und IT bei Syndicom

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„Das Tiefzinsumfeld ist natürlich ein Riesen problem für die Vorsorgeeinrich-tungen. Umso mehr sind die Arbeit geber gefordert, wenn der dritte Beitragszahler ausbleibt. Die berufliche Vorsorge ist eng mit den Arbeitgebern verknüpft. Unter dieser Prämisse wurde die berufliche Vorsorge eingeführt und breit akzeptiert. Darauf müssen wir insistieren.“

Jorge SerraPK-Netz Vizepräsident, VPOD-Finanzchef und Mitglied in diversen Stiftungsräten

„Mit einem tiefen technischen Zinssatz vermeidet die PK präventiv eine Sanierung. Die Kosten dafür trägt ein-seitig der Arbeitnehmende durch einen tieferen Umwandlungssatz bei seiner Pensionierung. Die Arbeitgeberseite profitiert hingegen. Denn damit werden kostspielige Sanierungen vermieden.“

Doris BianchiGeschäftsführende Sekretärin SGB, Präsidentin Stiftung Auffangeinrichtung BVG

Der Trend

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EntwicklungDer Trend zu tieferen technischen Zinssätzen setzt sich fort. Der durchschnittliche technische Zinssatz sank 2015 bei privat­ rechtlichen Pensionskassen von 2.91 % auf 2.66 %, während er bei öffentlich-rechtlichen Pensionskassen von 3.24 % auf 3.11 % sank. Das zeigt die Grafik der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) auf.

Technische Zinssätze 2015

Aktuell ist zu beobachten, dass viele Pensionskassen 2016 oder 2017 den Zinssatz bereits auf 2 % oder darunter gesenkt haben. Damit unterbieten sie sogar den äusserst vorsichtig kalkulierten Referenzzinssatz. Seit der Finanzkrise sinken die Zinssätze massiv. Seit 2007 ist der Referenzzinssatz von 4.5 % auf heute 2.25 % gesunken, während die durchschnittlichen effektiv erzielten Ren-diten laut der PK-Statistik 2016 von Swisscanto mehr als 3.7% pro Jahr betrugen (2005 bis 2016).

Entwicklung des Referenzzinssatzes

Für die PK­Experten ist der Sinkflug noch nicht zu Ende. Nach Berechnungen der einflussreichen Beratungsfirma PPCmetrics wird der Referenzzinssatz (FRP 4) in den nächsten Jahren unter 1.5 % sinken, und 2025 auf beinahe 1 % fallen. Bereits ab Oktober 2017 soll mit einer Wahrscheinlichkeit von 43 % der Zinssatz auf 1.75 % sinken, wie folgende Grafik zeigt:

Erwartete Entwicklung des Referenzzinssatzes gemäss FRP 4

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Einschätzung von Professor Tobias Straumann

Professor Dr. Tobias Straumann betrachtet als Wirtschaftshistoriker lange Zeiträume. Der lange Zeithorizont spielt bei der Beurteilung des technischen Zinssatzes eine zentrale Rolle. Die Stiftungsräte stehen vor der schwierigen Beurteilung, wie sich die Zinsen ent­wickeln werden.

Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Gründe für die anhaltend tiefen Zinsen?

Die wichtigsten Gründe sind die Folgen der Finanzkrise von 2008 und die immer noch anhaltende Eurokrise. Das Fed und die EZB senkten die Zinsen, um einen Kollaps des Bankensystems und ein Auseinanderbrechen der Währungsunion zu verhindern.

Was ist Ihrer Ansicht nach ein wahrscheinliches „Zins­Szenario“ kurz­ bis mittelfristig?

In den USA gehe ich von einem moderaten Anstieg der Zinsen im Laufe des Jahres 2017 aus. In Europa reicht es höchstens für ein Ende der Negativzinspolitik, aber eine Normalisierung halte ich für unrealistisch. Entsprechend wird auch die SNB vorsichtig agieren. Mittelfristig dürften die Zinsen in den USA weiter steigen. Allerdings sollte man abwarten mit einer Prognose, bis man weiss, wie das Infrastrukturprogramm der Trump­Administration aussieht. Es könnte auch zu einer grossen Enttäuschung kommen.

Der steigende Ölpreis könnte die Inflation antreiben und die USA erhöhen langsam die Leitzinsen. Sind das nicht Indizien, dass das Zinsniveau anziehen könnte?

Die Zentralbanken reagieren in der Regel nicht direkt auf Ölpreis-erhöhungen, sondern konzentrieren sich auf die Kerninflation ohne Rohstoffpreise. Hier ist der Inflationsdruck weniger stark.

Was müsste sich ändern, damit wir langfristig mit höheren Zinsen rechnen könnten?

Es müsste in den USA zu einer Arbeitskräfteknappheit kommen, die die Löhne und die Preise nach oben drücken würde. Dann würde das Fed schnell reagieren. Eine gewisse Knappheit ist bereits heute eingetreten, aber das Fed hat immer noch Angst, mit schnellen Zinserhöhungen den Aufschwung abzuwürgen. Deshalb rechne ich damit, dass das Fed weiterhin vorsichtig bleibt ­ es sei denn, Trump startet ein ganz grosses Infrastruktur-programm.

Gibt es Anzeichen, dass wir nicht mehr zur „Normalität“ zurückkehren und langfristig ein sehr tiefes Niveau erwarten müssen?

Die Schulden der meisten Länder sind immer noch hoch. Das begrenzt den Spielraum für eine Normalisierung, vor allem in der Eurozone. Ich erwarte deshalb in Europa noch lange keine Normalisierung. Wenn die südeuropäischen Länder plötzlich wieder fünf Prozent Zins zahlen müssten, kämen sie bald an die Grenze ihrer Finanzpolitik. Das weiss die EZB natürlich ganz genau.

Tobias StraumannWährungsexperte, Wirtschaftshistoriker, Titularprofessor an der Universität Zürich

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Einschätzungen vom SGB Chefökonom Daniel Lampart

Das heutige Dilemma: Die Negativzinsen sind nötig, damit sich der Franken nicht noch mehr aufwertet. Dabei schlägt sich die Tief zinssituation voll auf die zukünftigen Rentner durch. Die ersten Versicherten werden mit einem Bewertungszinssatz um die 2 % in Rente geschickt, Tendenz weiter sinkend.

Herr Lampart, gibt es Anzeichen für eine Trendwende?

Zinsprognosen sind sehr schwierig. Es gibt klare Anzeichen, dass sich die Konjunktur erholt. In den USA ziehen die Zinsen langsam an. Eine solche Entwicklung kann sich auch rasant beschleunigen. Angenommen, der Franken würde sich deutlich abwerten (weil er immer noch überbewertet ist), dann würde die Teuerung steigen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Zinsen.

Viele Stiftungsräte sind stark verunsichert – Womit kann man ihnen Mut machen, damit die technischen Zinsen nicht ins Bodenlose fallen?

Pensionskassen haben einen langen Anlagehorizont. In der Schweiz befinden wir uns historisch gesehen hingegen in einer speziellen Situation. Wir haben nach wie vor eine ausserordentlich über bewertete Währung. Es kann nicht der Normalzustand sein, dass der Wechselkurs sich derart stark von fundamentalen Fakto-ren, wie z.B. der Kaufkraftparität, weg bewegt.

Kann der risikolose Zins überhaupt als Orientierung für den technischen Zinssatz herhalten?

Natürlich braucht es eine Referenz, damit unter vernünftigen Bedingungen Renditen erwirtschaftet werden können. Aber auch

die Renditen der Bundesobligationen können sich rasch verän-dern, damit ist auch zu rechnen. Eine risikofähige Pensionskasse sollte zudem in der Lage sein, Anlagen zu tätigen, deren Renditen höher sind als die einer länger laufenden Bundesobligation – darauf ist das System ausgerichtet. Ich bin der Ansicht, dass viele Berater diese Risikofähigkeit aktuell zu wenig berücksichtigen.

Die Prognosen sind schon länger düster, trotzdem erzielen die PK‘s aktuell ansprechende Renditen. Kann es sein, dass das Bild zu düster gezeichnet wird? (Renditen 2016: 3.41 %, Renditen 2005 – 2016 im Schnitt 3.7 %)

Ein grosser Teil dieser Renditen sind Kurs- oder Buchgewinne und stark abhängig von der Anlagepolitik der jeweiligen Kasse. Aber zurückschauen bringt wenig. Für die Zukunft ist es wichtig, in Szenarien zu arbeiten. Mit Szenarien, welche dem längeren Anlagehorizont der Pensionskassen von 10 bis 20 Jahren auch gerecht werden. In den Wirtschaftswissenschaften geht man davon aus, dass der sogenannte risikolose Zinssatz im Mittel ungefähr dem nominellen Wachstumspotenzial unserer Wirtschaft entspricht. Das wären in unserem Fall ungefähr 2.5 % oder 3 %. Risikofähige, langfristige Anleger wie die Pensionskassen können darüber hinaus deutliche Zusatzrenditen erwirtschaften.

Daniel LampartChefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes

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Das PK-Netz Die 17 Mitgliederverbände repräsentieren gemeinsam rund 600‘000 Mitglieder und machen das PK-Netz damit zum wichtigsten Netzwerk der Arbeitnehmenden in der beruflichen Vorsorge.

ImpressumHerausgeber: PK-Netz Autor: Urban Hodel Redaktionnelle Begleitung: Doris Bianchi, Matthias Kuert, Jorge SerraGestaltung: Mario Suter, LuzernAuflage: 3000 Exemplare

1. Auflage, März 2017

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