Die Welt des Sherlock Holmes - · PDF fileArthur Conan Doyle schloss ... rakter widmete. 1899 veröffentlichte er die heute fast vergessene ... Er sei durch die Welt gereist und habe

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    dass die Erzhlungen trotz der hohen Papierpreise erschwinglich blieben und so ein breiter Markt aufgebaut werden konnte. Ein Nachteil ergab sich jedoch aus der Wartezeit. Die Leser mussten sich jeweils eine Woche oder einen ganzen Monat gedulden, um den nchsten Teil der Geschichte lesen zu knnen. Das lange War-ten konnte zum Verlust des Interesses fhren. Wenn auch nur eine einzige Ausgabe verpasst wurde, konnte sich der Leser im Hand-lungsstrang der Geschichte verlieren. Arthur Conan Doyle schloss daher, bis auf wenige Ausnahmen, jede seiner Erzhlungen inner-halb einer Ausgabe ab. Somit konnten die Leser in jedem Heft eine komplette Geschichte bis zur Lsung des Falles lesen. Welcher Beliebtheit Sherlock Holmes sich bei den Lesern von The Strand Magazine tatschlich erfreute und welch wichtige Rolle Arthur Conan Doyles Publikationen darin spielten, wird an-hand der konsequenzen des vermeintlichen Todes von Sherlock Holmes in Das letzte Problem (1893) deutlich. Mehr als 20.000 Leser kndigten nach dem Erhalt der Dezember-Ausgabe ihre Abonnements und hinterlieen ein tiefes Loch in der kasse des Strand Magazine. Mit der Rckkehr von Sherlock Holmes in der seriellen Verffentlichung des Romans Der Hund der Baskervilles (1901/1902) und der kurzgeschichte Das leere Haus (1903) kehrten auch die verlorenen Leser wieder zum Magazin zurck. Insgesamt 30.000 neue Abonnements fr The Strand Magazine wurden 1903 verkauft. Die Verffentlichung der restlichen kurzgeschichten bis ins Jahr 1927 etablierte den Meisterdetektiv Sherlock Holmes schlielich vollends als festen Bestandteil der britischen Literatur- und kulturgeschichte. obgleich Arthur Conan Doyle John Watson insbesondere in sei-nem Aussehen hnlicher ist als seinem Detektiv, so teilt Doyle sich doch einige Charakteristika mit Sherlock Holmes. Im Jahr 1906 las Arthur Conan Doyle von einem Gerichtsverfahren, in dem ein jun-ger angloindischer Anwalt namens George Edalji wegen angebli-cher Tierverstmmelung zu sieben Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde. Mehrere Pferde waren verstmmelt worden, und anonyme

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    Briefe erwhnten verschiedene Personen, die an den Grueltaten beteiligt gewesen seien unter den Namen war auch der George Edaljis. Arthur Conan Doyle entdeckte bei diesem Gerichtsverfah-ren verschiedene Ungereimtheiten und wurde durch eine groe Welle ffentlichen Protestes gegen das Urteil bestrkt, sich nher mit dem Fall zu beschftigen. Der Autor galt zu dieser Zeit neben Rudyard kipling als der bekannteste britische Schriftsteller ein Umstand, den er nicht zuletzt den Sherlock-Holmes-Geschichten zu verdanken hatte. Seine Verwicklung in den Fall George Edaljis wurde von der ffentlichkeit mit entsprechend groem Inte-resse verfolgt. So, wie es Sherlock Holmes getan htte, begann Arthur Conan Doyle, sich intensiv mit dem Fall zu befassen und alle Beweise genau unter die Lupe zu nehmen. Diese Ermittlun-gen schlossen nicht nur die einseitige Betrachtung der Ereignisse durch die Polizei mit ein, sondern auch George Edalji und seine Familie, die an seiner Unschuld festhielt. Doyle veranlasste ein Treffen mit dem Verurteilten und bemerkte auf den ersten Blick, dass der junge Mann kaum in der Lage gewesen sein konnte, des Nachts Pferde zu verstmmeln. Er war hochgradig kurzsichtig und hielt die Zeitung, die er zum Zeitpunkt des Treffens las, bis fast an die Nase, um berhaupt etwas lesen zu knnen. Dieser ers-te Eindruck berzeugte Arthur Conan Doyle von George Edaljis Unschuld. Er besuchte also die Tatorte, sprach mit Zeugen und Familienmitgliedern und begann eine kampagne mit dem Ziel, Straferlass fr George Edalji zu erreichen. Mehrere Zeitungsarti-kel machten den Fall und Arthur Conan Doyles Einsatz landes-weit bekannt, und schlielich wurde der Anwalt freigesprochen. 1907 wurde als konsequenz des Falls und der anschlieenden kampagne unter der Fhrung Arthur Conan Doyles das britische Berufungsgericht gegrndet. Dieser unermdliche Einsatz des Au-tors gegen groe Ungerechtigkeit spiegelt sich im Charakter von Sherlock Holmes wider. Der Detektiv zeichnet sich vor allem durch seinen Intellekt aus. Er glaubt nicht an das bernatrliche oder an Zuflle und betrach-

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    tet jeden noch so obskuren Fall als Herausforderung, den Rtseln, die sich ihm stellen, auf den Grund zu gehen. In den kurzgeschich-ten Das gelbe Gesicht (1893), Der Vampir von Sussex (1924) und Die Lwenmhne (1926) scheinen auf den ersten Blick bernatr-liche Mchte am Werk zu sein. Sherlock Holmes lsst sich davon aber keineswegs aus der Ruhe bringen. Er fllt kein Urteil, bevor er nicht im Besitz aller Fakten ist und diese analysiert hat. In jeder der Geschichten gibt es eine rationale Erklrung fr die Mordflle oder traumatischen Ereignisse, die Sherlock Holmes untersucht. Der Autor dieser rein rational ausgerichteten Figur hingegen war dem bernatrlichen keineswegs abgeneigt. Arthur Conan Doyle schrieb neben historischen Romanen und den Detektivgeschich-ten auch fantastische Literatur und Science-Fiction, die hufig vom bernatrlichen beeinflusst waren. Zudem hatte er selbst groes Interesse an Mesmerismus, Spiritismus (spiritualism) und Mystizismus. Mesmerismus oder auch animalischer Magne-tismus wurde von Franz Anton Mesmer als alternative Heilmetho-de propagiert und im 19. Jahrhundert weitreichend praktiziert. Es geht dabei um den gezielten Einsatz von Wechselwirkungen, die lebende krper aufeinander haben. Hypnose und Gedanken-bertragung zhlen zu den wichtigsten Praktiken dieser Metho-de. obwohl immer wieder von medizinischer sowie theologischer Seite davor gewarnt wurde, hatte der Mesmerismus groen Ein-fluss auf die Philosophie, Geisteswissenschaft und Literatur des 19. Jahrhunderts. Nicht nur Arthur Conan Doyle, sondern auch Ed-gar Allan Poe, Wilkie Collins, Edward Bulwer-Lytton, George Eliot und Marie Corelli beschftigten sich in ihrer Literatur mit Mesme-rismus, Hypnose und Hellseherei. Arthur Conan Doyle verfasste mehrere fantastische kurzgeschichten zu diesem Thema. Beispie-le dafr sind Das groe Keinplatz-Experiment (1885), in dem ein Professor und ein Student sich pltzlich im krper des jeweils anderen wiederfinden, John Barrington Cowles (1886), in dem sich ein Medizinstudent in eine Werwlfin verliebt, die ihn durch Hypnose an sich bindet, und Der Parasit (1894), eine Geschichte,

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    in der eine Frau durch Mesmerismus einen Mann mental gefan-gen hlt. Interessanterweise begann Arthur Conan Doyle, sich im Verffentlichungsjahr von Eine Studie in Scharlachrot intensiv mit Spiritismus zu beschftigen. Spiritisten versuchten, mit den Seelen von Verstorbenen in kontakt zu treten und mit ihnen zu kommuni-zieren. Whrend er Geschichten ber den rein logisch denkenden Sherlock Holmes verfasste, besuchte Arthur Conan Doyle San-cen und probierte aus, ber Medien mit Toten zu sprechen. 1893 wurde er Mitglied der British Society for Psychical Research in Cambridge, die sich wissenschaftlich mit bernatrlichen und spi-ritistischen Phnomenen beschftigte. Das Interesse Arthur Conan Doyles am bernatrlichen wurde durch einige existenzielle Ereignisse in seinem Leben noch ver-strkt. 1893 war ein schweres Jahr fr den Autor. Seine Frau Touie, mit der er zwei kinder hatte, erkrankte kurz nach dem Tod von Arthur Conan Doyles Vater Altamont an Tuberkulose. Die rzte prognostizierten Touie eine berlebenszeit von wenigen Monaten. Doyle wollte diesen Schicksalsschlag nicht ohne kampf hinneh-men und reiste mit seiner Frau in Lnder mit milderem klima als England, unter anderem in die Schweiz und nach gypten. Zudem kaufte er ein Stck Land in Hindhead in der sdenglischen Graf-schaft Surrey, auf dem er sein selbst entworfenes Haus namens Undershaw erbauen lie. Hindhead war Arthur Conan Doyle von seinem Freund, dem Schriftsteller Grant Allen, wegen der sauberen Luft empfohlen wurden. Die Familie zog 1897 in Undershaw ein. Das Haus war ganz den Bedrfnissen der schwerkranken Touie angepasst. 1893 markiert auch das Jahr, in dem Doyle sich ent-schloss, sich von Sherlock Holmes zu trennen und den beliebten Meisterdetektiv im kampf gegen seinen Erzfeind Professor James Moriarty vermeintlich sterben zu lassen. Arthur Conan Doyle fhlte sich von Sherlock Holmes berschattet und wollte sich um seine Familie und um andere literarische Projekte kmmern. Im Dezember 1893 erschien Das letzte Problem, die Geschichte, in der Sherlock Holmes mit James Moriarty den Reichenbachfall in

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    der Schweiz hinabstrzt. Es vergingen fast zehn Jahre, bis Arthur Conan Doyle sich wieder seinem berhmtesten literarischen Cha-rakter widmete. 1899 verffentlichte er die heute fast vergessene Liebesgeschichte A Duet with an Occasional Chorus. 1900 diente er als freiwilliger Militrarzt im Burenkrieg in Sdafrika und sam-melte Material fr sein Buch The War in South Africa: Its Causes and Conduct (1902), worin er ber die Grnde des Burenkrieges und das Verhalten aller beteiligten Seiten berichtete. Zwischen August 1901 und April 1902 wurde der dritte Holmes-Roman, Der Hund der Baskervilles, vom Strand Magazine in Serie verffent-licht. Die Geschichte wurde von Doyles Freund Bertram Fletcher Robinson inspiriert, den er in Sdafrika kennengelernt hatte und der ihm von verschiedenen Legenden aus Dartmoor erzhlt hatte. Arthur Conan Doyle datierte die Geschehnisse des Romans vor Das letzte Problem, womit er es vermied, sich mit dem Tod und ei-ner mglichen Rckkehr von Sherlock Holmes auseinandersetzen zu mssen. Am 24. oktober 1902 wurde er von