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Interview GERO HESSE & SASCHA OTTO Fotos HENNING ROSS Arbeitswelt 4.0 Don’t believe the hype! Die Arbeitswelt im Wandel? Knallhart untertrieben. Es ist die nächste industrielle Revolution. Ein Gespräch mit Stepstone-Geschäftsführer Sebastian Dettmers über Arbeit in Zeiten des Aufruhrs #RC18 war für Sebastian Dettmers ein echtes Netzwerk-Highlight. In der Kaffeeschlange lernte er Sven Gasper, Gründer von Studydrive, kennen. Ein paar intensive Gespräche später war der Beschluss gefasst, und Stepstone kaufte das erfolgreiche Startup mit seinem Access-to-Talent-Model 073 072 WORK :  Stepstone

Die Arbeitswelt im Wandel? Knallhart untertrieben. Es ist ... · Kontext von Arbeit bedeutet und wie sie organisiert wird. Noch weniger verstehen sie, wie sie gleichzeitig innovativer

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Page 1: Die Arbeitswelt im Wandel? Knallhart untertrieben. Es ist ... · Kontext von Arbeit bedeutet und wie sie organisiert wird. Noch weniger verstehen sie, wie sie gleichzeitig innovativer

Interview GERO HESSE & SASCHA OTTO–

Fotos HEnnInG ROSS–

Arbeitswelt 4.0Don’t believe

the hype!

Die Arbeitswelt im Wandel? Knallhart untertrieben. Es ist die nächste industrielle Revolution. Ein Gespräch

mit Stepstone-Geschäftsführer Sebastian Dettmers über Arbeit in Zeiten des Aufruhrs

#RC18 war für Sebastian Dettmers ein echtes Netzwerk-Highlight. In der Kaffeeschlange lernte er Sven Gasper, Gründer von Studydrive, kennen. Ein paar intensive Gespräche später war der Beschluss gefasst, und Stepstone kaufte das erfolgreiche Startup mit seinem Access-to-Talent-Model

073072

WORK: Stepstone

Page 2: Die Arbeitswelt im Wandel? Knallhart untertrieben. Es ist ... · Kontext von Arbeit bedeutet und wie sie organisiert wird. Noch weniger verstehen sie, wie sie gleichzeitig innovativer

eine Arbeit ist Arbeit. Seine Ware sind Jobs. Im Schnitt sind bei Stepstone, einer der füh-renden Online-Jobplattformen Deutschlands, 80 000 Stellenan-

gebote online, jeden Tag werden Tausende Talente vermittelt. Zugleich beschäftigt das Unternehmen selbst 700 Mitarbeiter in Deutschland, mehr als 3000 weltweit. Nur zu gut, dass der Geschäftsführer Sebastian Dettmers sich sehr viele tiefe Gedanken zum Thema Arbeit macht. Gute Arbeit. Und Arbeit, die gut gemacht wird. Der 39-Jährige ist fast ein bisschen so etwas wie ein Arbeitsphilosoph. Einer, der nicht irgendwelchem Trendgeschwafel hin-terherredet, sondern den Wirbel um die neue Arbeitswelt kritisch hinterfragt. So auch an diesem Vormittag in den grauen, alten Werkshallen des Düsseldorfer Boui Boui Bilk.Herr Dettmers, sprechen wir über die neue Arbeitswelt …(Schaut sich um, streckt die Arme zur Decke und nickt.) Dann ist das hier ja der richtige Ort dafür …Eine alte Schraubenfabrik? Nun ja: Wir erleben immer wieder Zeiten, in denen sich die Arbeitswelt radikal verän-dert. Zu Zeiten der industriellen Revolution verschwanden die Menschen regelrecht in den großen Fabrikhallen. Wir denken an den enormen technologischen und ge-sellschaftlichen Fortschritt, den diese Zeit gebracht hat, aber für die Menschen in der Zeit bedeutete das erst einmal Unsicherheit. Heißt also was?Auch heute stecken wir in einer großen Transformationsphase. Die Herausforde-rungen heißen vor allem Automatisierung und Digitalisierung. Manche denken op-timistisch an Innovation und Fortschritt, aber viele Menschen spüren in erster Linie einen großen Veränderungsdruck, wie da-

mals haben viele Menschen Angst vor der Zukunft. Sicher ist: Wir brauchen ein neues Konzept für die Arbeit, welches das Ver-hältnis von Unternehmen und Mitarbeitern neu regelt. Nur: Uns fehlt die Erfahrung im Umgang mit einer derartigen Trans-formation. Denn leider hat niemand von uns die industrielle Revolution miterlebt. Daher überschauen wir heute noch gar nicht, wie groß der Wandel sein wird, den wir gerade durchleben. Zu Zeiten der industriellen Revo-lution haben die Menschen in manchen Berufen bis zu 14 Stun-den durchgehend gearbeitet. Heute ist der völlig entgegen-gesetzte Begriff „Freiheit“ für Arbeitnehmer ganz zentral. Was passiert da?Unternehmen und Arbeitnehmer sprechen heute viel von der neuen Freiheit, von der

Flexibilisierung der Arbeit, von Agilität. Ich bin mir aber überhaupt nicht sicher, ob da alle das Gleiche meinen. Was heißt das im Detail?Was meinen zum Beispiel Mitarbeiter, wenn sie von Freiheit oder Flexibilität im Kon-text von Arbeit sprechen? Die Freiheit, meine Arbeitszeit frei einzuteilen? Von zu Hause zu arbeiten? Selbstbestimmter zu arbeiten? Unternehmen sind überfordert, weil sie nicht verstehen, was Freiheit im Kontext von Arbeit bedeutet und wie sie organisiert wird. Noch weniger verstehen sie, wie sie gleichzeitig innovativer und erfolgreicher werden können. Daher kann der Hype um diese neuen Arbeitsmodelle für Unternehmen auch gefährlich wer-den. Wie kommen wir auf die Idee, dass Teamfähigkeit, vernetztes Arbeiten oder Kommunikationsfähigkeit künftig zu den wichtigsten Fähigkeiten von Mitarbeitern

zählen, gleichzeitig aber jeder Arbeitneh-mer selbst entscheidet, wann er zur Arbeit kommt, wann er geht und von wo aus er arbeitet? Freiheit braucht also einen Rahmen?Ja! Freiheit bedeutet nicht die völlige Ent-grenzung von Arbeit. Ein Beispiel: Viele Führungskräfte machen im Moment den großen Fehler, ihre Ziele nicht mehr klar zu definieren und zu kommunizieren. Stattdes-sen heißt es: Wir arbeiten jetzt agil – macht mal! Statt sich aber über Ziele Gedanken zu machen, setzen sich Manager nun in Arbeitsmeetings und wollen mitdiskutieren, wie ein Produkt oder ein Service konkret auszusehen hat. Das ist ein Laissez-faire- Führungsstil! Wie geht es also richtig?Mitarbeiter brauchen ein klares Ziel, eine klare Vision. Erst das erlaubt es Teams, ge-meinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. „Show Me the Promised Land!“ Und dann gib mir die Freiheit, dieses Ziel zu erreichen. Unternehmen machen leider oft genau das Gegenteil. Sie geben kein Ziel vor und mischen sich dann operativ in die Arbeit ein. Und das macht doppelt unzufrieden.Was ist das „Promised Land“ für Stepstone?Mitarbeitern geht es nicht um wirtschaft-liche Zahlen, sondern um die Sinnebene: Welche Probleme lösen wir, welchen Bei-trag leisten wir, damit es Menschen besser geht? Deshalb ist unsere Mission: „Hel-ping People Find a Job They Love.“ Die Entscheidung, welchen Job ich ergreife, ist eine der wichtigsten im Leben. Und wenn man bedenkt, wie viele Menschen mit ihrem aktuellen Job unzufrieden sind, zeigt das, dass unsere Aufgabe eine große, eine wichtige ist. Wie wird aus einem solchen Claim ein konkretes Ziel für den einzelnen Mitarbeiter?Wenn wir sagen „Helping People Find a Job They Love“ – dann ist das eine sehr abstrakte Formulierung. Wir beschäftigen uns daher auch damit, warum viele Menschen heute nicht ihren Traumjob ausüben. Ein Thema ist Orientierung: Viele Menschen kennen gar nicht ihre Stärken und Fähigkeiten. Sie wissen nicht, welche Optionen sie überhaupt auf dem Arbeitsmarkt haben. Menschen treffen auch schlechte Jobentscheidungen, weil sie schlichtweg zu wenige Informatio-nen haben. Der erste Tag beim Arbeitgeber sollte sich nicht wie ein Blind Date anfühlen. Wir zeigen den Menschen also, welches Arbeitsklima herrscht, wie die Kultur ist und die Entwicklungsmöglichkeiten in einem Unternehmen aussehen.

DR. SEBASTIAn DETTMERSDer Managing Director von Stepstone Sebastian Dettmers (r.) war zuvor in mehreren Funktionen im Digitalgeschäft bei Axel Springer tätig und hat an der Universität Münster Betriebswirtschaftslehre studiert, wo er beim „Mar-keting-Papst“ Professor Dr. Dr. h. c. mult. Heribert Meffert promovierte.

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»Wir überschauen heute noch gar nicht, wie groß der Wandel ist, den wir gerade durch-leben«

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Stichwort Entwicklungsmöglich-keiten: Stepstone hat eine Studie herausgebracht, in der eine Vielzahl der Befragten „Weiter-bildungsangebote“ als wichtigen Faktor für Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber nennen. Das ist ein spezifi sch deutsches Thema. Arbeitnehmer in Deutschland kennen es nicht, dass sie selbst in Bildung investie-ren können. Im Ausland ist das anders. Da investiert man in sein Studium fast bis zur Verschuldung. Die Deutschen

zahlen nicht für die universitäre Ausbil-dung, und der Arbeitgeber übernimmt alle Fortbildungen. Aber: Das Invest des Arbeitgebers ist stark stellenbezogen. Er investiert nicht in Weiterbildung in völlig artfremden Bereichen, um Menschen in ihrer Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Das ist leider so. Aber sind Fortbildungsangebotezukünftig als Benefits zu betrach-ten, mit denen man Experten in Zeiten des Fachkräftemangels im Unternehmen halten kann?

investieren können – und sollten. Leider ist auch hier die Investitionsbereitschaft in die eigenen Kompetenzen oft nicht sehr stark ausgeprägt. Ist die schulische Ausbildung in Deutschland dafür überhaupt ausgelegt? Bildung ist in dem Zusammenhang sehr spannend! Wenn wir davon ausgehen, dass die Menschen später mal Berufe ergreifen werden, von denen wir heute noch keine Ahnung haben, wie können wir diese Menschen dann ganz konkret auf einzelne Jobs vorbereiten? Indem wir den Kindern programmieren beibringen in einer Sprache, die es zum Schulabschluss nicht mehr gibt? Das, was Menschen lernen müssen, ist, Probleme zu lösen, kreativ zu sein, kommunizieren zu können, in Teams zu arbeiten – und wenn ich heute bei uns schaue, wer sehr erfolgreich ist, dann bringen sie genau diese Skills mit. Ich habe mein Abitur übrigens mit Musik und Biologie als Leistungskursen absolviert. Und abseits der schulischen Bildung? Werden die Talente der Zukunft nicht eine ganz andere Haltung zur Arbeit haben?Ja, aber das liegt nicht daran, dass sie einer anderen Generation angehören. Wir werden alle gleich geboren. Die Prägung passiert durch äußere Umstände – zum Beispiel durch die hervorragende Arbeitsmarktsituation der vergangenen zehn Jahre. Natürlich prägt das eine Generation Y, die es sich einfach erlauben kann, große Ansprüche zu stellen und wenig zu riskieren. Aber auch das ist nicht für die Ewigkeit. Möglicherweise formt die jetzige Zeit eine neue Generation, die die Sinnfrage insgesamt wieder stellt. Die #FridaysForFuture-Demonstrationen – ich fi nde das sensationell! Vielleicht wächst da gerade wieder eine Generation von Schülern heran, die Ziele und Visionen der Zukunft entwickelt und dafür einsteht. Darauf kön-nen wir stolz sein. Ist der Hype um die Arbeits-welt 4.0 also am Ende gerechtfer-tigt oder überzogen? Ich habe mal an einer Podiumsdiskussion zum Thema Work-Life-Balance teilgenom-men und wurde gefragt: „Glauben Sie, dass wenn alles fl exibel ist, alle glücklich sind?“ Und ich sagte: „Ich glaube gar nicht, dass die Arbeitnehmer das wollen.“ Und viele im Publikum haben genickt. Ich denke, dass die Diskussion um die Arbeitswelt 4.0 nur an der Oberfl äche kratzt, an den Artefakten der Arbeit. Was wir brauchen, ist ein neues Konzept von Arbeit, welches Innovations-fähigkeit und wirtschaftlichen Erfolg mit den Interessen, aber auch den Ängsten von Menschen in Einklang bringt.

»Arbeitnehmer sollten erken-nen, dass sie in sich selbst inves-tieren können – und sollten«

Weiterbildung schaff t natürlich einen enor-men Wert für Unternehmen. Nur: Es ist eben eine Investition, die sich erst langfristig auszahlt. Denn Weiterbildung verschaff t Unternehmen erst die Basis, auf grundle-gende Veränderungen im Markt reagieren zu können und Chancen zu nutzen.Werden sich Berufsbiografien dadurch verändern? In Deutschland sind wir noch nicht so weit. Aber im angelsächsischen Raum sehen wir, dass eine Karriere darin besteht, sehr vie-le verschiedene Funktionen zu besetzen. Jemand arbeitet im Vertrieb, dann in der Entwicklung und kommt dann zu HR und hat ein ganz anderes Bewusstsein für das Geschäft und weiß viel über die Zielgrup-pen. Wenn wir daran glauben, dass gerade eine Transformation stattfi ndet, dann ist es wichtig, dass Unternehmen die Adaptions-fähigkeit des Menschen nutzen – also sein Potenzial, einen anderen Beruf auszuüben, als er gelernt hat. Aber auch Arbeitnehmer sollten erkennen, dass sie in sich selbst

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