1
Münchner Merkur Nr. 131 | Freitag, 11. Juni 2010 Telefon (089) 53 06-483 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 58 27 Sport JUGENDSPORT: KITESURFEN STATT WINDSURFEN Ein neuer, flippiger Trend erobert die Funsport-Szene. Immer mehr Surfer lassen sich von einem Lenkdrachen durchs und übers Wasser ziehen, heben ab und machen die tollsten Kunststücke. Sieht gefährlich aus, doch Kitesurfen soll ein sicherer Sport sein und dazu sehr schnell zu lernen packten Wohnmobil hinauf in den Norden, wie zuletzt im Mai nach Büsum. Zwei ver- schieden große Schirme, für schwächeren und stärkeren Wind, hat jeder dabei, dazu das Board, die Bar, mit der man den Schirm steuert, Tra- pezgurt, Neoprenanzug, Helm, Prallschutzweste. Da kommt einiges zusammen. Es hat sich gelohnt. Unter den mehr als 30 der besten deutschen Kitesurf-Junioren holten sich die beiden Jüngs- ten respektable Plätze, Xaver wurde im Race, wo es um Ge- schwindigkeit geht, Zehnter, Jakob belegte im Freestyle, wo spektakuläre Tricks und hohe Sprünge gefragt sind, Rang 13. Das ist schon mal richtig gut. Noch besser war, dass es Wind gab, richtig gei- len Wind bis zur Stärke sie- ben. Den nämlich brauchen die beiden wie die Luft zum Atmen. derinnen. Jakob und Xaver spielen auch richtig gut Fuß- ball, sind tolle Judoka, sind Ski und Snowboard gefahren, machen jetzt im Winter Snowkite und interessieren sich für fast alle Sportarten. „Ich muss mich einfach bewe- gen, lange still zu sitzen, ist furchtbar“, sagt Jakob. Tut er lang genug in der Schule, er geht aufs Gymnasium in Ge- retsried, „die Noten“, sagt Anja Kiebler, „sind ganz okay.“ Trotz der begrenzten Zeit, die er für Hausaufgaben zur Verfügung hat. Auch Xa- ver will im kommenden Schuljahr aufs Gymnasium. Dort ist man sehr aufge- schlossen, wenn es um Frei- stellungen für den Sport geht. Jakob und Xaver bestreiten zwar nur drei bis vier Wett- kämpfe pro Jahr, doch ans Meer fährt man lange, muss also meist schon am Freitag weg. Dann geht es im vollbe- ne nie wird erreichen kön- nen. Aber sie geben ihr Tipps, unterstützen sie, wo es geht. Und einmal, in Brasilien, mussten sie die Mama sogar aus den Fluten retten. „Da hab‘ ich mich ziemlich blöd angestellt“, gibt sie schuldbe- wusst zu. Daheim in Thanning, in der Nähe von Wolfratshausen, haben die Kieblers ihr Trai- ningscamp. Im Garten stehen zwei Trampolins, gut geeignet für das Trockentraining, von einem Baum hängt ein Seil, auch daran lassen sich die Sprünge gut üben. Natürlich kein Vergleich mit dem ech- ten Kitesurfen, doch das Meer ist weit. Diesen Standort- nachteil machen die Kieblers wett durch fleißiges Üben, nicht nur daheim. „Das Wettkampfgen haben sie wohl von mir“, vermutet Anja Kiebler, einst eine der besten deutschen Snowboar- Strand und wieder zurück ins Wasser.“ Lang wird es nicht mehr dauern und die beiden versuchen das auch. Ein Alptraum für Eltern? „Ja“, gesteht Anja Kiebler, „anfangs hatte ich total Angst um die Kinder.“ Aber dann hat sie miterlebt, wie sich die beiden langsam an den Sport herangetastet haben, gese- hen, dass sie „instinktiv vieles richtig machten“, nicht zu viel wollten gleich am Anfang. Und als sie selbst das Surfse- gel mit dem Kite tauschte, hat sie zu ihrer eigenen Verwun- derung festgestellt, dass man „Kitesurfen viel schneller lernt als das Windsurfen.“ Inzwischen ist Windsurfen ziemlich „out“ bei den Kieb- lers, der Vater surft noch ab und zu, wenn der Wind gut ist. Die Mutter aber hat das Kitesurf-Fieber voll erfasst, auch wenn sie weiß, dass sie die Leistungsstärke ihrer Söh- von der Kraft des Windes hi- nausgetragen zu werden. „Einfach lässig“ sei das, Jakob strahlt und Xaver erklärt, wie das funktioniert mit dem Flie- gen: Den Kite tief legen, stark ancarven, den Schirm recht- zeitig nach oben bringen, so dass er nahezu senkrecht über einem steht, stark heran- ziehen, „dann reißt es einen richtig hoch“. Und man schwebt für Sekunden fast schwerelos durch die Luft, dreht sich, macht die tollsten Tricks. Und dann erzählen die Bu- ben von den „Großen“, die sie bewundern, „die machen Sachen, das ist Wahnsinn“, sagt Xaver. „Und das in sie- ben, acht Metern Höhe. Für Zuschauer einfach gigan- tisch.“ Xaver schwärmt von einem Kiteloop-Wettbewerb, bei dem die Kitesurfer „acht bis zehn Meter hoch geflo- gen“ sind, „raus über den Ein Dreckswetter ist das. Und das Mitte Mai. Es ist kalt, bit- ter kalt hier in Büsum, die Nordsee ist aufgewühlt und rau. Ein kräftiger Wind bläst, „so stark wie noch nie“, er- zählt Anja Kiebler. Und das ist genial, einfach genial. Zu- mindest für ihre beiden Bu- ben, für Jakob und Xaver. Denn die brauchen den Wind wie die Luft zum Atmen, weil er sie übers Wasser zieht, sie hoch hinausträgt, ihnen Sprünge und Tricks ermög- licht und ein „Wahnsinnsge- fühl“ vermittelt, ein „Gefühl des Glücks“, sagt Jakob. Jakob und Xaver sind Kite- surfer. Die jüngsten, die in Deutschland Wettkämpfe be- streiten. Jakob ist elf, Xaver eineinhalb Jahre jünger. Und angefangen haben sie, als sie vier oder fünf waren. Dieses Spiel mit dem Wind hat sie fasziniert und Jakob erzählt vom Urlaub auf Rhodos, als er auf einem Felsen saß und seinen Papa fotografieren sollte. Der ist passionierter Windsurfer. Jakob aber fand die Kitesurfer viel, viel inte- ressanter. Die haben, über Leinen mit einer Art Gleit- schirm oder Drachen verbun- den, mit ihren Boards die toll- sten Luftsprünge gemacht. Und Jakob war fasziniert, knipste nur die. In einer Düne haben sich Jakob und Xaver ein Brett ge- sucht, Schlaufen darauf mon- tiert und sich eine Plastiktüte gesucht, aus der sie sich einen Schirm bastelten. Und wäh- rend die Eltern draußen auf ihrem langweiligen Surfbrett über die Wellen glitten, haben die Buben sich als Kitesurfer versucht. Mit untauglichem Material, aber riesengroßer Begeisterung. Die Eltern ha- ben dann zum Abschluss des Urlaubs Jakob einen Schnup- perkurs spendiert, Jakob ist die ersten 20, 30 Meter übers Wasser gerauscht und Anja Kiebler war irgendwie froh, dass man am nächsten Tag abreisen musste: „Sonst wäre uns das teuer gekommen.“ Denn Jakob war infiziert von diesem Sport. Und hat Xaver angesteckt, dem Bru- der das beigebracht, was er im Kurs gelernt hatte. Bald hin- gen sie beide am Schirm und konnten nicht mehr genug kriegen von diesem Gefühl, Die Kinder des Winds Riesenspaß in den Wellen vor Prasonissi auf Rhodos: Der zehnjährige Xaver Kiebler bei einem Backflip. FOTOS: PRIVAT Unterstützung durch Ausrüster Kitesurfen geht ganz schön ins Geld. 400 bis 800 Euro für den Schirm, 300 bis 500 Euro für das Board, dazu Bar, Tra- pez, Helm, Prallschutzweste, Neoprenanzug und eine lässi- ge Short zum Drüberziehen. Muss sein, ist cool. „Am An- fang reicht auch ein ge- brauchter Schirm“, sagt Anja Kiebler, rät aber keinen zu al- ten zu nehmen. „Wegen des Sicherheitssystems.“ Die Kieblers haben die Kosten dadurch reduziert, dass sie Sponsoren und Aus- rüster gewonnen haben für ihre Buben Jakob und Xaver. Die Mutter kennt als frühere Snowboarderin die Szene recht gut, hat Videos an Fir- men geschickt und die fanden durchaus interessant, was die Kids da so treiben. Inzwi- schen wird Jakob von Naish unterstützt, Xaver von Flysur- fer, dazu kommen noch Aus- rüster wie Quiksilver und Oa- kley. „Kitesurfen ist ein rich- tig flippiger Trendsport, inte- ressant für die Wirtschaft“, sagt Anja Kiebler. Noch wird nicht allzu viel verkauft. Doch Kitesurfen hat Wachs- tumspotenzial. KOSTEN ..................................... Ein lebensbejahender Sport GEFAHREN WEITER MINIMIERT ............................................................................................................ dert es einem bei einem Sturz hinterher und kann zu schwe- ren Verletzungen führen.“ Gefahren lassen sich mini- mieren, „Kinder haben ein gutes Gefühl dafür“, sagt Anja Kiebler. Sie selbst achtet auch bei der Wahl des Surfreviers sehr auf Sicherheit: „Wenn ich bei starkem Wind an den Starnberger See gehe, wo rundherum Bäume sind, ist das natürlich gefährlicher als an einem weiten Sandstrand ohne Riffs und Klippen. Auch so lässt sich die Gefahr ein- grenzen.“ Und dann, so beteuern die Kieblers, ist Kitesurfen wirk- lich sicher. „Schade“, sagt Ja- kob, „dass so viele Eltern Angst davor haben und ihre Kinder nicht anfangen las- sen.“ Zu gerne würden Jakob und Xaver noch viele gleich- gesinnte Jugendliche finden. Dabei sei Kitesurfen, um noch einmal Richard Bran- son zu zitieren, keinesfalls le- bensgefährlich, sondern „le- bensbejahend“. Das findet auch Xaver und ärgert sich über viel zu ängstliche Eltern: „Dabei passiert nie was.“ Fast nie. Und Kinder sollten (manchmal) nicht zu sehr auf die Erwachsenen hören. Es gab eine zweite gefährliche Szene, „da habe ich“, so die schuldbewusste Mutter, „bei- de Kinder zu mir an den Strand gerufen. Sie kamen und da haben sich die zwei Schirme verheddert, waren nicht mehr steuerbar, Jakob wurde zwei, drei Meter in die Luft gerissen.“ Reaktions- schnell hat er das Sicherheits- system ausgelöst, fiel zu Bo- den, nichts war passiert. Der Sport hat sich in den letzten Jahren stark entwi- ckelt, viel wurde getan für die Sicherheit. Inzwischen kann man bei Gefahr mit einem Handgriff den Kite komplett aushängen, man trägt Schutz- kleidung mit Helm und Prall- schutzweste, im Trapezgürtel steckt sogar ein kleines Mes- ser, mit dem man im Notfall die Leinen durchtrennen kann. Nur vor der Boardleash warnt Jakob dringend: „Das ist superschlecht. Damit ver- hindert man zwar, dass man das Brett verliert, da es aber mit einem Gummiband am Trapez befestigt wird, schleu- Der Laie sagt: Wahnsinn, wie- der so ein Extremsport, bei dem man Kopf und Kragen riskiert. Und wenn dann der Abenteurer Richard Branson, der als erster Mensch in ei- nem Heißluftballon den At- lantik überquert hat, tönt: „Kitesurfen ist ein sicherer Sport“, stuft man das als ziemlich relativ ein. Der Branson hat schließlich schon ganz andere Dinge überlebt. Aber auch Anja Kiebler be- hauptet, Kitesurfen sei unge- fährlich. Und die ist Mutter, hat zwei Söhne, die diesen Sport betreiben. Kann sich aber nicht an Situationen er- innern, die wirklich gefähr- lich waren. Jakob, der ältere der beiden Buben, wider- spricht. Und erzählt, wie ein- mal hinter ihm ein Kollege ins Straucheln gekommen ist, die Kontrolle über den Schirm verloren hat und sich dessen Leinen um seinen Hals gelegt haben. „Das war schon kri- tisch.“ Stimmt, sagt die Ma- ma, doch das sei ja nicht Ja- kobs Schuld gewesen. Sie rät: „Um Anfänger sollte man ei- nen großen Bogen machen.“ In voller Montur: Jakob (links) und Xaver Kiebler mit Trapez- gurt, Helm und Prallschutzweste vor dem Start. JUGENDSPORT Die Jugendsportseite erscheint alle drei Wo- chen. Autor ist Rein- hard Hübner, für Tipps, Infos und Anre- gungen erreichbar un- ter 08031 / 42657 oder Huebner-Rosen- [email protected] TIPPS, TRENDS UND INFOS Kitesurfen Schon in den 80er Jahren tüftelten französische Sur- fer daran, ihr Segel durch einen Drachen zu erset- zen. Mitte der 90er wurde das Kitesurfen auf Hawaii populär. Inzwischen hat sich das Surfen mit dem Lenkdrachen auch in Deutschland zu einer Trendsportart entwickelt. Die World Cup-Rennen 2009 auf Sylt und in St. Pe- ter-Ording haben eine grö- ßere Öffentlichkeit auf den Funsport aufmerksam gemacht. Beim Kitesurfen lassen sich die Surfer mit einem Lenkdrachen, dem so genannten Kite, über das Wasser ziehen. Durch die Eigendynamik des Ki- tes lernen auch Anfänger schnell, wie es ist, abzuhe- ben und das Gefühl des Fliegens zu erleben. Richtig abheben Das Board beim Kitesur- fen ist viel kleiner als ein Windsurfbrett und hat kei- nen eigenen Auftrieb. Es lässt sich meist in beide Richtungen fahren. Die Füße stecken in Schlau- fen, sind aber nicht fixiert. Anstelle eines Segels be- nutzt der Surfer einen Lenkdrachen, den Kite, der Gleitschirmen ähnlich sieht. Gesteuert wird der Schirm mit Leinen an ei- ner Trapezstange. Der Sur- fer lässt sich vom Kite übers Wasser ziehen und kann richtig abheben. Der Auftrieb des Drachens hält Kitesurfer vergleichsweise lange in der Luft. So er- möglicht das Kiten Sprün- ge, Rotationen und atem- beraubende Manöver. Race und Freestyle Bei Kitesurf-Wettkämpfen gibt es zwei Disziplinen, „Race“ und „Freestyle“. Beim Race versucht man, einen etwa drei bis vier Ki- lometer langen Dreieck- kurs möglichst schnell zu bewältigen, gute Kitesurfer schaffen das in etwa 15 Minuten. Dabei liegen die Geschwindigkeiten etwa bei 50 km/h. Beim Free- style versucht man, in der Luft Rotationen, viele Tricks und spektakuläre Flüge zu zeigen. Rekorde Rekordsucht gibt es auch beim Kitesurfen. Derzeit gibt es zwei Speed-Weltre- kordler. Nach Version der WGPSSRC ist das der Franzose Sebastien Catel- lan mit 56,87 Knoten, das entspricht 105,32 km/h. Schnellster Mann nach Version des WSSRC ist Alexandre Caizergues, auch ein Franzose, mit 50,98 Knoten, umgerech- net 94,41 km/h. Der be- schrieb seine Rekordfahrt so: „Als würde man mit ei- nem Motorrad mit 200 km/h über einen Feldweg mit vielen Schlaglöchern fahren.“ Bei den Sprüngen liegt der Rekord bei einer Höhe von etwa 10 m und einer Weite von 250 m.

Die Kinder des Winds · Ein neuer, flippiger Trend erobert die Funsport-Szene. Immer mehr Surfer lassen sich von einem Lenkdrachen durchs und übers Wasser ziehen, heben ab und machen

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die Kinder des Winds · Ein neuer, flippiger Trend erobert die Funsport-Szene. Immer mehr Surfer lassen sich von einem Lenkdrachen durchs und übers Wasser ziehen, heben ab und machen

Münchner Merkur Nr. 131 | Freitag, 11. Juni 2010

Telefon (089) 53 [email protected]

Telefax: (089) 53 06-86 58 27SportJUGENDSPORT: KITESURFEN STATT WINDSURFEN

Ein neuer, flippiger Trend erobert die Funsport-Szene. Immer mehr Surfer lassen sich von einem Lenkdrachen durchs und übers Wasser ziehen, heben

ab und machen die tollsten Kunststücke. Sieht gefährlich aus, doch Kitesurfen soll ein sicherer Sport sein und dazu sehr schnell zu lernen

packten Wohnmobil hinaufin den Norden, wie zuletzt imMai nach Büsum. Zwei ver-schieden große Schirme, fürschwächeren und stärkerenWind, hat jeder dabei, dazudas Board, die Bar, mit derman den Schirm steuert, Tra-pezgurt, Neoprenanzug,Helm, Prallschutzweste. Dakommt einiges zusammen.

Es hat sich gelohnt. Unterden mehr als 30 der bestendeutschen Kitesurf-Juniorenholten sich die beiden Jüngs-ten respektable Plätze, Xaverwurde im Race, wo es um Ge-schwindigkeit geht, Zehnter,Jakob belegte im Freestyle,wo spektakuläre Tricks undhohe Sprünge gefragt sind,Rang 13. Das ist schon malrichtig gut. Noch besser war,dass es Wind gab, richtig gei-len Wind bis zur Stärke sie-ben. Den nämlich brauchendie beiden wie die Luft zumAtmen.

derinnen. Jakob und Xaverspielen auch richtig gut Fuß-ball, sind tolle Judoka, sindSki und Snowboard gefahren,machen jetzt im WinterSnowkite und interessierensich für fast alle Sportarten.„Ich muss mich einfach bewe-gen, lange still zu sitzen, istfurchtbar“, sagt Jakob. Tut erlang genug in der Schule, ergeht aufs Gymnasium in Ge-retsried, „die Noten“, sagtAnja Kiebler, „sind ganzokay.“ Trotz der begrenztenZeit, die er für Hausaufgabenzur Verfügung hat. Auch Xa-ver will im kommendenSchuljahr aufs Gymnasium.Dort ist man sehr aufge-schlossen, wenn es um Frei-stellungen für den Sport geht.

Jakob und Xaver bestreitenzwar nur drei bis vier Wett-kämpfe pro Jahr, doch ansMeer fährt man lange, mussalso meist schon am Freitagweg. Dann geht es im vollbe-

ne nie wird erreichen kön-nen. Aber sie geben ihr Tipps,unterstützen sie, wo es geht.Und einmal, in Brasilien,mussten sie die Mama sogaraus den Fluten retten. „Dahab‘ ich mich ziemlich blödangestellt“, gibt sie schuldbe-wusst zu.

Daheim in Thanning, in derNähe von Wolfratshausen,haben die Kieblers ihr Trai-ningscamp. Im Garten stehenzwei Trampolins, gut geeignetfür das Trockentraining, voneinem Baum hängt ein Seil,auch daran lassen sich dieSprünge gut üben. Natürlichkein Vergleich mit dem ech-ten Kitesurfen, doch das Meerist weit. Diesen Standort-nachteil machen die Kieblerswett durch fleißiges Üben,nicht nur daheim.

„Das Wettkampfgen habensie wohl von mir“, vermutetAnja Kiebler, einst eine derbesten deutschen Snowboar-

Strand und wieder zurück insWasser.“ Lang wird es nichtmehr dauern und die beidenversuchen das auch.

Ein Alptraum für Eltern?„Ja“, gesteht Anja Kiebler,„anfangs hatte ich total Angstum die Kinder.“ Aber dannhat sie miterlebt, wie sich diebeiden langsam an den Sportherangetastet haben, gese-hen, dass sie „instinktiv vielesrichtig machten“, nicht zu vielwollten gleich am Anfang.Und als sie selbst das Surfse-gel mit dem Kite tauschte, hatsie zu ihrer eigenen Verwun-derung festgestellt, dass man„Kitesurfen viel schnellerlernt als das Windsurfen.“

Inzwischen ist Windsurfenziemlich „out“ bei den Kieb-lers, der Vater surft noch abund zu, wenn der Wind gutist. Die Mutter aber hat dasKitesurf-Fieber voll erfasst,auch wenn sie weiß, dass siedie Leistungsstärke ihrer Söh-

von der Kraft des Windes hi-nausgetragen zu werden.„Einfach lässig“ sei das, Jakobstrahlt und Xaver erklärt, wiedas funktioniert mit dem Flie-gen: Den Kite tief legen, starkancarven, den Schirm recht-zeitig nach oben bringen, sodass er nahezu senkrechtüber einem steht, stark heran-ziehen, „dann reißt es einenrichtig hoch“. Und manschwebt für Sekunden fastschwerelos durch die Luft,dreht sich, macht die tollstenTricks.

Und dann erzählen die Bu-ben von den „Großen“, diesie bewundern, „die machenSachen, das ist Wahnsinn“,sagt Xaver. „Und das in sie-ben, acht Metern Höhe. FürZuschauer einfach gigan-tisch.“ Xaver schwärmt voneinem Kiteloop-Wettbewerb,bei dem die Kitesurfer „achtbis zehn Meter hoch geflo-gen“ sind, „raus über den

Ein Dreckswetter ist das. Unddas Mitte Mai. Es ist kalt, bit-ter kalt hier in Büsum, dieNordsee ist aufgewühlt undrau. Ein kräftiger Wind bläst,„so stark wie noch nie“, er-zählt Anja Kiebler. Und dasist genial, einfach genial. Zu-mindest für ihre beiden Bu-ben, für Jakob und Xaver.Denn die brauchen den Windwie die Luft zum Atmen, weiler sie übers Wasser zieht, siehoch hinausträgt, ihnenSprünge und Tricks ermög-licht und ein „Wahnsinnsge-fühl“ vermittelt, ein „Gefühldes Glücks“, sagt Jakob.

Jakob und Xaver sind Kite-surfer. Die jüngsten, die inDeutschland Wettkämpfe be-streiten. Jakob ist elf, Xavereineinhalb Jahre jünger. Undangefangen haben sie, als sievier oder fünf waren. DiesesSpiel mit dem Wind hat siefasziniert und Jakob erzähltvom Urlaub auf Rhodos, alser auf einem Felsen saß undseinen Papa fotografierensollte. Der ist passionierterWindsurfer. Jakob aber fanddie Kitesurfer viel, viel inte-ressanter. Die haben, überLeinen mit einer Art Gleit-schirm oder Drachen verbun-den, mit ihren Boards die toll-sten Luftsprünge gemacht.Und Jakob war fasziniert,knipste nur die.

In einer Düne haben sichJakob und Xaver ein Brett ge-sucht, Schlaufen darauf mon-tiert und sich eine Plastiktütegesucht, aus der sie sich einenSchirm bastelten. Und wäh-rend die Eltern draußen aufihrem langweiligen Surfbrettüber die Wellen glitten, habendie Buben sich als Kitesurferversucht. Mit untauglichemMaterial, aber riesengroßerBegeisterung. Die Eltern ha-ben dann zum Abschluss desUrlaubs Jakob einen Schnup-perkurs spendiert, Jakob istdie ersten 20, 30 Meter übersWasser gerauscht und AnjaKiebler war irgendwie froh,dass man am nächsten Tagabreisen musste: „Sonst wäreuns das teuer gekommen.“

Denn Jakob war infiziertvon diesem Sport. Und hatXaver angesteckt, dem Bru-der das beigebracht, was er imKurs gelernt hatte. Bald hin-gen sie beide am Schirm undkonnten nicht mehr genugkriegen von diesem Gefühl,

Die Kinder des Winds

Riesenspaß in den Wellen vor Prasonissi auf Rhodos: Der zehnjährige Xaver Kiebler bei einem Backflip. FOTOS: PRIVAT

Unterstützungdurch Ausrüster

Kitesurfen geht ganz schönins Geld. 400 bis 800 Euro fürden Schirm, 300 bis 500 Eurofür das Board, dazu Bar, Tra-pez, Helm, Prallschutzweste,Neoprenanzug und eine lässi-ge Short zum Drüberziehen.Muss sein, ist cool. „Am An-fang reicht auch ein ge-brauchter Schirm“, sagt AnjaKiebler, rät aber keinen zu al-ten zu nehmen. „Wegen desSicherheitssystems.“

Die Kieblers haben dieKosten dadurch reduziert,dass sie Sponsoren und Aus-rüster gewonnen haben fürihre Buben Jakob und Xaver.Die Mutter kennt als frühereSnowboarderin die Szenerecht gut, hat Videos an Fir-men geschickt und die fandendurchaus interessant, was dieKids da so treiben. Inzwi-schen wird Jakob von Naishunterstützt, Xaver von Flysur-fer, dazu kommen noch Aus-rüster wie Quiksilver und Oa-kley. „Kitesurfen ist ein rich-tig flippiger Trendsport, inte-ressant für die Wirtschaft“,sagt Anja Kiebler. Noch wirdnicht allzu viel verkauft.Doch Kitesurfen hat Wachs-tumspotenzial.

KOSTEN .....................................

Ein lebensbejahender SportGEFAHREN WEITER MINIMIERT ............................................................................................................

dert es einem bei einem Sturzhinterher und kann zu schwe-ren Verletzungen führen.“

Gefahren lassen sich mini-mieren, „Kinder haben eingutes Gefühl dafür“, sagt AnjaKiebler. Sie selbst achtet auchbei der Wahl des Surfrevierssehr auf Sicherheit: „Wennich bei starkem Wind an denStarnberger See gehe, worundherum Bäume sind, istdas natürlich gefährlicher alsan einem weiten Sandstrandohne Riffs und Klippen. Auchso lässt sich die Gefahr ein-grenzen.“

Und dann, so beteuern dieKieblers, ist Kitesurfen wirk-lich sicher. „Schade“, sagt Ja-kob, „dass so viele ElternAngst davor haben und ihreKinder nicht anfangen las-sen.“ Zu gerne würden Jakobund Xaver noch viele gleich-gesinnte Jugendliche finden.Dabei sei Kitesurfen, umnoch einmal Richard Bran-son zu zitieren, keinesfalls le-bensgefährlich, sondern „le-bensbejahend“. Das findetauch Xaver und ärgert sichüber viel zu ängstliche Eltern:„Dabei passiert nie was.“ Fastnie.

Und Kinder sollten(manchmal) nicht zu sehr aufdie Erwachsenen hören. Esgab eine zweite gefährlicheSzene, „da habe ich“, so dieschuldbewusste Mutter, „bei-de Kinder zu mir an denStrand gerufen. Sie kamenund da haben sich die zweiSchirme verheddert, warennicht mehr steuerbar, Jakobwurde zwei, drei Meter in dieLuft gerissen.“ Reaktions-schnell hat er das Sicherheits-system ausgelöst, fiel zu Bo-den, nichts war passiert.

Der Sport hat sich in denletzten Jahren stark entwi-ckelt, viel wurde getan für dieSicherheit. Inzwischen kannman bei Gefahr mit einemHandgriff den Kite komplettaushängen, man trägt Schutz-kleidung mit Helm und Prall-schutzweste, im Trapezgürtelsteckt sogar ein kleines Mes-ser, mit dem man im Notfalldie Leinen durchtrennenkann. Nur vor der Boardleashwarnt Jakob dringend: „Dasist superschlecht. Damit ver-hindert man zwar, dass mandas Brett verliert, da es abermit einem Gummiband amTrapez befestigt wird, schleu-

Der Laie sagt: Wahnsinn, wie-der so ein Extremsport, beidem man Kopf und Kragenriskiert. Und wenn dann derAbenteurer Richard Branson,der als erster Mensch in ei-nem Heißluftballon den At-lantik überquert hat, tönt:„Kitesurfen ist ein sichererSport“, stuft man das alsziemlich relativ ein. DerBranson hat schließlichschon ganz andere Dingeüberlebt.

Aber auch Anja Kiebler be-hauptet, Kitesurfen sei unge-fährlich. Und die ist Mutter,hat zwei Söhne, die diesenSport betreiben. Kann sichaber nicht an Situationen er-innern, die wirklich gefähr-lich waren. Jakob, der ältereder beiden Buben, wider-spricht. Und erzählt, wie ein-mal hinter ihm ein Kollege insStraucheln gekommen ist, dieKontrolle über den Schirmverloren hat und sich dessenLeinen um seinen Hals gelegthaben. „Das war schon kri-tisch.“ Stimmt, sagt die Ma-ma, doch das sei ja nicht Ja-kobs Schuld gewesen. Sie rät:„Um Anfänger sollte man ei-nen großen Bogen machen.“

In voller Montur: Jakob (links) und Xaver Kiebler mit Trapez-gurt, Helm und Prallschutzweste vor dem Start.

JUGENDSPORT

Die Jugendsportseiteerscheint alle drei Wo-chen. Autor ist Rein-hard Hübner, fürTipps, Infos und Anre-gungen erreichbar un-ter 08031 / 42657 [email protected]

TIPPS, TRENDSUND INFOS

Kitesurfen

Schon in den 80er Jahrentüftelten französische Sur-fer daran, ihr Segel durcheinen Drachen zu erset-zen. Mitte der 90er wurdedas Kitesurfen auf Hawaiipopulär. Inzwischen hatsich das Surfen mit demLenkdrachen auch inDeutschland zu einerTrendsportart entwickelt.Die World Cup-Rennen2009 auf Sylt und in St. Pe-ter-Ording haben eine grö-ßere Öffentlichkeit aufden Funsport aufmerksamgemacht. Beim Kitesurfenlassen sich die Surfer miteinem Lenkdrachen, demso genannten Kite, überdas Wasser ziehen. Durchdie Eigendynamik des Ki-tes lernen auch Anfängerschnell, wie es ist, abzuhe-ben und das Gefühl desFliegens zu erleben.

Richtig abhebenDas Board beim Kitesur-fen ist viel kleiner als einWindsurfbrett und hat kei-nen eigenen Auftrieb. Eslässt sich meist in beideRichtungen fahren. DieFüße stecken in Schlau-fen, sind aber nicht fixiert.Anstelle eines Segels be-nutzt der Surfer einenLenkdrachen, den Kite,der Gleitschirmen ähnlichsieht. Gesteuert wird derSchirm mit Leinen an ei-ner Trapezstange. Der Sur-fer lässt sich vom Kiteübers Wasser ziehen undkann richtig abheben. DerAuftrieb des Drachens hältKitesurfer vergleichsweiselange in der Luft. So er-möglicht das Kiten Sprün-ge, Rotationen und atem-beraubende Manöver.

Race und FreestyleBei Kitesurf-Wettkämpfengibt es zwei Disziplinen,„Race“ und „Freestyle“.Beim Race versucht man,einen etwa drei bis vier Ki-lometer langen Dreieck-kurs möglichst schnell zubewältigen, gute Kitesurferschaffen das in etwa 15Minuten. Dabei liegen dieGeschwindigkeiten etwabei 50 km/h. Beim Free-style versucht man, in derLuft Rotationen, vieleTricks und spektakuläreFlüge zu zeigen.

RekordeRekordsucht gibt es auchbeim Kitesurfen. Derzeitgibt es zwei Speed-Weltre-kordler. Nach Version derWGPSSRC ist das derFranzose Sebastien Catel-lan mit 56,87 Knoten, dasentspricht 105,32 km/h.Schnellster Mann nachVersion des WSSRC istAlexandre Caizergues,auch ein Franzose, mit50,98 Knoten, umgerech-net 94,41 km/h. Der be-schrieb seine Rekordfahrtso: „Als würde man mit ei-nem Motorrad mit 200km/h über einen Feldwegmit vielen Schlaglöchernfahren.“ Bei den Sprüngenliegt der Rekord bei einerHöhe von etwa 10 m undeiner Weite von 250 m.