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1 © 1997 MANAGERSEMINARE Die lernende Organisation: Zwischen Konzept und Konfusion I. Grundlagen der Lernenden Organisation Nach wie vor grundlegendes Rüstzeug zum Thema ist das, was Senge seine „fünf Disziplinen“ nennt. An diesen Punkten werden die strategischen Lernorientierungen in einer Organisation aufgehängt: 1. Personal Mastery fordert, an das Leben heranzugehen wie an ein schöpferisches Werk. Mitarbeiter sollten eine kreative, nicht eine reaktive Lebensauffassung vertreten. Gelernt wird durch Selbstführung. 2. Mentale Modelle sind Vorurteile und Denkroutinen. Sie bestimmen, wie Mitarbeiter die Welt interpretieren und wie wir handeln. Starke mentale Modelle können den unternehmerischen Erfolg beschleunigen. 3. Die gemeinsame Vision ist die Kraft im Herzen der Menschen. Die Vision ist die Antwort auf die Frage: „Was wollen wir erschaffen?“. Alle Mitarbeiter verschreiben sich dieser Vision. 4. Team-Lernen heißt: gemeinsam herausfinden, was zu tun ist. Der IQ eines Teams kann wesentlich höher sein als der IQ der einzelnen Teammitglieder. Teams werden zu Orten der Weisheit für das Unternehmen. 5. Systemdenken ist der Kampf gegen die Flickschuster-Lösungen im Management. Hier soll eine neue Sprache entwickelt werden, um Komplexes zu beschreiben und in den Griff zu bekommen. Persönliche Einstellungen ändern Hohes Niveau individuellen Lernens ist Voraussetzung für die Lernende Organisa- tion. Auf der Mikro-Ebene heißt das: Lernen ist im Unternehmen ein rational gesteu- erter Prozeß, der alle Mitarbeiter so weit wie möglich mit einbezieht und der Lernen nicht dem Zufall überläßt. Lernen auf der individuellen Ebene fängt mit dem Bewußt- sein an, daß ein Wandel nötig ist. Etwa wenn ein Manager durch das Feedback seiner Mitarbeiter bemerkt, daß er seine Führungsfähigkeiten verbessern muß. Als nächstes wird er versuchen, eine Idee davon zu entwicklen, was genau er tun muß, um eine bessere Führungsperson zu werden. Dann wird er Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, das Führungsverhalten zu verbessern – etwa indem er einen Workshop besucht oder mit einem Coach zusammenarbeitet. Am Schluß wird eine Überprüfung des Ge- lernten stehen und eine Bewertung, ob das bisher Unternommene schon ausreicht, um das gesetzte Ziel zu erreichen. Weitere Lernaktivitäten können nötig sein. Lernen heißt also, das mentale Modell zu verändern. Dafür werden in einer offe-

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Die lernende Organisation:Zwischen Konzept und Konfusion

I. Grundlagen der Lernenden Organisation

Nach wie vor grundlegendes Rüstzeug zum Thema ist das, was Senge seine „fünfDisziplinen“ nennt. An diesen Punkten werden die strategischen Lernorientierungenin einer Organisation aufgehängt:

1. Personal Mastery fordert, an das Leben heranzugehen wie an ein schöpferischesWerk. Mitarbeiter sollten eine kreative, nicht eine reaktive Lebensauffassungvertreten. Gelernt wird durch Selbstführung.

2. Mentale Modelle sind Vorurteile und Denkroutinen. Sie bestimmen, wie Mitarbeiterdie Welt interpretieren und wie wir handeln. Starke mentale Modelle können denunternehmerischen Erfolg beschleunigen.

3. Die gemeinsame Vision ist die Kraft im Herzen der Menschen. Die Vision ist dieAntwort auf die Frage: „Was wollen wir erschaffen?“. Alle Mitarbeiter verschreibensich dieser Vision.

4. Team-Lernen heißt: gemeinsam herausfinden, was zu tun ist. Der IQ eines Teamskann wesentlich höher sein als der IQ der einzelnen Teammitglieder. Teams werdenzu Orten der Weisheit für das Unternehmen.

5. Systemdenken ist der Kampf gegen die Flickschuster-Lösungen im Management.Hier soll eine neue Sprache entwickelt werden, um Komplexes zu beschreiben undin den Griff zu bekommen.

Persönliche Einstellungen ändern

Hohes Niveau individuellen Lernens ist Voraussetzung für die Lernende Organisa-tion. Auf der Mikro-Ebene heißt das: Lernen ist im Unternehmen ein rational gesteu-erter Prozeß, der alle Mitarbeiter so weit wie möglich mit einbezieht und der Lernennicht dem Zufall überläßt. Lernen auf der individuellen Ebene fängt mit dem Bewußt-sein an, daß ein Wandel nötig ist. Etwa wenn ein Manager durch das Feedback seinerMitarbeiter bemerkt, daß er seine Führungsfähigkeiten verbessern muß. Als nächsteswird er versuchen, eine Idee davon zu entwicklen, was genau er tun muß, um einebessere Führungsperson zu werden. Dann wird er Maßnahmen ergreifen, die geeignetsind, das Führungsverhalten zu verbessern – etwa indem er einen Workshop besuchtoder mit einem Coach zusammenarbeitet. Am Schluß wird eine Überprüfung des Ge-lernten stehen und eine Bewertung, ob das bisher Unternommene schon ausreicht,um das gesetzte Ziel zu erreichen. Weitere Lernaktivitäten können nötig sein.

Lernen heißt also, das mentale Modell zu verändern. Dafür werden in einer offe-

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Die lernende Organisation

nen, auf Erneuerung ausgerichteten Organisation laufend Anreize gegeben, die vomManagement-Team ausgehen. Änderung des mentalen Modells, das bedeutet nach PeterSenge: Änderung des persönlichen Sets an tief verwurzelten Annahmen, Theorien undBildern davon, wie die Welt in ihrem Innersten beschaffen ist. Das ist der Neubau derLandkarten, die jeder von uns über die Realität hat, die uns erlauben, zu navigieren,die festlegen, was wir sehen, wie wir reagieren und uns fühlen, die unsere Urteile über„sollen“, „möglich”, „unmöglich“ bestimmen, und die Einfluß auf unsere Effektivitäthaben.

Kollektive Lernprozesse organisieren

Auf der Makro-Ebene unterwirft sich die Organisation insgesamt dem Lernpro-zeß, damit neue Aufgaben erledigt werden können und alte Aufgaben effektiver getanwerden können. Es muß also neues organisatorisches Wissen erzeugt und eingesetztwerden. Das ist ein geplanter und gesteuerter Prozeß, der den strategischen Zielen derOrganisation folgt. Organisationen, in denen diese Art von Lernprozessen praktiziertwird, zeichnen sich durch folgende Merkmale aus:

• Es wird nicht nur reaktiv gelernt, sondern Lernen im Unternehmen ist bewußtgesteuert, zweckgerichtet und mit den Zielen und der Strategie der Organisationverknüpft.

• Lernen nimmt Herausforderungen vorweg und ist an den Möglichkeiten derZukunft orientiert, nicht an Krisen im Unternehmen.

• Lernen schafft Flexibilität und Agilität, was das Unternehmen in den Stand versetzt,besser mit Unsicherheit umzugehen.

• Die Menschen in der Organisation sehen sich durch Lernen in der Lage, kontinuier-lich neue Wege zu gehen und so die Ziele umzusetzen, die ihnen am wichtigstensind.

Nach den Erfahrungen der Arthur D Little Unternehmensberatung (ADL), die seitvielen Jahren Expertise auf dem Gebiet der Lernenden Organisation erworben hat,zeichnen sich lernfreundliche Umgebungen durch bestimmte Eigenschaften aus. Dazugehoren: vergleichsweise wenig Hierarchie, eine Umgebung mit sehr guter Teamar-beit, und ein erstklassiges Kommunikationsnetz. Lernfreundliche Organisationen be-lohnen außerdem die Teilung und Mitteilung von Wissen (statt das Für-sich-Behal-ten) und ermutigen jeden Mitarbeiter, sich eine ganzheitliche Sicht des Geschäfts zuverschaffen, in dem sich das Unternehmen befindet. Alle Mitarbeiter mühen sich umeine starke Beziehung nach außen, damit Wissen von Dritten einfließen und von derOrganisation nutzbar gemacht werden kann. Aus der Erfahrung der Vergangenheitwird gelernt, insbesondere aus zurückliegenden Fehlschlägen. Das kollektive und ziel-gerichtete Lernen vollzieht sich in einem Vierstufen-Modell:

1. Bewußtsein. Vorstufe für den Lernprozeß ist das Bewußtsein, daß Lernen nötig ist.Die Organisation braucht ein gemeinsames Verständnis, daß nur durch Lernen dergegenwärtige Zustand verbessert werden kann.

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2. Verständnis. Eingeleitet wird durch eine gemeinsame Idee davon, was getan werdenmuß. Ohne die Ziele, die von der gesamten Organisation geteilt werden, kann keinzielgerichteter und effektiver Lernprozeß vonstatten gehen.

3. Handeln. Mit gemeinsamem Handeln kann der Weg in den Lern- und Verände-rungsprozeß gegangen werden. Weite Kreise des Unternehmens werden einbezogen,damit ein Maximum an Wirkung erzielt wird und keine lernfreien Inseln zurück-bleiben.

4. Rückschau. Keine Lernaktivität ohne Kontrolle: Was hat der letzte Lernschrittgebracht? Wo wurden die Fortschritte erzielt, wo sind Lücken geblieben, die nochüberwunden werden müssen? Aufbau eines gesteuerten Lern-Regelkreises!

II. Die „Lernende Organisation“ – zurecht ein aktuelles Thema?

Von Unternehmensberatern und Angehörigen von Personal- und Weiterbildungs-abteilungen wird viel über das Thema „Lernende Organisation“ gesprochen. Konzep-te, Maßnahmen oder Publikationen werden immer wieder unter diese Überschrift ge-stellt – weil nach einer Zeit des konjunkturellen Einbruchs mit umfassenden Reorga-nisationsmaßnahmen und weitreichenden Reengineering-Projekten offensichtlich derBedarf nach einem neuen, weichen Thema wuchs. Jetzt sind die übelsten Auswirkun-gen der Rezession mit Entlassungen und Abspeckaktionen vorbei, jetzt soll offensicht-lich ein Thema herbeigeschafft werden, das die Wunden im gebeutelten Unterneh-mens-Organismus wieder heilt: Nicht mehr die strategische Härte mit der Jagd nachKosten und Prozenten scheint jetzt gefragt, sondern ein integratives Thema, das einenvisionären Klang hat und zu dem möglichst viele Beteiligte einfach „Ja“ sagen können.„Lernende Organisation“ erfüllt das in idealer Weise, das Wort macht die Runde, PeterSenges Bücher finden ihre Käufer.

Das Konzept der „Lernenden Organisation“ hat offensichtlich in den ausgehenden90er Jahren einige Ausstrahlungskraft – auch, weil es sich von den Ansätzen zu unter-scheiden scheint, die, mehr technizistisch orientiert, in der Rezession geübt wurden.Peter Senge beantwortete mir in einem Zeitungsinterview die Frage nach den Unter-schieden zwischen seinem Konzept und anderen methodischen Ansätzen der Unter-nehmensführung.

Ich fragte ihn: „Was unterscheidet Ihren Ansatz von TQM oder Reengineering?“.Senge antwortete: „Die Tiefe im Theoretischen und der Reichtum im Methodologi-schen. Wir schöpfen alle unsere wichtigen Grundgedanken aus Theorien, von denendie meisten schon vor über hundert Jahren ausgedacht wurden. Unsere Idee mit denfünf Disziplinen ist kein Schnellschuß wie andere Methoden. Hier haben Leute überzwanzig Jahre gearbeitet, um die Gedanken über die Lernende Organisation zusam-menzutragen. Die Wurzeln des Konzepts wurden schon vor vielen Jahren erdacht. VonIngenieuren gibt es alte Forschungen aus dem 19. Jahrhundert über Feedbacksysteme.Wir haben diese genommen und mit Erkenntnissen aus der Biologie und den Human-wissenschaften verknüpft, speziell mit Ideen über die Sozialpsychologie von Organisa-tionen. Mit Hilfe von Ansätzen aus der kognitiven Psychologie haben wir studiert, wieMenschen überhaupt wahrnehmen und Urteile bilden. Natürlich ist das alles nicht

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neu. Aber wir haben die Erkenntnisse in Werkzeuge und Methoden umgesetzt, mitdenen wir heute erfolgreich in Firmenprojekten zum Thema ‘Lernende Organisation’arbeiten.”

III. Wie Unternehmen zu lernenden Organisationen werden wollen

Einige Unternehmen haben sich bereits mit dem Thema „Lernende Organisation“in Zusammenhang gebracht. Das Thema wurde aus ganz verschiedenen Gründen zueinem zentralen Wert der Organsiation gemacht. In allen drei hier vorgestellten Fällenwurde die Zugkraft und konsensbildende Kraft dieses organisatorischen Mottos ge-nutzt – die Ausprägungen der Ansätze der Unternehmen freilich sind sehr unterschied-lich.

Lernende Organisation bei 3M

Lernende Organisation ist bei 3M zum Bestandteil der Unternehmenskultur ge-worden. Lernen ist ein Wert, der in viele Aktivitäten und Verhaltensweisen eingeflos-sen ist. Eine wichtige Rolle spielt das Loyalitätsverhältnis: Das Unternehmen erwartetvon seinen Mitarbeitern ein hohes Maß an Verbundenheit und erwidert sie. Es wird inMitarbeiter investiert, und jeder, der bei 3M arbeitet, kann darauf zählen, daß hiereine Karriere über lange Jahre möglich ist: Das Unternehmen bietet leistungsbewuß-ten Mitarbeitern im Gegenzug Perspektive und Sicherheit. Das hat mittelbar sehr vielmit Lernender Organisation zu tun: Langjährig beschäftigte Mitarbeiter gewinnen eineintime Kenntnis des Unternehmens und können ihr Wissen anreichern. Durch Be-rufswege über Funktions- und Bereichsgrenzen hinweg hat 3M dem Kaminaufstiegeine Absage erteilt. Das Unternehmen profitiert davon, weil die Mitarbeiter sowohlWissen als auch Kontakte über die Jahre vernetzen können und auf diese Weise einVerständnis von Wertschöpfung und Geschäft des Unternehmens erlangen. Bildungs-aktivitäten, Fördermaßnahmen und organisiertes Lernen ergänzen das auf langfristi-gen Erfolg angelegte 3M-Konzept. Mitarbeiter, die bei 3M in der Forschung beschäf-tigt sind, können 15 Prozent ihrer Arbeitszeit für eigene Projekte frei einsetzen - ohnedaß das an die Pflicht gebunden wäre, sich bei irgendeinem Vorgesetzten dafür eineGenehmigung einholen zu müssen. Aus dieser Art von institutionalisiertem organisa-torischem Lernen sind bei 3M viele kommerziell erfolgreiche Projekte und Erfindun-gen entstanden.

Als Minnesota Mining Manufacturing Company wurde die spätere 3M im Jahre1902 gegründet. Die ersten Produkte waren Schleifmittel für den Bergbau. Daraus hatsich in 94 Jahren ein Weltkonzern entwickelt, der heute in 58 Ländern vertreten ist.Weltweit arbeiten 87.000 Mitarbeiter für 3M, in Europa 21.000. Das Sortiment derProdukte würde ausreichen, ein mittelgroßes Warenhaus zu füllen: 60.000 Artikel wer-den heute hergestellt. Beim Konsumenten am bekanntesten ist der Haftzettel „Post It”,daneben gibt es Klebebänder, Reflexfolien, antibak-terielle Schwämme, Atemschutz-masken, Schleifmittel, Leuchtröhren, Disketten, Video- und Audiobänder, Bodenpfle-

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Checkliste zur Zusammenarbeit mit externen Trainern

Gerade bei umfangreichen wie komplexen Organisationsentwicklungsmaß-nahmen greifen viele Unternehmen auf externes Know-how zurück. Da die Zu-sammenarbeit mit dem Trainer dabei meist auf längere Sicht angelegt ist undintensiver wie kontinuierlicher Absprachen mit der Unternehmensleitung be-darf, sollte die Vorauswahl dementsprechend sorgfältig erfolgen. Dazu einige Tips:

1. Vorauswahl und Sichtung der Unterlagen

Bitten Sie die in Frage kommenden Trainer um Unterlagen und prüfen Siediese kritisch hinsichtlich folgender Punkte:

• Welche praktische Erfahrung hat der Trainer im Bereich, in dem er trainiert?• Wie lange ist der Anbieter schon in der Weiterbildung – und speziell in seinem

Bereich – tätig?• Wie aussagefähig sind die Unterlagen hinsichtlich der Philosophie und

Arbeitsweise? Wird diese konkret dargelegt oder bleibt sie im Unver-bindlichen?

• Wird mangelndes Know-how mit blumiger Werbesprache und Allgemein-plätzen „kompensiert”?

• Hat der Trainer die Ziele, die der Teilnehmer erreichen soll, auch selbsterreicht?

• Ist er bereit, Referenzen zu nennen?

2. Endauswahl mit der 3x3 Methode

Zu den drei ausgewählten Trainern je drei Referenzen erfragen:

• Inwieweit deckt sich die Bildungssituation der eigenen Firma mit derjenigender Referenzfirma? War die Zielsetzung der Maßnahmen die gleiche?

• Lebt der Trainer vor, was er trainiert? Wie ging der Trainer auf die Teilnehmerein? War er glaubwürdig und authentisch?

• Suchte der Trainer den aktiven Kontakt zur Firmenleitung? Konnten dieVerantwortlichen an Trainings teilnehmen und wurden sie über derenFortgang informiert?

• Fanden regelmäßige Feedback-Gespräche zwischen Trainer und Firmen-leitung statt, um eventuelle Abweichungen von den abgeplanten Maßnahmenzu erörtern?

• War der Trainer bereit, auf die gewachsene Unternehmenskultur einzugehenund Unternehmensziele zu berücksichtigen?

• Welche Umsetzungserfolge konnten die Referenzfirma bzw. die Teilnehmerverbuchen?

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Die lernende Organisation

gemittel, Imprägnierlösungen, Herz-Lungen-Maschinen, Zahnarztprodukte, Pflasterund Therapeutika. Immer wieder gelingt es 3M, durch Erfindergeist im Unterneh-men und kreative Kreuzungen von Produktfamilien innovative Vorstöße zu unterneh-men.

Lernende Organisation bei Krupp

Ein großes Industrieunternehmen frischt seine inneren Werte auf. „4K“ heißt dasProgramm, zu dem der Vorstand alle Mitarbeiter aufgerufen hat, es geht um eine um-fassende Neuorientierung des Krupp-Konzerns. Das Kürzel „4K“ steht für die vier Werte,die es neu zu definieren gilt: Kunden, Kosten, Kreativität und Kommunikation. Ger-hard Cromme, Vorstandsvorsitzender von Krupp, nennt das Projekt „Unsere Antwortauf die Debatte um den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Seit dem Start hat es dieinternationale Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns weiter gestärkt.

Die Kernbotschaft: Verbindung zu den Kunden vertiefen, intern besser und schnel-

Quelle: Arthur D. Little

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Immer

Oft Man

chmal

Selten

NieTest für die Lernqualität einerOrganisation

1. Die Organisation lernt aus Erfahrung und wieder-holt ihre Fehler nicht.

2. Wenn jemand die Organisation verläßt, bleibt ihr/sein Wissen erhalten.

3. Wenn ein Team eine Aufgabe beendet, wird destil-liert und dokumentiert, was gelernt wurde.

4. Wissen, das in der Organisation erzeugt wird, wirdgesichtet, bewertet und allen Teilen der Organisati-on zugänglich gemacht mit Hilfe von Datenbanken,Trainings etc.

5. Die Organisation erkennt den Wert des Wissens an,das von Teams und Individuen erworben und zu-gänglich gemacht wird.

6. Es werden systematisch Pläne dafür aufgestellt undumgesetzt, welches Wissen in Zukunft benötigt wird.

7. Die Organisation ermutigt das Experimentieren alseinen Weg des Lernens.

8. Die Organisation verbessert ihre Fähigkeiten, indemLernerfahrungen von anderen Organisationen aus-gewertet und angewendet werden.

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ler werden. Beides soll dazu beitragen, daß der Umsatz erhöht und kostengünstigerproduziert werden kann. Bewährte Management-Konzepte wurden in dem Programmverschmolzen. Das Neue an der Aktivität: Jetzt wird mit großem Einsatz systematischund methodisch der ganze Konzern auf Schwachstellen untersucht. Mit „4K“ wurdedie größte Lern-Offensive gestartet, die es konzernweit je gab: Alle 70.000 Mitarbeiterdes Konzerns werden sukzessive einbezogen, selbst Beiträge zu leisten, Verbesserungs-potentiale zu erschließen und ihre Lernziele für das Beschreiten neuer Wege zu gehen.Die Mitarbeiter sind das Potential für den unternehmerischen Aufbruch des Konzerns,weil die Menschen vor Ort am besten wissen, wo die noch ungenutzten Chancen lie-gen. Im sogenannten Zeitwettbewerb von „4K“ geht es um Kostensenkung durch Pro-zeßverbesserung, also um mehr Köpfchen, nicht nur um schnelleres Arbeitstempo. AlsBeiträge zur Verbesserung der unternehmerischen Situation wurden definiert: Ver-kürzung der Durchlaufzeiten um 50 Prozent, Kostensenkung um 25 Prozent, Reduzie-rung der Mittelbindung um 20 Prozent und eine Umsatzsteigerung um 10 Prozent.Die dafür notwendige Kreativität und das Fachwissen gebe es im Konzern reichlich,sagt der Vorstandsvorsitzende, nur müsse das Vorhandene auch besser genutzt wer-den: „Überlegen durch überlegen“, dieses Motto wurde dafür konzernweit ausgerufen.

Der Krupp-Konzern ist ein Investitionsgüter- und Stahlunternehmen mit Aktivitä-ten im Maschinen- und Anlagenbau, Systemen und Komponenten für den Automo-bilbau sowie Werkstoffen, Handel und Logisik. Im Edelstahl-Sektor ist der KonzernWeltmarktführer. Der Konzernumsatz liegt bei 21 Milliarden D-Mark, wetweit wer-den 70.000 Mitarbeiter beschäftigt. Zur jüngeren Entwicklung: Im Dezember 1992wurde eine spektakuläre Fusion ins Handelsregister eingetragen, die die bis dato selb-ständigen Konzerne Krupp und Hösch zur heutigen Fried. Krupp AG Hösch-Kruppmit Sitz in Essen verschmolz. Zur Jahresmitte 1994 schaffte der Konzern die Ertrags-wende, der Turnaround ist seither geschafft.

Lernende Organisation bei VEBA Öl

„Renovierungsbedürftig“ und „zu statisch“, so beschreibt VEBA-Vorstand ManfredKrüper die Kultur des Unternehmens 1992. Das war vor Beginn seines Projekts „Ler-nende Organisation“, intern „LeO“ genannt. Krüper, damals Personalvorstand bei derÖltocher, krempelte das Unternehmen mit LeO um. Seine Ziele: Kundenorientierung,Fokussierung auf die langfristige Strategie, Verbesserung der internen Zusa-menar-beit. Als roten Faden durch den Veränderungsprozeß legte Krüper eine Serie von Work-shops. Zuerst wurde damit der Schulterschluß der Führenden erreicht, später wurdedas Projekt so zu allen Mitarbeitern kommuniziert und deren Vorschläge für den wei-teren Fortgang eingeworben. VEBA Öl übte sich in Teamarbeit, und Arbeiter und klei-ne Angestellte lernten, mit den Top-Managern offen zu diskutieren.

Zum Vorteil des Unternehmens: Die Belegschaft war neu motiviert, die Wirtschafts-ergebnisse konnten trotz harter Konkurrenz stabilisiert werden, und die Stimmungsank auch nach Personalfreisetzungen nicht in den Keller. Ein gutes Ergebnis.

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IV. Einige Aspekte zur kritischen Würdigung des Themas

Dem Konzept der Lernenden Organisation fehlt es an Trennschärfe, das zeigen auchdie Unternehmensbeispiele. Der gemeinsame Kern ist nur das Wort „Lernen“, darüberhinaus unterscheidet sich jeder Ansatz vom anderen, oder es werden allgemeine An-sätze wie Workshoparbeit oder Weiterbildung oder Teamorientierung umadressiert.Diese allgemeinen Ansätze aber, auch wenn sie unter dieser Überschrift stehen, sindkein Spezifikum der „Lernenden Organisation“. Sie passen auch unter jedes andereManagement-Konzept, würden sich also genauso gut machen unter der Überschrift„Lean Management“, „Unternehmenskultur“ oder „Reengineering“. Insofern ist „Ler-nende Organisation“ nicht wirklich neu, sondern verwendet schon auf dem Marktbefindliche Komposita unter einer neuen Überschrift.

Der Mangel an konzeptionell Neuem ist auch ablesbar an den Mißerfolgen, deneinige Konferenzveranstalter mit dem Thema hatten – die ausgelobten Veranstaltun-gen zum Thama „Lernende Organisation“ erweckten kein nennenswertes Teilnehmer-interesse. Es scheint der dringende Anlaß zu fehlen, daß die Management-Communi-ty wirklich etwas über dieses Konzept wissen muß.

Eine Pleite erlebte der Düsseldorfer Konferenzveranstalter Euroforum mit seinemEintagesseminar, Titel „Lernende Organisation“. Es mußte abgesagt werden. Promi-nente Referenten wie der Präsident des Motorradherstellers Harley Davidson warenextra für den Anlaß angeheuert worden, aber die eingeladenen Manager ließ das kalt.Buchungen für das Seminar blieben aus. Solche Flops sind keine Einzelfälle. Das re-nommierte Zentrum für Unternehmensführung in Zürich (ZfU) hat das Seminar „Ler-nende Organisation“ ganz aus seinem Angebot gestrichen. „Die Leute konnten sichnichts darunter vorstellen“, begründet eine Sprecherin des ZfU die Schwierigkeiten,das Thema auf den Punkt zu bringen.

Die Suche nach der Substanz geht also ins Leere. Manager und Unternehmer, dieim Standardbuch zur Lernenden Organisation mit dem Titel „The fifth Discipline“nach Ratschlägen forschen, finden wenig Konkretes: Mit einer Mischung aus Soziolo-gie, Psychologie und Managementlehre soll dem Leser nahegebracht werden, wie mitHilfe von Erkenntnissen aus der Systemtheorie Lernimpulse im Unternehmen auszu-lösen sind. Aber praxisnah ist das 560-Seiten-Buch von Pete Senge nicht. „Er vermischtzu viele Konzepte miteinander. Griffige Aussagen sind nicht erkennbar“, beschreibtder Mannheimer Betriebswirtschaftler Alfred Kieser seine Einwände. Wenn dann dochmal Ratschläge vom Lernende-Organisation-Guru und Buchautor Peter Senge kom-men, gehen sie nicht über das Niveau von Allgemeinplätzen hinaus. Kostprobe: „Zuden Grundsätzen des Lernens gehört, daß den Menschen wirklich wichtig ist, was sietun“, rät Senge, Leiter des Center for Organizational Learning am Massachusetts Insti-tute of Technology (MIT). Weitere Einsichten: „Es erfordert ständige Selbstprüfung,wenn man eine Sache gut machen will“ und „Für mich ist es eine der Hauptregeln desLernens, daß es im realen Kontext erfolgen muß“.

Wie wahr. „Nette Gedanken, die keineswegs falsch sind“, witzelt Professor Kieser.„Aber Lebensratschläge für einen Manager, der einen Berg von Problemen abtragenmuß, liefert Senge nicht“, lautet seine Kritik. So wird denn das Thema Lernende Orga-nisation auch keine Chance haben, an die Erfolge anderer Managementlehren wie Reen-

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gineering oder Lean-Management anzuknüpfen. Dafür fehlen in Senges Konzept einpaar Dinge: Er bietet keine nachmachbaren Erfolgsgeschichten wie sein Kollege TomPeters. Es fehlt an überzeugenden Beispielen, und Senge kann niemandem im Unter-nehmerlager vorzeigen, der seine Methode erfolgreich personifiziert.

Konzept mit wenig konkreter Hilfestellung

Warum gibt es nicht mehr Anwender, wo neue Management-Konzepte doch fastimmer regen Zulauf finden? „Wir stecken noch in den Kinderschuhen. Die Arbeit mitden Unternehmen in Deutschland geht jetzt erst los“, verteidigt Senge sein Ideenge-bäude. Aber der Verkünder der Lernenden Organisation könnte schon weiter sein:Seine Disziplinen-Lehre ist jetzt im siebten Jahr auf dem Markt – genug Zeit für einneues Konzept, sich durchzusetzen.

Senges Buch zählt, gemessen an den weltweiten Verkäufen, nicht zu den Top-Sel-lern unter den Managementbüchern. Die Welt-Auflage seines ersten Buches kam gera-de mal auf 500.000 Stück, fünf Jahre nach Erscheinen. Kein großer Erfolg im Vergleichzu anderen Management-Lehren.

Daran wird auch Senges neues Buch nichts ändern. Das Motto des Werks, so Senge:„Allen Fans der Lernenden Organisation soll es Anwort auf die Frage geben: ‘Mit wel-chen Ideen sollen wir nächsten Montag anfangen?’“. Aber wer nach den Ideen sucht,muß sich in der deutschen Ausgabe erst mal durch 659 Seiten Text arbeiten. Die Auto-ren fangen ihr Thema umständlich bei Adam und Eva an und kommen selten auf denPunkt. Leseprobe: „Woher weiß man, in welcher Reihenfolge man vorgehen soll? Esgibt kein einfaches Rezept dafür, weil jeder Mensch andere Bedürfnisse hat.“ Max Otte,Senior Consultant bei Arthur D. Little, war mit Senges Ideen nicht recht zufrieden.„Lektüre für Mittelmanager mit viel Zeit“, kritisiert er die ausschweifende Art. KonradReiss, Chairman der Gemini Unternehmensberatung, hat das Buch durchgeblättertund sagt „Strandlektüre“ zu dem Wälzer. Als Manager-Unterhaltung nach Feierabendscheint das Buch geeignet, aber nicht als Problemlösungswerkzeug auf dem Schreib-tisch von Chefs und Top-Managern.

Wunsch nach schnell umsetzbaren Methoden

Das Thema „Lernende Organisation“ wird in den Unternehmen noch eine Weileweiterkochen, und damit auch Berater und Trainer weiter beschäftigen. Einen nach-haltigen Einfluß auf eine generelle Verbesserung der Ergebnisse der Unternehmens-führung wird es freilich nicht haben. Langsam werden sich die Unternehmen deshalbwieder von der „Lernenden Organisation“ abwenden, um weiter nach neuen Konzep-ten Ausschau zu halten. Gefragt sind heute Ansätze, die sich nachhaltig zum Ziel ge-setzt haben, die Profitabilität der Unternehmen zu verbessern, die Arbeitsweise derschlanken Organisation zu erleichtern und den Unternehmen Methoden an die Handzu geben, wie sie sich noch besser der Herausforderung der Globalisierung stellen kön-nen. Hier besteht immer noch der Wunsch nach einfachen, überschaubaren und schnellzielführenden Methoden – das sind alles Eigenschaften, die das Konzept „Lernende

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Organisation“ nicht zu erfüllen vermag.In der allgemeinen Tendenz zur Rückschau in der Zeit unmittelbar vor der Jahr-

tausendwende wird es eine Renaissance einfacher, schlichter Gedanken geben. DieserTrend wird auch die Unternehmensführung noch stärker erfassen. Es wird eine Rück-besinnung auf die einfachen Werte geben: Klare Zielvorgaben, gute Produkte undDienstleistungen, ehrliche und nicht marketingmäßig übersteigerte Verkaufsaktivitä-ten, ordentliche Rechnungslegung und solide Finanzierung sind Werte solider underfolgreicher Unternehmensführung. Im Zuge dieser Rückorientierung werden Ge-danken von Erich Gutenberg, Eugen Schmalenbach und Konrad Mellerowicz eine Wie-derbelebung erfahren.

Weiterführende Literatur:

Peter M. Senge, Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation.7.Aufl. 1999 bei Klett-Cotta (562 Seiten, 35,00 EUR).