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Die Vorlesung beschränkt sich auf Teilfunktionen des ... · zesse (KVP), Quality Function Deployment (QFD) oder Fehlermöglichkeits- und Einfluss- analyse (FMEA), können und sollten

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Im zweiten Teil der Veranstaltungsreihe Qualitäts- und Projektmanagement werden

grundlegende Konzepte, Modelle, Methoden und Techniken des Projektmanage-

ments sowie projektbezogene Aspekte der Personalführung und des

Personaleinsatzes am Beispiel von Gruppen- und Teamarbeit behandelt. Dabei wird

auf den im ersten Teil der Veranstaltungsreihe vermittelten Grundlagen des

Qualitätsmanagements aufgebaut und dargestellt, welche Querbeziehungen

bestehen. So können disziplinübergreifende Zusammenhänge im Unternehmen

erkannt werden, und es kann auf Grund ganzheitlicher Betrachtungen von Leistung,

Terminen und Kosten entschieden und gehandelt werden.

Ein Beispiel für eine solche disziplinübergreifende Zusammenarbeit ist die Produkt-

entwicklung, in der bspw. Marktforscher, Konstrukteure und Fertigungstechniker

Anforderungen an eine neue Maschine definieren, Konzepte im Team gemeinsam

entwickelt und im Rahmen der Entwicklung für die Serie umgesetzt werden. Folglich

ist die Arbeit im Projekt eine zentrale Arbeitsform in der Produktentwicklung.

Die Vorlesung beschränkt sich auf Teilfunktionen des Projektmanagements, die für

die Studierenden im Hinblick auf ihre spätere berufliche Tätigkeit – z.B. die Leitung

von Projekten oder die Mitarbeit in Projektteams – eine besondere Relevanz besitzen.

Ausführliche Darstellungen des Projektmanagements finden sich z.B. in Burghardt

(2008), Corsten & Corsten (2000), Litke (2004), Schelle et al. (2008) oder GPM

(2012).

Zu dieser Veranstaltungsreihe wurde ein Lernraum im Lehr- und Lernportal L²P der

RWTH Aachen University eingerichtet. Zugang zu diesem Lernraum haben alle

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltungsreihe – eine entsprechende

Registrierung vorausgesetzt. Alle Vorlesungs- und Übungsunterlagen stehen

spätestens eine Woche vor dem jeweiligen Veranstaltungstermin zum Download zur

Verfügung. Im Anschluss an die Übungen werden auch die zugehörigen

Musterlösungen im L²P eingestellt, zudem findet immer im Anschluss an die Übung

von 16:00 – 17:00 Uhr eine Sprechstunde am IAW, Bergdriesch 27, 52062 Aachen

statt.

Die Teilnahme an dieser Lehrveranstaltung und der zugehörigen Prüfung erfordert

eine Anmeldung über CAMPUS. Bei Fragen bezüglich der Klausuranmeldung

wenden Sie sich bitte an das Zentrale Prüfungsamt (ZPA). Scheinklausuren werden

nicht angeboten.

In den aktuellen Vorlesungsunterlagen ist es dem Herausgeber (noch) nicht

gelungen, die Geschlechtsneutralität des Textes durchgängig zu gewährleisten. In

zukünftigen Revisionen soll dieser Aufgabe besondere Aufmerksamkeit gewidmet

werden. Es muss deshalb bei dem Hinweis bleiben, dass Begriffe, die in der rein

maskulinen Form verwendet werden (z.B. „Projektleiter“) die weibliche Form

einschließen. Dies gilt zumindest für Textpassagen, die nicht auf fremde

Publikationen referenzieren.

Zusätzlich zu den Präsenzveranstaltungen bietet das Institut für Arbeitswissenschaft

den Studierenden weitere Möglichkeiten zur Wiederholung und Anwendung der

Lehrinhalte.

Zum einen wurden E-Tests für den L²P-Lernraum erstellt, wie es die Studierenden

aus anderen Lehrveranstaltungen und aus dem ersten Teil dieser Lehrveranstaltung

kennen. Jeder Test zur jeweiligen Lehrveranstaltung besteht aus 10 Zufallsfragen und

kann beliebig oft wiederholt werden. Die Teilnahme an den E-Tests erfolgt freiwillig.

Es können keine Bonuspunkte für die Klausur erlangt werden.

In der von Studierenden entwickelten App für den L²P-Lernraum können die

Studierenden ihre Fragen und Antworten an die Stelle im Skript posten, an der diese

Thematik behandelt wird. Diese App dient der Diskussion der Themen unter den

Studierenden. Das Institut für Arbeitswissenschaft wird rechtzeitig vor der Klausur die

wesentlichsten Fragen aufgreifen und als FAQ im Lernraum beantworten. Diese App

wird im Rahmen der Übung zu dieser Lehreinheit näher vorgestellt.

Abschließend wird den Studierenden im Anschluss an diese Lehrveranstaltung ein

Fallbeispiel zur Verfügung gestellt. In diesem Fallbeispiel haben sie die Möglichkeit

die in dieser Vorlesungsreihe vorgestellten Methoden an einem realitätsnahen

Beispiel anzuwenden und zu wiederholen. Das Fallbeispiel behandelt die Auswahl,

Planung und Steuerung eines Entwicklungsprojektes im Bereich der

Fräsmaschinenentwicklung. Die Ergebnisse werden im Rahmen der Lehreinheit 14

(Übung zur Klausurvorbereitung) vorgestellt und anschließend online zur Verfügung

gestellt.

Der Management-Begriff wird i.A. in verschiedenen Bedeutungsvarianten verwendet. So werden z.B. im funktionalen Sinn unter dem Begriff „Management“ die Funktionen und Aktivitäten verstanden, die in Unternehmen zur Koordination und Steuerung von arbeitsteiligen Leistungsprozessen notwendig sind, wie Planung, Organisation, Führung und Kontrolle. Im institutionalen Sinn hingegen bezeichnet der Begriff „Management“ die Personen/ Personen-gruppen, die innerhalb einer Organisation Managementaufgaben wahrnehmen und i.d.R. mit Weisungsbefugnissen ausgestattet sind (Staehle 1999; Steinmann & Schreyögg 2005). In der Vorlesungsreihe wird der Begriff vorrangig im funktionalen Sinn verwendet. Die vorangestellten Begriffe „Qualität“ und „Projekt“ benennen den jeweils fokussierten Bereich.

Zwischen Qualitäts- und Projektmanagement gibt es vielfältige Überschneidungen hinsichtlich der Methoden und Aufgaben. Eine eindeutige Abgrenzung ist deshalb schwierig. Generell kann jedoch festgehalten werden, dass Qualitätsmanagement, kurz QM, organisierte Maßnahmen beinhaltet, die der Verbesserung von Produkten, Prozessen oder Leistungen jeglicher Art im Unternehmen dienen. So betrachten QM-Systeme typischerweise alle Unternehmensprozesse und haben daher eine „Klammerfunktion“ über die Wertschöpfungskette (Hab & Wagner 2010). Das Projektmanagement, kurz PM, ist hingegen auf zeitlich, finanziell und personell klar umrissene Vorhaben mit spezifischen Zielvorgaben beschränkt, die im Wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet sind (siehe Folie 8-9 ff). Daher muss das Projektmanagement die Leitbilder, Leitlinien und Regelwerke des Qualitätsmanagement stets berücksichtigen. In vielen Industrieunternehmen wird das Projektmanagement als eigener Prozess mit spezifischen Verfahrensanweisungen im QM-System geführt.

Um in beiden Bereichen erfolgreich zu agieren, sind die Aktivitäten aufeinander abzustimmen. So werden Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung häufig in Projektform organisiert („Six Sigma“). Und auch in Projekten ist ein zielgerichtetes Qualitätsmanagement erforderlich, um den Erfolg zu sichern. QM-Methoden, wie beispielsweise kontinuierliche Verbesserungspro-zesse (KVP), Quality Function Deployment (QFD) oder Fehlermöglichkeits- und Einfluss-analyse (FMEA), können und sollten daher im Projektmanagement verwendet werden. Die Abstimmung erfordert einen Austausch über die jeweiligen Gestaltungsziele und möglich-keiten sowie eine Berücksichtigung gegenseitiger Anforderungen. Dabei entstehen mitunter neue Methoden und Werkzeuge, wie beispielsweise die sogenannten Quality Gates (QG).

Quality Gates werden u.a. im sogenannten Produktentstehungsprozess (PEP) in der

Automobil- und Luft-/Raumfahrtindustrie eingesetzt. Sie unterteilen den PEP in

Phasen, an deren Ende der Projektfortschritt und der Reifegrad festgestellt werden

(siehe Beispiel zur Produktentstehung bei Türsystemen auf Folie 8-28 f.). Hierzu ist

jeweils eine Definition von Zielforderungen und Messgrößen erforderlich, die die

Anforderungen an das Durchschreiten eines Quality Gates beschreiben (Hab &

Wagner 2010). Die Darstellung des Projektstatus – oftmals mit Hilfe eines

Ampelsystems nach DIN EN 614 – ermöglicht es der Projektleitung, eventuellen

Handlungsbedarf frühzeitig zu erkennen und beispielsweise über den Einsatz

zusätzlichen Personals oder zusätzlicher Sach- und Finanzmittel zu entscheiden.

Wird deutlich, dass das Projekt zu scheitern droht, kann im Extremfall auch über

einen Abbruch entschieden werden, um die Entstehung weiterer Verluste (sog. sunk

costs) zu vermeiden.

Definitionen für Begrifflichkeiten des Projektmanagements sind in der DIN 69901-

5:2009 – ein Projektmanagement-Standard, herausgegeben vom Deutschen Institut für

Normung – zu finden. Neben den oben rechts dargestellten Eigenschaften ist ein Projekt

durch eine kooperative Bearbeitung von mindestens einem Projektteam gekennzeichnet,

das oft aus Experten unterschiedlicher Fachgebiete und Unternehmensbereiche

zusammengesetzt ist sowie eine Projektleitung, die für die Führung der weiteren

Teammitglieder sowie die Koordination der Arbeitsprozesse verantwortlich ist. Aufgrund

der Einmaligkeit der Bedingungen erfordern Projekte spezifische Organisationsformen,

die oft nur temporär die Stammorganisation des Unternehmens (Entwicklung, Produktion,

Vertrieb etc.) ergänzen oder überlagern (siehe LE 9). Im Unterschied zu Routineaufgaben

(z.B. Produktion von Normteilen) sind Projektaufgaben durch einen hohen Anteil an

kreativen Tätigkeiten gekennzeichnet, die wesentlich schwieriger planbar sind. Häufig

überschreiten Projekte in ihrem Umfang die Grenzen von Abteilungen, haben eine

wirtschaftlich besondere Bedeutung und sind mit besonderen Unsicherheiten und Risiken

versehen. Sie erfordern die flexible Einbindung und Mitwirkung verschiedener

Spezialisten und die koordinierte Nutzung von Engpass-Ressourcen, wie z.B. Mess-,

Prüf- und Transportsysteme. Eine wichtige Ergänzung zur Definition nach DIN 69901-

5:2009 ist die Notwendigkeit einer arbeitsteiligen Durchführung von Projekten. Grund-

sätzlich wird zwischen der Arten- und der Mengenteilung unterschieden. Dabei differen-

ziert die Artenteilung die jeweiligen Verrichtungen in einem Projekt und weist sie

unterschiedlichen Personen zu (bspw. Person A definiert Anforderungen an Zukaufteile

und Person B holt entsprechende Angebote ein). Im Gegensatz dazu werden bei der

Mengenteilung die Objekte als Grundlage der Arbeitsteilung verwendet (bspw. Person A

definiert Anforderungen für Gusshalbzeuge und holt Angebote dazu ein, während Person

B Anforderungen für Blechhalbzeuge definiert und Angebote dazu einholt). Eine artteilige

Durchführung von Projekten bietet gewisse Vorteile. So können z.B. Lernkurveneffekte

ausgenutzt werden und es bieten sich Spezialisierungsmöglichkeiten.

Das Projektmanagement umfasst die Organisation und Koordination eines komplexen

arbeitsteiligen Problemlösungsprozesses mit dem Ziel, die mit dem internen oder externen

Auftraggeber vereinbarten Projektziele im Rahmen von zeitlichen, finanziellen, personellen und

technischen Randbedingungen zu erreichen (Litke 2004). Wesentliche Teilfunktionen sind die

Analyse, Strukturierung und Zuordnung von Aufgaben sowie die Delegation von

Durchführungsverantwortung an die am Projekt beteiligten Personen oder Gruppen, deren

organisatorische Integration in die Stammorganisation, die Organisation von

Entscheidungsprozessen und die Durchsetzung von Entscheidungen (nach Daenzer 1982 in

Litke 2004). Im Projektmanagement kommen unterschiedliche Koordinationsmechanismen,

wie z.B. Pläne (siehe Folien 8-20 und 8-21), zur Anwendung. Mit Hilfe von geeigneten

Führungstechniken und -mitteln (siehe spätere Lehreinheiten) gilt es, die aus der Neuartigkeit,

Komplexität und Einmaligkeit der Projektaufgabe resultierenden Unsicherheiten und Risiken zu

minimieren und den Prozess der Durchführung kontinuierlich im Hinblick auf eine bestmögliche

Zielerreichung zu optimieren.

In der einschlägigen Literatur finden sich weitere Ansätze zur Definition und Abgrenzung des

Projektmanagements, die unterschiedliche Aspekte hervorheben. So bezeichnet beispiels-

weise Rinza (1985 nach Litke 2004) das Projektmanagement als ein Leitungs- und

Organisationskonzept, mit dem versucht wird, die vielen, sich teilweise gegenseitig beein-

flussenden „Projektelemente“ sowie das Projektgeschehen nicht dem Zufall oder der

„Genialität“ einzelner Personen zu überlassen, sondern sie gezielt zu führen und stringent auf

das geplante Projektergebnis auszurichten.

*Anmerkung: Die aus dem Glossar der DIN 69901-5:2009 zitierte Definition weist eine

begriffliche Inkonsistenz auf. Mit Blick auf die in der DIN definierten Projektmanage-

mentphasen müsste an dieser Stelle der Begriff „Initialisierung“ statt „Initiierung“ verwendet

werden.

**Anmerkung: Mit dem Begriff der „Steuerung“ nach DIN 69901-5:2009 ist auch die Feedback-

Koordination (siehe Folie 8-20) im Sinne der Überwachung von Leistungserbringung,

erzeugten Kosten und vereinbarten Terminen gemeint.

Bei der Definition und Formulierung von Projektzielen sind drei Dimensionen zu unterscheiden:

1. Leistung: Verbindlich vereinbartes Ergebnis aus Produkt-Sicht, das sog. Lieferobjekt, sowie aus Prozess-Sicht, wie z.B. einzusetzende Fertigungsverfahren.

2. Termine: Vereinbarte Zeitpunkte im Projektgeschehen, zu denen Zwischen- oder Endergebnisse vorliegen müssen.

3. Kosten: Verbindlich vereinbarter monetärer Aufwand für die Arbeit im Projekt in Form eines Projektbudgets.

Die drei Dimensionen werden auf den nachfolgenden Folien im Detail erläutert und mit Beispielen hinterlegt. Neben diesen „harten“ Größen geraten in neuerer Zeit verstärkt „weiche“ Faktoren in den Fokus des Projektmanagements, wie z.B. die Zufriedenheit der in das Projekt eingebundenen Personen und Anspruchsgruppen (sog. Stakeholder) sowie die zu vertretenden Zeit- und Kostenrisiken.

Bei der Formulierung von Projektzielen sollten die sogenannten SMART-Kriterien berücksichtigt werden. Demnach soll ein Projektziel spezifisch sein, d.h. bereits zu Projektbeginn präzise beschrieben werden. Dies ist insbesondere auch bei einem rein qualitativ, sprachlich formulierten Ziel von Bedeutung, das nach Möglichkeit eindeutig dokumentiert werden sollte. Ein weiterer wesentlicher Aspekt bei der Definition eines Projektziels ist die Messbarkeit, d.h. Ziele sind möglichst so zu beschreiben, dass im Projektverlauf und nach Abschluss des Projektes der Zielerreichungsgrad geprüft werden kann (Schelle et al. 2008, siehe Folie 8-16). Dabei sollte darauf geachtet werden, dass diese Ziele von allen beteiligten Akteuren akzeptiert werden. Dies beinhaltet, dass die verantwortlichen Personen im Unternehmen feste Absichten haben müssen, die formulierten Ziele tatsächlich zu erreichen. Weiterhin sind Ziele ehrgeizig zu setzen, um die Motivation und das Engagement der Beteiligten zu fördern. Das Projektmanagement sollte jedoch während der Laufzeit insbesondere bei unvorhersehbaren Störungen wie Lieferengpässe bei einen realistischen Anspruch im Hinblick auf ihre Erreichung vertreten. Schließlich sollen Projektziele terminiert sein, d.h. das Erreichen der Projektziele soll innerhalb einer definierten Projektlaufzeit erreicht werden.

Dabei ist der angestrebte Zustand bei Projektzielerreichung stets höher wertig als der aktuelle IST-Zustand. Darüber hinaus ist eine Zielformulierung möglichst lösungsneutral zu wählen, so dass durch die Formulierung keine wesentlichen Einschränkungen hinsichtlich des Lösungsweges gemacht werden.

Ein übergeordneter Aspekt bei der Definition von Projektzielen ist deren Konsistenz. Es sollten also nicht bereits bei der Zieldefinition Widersprüche zwischen einzelnen Projektzielen auftreten. Dies ist in der Praxis mitunter schwierig, da inhärente Abhängigkeiten zwischen Leistung, Terminen und Kosten existieren (siehe Folien 8-12 ff).

Alle Tätigkeiten des Projektmanagements sind auf die Erreichung der Projektziele gerichtet.

Diese gilt es vor Projektbeginn in Abstimmung mit dem Auftraggeber möglichst gut messbar,

eindeutig, lösungsneutral und konsistent (siehe Folie 8-11) zu definieren. Im Vordergrund steht

zunächst die Definition der zu erbringenden Leistung hinsichtlich Inhalt und Umfang.

Eine Klassifizierung dieser „Leistungsziele“ kann aus Produkt-Sicht anhand unterschiedlicher

Kriterien erfolgen. Eine in der Literatur weit verbreitete Differenzierung technischer

Leistungsziele wurde vom Verteidigungsministerium der USA entwickelt. Sie umfasst vier

Klassen und eignet sich gut für Forschungs-, Entwicklungs- und Investitionsprojekte (Schelle

2008; siehe auch Folien 8-22ff). Unterschieden werden Auslegungs- bzw. Konstruktionsziele

(z.B. Gewicht, Abmessungen), physikalische Leistungs- bzw. Wirkungsziele (z.B. Reichweite,

Höchstgeschwindigkeit), Betriebsziele (z.B. Betriebssicherheit) sowie Produktivitätsziele (z.B.

Kosten pro Leistungseinheit).

Die Folie zeigt eine alternative Differenzierung von Zielen aus Produkt-Sicht im Maschinenbau

in Anlehnung an die Struktur einer Hauptmerkmalliste nach Pahl et al. (2007). Eine

Hauptmerkmalliste wird in der Konstruktionslehre verwendet und umfasst konkrete Punkte, an

denen die Ausgestaltung der Anforderungen strukturiert zwischen Auftragnehmer und

Auftraggeber erfolgen kann. Neben denen auf der Folie dargestellten Zielkategorien sind in

diesem Zusammenhang auch weitere Kategorien aus Prozess-Sicht, wie eingesetzte

Fertigungs-, Transport-, Zustandshaltungs- und Recyclingverfahren möglich (vgl. Folie 9-33

[aus LE 9]). Auf Grund der Einmaligkeit von Projekten müssen Zielkategorien bzw.

Unterpunkte einzelner Kategorien fallspezifisch erarbeitet bzw. erweitert, modifiziert und

spezifiziert werden.

Die Leistungsziele aus Produkt- und Prozess-Sicht werden ergänzt um Zeitziele (z.B.

Projektstarttermin/endtermin, Meilensteintermine oder Berichtstermine) und Kostenziele (z.B.

Budgets für Personal-, Sachkosten oder externe Dienstleistungen). Die drei Dimensionen

„Leistung“, „Termine“ und „Kosten“ spannen das sogenannte „magische Dreieck“ des

Projektmanagements auf (siehe auch Folien 8-13 ff).

Die mehrdimensionale Zieldefinition muss mit besonderer Sorgfalt vorgenommen werden:

Zum einen bilden die vereinbarten Ziele die Grundlage für alle weiteren Planungs- und

Steuerungsaktivitäten (z.B. Projektstrukturierung und Ablaufplanung), zum anderen wird

der Erfolg von Projekten typischerweise an diesen Zielen gemessen. Entsprechend sind

die zugrundeliegenden Prognosen über die Bearbeitungsdauer von Arbeitspaketen und

den damit verbundenen Kosten zur Erreichung der Ziele von großer Bedeutung. Dabei

erschweren vor allem zwei Aspekte den Prozess der Zieldefinition – und damit auch alle

weiteren Aktivitäten bis hin zur Erfolgsmessung:

1) Projekte sind mit Unsicherheiten behaftet und mit besonderen Risiken verbunden. So

kann bspw. in einem Projekt zur Entwicklung eines innovativen Fahrzeugkonzepts die

Leistung ganz bewusst nur unscharf und vollkommen lösungsneutral spezifiziert worden

sein, um möglichst kreative Entwürfe zu erhalten. Diese Unsicherheit wirkt sich

zwangsläufig auch auf die Güte der Termin- und Kostenprognosen aus. Weitere

Faktoren, aus denen Unsicherheiten und Risiken resultieren können, sind z.B. die

Komplexität der Aufgabenstellung, eine große Anzahl von Projektpartnern, ggf. neue oder

noch zu bestimmende Partner (Lieferanten etc.), neue oder noch unausgereifte

Technologien sowie Ressourcenknappheit. Diese Aspekte können u.U. dazu führen, dass

im Verlauf des Projektes eine Anpassung der Zielsetzung vorgenommen werden muss

(siehe Folie 8-17).

2) Es können sog. Zielkonflikte auftreten, z.B. zwischen den Projektpartnern: So wird ein

externer Auftraggeber i.d.R. versuchen, eine möglichst hochwertige Leistung in möglichst

kurzer Zeit, zu möglichst niedrigem Preis zu erhalten. Weitere Zielkonflikte resultieren aus

den inhärenten Abhängigkeiten zwischen den drei Zieldimensionen Leistung, Termine

und Kosten (siehe Folien 8-14 und 8-15).

Die tatsächliche Projektdauer ist u.a. von Leistungsinhalt und -umfang, Aufgabenkom-

plexität sowie Ressourcenverfügbarkeit abhängig, während die tatsächlichen Kosten v.a.

durch den Einsatz von Personal und Ressourcen, wie Produktionsmaschinen, bestimmt

werden.

Das magische Dreieck repräsentiert das mehrdimensionale Zielsystem und verdeutlicht

grundsätzliche Zusammenhänge. Für den verantwortlichen Projektleiter bedeutet es: Durch

den begrenzten Einsatz von Mitarbeitern/innen und Ressourcen (Maschinen, Werkzeuge, Geld

etc.) soll eine bestimmte Leistung, die nach Inhalt und Umfang aus Produkt- und Prozess-Sicht

genau vereinbart wurde bis zu einem bestimmten Termin erbracht werden. Die Zielgrößen

spannen somit den Handlungsspielraum für das Projektmanagement auf. Jedoch sind die

Zielgrößen i.d.R. nicht unabhängig voneinander, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Dies

wird an Variablen wie Grundauslastung und Fertigstellungsgrad deutlich. So begünstigt z.B.

das Vorhalten großer freier Personalkapazitäten für die Projektdurchführung und im

Umkehrschluss damit eine geringe Grundauslastung der Personen im Projekt durch das

parallel zu bearbeitende Tagesgeschäft im Unternehmen die Einhaltung von Terminzielen,

führt aber zugleich zu steigenden Kosten. Bleibt der Fertigstellungsgrad des Lieferobjekts

hinter den Planwerten zurück, so fallen zwar i.d.R. auch geringere Kosten an, der Auftraggeber

wird jedoch enttäuscht und es drohen der Projektabbruch bzw. empfindliche Vertragsstrafen.

Der Projektleiter steht also ständig vor einem Optimierungsproblem mit multiplen Zielen. Eine

Priorisierung bedeutet eine deutliche Vereinfachung des Problems: Einerseits kann ein

Höchstmaß an Leistungserfüllung angestrebt werden und erst nachgeordnet betrachtet

werden, in welcher Höhe Kosten anfallen und wie lange das Vorhaben dauert. Andererseits

kann eine möglichst geringe Dauer angestrebt werden, ohne dass eine enge Begrenzung des

Budgets vorgegeben ist. Schließlich können auch geringstmögliche Kosten gefordert werden,

auch wenn Abstriche in der Leistung gemacht werden müssen. Neben den bisher genannten,

klassischen Zielen sind weitere Zielsetzungen sinnvoll, wie z.B. die Zufriedenheit der in das

Projekt eingebundenen Anspruchsgruppen. Dies können sein: Auftraggeber/Initiator des

Projekts, Projektteam, Nutzer der Projektergebnisse, Verbände, Öffentlichkeit etc. Ansätze zur

Erfolgsmessung, die auf dem EFQM-Modell beruhen (LE 4), beziehen Zufriedenheitsgrößen

mit ein und sehen außerdem eine Priorisierung der Zieldimensionen durch Zuordnung von

Gewichtungsfaktoren vor. Hierbei stellt sich allerdings die Frage der Messbarkeit von

Zufriedenheit und ihrer Determinanten.

Wie bereits erläutert, sind die Zielgrößen für das Projektmanagement i.d.R. nicht

unabhängig voneinander. Im ungünstigsten Fall können Zielkonflikte auftreten. Ein

Zielkonflikt liegt vor, wenn die Erreichung eines gewählten Zieles die Erreichung

eines anderen beeinträchtigt. So wird beispielsweise das Einhalten der geplanten

Dauer eines Projekts wesentlich erschwert, wenn die Auslastung der Kapazitäten des

Personals und der Maschinen durch das Tagesgeschäft über dasjenige Maß erhöht

wird, das der ursprünglichen Projektplanung zugrunde lag. Umgekehrt begünstigt das

Vorhalten von zusätzlichen Kapazitäten für die Projektdurchführung einen schnellen

Projektabschluss. Eine minimale Dauer kann nur erreicht werden, wenn die

Grundauslastung bei Null liegt und sämtliche Mitarbeiter/innen und Ressourcen

ausschließlich für die Bearbeitung des Projekts zur Verfügung stehen (eine

einwandfreie Planung und Koordination vorausgesetzt). Das Vorhalten großer

Kapazitäten für den Bedarfsfall ist jedoch aus wirtschaftlicher Sicht eine bedenkliche

Maßnahme, da die Kosten für den regulären Geschäftsbetrieb steigen und damit die

Wettbewerbsfähigkeit vermindern.

Wie man in der Darstellung erkennen kann, kommt es bei steigender Grund-

auslastung ρ zu deutlichen Verzögerungen in der Projektbearbeitung, wodurch sich

die erwartete Dauer E(T) eines einzulastenden Projekts typischerweise überpro-

portional erhöht (siehe Kurve links). Dies ist vor allem bei „Betriebspunkten“ mit hoher

Grundauslastung kritisch. In diesem Fall können bereits kleine weitere Steigerungen

der Grundauslastung die Dauer wesentlich verlängern. Durch eine Erweiterung der

Kapazität K für die Projektbearbeitung im Unternehmen kann zwar die zu erwartende

Dauer reduziert werden, der fundamentale Zielkonflikt bleibt jedoch bestehen (siehe

Kurvenschar rechts).

Die bereits angesprochenen Unsicherheiten und Risiken bei der Anbahnung und

Durchführung von Projekten sowie die begrenzten Ressourcen führen ohne weitere

Gliederungshilfen oft zum Nicht-Erreichen der angestrebten Leistungsziele, zur Nicht-

Einhaltung der vereinbarten Dauer oder zur Überschreitung des Projektbudgets. Die

Gliederung von Projekten in Phasen stellt einen pragmatischen Ansatz zur

Ablaufstrukturierung und Verhinderung der Fehlerfortpflanzung dar. Sowohl für das

Projektmanagement als auch für die konkrete Projektdurchführung wurden in den

letzten Jahrzehnten zahlreiche Modelle entwickelt. Diese Phasenmodelle, die sowohl

als Orientierungshilfe für den Projektmanager als auch für die im Projekt eingesetzten

Mitarbeiter/-innen dienen, werden von zahlreichen Autoren als wesentliche

Voraussetzung für die effektive und wirtschaftliche Durchführung von Projekten

bezeichnet (Schelle et al. 2008; Zielasek 1999; Birker 1999).

Gemäß der DIN 69901-5:2009 werden fünf Phasen differenziert, die sich sachlich und

logisch voneinander durch sog. Meilensteine (im Bild M 0 bis M 5) voneinander

trennen lassen. Als Meilensteine versteht man besondere Ereignisse im

Projektgeschehen, an denen genau definierte Zwischenergebnisse vorliegen müssen

und Entscheidungen zum weiteren Fortgang des Projekts getroffen werden. Sie

werden im Detail in LE 9 erläutert (siehe Folie 9-36). Durch die Phasengliederung ist

auch für unerfahrene Personen leicht erkennbar, welche grundlegenden Aktivitäten

im Projektmanagement notwendig sind und welche Kontrollpunkte durchlaufen

werden müssen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Phasenmodelle i.d.R.

den tatsächlichen Verlauf erheblich vereinfachen. Gerade die frühen Phasen gehen

oft fließend ineinander über und werden zum Teil iterativ bearbeitet. Auch die

Projektsteuerung und -überwachung ist in den meisten Vorhaben ein hochgradig

iterativer Prozess (siehe Folie 8-19).

Die fünf Projektmanagementphasen gliedern das Projekt in sachlich und logisch abgegrenzte Abschnitte. In den Phasen der Initialisierung und der Definition werden zwischen Projektauftraggeber und -nehmer die Projetziele schrittweise geklärt und konkretisiert. Hierzu werden verschiedene Prozesse durchlaufen. Während in der Initialisierungsphase der Prozess „Ziele skizzieren“ zu einem groben Verständnis über die gemeinsamen Zielvorstellungen und die vorliegenden Randbedingungen führt, werden in der Phase der „Definition“ die Anforderungen an Lieferungen und Leistungen sowie die daraus abgeleiteten Fernziele des Projekts aus Produkt- und Prozess-Sicht unter den Beteiligten verbindlich festgelegt. Zu diesem Zweck arbeiten die Beteiligten im Prozess „Ziele definieren“ eng zusammen, um Missverständnisse rechtzeitig zu identifizieren und zu beseitigen. Nach einer ersten gemeinsamen Zielformulierung wird im Prozess „Projektinhalte abgrenzen“ definiert, welche Inhalte im Projekt zu berücksichtigen sind und welche nicht. Ebenso wird der Leistungs-umfang spezifiziert, beispielsweise in Hinblick auf Liefermenge bzw. Stückzahlen. Die schrittweise Zunahme der Zielklarheit ermöglicht in der Phase der Projektplanung die detaillierte Umsetzungsplanung der Arbeitsschritte sowie die Terminierung der sog. Arbeitspakete. Bei einem Arbeitspaket handelt es sich gemäß DIN 69901-5:2009 um „eine in sich geschlossene Aufgabenstellung, die bis zu einem festgelegten Zeitpunkt mit definiertem Ergebnis und Aufwand vollbracht werden kann.“

Auch in der Phase der Projektsteuerung ist die Verfolgung von Zielen von zentraler Bedeutung. So wird im Prozess „Zielerreichung steuern“ der Projektfortschritt überwacht und es werden bei signifikanten Abweichungen vom geplanten Projektfortschritt von der Projektleitung Gegenmaßnahmen eingeleitet. Um die Projektsteuerung zu erleichtern, werden i.d.R. weitere Meilensteine definiert (siehe Meilenstein M 3a und M 3b im Bild). Zu jedem Meilenstein muss entschieden werden, ob die verabschiedeten Ziele noch richtig sind. Schließlich wird im Prozess „Abnahme erteilen“ überprüft, ob die Projektziele im zuvor festgelegten Inhalt und Umfang erreicht wurden. Ist dies zur Zufriedenheit des Auftraggebers geschehen wird die letzte Phase zum Abschluss des Projekts eingeleitet.

Der Aufwand, den ein Unternehmen in den einzelnen Phasen erbringen muss, ist oft sehr

unterschiedlich und von der Projektart abhängig (siehe Folien 8-22 ff.). In Anlehnung an

Bennett & Ho (2014) ist oben eine typische Verteilungsfunktion dargestellt. In der

Initialisierungsphase werden erste technologische, betriebliche und wirtschaftliche

Anforderungen skizziert, der Personalaufwand ist hierfür vergleichsweise gering. In der

Definitionsphase erfolgt u.a. eine präzise Definition der Feinziele und darauf aufbauend

die Ableitung der konkreten Anforderungen an Lieferungen und Leistungen, die

Bewertung der Machbarkeit und eine erste Abschätzung der benötigten Investitionen. Die

Planungsphase stellt für die spätere Projektbearbeitung die entscheidende Phase dar.

Die Ziele werden verabschiedet, der Projektstrukturplan wird erstellt, Ablauf-, Termin- und

Personaleinsatzpläne werden entwickelt und es wird die Projektorganisation geplant.

Diese Konkretisierung führt zu einem weiteren Anstieg des erforderlichen Aufwandes. Die

Phase, die i.d.R. den größten Aufwand erfordert, ist die Steuerungs- und

Durchführungsphase. Während die Projektmitarbeiter die einzelnen Arbeitspakete

bearbeiten, sind die Steuerung der Zielerreichung, die Überwachung des

Arbeitsfortschritts und der Termine zentrale Aufgaben des Projektmanagements. Hierzu

kommt die systematische Behandlung von Änderungen an den Anforderungen sowie

dem Lieferobjekt selbst einschließlich der Vorbereitung der Abnahme. Nach erteilter

Abnahme zeigt die Abschlussphase einen deutlich abnehmenden Aufwand. In dieser

Phase werden u.a. der Abschlussbericht erstellt, die Projekterfahrungen gesichert, eine

Nachkalkulation durchgeführt und schließlich die Projektorganisation aufgelöst.

Inhaltlich lassen sich die Phasen gut abgrenzen. Ausgehend von Vorgaben, die in der

Projektinitialisierung sowie Projektdefinition festgelegt werden, erfolgt die Projektplanung.

Im Rahmen der Planung werden verbindliche Vorgaben (Plan-Werte) für die

Projektdurchführung entwickelt und verabschiedet. Die Projektsteuerung nimmt den

jeweils aktuellen Stand der Projektdurchführung auf (Ist-Werte), vergleicht sie mit den

vorgegebenen Plan-Werten und wirkt bei eventuellen Abweichungen mit technischen,

organisatorischen oder personellen Maßnahmen konstruktiv auf einen erfolgreichen

Projektabschluss hin (siehe Folie 8-19). Plan- und Ist-Werte können in Form von

Kennzahlen, wie beispielsweise bei der Arbeitswertanalyse (LE 12), festgelegt bzw.

erhoben werden.

In der betrieblichen Praxis sind bei der Durchführung von Projekten oftmals Iterationen

notwendig und – solange eine Optimierung im Hinblick auf die Zielgrößen möglich ist –

sogar gewünscht. Darüber hinaus ergeben sich durch die Beteiligung mehrerer Personen

am Projektmanagement wie auch an der Projektdurchführung z.T. zwangsläufig

(gewünschte und ungewünschte) Iterationen in den einzelnen Phasen. Besonders häufig

treten Iterationen in Entwicklungsprojekten auf, wenn z.B. mehrfache

Konkretisierungsschritte bei der Suche einer konstruktiven Lösung notwendig sind oder

sich Anforderungen an das zu entwickelnde Produkt im Projektverlauf unerwartet ändern.

Dieser Aspekt wird im Phasenmodell nach DIN 69901-5:2009 vernachlässigt.

Allgemein können iterative Prozesse mit Hilfe von Regelkreismodellen abgebildet

werden. Ein solcher Regelkreis ist hier für die Projektmanagementphasen nach DIN

69901-5:2009 schematisch dargestellt. Es wird deutlich, dass durch die Projektplanung

die Führungsgrößen (Plan-Werte) festgelegt werden, die für die Bearbeitung der

Arbeitspakete im Rahmen der Projektdurchführung verbindlich sind. Die Einhaltung der

Führungsgrößen und somit die permanente Ausrichtung der Durchführung auf die

Projektziele wird durch die Projektsteuerung sichergestellt. Da hierbei vielfältige

Rückkopplungsmechanismen auftreten (sog. Feedback-Koordination, siehe Folie 8-20)

wird im Folgenden ergänzend von Projektsteuerung und -überwachung gesprochen. Eine

wichtige Aufgabe des Projektmanagements ist es, auf die Durchführung einwirkende

Störgrößen (Ausfall von Lieferanten, unerwartete Preiserhöhungen, mangelhafte Qualität

o.ä.) bereits im Vorfeld zu antizipieren und durch technische, organisatorische oder

personelle Maßnahmen in ihrer Wirkung zu begrenzen bzw. zu kompensieren. Bei

schwerwiegenden Störungen der Leistungserstellungsprozesse muss jedoch meistens

umgeplant und in die Phase der Projektplanung zurückgesprungen werden. Ggfs.

müssen sogar die Anforderungen an Lieferungen und Leistungen neu definiert werden.

Dies ist im Bild mit den gestrichelten Linien dargestellt. Ist eine Umplanung bzw.

Neudefinition nicht möglich, muss das Projekt ggfs. abgebrochen werden.

Wie im Verlauf der Vorlesung noch mehrfach demonstriert werden wird, machen es Art und Umfang

der Projektaufgabenstellung erforderlich, diese im Rahmen der Planung in Teilprojekte,

Teilaufgaben und Arbeitspakete zu zerlegen (Strukturierung) sowie auf mehrere Personen zu

verteilen (Arbeitsteilung). Eine zentrale Funktion des Projektmanagements besteht darin, die

Arbeitsprozesse der Beteiligten zu koordinieren, d.h. untereinander abzustimmen und auf die

gemeinsamen Projektziele auszurichten. Die Koordination kann durch die Projektleitung in Form

einer sog. Vorauskoordination oder einer Feedback-Koordination erfolgen. Insbesondere in frühen

Projektphasen ist eine zuverlässige Vorauskoordination – also Steuerung – häufig nur mit wenigen

Führungsgrößen (Plan-Werte) und für kurze Zeitspannen möglich, weil die zur Verfügung

stehenden Informationen noch unvollständig und unsicher sind. Mit Hilfe von Messinstrumenten

kann jedoch im Verlauf anhand eines Plan-Ist-Vergleichs (siehe LE 12) geprüft werden, ob die

antizipierten Zwischenergebnisse erreicht wurden und damit die Unsicherheit abgebaut werden.

Liegen Abweichungen vor, muss der Arbeitsprozess durch Feedback-Koordination iterativ in den

gewünschten Zustand zurückgeführt werden. Hierbei wird die Projektleitung bei großen Vorhaben

oft durch sog. Projektcontroller unterstützt (siehe LE 12). Bei der Koordination kommen

verschiedene Mechanismen zur Anwendung. Wesentliche Anteile der Voraus- und Feedback-

Koordination werden in Projekten durch Personen, d.h. durch persönliche Kommunikation,

vorgenommen. Dies kann entweder aufgrund ihrer Stellung in der Hierarchie (Projektleiter,

Bereichsleiter, Abteilungsleiter o.ä.) und der damit verbundenen Weisungsbefugnisse erfolgen oder

durch sog. Selbstabstimmung im Projektteam. Pläne geben hingegen als „unpersönlicher“

Koordinationsmechanismus abgeleitete Aufgaben und Umsetzungsschritte formal vor. Durch den

Einsatz von Plänen, die im Rahmen des Projektmanagements projektspezifisch in der

Planungsphase erstellt werden (z.B. Ablaufpläne, siehe Folie 8-21), kann der

Kommunikationsaufwand reduziert werden. Auch sog. Programme und Regeln können den

Kommunikationsaufwand reduzieren, in dem sie beispielsweise Standards definieren und

Prozeduren vorgeben, die für sämtliche Phasen (und mitunter auch andere Vorhaben) gelten.

Programme legen verbindlich fest (z.B. in Verfahrensrichtlinien oder Handbüchern), auf welche Art

und Weise Tätigkeiten auszuführen sind. Naturgemäß sind Pläne, Programme und Regeln nur für

die Vorauskoordination einsetzbar. Sie können allerdings in Form von Vergleichswerten,

Referenzprozessen o.ä. wertvolle Informationen für die Feststellung von Abweichungen liefern, die

als Grundlage für den Plan-Ist-Vergleich genutzt werden können. Auf den folgenden Folien werden

die Mechanismen näher erläutert.

Beispiele für Programme und Regeln, die zur Vorauskoordination angewandt werden,

sind die bereits mehrfach zitierte DIN 69901 oder auch die Qualitäts-Normenreihe DIN

EN ISO 9000ff. Vergleichbar mit dem Qualitätsmanagement werden zunehmend auch für

das Projektmanagement Handbücher erstellt, in denen Methoden und Werkzeuge als

Standards definiert und beschrieben werden. Sie bieten eine wichtige Orientierungshilfe

für die Mitarbeiter/innen und wirken koordinierend im Sinne einer Vermeidung von bereits

erkannten bzw. bekannten Fehlern oder Ineffizienzen. Rigide und detaillierte Handlungs-

vorschriften bedeuten allerdings eine erhebliche Einschränkung von Freiheitsgraden und

erzeugen u.U. Widerstände und Demotivation bei den Beteiligten.

Wie in späteren Lehreinheiten noch detailliert ausgeführt werden wird, werden im Projekt-

management verschiedene Pläne erstellt. Zentral ist hierbei der sog. Projektstrukturplan,

der einen Überblick über die Zerlegung der Gesamtaufgabe in Teilprojekte, Teilaufgaben

und sog. Arbeitspakete gibt. Dieser Plan wird in LE 10 erläutert. Pläne können und sollen

persönliche Kommunikation und Koordination nicht vollständig ersetzen, aber zumindest

um ineffiziente und ineffektive Anteile reduzieren. Dem erhöhten Aufwand für die

Erstellung und die aufgrund von Planungsunsicherheit notwendigen Anpassungen stehen

gewichtige Vorteile gegenüber: So können im Vergleich zur Koordination durch

Hierarchie oder Selbstabstimmung meist mehr Variablen in eine Optimierung

einbezogen, komplexe Abhängigkeiten berücksichtigt sowie (soweit es die Güte der

zugrundeliegenden Daten zulässt) längere Zeiträume betrachtet werden. Im Vergleich zur

Koordination durch Programme und Regeln sind Pläne flexibler, d.h., sie können leichter

anhand der identifizierten Planungsfehler angepasst werden. Ein weit verbreitetes

Verfahren zur Darstellung von Ablaufplänen sind sog. Gantt-Charts (siehe Lehreinheit

10). Hierbei handelt es sich um eine grafische Zeitbanddarstellung. Im Bild ist ein Beispiel

für die Konstruktion und Fertigung/Montage einer Maschine dargestellt. Links sind die

Arbeitspakete angegeben. Rechts im Bild finden sich die Zeitbänder über den Kalender-

monaten. Während Pläne i.d.R. ein projektspezifisches Ergebnis der Planungsphase

sind, haben Programme und Regelwerke allgemeingültigen Charakter und enthalten u.U.

Vorgaben, die sich auf alle Phasen sowie sämtliche Vorhaben im Unternehmen beziehen.

Am Beispiel einer Linienorganisation, im Bild mit vier Hierarchieebenen dargestellt, sollen die

persönlichen Koordinationsmechanismen noch ein wenig näher erläutert werden. Ein solches

Organigramm bildet die Stammorganisation eines Unternehmens ab (Schlick et al. 2010). Die

Verbindungslinien zwischen den Organisationseinheiten repräsentieren Anordnungs- und

Meldewege. Die Pfeile verdeutlichen die Richtung von Weisungen durch den jeweiligen

Vorgesetzten auf der nächsthöheren Hierarchieebene (d.h. von oben nach unten) sowie die

damit verbundenen Berichts- und Meldepflichten des unterstellten Personals (von unten nach

oben). In die dargestellte Stammorganisation wurde zusätzlich eine Projektorganisation integriert.

Projektaufgabe ist im Beispiel die Einführung einer neuen robotergestützten Montagezelle mit

einem portablen Knickarmroboter (siehe Bild rechts) in der Produktion. Diese Aufgabe hat mit

dem eigentlichen Tagesgeschäft nicht direkt zu tun. Das Projektteam setzt sich aus drei

Mitarbeitern der Gruppe 1 und zwei Mitarbeitern der Gruppe 2 zusammen, die Projektleitung

obliegt dem Leiter der Gruppe 1 (diese und weitere Projektorganisationsformen werden in LE 9

vorgestellt).

Koordination durch Hierarchie: Vorgesetzte besitzen aufgrund ihrer hierarchischen Stellung im

Unternehmen Weisungsbefugnisse und nutzen diese, um Aufgaben zuzuweisen und durch

Vorgaben zu steuern. Im obigen Beispiel übernimmt der Vorgesetzte der Gruppe 1 gleichzeitig

die Projektleitung. Er kann aufgrund dieser Funktion die Arbeitsprozesse innerhalb des Projektes

direkt steuern, auch wenn ihm die Mitarbeiter nicht in der Linie unterstellt sind. Mit Bezug auf die

durch das Tagesgeschäft gebundenen Kapazitäten muss er sich jedoch regelmäßig mit dem

Leiter der Gruppe 2 abstimmen, da gegenüber den Projektmitgliedern aus Gruppe 2 kein

Vorgesetztenverhältnis besteht. Die Koordination durch Hierarchie läuft vorrangig über mündliche

Weisungen ab. Sie ist somit besonders flexibel und wird in der betrieblichen Praxis zur Voraus-

und Feedback-Koordination oft eingesetzt.

Koordination durch Selbstabstimmung: Aufgrund der vielfältigen Abhängigkeiten zwischen

Teilaufgaben findet in Projekten häufig eine Selbstabstimmung zwischen den Mitgliedern eines

Projektteams statt. Auf diese Weise können Entscheidungen u.U. schneller getroffen und

umgesetzt werden als über die Hierarchie. Bspw. können Probleme bei der Inbetriebnahme der

Roboter in der realen Fertigungsumgebung direkt im Team geklärt werden und müssen nicht

zwischen den Leitern der Gruppen 1 und 2 bilateral abgestimmt werden.

In der Praxis bestehen Koordination durch Selbstabstimmung und Hierarchie oft nebeneinander.

Die jeweiligen Befugnisse und Verantwortlichkeiten sollten allerdings möglichst eindeutig definiert

und allen Beteiligten transparent sein.

Die Klassifizierung von Projekten kann anhand unterschiedlicher Kriterien erfolgen.

Eine in der Praxis weit verbreitetet Differenzierung nach dem Projektgegenstand führt

zu Forschungs- und Entwicklungsprojekten (F&E), Investitionsprojekten sowie

Organisationsprojekten (zitiert in Schulz 1991). Zell (2003) ergänzt Softwareprojekte,

wohingegen Bergmann und Garrecht (2008) Softwareprojekte den F&E-Projekten

zuordnen und stattdessen komplexe Dienstleistungsprojekte berücksichtigen (Zell

2003; Bergmann & Garrecht 2008; Kuster et al. 2006).

Projekte werden üblicherweise in Teams bearbeitet. Die Teammitglieder können

einerseits aus Mitarbeitern des Unternehmens rekrutiert werden, in dem das Projekt

durchgeführt wird. Andererseits können auch Personalkapazitäten anderer

Unternehmen für die Planung und Durchführung genutzt werden.

Projekte, bei denen ausschließlich das eigene Unternehmen Auftraggeber ist

– unabhängig davon, ob interne oder externe Mitarbeiter/innen eingesetzt werden –

werden in der Praxis als interne Projekte bezeichnet. Die entstehenden Aufwände

sind in vollem Umfang kostenwirksam, ohne dass direkte Erlöse gegenüberstehen.

Wird hingegen das Projekt von einem externen (zahlenden) Kunden beauftragt, so

spricht man von einem externen Projekt. Hierbei stehen den entstehenden Kosten

unmittelbare Erlöse durch die Begleichung von Rechnungen durch den Auftraggeber

gegenüber, die bereits während der Laufzeit zu einem positiven Betriebsergebnis

beitragen können.

Die Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten erfolgt in Deutschland

überwiegend in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Unternehmen (ca. 70%),

in Universitäten (ca. 16%) sowie in außeruniversitären Forschungseinrichtungen (ca.

14%), wie z.B. der Fraunhofer-Gesellschaft.

Grundlagenorientierte Forschung findet meist ohne konkreten Bezug zu einem Produkt

oder einem Produktkonzept statt. Man spricht von sog. Basisforschung, wenn neues

Wissen über die Grundlagen von Phänomenen gewonnen werden soll. Diese Art von

Forschung ist kaum „projektierbar“. Bei der gerichteten Grundlagenforschung steht

hingegen die Beantwortung von Fragen spezifischer Interessensbereiche (Werkstoffe,

Thermodynamik etc.) im Vordergrund. Ihre Ergebnisse schaffen idealerweise die

theoretische Basis für neue innovative Produkte oder aber für weitere

Forschungsaktivitäten.

Anwendungsnahe Forschungsvorhaben und Entwicklungsprojekte haben bereits einen

konkreten Bezug zum Markt bzw. Kunden und können sowohl die Produkte und ihre

Funktionalitäten als auch bereits die Herstellung von Produkten betreffen. In diesem

Zusammenhang ist auch die sog. Vorentwicklung zu sehen. Diese bezieht sich auf die

Minderung von Risiken, d.h. dass Produktkonzepte oder Prototypen entworfen und

hinsichtlich ihrer technischen und finanziellen Entwicklungsrisiken systematisch geprüft

werden, bevor die eigentliche Entwicklungsarbeit beginnt.

Sowohl die exploratorische Erforschung von Grundlagen als auch die anwendungsnahe

Erforschung von Technologien ist mit erheblichen Planungsunsicherheiten behaftet. Es

sind zwar i.d.R. die Forschungsziele und -methoden klar umrissen, allerdings kann über

die zu erreichenden Ergebnisse und ihre Verwertung meist nur spekuliert werden. Die

notwendige Kreativität der Mitarbeiter sowie deren Ideenfindung sind nicht streng

vorausplanbar (Burghardt 2008). Bei der Projektdurchführung treten häufig Iterationen

auf, um sich beispielsweise konstruktiven Lösungen schrittweise zu nähern. Dabei finden

eine oder mehrfache Wiederholungen der betreffenden Arbeitsschritte in Form einer

Iterationsschleife auf einem jeweils höheren Erkenntnisniveau statt, das aufgrund der

erarbeiteten Zwischenergebnisse erreicht wurde (Pahl et al. 2007).

Investitionsprojekte dienen der Planung und Durchführung von Sachinvestitionen. Sie

umfassen nicht nur die finanzielle Analyse und den Vergleich alternativer

Investitionen, sondern auch die Untersuchung und Bewertung der damit verbundenen

technischen Potentiale und Risiken. Dabei kommen sowohl Methoden und Verfahren

der Investitionsrechnung, wie Kapitalwertberechnungen, als auch Instrumente des

Qualitätsmanagements, wie die Nutzwertanalyse, zum Einsatz. Vergleichsweise

kleine Investitionen, wie die Anschaffung einer Werkzeugmaschine, werden häufig

innerhalb des investierenden Unternehmens als internes Projekt abgewickelt. Gerade

in kleinen und mittelständischen Unternehmen müssen die Projektbeteiligten ihre

Aufgaben in einem solchen Projekt neben ihrer normalen Tätigkeit ausüben.

Langfristige Investitionen und Investitionen mit einem großen finanziellen Volumen,

wie die Errichtung einer neuer Fabrik, werden hingegen i.d.R. ausgeschrieben und

als Auftrag an Fremdfirmen vergeben. In vielen Fällen wird aufgrund des mit der

Durchführung verbundenen Aufwands und des notwendigen Know-Hows auch die

gesamte Projektplanung und Koordination an ein sog. Generalplanungsbüro

vergeben.

Die gesamten Bruttoanlageinvestitionen betrugen in Deutschland 2011 rund 1072,98

Mrd. € und teilten sich auf in:

Anlageinvestitionen 467,69 Mrd. €

Ausrüstungsinvestitionen 183,54 Mrd. €

Bauinvestitionen 144,42 Mrd. €

Wohnbauten 137,60 Mrd. €

Nichtwohnbauten 111,12 Mrd. €

Sonstige Anlagen 28,61 Mrd. €

(Destatis 2012)

(Re-)Organisationsprojekte führen oftmals zu weitreichenden Veränderungen in

betrieblichen Strukturen und Abläufen und betreffen i.d.R. nicht nur die im Projekt

eingebundenen Personen, sondern ganze Abteilungen, Unternehmensbereiche oder

unter Umständen sogar alle Beschäftigten. Nicht selten fühlen diese sich von den

Auswirkungen eines Organisationsprojekts bedroht oder geschädigt, auch wenn

objektiv keine negativen Auswirkungen feststellbar sind (Schelle et al. 2008). In

diesem Zusammenhang werden zum Teil Arbeitsplatzabbau oder eine Erhöhung der

Arbeitsbelastung befürchtet, was zu entsprechenden Vorbehalten und Widerständen

führt. Um derartigen Vorbehalten entgegenzuwirken, sollte bereits im Vorfeld des

Projekts über das Vorhaben und die damit verbundenen Reorganisationsziele sowie

die geplanten Maßnahmen umfassend informiert werden. Zudem sollten

insbesondere die direkt betroffenen Mitarbeiter in die Definition, Planung,

Durchführung und den Abschluss des Projekts eingebunden werden. Die

Partizipation kann über Diskussionen, aktive Mitgestaltung und demokratische

Entscheidungsprozesse sichergestellt werden. In diesem Zusammenhang hat auch

die Kommunikation der Projektergebnisse und der sich daraus ergebenden

Veränderungen einen erheblichen Einfluss auf den Erfolg des gesamten

Organisationsprojekts (s. hierzu auch Schlick et al. 2010, Kap. Arbeits- und

Betriebsorganisation sowie Gruppen- und Teamarbeit).

Die zunehmende Globalisierung der Absatz- und Beschaffungsmärkte mit der einher-

gehenden Angleichung der Produkte zwingt Automobilhersteller mit technologisch

besonders innovativen und qualitativ hochwertigen Neuentwicklungen Wettbewerbs-

vorteile zu erzielen. Gestiegene Qualitäts-, Sicherheits- und Umweltanforderungen

führen zudem zu einer steigenden Produktkomplexität. Bedingt durch eine

zunehmende Kopplung von Mechanik, Elektronik und Software zu mechatronischen

Systemen und Modulen (Burghardt 2008) laufen ehemals voneinander getrennt

ablaufende Entwicklungsprozesse integriert und vernetzt ab (Schernikau 2001).

Um Marktanteile zu sichern oder auszubauen, müssen Neuentwicklungen

insbesondere in der PKW-Entwicklung früher als ihre Konkurrenzprodukte auf den

Markt kommen (Schmelzer 1990). Gleichzeitig sinkt aufgrund permanenter Innovation

und einer beschleunigten Veränderung der Kundenanforderungen die Lebensdauer

eines Produktes im Markt (Schuh & Schwenk 2001, VDA 2004, Burghardt 2008). Um

diesen Herausforderungen Rechnung zu tragen, muss die Produktentstehungsdauer,

d. h. die Zeit zwischen dem Beginn der Produktplanung bis zur Markteinführung eines

neuen Modells, stetig verkürzt werden (Reichwald 1990, Fiksel 1996).

Die hohe Komplexität der Entwicklungsaufgaben in der Automobilindustrie wird durch

die große Anzahl an unterschiedlichen mechanischen, elektronischen und Software-

Komponenten bedingt sowie durch die vielfältigen Schnittstellen zwischen Systemen.

Die Bewältigung dieser Komplexität ist nur durch funktionsübergreifende Entwick-

lungsteams möglich, die im Rahmen des Produktentstehungsprozesses eng mitein-

ander kooperieren. Hierbei wird eine hohe Parallelität der Entwicklungsschritte ange-

strebt, um die Entwicklungszeit zu verkürzen (Concurrent Engineering, s. hierzu auch

die Ausführungen in LE 13).

Durch einen einheitlichen Produktentstehungsprozess (PEP) wird Transparenz in den Phasen der

Produkt- und Prozessentwicklung hergestellt und eine zeitliche sowie qualitative Synchronisation

der Arbeitsflüsse gewährleistet. Er ist in der Regel als Unternehmensstandard im Entwicklungs-

system beschrieben. Ein Entwicklungssystem enthält im Sinne der auf Folie 8-19 eingeführten

„Programme“ unternehmensspezifisch definierte Projektpläne, Methoden und Werkzeuge zur

Produktentwicklung. Im PEP sind in aggregierter Form alle im Entwicklungssystem beschriebenen

Phasen, Quality Gates, Meilensteine und beteiligte Organisationseinheiten sowie deren zeitliche

Abhängigkeiten hinterlegt (Hab & Wagner 2010).

Im Bild ist der PEP der Fa. Brose dargestellt. Brose ist Systempartner der Automobilindustrie und

beliefert ca. 80 Automobilmarken und über 30 Zulieferer mit mechatronischen Systemen, wie z.B.

Türsystemen. Mehr als 19.000 Mitarbeiter sind an weltweit 53 Standorten in 23 Ländern für Brose

tätig. Jedes dritte weltweit neu produzierte Fahrzeug ist heute mit mindestens einem Brose-

Erzeugnis ausgestattet. Der PEP gliedert sich bei Brose in acht Phasen, die durch Quality Gates

voneinander getrennt sind. Zusätzlich sind in den einzelnen Phasen Meilensteine definiert. Der

Zeitraum zwischen Akquisitionsfreigabe und Produktionsstart (Start of Production) ist vom Kunden

abhängig und beträgt i.d.R. etwa 2 Jahre. In der Projektvorbereitungsphase werden die

Akquisitionsziele festgelegt und es findet der erste projektbezogene Kundenkontakt mit dem

Fahrzeughersteller statt. In der Akquisitionsphase wird das Produkt- und Prozessdesign des neuen

Produkts so gut wie möglich antizipiert und bewertet, ein Angebot an den Hersteller ausgearbeitet

und auf Basis des Angebots ein Serienbelieferungsvertrag geschlossen. In der Phase der

Konzeptvalidierung werden Hand- bzw. Prinzipmuster erstellt, Prinzipversuche durchgeführt und es

wird das Produkt im vorgesehenen Bauraum evaluiert. Es schließt sich die Phase der Produkt- und

Prozessentwicklung an, in der Prototypen entwickelt und im Musterbau gefertigt werden. Parallel

werden die Produktionsanlagen und Werkzeuge entwickelt. Es folgen Funktionsversuche und

Dauertests. Darauf aufbauend wird in der Produktrealisierungsphase das Produkt für die Serie

entwickelt; parallel werden die entsprechenden Fertigungsanlagen konstruiert und getestet. Hierbei

werden u.a. Serienlieferanten nominiert, Einzelteile erstbemustert und es wird die Planung der

Vorserie begonnen. In der Anlaufphase wird das Projekt quasi an das Werk übergeben. Es werden

sukzessive Freigaben erteilt, der Nachweis der Prozessfähigkeit erbracht und die Produktion

„hochgefahren“. Nach Serienfreigabe erfolgt die Serienproduktion. Sie wird durch regelmäßige

Optimierungsmaßnahmen begleitet. Schließlich wird in der Ersatzphase der reibungslose

Serienauslauf sichergestellt.

Zur Veranschaulichung der vorher genannten Phasen der Produktentstehung für ein

Brose-Türsystem sind die technischen Fortschritte entlang des PEP im Bild

dargestellt. Hierbei kann man die simultane Steigerung des Reifegrads von Produkt

und Prozess leicht erkennen. Mit Prozess ist dabei die Planung der

Produktionsanlagen gemeint, mit denen das Produkt hergestellt werden soll.

Zusätzlich wird ein Muster eines realen Türsystems vorgestellt und seine Montage in

einem Film gezeigt. Bei Türsystemen wird ein Fensterheber zusammen mit anderen

Bauteilen in der Tür (z.B. Lautsprecher, Kabelbaum, Steuergerät, Crashsensoren)

beim Zulieferer auf einen Montageträger montiert und als Einheit an den Hersteller

geliefert. Gleichzeitig isoliert der Träger den Nassraum der Tür vom Trockenraum, so

dass keine zusätzlichen Dichtungen erforderlich sind. Wesentlicher Vorteil für den

Hersteller ist, dass das System vorgeprüft aus einer Hand kommt und geringere

Entwicklungs-, Logistik- und Montageaufwände entstehen. Der neueste Stand sind

Türsysteme mit Kunststoffträgern, bei denen die Fensterheberschienen in den Träger

integriert sind. Dadurch lassen sich Kosten sparen und das Gewicht verringern.

Im Rahmen einer Metastudie identifizierte Lechler (1997) sog. Erfolgsfaktoren des Projekt-

managements. Die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren sind danach die klare Definition der

Projektziele (siehe Folien 8-10ff.), die intensive Kommunikation im Projekt und eine sorgfältige

Projektplanung. Erfolgsfaktoren stellen vom Management beeinflussbare Größen dar. Diese

Erfolgsfaktoren sind nicht losgelöst zu betrachten, sie bilden vielmehr Schwerpunkte für

Handlungsempfehlungen.

Auf die Zieldefinition (siehe Folien 8-10ff.) und die darauf aufbauende Projektstruktur- sowie

Ablauf- und Terminplanung wird vor allem in den Lehreinheiten 10 und 11 eingegangen. Die

Projektziele sollten in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden bzw. Auftraggeber entwickelt

werden. Sie sollten klar und möglichst vollständig sein und ggf. in anspruchsvolle, aber

erreichbare (Teil-)Ziele detailliert werden, aus denen Teilaufgaben und Arbeitspakete ab-

geleitet werden können.

Innerhalb von Projektteams sind sozial-kommunikative Fähigkeiten sowie die Fähigkeit zur

Selbstorganisation bzw. Selbstabstimmung von großer Bedeutung und können durch Training

weiterentwickelt werden. Diese Entwicklung kann durch eine räumliche Nähe der

Teammitglieder gefördert werden, da so die teaminterne Kommunikation vereinfacht wird.

Der Projektfortschritt sollte darüber hinaus mit einem Planungs- und Controlling-System

unterstützt werden, das an die Anforderungen des jeweiligen Projekts flexibel anpassbar ist

(siehe LE 12). Schließlich kommt auch dem Topmanagement eine bedeutende Rolle zu, da

mangelnde Unterstützung oder gar fehlendes Interesse das gesamte Projekt und damit auch

den Projekterfolg in Frage stellen.

Projektleiter sollten sehr gute Managementfähigkeiten besitzen und eine starke formale

Stellung mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen erhalten. Zudem sollten sie Konflikte

bereits früh erkennen und lösen – ein vorbeugendes Konfliktmanagement ist dabei einem

reaktiven vorzuziehen. In diesem Zusammenhang ist die Kommunikationsweise des

Projektleiters zu sehen: Er sollte Informationen gezielt und frühzeitig an die jeweilig

Betroffenen weiterleiten. Ein partizipativer Führungsstil ist zu bevorzugen, d.h. Projektleiter

sollten die Mitglieder ihres Projektteams an ihren Entscheidungen beteiligen. Einfluss auf den

Erfolg haben auch das Know-how und die Motivation aller Projektbeteiligten.

In neueren Studien werden ähnliche Faktoren genannt, z.T. mit anderer Gewichtung (siehe LE

13).

Ein Projekt ist nach DIN 69901-5:2009 ein „Vorhaben, das im Wesentlichen durch Einmaligkeit der

Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist“. Die Einmaligkeit der Bedingungen beschreibt

dabei bspw. die jeweiligen Zielvorgaben oder die projektspezifisch gewählte Organisationsform, die

oftmals die Grenzen von Abteilungen oder Unternehmen überschreitet. Zudem ist ein Projekt meist

von Neuartigkeit und Komplexität geprägt, wird arbeitsteilig bearbeitet und ist in begrenzter Zeit

abzuschließen. Meist hat es eine besondere wirtschaftliche Bedeutung, so dass Unsicherheiten und

Risiken durch das Projektmanagement angemessen berücksichtigt werden müssen.

Die Organisation und Koordination von Projekten sind Aufgaben des Projektmanagements, dessen

Tätigkeiten auf die Erreichung der Projektziele ausgerichtet sind. Neben den zu erbringenden

Leistungen aus Produkt-Sicht (z.B. die Entwicklung eines neuartigen Antriebs) und Prozess-Sicht

(z.B. Einsatz spezifischer Fertigungsverfahren) umfassen die Projektziele auch Zeitziele (z.B.

Meilensteine) und Kostenziele (z.B. Personalkosten). Diese drei Dimensionen „Leistung“, „Termine“

und „Kosten“ spannen das sogenannte „magische Dreieck“ auf. Es verdeutlicht das

mehrdimensionale Zielsystem des Projektmanagements und zeigt Zusammenhänge bzw.

Abhängigkeiten der einzelnen Zielgrößen auf (z.B. begünstigt eine niedrige Grundauslastung die

Termineinhaltung im Projekt, erhöht jedoch die Personalkosten).

Zur Systematisierung von Projekten wurden zahlreiche Phasenmodelle entwickelt, die sowohl

Managern als auch beteiligten Mitarbeiter als Orientierungshilfe dienen sollen. So sieht die DIN

69901-5:2009 eine Gliederung von Projekten in fünf, sachlich und logisch voneinander getrennten

Phasen vor: 1) Initialisierung, 2) Definition, 3) Planung, 4) Steuerung (und Überwachung) und 5)

Abschluss. Die Bearbeitung der einzelnen Phasen erfolgt in der betrieblichen Praxis zumeist

iterativ. Zur Abbildung dieser iterativen Prozesse können Projektmanagementregelkreise genutzt

werden.

Das Erreichens der Projektziele wird durch das Projektmanagement mittels vorausschauender

Koordination oder durch Feedbackkoordination sichergestellt. Dabei können verschiedene

Koordinationsmechanismen, wie Pläne (z.B. Terminpläne), Programme und Regeln (z.B.

Handbücher), Plan-Ist-Vergleiche, die Hierarchie (z.B. mündliche Weisung durch Vorgesetzten) und

Selbstabstimmung (z.B. Abstimmung zwischen Mitgliedern eines Projektteams) genutzt werden.

Die Klassifizierung von Projekten kann anhand unterschiedlicher Kriterien erfolgen. Verbreitet ist

die Klassifizierung nach dem Projektgegenstand. So wird zwischen Forschungs- und

Entwicklungsprojekten (z.B. Entwicklung einer neuen Prozesstechnik), Investitionsprojekten (z.B.

Beschaffung von Großmaschinen) und Organisationsprojekten (z.B. Einführung neuer

Trainingskonzepte) unterschieden.