Die Kinder von Shannara

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Die Kinder von Shannaravon Terry BrooksShannara - Nr. 10Dreihundert Jahre nach dem Tod des Druiden Allanon bilden die Vier Lnder ein Bild des Jammers. Das Sdland steht unter derHerrschaft der Fderation, und jegliche Magie ist strengstens untersagt. Als Par Ohmsford und sein Bruder Soll, die Kinder von Shannara, in Varfleet die alten Legenden vortragen, verfolgt man die beiden, da Par Magie angewandt habe, Auf ihrer Flucht begegnen sie einem Unbekannten, der ihnen eine merkwrdige Botschaft berbringt 1Der alte Mann sa allein im Schatten der Drachenzhne und beobachtete, wie im Westen das Licht des Tages der hereinbrechenden Dunkelheit wich. Es war ein khler Tag gewesen, ungewhnlich khl fr einen Sommertag, und die Nacht versprach kalt zu werden. Vereinzelte Wolken verdeckten den Himmel und warfen ihre Schatten auf die Erde. Eine Stille fllte die Leere, die durch das dahinschwindende Licht entstand, gleich einer Stimme, die darauf wartet zu sprechen. Es war eine Stille, die von Zauberei flsterte, dachte der alte Mann. Ein Feuer brannte vor ihm, noch klein, gerade ausreichend fr seine Zwecke. Schlielich wrde er mehrere Stunden abwesend sein. Er starrte in das Feuer mit einer Mischung aus Erwartung und Unbehagen, bevor er sich bckte und die greren Holzscheite hineinwarf, die die Flammen schon bald auflodern lieen. Er schrte es mit einem Stock, um dann, als die Hitze ihm entgegenschlug, zurckzutreten. Er stand am Rande des Lichtscheins, gefangen zwischen dem Feuer und der wachsenden Dunkelheit, ein Wesen, das sowohl zu beidem als auch zu keinem htte gehren knnen. Seine Augen funkelten, als er in die Ferne blickte. Die Gipfel der Drachenzhne ragten in den Himmel und erinnerten an Knochen, die die Erde nicht zu umschlieen vermochte. Es lag eine Stille ber den Bergen, eine Verschwiegenheit, die ihnen anhaftete wie Reif einem frostigen Morgen und die Trume aller Zeiten verbarg. Funken stoben aus dem Feuer, und der alte Mann schlug nach einer umherschwirrenden Flocke glhender Asche, die sich auf ihm niederzulassen drohte. Er glich einem Bndel locker zusammengebundener Stbe, das beim kleinsten Windhauch zu einem Hufchen Staub zusammenzufallen drohte. Sein graues Gewand und eine Decke hingen an ihm wie an einer Vogelscheuche. Seine lederne und braune Haut berzog tief zerfurcht und faltig seine Knochen. Das dnne, fedrige weie Haar und der Bart umkrnzten seinen Kopf und hoben sich gegen den Feuerschein wie Wattebusche ab. Er war so runzlig und gebeugt, da er aussah, als wre er hundert Jahre alt.In Wirklichkeit war er fast tausend Jahre alt.Merkwrdig, dachte er pltzlich, als ihm all die Jahre in den Sinn kamen. Paranor, der Rat der Rassen, sogar die Druiden alles Vergangenheit. Merkwrdig, da ausgerechnet er alle berdauert haben sollte.Er schttelte den Kopf. All das hatte sich vor so langer Zeit ereignet, lag so weit zurck, da es ein Teil seines Lebens war, den er kaum noch wiedererkannte. Er hatte geglaubt, dieser Teil sei abgeschlossen, fr immer vorbei. Er hatte geglaubt, frei zu sein. Jetzt wurde ihm klar, da er das nie gewesen war. Es war nicht mglich, frei zu sein von etwas, das schlielich die Verantwortung dafr trug, da er noch am Leben war.Wie htte er sonst, trotz allem, abgesehen vom Schlaf der Druiden, immer noch hier stehen knnen?Ein Schauer durchlief ihn im schwcher werdenden Licht, die Dunkelheit umhllte ihn jetzt ganz, da die Sonne am unteren Rand des Horizonts verschwand. Es war Zeit. Seine Trume hatten ihn wissen lassen, da es jetzt sein mute, und er glaubte seinen Trumen, weil er sie verstand. Auch das war ein Teil seines alten Lebens, der ihn nicht loslassen wrde seine Trume, Visionen von jenseitigen Welten, von Warnungen und Wahrheiten, von Dingen, die sein konnten und manchmal sein muten.Er trat vom Feuer zurck und betrat den schmalen Weg, der zu den Felsen hinauffhrte. Schatten umfingen ihn, deren Berhrung ihn schaudern lie. Lange Zeit ging er so, durch schmale Schluchten, um riesige Felsblcke, entlang felsigen Abhngen und schroffen Spalten. Als er wieder ans Licht trat, stand er am Rande eines flachen, steinigen Tales, in dessen Mitte sich ein See befand, dessen glatte Oberflche wie ein greller grner Spiegel wirkte.Der See war der Ort, an dem die Schatten der Druiden zwischen Kommen und Gehen verweilten. Hierher, zum Hadeshorn, war er gerufen worden.So soll es denn sein, sagte er leise.Langsam und vorsichtig bewegte er sich hinunter zum Tal, sein Herz schlug bis zum Hals. Er war lange fort gewesen. Das Wasser vor ihm bewegte sich nicht; die Schatten schliefen. So war es am besten, dachte er. Es war am besten, sie nicht zu stren.Er erreichte das Ufer des Sees und hielt inne. Alles war ruhig. Er atmete tief ein, und die ausstrmende Luft verursachte ein Gerusch wie raschelndes Laub. Er tastete nach seinem Beutel, den er um den Bauch trug, und lockerte die Schnur. Vorsichtig fate er hinein und holte eine Handvoll schwarzes Pulver heraus, in das Silberstaub gemischt war. Nach kurzem Zgern warf er es ber das Wasser.Das Pulver explodierte in der Luft und verbreitete ein unnatrliches Licht, das die Nacht um ihn herum wieder zum Tag werden lie. Er sprte keine Wrme, sah nur Licht. Es flimmerte und tanzte in der Dunkelheit wie ein lebendiges Wesen. Der alte Mann stand da und schaute, hielt Gewand und Decke eng um sich geschlungen, und in seinen Augen spiegelte sich das Leuchten. Er wiegte sich leise vor und zurck und fhlte sich einen Augenblick lang wieder jung.Pltzlich trat ein Schatten in das Licht, lautlos wie ein Geist, eine schwarze Gestalt, die sich ebenso gut aus der dahinterliegenden Finsternis verirrt haben konnte. Aber der alte Mann wute es besser. Diese Gestalt hatte sich nicht verirrt, sondern war gerufen worden. Langsam nahm sie deutlichere Konturen an. Es waren die Umrisse eines Mannes, ganz in Schwarz gehllt, eine groe und bedrohliche Erscheinung, die jeder, der sie irgendwann zu Gesicht bekommen hatte, sofort wiedererkannt htte.Also du, Allanon, flsterte der alte Mann.Das verhllte Haupt neigte sich zurck, so da die dunklen, harten Zge klar zum Vorschein kamen das eckige brtige Gesicht, die lange Nase und der Mund, die drohenden Brauen, die wie aus Eisen gegossen wirkten, die darunterliegenden Augen, die in die Seele zu schauen schienen. Die Augen fixierten den alten Mann und hielten ihn fest.Ich brauche dich, glaubte der Alte zu hren. Fast wie ein Flstern nahm er die Stimme wahr und sprte, da Unzufriedenheit und Ungeduld von ihr ausgingen. Der Schatten teilte sich ihm nur ber die Gedanken mit. Der alte Mann wich einen Augenblick zurck und wnschte, da diese Erscheinung, die er gerufen hatte, nicht mehr da sein mge. Doch dann fate er sich wieder und sah seiner Angst beherzt ins Auge. Ich gehre nicht mehr zu euch! gab er bissig zurck, whrend sich seine Augen gefhrlich verengten, und verga dabei, da es unntig war, laut zu sprechen. Du kannst mir nicht befehlen!Ich befehle nicht. Ich bitte. Hr mir zu. Du bist der einzige, der noch brig ist, vielleicht so lange der einzige, bis mein Nachfolger bestimmt ist. Verstehst du?Der alte Mann lachte nervs. Verstehen? Wer knnte besser verstehen als ich?Ein Teil von dir wird immer das bleiben, was du frher nie in Frage gestellt httest. Der Zauber bleibt ein Teil von dir. Immer. Hilf mir. Ich schicke die Trume, aber die Shannara-Kinder antworten nicht. Es mu sie jemand aufsuchen und mit ihnen sprechen, damit sie verstehen. Du.Nein, nicht ich! Ich lebe schon seit Jahren nicht mehr bei den Rassen, und ich mchte nichts mit ihren Schwierigkeiten zu tun haben! Der alte Mann richtete sich auf und runzelte die Stirn. Ich habe mich schon vor langer Zeit von diesem Unsinn freigemacht.Der Schatten schien in die Hhe zu schweben und vor seinen Augen pltzlich grer zu werden, und auch er fhlte, wie sich sein Krper vom Boden abhob. Er schwang sich empor, hinein in die Nacht. Er wehrte sich nicht, nahm jedoch all seinen Willen zusammen, obwohl er sprte, wie der Zorn des anderen gleich einem schwarzen Flu durch ihn hindurchstrmte. Die Stimme des Schattens erinnerte an den Klang von Knochen, die zermahlen werden.Sieh hin!Die Vier Lnder erschienen vor seinen Augen. Wie ein Gemlde breiteten sich Wiesen, Berge, Hgel, Seen, Wlder und Flsse vor ihm aus, im Sonnenlicht farbig leuchtende Flecken der Erde. Er hielt den Atem an, als er das Bild so deutlich und aus so groer Hhe sah, obwohl er wute, da alles nur eine Vision war. Aber das Sonnenlicht begann fast augenblicklich zu schwinden, die Farben zu verblassen. Dunkelheit umfing ihn, Dunkelheit, in die sich dsterer grauer Nebel und schwefelhaltige Asche mischten, die aus ausgebrannten Kratern aufstieg. Das Land verlor seine Eigenart und wurde d und leer. Er sprte, wie er sich darauf zubewegte; nur mit Widerwillen nherte er sich diesem Anblick und Geruch. Menschliche Wesen zogen in Scharen durch dieses verwstete Land, mehr Tier als Mensch. Sie zerrten und rissen aneinander, sie schrien und kreischten. Dunkle Gestalten huschten um sie herum, krperlose Schatten mit Augen aus Feuer. Die Schatten bewegten sich zwischen den menschlichen Wesen, berhrten sie, wurden eins mit ihnen und verlieen sie wieder. Sie bewegten sich in einer Art Tanz, der zugleich gespenstisch und doch zielgerichtet war. Er sah, da die Schatten die Menschen verschlangen. Die Menschen dienten ihnen als Nahrung.Sieh hin!Die Vision vernderte sich. Er sah sich selbst, einen abgemagerten, in Lumpen gekleideten Bettler vor einem Kessel voll seltsamen weien Feuers, das blubberte und wirbelte und seinen Namen flsterte. Nebel stiegen aus dem Kessel auf und bahnten sich ihren Weg zu ihm herunter, umhllten ihn, liebkosten ihn, als wre er ihr Kind. Schatten huschten um ihn herum, zogen zuerst an ihm vorbei, dann drangen sie in ihn ein wie in eine leere Hlle, in der es ihnen zu spielen beliebte. Er fhlte ihre Berhrung; er wollte schreien.Sieh hin!Wieder vernderte sich die Vision. Sie offenbarte ihm ein riesiges Waldstck, in dessen Mitte sich ein hoher Berg erhob. Auf der Spitze des Berges ruhte ein Schlo, alt und verwittert, Trme und Mauern ragten in das Dunkel hinein. Paranor, dachte er. Paranor ist wieder da! Er sprte etwas Heiteres und Hoffnungsvolles in sich aufsteigen und wollte seine Freude hinausschreien. Aber schon schlangen sich die Nebel um das Schlo. Die Schatten huschten ganz nahe vorbei. Die uralte Festung begann zu brckeln und zu zerfallen, die Mauern und der Mrtel brachen wie unter einem Schraubstock. Die Erde erzitterte, und Schreie erhoben sich von den Menschen, die zu Tieren wurden. Feuer trat aus der Erde und spaltete den Berg, auf dem Paranor ruhte, zerstrte schlielich das Schlo selbst. Wehklagen erfllte die Luft, es war der Schrei eines seiner letzten Hoffnung Beraubten. Der alte Mann erkannte, da es sein eigenes Wehklagen war, das er hrte.Dann sah er nichts mehr. Er befand sich wieder vor dem Hadeshorn, im Schatten der Drachenzhne, ganz allein mit Allanon. Trotz der Erleichterung zitterte er.Der Schatten deutete auf ihn. All das, was du gesehen hast, wird Wirklichkeit, sollten die Trume keine Beachtung finden. So wird es sein, wenn du nicht handelst. Du mut helfen. Such sie auf den Jungen, das Mdchen und den Dunklen Onkel. Erzhl ihnen, da die Trume wahr sind. Bitte sie, mich in der ersten Nacht des neuen Mondes, wenn der Mondzyklus geschlossen ist, hier aufzusuchen. Dann werde ich mit ihnen sprechen.Der alte Mann zog die Stirn in Falten und murmelte vor sich hin, whrend sich seine Unterlippe sorgenvoll nach vorne schob. Seine Finger zogen noch einmal die Beutelschnur fest, bevor er den Beutel zurck in seinen Grtel steckte. Ich werde es tun, weil kein anderer dafr in Frage kommt, sagte er schlielich und versuchte gar nicht, seinen Widerwillen zu verbergen. Aber erwarte nicht Such sie nur auf. Das ist alles, was ich verlange. Das ist alles, worum ich dich bitte. Geh jetzt!Der Schatten Allanons schimmerte hell und verschwand. Das Licht verschwand, und das Tal war wieder leer. Der alte Mann stand da und blickte auf das ruhige Wasser des Sees, bevor er sich abwandte.Als er zurckkehrte, brannte das Feuer, das er verlassen hatte, immer noch, doch es war jetzt weit heruntergebrannt und hob sich nur schwach gegen die Dunkelheit ab. Der alte Mann starrte gedankenverloren in die Flammen, um sich dann vor ihnen niederzukauern. Whrend er in der Asche herumstocherte, lauschte er der Stille seiner Gedanken.Der Junge, das Mdchen und der Dunkle Onkel er kannte sie. Sie, die Kinder von Shannara, konnten alle retten, sie konnten den Zauber wieder zum Leben erwecken. Er schttelte sein ergrautes Haupt. Wie sollte es ihm gelingen, sie zu berzeugen? Wenn sie nicht einmal auf Allanon hrten, warum sollten sie dann auf ihn hren?Noch einmal sah er im Geist die schrecklichen Visionen. Er wute, da er gut daran tat, einen Weg zu finden, um sich ihnen begreiflich zu machen. Er kannte ja die Kraft der Visionen und dieses Wissen erfllte ihn mit Stolz , und die, die er gesehen hatte, entsprachen der Wahrheit, die sogar einer wie er, der den Druiden und ihrem Zauber abgeschworen hatte, erkennen konnte.Falls die Kinder von Shannara nicht begriffen, wrden diese Visionen Wirklichkeit werden.2Par Ohmsford stand in der hinteren Tr des Bierhauses und starrte auf die dunkle schmale Strae zwischen den angrenzenden Husern hinaus, die sich irgendwann in den flackernden Lichtern von Varfleet verlief. Das Bierhaus war ein langgestrecktes bauflliges altes Gebude mit verwitterten Bretterwnden und Dachschindeln und sah im wahrsten Sinne des Wortes aus, als htte es irgendwann einmal jemandem als Stall gedient. Im oberen Stockwerk ber dem Schankraum und den hinteren Lagerrumen befanden sich die Schlafzimmer. Das Gebude selbst stand auf einem Hgel am westlichen Rand der Stadt am Ende einer Reihe von Husern, die alle zusammen in Hufeisenform angeordnet waren.Par atmete tief die Nachtluft ein und geno den Duft, den sie verstrmte. Gerche der Stadt, Gerche des Lebens, Fleisch- und Gemseeintpfe mit den verschiedensten Gewrzen, stark riechende Schnpse und herbe Biere, wohlriechende Dfte, Lederwerk, glhendes Eisen, das ber glimmenden Kohlen geschmiedet wurde, der Schwei von Tieren und Menschen, die auf engem Raum zusammen waren, der Geruch von Stein und Holz und Staub, der sich vermischte und gelegentlich einzeln wahrzunehmen war er kannte sie alle. Am unteren Ende der Gasse, hinter den mit Brettern vernagelten und beschmierten Rckseiten der Lden, fiel der Hgel zur Mitte der Stadt hin ab. Die Stadt, die bei Tage nichts weiter war als eine hliche und farblose Ansammlung von Gebuden, ein Labyrinth von steinernen Mauern und Straen, hlzernen Verschlagen und teergeschwrzten Dchern, zeigte bei Nacht ein anderes Gesicht. Die Gebude verloren in der Dunkelheit ihre Umrisse. Tausende von Lichtern erhellten die Stadt und erstreckten sich wie ein riesiger Schwarm von Leuchtkfern, so weit das Auge reichte. Sie bersten die unsichtbare Landschaft und flackerten in der Finsternis, whrend sie auf ihrem Weg nach Sden goldene Spuren auf der flssigen Haut des Mermidon hinterlieen. Dann war Varfleet wunderschn, aus dem Aschenputtel war wie durch Zauberhand eine Prinzessin geworden.Par freute sich an dem Gedanken, da die Stadt von einem Zauber umgeben war. Er liebte die Stadt sowieso, liebte sie, wie sie sich vor ihm erstreckte, liebte die Menschen und Dinge, die miteinander verschmolzen, liebte das pulsierende Leben. All das lie sich in keiner Weise mit Shady Vale, dem von Wald umgebenen Dorf, in dem er aufgewachsen war, vergleichen. Die Reinheit der Bume und Flsse, die Einsamkeit, das Gefhl der Sorglosigkeit, von der das Leben im Tal erfllt war, gab es hier nicht. Die Stadt wute nichts von jenem Leben und htte sich auch nicht das Geringste daraus gemacht. Par machte sich darber jedoch keine Sorgen. Er liebte die Stadt bedingungslos. Und schlielich gab es keine Anzeichen dafr, da er sich zwischen den beiden entscheiden mute. Es gab keinen Grund, warum er sich nicht an beiden erfreuen sollte.Coll war natrlich anderer Meinung. Coll sah die Dinge ganz anders. In seinen Augen war Varfleet nichts weiter als eine gesetzlose Stadt am Rande der Fderationsherrschaft, ein Rubernest, ein Ort, an dem jeder nach seinen eigenen Gesetzen lebte. Fr ihn gab es in ganz Callahorn, um nicht zu sagen im ganzen Sdland, keinen schrecklicheren Ort als diesen. Coll hate die Stadt.Aus der Dunkelheit hinter ihm drangen Stimmen und der Klang klirrender Glser, die Gerusche des Bierhauses, die durch eine offene Tr kurz zu hren waren, um dann, als die Tr wieder geschlossen wurde, zu verstummen. Par drehte sich um. Sein Bruder bewegte sich vorsichtig den Gang hinunter, sein Gesicht war in der Dunkelheit kaum auszumachen.Es ist fast Zeit, sagte Coll, als er seinen Bruder erreichte.Par nickte. Er wirkte klein und schmchtig im Vergleich mit Coll, einem groen, starken jungen Mann mit derben Zgen und gelblichen Haaren. Keiner, der sie nicht kannte, htte sie fr Brder gehalten. Coll war ein typischer Mann aus dem Tal, gebrunt und derb, mit riesigen Hnden und Fen. Die Fe waren immer wieder Anla fr Witze. Par verglich sie gern mit Entenfen. Er selbst war schmchtig und hellhutig, seine Zge erinnerten, angefangen von seinen spitzen Ohren und Brauen bis hin zu seinen hohen, schmalen Backenknochen, unmiverstndlich an einen Elfen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der es in der Familie beinahe kein Elfenblut mehr gab, und zwar deshalb, weil die Ohmsfords generationenlang immer im Tal gelebt hatten. Dann aber, vor vier Generationen (das wute er von seinem Vater), war sein Ururgrovater in das Westland zu den Elfen zurckgekehrt, hatte ein Elfenmdchen geheiratet, und die beiden hatten einen Sohn und eine Tochter bekommen. Der Sohn hatte wiederum ein Elfenmdchen geheiratet, und dann waren die beiden, die Pars Urgroeltern sein sollten, aus unerfindlichen Grnden ins Tal zurckgekehrt und brachten auf diese Weise neues Elfenblut in die Ohmsford-Familie. Sogar damals war das unterschiedliche Erbe in vielen Familienmitgliedern nicht zu erkennen; Coll und seine Eltern Jaralan und Mirianna waren die besten Beweise dafr. In Par dagegen hatte sich das Elfenblut vom ersten Tag an gezeigt.Bedauerlicherweise war es jedoch nicht unbedingt wnschenswert, auf diese Weise erkannt zu werden. In Varfleet verbarg Par seine Merkmale, indem er seine Brauen zupfte, sein Haar lang trug, um seine Ohren zu verdecken, und seinem Gesicht mit Tnungscreme ein dunkleres Aussehen verlieh. Es blieb ihm keine andere Wahl. In diesen Tagen wre es unklug gewesen, die Aufmerksamkeit auf sein Elfenerbe zu lenken.Sie hat sich heute abend ganz besonders hbsch zurechtgemacht, meinst du nicht auch? sagte Coll, whrend sein Blick zu der Stadt hinschweifte. Schwarzer Samt und Glitzer, und jedes Hrchen an seinem Platz. Kluges Mdchen, diese Stadt. Und selbst den Himmel hat sie zum Freund.Par lchelte. Mein Bruder, der Dichter. Es war eine klare Nacht, die kleine Mondsichel und die Sterne erhellten den Himmel mit ihrem Glanz. Schon mglich, da du sie mit der Zeit mgen wrdest, wenn du ihr nur eine kleine Chance geben wolltest.Ich? schnaubte Coll. Sehr unwahrscheinlich. Ich bin hier, weil du hier bist. Ich wrde keine Minute lnger bleiben, wenn ich nicht mte.Wenn du wolltest, knntest du gehen.Coll strubte sich. La uns nicht wieder davon anfangen, Par. Wir haben das doch schon so oft durchgesprochen. Du warst derjenige, der in die Stdte im Norden kommen wollte. Mir hat die Idee schon damals nicht gefallen, und sie gefllt mir jetzt keinen Deut besser. Aber das ndert nichts an der Tatsache, da wir, du und ich, uns entschieden haben, die Sache gemeinsam durchzustehen. Ich wre ein schner Bruder, wenn ich dich hier zurckliee und jetzt zum Tal zurckkehrte! Auerdem glaube ich nicht, da du ohne mich hier zurechtkmst.Schon gut, schon gut, ich wollte ja nur , warf Par ein. versuchen, dir einen kleinen Spa auf meine Kosten zu erlauben! beendete Coll erregt. Du hast das in letzter Zeit mehr als einmal versucht. Es scheint dir zu gefallen.Das stimmt nicht.Coll ging nicht darauf ein, sondern starrte in die Dunkelheit hinaus.Ich wrde mir nie erlauben, jemanden mit Entenfen auf den Arm zu nehmen.Coll mute wider Willen grinsen. Das sind ja schne Worte aus dem Mund eines kleinen Burschen mit spitzen Ohren. Du solltest dankbar sein, da ich mich entschlossen habe, zu bleiben und mich um dich zu kmmern!Par stie ihn an, und beide muten lachen. Dann wurden sie ganz still und lauschten auf Gerusche, die aus dem Bierhaus und den dahinterliegenden Straen zu ihnen drangen. Par seufzte. Die warme, schlfrige Sommernacht lie die kalten, ungemtlichen Tage der vergangenen Wochen wie einen Traum erscheinen. In solchen Nchten verflogen die Sorgen, und Trume erwachten zu neuem Leben.Es geht das Gercht um, da Sucher in der Stadt sind, teilte Coll ihm pltzlich mit und machte damit seiner zu friedenen Stimmung ein Ende.Das ist doch nichts Neues, antwortete er.An Gerchten ist oft was Wahres. Man sagt, da sie sich alle, die etwas mit Zauberei zu tun haben, schnappen und die Bierhuser schlieen wollen. Coll schaute ihn eindringlich an. Sucher, Par. Nicht einfache Soldaten. Sucher.Par wute Bescheid. Sucher so nannte man die Geheimpolizei der Fderation, die Vollzugsbeamten des gesetzgebenden Koalitionsrates. Er war im Bilde.Coll und er waren vor zwei Wochen in Varfleet eingetroffen. Sie hatten die Vertrautheit und den Schutz ihres Elternhauses verlassen und waren zunchst ins Grenzland von Callahorn gekommen. Sie hatten sich auf den Weg gemacht, weil Par es so beschlossen hatte, weil er die Zeit fr gekommen hielt, ihre Geschichten anderswo zu erzhlen, und weil er glaubte, da es notwendig war, dafr zu sorgen, da auch andere, auerhalb des Tals, davon erfuhren. Sie whlten Varfleet, weil Varfleet eine offene Stadt ohne Fderationsherrschaft war, ein Paradies fr Gesetzlose und Flchtlinge, aber auch fr neue Ideen, ein Ort, wo die Menschen immer noch offen waren, ein Ort, wo Zauber immer noch geduldet, wo sogar damit kokettiert wurde. Er besa den Zauber, und mit Colls Hilfe war er in der Lage, die anderen daran teilhaben zu lassen. Es gab bereits gengend andere, die mit Zauberei experimentierten, aber sein Zauber war von anderer Art. Sein Zauber war echt.Sie stieen bereits am Tag ihrer Ankunft auf das Bierhaus, eines der grten und bekanntesten der Stadt. Par berredete den Besitzer schon beim ersten Gesprch dazu, sie anzustellen. Schlielich konnte er mit Hilfe des Wunschlieds jeden dazu bringen, so gut wie alles zu tun.Echter Zauber. Dabei bewegte er die Lippen, ohne da ein Laut aus seinem Mund drang.Viel echter Zauber war in den Vier Lndern nicht briggeblieben, wenigstens nicht auerhalb der abgeschiedenen Gebiete, wohin die Fderation ihre Herrschaft noch nicht ausgedehnt hatte. Das Wunschlied war alles, was den Ohmsfords geblieben war. Seit zehn Generationen war es von einer zur anderen weitergegeben worden, wobei freilich nicht alle Mitglieder der Familie mit dieser Gabe gesegnet waren, die ihre Trger scheinbar ganz nach Lust und Laune bestimmte und erwhlte. Coll beherrschte das Wunschlied nicht. Auch seine Eltern nicht. In der Tat hatte niemand in der Familie diese Gabe besessen, seit seine Urgroeltern aus dem Westland zurckgekehrt waren. Er dagegen beherrschte das Wunschlied seit dem Tag seiner Geburt, den gleichen Zauber, den es seit dreihundert Jahren gab, seit den Tagen seines Vorfahren Jair. Die Geschichten und Legenden hatten davon berichtet. Wnsche und singe. Er war in der Lage, seinen Zuhrern Bilder vor Augen zu fhren, die so lebendig waren, da sie wirklich erschienen. Er konnte das Nichts in Materie verwandeln.Und genau das hatte ihn nach Varfleet getrieben. Seit drei Jahrhunderten waren die Geschichten vom Elfenhaus von Shannara von einer Generation zur nchsten weitergegeben worden. In Wirklichkeit jedoch hatte alles schon viel frher angefangen, als die Geschichten sich noch nicht um die Zauberkraft drehten, weil noch niemand davon wute, sondern um die alte Welt vor ihrer Zerstrung durch die Groen Kriege; die Geschichtenerzhler waren die wenigen, die die furchtbare Katastrophe berlebt hatten. Jair war der erste, der das Wunschlied gebrauchte, um den Bildern, die er durch seine Worte heraufbeschwor, mehr Eindringlichkeit zu verleihen und sie im Geiste seiner Zuhrer lebendig werden zu lassen. Die Geschichten berichteten von vergangenen Tagen: vom Elfenhaus von Shannara, von den Druiden und ihrer Burg Paranor, von Elfen und Zwergen und von der Magie, die ihr Leben beherrschte. Es wurden Geschichten erzhlt von Shea Ohmsford und seinem Bruder Flick und ihrer Suche nach dem Schwert von Shannara, von Wil Ohmsford und der schnen Elfentochter Amberle und ihrem Kampf gegen die Dmonenhorden, von Jair Ohmsford und seiner Schwester Brin und ihrer Reise in die Festung Graumark, ihrem und ihrer Reise in die Festung Graumark, ihrem Zusammentreffen mit den Mordgeistern und dem Ildatch, von den Druiden Allanon und Bremen, vom Elfenknig Eventine Elessedil, von Kriegern wie Balinor Buckhannah und Stee Jans und von vielen anderen Helden. Diejenigen, die das Wunschlied beherrschten, machten sich seine Zauberkrfte zunutze. Die anderen verlieen sich lediglich auf Worte. Ohmsfords wurden geboren und starben, und viele von ihnen trugen die Geschichten in ferne Lnder. Doch seit drei Generationen hatte keiner aus der Familie die Geschichten auerhalb des Tals erzhlt. Niemand wollte das Risiko auf sich nehmen, entdeckt zu werden.Denn das Risiko war gro. Die Ausbung jedweder Zauberei war in den Vier Lndern durch Gesetz verboten oder zumindest dort, wo die Fderation herrschte, was praktisch das Gleiche war. Seit hundert Jahren war es so. Whrend der ganzen Zeit hatte kein einziger Ohmsford das Tal verlassen. Par war der erste. Er war es leid gewesen, denselben wenigen Zuhrern immer und immer wieder die gleichen Geschichten zu erzhlen. Es war notwendig, da auch andere die Geschichten zu hren bekamen, da sie die Wahrheit erfuhren ber die Druiden und ihre Zauberkrfte, ber den Kampf, der der Zeit, in der sie jetzt lebten, vorausgegangen war. Die Berufung, die er sprte, war strker als die Angst vor Entdeckung. Er traf seine Entscheidung trotz der Einwnde seiner Eltern und Colls. Schlielich entschied sich Coll, mit ihm zu gehen so wie er es schon immer getan hatte, wenn er das Gefhl gehabt hatte, da Par seine Hilfe brauchte. Varfleet sollte ihre erste Station werden, eine Stadt, in der Zauberei bis zu einem gewissen Grad immer noch ausgebt wurde, ein offenes Geheimnis sozusagen, das ein Eingreifen der Fderation geradezu herausforderte. Doch die Zauberei, die man in Varfleet antraf, war nicht wert, da man viel Aufhebens davon machte. Callahorn stand unter der Schutzherrschaft der Fderation, und Varfleet war so weit entfernt, da man es fast zu den freien Gebieten zhlen konnte. Es waren noch keine Truppen dort stationiert. Die Fderation hatte es bisher nicht fr ntig befunden, sich damit eingehender zu beschftigen.Aber Sucher? Par schttelte den Kopf. Sucher standen auf einem ganz anderen Blatt. Sucher tauchten nur dort auf, wo von Seiten der Fderation die ernsthafte Absicht bestand, der Ausbung von Zauberei Einhalt zu gebieten. Keiner wollte auch nur das Geringste mit ihnen zu tun haben.Fr uns wird es hier allmhlich gefhrlich, sagte Coll, als htte er Pars Gedanken gelesen. Man wird uns entdecken.Par schttelte den Kopf. Wir sind nur zwei von Hunderten, die sich in dieser Kunst ben, antwortete er. Nur zwei in einer riesengroen Stadt.Coll heftete seinen Blick auf ihn. Zwei von Hunderten, da hast du recht. Aber die einzigen mit echter Zauberei.Par gab seinen Blick zurck. Ihre Auftritte im Bierhaus brachten ihnen viel Geld ein, mehr als sie jemals zuvor zu Gesicht bekommen hatten. Sie brauchten das Geld, um die Steuern zu bezahlen, die von der Fderation erhoben wurden. Sie brauchten es fr ihre Familie und das Tal. Es pate Par gar nicht, da er aufgrund eines Gerchtes darauf verzichten sollte.Sein Mund verhrtete sich. Es pate ihm noch weniger, wenn er daran dachte, da dann die Geschichten ins Tal zurckkehren und dort im Verborgenen bleiben wrden und da diejenigen, die ihrer bedurften, sie nie zu hren bekommen sollten. Das htte bedeutet, da das Ausma der Unterdrckung von Gedanken und Gebruchen, die die Vier Lnder wie ein Schraubstock umklammerte, noch grer werden wrde.Wir mssen gehen, sagte Coll und unterbrach ihn in seinen Gedanken.Par sprte einen Anflug von Zorn in sich aufsteigen, erkannte jedoch, da sein Bruder nicht die Stadt meinte, die sie verlassen sollten, sondern da sie auf die Bhne gehen sollten. Die Zuschauermenge wrde sie bereits erwarten. Er sprte, wie sein Zorn einem Gefhl von Traurigkeit wich.Ich wnschte, wir lebten in einer anderen Zeit, sagte er leise. Er hielt inne, whrend er beobachtete, wie Coll pltzlich angespannt wirkte. Ich wnschte, es gbe wieder Elfen und Druiden. Und Helden. Ach, gbe es doch wieder Helden wenigstens einen. Er hielt inne, weil er pltzlich an etwas anderes denken mute.Coll lste sich vom Trpfosten, legte seine groe Hand auf die Schulter seines Bruders, drehte ihn herum und schob ihn den dunklen Gang hinunter. Wenn du weiterhin davon singst, wer wei? Vielleicht wird es dann mglich.Par lie es zu, da er gefhrt wurde wie ein kleines Kind. Er dachte bereits nicht mehr an Helden oder Elfen oder Druiden, nicht einmal an Sucher. Er dachte an die Trume.Sie erzhlten die Geschichte der Elfen am Halysjoch, wie Eventine Elessedil und die Elfen und Stee Jans und die Freitruppen die Rampen gegen den Ansturm der Dmonenhorden verteidigten. Die Geschichte war eine von Pars Lieblingsgeschichten, die erste aus der Reihe der groen Elfenschlachten im schrecklichen Westlandkrieg. Sie standen auf einer niedrigen Bhne an einem Ende des Schankraums. Par stand vorne und Coll einen Schritt hinter ihm auf der Seite. Der Raum voll Leibern mit erwartungsvollen Augen war nur schwach beleuchtet. Coll war der Erzhler, whrend Par dazu sang, um die entsprechenden Bilder entstehen zu lassen, Bilder, die durch den Zauber seiner Stimme lebendig wurden. In hundert oder noch mehr Menschen weckte er die Gefhle von Angst, Wut und Entschlossenheit, die die Verteidiger des Jochs erfllt hatten. Durch ihn sprten sie die ungestme Raserei der Dmonen und hrten ihr Kampfgeschrei. Sie standen den Dmonen von Angesicht zu Angesicht gegenber.Er zog sie in seinen Bann und hielt sie gefangen. Sie sahen, wie Eventine verwundet wurde und wie sein Sohn Andor die Herrschaft ber die Elfen antrat. Sie beobachteten, wie der Druide Allanon im Grunde genommen der Kraft der Dmonen allein gegenberstand und sie vernichtete. Sie erlebten Leben und Tod so hautnah, da es fast bengstigend war.Als Coll und er ihren Vortrag beendeten, herrschte atemlose Stille im Raum, bevor ein lautes Zuprosten mit Bierglsern anhob und Hochrufe und Schreie der Erleichterung den Raum erfllten. Par war schweigebadet und erkannte zum ersten Mal, wie sehr er sich durch seine Erzhlung verausgabte. Als sie die Bhne verlieen, um sich in die kurze Pause zu begeben, die ihnen zwischen ihren Auftritten gewhrt wurde, schien er jedoch auf seltsame Weise abwesend; er konnte nicht aufhren, an seine Trume zu denken.Coll holte sich aus einem der offenen Lagerrume ein Glas Bier, und Par ging ein kurzes Stck den Gang hinunter, bevor er bei der Kellertr auf ein aufgerichtetes leeres Fa stie. Pltzlich sank er erschpft in sich zusammen.Seit einem Monat hatte er immer wieder die gleichen Trume, und er konnte sich den Grund immer noch nicht erklren.Er trumte sie mit einer Regelmigkeit, die uerst beunruhigend war. Den Anfang bildete immer eine schwarzgekleidete Gestalt, die aus einem See aufstieg, eine Gestalt, die sehr wohl Allanon sein konnte, ein See, der sehr wohl das Hadeshorn sein konnte. Die Bilder in seinen Trumen waren verschwommen, die Visionen waren von unerklrlichem Inhalt, aufgrund dessen sie nur schwer zu deuten waren. Jedesmal sprach die Gestalt zu ihm, und jedesmal mit den gleichen Worten. Komm zu mir; du wirst gebraucht. Die Vier Lnder befinden sich in grter Gefahr; die Zauberkraft ist fast verloren. Komm jetzt, Kind von Shannara.Die Trume waren damit nicht zu Ende, obwohl der Rest jedesmal anders war. Manchmal sah er Bilder einer Welt, die wie ein furchtbarer Alptraum erschien. Dann wieder waren es Bilder von magischen Zeichen das Schwert von Shannara und die Elfensteine. Manchmal galt der Ruf ebenso Wren, der kleinen Wren, und manchmal seinem Onkel Walker Boh. Auch sie sollten kommen, denn auch sie wurden gebraucht.Nach dem ersten Traum hatte er entschieden, da die Trume nur ein Nebenprodukt seiner fortwhrenden Beschftigung mit dem Wunschlied sein konnten. Er sang die alten Geschichten vom Dmonen-Lord und den Schdeltrgern, von Dmonen und Mordgeistern, von Allanon und einer Welt, die vom Unheil bedroht war, und es war nur natrlich, da ein Teil dieser Geschichten und die heraufbeschworenen Bilder sich in seinen Trumen widerspiegelten. Er hatte versucht, die Wirkung dadurch zu schwchen, da er das Wunschlied nur bei frhlichen Geschichten einsetzte, aber auch das hatte nicht geholfen. Er trumte die Trume auch weiterhin. Er hatte es unterlassen, Coll davon zu erzhlen, denn dieser htte sie nur als einen weiteren Grund angefhrt, warum er der Zauberkraft des Wunschlieds entsagen und ins Tal zurckkehren sollte.Und dann, vor drei Nchten, hatten die Trume so pltzlich aufgehrt, wie sie begonnen hatten. Jetzt war er neugierig. Er fragte sich, ob er vielleicht ihren Ursprung falsch gedeutet hatte. Er zog die Mglichkeit in Betracht, da der Anla vielleicht nicht in ihm selbst zu suchen war, sondern sie vielmehr geschickt wurden.Aber wer htte sie schicken knnen?Allanon? Wirklich Allanon, der seit dreihundert Jahren tot war?Jemand anderes? Etwas anderes? Etwas, das seine eigenen Ziele verfolgte und es alles andere als gut mit ihm meinte?Er erschauerte, verbannte jedoch die Gedanken aus seinem Kopf und ging schnell den Gang wieder hinauf, um nach Coll zu sehen.Zu ihrem zweiten Auftritt waren noch mehr Menschen gekommen, von denen einige nur stehend Platz fanden. Das Bierhaus war gro; der vordere Schankraum war mehr als dreiig Meter lang und nach oben zu den Dachbalken hin offen, an denen Fischnetze gespannt und llampen befestigt waren, offensichtlich, um eine intime Atmosphre zu verbreiten. Mehr Nhe htte Par kaum ertragen knnen, so nah waren ihm die Kunden des Bierhauses, als sie dichtgedrngt um die Bhne herumstanden und sich einige sogar mit ihren Getrnken darauf niederlieen. Diese Zuschauermenge war anders als die erste, doch er wute beim besten Willen keinen Grund dafr. Diese Menschen wirkten einfach anders, so, als wre etwas Fremdes unter ihnen. Coll schien es auch zu spren. Er warf Par vielsagende Blicke zu, als sie sich auf ihren Auftritt vorbereiteten, und in seinen dunklen Augen lag ein Unbehagen.Ein groer, in einen dunklen Umhang gehllter Mann mit schwarzem Bart bahnte sich seinen Weg durch die Menge zur Bhne und drngte sich zwischen zwei andere Mnner. Die beiden schauten auf, als htten sie die Absicht, eine Bemerkung zu machen, doch ein Blick auf das Gesicht des anderen belehrte sie offensichtlich eines Besseren. Par beobachtete die Szene einen Augenblick und schaute dann weg. Er hatte ein ungutes Gefhl.Coll beugte sich vor, als die Menge in einem gleichmigen Rhythmus zu klatschen anfing. Die Menschen wurden ungeduldig. Par, mir gefllt das nicht. Ich habe das Gefhl, daEr kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden. Der Besitzer des Bierhauses kam auf sie zu und forderte sie unmiverstndlich auf anzufangen, bevor die Menge auer sich geriet und gewaltttig wurde. Coll drehte sich wortlos um. Die Lichter wurden schwcher, und Par fing an zu singen. Er sang die Geschichte von Allanon und dem Kampf mit den Jachyra. Col begann zu sprechen, beschrieb den Schauplatz und die Ereignisse, erzhlte denen, die zusammengekommen waren, was fr ein Tag es war, wie die Schlucht aussah, in die der Druide mit Brin Ohmsford und Rone Leah kam, erzhlte, wie es um sie herum pltzlich totenstill war. Par lie die entsprechenden Bilder vor ihren Augen entstehen, er rief in ihnen ein Gefhl der Angst und Erwartung hervor und wehrte sich vergebens gegen die in ihm aufsteigenden gleichen Gefhle.Ganz hinten im Raum stellten sich Mnner vor Tren und Fenster, warfen ebenso pltzlich ihre Mntel ab und standen schwarzgekleidet im Raum. Waffen blitzten auf. Sie trugen eine Art weier Abzeichen auf rmeln und Brust. Par blickte angestrengt, seine Elfensinne aufs uerste geschrft.Ein Wolfskopf.Die schwarzgekleideten Mnner waren Sucher.Par verstummte, die Bilder verblaten und verloren ihre Wirkung. Ein Geraune ging durch die Menge. Coll hrte auf zu erzhlen. Pltzlich herrschte berall Aufruhr. Irgend jemand befand sich im Dunkeln hinter ihnen.Coll stellte sich schtzend neben Par.Dann wurde es wieder hell im Raum, und eine Abteilung der schwarzgewandeten Sucher drang durch die Menge. Protestschreie erhoben sich, doch die Mnner, die gemurrt hatten, machten schnell den Weg frei. Der Besitzer des Bierhauses, der dazwischenzutreten suchte, wurde beiseite geschoben.Die Abteilung der Sucher kam vor der Bhne zum Stehen. Eine andere versperrte die Ausgnge. Die Mnner waren von Kopf bis Fu schwarz gekleidet, ihre Gesichter bis auf ihren Mund verdeckt, ihre Wolfskopfabzeichen geradezu leuchtend.Sie waren bewaffnet mit kurzen Schwertern, Dolchen und Knppeln und hielten alle Waffen griffbereit. Par und Coll hatten es mit einem bunt zusammengewrfelten Haufen zu tun; es waren groe und kleine Mnner, aufrechte und gebeugte, aber alle machten aufgrund ihres Aussehens und des Ausdrucks ihrer Augen einen verwegenen und wilden Eindruck.Ihr Anfhrer war ein Riese mit einem massigen Krper und enorm langen Armen. Der Teil seines Gesichts, der von der Maske nicht verdeckt wurde, war zerfurcht und sein Kinn von einem ungepflegten, rtlichen Halbbart bedeckt. Sein linker Arm steckte bis zum Ellbogen in einem Handschuh. Eure Namen? fragte er. Er sprach leise, beinahe flsternd.Par zgerte. Was wirft man uns vor?Heit ihr Ohmsford? Sein Gegenber betrachtete ihn eindringlich.Par nickte. Ja. Aber wir haben nicht Ihr steht unter Arrest, weil ihr gegen das oberste Gesetz der Fderation verstoen habt, verkndete die leise Stimme. Ein Murmeln ging durch die Reihen der Anwesenden. Ihr habt Zauberei getrieben, obwohl Sie haben nur Geschichten erzhlt, rief ein Mann aus einiger Entfernung. Einer der Sucher lie augenblicklich seinen Knppel auf ihn niedersausen, und der Mann strzte wie ein Sack zu Boden.Ihr habt Zauberei getrieben und damit die Fderationsgesetze verletzt und die ffentlichkeit gefhrdet. Der Sprecher bedachte den auf dem Boden liegenden Mann mit keinem einzigen Blick. Man wird h Er konnte den Satz nicht zu Ende fhren. Pltzlich krachte von der Mitte der Decke eine llampe auf den Boden des berfllten Bierhauses; das l ging augenblicklich in Flammen auf. Mnner sprangen schreiend zur Seite. Der Sprecher und seine Kumpane drehten sich staunend um. Im gleichen Augenblick machte der groe, brtige Mann, der sich am Rande der Bhne niedergelassen hatte, einen Satz, hechtete ber mehrere verwunderte Anwesende hinweg, prallte auf den Haufen von Suchern und schleuderte sie zu Boden. Der groe Mann sprang vor Par und Coll auf die Bhne, warf seinen schbigen Umhang ab und stand als grngewandeter, bewaffneter Jger vor ihnen.Hoch lebe die Freiheit! rief er in das allgemeine Durcheinander.Danach schien alles gleichzeitig zu geschehen. Das Netz, das zur Zierde an der Decke hing, lockerte sich, fiel wie die llampe zu Boden, und pltzlich waren alle Anwesenden darin gefangen. Diejenigen, die in der Falle saen, stieen Schreie und Flche aus. An den Tren strzten sich grngekleidete Mnner auf die verdutzten Sucher und schlugen sie zu Boden. llampen wurden zertrmmert, und Dunkelheit senkte sich ber den Raum.Der groe Mann bewegte sich mit einer Geschwindigkeit an Par und Coll vorbei, die sie nicht fr mglich gehalten htten. Er traf den ersten der Sucher, der den Hintereingang versperrte, mit einem Futritt, so da der Kopf des Mannes nach hinten flog. Dann blitzten ein kurzes Schwert und ein Dolch, und die anderen beiden sanken ebenfalls zu Boden.Hierher, schnell! rief er Par und Coll zu.Sie folgten seinem Ruf sofort. Eine dunkle Gestalt krallte sich an ihnen fest, als sie vorbeigingen, aber Coll schttelte den Mann ab. Er griff hinter sich, um sich zu vergewissern, da sein Bruder dicht bei ihm war; seine groe Hand legte sich schwer auf Pars zarte Schulter. Par schrie geqult auf. Coll dachte meist nicht daran, wie stark er war.Sie verlieen die Bhne und erreichten den hinteren Gang, wobei der groe Fremde ihnen immer einige Schritte voraus war. Irgend jemand versuchte sie aufzuhalten, aber der Fremde schritt ber ihn hinweg. Das Getse, das aus dem Raum hinter ihnen drang, war ohrenbetubend, und Flammen zngelten berall, leckten gierig am Boden und an den Wnden. Der Fremde fhrte sie schnell den Gang hinunter und durch die Hintertr in eine Seitengasse. Dort wurden sie von zwei weiteren grngekleideten Mnnern erwartet. Wortlos umringten sie die Brder und drngten sie vom Bierhaus weg. Par warf einen Blick zurck. Die Flammen schlugen bereits aus den Fenstern und bahnten sich ihren Weg hinauf zum Dach.Sie eilten die Seitenstrae hinunter, vorbei an verwunderten Gesichtern und weit aufgerissenen Augen, bogen in einen Durchgang ein, von dem Par geschworen htte, da er ihn noch nie gesehen hatte, obwohl er die Gegend genau kannte, gingen durch zahllose Tren und Zimmer und standen schlielich auf einer vollkommen anderen Strae. Keiner sprach. Der Fremde bedeutete seinen Gefhrten, Ausschau zu halten, und zog Par und Coll in einen dunklen Hauseingang.Vom Laufen waren sie alle auer Atem. Der Fremde blickte abwechselnd von einem zum anderen. Man sagt, etwas Bewegung sei gut fr die Verdauung. Was meint ihr? Seid ihr in Ordnung?Die Brder nickten. Wer bist du? fragte Par.Junge, ich gehre sozusagen zur Familie. Erkennst du mich nicht? Ich glaube nicht. Warum solltest du auch? Schlielich haben wir beide uns nie kennengelernt. Aber die Lieder sollten dich daran erinnern. Er ballte die linke Hand zur Faust und zielte dann auf Pars Nase. Erinnerst du dich jetzt?Verwirrt blickte Par zu Coll, aber sein Bruder schien genauso verwirrt zu sein wie er. Ich glaube nicht , setzte er an.Ja, ja, es spielt jetzt keine Rolle. Alles zu seiner Zeit. Er rckte nher. In dieser Gegend bist du nicht mehr sicher, mein Junge. Ganz sicher nicht in Varfleet und hchstwahrscheinlich nicht in ganz Callahorn. Vielleicht nirgendwo. Weit du, wer dieser Mann dort war? Der Hliche mit der Flsterstimme?Par versuchte den massigen Sprecher mit der leisen Stimme einzuordnen. Es gelang ihm nicht. Er schttelte langsam den Kopf.Felsen-Dall, sagte der Fremde, der jetzt sehr ernst schien. Erster Sucher, der oberste Suberer hchstpersnlich. Sitzt im Koalitionsrat, wenn er nicht gerade Ungeziefer zerquetscht. Aber an dir hat er ein besonderes Interesse, wenn er bis nach Varfleet gekommen ist, um dich festzunehmen. Das gehrt nicht zur normalen Ungeziefervertilgung. Er ist auf der Jagd nach einem greren Tier. Er glaubt, da du gefhrlich bist, mein Junge sehr gefhrlich sogar, denn sonst htte er sich nicht auf den weiten Weg gemacht. Blo gut, da ich dich gesucht habe. Ja, das habe ich wirklich. Habe gehrt, da Felsen-Dall hinter dir her war, und wollte verhindern, da er dich kriegt. Aber denk dran, da er nicht aufgeben wird. Du bist ihm einmal entwischt, doch das wird ihn in seinem Vorhaben nur bestrken. Er wird auch weiterhin hinter dir her sein.Er hielt inne und beobachtete die Wirkung seiner Worte. Par starrte ihn mit offenem Mund an. Der Fremde fuhr fort: Dieser Zauber, dein Singen, das ist echter Zauber, stimmts? Ich hab genug von der anderen Sorte gesehen, um das beurteilen zu knnen. Du knntest diesen Zauber fr einen guten Zweck verwenden, mein Junge, vorausgesetzt natrlich, da du das willst. In diesen Bierhusern und Hinterhfen vergeudest du ihn nur.Was meinst du damit? fragte Coll, in dem pltzlich ein Verdacht aufstieg.Der Fremde lchelte freundlich. Die Bewegung braucht solchen Zauber, sagte er leise.Coll schnaubte. Du bist ein Gechteter!Der Fremde machte eine kurze Verbeugung. Ja, mein Junge, und ich bin stolz darauf. Wichtiger ist jedoch, da ich als freier Mann geboren wurde und mich keinen Fderationsgesetzen unterordne. Er kam nher. Du selbst willst dich doch auch nicht unterordnen, stimmts? Gib es zu.Kaum, antwortete Coll abwehrend. Die Frage ist jedoch, ob die Gechteten so viel besser sind.Harte Worte, mein Junge! rief der andere aus. Blo gut, da ich nicht so leicht zu verletzen bin. Er lchelte verschmitzt.Was willst du von mir? unterbrach ihn Par schnell, dessen Verstand langsam wieder funktionierte. Er hatte an Felsen-Dall gedacht. Er kannte seinen Ruf, und die Aussicht, von ihm gejagt zu werden, flte ihm Angst ein. Du willst, da wir uns mit euch zusammentun, nicht wahr?Der Fremde nickte. Ich glaube, ihr wrdet bald sehen, da es sich lohnt.Aber Par schttelte den Kopf. Da sie die Hilfe des Fremden angenommen hatten, um den Klauen der Sucher zu entkommen, war eine Sache. Aber die Bewegung, der sie beitreten sollten, war etwas ganz anderes. Das wollte wohl berlegt sein. Ich glaube, wir mssen das Angebot fr heute ablehnen, sagte er ruhig. Vorausgesetzt natrlich, wir knnen uns frei entscheiden.Natrlich knnt ihr euch frei entscheiden!Dann mssen wir leider nein sagen. Aber wir danken dir fr das Angebot und ganz besonders fr deine Hilfe da drin.Der Fremde, wieder voller Ernst, lie seinen Blick kurz auf ihm ruhen. Das habe ich gern getan, glaub mir. Ich wnsche dir nur das Beste, Par Ohmsford. Hier, ich hab etwas fr dich. Er zog einen Ring vom Finger, der in Silber gefat war und das Zeichen eines Falken trug. Meine Freunde kennen den Ring. Wenn du Hilfe brauchst oder falls du deine Meinung ndern solltest , geh damit zur Kiltan-Schmiede am Nordrand der Stadt und frag nach dem Bogenschtzen. Kannst du dir das merken?Par zgerte, nahm jedoch den Ring und nickte. Aber warum ?Weil uns viel verbindet, mein Junge, sagte der andere leise, der eine solche Frage erwartet hatte. Er streckte eine Hand aus und legte sie auf seine Schulter. Er sah dabei auch Coll an. Die Vergangenheit verbindet uns, und damit ein Band, das so stark ist, da es von mir fordert, fr euch da zu sein, wann immer ich kann. Mehr noch, es fordert, da wir gemeinsam gegen die Gefahren, die diesem Land drohen, kmpfen. Verget das nicht. Eines Tages, da bin ich sicher, wird es so weit sein wenn es uns gelingt, so lange am Leben zu bleiben.Er lchelte die Brder an. Sie erwiderten seinen Blick schweigend. Der Fremde zog seine Hand zurck. Es wird Zeit, da wir gehen. Und zwar mglichst schnell. Die Straen verlaufen alle zum Flu hin. Ihr knnt von hier aus hingehen, wohin ihr wollt. Aber nehmt euch in Acht. Und seid auf der Hut. Die Sache ist noch nicht ausgestanden.Ich wei, sagte Par und streckte seine Hand aus. Willst du uns wirklich nicht deinen Namen nennen?Der Fremde zgerte. Ein andermal, sagte er. Er schttelte Par und dann Coll krftig die Hand, bevor er seine Gefhrten durch einen Pfiff zu sich rief. Er winkte einmal, und schon war er wie ein Schatten verschwunden.Par starrte sekundenlang auf den Ring und richtete dann seinen Blick fragend auf Coll. Irgendwo ganz in der Nhe hrten sie lauter werdende Rufe. Ich glaube, die Frage wird warten mssen, sagte Coll. Par steckte den Ring in seine Tasche. Leise verschwan den sie in der Nacht.3Es war beinahe Mitternacht, als Par und Coll das Hafenviertel von Varfleet erreichten, und zum ersten Mal bemerkten sie, wie wenig sie darauf vorbereitet waren, Felsen-Dall und seinen Suchern zu entkommen. Da keiner von beiden irgendwann daran gedacht hatte, da eine Flucht notwendig werden wrde, hatten sie nichts bei sich, das ihnen auf einer lngeren Reise htte von Nutzen sein knnen. Sie hatten keinen Proviant, keine Decken, keine Waffen, mit Ausnahme ihrer langen Messer, nichts, womit sie ein Lager htten errichten knnen, nichts, um sich vor schlechtem Wetter zu schtzen, und was am allerschlimmsten war, sie hatten kein Geld. Der Besitzer des Bierhauses war ihnen einen Monat lang ihr Geld schuldig geblieben. Und das Geld, das sie sich vorher gespart hatten, war mit allen anderen Besitztmern im Feuer verlorengegangen. Sie besaen lediglich das, was sie auf dem Leib trugen. Das Hafenviertel bestand aus unzhligen Bootshusern, Stegen, Reparaturwerksttten und Lagerschuppen. Das ganze Viertel war hell beleuchtet, Hafenarbeiter und Fischer tranken und scherzten im Schein der llampen. Aus schmiedeeisernen fen und Fssern stieg Qualm auf, und die Luft war erfllt von Fischgeruch. Vielleicht haben sie die Suche fr heute nacht eingestellt, bemerkte Par. Ich meine die Sucher. Vielleicht nehmen sie sie erst morgen frh wieder auf oder vielleicht auch nie. Coll warf ihm einen Blick zu und zog vielsagend eine Augenbraue hoch. Vielleicht knnen Khe auch fliegen. Er schaute weg. Wir htten darauf bestehen sollen, da man uns fr unsere Arbeit sofort bezahlt. Dann wren wir jetzt nicht in der Klemme.Par zuckte die Schultern. Das wrde uns jetzt auch nichts ntzen.Nichts ntzen? Wir htten wenigstens etwas Geld.Aber auch nur dann, wenn wir es whrend der Vorstel lung bei uns getragen htten. Hltst du das etwa fr wahrscheinlich?Coll hob die Schultern und verzog das Gesicht. Dieser Bierhausbesitzer schuldet uns was.Sie gingen schweigend bis zum Sdende des Hafens. Wortlos sahen sie einander an. Es war khler geworden, und ihre leichte Kleidung bot keinen Schutz gegen die Klte. Sie zitterten und vergruben die Hnde tief in den Taschen, die Arme dicht an ihre Krper gepret. Lstige Insekten umschwirrten sie.Coll seufzte. Hast du eine Ahnung, was wir jetzt machen sollen, Par? Hast du dir schon was berlegt?Par nahm die Hnde aus den Taschen und rieb sie krftig aneinander. Ja, das habe ich. Aber dazu brauchen wir ein Boot.Du willst also nach Sden auf dem Mermidon?Bis ans Ende.Coll lchelte, weil er flschlicherweise annahm, da sie sich auf dem Weg nach Hause befanden. Par hielt es fr besser, ihn in dem Glauben zu lassen.Warte hier, sagte Coll pltzlich und verschwand, noch bevor Par irgend etwas einwenden konnte.Par stand allein in der Dunkelheit am Ende des Hafens. Es kam ihm vor, als warte er mindestens eine Stunde, aber in Wirklichkeit wartete er hchstens halb so lange. Er setzte sich auf eine Bank vor einer Fischerhtte und zog die Beine bis zum Kinn hoch, um sich vor der Nachtluft zu schtzen. Alle mglichen Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Er war wtend, am meisten auf den Fremden, der sie zuerst wie durch Zauberhand befreit hatte, um sie dann zu verlassen. Er streckte die Beine aus und schlug einen Fu ber den anderen. Er wute, da er jetzt nichts mehr ndern konnte. Coll und er wrden einfach noch einmal von vorne anfangen mssen. Aufgeben kam fr ihn berhaupt nicht in Frage. Dazu waren die Geschichten einfach zu wichtig, und er hielt es fr seine Pflicht, dafr zu sorgen, da sie nicht vergessen wurden. Er war berzeugt, da er diese Gabe eigens zu diesem Zweck besa. Es spielte berhaupt keine Rolle, wie die Fderation darber dachte da Zauberei verboten war und da sie dem Land und den Menschen Schaden zufgte. Was wute die Fderation schon von Zauberei? Den Mitgliedern des Koalitionsrates fehlte es an jeglicher praktischen Erfahrung. Sie hatten einfach beschlossen, da etwas getan werden mute, um diejenigen zufriedenzustellen, die behaupteten, die Vier Lnder litten an Krankheiten und Menschen wrden wie in Jair Ohmsfords Zeiten in dunkle Wesen verwandelt, in eine Art niederer Lebewesen, Wesen, die ihre Kraft aus der Dunkelheit und aus Zauberkrften schpften, die seit der Zeit der Druiden verloren schienen. Diese Wesen hatten sogar einen Namen. Man nannte sie Schattenwesen.Pltzlich drngte sich Par wieder der unangenehme Gedanke an die Trume auf und an das Dunkle in ihnen, das ihn gerufen hatte.Er bemerkte, da die Stimmen der Fischer und Hafenarbeiter, das Surren der Insekten, ja selbst das Rascheln des Nachtwindes verstummt waren. Er konnte seinen eigenen Pulsschlag hren und zudem ein eigenartiges Flstern Im nchsten Augenblick schreckte er durch ein pltscherndes Gerusch aus seinen Gedanken auf. Coll, der einige Schritte entfernt das Ufer des Mermidon erklommen hatte, kam jetzt prustend auf ihn zu. Er war vollkommen nackt.Par fate sich langsam wieder und starrte ihn unglubig an. Himmel, du hast mich vielleicht erschreckt! Was hast du denn getrieben?Was glaubst du wohl? Coll grinste. Ich war schwimmen.Erst als Par nachfragte, erfuhr er, was Coll wirklich getrieben hatte; er hatte sich kurzerhand ein Fischerboot, das dem Besitzer des Bierhauses gehrte, ausgeliehen.Das ist das Mindeste, was er fr uns tun kann, nach all dem, was er an uns verdient hat, brachte er zu seiner Rechtfertigung vor, whrend er sich abtrocknete und anzog.Par hatte dem nichts entgegenzusetzen. Sie brauchten ein Boot notwendiger als der Bierhausbesitzer. Das Runnegebirge zu Fu zu erreichen war ein Unterfangen, das mehr als eine Woche gedauert htte. Eine Fahrt auf dem Mermidon dagegen wrde hchstens ein paar Tage dauern. Und letztendlich konnte man nicht behaupten, da sie das Boot gestohlen hatten. Sie wrden es zurckbringen, sobald sie dazu in der Lage waren.Das Boot war ziemlich klein, doch es war nebst Rudern, einigen Decken und einer Zeltplane mit allem ausgerstet, was sie brauchten, um zu fischen, zu kochen und ein Lager zu errichten. Nachdem sie ins Boot geklettert waren, stieen sie vom Ufer ab und lieen sich von der Strmung den Flu hinuntertreiben.Irgendwann teilte Coll Par mit, wie sie seiner Meinung nach am besten weiter vorgingen. Es war natrlich unmglich, in absehbarer Zeit nach Callahorn zurckzukehren.Die Fderation wrde nach ihnen suchen. Es wrde auch zu gefhrlich sein, sich einer der greren Stdte im Sdland zu nhern, weil auch die dort stationierten Truppen der Fderation in Alarmbereitschaft sein wrden. Seiner Meinung nach war es am besten, wenn sie einfach ins Tal zurckkehrten. Dort konnten sie ihre Geschichten auch weiterhin erzhlen vielleicht nicht sofort, aber vielleicht in einem Monat, wenn die Fderation die Suche nach ihnen aufgegeben hatte. Spter konnten sie dann in die abgelegeneren Gebiete gehen, an Orte, in die die Fderation nur selten ihren Fu setzte. Es wrde sich alles zum Guten wenden.Par lie ihn reden.Bei Sonnenaufgang legten sie an einem felsigen Ufer an und errichteten in einer schattigen Waldlichtung ihr Lager. Sie schliefen bis Mittag und aen danach die Fische, die sie gefangen hatten. Am frhen Nachmittag machten sie sich wieder auf den Weg und lieen sich bis spt nach Sonnenuntergang auf dem Flu treiben. Wieder legten sie an und bereiteten ein Lager. Als es zu regnen anfing, zogen sie sich die Decken fest um die Schultern und beobachteten schweigend, wie der Regen den Flu anschwellen lie.Danach unterhielten sie sich eine Zeitlang darber, wie sich seit den Tagen von Jair Ohmsford die Dinge in den Vier Lndern verndert hatten.Vor dreihundert Jahren herrschte die Fderation, die damals eine Isolationspolitik verfolgte, nur in den Stdten ganz unten im Sdland. Der Koalitionsrat, der sich aus Mnnern zusammensetzte, die von den Stdten als Vertreter ihrer Regierungen entsandt wurden, hatte schon damals die Fhrerschaft inne. Aber dann bernahm anstelle des Rates allmhlich die Armee der Fderation die Herrschaft, und mit der Zeit wurde die Isolationspolitik zugunsten einer Expansionspolitik aufgegeben. Die Fderation beschlo, ihren Machtbereich auszudehnen. Es schien nur logisch, da das ganze Sdland unter einer Regierung vereinigt sein sollte, und wer wre dazu besser in der Lage gewesen als die Fderation?So hatte alles angefangen. Hundert Jahre nach dem Tod von Jair Ohmsford war das Gebiet sdlich von Callahorn ganz unter der Herrschaft der Fderation. Die anderen Rassen, die Elfen, die Trolle, die Zwerge und sogar die Gnome, warfen mitrauische Blicke nach Sden. Nach nicht allzu langer Zeit willigte Callahorn ein, sich unter die Schutzherrschaft der Fderation zu stellen; der Teil des Landes, dessen Knig lngst tot, dessen Stdte entzweit waren, diente den anderen Lndern nun nicht mehr lnger als Schutzwall gegen die Fderation.Ungefhr zur gleichen Zeit tauchten zum ersten Mal Gerchte ber die Schattenwesen auf. Man sprach davon, da die alte Magie Unrecht sei, eine Magie, die in der Erde ihren Ursprung hatte. Sie zeigte sich auf vielerlei Weise; manchmal war sie nichts weiter als ein kalter Wind, ein andermal erschien sie als verschwommene menschliche Gestalt. Man sprach in jedem Fall von Schattenwesen. Die Schattenwesen machten das Land und das Leben im Land krank, verwandelten Teile davon in einen Sumpf von Verfall und Zerstrung. Sie griffen sterbliche Wesen an, gleich, ob Mensch oder Tier, und nahmen, wenn sie sie ausreichend geschwcht hatten, von ihnen Besitz, drangen in ihre Krper ein und lebten darin gleich verborgenen Geistern. Das Leben anderer diente ihnen als Nahrung.Die Fderation schenkte diesen Gerchten Glauben und verkndete, da solche Wesen mglicherweise tatschlich existierten und da nur sie die Menschen davor zu schtzen vermge.Niemand wagte sich dieser Meinung zu widersetzen und zu behaupten, da die Magie vielleicht doch nicht im Unrecht war oder da die Schattenwesen die Probleme heraufbeschworen. Es war sehr viel einfacher, sich der herrschenden Meinung anzuschlieen. Schlielich hatte es seit dem Untergang der Druiden keine Magie mehr gegeben. Natrlich erzhlten die Ohmsfords ihre Geschichten, aber nur wenige Menschen hrten sie, und noch weniger schenkten ihnen Glauben. Die meisten hielten die Druiden lediglich fr eine Legende. Als Callahorn sich unter die Schutzherrschaft der Fderation stellte und die Stadt Tyrsis besetzt wurde, verschwand auch das Schwert von Shannara. Niemand machte sich deswegen groe Gedanken. Seit mehr als zweihundert Jahren war das Schwert nicht mehr gesehen worden. Nur der Kuppelbau im Zentrum des Volksparks, in dem das Schwert einst in einem Block aus rotem Marmor aufbewahrt wurde, war noch da doch eines Tages war auch er verschwunden.Die Elfensteine verschwanden kurz danach ebenfalls. Es gab keine Aufzeichnungen darber, was mit ihnen geschehen war. Selbst die Ohmsfords wuten nichts.Dann verschwanden auch die Elfen, ganze Stmme und Stdte auf einmal, bis irgendwann auch Arborlon nicht mehr war. Schlielich gab es berhaupt keine Elfen mehr, und es war, als htte es sie nie gegeben. Das Westland war mit Ausnahme von wenigen Jgern und Trappern aus den anderen Lndern und umherziehenden Fahrenden unbewohnt. Die Fahrenden, die an keinem anderen Ort willkommen waren, waren schon immer dort gewesen, aber selbst sie wollten nichts ber den Verbleib der Elfen wissen. Die Fderation machte sich diese Lage unverzglich zunutze. Das Westland, so erklrte sie, war die Brutsttte der Magie, der Wurzeln allen bels in den Vier Lndern.Schlielich waren es die Elfen gewesen, die sich der Magie bedient hatten. Die Magie hatte sie schlielich vernichtet eine anschauliche Lektion fr all diejenigen, die hnliches versuchten.Die Fderation unterstrich diesen Punkt, indem sie die Ausbung von Magie jedweder Art verbot. Das Westland wurde zum Schutzgebiet erklrt, obgleich nicht besetzt, denn es mangelte der Fderation an Soldaten, um dieses riesige Gebiet ohne Hilfe zu berwachen.Kurz danach erklrte die Fderation den Zwergen den Krieg, angeblich deshalb, weil die Zwerge den Krieg provoziert htten, obwohl niemand je erfuhr, auf welche Weise dies geschehen war. Die Fderation hatte damals die grte und bestausgebildete Armee der Vier Lnder; die Zwerge hatten berhaupt kein stehendes Heer. Auch die Elfen waren nicht mehr wie in frheren Jahren Verbndete der Zwerge, und die Gnomen und Trolle waren noch nie ihre Freunde gewesen. Die Zwerge kannten sich im bergigen Ostland sehr viel besser aus als die Fderation, und obwohl Culhaven fast unverzglich in die Hnde der Fderation fiel, kmpften die Zwerge im Hochland weiter, bis sie schlielich ausgehungert wurden und sich unterwerfen muten. Sie wurden aus den Bergen in die Minen der Fderation im Sden geschleppt. Die meisten starben dort. Die Gnome, die mitansehen muten, was den Zwergen widerfuhr, leisteten kaum Widerstand. Die Fderation erklrte auch das Ostland zum Schutzgebiet.Nur vereinzelt konnten sich Widerstandsnester halten. Es gab immer noch eine Handvoll Zwerge und verstreute Gnomenstmme, die sich weigerten, die Fderationsgesetze anzuerkennen und die deshalb den Kampf aus den wilden Gebieten im Norden und Osten weiterfhrten. Aber es waren ihrer zu wenige, als da sie wirklich htten etwas ausrichten knnen.Um die Einheit des grten Teils der Vier Lnder zu demonstrieren und all die zu ehren, die daran mitgewirkt hatten, lie die Fderation am Nordende des Regenbogensees, dort wo der Mermidon aus dem Runnegebirge tritt, ein Denkmal errichten. Das Denkmal, ein schwarzer Granitstein, der sich auf einem riesigen quadratischen Sockel nach oben hin verschmlerte und ber dreiig Meter hoch ber die Klippen ragte, war ein Turm, der nach allen Seiten hin meilenweit zu sehen war. Er trug den Namen Sdwache.All das lag fast hundert Jahre zurck, und jetzt waren die Trolle die einzigen freien Menschen, die sich immer noch tief in den Bergen des Nordlandes, im Charnalgebirge und im Kershalt verschanzt hatten. Die Fderation wollte mit diesem gefhrlichen, feindlichen Land, dieser natrlichen Festung, nichts zu tun haben. Man beschlo, dieses Gebiet in Frieden zu lassen, vorausgesetzt, die Trolle wrden sich von anderen Lndern fernhalten.Die Trolle, die schon immer zurckgezogen gelebt hatten, gehorchten gern.Jetzt ist alles so anders, schlo Par sehnschtig, als sie am Lager saen und beobachteten, wie der Regen auf das Wasser niederprasselte. Keine Druiden mehr, kein Paranor, keine Magie mit Ausnahme der unechten und dem wenigen, was wir wissen. Keine Elfen. Was, glaubst du, ist mit ihnen geschehen? Aber auch Coll wute nichts zu sagen. Keine Knigreiche, keine Freitruppen, kein Calla horn, gar nichts.Keine Freiheit, endete Coll finster.Keine Freiheit, wiederholte Par. Er lehnte sich zurck und zog die Beine bis zur Brust an. Ich wnschte, ich wte, was mit den Elfensteinen geschehen ist. Und dem Schwert. Was ist mit dem Schwert von Shannara geschehen?Coll zuckte die Schultern. Das Gleiche, was mit allen Dingen irgendwann geschieht. Es ging einfach verloren.Was willst du damit sagen? Wie kann es einfach verloren gehen?Niemand hat sich darum gekmmert.Par lie sich diesen Gedanken durch den Kopf gehen. Es war etwas Wahres dran. Niemand kmmerte sich mehr um die Magie, nachdem Allanon tot und die Druiden verschwunden waren. Die Magie wurde einfach totgeschwiegen, ein berbleibsel aus einer anderen Zeit, das gefrchtet und zum groen Teil miverstanden wurde. Es war einfacher, so zu tun, als gbe es sie nicht, und genau das taten alle. Auch die Ohmsfords denn andernfalls htten sich die Elfensteine noch in ihrem Besitz befunden. Alles, was sie an Zauberkraft besaen, war das Wunschlied.Wir kennen die Geschichten, die Sagen, die uns davon erzhlen, wie es einmal war; wir kennen die Geschichte, und doch wissen wir im Grunde genommen gar nichts, sagte Par leise.Wir wissen, da die Fderation nicht will, da wir darber sprechen, meinte Coll abschlieend. Wenigstens das wissen wir.Es gibt Zeiten, in denen ich mich frage, welchen Unterschied das schon macht. Pars Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Es ist doch so, da die Menschen uns zwar zuhren, aber wer erinnert sich anderntags noch daran? Und selbst wenn sie sich erinnern? Fr sie ist das, was wir erzhlen, Geschichte und fr manche wahrscheinlich nicht einmal das. Manche halten es wahrscheinlich fr Legenden und Mythen, fr einen Haufen Unsinn.Aber nicht alle, erwiderte Coll ruhig.Was ntzt schon das Wunschlied, wenn unsere Geschichten doch nichts bewirken? Vielleicht hatte der Fremde ja recht. Vielleicht gibt es eine bessere Verwendung fr die Zauberkraft.Als sie pltzlich ein Gerusch im Flu vernahmen, drehten sich beide um. Aber sie hrten nur das Schumen des durch den Regen angeschwollenen Flusses und sonst nichts.Alles scheint sinnlos, sagte Par. Was glaubst du, Coll? Man hat uns wie Gechtete aus Varfleet hinausgetrieben, hat uns gezwungen, dieses Boot zu stehlen. Er hielt inne und schaute seinen Bruder an. Warum, glaubst du, verfgen wir immer noch ber Zauberkrfte?Coll wandte sein eckiges Gesicht Par zu. Was meinst du damit?Warum haben wir sie? Warum sind sie nicht mit allem anderen verschwunden? Glaubst du, es gibt einen Grund dafr?Beide schwiegen geraume Zeit. Ich wei nicht, meinte Coll endlich. Er zgerte. Ich wei nicht, wie es ist, wenn man Zauberkrfte besitzt.Par starrte ihn an, und als er pltzlich begriff, was er da gefragt hatte, schmte er sich seiner Frage.Nicht da ich sie wirklich haben wollte, verstehst du, fuhr Coll eilig fort, als er das Unbehagen seines Bruders bemerkte. Einer von uns mit Zauberkrften reicht vollkommen. Er grinste.Par grinste zurck. Ich glaube, du hast recht. Er blickte Coll dankbar an und ghnte. Mchtest du dich schlafen legen?Coll schttelte den Kopf und trat in den Schatten zurck.Nein, ich mchte gerne noch weiterreden. Diese Nacht ist zum Reden da.Dennoch verfiel er in Schweigen, so als htte er trotz allem nichts zu sagen. Par lie seinen Blick auf ihm ruhen, bevor beide wieder auf den Mermidon hinaussahen und beobachteten, wie ein riesiger Ast eines Baumes, der offensichtlich vom Sturm abgebrochen worden war, vorbeitrieb. Der Wind, der zuerst strmisch geweht hatte, hatte sich gelegt, der Regen verursachte, whrend er durch die Bume auf den Boden tropfte, ein gleichmiges, wohltuendes Gerusch.Par ertappte sich dabei, wie er an den Fremden dachte, der sie vor den Suchern der Fderation gerettet hatte. Den grten Teil des Tages hatte er damit zugebracht, sich ber die Identitt des Mannes klar zu werden, doch er hatte immer noch nicht die leiseste Ahnung, wer der Mann war. Trotzdem kam er ihm irgendwie vertraut vor. Er erinnerte ihn an jemand aus den Geschichten, die er erzhlte, aber er konnte sich nicht entscheiden, an wen genau. Es gab so viele Sagen, und so viele handelten von Mnnern wie ihm, von Helden in den Tagen der Magie, von Helden, die Par in der jetzigen Zeit vermite. Vielleicht hatte Par sich geirrt. Der Fremde im Bierhaus schien gewillt, es mit der Fderation aufzunehmen. Vielleicht bestand doch noch Hoffnung fr die Vier Lnder.Par beugte sich vor, legte Holzscheite in das kleine Feuer nach und sah zu, wie der Rauch aufstieg. Pltzlich wurde der Himmel im Osten von einem Blitz erhellt.Wir knnten jetzt ganz gut trockene Sachen gebrauchen, murmelte Par. Meine sind allein schon von der Luft feucht.Coll nickte. Und vielleicht auch eine heie Suppe und Brot.Ein Bad und ein warmes Bett.Vielleicht den Duft von frischen Krutern.Und Rosenwasser. Coll seufzte. Ich wre schon zufrieden, wenn dieser verflixte Regen ein Ende nhme. Sein Blick schweifte in die Nacht hinaus. Ich glaube, in einer Nacht wie heute knnte ich fast an Schattenwesen glauben.Ganz unvermittelt beschlo Par, Coll von seinen Trumen zu erzhlen. Er wollte darber sprechen und sah jetzt keinen Grund mehr, es nicht zu tun. Er berlegte kurz, dann sagte er: Ich habe dir bis jetzt nichts davon erzhlt, aber ich habe diese Trume. Eigentlich ist es immer der gleiche Traum, den ich trume. In kurzen Worten beschrieb er ihn, wobei er im besonderen auf die dunkelgekleidete Gestalt, die jedesmal zu ihm sprach, einging. Ich sehe ihn jedoch nicht deutlich genug, um mit Sicherheit sagen zu knnen, wer es ist, erklrte er vorsichtig. Aber es knnte sich um Allanon handeln.Coll zuckte die Achseln. Es knnte aber auch jemand anderes sein. Es ist ein Traum, Par. Trume sind immer ein Rtsel.Aber ich habe diesen Traum jetzt schon ein dutzendmal, vielleicht sogar zwei dutzendmal getrumt. Zuerst habe ich angenommen, da er irgendwie mit der Magie zusammenhngt, aber Par bi sich auf die Lippen. Was ist, wenn Er hielt wieder inne.Was ist, wenn was?Was ist, wenn es nicht nur mit der Magie zusammenhngt? Was ist, wenn Allanon oder jemand anders versucht, mir durch den Traum eine Botschaft zu schicken?Eine Botschaft wozu? Vielleicht um dich dazu zu bringen, zum Hadeshorn zu gehen oder zu einem anderen hn lich gefhrlichen Ort? Coll schttelte den Kopf. Ich wrde mir darber an deiner Stelle nicht den Kopf zerbrechen. Und ich wrde ganz sicherlich keinen Gedanken an eine solche Aufforderung verschwenden. Er runzelte die Stirn. Du doch auch nicht, oder etwa doch? Denkst du ernsthaft darber nach zu gehen?Nein, antwortete Par ohne zu berlegen. Ich mu zumindest vorher darber nachdenken, fgte er in Gedanken hinzu und war selbst berrascht ber dieses ndni Ei Da fllt mir aber ein Stein vom Herzen. Wir haben auch so schon gengend Probleme, ohne da wir uns auf die Suche nach toten Druiden begeben. Fr Coll war die Sache damit ganz offensichtlich erledigt.Par erwiderte nichts. Jetzt wurde ihm klar, da er tatschlich mit dem Gedanken spielte, sich auf die Suche zu begeben. Bis jetzt hatte er nicht wirklich ernsthaft daran gedacht, doch mit einemmal hatte er das Bedrfnis herauszufinden, was die Trume bedeuteten. Es spielte keine Rolle, ob Allanon sie geschickt hatte oder nicht. Eine Stimme in seinem Inneren bedeutete ihm, da er auf der Suche nach dem Ursprung seiner Trume gleichzeitig etwas ber sich selbst und seine Zauberkrfte erfahren wrde. Ich wnschte nur, ich knnte sicher sein, murmelte er.Coll hatte sich in der Zwischenzeit an das Feuer gelegt, seine Augen waren geschlossen. Sicher worber?ber die Trume, antwortete Par. Darber, ob jemand sie geschickt hat oder nicht.Coll schnaubte. Ich bin mir sicher, und das reicht fr uns beide. Es gibt keine Druiden. Und es gibt auch keine Schattenwesen. Es gibt keine dunklen Geister, die einem durch Trume Botschaften schicken. Nur deshalb, weil du todmde bist, trumst du dies und jenes aus den Geschichten, die du erzhlst.Par legte sich ebenfalls hin und zog die Decke ber sich. Vielleicht hast du recht, pflichtete er Coll bei, ohne jedoch wirklich berzeugt zu sein.Coll drehte sich zur Seite und ghnte. Heute nacht trumst du wahrscheinlich von Wasser und Fischen, so feucht wie es hier ist.Par schwieg. Er lauschte eine Zeitlang dem Regen, whrend sich seine Augen auf die dunkle Wand des Zeltes richteten. Vielleicht suche ich mir meinen eigenen Traum aus, sagte er leise. Dann war er eingeschlafen.Er trumte tatschlich in dieser Nacht, zum ersten Mal seit fast zwei Wochen. Er trumte den Traum, den er ersehnt hatte, den Traum von der dunkelgekleideten Gestalt, und es schien ihm, als msse er nur die Hand ausstrecken, um sie zu berhren. Es schien, als kme sie sogleich. Als der Schlaf ihn berwltigte, trat sie aus der Tiefe seines Unterbewutseins heraus. Ihr unerwartetes Auftreten erschreckte ihn, ohne da er davon aufgewacht wre. Er sah die dunkle Gestalt, die sich aus dem See erhob, sah, wie sie auf ihn zukam, verschwommen und gesichtslos und so bedrohlich, da er geflohen wre, wre er dazu imstande gewesen. Aber der Traum beherrschte ihn und hielt ihn in seinem Bann. Die dunkle Gestalt nherte sich ihm schweigend, ohne zu sprechen.Dicht vor ihm blieb sie stehen, ein Wesen, das alles und jedes htte sein knnen, gut oder bse, Leben oder Tod.Sprich zu mir, dachte er voller Angst.Aber die Gestalt stand einfach nur da, eingehllt in Schatten, schweigend und bewegungslos. Sie schien auf etwas zu warten.Dann machte Par einen Schritt nach vorne und zog, erfllt von einer inneren Kraft, die ihm bisher verborgen geblieben war, die schwarze Kapuze zurck, die den anderen verhllte. Er zog die Kapuze zurck, und er erkannte das zum Vorschein kommende Gesicht augenblicklich. Er hatte tausendmal davon gesungen. Es war ihm so vertraut wie das eigene. Er sah das Gesicht Allanons.4Als Par am nchsten Morgen erwachte, beschlo er, Coll nichts von seinem Traum zu erzhlen. Zum einen wute er nicht, was er htte sagen sollen. Er war nicht sicher, ob der Traum aus unbewuten Tiefen gekommen oder aber seinem Wunschdenken entsprungen war und selbst dann htte er nicht gewut, ob es sich um einen wahren Traum handelte. Zum anderen htte er Coll nur wieder darin bestrkt, wie tricht er, Par, doch war, wenn er weiterhin ber etwas nachdachte, das er offensichtlich doch nicht tun wollte. Aber wollte er es wirklich nicht? Wenn er ehrlich war, wute er, da sie sich darber streiten wrden, ob es ratsam gewesen wre, sich in das Gebiet der Drachenzhne zu wagen, um dort das Hadeshorn und einen Druiden, der bereits seit dreihundert Jahren tot war, zu suchen. Es war besser, die Sache einfach auf sich beruhen zu lassen.Sie aen ihr kaltes Frhstck, das aus wilden Beeren und Quellwasser bestand, und waren zufrieden, da sie wenigstens so viel hatten. Es hatte aufgehrt zu regnen, aber der Himmel war bedeckt. Aus Nordwesten erhob sich ein ziemlich starker Wind, dessen Kraft ste umbog und Bltter wild durch die Luft fliegen lie. Sie packten ihre Sachen zusammen, bestiegen das Boot und stieen es vom Ufer ab.Der Mermidon war stark angeschwollen, und das Boot, das sie nach Sden brachte, wurde auf dem Wasser hin- und hergeworfen. Allerlei Treibgut schwamm auf dem Wasser, und sie hielten ihre Ruder fest in den Hnden, um alle groen Stcke, die das Boot htten beschdigen knnen, von ihm abzuhalten. Die in Nebel und tiefhngende Wolken gehllten Felswnde des Runnegebirges erhoben sich drohend auf der anderen Seite. Es war kalt, und die Brder sprten, wie ihre Hnde und Fe vor Klte schnell steif wurden.Wann immer es mglich war, gingen sie an Land und ruhten sich aus, doch auch das half nur wenig. Sie hatten nichts zu essen und, da sie keine Zeit damit zubringen wollten, ein Feuer zu machen, auch keine Mglichkeit, sich aufzuwrmen. Schon am frhen Nachmittag regnete es wieder. Der Regen lie die Luft noch klter werden, der Wind verstrkte sich, und es wurde immer gefhrlicher, die Reise auf dem Flu fortzusetzen. Als sie eine kleine Bucht sichteten, die durch mehrere alte Kiefern geschtzt war, zogen sie das Boot unverzglich an Land und errichteten ein Lager.Nachdem sie ein Feuer gemacht hatten, aen sie den Fisch, den Coll gefangen hatte. Der Wind, der in den Schluchten der Berge heulte, das Wasser, das gegen die Ufer schlug, sowie die Klte und Unbequemlichkeit ihres Lagers lieen sie nur unruhig schlafen. In dieser Nacht trumte Par berhaupt nicht.Der Morgen brachte endlich den lang ersehnten Wetterumschwung. Der Sturm wandte sich nach Osten, der Himmel wurde klar, und helles, warmes Sonnenlicht erfllte den Tag. Whrend ihr Boot sie nach Sden trug, trockneten sie ihre Kleider, und als die Mittagssonne auf sie herabschien, streiften sie ihre Kleider und Schuhe ab.Alles wird besser nach einem erfrischenden Gewitter, wie man so schn sagt, erklrte Coll zufrieden. Du wirst sehen, Par, von jetzt an haben wir gutes Wetter. Nur noch drei Tage, und wir sind zu Hause.Par lchelte und schwieg.Der Tag verging, und der Duft der Bume und Blumen erfllte wieder die Luft.Sie segelten an der Sdwache vorbei; der schwarze Granitstein ragte schweigend und rtselhaft aus dem Fels am Rande des Flusses in den Himmel hinein. Selbst aus der groen Entfernung wirkte der Turm bedrohlich. Es war so dunkel, da er scheinbar alles Licht in sich aufsog. Alle mglichen Gerchte rankten sich um die Sdwache. Manche behaupteten, der Turm sei lebendig und ernhre sich von der Erde unter ihm. Andere behaupteten sogar, er bewege sich. Fast alle waren sich darin einig, da er auf unerklrliche Weise stndig zu wachsen schien. Er machte einen verlassenen Eindruck. So war es schon immer gewesen. Man sagte, da eine Eliteeinheit von Fderationssoldaten dort Dienst tat, aber noch keiner hatte sie zu Gesicht bekommen. Auch gut, dachte Par, als sie unbehelligt vorbeitrieben.Am spten Nachmittag erreichten sie die Flumndung, dort, wo sich der Flu in den Regenbogensee ergo. Der See breitete sich vor ihnen aus, ein riesiges, silbrig schimmerndes blaues Gewsser, das durch die Sonne, die sich dem Horizont zuneigte, am westlichen Rand golden gefrbt war. Der Regenbogen, der dem See seinen Namen gegeben hatte, spannte sich jetzt im grellen Sonnenlicht bla von einem Ende zum anderen, das Blau und Lila fast unsichtbar, das Rot und Gelb verwaschen. Kraniche schwangen sich lautlos durch die Lfte, ihre anmutigen Leiber zeichneten sich am Himmel ab.Die Ohmsfords zogen ihr Boot ans Ufer und machten es im Schutz einiger schattiger Bume fest. Sie schlugen ihr Lager auf. Coll fischte, whrend Par sich auf den Weg machte, um das Holz fr das abendliche Lagerfeuer zu sammeln.Par durchstreifte das Ufer eine Zeitlang in stlicher Richtung. Nach kurzer Zeit wandte er sich dem Wald zu und begann, trockenes Holz aufzulesen. Er hatte erst wenige Schritte zurckgelegt, als er die Feuchtigkeit um sich herum sprte und den modrigen Geruch wahrnahm. Er bemerkte, da viele Bume morsch waren; Bltter waren welk und braun, ste abgebrochen, Rinden abgebrckelt. Auch der Waldboden sah ungesund aus. Er kratzte mit seinem Schuh und sah sich neugierig um. Es schien, als ob es kein Leben mehr in diesem Wald gbe, keine kleinen Tiere, die ber den Boden huschten, keine Vgel, die von den Bumen zwitscherten. Der Wald war unbelebt.Gerade als er beschlo, seine Suche nach Feuerholz einzustellen und zum Fluufer zurckzukehren, fiel sein Blick auf das Haus. Es war eher eine Htte, und bei genauerer Betrachtung nicht einmal das. Sie war berwuchert von Unkraut, Reben und Buschwerk. Fensterlden lagen auf dem Boden, und das Dach war eingedrckt. Die Fensterscheiben waren zerbrochen, und die Eingangstr stand offen. Die Htte stand am Rand einer kleinen Bucht; dem abgestandenen Wasser entstrmte ein ekelhafter Geruch. Par htte die Htte fr unbewohnt gehalten, htte er nicht die winzigen Rauchschwaden bemerkt, die aus dem verfallenen Schornstein stiegen. Er fragte sich, wie ein Mensch in einer solchen Umgebung hausen konnte, ob die Htte wirklich bewohnt oder der Rauch lediglich das letzte Zeichen mglicher Bewohner war. Des weiteren fragte er sich, ob der Bewohner der Htte mglicherweise Hilfe brauchte.Fast wollte er hingehen, aber die Htte und ihre Umgebung waren so abschreckend, da er es schlielich doch nicht ber sich brachte. Statt dessen rief er seine Frage, ob jemand zu Hause sei, laut hinaus. Er wartete einen Augenblick, dann rief er nochmals. Als er keine Antwort erhielt, wandte er sich fast dankbar ab und setzte seinen Weg fort.Als er zurckkehrte, wartete Coll bereits mit dem Fisch, so da sie eilig ein Feuer anzndeten und ihre Mahlzeit zubereiteten. Beide waren des Fisches schon berdrssig, aber er war besser als nichts, und auerdem waren sie hungriger, als sie geahnt hatten. Nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatten, saen sie nebeneinander und beobachteten, wie die Sonne unterging und der See sich wieder silbrig verfrbte. Am dunkler werdenden Himmel zogen Sterne auf, und die Gerusche der Nacht erwachten aus der Stille der Dunkelheit. Die Schatten der Bume des Waldes vereinigten sich zu dunklen Flecken, die das Tageslicht vollends verdrngten.Par dachte gerade darber nach, wie er Coll beibringen sollte, da er es fr besser hielt, nicht nach Hause zurckzukehren, als die Waldfrau vor ihnen auftauchte.Sie trat aus dem Dunkel der Bume hervor, gebckt im fahlen Licht des Feuers. Sie war in Lumpen gekleidet, und es hatte den Anschein, als wren sie in grauer Vorzeit um sie geschlungen und dort vergessen worden. Ihr Kopf war kahl, und ihr Gesicht war bedeckt mit langen, dichten, farblosen Haarbscheln. Ihr Alter war unbestimmbar, dachte Par; sie war so runzlig, da man es beim besten Willen nicht erraten konnte.Sie kroch vorsichtig aus dem Wald hervor, blieb vor dem Feuer stehen und sttzte sich schwer auf ihren Gehstock. Einer ihrer knochigen Arme zeigte in Richtung Par. Hast du mich gerufen? fragte sie mit einer Stimme, die wie morsches Holz knarrte.Unwillkrlich mute Par sie anstarren. Sie sah aus wie etwas, das der Erde entsprungen war, wie etwas, das kein Recht hatte, zu leben und die Erde zu betreten. Sie war ber und ber mit Schmutz und Unkraut behangen, das sich scheinbar auf ihr niedergelassen und Wurzeln geschlagen hatte.Warst du es? wiederholte sie eindringlich.Ihm wurde langsam klar, worauf sie anspielte. An der Htte? Ja, das war ich.Die Waldfrau lchelte, ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, ihr Mund war fast zahnlos. Du httest hereinkommen sollen, anstatt drauen stehenzubleiben, sagte sie. Die Tr war offen.Ich wollte nicht Ich lasse sie immer offen, damit keiner ohne einen Willkommensgru vorbeigeht. Auch das Feuer lasse ich immer brennen.Ich habe den Rauch gesehen, aber Du hast doch Holz gesammelt, stimmts? Ihr kommt aus Callahorn? Ihre Augen wanderten in die Richtung, in der das Boot festgemacht war. Seid lang unterwegs gewesen, stimmts? Ihr Blick richtete sich wieder auf die Brder. Seid vielleicht auf der Flucht?Par wurde mit einemmal ganz starr. Er und Coll warfen sich einen kurzen Blick zu.Die Frau kam nher, und whrend sie einen Fu vor den anderen setzte, tastete sie die Erde vor sich mit ihrem Gehstock ab. Viele verschlgt es hierher. Kommen alle aus dem gechteten Land und sind auf der Suche nach diesem oder jenem. Sie hielt inne. Ihr vielleicht auch? O ja, viele mchten mit solchen wie euch nichts zu tun haben, aber ich gehre nicht zu denen. Nein, ich bestimmt nicht!Wir sind nicht auf der Flucht, erklrte Coll pltzlich.Nein? Seid ihr deshalb so gut ausgerstet? Sie fuchtelte mit ihrem Stock in der Luft herum. Wie heit ihr?Was willst du? fragte Par hastig. Er fhlte sich von Minute zu Minute unwohler.Die Waldfrau trat noch einen Schritt nher. Irgend etwas stimmte nicht mit ihr, etwas, das Par vorher nicht bemerkt hatte. Sie schien keinen festen Krper zu besitzen, sondern wie durch Rauch oder erhitzte Luft hindurch zu flimmern. Auch ihre Bewegungen waren unnatrlich, und das nicht nur aufgrund ihres Alters. Es schien, als baumelten ihre Gelenke an einem unsichtbaren Faden, wie Marionetten, die auf Jahrmrkten gezeigt werden.Der Geruch des sumpfigen Wassers und der zerfallenen Htte haftete der Waldfrau selbst hier an. Sie schnupperte in der Luft. Was rieche ich da? Ihre Augen fixierten Par. Riecht es hier nicht nach Magie?Par lief ein kalter Schauer ber den Rcken. Wer immer diese Frau sein mochte, mit ihr wollten sie nichts zu tun haben.Magie! Ja. Rein und klar und stark wie das Leben! Die Zunge der Waldfrau fuhr lstern ber ihre Lippen. Und so s wie Blut!Nun konnte sich Coll nicht lnger zurckhalten. Es wre besser, wenn du dich auf den Weg dorthin machen wrdest, wo du hergekommen bist, schrie er sie an, ohne da er versucht htte, seinen Abscheu zu verbergen. Du hast hier nichts zu suchen. Mach, da du fortkommst!Doch die Waldfrau bewegte sich nicht von der Stelle. Ihr Gesicht verzog sich zu einer wilden Grimasse, und ihre Augen waren pltzlich so rot wie die brennenden Holzscheite. Komm her zu mir, komm her! zischte sie. Komm her, mein Kleiner! Sie zeigte auf Par. Komm! Sie streckte eine Hand aus.Par und Coll traten vorsichtig einen Schritt zurck, weg vom Feuer.Die Frau machte mehrere Schritte auf sie zu, am Feuer vorbei, und drngte sie weiter in die Dunkelheit hinein. Mein Ser! murmelte sie leise vor sich hin. La mich dich schmecken, Kleiner!Die Brder waren nicht mehr gewillt, sich noch weiter vom Licht zu entfernen. Die Waldfrau bemerkte den entschlossenen Ausdruck in ihren Augen, und ihr Lcheln wurde boshaft. Sie kam weiter auf sie zu.Whrend sie Par im Auge behielt, der versuchte, sie zu packen und ihre Arme festzuhalten, machte Coll einen Satz auf sie zu. Aber sie war viel schneller als er. Ihr Stock, der auf ihn niedersauste, traf ihn mit einer solchen Wucht an der Schlfe, da er ohnmchtig zu Boden sank. Mit einem Heulen, das an ein tollwtiges Tier erinnerte, war sie augenblicklich ber ihm.Par stimmte das Wunschlied an, mit Hilfe dessen er eine Reihe von schrecklichen Bildern zu ihr aussandte. berrascht wich sie zurck, versuchte jedoch, die Bilder mit ihren Hnden und ihrem Stock abzuwehren. Par nutzte die Gelegenheit, sich zu Coll umzudrehen und ihm auf die Beine zu helfen. Hastig zog er seinen Bruder von seiner Angreiferin weg, die ihre Krallen jetzt in die leere Luft streckte.Die Waldfrau hielt pltzlich inne und schien sich nicht mehr gegen die Bilder zu wehren. Das Lcheln, mit dem sie sich jetzt zu Par umdrehte, lie ihm das Blut in den Adern gefrieren. Um ihr Angst zu machen, schickte Par ihr das Bild eines Dmons, doch diesmal griff die Frau nach dem Bild, ffnete den Mund, sog die Luft um sich herum tief ein, und das Bild lste sich in nichts auf. Die Frau leckte ihre Lippen und winselte.Nun schickte Par ihr einen bewaffneten Krieger. Die Waldfrau verschlang ihn gierig. Sie kam wieder nher, lie sich jetzt durch die Bilder nicht mehr aufhalten, schien sie sogar freudig zu erwarten. Es hatte den Anschein, als warte sie nur darauf, sie zu verschlingen. Par versuchte Coll zu sttzen, doch sein Bruder sank immer noch benommen in seinen Armen zusammen. Coll, wach auf! flehte er leise.Komm, mein Ser, wiederholte die Waldfrau leise. Sie winkte und kam nher. Komm, gib mir meine Nahrung.Wie aus heiterem Himmel loderte pltzlich das Feuer hoch auf und tauchte die Waldlichtung in helles Tageslicht. Die Waldfrau wich vor der Helligkeit zurck, und ihr jher Schrei endete in einem wtenden Knurren. Par blinzelte und durchbohrte mit seinem Blick das strahlende Licht.Ein weihaariger, graugewandeter alter Mann, dessen braune Haut an ausgetrocknetes Holz erinnerte, trat zwischen den Bumen hervor. Wie ein lebendig gewordener Geist tauchte er vor ihnen aus der Dunkelheit auf. Ein grimmiges Lcheln umspielte seinen Mund, und seine Augen strahlten einen unnatrlichen Glanz aus. Par drehte sich vorsichtig um, eine Hand an seinem Messer, das in seinem Grtel steckte. Jetzt sind sie schon zu zweit, dachte er verzweifelt, und wieder schttelte er Coll in dem verzweifelten Versuch, ihn aufzuwecken.Aber der alte Mann schenkte ihm keine Beachtung. Seine Aufmerksamkeit galt der Waldfrau. Ich kenne dich, sagte er leise. Du machst niemandem mehr Angst. Begib dich fort von hier, oder du wirst es mit mir aufnehmen mssen.Die Waldfrau zischte wie eine Schlange und kauerte sich wie zum Sprung bereit zusammen. Aber etwas im Gesicht des alten Mannes lie sie innehalten.Geh zurck in die Dunkelheit, flsterte der alte Mann.Die Waldfrau zischte ein letztes Mal, bevor sie sich umdrehte und ohne einen weiteren Laut zwischen den Bumen verschwand. Ihr Geruch hing noch einen Augenblick in der Luft, und dann war auch er verschwunden.Wieder senkte sich die Nacht mit ihren vertrauten Geruschen ber sie, und alles war wie zuvor.Der alte Mann trat nher an das Licht heran. Bah. Eines der kleinen Nachtgespenster hat sich wohl hierher verirrt, murmelte er voll Ekel. Er blickte spttisch auf Par. Bist du in Ordnung, junger Ohmsford? Und der da? Heit er nicht Coll? Er hat eben ziemlich viel einstecken mssen.Par lie Coll auf den Boden gleiten und nickte. Ja. Knntest du mir das Tuch und etwas Wasser reichen?Der alte Mann tat, wie geheien, und Par betupfte Colls Schlfe, die sich blau zu verfrben begann. Coll wimmerte, setzte sich auf und vergrub seinen Kopf zwischen den Knien, in der Hoffnung, da das Pochen dadurch aufhre.Par schaute auf. Es dmmerte ihm pltzlich, da der alte Mann Colls Namen gewut hatte. Woher weit du, wer wir sind? fragte er vorsichtig.Der alte Mann hielt seinem Blick stand. Nun, ich wei, wer ihr seid, weil ich euch gesucht habe. Aber ich bin keinesfalls euer Feind, wenn du das meinst.Par schttelte den Kopf. Nicht eigentlich, nachdem du uns auf diese Weise geholfen hast. Wir danken dir.Euer Dank ist unntig.Par nickte wieder. Diese Frau, oder was sie war es schien, als htte sie Angst vor dir gehabt. Er formulierte keine Frage, sondern stellte eine Tatsache fest.Der alte Mann hob die Schultern. Vielleicht.Kennst du sie?Ich habe von ihr gehrt.Par zgerte, nicht sicher, ob er die Angelegenheit auf sich beruhen lassen sollte oder nicht. Warum hast du uns gesucht?Tja, weit du, das ist leider eine ziemlich lange Geschichte, antwortete der alte Mann in einem Ton, der darauf schlieen lie, da die Anstrengung, eine solche Geschichte zu erzhlen, seine Krfte bei weitem bersteigen wrde. Knnten wir uns vielleicht hinsetzen, whrend wir darber sprechen? Die Wrme des Feuers wrde meinen alten Knochen gut tun. Ihr habt nicht zufllig einen Schluck Bier brig? Nein? Schade. Ich nehme an, da ihr, so wie man euch aus Varfleet hinausbefrdert hat, keine Mglichkeit gehabt habt, solche Kstlichkeiten mitzunehmen. Man kann schon von Glck sagen, da ihr unter diesen Umstnden mit heiler Haut davongekommen seid. Er kam gemchlich nher, lie sich sachte im Gras nieder, kreuzte die Beine und brachte seine grauen Gewnder sorgfltig in Ordnung. Ich habe mir gedacht, da ich euch dort treffen wrde. Aber dann kam die Sache mit der Fderation dazwischen, und ihr wart pltzlich auf dem Weg nach Sden, bevor ich euch aufhalten konnte. Er nahm sich einen Becher, den er in den Wassereimer tauchte, um dann in groen Schlucken zu trinken.Coll hatte sich in der Zwischenzeit aufgesetzt und hrte zu, whrend er immer noch das feuchte Tuch gegen seine Schlfe prete. Par setzte sich neben ihn.Der alte Mann trank den Becher leer und wischte sich den Mund an seinem rmel ab. Allanon hat mich geschickt, erklrte er beilufig.Allanon, wiederholte Par.Allanon ist seit dreihundert Jahren tot, platzte Coll heraus.Der alte Mann nickte. Da hast du recht. Ich mu mich verbessern: Es war in Wirklichkeit Allanons Geist, sein Schatten aber nichtsdestoweniger Allanon.Allanons Schatten? Coll nahm das Tuch von seiner Schlfe, vergessen war die Verletzung. Er bemhte sich gar nicht, seinen Unglauben zu verbergen.Der alte Mann rieb sich sein brtiges Kinn. Nun, mein Junge, du wirst dich etwas gedulden mssen. Vieles von dem, was ich euch sagen werde, werdet ihr vielleicht nicht glauben wollen, aber ihr mt mir glauben, wenn ich sage, da dies alles sehr wichtig ist. Er rieb sich die Hnde, die er zum Feuer hin ausstreckte. Es wre das Beste, wenn ihr mich als Boten sehen knntet. Betrachtet mich einfach als einen Boten Allanons. Par, warum hast du die Trume miachtet?Par erschrak. Du weit also davon?Die T