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1 Die Zukunft des internationalen Währungssystems Endbericht Berlin, 31. März 2011 Bearbeiter: Prof. Dr. Ansgar Belke, Tel: +49 30 89789 315, e-mail: [email protected] Dr. Kerstin Bernoth, Tel: +49 30 89789 333, e-mail: [email protected] Dr. Ferdinand Fichtner (Ansprechpartner), Tel: +49 30 89789 248, e-mail: [email protected] DIW Berlin Abteilung Konjunktur Mohrenstraße 58 10117 Berlin

Die Zukunft des internationalen Währungssystems Endbericht · 2021. 7. 23. · Global fixe Wechselkurse ... Wechselkurse von Angebot und Nachfrage nach nationalen Währungen auf

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Die Zukunft des internationalen

Währungssystems

Endbericht

Berlin, 31. März 2011

Bearbeiter:

Prof. Dr. Ansgar Belke, Tel: +49 30 89789 315, e-mail: [email protected]

Dr. Kerstin Bernoth, Tel: +49 30 89789 333, e-mail: [email protected]

Dr. Ferdinand Fichtner (Ansprechpartner), Tel: +49 30 89789 248, e-mail: [email protected]

DIW Berlin

Abteilung Konjunktur

Mohrenstraße 58

10117 Berlin

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

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Gliederung

1. Das Weltwährungssystem: historischer Überblick und Bewertungskriterien ................................. 4

a. Das Weltwährungssystem in der Vorkrisenzeit ......................................................................... 6

b. Kriterien zur Beurteilung von Währungssystemen .................................................................. 14

i. Wirkungen in der langen Frist: Aufbau und Reduktion globaler Ungleichgewichte und

Wachstumsstimulierung ................................................................................................................ 15

ii. Wirkungen in der langen Frist: Wechselkursunsicherheit und Arbeitsmärkte .................... 30

iii. Wirkungen in der kurzen Frist: Übertragung konjunktureller Impulse und

Preisentwicklungen ....................................................................................................................... 42

iv. Krisenfestigkeit: Wechselkursregimes und Übertragung monetärer Liquidität ................... 60

c. Zusammenfassung .................................................................................................................... 78

2. Eine Bewertung aus globaler Perspektive ..................................................................................... 81

a. Zukunftsszenarien: Das globale Wechselkurssystem ............................................................... 81

i. Global flexible Wechselkurse .............................................................................................. 82

ii. Global fixe Wechselkurse .................................................................................................... 85

iii. Regionale Integrationsräume bei globaler Flexibilität ......................................................... 88

b. Die spezielle Frage der Leitwährung ........................................................................................ 91

i. Der Dollar als globale Reservewährung – ‚Exorbitant Privilege’ und Triffin-Dilemma ..... 92

ii. Währungswettbewerb: Ein Weltwährungssystem mit mehreren Leitwährungen ................ 98

iii. Chinesischer Vorschlag I: eine supranationale Währung .................................................. 103

iv. Chinesischer Vorschlag II: Sonderziehungsrechte des IWF als globale Reservewährung 104

v. Leitwährung - Renminbi als Alternative? .......................................................................... 112

vi. Andere Vorschläge: Aufwertung des Goldes und anderer Rohstoffe als Reserve-Assets . 119

c. Durchsetzbarkeit und Eintrittswahrscheinlichkeiten .............................................................. 120

3. Politik im Übergang und im neuen System: Vermeidung von Fehlentwicklungen und

Entschärfung von Krisen ..................................................................................................................... 123

a. Der Übergang von einem monopolaren zu einem multipolaren Weltwährungssystem ......... 123

b. Die Mängel des derzeitigen Währungssystems beheben ........................................................ 125

i. Koordinierung der Geld- und Währungspolitik bei globaler Überschussliquidität ........... 126

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ii. Management der Kapitalflüsse ........................................................................................... 130

iii. Verbesserung der Finanzmarktaufsicht .............................................................................. 136

iv. Effektives Krisenmanagement ........................................................................................... 138

4. Zusammenfassende Betrachtung aus deutscher und europäischer Perspektive........................... 141

Literatur ............................................................................................................................................... 149

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1. Das Weltwährungssystem: historischer Überblick u nd Bewer-tungskriterien

Die Finanzkrise 2007/08 und die derzeitige „Euro-Krise“ stellen das bisherige Weltwährungssystem -

von John Maynard Keynes auch als die ‚rules of the game’ bezeichnet - in Frage. Aus deutscher und

europäischer Sicht birgt diese Situation die Chance zur Reflexion, aber auch die Möglichkeit, gestal-

tend in eine eventuelle Neuordnung einzugreifen. Während vor der Einführung des Euro der US-

Dollar als Handelswährung auf den globalen Güter- und Kapitalmärkten klar dominierte, war im ver-

gangenen Jahrzehnt eine Tendenz zu einem bipolaren Währungssystem mit dem Euro als zusätzlicher

Währung zu beobachten. Insbesondere angesichts der derzeitigen Spannungen im Euroraum ist die

zukünftige Rolle des Euro als Leit- und Reservewährung jedoch erneut in Frage gestellt. Gleichzeitig

dokumentiert die „Euro-Krise“, dass das Wechselkursregime nach wie vor eine zentrale Bedeutung für

die Stabilität von Märkten und ganzen Volkswirtschaften hat. So zeigt das Beispiel Griechenland, dass

das Fehlen eines flexiblen Wechselkurses zur Gewährleistung eines außenwirtschaftlichen Gleichge-

wichtes die Gefahr erheblicher Destabilisierung birgt; umgekehrt demonstriert die aktuelle Schwäche

des Euro, dass auch eine nach außen flexible Währung Instabilität mit sich bringen kann. Dies gilt

auch und gerade wegen der starken Zunahme kurzfristiger (spekulativer) Kapitalströme, die destabili-

sierende Tendenzen verstärken und die Bedeutung fundamentaler Faktoren bei der Wechselkursbil-

dung überlagern kann.

Der vorliegende Bericht untersucht im Kapitel 1 die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Währungs-

systeme theoretisch und auch angewandt auf die jüngsten Entwicklungen. Auf dieser Grundlage wer-

den in Kapitel 2 Szenarien für mögliche zukünftige Währungskonfigurationen entworfen. In Kapitel 3

werden allgemeine politische Handlungsoptionen ausgelotet und Kapitel 4 widmet sich einer Zusam-

menfassenden Betrachtung aus deutscher und europäischer Perspektive.

Wechselseitige Abhängigkeiten innerhalb des internationalen Währungssystems

Aus ökonomischer Sicht1 verfolgen alle internationalen Währungsregimes das gleiche Ziel: Durch die

Verringerung von Wechselkursvolatilität soll es den Mitgliedstaaten dieser Regime gleichzeitig er-

möglicht werden, ein stabiles gesamtwirtschaftliches Wachstum zu erreichen und die klassischen mak-

roökonomischen Ziele (Vollbeschäftigung, Preisstabilität und außenwirtschaftliches Gleichgewicht) zu

verwirklichen. Da es makroökonomisch jedoch nicht möglich ist, dass offene Volkswirtschaften

gleichzeitig über feste Wechselkurse, geldpolitische Souveränität und freien Kapitalverkehr verfügen

1 Die politischen Implikationen monetärer Integration werden in der vorliegenden Analyse weitgehend ausge-

klammert, auch wenn diese – wie etwa im Euroraum – oft eine wichtige Motivation für vertiefte wirtschaftliche

Zusammenarbeit darstellen.

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(währungspolitisches Trilemma), waren die Mitgliedstaaten eines jeden internationalen Währungssys-

tems gezwungen, auf Teilaspekte ihrer wirtschaftspolitischen Souveränität zu verzichten.

In den frühen 1960er Jahren lieferte der kanadische Ökonom Robert Mundell eine theoretische Erklä-

rung dafür, wie sich Einschränkungen im Bereich der Wechselkursflexibilität, der geldpolitischen

Souveränität und des freien Kapitalverkehrs auf den wirtschaftspolitischen Handlungsspielraum inner-

halb von Wechselkursregimen auswirken.2 Wenn etwa innerhalb eines festen Wechselkursregimes

keinerlei Beschränkungen für internationale Kapitalströme gelten, ist die nationale Geldpolitik ge-

zwungen, ihre binnenorientierte Stabilisierungspolitik der Fixierung des Wechselkurses zu unterwer-

fen. So kann eine expansive Geldpolitik durch Zinssenkungen keine dauerhafte Wirksamkeit entfalten,

da die aus der Zinssenkung resultierenden Kapitalabflüsse Abwertungsdruck auf die heimische Wäh-

rung entfalten. Die Zentralbank wäre zur Stabilisierung des Wechselkurses daher gezwungen, heimi-

sche Währung zum festgelegten Kurs gegen Devisen aufzukaufen und damit die inländische Geld-

menge zu reduzieren. Die ursprünglich expansive Geldpolitik wird demnach zunichte gemacht, bis

durch den erneuten Ausgleich der Zinsen zwischen In- und Ausland die Kapitalabflüsse nachlassen. In

festen Wechselkursregimen mit strengen Kapitalverkehrskontrollen hingegen könnte es nur in sehr

begrenztem Maße zu destabilisierenden Kapitalflüssen kommen. Derartige Regime würden eine grö-

ßere Divergenz nationaler Inflations- und Zinsraten zulassen und würden somit den nationalen Geld-

politiken einen größeren Spielraum ermöglichen. In flexiblen Wechselkursregimen schließlich werden

Wechselkurse von Angebot und Nachfrage nach nationalen Währungen auf den internationalen Fi-

nanzmärkten bestimmt. Innerhalb flexibler Wechselkursregime sollten nationale Autoritäten auch im

Falle internationaler Kapitalmobilität in der Lage sein, unabhängig zu handeln, da Wechselkurs-

schwankungen eine schnelle und automatische Anpassung an Veränderungen in heimischen und inter-

nationalen Angebots- und Nachfragebedingungen ermöglichen.

Obwohl sich Mundells Theorie auf idealtypische Währungsregime bezieht, die in der Realität so nie

existiert haben, liefert sie nützliche Ansatzpunkte um die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen

internationalen Währungsregimen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und anderen

Staaten zu verstehen. In Abhängigkeit von unterschiedlichen tradeoffs zwischen Wechselkursflexibili-

tät und Kapitalverkehrsfreiheit aber auch in Abhängigkeit von individuellen Regeln hinsichtlich der

Finanzierung von Defiziten und der Koordinierung mitgliedsstaatlicher Geld- und Fiskalpolitik, haben

verschiedene internationale Währungsregime ihren Mitgliedstaaten einerseits Beschränkungen aufer-

legt, andererseits aber auch wirtschaftliche Freiräume eröffnet. Die Vor- und Nachteile, die verschie-

dene Wechselkursregime für ihre Mitglieder mit sich bringen, hängen allerdings nicht nur von der

2 Vgl. hierzu etwa Mundell (1962) und Fleming (1962). Vgl. einführend auch Krugman und Obstfeld (2006),

Kapitel 17.

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institutionellen Architektur dieser Regime ab, sondern auch von den jeweiligen nationalen wirtschaft-

lichen Strukturen und Handelsbeziehungen.

a. Das Weltwährungssystem in der Vorkrisenzeit

In der Realität haben verschiedene internationale Währungsregime immer unterschiedliche Kompro-

misse zwischen verschiedenen Abstufungen von Wechselkursflexibilität, geldpolitischer Souveränität

und Kapitalverkehrsfreiheit gefunden. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion ist in dieser

Hinsicht insofern historisch einzigartig, als dass sie das erste internationale Währungsregime ist, das

auf der Basis unveränderbar festgelegter Wechselkurse funktioniert und keinerlei nationale geldpoliti-

sche Souveränität mehr zulässt. Auch für das Funktionieren dieses Wechselkursregimes spielen for-

melle und informelle Regeln und die Machtverteilung innerhalb und zwischen verschiedenen Mit-

gliedstaaten jedoch weiterhin eine wichtige Rolle. Der folgende Abschnitt skizziert die Entwicklung

des Weltwährungssystems in der Vorkrisenzeit und arbeitet Gemeinsamkeiten und Unterschiede her-

aus (vgl. etwa Eichengreen, 2011, und die dort zitierte Literatur).

Zwei Mal, während des klassischen Goldstandards zwischen 1873 und 1914 und während des Gold-

Dollar-Standards des Bretton Woods Systems zwischen 1958 und 1971, war die Deutsche Mark Teil

eines globalen internationalen Währungssystems mit festen Wechselkursen. Seit 1971 war der Wech-

selkurs der D-Mark international flexibel und regional im Rahmen verschiedener Wechselkursregime

stabilisiert. Wenn die D-Mark Teil eines festen Wechselkursregimes war, sah sich die Bundesbank

häufig gezwungen, stabilisierend einzugreifen. Innerhalb verschiedener fester Wechselkursregime

wurde diese Aufgabe entweder durch die Koordinierung mitgliedsstaatlicher Geld- und Fiskalpolitik

oder durch Einschränkungen des Kapitalverkehrs erleichtert. Zusätzliche Flexibilität wurde in man-

chen Systemen zudem dadurch gewährleistet, dass Wechselkursanpassungen vorgenommen werden

konnten und Defizite durch institutionalisierte Kreditmechanismen finanziert werden konnten.

Manchmal erwuchsen jedoch auch ganz konkrete Probleme aus der Parallelität von international fle-

xiblen und regional stabilisierten Wechselkursen. So ergaben sich innerhalb des Europäischen Wäh-

rungssystems (1979-1993) beispielsweise häufig Spannungen aus den regionalen Verpflichtungen der

Bundesbank und der Flexibilität des D-Mark-Wechselkurses außerhalb von Europa. Seit 1999 ist

Deutschland Teil eines regionalen Währungsregimes, das auf monetärer Integration beruht. Im Gegen-

satz zu ihren Vorgängerregimen verzichtet die EWU auf Kapitalverkehrsbeschränkungen und verfügt

über eine supranationale Zentralbank, eine gemeinsame Währung und eine gemeinsame Geld- und

Wechselkurspolitik.

Der Goldstandard (1873-1914)

Der klassische Goldstandard, der zwischen 1821 und dem Ersten Weltkrieg von Großbritannien orga-

nisiert wurde, war aus historischer Perspektive das global wohl umfassendste internationale Wäh-

rungssystem (für aktuell wieder zunehmende Bedeutung des Goldes in der Debatte um das ideale in-

ternationale Währungssystem vgl. Abschnitt 2.b.v). Herzstück des ursprünglichen Goldstandards war

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die Garantie stabiler Wechselkursraten für die Konvertibilität nationaler Währungen in Gold. Um die-

se feste Konvertibilität zu gewährleisten, verpflichteten sich die Mitgliedstaaten des Goldstandards,

Devisenreserven anzulegen. Trotz des Fehlens verbindlicher fiskal- oder geldpolitischer Regeln sahen

sich die Mitgliedstaaten des Goldstandards strukturell durch die Gefahr potenzieller Kapitalabflüsse,

Zinserhöhungen oder Imageverluste dazu gezwungen, stabilitätsorientiert zu wirtschaften. Um im

Falle „außergewöhnlicher Umstände“ wie Kriegen oder Krisen, die „eindeutig nicht der jeweiligen

Regierung anzulasten“ waren, flexibel reagieren zu können, gab es im Goldstandard eine Ausnah-

meregelung, die das festgelegte Mindestreservevolumen aufheben konnte und es erlaubte, dass Wech-

selkurse zeitweilig von ihrem festgesetzten Ziel abwichen.

Theoretisch sollte der Ausgleich zwischen Defizit- und Überschussländern im Goldstandard „automa-

tisch“ durch den sogenannten Goldautomatismus (‚price-specie-flow mechanism’) gewährleistet sein.

Dieser bestand darin, dass Länder, die aufgrund von Leistungsbilanzüberschüssen Goldzuflüsse erfuh-

ren (weil, vereinfachend angenommen, die Exporte von den ausländischen Nachfragern in Gold be-

zahlt wurden), ihre Geldmenge an das Volumen dieser Goldzuflüsse anpassten, indem Papiergeld ge-

mäß dem festgeschriebenen Wechselkurs zwischen Gold und jeweiliger Währung ausgegeben wurde

und das zufließende Gold den Reserven der Zentralbank zugeführt wurde. Defizitländer sollten hinge-

gen ihr Geldwachstum im Verhältnis zu ihren Goldabflüssen reduzieren. Durch Einhaltung dieser

„Spielregeln“ (‚rules of the game’) wurde prinzipiell gewährleistet, dass die Entwicklung des nationa-

len Preis- und Lohnniveaus in Überschuss- und Defizitländern Unterschiede in der Wettbewerbsfähig-

keit ausgleicht und so auch einen Ausgleich der Leistungsbilanzpositionen nach sich zieht.

In der Realität waren Preise und Löhne in den Mitgliedstaaten des Goldstandards natürlich nicht per-

fekt flexibel und die Zentralbanken waren nicht immer kompetent oder gewillt, die nationale Geld-

menge gemäß den Regeln des Systems zu kontrollieren. Auch durch expansive Fiskalpolitik kam es,

vor allem in Lateinamerika, zu gelegentlichen Abwertungen. Trotz des Fehlens strenger fiskal- und

geldpolitischer Vorgaben gewährleistete die überwiegend stabilitätsorientierte Politik der wichtigen

europäischen Mitgliedstaaten Frankreich, Deutschland und Großbritannien ein im Großen und Ganzen

reibungsloses Funktionieren des Goldstandards bis zum Ersten Weltkrieg. Gesetzt den Fall, dass es zu

erheblichen Ungleichgewichten kam, erlaubten zwei nicht formalisierte Verfahrensweisen ein gewis-

ses Maß an Flexibilität und ermöglichten es den Regierungen, das Ausmaß spekulativer Kapitalflüsse

einzuschränken: Mitgliedstaaten konnten einerseits auf kurzfristige Maßnahmen wie die Erweiterung

von Wechselkursmargen zurückgreifen, oder sie konnten den Umtausch von Banknoten kurzfristig

regulativ einschränken. Andererseits, und dies war die bei Weitem wichtigere Methode, konnten sich

Mitgliedstaaten dazu entschließen, Wechselkursrisiken gemeinsam zu begegnen, indem sie beispiels-

weise Spekulanten dadurch entmutigten, dass sie sich gegenseitig Schulden stundeten oder Gold lie-

hen.

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Die Zwischenkriegszeit (1918-1939)

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bestimmten zunächst flexible Wechselkurse den Charakter des

internationalen Währungssystems. Die weitgehende Abhängigkeit nationaler Zentralbanken von ihren

jeweiligen Regierungen und das Fehlen stabilitätsorientierter Maßnahmen führten in vielen Fällen zu

inflationären Exzessen. Nirgends waren die inflationären Folgen ungezügelten Geldmengenwachstums

deutlicher zu beobachten als in Deutschland. Nachdem es einen Großteil seiner Goldreserven in Repa-

rationszahlungen verloren hatte, war Deutschland nicht mehr länger in der Lage, Goldmark in ausrei-

chendem Maße zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund veranlasste die Regierung die Reichs-

bank dazu, große Mengen ungedeckten Papiergeldes zu drucken und so den Grundstein für die Hyper-

inflation zwischen 1920 und 1924 zu legen. Zwischen 1925 und 1931 versuchten die meisten europäi-

schen Staaten zu einer veränderten Form des Goldstandards zurückzukehren. Anders als der klassische

Goldstandard war der Goldstandard der Zwischenkriegszeit jedoch von permanenter Instabilität be-

gleitet, da viele Regierungen versuchten, wirtschaftliche Krisen durch großzügige fiskal- und geldpoli-

tische Maßnahmen zu überwinden. Internationale Zusammenarbeit bei der Krisenbewältigung wurde

zudem durch weitgreifenden Protektionismus und Auseinandersetzungen über Kriegsschulden und

Reparationszahlungen erschwert. Als der neu aufgelegte Goldstandard letztlich im September 1931

wieder zerfiel, begannen die meisten ehemaligen Mitgliedstaaten erneut, Kapitalverkehrskontrollen

einzuführen und, wenn auch ohne Erfolg, die Wechselkurse ihrer Währungen im scheinbaren nationa-

len Interesse zu manipulieren.

Die Europäische Zahlungsunion (1950-1958)

Das internationale Währungssystem stabilisierte sich letztlich erst wieder in den 1950er Jahren. Schon

vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Alliierten im Juli 1944 auf Initiative Großbritanniens

und der USA zusammengekommen, um Regeln, Institutionen und Verfahren für ein funktionierendes

internationales Währungssystem nach dem Krieg zu entwickeln. Bevor dieses sogenannte Bretton

Woods System jedoch eingeführt werden konnte, mussten die Währungen Westeuropas zunächst ihre

internationale Konvertibilität wiedererlangen. Nach dem Ende des Krieges hatten die Schwäche der

westeuropäischen Währungen und die in Westeuropa geringe Verfügbarkeit international konvertibler

Reserven in Form von Gold oder US-Dollars zunächst zu Handelsbilateralismus, Devisenkontrollen

und anderen Einschränkungen geführt. Mit Hilfe von Einfuhr- und Ausfuhrkontrollen versuchten die

einzelnen westeuropäischen Staaten zunächst individuell, Devisenüberschüsse in Form von Gold oder

Dollars zu erwirtschaften. Die logische Folge dieses Vorgehens war eine Art merkantilistischer

Tauschhandel, der den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach dem Ende des Krieges stark beeinträchtig-

te.

Nach zwei vergeblichen Versuchen gelang es den Mitgliedern der OECD-Vorläuferorganisation Or-

ganisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) und den USA schließlich im Sep-

tember 1950, zu einem multilateralen Zahlungssystem zurückzukehren. Gemeinsam mit der allmähli-

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chen Rückführung quantitativer Handelshemmnisse im Rahmen der OEEC schuf die Einführung der

Europäischen Zahlungsunion (EZU) das nötige währungspolitische Umfeld, um die erneute internati-

onale Konvertibilität der westeuropäischen Währungen im Rahmen des Bretton Woods Systems zu

gewährleisten, als dessen regionales Äquivalent die EZU über ein festes Wechselkursregime verfügte.

Anders als der Gold-Dollar-Standard des Bretton Woods Systems gab es in der EZU jedoch keine

Leitwährung und die EZU operierte unabhängig von den Bretton Woods Institutionen und der US-

Regierung. Um Spekulation vorzugreifen, institutionelle Stabilität zu sichern und die Bildung von

Devisenreserven zu fördern, verpflichteten die Statuten der EZU ihre Mitgliedstaaten eine Politik zu

verfolgen, die darauf abzielte, extreme Ungleichgewichte zu vermeiden. Falls es dennoch zu Un-

gleichgewichten kommen sollte, erklärten sich die Mitgliedstaaten der EZU dazu bereit, gleichge-

wichtsorientierte Strukturreformen durchzuführen, um so die Rückkehr ihrer Währungen zu internati-

onaler Konvertibilität zu beschleunigen.

Herzstück der Europäischen Zahlungsunion war ihr Zahlungssystem. Technisch funktionierte dieses

Zahlungssystem auf der Basis eines multilateralen Ausgleichssystems, in dem die Überschuss- und

Defizitpositionen aller Mitgliedstaaten zentral abgerechnet werden konnten. Zu diesem Zweck melde-

ten die Zentralbanken der Mitgliedstaaten ihre bilateralen Positionen monatlich der Bank für Internati-

onalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. Die BIZ verrechnete diese bilateralen Positionen dann als

einheitliche Position gegenüber der EZU als ganzer. Defizitländer bereinigten dann ihre Positionen

teilweise durch automatisch von Überschussländern vergebene Kredite oder durch Devisenzahlungen

in Form von Gold oder US-Dollars. Der relative Anteil dieser Zahlungen, der durch Kredite und durch

Devisenzahlungen beglichen wurde, war durch ein System nationaler Quoten und Zahlungsraten fest-

gelegt. Wenn Defizitländer ihre Quote erschöpft hatten und keine neuen Kredite bereitgestellt wurden,

mussten verbleibende Defizite vollständig in Form von Gold oder Dollars beglichen werden.

Mithilfe des EZU-Zahlungsmechanismus sollten gleichzeitig zwei wichtige politische Probleme gelöst

werden. Durch die Zahlung von Gold und Dollars im Falle von Überschüssen sollte ein finanzieller

Anreiz für exportorientiertes Wachstum geschaffen werden, und durch die Kreditfinanzierung von

Defiziten sollten Mitgliedstaaten ermutigt werden, heimische Märkte für Importe zu öffnen. Gleichzei-

tig sollten exzessive Defizite eingeschränkt und Strukturreformen attraktiver gemacht werden, indem

Defizite, die über die jeweiligen nationalen Quoten hinausgingen, komplett durch die Zahlung von

Gold oder Dollars beglichen werden mussten. Erst vor kurzem wurde über die Aufwertung des Goldes

als Reserve-Asset neu diskutiert (vgl Abschnitt 2.b.vi).

Das Bretton Woods System (1944-1971)

Die EZU löste sich am 27. Dezember 1958 auf, nachdem sich die meisten Mitgliedstaaten bereit er-

klärt hatten, Artikel VIII der Satzung des Internationalen Währungsfonds zu akzeptieren und ihre

Währungen für internationale Handelstransaktionen konvertibel zu machen. Die Rückkehr der westeu-

ropäischen Währungen zu internationaler Handelskonvertibilität war die Voraussetzung für den Über-

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gang zum Bretton Woods System. Kern des Bretton Woods Systems war ein festes Wechselkursre-

gime, das dazu dienen sollte, eine höhere Wechselkursstabilität zu garantieren und eine Wiederholung

der Abwertungsspirale der Zwischenkriegszeit zu verhindern. Mit dem Beitritt zum Bretton Woods

System erklärten sich die Mitgliedstaaten bereit, ihre Wechselkurse im Verhältnis zum Dollar zu stabi-

lisieren und, wenn nötig, auf den Devisenmärkten zu intervenieren, um Wechselkursfluktuationen

innerhalb einer Bandbreite von einem Prozent gegenüber dem festgelegten Wechselkurs zu halten. Als

Leitwährung des Bretton Woods Systems war der Wert des Dollar wiederum auf einen Goldpreis von

$35 pro Feinunze festgelegt. Während andere Mitgliedstaaten sich bereit erklärten, Gold nicht ober-

halb dieses Preises zu kaufen oder zu verkaufen und wenn nötig den Wechselkurs des Dollar durch

Dollarkäufe zu stärken, garantierten die USA die freie Konvertibilität ihrer Währung in Gold.

Für den Fall temporärer und zyklischer Zahlungsbilanzungleichgewichte sah das Bretton Woods Sys-

tem vor, dass Mitgliedstaaten deflationäre bzw. inflationäre Politiken verfolgten und zur Defizitfinan-

zierung entweder ihre Devisenreserven nutzten oder sich beim IWF verschuldeten. Die Mittelausstat-

tung des IWF und die Verfügbarkeit dieser Mittel (‚drawing rights’) für einzelne Mitgliedstaaten wa-

ren abhängig von nationalen Quoten. Mitgliedstaaten waren verpflichtet, dem IWF entsprechend ihrer

Quoten Finanzmittel in Form von Gold und nationalen Währungen zur Verfügung zu stellen. Der

Goldanteil entsprach dabei entweder 25% der nationalen Quote oder 10% der Netto-Gold- und Dollar-

bestände eines jeweiligen Landes. Im Gegenzug konnten Mitgliedstaaten entsprechend ihrer Quoten

und unter Auflagen fremde Währungen aus den Beständen des IWF verwenden, um sich gegen Devi-

senspekulationen zu schützen. Solange die Devisenreserven eines Mitgliedstaates nicht unterhalb einer

bestimmten Schwelle lagen, waren Mitgliedstaaten, die von den Einlagen des IWF Gebrauch machten,

darüber hinaus dazu verpflichtet, einen gleichen Anteil eigener Devisenreserven zu verwenden.

Um die Stabilität des Bretton Woods Systems auch im Falle von Zahlungsbilanzkrisen sicherzustellen,

waren Kapitalverkehrskontrollen für Finanztransaktionen nicht nur erlaubt, sondern teilweise sogar

erwünscht. Einschränkungen für Handelstransaktionen hingegen waren theoretisch nur während einer

„Übergangsphase“ nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und gegenüber Mitgliedstaaten mit dau-

erhaften „exzessiven“ Überschüssen erlaubt. Darüber hinaus erlaubten die Statuten des Internationalen

Währungsfonds Wechselkursanpassungen, wenn eine einfache Stimmenmehrheit zustimmte, dass ein

„fundamentales Ungleichgewicht“ eine derartige Anpassung notwendig mache.

Obwohl Artikel IV, Abschnitt 6 des IWF-Statuts festlegte, dass Wechselkursanpassungen nur im Falle

„fundamentaler Ungleichgewichte“ erlaubt waren, wurde dieser Terminus nie genau spezifiziert.

Wechselkursanpassungen wurden darüber hinaus dadurch erleichtert, dass sie lediglich einer einfachen

Stimmenmehrheit im IWF bedurften und es dem IWF freigestellt war, wie er mit Mitgliedstaaten ver-

fuhr, die eigenmächtige Wechselkursanpassungen vornahmen. Wenngleich der IWF einem Mitglied-

staat Finanzhilfen verwehren und unter bestimmten Bedingungen sogar ein Ausschlussverfahren er-

öffnen konnte, war aufgrund der absichtlich vage formulierten Ungleichgewichtsklausel und aufgrund

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des großen Entscheidungsspielraums des IWF eine ausreichend große Flexibilität für Wechselkursan-

passungen gewährleistet. Paradoxerweise scheinen es jedoch gerade die bewusst vage formulierte

Ungleichgewichtsklausel in Artikel IV und der große Entscheidungsspielraum des IWF gewesen zu

sein, die Mitgliedstaaten davon abhielten, Wechselkursanpassungen vorzunehmen. Aufgrund der

scheinbaren Leichtigkeit von Wechselkursanpassungen kam es zu heftigen spekulativen Kapitalbewe-

gungen, wenn eine Regierung auch nur darüber nachdachte, eine Wechselkursanpassung vorzuneh-

men. Während Überschussländer spekulativen Kapitalflüssen einfach begegnen konnten, indem sie

diese sterilisierten, sahen sich Defizitländer gezwungen, auf IWF-Kredite oder eigene Devisenreserven

zurückzugreifen. Vor allem die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit dem Ende der Europäischen

Zahlungsunion schwächte die Position der Defizitländer.

Schon seit Mitte der 1960er Jahre war aufgrund wachsender US-Defizite (Präsident Johnsons „Great

Society“-Programm, Vietnam-Krieg) die Golddeckung des US-Dollar nicht mehr gewährleistet und

aus dem Gold-Dollar-Standard de facto bereits ein Dollarstandard geworden. Da Mitgliedstaaten dar-

über hinaus zögerten, Wechselkursanpassungen vorzunehmen, spiegelten sich unterschiedliche Pro-

duktivitätsentwicklungen mit der Zeit in einer realen Verzerrung der Wechselkurse wider. Diese Ent-

wicklungen wirkten sich negativ auf die Stabilität des Bretton Woods Systems aus und waren gleich-

zeitig Ausdruck einer ungleichen Lastenverteilung zwischen Defizit- und Überschussländern und Fol-

ge der herausgehobenen Rolle der USA und des Dollar innerhalb des Bretton Woods Systems.

Der Europäische Wechselkursverbund – ‚Währungsschlange’ (1972-1979)

Als sich die Krisen innerhalb des Bretton Woods Systems in den späten 1960ern häuften, fürchteten

die Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), dass zunehmende Wechsel-

kursschwankungen zu einer Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels führen könnten

und die Gemeinsame Agrar- (GAP) und Zollpolitik gefährden würden. Die sechs Mitgliedstaaten der

EWG beschlossen daher auf ihrem Den Haager Gipfeltreffen im Jahr 1969 den langfristigen Übergang

zu einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWU), die die wirtschaftspolitische Koordi-

nierung ihrer Mitgliedstaaten erleichtern und Wechselkursschwankungen verringern sollte. Dieses

Vorhaben wurde 1970 im sogenannten Werner-Plan präzisiert und führte nach dem Ende des Bretton

Woods Systems zum Beschluss von Basel, in dem die EWG Staaten im April 1972 die Einführung

eines festen Wechselkursregimes und ein gemeinsames ‚ floaten’ gegenüber dem Dollar vereinbarten.

Die Mitgliedstaaten der EWG (und drei Beitrittskandidaten) erklärten sich im Europäischen Wechsel-

kursverbund bereit, die Wechselkurse ihrer Währungen innerhalb eines festgelegten Korridors zu sta-

bilisieren. Dieser Korridor hatte eine Bandbreite von 2,25 % gegenüber einem als ECU (European

Currency Unit) bezeichneten gewichteten Durchschnittswert der Mitgliedswährungen. Die wirt-

schaftspolitische Koordinierung innerhalb dieses Wechselkursregimes blieb schwach und die Mit-

gliedstaaten nutzten auch weiterhin die Finanzmittel des IWF, um Verpflichtungen gegenüber anderen

Mitgliedstaaten nachzukommen. Nach der Ölkrise von 1973 führten unkoordinierte nationale fiskal-

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und geldpolitische Maßnahmen schnell zu divergierenden Inflationsraten und somit letztlich auch zu

einem Zerfall des Wechselkursverbundes.

Das Europäische Währungssystem (1979-1993)

Im Laufe des Jahres 1978 wurden Pläne für ein Nachfolgeregime des Wechselkursverbundes konkre-

ter und im Dezember 1978 präzisierte eine Resolution des Europäischen Rates die Ausgestaltung des

Wechselkurs- und Interventionsmechanismus im zukünftigen Europäischen Währungssystem (EWS).

Mit der Vertragsunterzeichnung durch die Zentralbanken der teilnehmenden Staaten wurde das EWS

schließlich im März 1979 ins Leben gerufen. Wie die Europäische Zahlungsunion 30 Jahre früher war

das EWS von Anfang an als Übergangsregime konzipiert. Der wesentliche Zweck dieses Regimes war

es, die Wechselkursvolatilität innerhalb des Gemeinsamen Marktes der EWG einzuschränken und so

den Weg für eine tiefer gehende Integration nationaler Geld- und Fiskalpolitiken in einer zukünftigen

Wirtschafts- und Währungsunion zu ebnen.

Herzstück des Europäischen Währungssystems war der Wechselkursmechanismus (WKM) (engl. Eu-

ropean Exchange Rate Mechanism, ERM). Innerhalb des WKM waren Wechselkursschwankungen

genau wie im Wechselkursverbund auf 2,25 % (6 % im Fall von Italien, Spanien und Großbritannien)

begrenzt. Um Währungsspekulationen vorzugreifen, beinhaltete der WKM einen sogenannten Diver-

genzindikator. Dieser Indikator sollte es den Mitgliedstaaten erleichtern, den richtigen Zeitpunkt für

Interventionen auf dem Devisenmarkt zu erkennen und so spekulative Schwankungen minimieren.

Statt sich auf Interventionen zu verlassen, bevorzugten es die Mitgliedstaaten des EWS allerdings

zunächst, Kapitalverkehrskontrollen beizubehalten und mit Wechselkursanpassungen auf Ungleich-

gewichte zu reagieren. Derartige Wechselkursanpassungen mussten im Rahmen des EWS verhandelt

werden und erforderten die einstimmige Zustimmung aller Mitgliedstaaten. Im Laufe der Jahre kam

der D-Mark innerhalb des EWS eine immer wichtigere Rolle zu. Insbesondere die Aufwertungsnei-

gung der D-Mark gegenüber dem Dollar führte zu Problemen innerhalb des EWS. Immer wenn die D-

Mark unter Aufwertungsdruck gegenüber dem Dollar geriet, floss ausländisches Kapital nach

Deutschland und die D-Mark geriet auch gegenüber den EWS-Währungen unter Aufwertungsdruck.

Innerhalb des EWS erhöhten derartige Kapitalbewegungen vor allem den Anpassungsdruck auf Län-

der mit schwachen Währungen.

Nachdem die EWG-Staaten 1986 in der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) beschlossen hatten,

den Kapitalverkehr innerhalb des EWS vollständig zu liberalisieren, wurden Wechselkursanpassungen

als Mittel zur Korrektur von Ungleichgewichten zunehmend durch Zinsanpassungen und Devisenin-

terventionen ersetzt. Diese Veränderungen führten zu einer verstärkten Inanspruchnahme der Finanzie-

rungsinstrumente des EWS (‚very short term financing facilities’, VSTF). Um die Verwendung der

VSTF zu erleichtern, wurden die Nutzungsbedingungen dieser Finanzinstrumente 1987 im Basel-

Nyborg-Agreement reformiert. Sowohl vor als auch nach dieser Reform bedurfte die Verwendung von

Devisenreserven oder Krediten zur Finanzierung von Interventionen innerhalb des Wechselkurskorri-

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dors allerdings der Zustimmung der Hartwährungsländer. Auch die Bestimmungen hinsichtlich der

verpflichtenden, automatischen bilateralen Interventionen an den Grenzen des Wechselkurskorridors

wurden beibehalten.

Ursprünglich war die Verwendung von VSTF-Krediten an relativ strenge Auflagen geknüpft. Obwohl

Hartwährungsländer hinsichtlich der Verwendungen ihrer Währungen zu Interventionszwecken skep-

tisch blieben, stimmten sie einer Reform der VSTF zu, da die Liberalisierung des Kapitalverkehrs zu

einer größeren Wechselkursvolatilität führte und somit auch die Wahrscheinlichkeit und die potenziel-

le Größenordnung von verpflichtenden bilateralen Interventionen erhöhte. Obwohl sich die Attraktivi-

tät der VSTF-Kredite dennoch nur geringfügig vergrößerte, stieg die Abhängigkeit der Weichwäh-

rungsländer von diesen Krediten angesichts der Kapitalmarktliberalisierung rapide an. Aufgrund der

Kapitalmarktliberalisierung büßte die nationale Geldpolitik ihre makroökonomische Steuerungswir-

kung ein. Statt die heimische Nachfrage zu dämpfen, machten Zinssteigerungen ein Land nun ledig-

lich attraktiver für ausländisches Kapital und jegliche Diskussion über Wechselkursanpassungen konn-

te nun innerhalb des EWS zu massiven spekulativen Kapitalbewegungen führen.

Als die Bundesbank als Reaktion auf den Wiedervereinigungsboom begann, ihre Zinsen auf Rekord-

niveau anzuheben, war der Zusammenbruch des EWS nur noch eine Frage der Zeit. Im Gegensatz zu

Deutschland befanden sich die anderen EWS-Staaten in einer Phase schwachen Wachstums und ver-

zeichneten keine steigenden Inflationsraten. Als die übrigen EWS-Staaten begannen, ihre Zinsen an-

zuheben, um ihre Währungen gegenüber der D-Mark zu stabilisieren, trieben sie ihre Volkswirtschaf-

ten unfreiwillig in die Rezession. Die daraus resultierenden Ungleichgewichte führten schließlich zu

massiven spekulativen Kapitalflüssen, die letztlich 1993 das Ende des EWS bedeuteten.

Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (seit 1999)

Trotz oder vielleicht gerade wegen der Probleme im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung mün-

dete eine deutsch-französische Initiative schließlich im Maastrichter Vertrag vom Februar 1992 mit

dem Beschluss zur Gründung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. In Maastricht

vereinbarten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) die Einführung einer Gemeinschafts-

währung und verabschiedeten einen Katalog mit Konvergenzkriterien, deren Erfüllung zur Teilnahme

an dieser Gemeinschaftswährung verpflichtete. Diese Kriterien legten fest, dass (i) die Inflationsrate

eines potenziellen Mitgliedstaates die durchschnittliche Inflationsrate der drei Länder mit der gerings-

ten Inflation nicht um mehr als 1,5 Prozentpunkte übersteigen dürfen, dass (ii, iii) die jährliche Net-

toneuverschuldung eines potenziellen Mitgliedstaates sich auf höchstens 3 % des BIP und die Staats-

schulden sich auf höchstens 60 % des BIP belaufen dürfen, dass (iv) der Zinssatz langfristiger Staats-

anleihen nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der drei preisstabilsten Mitgliedstaa-

ten liegen darf und dass (v) ein potenzieller Mitgliedstaat innerhalb der letzten zwei Jahre den Wech-

selkurs seiner Währung innerhalb einer Bandbreite von 15 % gegenüber den anderen Mitgliedstaaten

stabilisiert hat. Um zu gewährleisten, dass auch innerhalb der EWU die fiskalpolitische Disziplin (ii,

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iii) gewahrt bleibt, wurde der Maastrichter Vertrag im Jahr 1997 durch einen Stabilitäts- und Wachs-

tumspakt ergänzt, in dem sich die Mitgliedstaaten dazu bereit erklärten, über ihre Ausgabenpolitik

Rechenschaft gegenüber dem ECOFIN-Rat abzulegen. Nach lauter Kritik an der mangelnden Flexibi-

lität des Stabilitätspaktes und aufgrund der offensichtlichen Unfähigkeit der Europäischen Kommissi-

on, die Einhaltung der fiskalpolitischen Regeln zu gewährleisten, verständigten sich die EWU-Staaten

schließlich im März 2005 auf einen reformierten Stabilitätspakt, der in Zukunft auch (i) zyklische

Schwankungen, (ii) das Niveau der Gesamtverschuldung, (iii) die Dauer von wirtschaftlichen Schwä-

cheperioden und (iv) die Möglichkeit, dass Defizite für produktivitätssteigernde Investitionen verwen-

det wurden, in Betracht zieht.

Mit der vollständigen Einführung einer Gemeinschaftswährung gibt es in der EWU anders als im Bret-

ton Woods System oder im Europäischen Währungssystem keine Leitwährung, die einem Mitglied-

staat besondere Privilegien einräumen könnte. Die Einführung einer gemeinsamen Zentralbank bedeu-

tete darüber hinaus auch, dass EWU-Staaten mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten nicht mehr wie früher

die Möglichkeit haben, das Ausmaß ihrer Defizite oder die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Firmen durch

Wechselkurs- oder Zinsmanipulationen zu verändern. Der Verlust dieser Instrumente wurde jedoch

innerhalb der EWU zum Teil durch die günstigeren Möglichkeiten zur Defizitfinanzierung aufgefan-

gen. Während die meisten EWU-Staaten ihre Defizite mit Einführung des Euro zu wesentlich verbes-

serten Konditionen finanzieren konnten, mussten Überschussländer wie die Bundesrepublik nicht

mehr länger die Aufwertung ihrer Währungen und den damit einhergehenden Verlust von Wettbe-

werbsfähigkeit fürchten. Aufgrund der äußerst engen wirtschaftlichen Verflechtung der EWU-Staaten

resultierten der Verlust der Wechselkursflexibilität und die leichtere Finanzierbarkeit von Defiziten

innerhalb der EWU zu einem starken Zusammenhang zwischen Defizit- und Überschusspositionen.

Einige negative Begleiterscheinungen dieser gestiegenen Interdependenz werden in der derzeitigen

Zahlungsbilanzkrise der EWU deutlich.

b. Kriterien zur Beurteilung von Währungssystemen

Das Wechselspiel zwischen internationalen Währungsregimen und nationalen Akteuren bestimmt

individuell für jeden Mitgliedstaat eines internationalen Währungsregimes, (i) wie sich internationale

wirtschaftliche Entwicklungen auf das heimische Preisniveau auswirken, (ii) welche Geldpolitik ver-

folgt werden kann oder muss und (iii) wie stark nationale Akteure dem internationalen Wettbewerb

ausgesetzt sind. Die Bedeutung unterschiedlicher internationaler Währungsregime für nationale

Volkswirtschaften und die Fähigkeit dieser Regime, ihre Mitgliedstaaten für eventuelle Nachteile, die

sich aus dem Verlust ihrer geldpolitischen Souveränität, ihrer Wechselkursflexibilität oder ihrer Of-

fenheit für internationale Kapitalflüsse ergeben, zu kompensieren, bestimmt wiederum die Stabilität

verschiedener Wechselkursregime.

Dabei kann zwischen langfristigen und kurzfristigen Wirkungen des Wechselkursregimes unterschie-

den werden. Dieser Strukturierung folgend untersucht die vorliegende Arbeit zunächst die Auswirkun-

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gen des Wechselkursregimes auf eher langfristige Phänomene wie Aufbau und Reduktion globaler

Ungleichgewichte sowie die Wachstumswirkungen unterschiedlicher Systeme. Im zweiten Abschnitt

des vorliegenden Kapitels werden eher kurzfristige konjunkturelle Aspekte wie die Übertragung von

Schwankungen in den Produktionsniveaus oder inflationärer Entwicklungen analysiert. Abschließend

diskutiert das Kapitel die Wirkungen des Wechselkursregimes auf globale Fehlentwicklungen, wie

etwa die Resistenz gegen Währungskrisen und spekulative Attacken sowie globale Überschussliquidi-

tät.

i. Wirkungen in der langen Frist: Aufbau und Reduktion globaler Ungleichgewichte

und Wachstumsstimulierung

Es existiert eine umfangreiche Literatur, welche den Einfluss des Wechselkursregimes auf eine ganze

Reihe verschiedener wirtschaftlicher Indikatoren untersucht. Eine zentrale Rolle bei der Bewertung

verschiedener Wechselkursregime spielt der Zusammenhang zwischen der Wahl des Währungssys-

tems und der Entstehung bzw. dem Abbau globaler Ungleichgewichte und der Förderung wirtschaftli-

chen Wachstums. Diese beiden Aspekte werden wir im Folgenden genauer untersuchen.

Theorie: Zusammenhang zwischen Wechselkursregimen und Leistungsbilanzen

Die These, dass das Wechselkursregime die Entstehung und die Persistenz von Leistungsbilanzun-

gleichgewichten beeinflusst, ist in der Wirtschaftspolitik weit verbreitet. Der Theorie nach beeinflusst

der reale und nicht der nominale Wechselkurs die Leistungsbilanz eines Landes. In einer Ökonomie

ohne verzögerte Preisanpassung oder auch in langer Frist wird der reale Wechselkurs nicht vom nomi-

nalen Wechselkursregime beeinflusst, sondern von realen Faktoren wie Produktivität, und Investiti-

ons- und Konsumtätigkeit, etc. beeinflusst. Erst mit Preisrigiditäten und Anpassungsverzögerungen

lässt sich kurzfristig ein Effekt des Wechselkursregimes auf die Leistungsbilanz erklären, da durch

diese eine Korrelation zwischen nominalen und realen Wechselkursen entsteht.

Aufstrebende Volkswirtschaften erleben in der Regel langfristig eine Aufwertung ihres realen Wech-

selkurses, welche aufgrund der stetig wachsenden Konsumnachfrage das Gleichgewicht zwischen

Export- und Importnachfrage garantiert. Bei einer Wechselkursfixierung ist dieser Anpassungsmecha-

nismus jedoch unterdrückt, wodurch es zu erhöhten wirtschaftlichen Spannungen kommt. Dies führt

zu der Annahme, dass unflexible Wechselkursregime den Aufbau von Leistungsbilanzungleichge-

wichten begünstigten (Eichengreen, 2008, S. 215). Diese Ansicht wurde bereits vor mehr als 50 Jahren

von Milton Friedman vertreten, weshalb man auch von der ‚Friedman-Hypothese’ spricht (Friedman,

1953: “Changes in the exchange rate occur rapidly, automatically, and continuously and so tend to

produce corrective movements before tensions can accumulate and a crisis develop.”).

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Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass sich die Leistungsbilanz eines Landes tendenziell immer

wieder ihrem langfristigen Mittelwert annähert.3 Dies bedeutet zum Beispiel, dass - wenn ein Land

über einen gewissen Zeitraum überdurchschnittliche Leistungsbilanzüberschüsse aufweist - in den

Folgejahren mit einer Abnahme dieser Überschüsse zu rechnen ist, sodass sich die Leistungsbilanz

wieder ihrem langfristigen Gleichgewichtswert annähert. Untersuchungen haben ergeben, dass die

Geschwindigkeit, mit der sich diese Anpassung vollzieht, für einzelne Länder recht unterschiedlich ist.

Eine immer häufiger vertretene Hypothese ist, dass die Wahl des Wechselkursregimes nicht nur die

Entstehung von Leistungsbilanzungleichgewichten beeinflusst, sondern zugleich auch deren Persis-

tenz. Unter flexiblen Wechselkurssystemen ist diese Persistenz geringer, unter fixen Wechselkursen

dagegen größer.

Man findet verschiedene Beispiele in der Geschichte, die die These unterstützen, dass Systeme mit

Wechselkursfixierung den Aufbau von erheblichen Leistungsbilanzungleichgewichten begünstigen.

Unter den unflexiblen Wechselkursen des Gold-Standards zwischen 1870 und 1914 kam es zu einer

raschen Entwicklung von Leistungsbilanzungleichgewichten. Wie Bordo (2003) zeigt, wiesen Groß-

britannien, Frankreich, Deutschland und die Niederlande in dieser Periode Leistungsbilanzüberschüsse

von bis zu 9 % auf, Spitzenwerte, die bis heute ungeschlagen sind. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es

Bemühungen, den Goldstandard wieder einzuführen. Die meisten Länder richteten ihre Währungen

wieder an einem fixen Goldpreis aus, allerdings nicht immer zu optimalen Wechselkursen. Großbri-

tanniens Wechselkurs stellte sich als überbewertet und derjenige Deutschlands und Frankreichs als

unterbewertet heraus, wodurch England in den darauf folgenden Jahren ein chronisches Leistungsbi-

lanzdefizit und Frankreich und Deutschland einen chronischen Überschuss aufwiesen. Japans Situati-

on in der Ära des Bretton Woods Systems weist wohl die meisten Parallelen zur derzeitigen Situation

Chinas auf. Japan verfolgte eine stark exportorientierte Strategie mit einem unterbewerteten Wechsel-

kurs. Der daraus resultierende chronische Leistungsbilanzüberschuss war zwar wachstumsfördernd,

sorgte jedoch für anhaltende Spannung mit anderen Ländern und erhöhte den Inflationsdruck durch

Kapitalimporte. Dies machte es für die japanische Regierung sehr schwer, ihren Wechselkurs konstant

zu halten. Erst nach dem Zerfall des Bretton Woods wurde der Yen aufgewertet.

Theorie: Zusammenhang zwischen Wechselkursregimen und Wirtschaftswachstum

Es ist anzunehmen, dass die Wahl des Wechselkursregimes auch direkt und/oder indirekt Einfluss auf

das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft nimmt. In der Wirtschaftstheorie werden mehrere

Kanäle beschrieben, über welche das Wechselkursregime das Wachstum eines Landes beeinflusst.

Durch diese Komplexität ist es jedoch nicht eindeutig, ob flexiblere Wechselkurse nun stimulierend

oder dämpfend auf das Wachstum eines Landes wirken. Dornbusch (2001) argumentiert, dass Länder

3 Vergleiche etwa Milesi-Ferretti und Razin (1998) und Freund (2000).

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mit Wechselkursfixierung4 niedrigere Inflationsraten aufweisen, da sie mehr Glaubwürdigkeit auf

internationalen Kapitalmärkten genießen. Die daraus resultierenden niedrigen nominalen Zinssätze

und reduzierte Marktunsicherheit wirken sich stimulierend auf Investitionen und Wachstum aus. Fran-

kel und Rose (2002) fügen hinzu, dass sich die Handelsaktivität zwischen den Ländern, deren bilatera-

le Wechselkurse fixiert sind, aufgrund sinkender Transaktionskosten verstärkt. Eine Wechselkursfixie-

rung wirkt sich demnach durch den daraus resultierenden höheren Öffnungsgrad dieser Volkswirt-

schaft ebenso stimulierend auf das Wirtschaftswachstum aus.

Viaene und de Vries (1992) und Bailliu et al. (2003) argumentieren dagegen, dass der negative Zu-

sammenhang zwischen Wechselkursunsicherheit und Handelsaktivität nicht per se gilt, sondern ent-

scheidend vom Risikoaversionsgrad der Investoren abhängt. Sind Investoren risikofreudig oder stehen

den Investoren ausreichend Hedging-Möglichkeiten etwa auf Forward-Märkten zur Verfügung, kön-

nen Wechselkursschwankungen auch stimulierend auf Handelsaktivitäten wirken. Friedman (1953)

und Levy-Yeyati und Sturzenegger (2003) argumentieren ebenso, dass sich Wechselkursfixierung

negativ auf die Wirtschaftsentwicklung auswirken könnte, weil Länder im Falle eines realen Wirt-

schaftsschocks nicht schnell genug ihre Ressourcen effizient neu verteilen können, um den Schock zu

absorbieren. Calvo (1999) argumentiert ähnlich, dass die Bemühungen zur Wechselkursstabilisierung

nach einem negativen externen Schock letztendlich zu höheren realen Zinssätzen führen könnten, wel-

che sich negativ auf Wirtschaftswachstum auswirken. Fisher (2001) fügt hinzu, dass Wechselkursfi-

xierungen bei gleichzeitig freien, grenzübergreifenden Kapitalströmen nicht leicht aufrechtzuerhalten

sind und diese daher Grund für schwere Rezessionen in Krisenzeiten darstellen können.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass es – ähnlich wie im Falle der Leistungsbilanzanpassung

– von theoretischer Seite nicht eindeutig ist, wie die Wahl des Wechselkursregimes das Wirtschafts-

wachstum beeinflusst. Auch die Ergebnisse zahlreicher empirischer Untersuchungen liefern kein ein-

heitliches Ergebnis und variieren je nachdem, welche Länder, welche Zeiträume und welche Klassifi-

zierungen man für Wechselkursregime in Betracht zieht.

4 Mit Wechselkursfixierung wird im Folgenden sowohl die feste Wechselkursbindung oder etwa der etwas fle-

xiblere Wechselkurs-Korridor bezeichnet.

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Wirtschaftswachstum Entstehung von Leistungsbilanz-ungleichgewichten

Flexibles Wechselkursre-gime

• Bessere Absorbierung von real-wirtschaftlichen Schocks: effizien-tere und schneller Ressourcenallo-kation.

• Verstärkte Handelsaktivität bei niedriger Risikoaversion Hedging-Möglichkeiten.

• Mehr Flexibilität in Krisenzeiten.

• Effiziente, stetige Wechselkursanpas-sungen gleichen Produktions- und Preisschwankungen aus und sorgen somit für gleichgewichtige reale Wechselkurse an internationalen Gü-termärkten.

Wechselkursbindung • Bilateraler Handel steigt, da Wechselkursrisiken wegfallen.

• Realzinsen sinken aufgrund nied-riger Risikoprämien, welches In-vestitions- und Konsumtätigkeit stimuliert.

• Niedrigere Inflation aufgrund höherer Glaubwürdigkeit und niedrigerer Unsicherheit.

• Anpassungsmechanismus des nomi-nalen Wechselkurses fehlt, wodurch es zu Fehlentwicklungen des realen Wechselkurses kommen kann.

• Aufbau wirtschaftlicher Spannungs-felder

• Ruckartigen Marktkorrekturen, die sich langfristig negativ auf die kon-junkturelle Entwicklung ausüben.

Tabelle 1: Erwarteter Effekt von Wechselkursregimes auf Wachstum und Leistungsbilanzungleichgewichte.

Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft und die Wahl des Wechselkursregimes

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen makroökonomischen Fundamen-

taldaten und der Wahl des Wechselkursregimes entscheidend vom Entwicklungsstand einer Volks-

wirtschaft beeinflusst wird (Rogoff et al., 2004). So weisen Entwicklungsländer nicht selten institutio-

nelle Schwächen auf, welche sich etwa in hohen Inflationszahlen, hoher Staatsverschuldung oder ei-

nem fragilen Bankensystem widerspiegeln. Diese Länder könnten also entscheidend von einer Wech-

selkursbindung profitieren, weil sie dadurch international an Glaubwürdigkeit gewinnen und ihre Fi-

nanzierungsmöglichkeiten auf internationalen Finanzmärkten verbessern. Höher entwickelte Volks-

wirtschaften mit stabilen politischen und wirtschaftlichen Institutionen dagegen haben keine Glaub-

würdigkeitsprobleme und könnten viel stärker von einem flexiblen Wechselkurssystem profitieren,

weil sie damit wirtschaftliche Schwankungen besser abfedern können. Zudem sehen sich entwickelte

Volkswirtschaften im Gegensatz zu Entwicklungsländern nicht mit dem Problem konfrontiert, sich

Zugang zu Kapitalmärkten zu verschaffen und Geld in Eigenwährung zu leihen, dass die Angst vor

Währungsschwankungen (‚fear of floating’, vgl. auch Abschnitt 2.b.iv.) in diesen Ländern reduziert.

Diese Überlegungen legen nahe, dass wir in der nachfolgenden Fallstudie zwischen Entwicklungslän-

dern, aufstrebenden Volkswirtschaften und Industrienationen differenzieren sollten.

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Verwendeter Datensatz

Die folgende Untersuchung basiert auf einem Datensatz, welcher die Daten von 89 Ländern über einen

Zeitraum von 1970 bis 2009 beinhaltet. Im Datensatz sind nur Länder enthalten, für welche mindes-

tens sechs Jahre hintereinander Beobachtungen zur Verfügung stehen. Um die Länder nach verschie-

denen Entwicklungsstadien einzugruppieren, verwenden wir die Klassifizierung des Internationalen

Währungsfonds (IWF), welche die Länder entweder als Industrieland oder Nicht-Industrienland defi-

niert. Um die Robustheit unserer Schätzung zu testen, gruppieren wir die Länder alternativ nach der

Weltbank-Klassifizierung in Länder mit hohem, mittlerem und niedrigem Einkommen. Insgesamt

umfasst der Datensatz 60 Nicht-Industriestaaten und 29 Industrieländer. Eine Auflistung der in der

Studie betrachteten Länder findet sich in Tabelle 2.

Die Ergebnisse der Studie werden entscheidend davon abhängen, wie man die Wechselkursregime der

einzelnen Länder klassifiziert. Wechselkursregime können nach de jure oder de facto Kriterien klassi-

fiziert werden: Die de jure Klassifizierung beschreibt, welcher Kategorie sich Länder offiziell auf dem

Papier zuordnen, die de facto Klassifizierung basiert auf empirischen Beobachtungen von Wechsel-

kursbewegungen, Währungsreserven, Geldangebot, etc. Reinhart und Rogoff (2004) untersuchten die

Nicht-Industrieländer Industrieländer Algerien Marokko Australien Antigua und Barbuda Mazedonien Belgien Äquatorialguinea Moldawien Dänemark Armenien Nicaragua Deutschland Bahamas Nigeria Finnland Bahrain Oman Frankreich Belize Pakistan Griechenland Bolivien Papua-Neuguinea Großbritannien Bulgarien Paraguay Hong Kong Burundi Philippinen Irland China Polen Island Costa Rica Rumänien Israel Dominica Russland Italien Dominikanische Republik Salomoninseln Japan Ecuador Sambia Kanada Elfenbeinküste Samoa Malta Fidschi Saudi Arabien Neuseeland Gabun St. Kitts und Nevis Niederlande Gambia St. Lucia Norwegen Georgien St. Vincent & Grens. Österreich Ghana Südafrika Portugal Grenada Togo Schweden Guyana Trinidad und Tobago Schweiz Iran Tunesien Singapur Kamerun Uganda Slowakei Kolumbien Ukraine Spanien Kroatien Ungarn Tschechien Lesotho Uruguay USA Malawi Venezuela Zypern Malaysia Zentralafrikanische Rep.

Tabelle 2: Übersicht über die in der Studie betrachteten Länder.

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Wechselkurspolitiken von 153 Ländern zwischen dem Zweiten Weltkrieg bis 2001 und kommen zum

Ergebnis, dass für den Großteil der Länder das de facto Wechselkursregime vom de jure Regime ab-

wich. Da allerdings die tatsächlich geführte Wechselkurspolitik letztendlich entscheidend ist, wie sich

Wirtschaftswachstum und die Leistungsbilanz eines Landes entwickeln, werden wir eine de facto

Klassifizierung von Wechselkursregimen in Betracht ziehen.5 Chinn und Wei (2009) verwenden in

ihrer Analyse eine diskrete Variable, die auf einer de facto Klassifizierung von Levy-Yeyati und Stur-

zenegger (2003) basiert. Arratibel et al. (2008), Herrmann (2009) und Tippkötter (2010) dagegen ver-

wenden die von Ghosh et al. (2003) vorgeschlagene z-score-Variable, welche auf einer berechneten

Volatilitätsvariable der folgenden Art beruht:6

2 2it it itz µ σ= + .

2itµ misst hierbei den arithmetischen Mittelwert und 2

itσ die Standardabweichung der durchschnittli-

chen monatlichen prozentualen Veränderung des nominalen Wechselkurses von Land i im Jahr t. Je

volatiler der Wechselkurs eines Landes ist, umso höher ist der z-score.

Für die Berechnung des z-score muss man zunächst die Referenzwährung festlegen, gegenüber der die

Wechselkursvolatilität berechnet wird. Die Wahl der Referenzwährung hängt davon ab, in Bezug auf

welchen Wirtschaftsraum das Wechselkursregime eines Landes bestimmt werden soll. Deutschland

beispielsweise befindet sich in einer Währungsunion, in welcher es keinerlei Währungsschwankungen

mehr zwischen den Mitgliedsstaaten gibt. Gegenüber den übrigen Weltwährungen, welche nicht an

den Euro gebunden sind, variiert die Währungseinheit Deutschlands dagegen. Regional betrachtet ist

Deutschland also ein Land mit Wechselkursfixierung, global betrachtet ist es durch flexible Wechsel-

kurse charakterisiert. In dieser Studie möchten wir den Grad der Wechselkursflexibiltät eines Landes

gegenüber all seinen Handelspartnern bestimmen. Daher berechnen wir das z-score auf Basis von no-

minalen effektiven Wechselkursen.

Wie Herrmann (2009) argumentiert, liefert die durch das z-score ausgedrückte Wechselkursvolatilität

eine präzisere Beschreibung des Wechselkursregimes eines Landes als die teilweise willkürliche Ein-

gruppierung der Länder in Gruppen, wie es etwa Levy-Yeyati und Sturzenegger (2003) machen (LYS

Gruppierung). Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse eines Mediantests auf Konsistenz beider Klassifizie-

5 Diese Entscheidung wird auch durch die Untersuchungsergebnisse von De Grauwe und Schnabl (2004) unter-

stützt, die zeigen, dass de facto Klassifizierungen für die Erklärung von Wirtschaftswachstum und Inflation bes-

ser geeignet sind als de jure Maße. 6 Dieses Maß für Wechselkursflexibilität wird in einer Reihe von wissenschaftlichen Studien verwendet, vgl.

hierzu McKinnon und Schnabl (2003), De Grauwe und Schnabl (2004), Arratibel et al. (2008) und Hermann

(2009).

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rungsmethoden.7 Für rund 80 Prozent der Länderbeobachtungen, die nach der LYS Gruppierung durch

ein flexibles Wechselkursregime gekennzeichnet sind, ist der zugeordnete Wert für das z-score größer

als sein Medianwert. Für Länder mit fixierten Wechselkursen gilt das Umgekehrte. In dieser Länder-

gruppe ist das z-score für etwa 65 Prozent aller Beobachtungen kleiner als sein Medianwert. Für die

Länder mit gemischten Wechselkurssystemen ist das z-score für die eine Hälfte aller Beobachtungen

kleiner und für die andere Hälfte größer als der Medianwert. Dies bedeutet also, dass die stetige z-

score Variable konsistent mit dem diskreten Index von Levy-Yeyati und Sturzenegger (2003) verläuft.

Die große Mehrheit der Länder, die de facto ein flexibles Wechselkurssystem verfolgen, weist tatsäch-

lich eine höhere Wechselkursvolatilität auf. Umgekehrt gilt, dass für Länder mit einem rigiden Wech-

selkurssystem in der Regel eine deutlich geringere Wechselkursvolatilität beobachtet wird.

Empirische Untersuchung: Der Zusammenhang zwischen Wechselkursregimen und Leistungsbilanzen

Um der Frage nachzugehen, ob die Wahl des Wechselkursregimes Einfluss auf die Höhe und Richtung

der Leistungsbilanz eines Landes nimmt, werden in Tabelle 3 die durchschnittlichen Leistungsbilanz-

positionen relativ zum Bruttoinlandsprodukt für verschiedene Ländergruppen und Wechselkursregime

aufgelistet. Insbesondere wird zwischen geführtem Wechselkursregime - definiert nach dem (modifi-

zierten) LYS Index - und dem Entwicklungsstand der Länder differenziert. Da sich positive und nega-

tive Leistungsbilanzpositionen bei der Durchschnittsberechnung gegenseitig aufheben, wird die Tabel-

7 Der originale Index von Levy- Yeyati und Sturzenegger (2003) besteht aus fünf Kategorien, die hier auf drei –

flexibel, gemischt und fix – reduziert wurden.

Abbildung 1: Erwarteter Effekt von Wechselkursregimes auf Wachstum und Leistungsbilanzungleichge-wichte.

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le mit zwei zusätzlichen Spalten ergänzt, in denen die durchschnittlichen Leistungsbilanzüberschüsse

beziehungsweise Leistungsbilanzdefizite aufgelistet werden.

Wie im oberen Panel der Tabelle 3 ersichtlich, weisen Länder mit einem fixen Wechselkursregime im

Durchschnitt ein wesentlich höheres Leistungsbilanzungleichgewicht auf als Länder mit gemischten

oder flexiblen Wechselkurssystemen. Besonders deutlich fällt der Unterschied im Vergleich zu Län-

dern mit flexiblen Wechselkursregimes aus, die sowohl Leistungsbilanzüberschüsse als auch -defizite

aufweisen, die in etwa nur halb so groß sind wie bei Ländern mit rigiden Währungssystemen. Dieses

Ergebnis passt also zur Hypothese, dass eine Wechselkursfixierung die Entstehung von Leistungsbi-

lanzungleichgewichten begünstigt.

Die Höhe von Leistungsbilanzungleichgewichten wird dem Anschein nach auch maßgeblich vom

Entwicklungsstand eines Landes beeinflusst. Industrieländer haben im Durchschnitt wesentlich kleine-

re Leistungsbilanzdefizite und –überschüsse als Nicht-Industriestaaten (Panel 2 und 3 in Tabelle 3).

Außerdem zeigt sich, dass der deutliche Zusammenhang zwischen dem Grad an Wechselkursflexibili-

tät und der Höhe der Leistungsbilanzungleichgewichte, den wir bei der Betrachtung alle Länder be-

obachten, stark von der Gruppe der Nicht-Industrieländer getrieben wird. Konzentriert man sich dage-

gen nur auf Industrieländer, so lässt sich kein signifikanter Effekt der Wahl des Wechselkursregimes

auf die Höhe von Leistungsbilanzen identifizieren.

Im nächsten Schritt wird untersucht, ob die Wahl des Wechselkursregimes Einfluss darauf nimmt, wie

schnell die Leistungsbilanz eines Landes zu seinem langfristigen Mittelwert zurückkehrt. Bislang ha-

ben nur wenige Studien diesen Zusammenhang untersucht und die Ergebnisse sind recht uneinheitlich.

Leistungsbilanz LB-Überschuss LB-Defizit Mittel Obs. Mittel Obs. Mittel Obs.

Alle Länder alle -3.13 2289 5.22 696 -6.78 1591 fix -4.28 1085 5.99 341 -9.01 742 gemischt -2.83 520 2.78 117 -4.46 403 flexibel -1.46 658 5.32 230 -5.09 428 Industrieländer alle -0.90 809 4.15 299 -3.86 510 fix -0.54 227 4.23 104 -4.57 123 gemischt -2.18 283 1.95 69 -3.51 214 flexibel 0.04 296 5.32 125 -3.81 171 Nicht-Industrieländer alle -4.34 1480 6.02 397 -8.16 1081 fix -5.27 858 6.76 237 -9.89 619 gemischt -3.62 237 3.97 48 -5.54 189 flexibel -2.68 362 5.32 105 -5.95 257

Tabelle 3: Durchschnittliche Leistungsbilanz/BIP für einzelne Ländergruppen und Wechsel-kursregime.

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Tippkötter (2010) und Herrmann (2009) finden, dass ein fixes Wechselkurssystem die Persistenz von

Leistungsbilanzungleichgewichten erhöht, während Chinn und Wei (2009) keinen solchen Effekt fin-

den.

Ähnlich wie Chinn und Wei (2009) und Tippkötter (2010) verfolgen wir für die Untersuchung einen

dynamischen Paneldatenansatz, welcher die Variation in den Daten sowohl über den beobachteten

Zeitraum als auch zwischen den einzelnen Ländern berücksichtigt und durch folgende Regressions-

gleichung beschrieben werden kann:

1 2 1 1 2 1 1 2Regime *Regime Control Control *Regimeit it it it it it it it t i itLB LB LB d aρ ρ β β γ γ ε− −= + + + + + + + +

wobei gilt: • LB it = Leistungsbilanz von Land i im Jahr t

• Regimeit = z-score von Land i im Jahr t

• Controlit = Kontrollvariablen, welche auch Einfluss auf Leistungsbilanzentwick-

lung nehmen:

o Handelit = Summe aus Import- und Exporttätigkeit rel. zum BIP von Land

i im Jahr t

o Fin.Öffnungit = Chinn und Ito Index von Land i im Jahr t, welcher den

Grades der Kapitalmarktliberalisierung misst.

• dt = Jahres-Dummy, um für nicht kontrollierte Jahreseffekte zu kontrollieren.

• ai = Länder-Dummy, um für landesspezifische Effekte zu kontrollieren.

Die Leistungsbilanz eines Landes zu einem bestimmten Zeitpunkt wird mit seinem Vorjahreswert,

dem Grad der Wechselkursflexibilität und einer Reihe von Kontrollvariablen erklärt, die laut Chinn

und Wei (2009) von Bedeutung für die Entstehung von Leistungsbilanzen sind. Das Modell nimmt

also einen autoregressiven Verlauf der Leistungsbilanz eines Landes an und geht davon aus, dass sich

die Leistungsbilanz immer wieder seinem langfristigen Gleichgewichtswert annähert.8

Die für unsere Fragestellung relevante Variable ist 1 *Regimeit itLB − , also die Variable, welche die

Leistungsbilanz aus dem Vorjahr mit der Variable, die die Wechselkursflexibilität bestimmt, multipli-

ziert. Der Koeffizient dieser interagierten Variable gibt Aufschluss darüber, in wieweit der Grad der

Wechselkursflexibilität Einfluss auf die Persistenz von Leistungsbilanzungleichgewichten hat. Ein

signifikant negativer Wert für 2β würde die sogenannte Friedman-Hypothese stützen, welche besagt,

8 Dieser Gleichgewichtswert muss nicht gleich Null sein und kann von Land zu Land unterschiedlich sein.

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dass sich die Leistungsbilanz eines Landes umso schneller seinem langfristigen Mittelwert annähert, je

flexibler das Wechselkurssystem ist.

Für die Schätzung unserer Schätzgleichung verwenden wir den Arellano-Bond Schätzer, der eine Ver-

zerrung der Schätzergebnisse aufgrund der Annahme eines autoregressiven Prozesses der Leistungsbi-

lanz vermeidet. Außerdem kontrollieren wir in unserem Modell für eine mögliche Verzerrung auf-

grund eines Endogenitätsproblems. Ein Endogenitätsproblem besteht, wenn nicht nur das Wechsel-

kursregime die Leistungsbilanz beeinflusst, sondern auch die Höhe der Leistungsbilanz die Wahl des

Wechselkursregimes bestimmt, was durchaus anzunehmen ist.9

Die Ergebnisse der Schätzungen sind in Tabelle 5 aufgeführt. In ihrer Interpretation konzentrieren wir

uns der Kürze halber nur auf die Variable, welche für die Fragestellung dieser Untersuchung relevant

ist. Dies ist der Koeffizient 2β für die Variable „Regime*LB(-1)“, welche in der Tabelle farblich her-

vorgehoben wurden. Werden für die Schätzungen die Beobachtungen aller 89 Länder verwendet, so

findet man einen signifikant negativen Wert für2β . Dies bedeutet, dass generell die Friedman-

Hypothese bestätigt wird. Je flexibler das Wechselkurssystem eines Landes ist, umso schneller korri-

giert sich die Leistungsbilanz im Falle einer Abweichung vom langfristigen Mittelwert.

Unterscheidet man zwischen Industrie- und Nicht-Industrieländern, so lassen sich jedoch abermals

signifikante Unterschiede feststellen. Es zeigt sich, dass der signifikante Zusammenhang zwischen der

Persistenz von Leistungsbilanzungleichgewichten und dem Flexibilitätsgrad des Wechselkursregimes

nur für Nicht-Industrieländer, jedoch nicht für Industrieländer gilt. Dieses Ergebnis wird auch dann

bestätigt, wenn wir die Länder alternativ nach ihrem Einkommensniveau unterteilen. Nur bei Ländern

in der niedrigsten Einkommensgruppe findet man einen Effekt des Wechselkursregimes auf die An-

passungsgeschwindigkeit der Leistungsbilanz an ihr langfristiges Gleichgewicht.10

Empirische Untersuchung: Zusammenhang zwischen Wechselkursregimen und Wirtschaftswachstum

Im Folgenden wird untersucht, ob es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Wahl des

Wechselkursregimes und dem pro-Kopf Wirtschaftswachstum eines Landes gibt. Um einen ersten

9 Ein gutes Beispiel hierfür ist China, das sich in den letzten Jahren durch hohe Leistungsbilanzüberschüsse

kennzeichnete. Die hierdurch akkumulierten hohen Dollarreserven hindern die chinesische Regierung nun da-

ran, ihre Währungsfixierung gegenüber dem US Dollar aufzuheben. Vgl. Abschnitte 2.b.iii, 2.b.iv und 2.b.v der

vorliegenden Studie.

10 Die empirischen Untersuchungen über den Einfluss des Wechselkursregimes auf das Wirtschaftswachstum laufen noch und werden im Endbericht enthalten sein.

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Eindruck zu bekommen zeigt Tabelle 4 die gemittelte Wachstumsrate des pro-Kopf Bruttoinlandspro-

dukts (BIP) für verschiedene Ländergruppen auf. Die Beobachtungen werden zum einen nach der

(reduzierten) Wechselkursklassifizierung von Anderson (2009) und zum anderen nach dem Entwick-

lungsstand der betrachteten Volkswirtschaften unterteilt.

Die einfache Mittelwertbetrachtung lässt keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Wahl des

Wechselkursregimes und Wirtschaftswachstum erkennen. Betrachtet man alle Länder zusammen, so

zeigt sich, dass die Länder mit de facto flexiblen Wechselkurssystemen gemittelt ein wenig schneller

wachsen als Länder mit gemischten oder fixierten Wechselkursregimen. Unterscheidet man allerdings

zwischen Industrie- und Nicht-Industrieländern, so zeigt sich, dass dieses Ergebnis nicht pauschal gilt.

Industrieländer wachsen gemittelt mit fixierten Wechselkurssystemen schneller, während Nicht-

Industrieländer mit einem flexiblen Wechselkursregime ein höheres Wirtschaftswachstum aufweisen.

Grund für dieses uneindeutige Ergebnis ist, dass Wirtschaftswachstum von einer Vielzahl von Fakto-

ren beeinflusst wird, die in dieser vereinfachten Mittelwertanalyse unberücksichtig bleiben. Um der

Frage des Einflusses des Wechselkursregimes auf Wirtschaftswachstum genauer nachzugehen, ist also

eine differenziertere Untersuchung notwendig, die möglichst viele potentieller Wachstumsfaktoren

mitberücksichtigt. Ähnlich wie Levy-Yeyati und Sturzenegger (2003) und de Grauwe und Schnabl

(2004) führen wir dazu eine Panelschätzung durch, welcher die Variation in den Daten sowohl über

den beobachteten Zeitraum als auch zwischen den einzelnen Ländern berücksichtigt und durch folgen-

de Regressionsgleichung beschrieben werden kann:

1 1 1Regime Controlit it it t i itBIP d aρ β γ ε∆ = + + + + +

Pro-Kopf BIP Wachstum Mittel Obs. Alle Länder alle 1.92 2002 fix 1.76 889 gemischt 1.98 492 flexibel 2.32 602 Industrieländer alle 2.29 694 fix 3.33 113 gemischt 2.19 283 flexibel 2.03 296 Nicht-Industrieländer alle 1.73 1308 fix 1.53 776 gemischt 1.70 209 flexibel 2.61 306

Tabelle 4: Durchschnittliches Wachstum des pro-Kopf BIP für Ländergruppen und Wechselkursregime.

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wobei gilt:

• ∆BIPit = Jährliche Wachstumsrate in % des pro-Kopf BIPs von Land i im Jahr t

• Regimeit = z-score von Land i im Jahr t

• Controlit = Kontrollvariablen, welche Einfluss auf Wirtschaftswachstum haben:

o Export/BIP (in %) von Land i im Jahr t

o Inflation (in %) von Land i im Jahr t

o Bevölkerungswachstum (in %) von Land i im Jahr t

o Staatskonsum/BIP (in %) von Land i im Jahr t

o Staatl. Investition/BIP (in %) von Land i im Jahr t

• dt = Jahres-Dummy, um für nicht kontrollierte Jahreseffekte zu kontrollieren.

• ai = Länder-Dummy, um für landesspezifische Effekte zu kontrollieren.

Die Wahl der Kontrollvariablen wurde durch Verfügbarkeit und durch die Ergebnisse früherer Studien

motiviert, die diese als wichtige Treiber für Wirtschaftswachstum identifizieren konnten (Levine und

Renelt (1992), Levy-Yeyati und Sturzenegger (2003) und de Grauwe und Schnabl (2004)).

Da es nicht auszuschließen ist, dass das Wirtschaftswachstum eines Landes Einfluss auf die Höhe des

Staatskonsums, die staatliche Investitionsquote und die Leistungsbilanz eines Landes nimmt, instru-

mentalisieren wir die möglichen drei endogenen Variablen mit ihrem eigenen Lag und führen damit

einen Panelschätzmethode mit Instrumentenvariablen durch. Die Ergebnisse des Instrumentenschät-

zers sind in Tabelle 6 aufgeführt.

Da der Untersuchungsgegenstand dieser Studie nicht die Erklärung von Wirtschaftswachstum an sich

ist, sondern der Zusammenhang von Wechselkursstabilität und Wirtschaftswachstum, konzentrieren

wir uns bei der Interpretation der Schätzergebnisse ausschließlich auf den Koeffizienten der Variable

z-score. In der ersten Spalte von Tabelle 6 sind die Ergebnisse aufgeführt, wenn wir für die Schätzung

alle in unserem Datensatz erfassten Länder verwenden. Der negative und hoch-signifikante Koeffi-

zient auf z-score zeigt, dass es einen deutlichen Einfluss des Wechselkursregimes auf das Wachstum

des pro-Kopf BIPs eines Landes gibt. Wechselkursflexibilität wirkt sich demnach wachstumshem-

mend auf eine Volkswirtschaft aus. Damit bestätigen wir das Ergebnis von de Grauwe und Schnabl

(2004), die ebenfalls finden, dass eine Wechselkursfixierung sich wachstumsfördernd auswirkt.

Eine mögliche Erklärung für unser Ergebnis ist, dass unterentwickelte Länder häufiger ein fixiertes

Wechselkursregime verfolgen und gleichzeitig in der Regel auch schneller wachsen als entwickelte

Volkswirtschaften. Um dieser Erklärung nachzugehen, unterteilen wir die Länder wie zuvor in Indust-

rie- und Nicht-Industrieländer, sowie in Länder mit niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen. Die

Schätzergebnisse basierend auf diesen Sub-Gruppen sind ebenfalls in Tabelle 6 aufgeführt und wider-

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legen diesen Erklärungsansatz. Wir finden, dass der Effekt der Wechselkursflexibilität auf das Wirt-

schaftswachstum besonders stark für Länder mit mittlerem Einkommen ist. Diese Länder profitieren

demnach besonders von einer Wechselkursfixierung. Aber auch Länder mit hohem Einkommen wei-

sen ein signifikant höheres pro-Kopf Wachstum auf, je unflexibler ihr Wechselkurs ist. Die einzige

Ländergruppe, für welche der Flexibilitätsgrad des Wechselkurses keinen Effekt auf das Wirtschafts-

wachstum hat, sind Länder mit niedrigem Einkommen. Hier ist der Koeffizient auf z-score zwar auch

negativ aber nicht signifikant.

Zwischenfazit

Auf Basis einer Untersuchung von 89 Ländern über einen Zeitraum von 1975 bis 2009 bestätigt sich

die in der Politik häufig diskutierte Friedman-Hypothese, dass unflexible Wechselkursregime den

Aufbau von Leistungsbilanzungleichgewichten begünstigten. Allerdings scheint dies nur für weniger

entwickelte Volkswirtschaften mit niedrigem Einkommen zu gelten und nicht für Industrienationen

und Länder mit mittlerem und hohem Einkommen. Nicht-Industrieländer mit fixierten Wechselkurs-

systemen weisen deutlich höhere Leistungsbilanzungleichgewichte (sowohl Defizite als auch Über-

schüsse) auf als Nicht-Industrieländer mit flexiblen Wechselkurssystemen. Zudem zeigt sich, dass die

Leistungsbilanzungleichgewichte von Nicht-Industrieländern und Ländern mit niedrigen Einkommen

umso persistenter sind, je unflexibler deren Wechselkurse reagieren. Bei entwickelten Volkswirtschaf-

ten dagegen ist der Grad der Wechselkursflexibilität kaum von Bedeutung für die Entwicklung der

Leistungsbilanzen.

Wir finden hingegen, dass sich eine Wechselkursfixierung positiv auf das Wirtschaftswachstum eines

Landes auswirkt. Je starrer die Wechselkurse eines Landes sind, umso höher ist das Wachstum des

pro-Kopf BIPs. Unterscheidet man jedoch zwischen dem Entwicklungsgrad der einzelnen betrachteten

Volkswirtschaften, so scheint dieser Zusammenhang nicht für Länder mit niedrigem Einkommen zu

gelten. Für unterentwickelte Volkswirtschaften findet sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen

Wirtschaftswachstum und dem Grad der Wechselkursflexibilität.

Fasst man die Ergebnisse zusammen, so scheint also besonders für unterentwickelte Volkswirtschaften

eine Wechselkursfixierung nicht günstig zu sein, da diese bei ihnen den Aufbau von Leistungsbilanz-

ungleichgewichten fördert und zudem keinen wachstumsfördernden Effekt ausübt. Für entwickelte

Volkswirtschaften dagegen scheint tendenziell ein höherer Grad an Wechselkursfixierung förderlich

zu sein, da sich dies wachstumsfördernd auswirkt, ohne zur Entstehung von Leistungsbilanzungleich-

gewichten beizutragen.

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Variable Alle Länder Industrie Nicht-Industrie Hohes Einkommen Mittleres Einkommen Niedriges Einkommen LB(-1) 0.801 0.313 0.762 0.725 0.777 0.178 0.759 0.741 0.741 0.026 0.634 0.597 (0.00) (0.06) (0.00) (0.00) (0.00) (0.01) (0.00) (0.00) (0.00) (0.73) (0.00) (0.00) Regime 0.053 0.095 0.308 0.127 0.015 0.081 -0.131 -0.148 0.223 0.252 -0.046 -0.055 (0.67) (0.42) (0.01) (0.38) (0.90) (0.37) (0.63) (0.42) (0.12) (0.01) (0.54) (0.64)

Regime*LB(-1) -0.061 -0.036 0.027 0.015 -0.055 -0.025 -0.002 -0.003 -0.006 0.019 -0.030 -0.030 (0.04) (0.06) (0.28) (0.37) (0.04) (0.03) (0.93) (0.90) (0.85) (0.17) (0.02) (0.06)

Fin.Öffnung -0.064 0.167 0.264 -0.258 0.282 0.153 (0.88) (0.23) (0.40) (0.15) (0.38) (0.76) Handel -0.035 0.002 -0.010 -0.002 -0.013 -0.012 (0.14) (0.81) (0.50) (0.86) (0.38) (0.58) Fin.Öffnung*LB(-1) 0.023 0.079 0.035 0.040 -0.040 0.036 (0.36) (0.00) (0.05) (0.02) (0.12) (0.46) Handel*LB(-1) 0.004 0.000 0.005 0.000 0.005 0.001 (0.01) (0.46) (0.00) (0.57) (0.00) (0.66) Konstante -0.036 0.611 0.005 0.366 -0.025 0.869 0.019 0.353 -0.035 3.806 0.083 -3.494 (0.42) (0.63) (0.77) (0.61) (0.66) (0.67) (0.49) (0.73) (0.35) (0.12) (0.17) (0.39)

N 2095 2095 747 747 1348 1348 863 863 910 910 322 322

Tabelle 5: Arellano-Bond Schätzung der Determinanten der Leistungsbilanzanpassung (p-Werte in Klammern).

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Variable Alle Länder Industrie Nicht-Industrie Hohes Einkommen Mittleres Einkom-

men Niedriges Einkom-

men Regime -0.414 -0.176 -0.419 -0.381 -0.505 -0.132

(0.00) (0.07) (0.00) (0.00) (0.00) (0.33) LB/GDP 0.003 0.117 -0.013 -0.019 0.005 -0.062

(0.90) (0.00) (0.68) (0.61) (0.88) (0.73) Export/BIP 0.069 0.126 0.060 0.113 0.050 0.004

(0.00) (0.00) (0.00) (0.00) (0.00) (0.97) Inflation 0.001 -0.005 0.001 0.007 0.001 -0.009

(0.02) (0.36) (0.03) (0.31) (0.01) (0.57) Bevölkerungswachstum -0.969 0.003 -1.169 -0.894 -1.477 -0.217

(0.00) (0.99) (0.00) (0.00) (0.00) (0.67) Staatskonsum/BIP -0.148 -0.057 -0.155 -0.149 -0.236 0.007

(0.00) (0.30) (0.01) (0.02) (0.00) (0.95) Investitionen/BIP -0.008 0.076 -0.014 -0.063 -0.008 0.148

(0.75) (0.09) (0.66) (0.09) (0.83) (0.14) Konstante -3.741 -8.731 -3.047 -1.754 -0.916 -1.369

(0.01) (0.00) (0.07) (0.46) (0.66) (0.68) N 1911 665 1246 780 884 247

R2 0.23 0.40 0.24 0.29 0.29 0.24

Tabelle 6: Panelanalyse mit Instrumentenvariablen der Determinanten von Wirtschaftswachstum (p-Werte in Klammern).

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30

ii. Wirkungen in der langen Frist: Wechselkursunsicherheit und Arbeitsmärkte

In diesem Kapitel wird über die übliche (defensive) Problemstellung - welche Anpassungsverluste

treten bei Aufgabe der Wechselkursflexibilität auf? - hinausgegangen und eher offensiv gefragt, ob die

(glaubwürdige) Fixierung der Wechselkurse innerhalb (von Teilgruppen) der G-20 durch die Eliminie-

rung kurzfristiger Wechselkursvolatilität sogar einen realwirtschaftlichen Nutzen in der Realwirt-

schaft, so beispielsweise auf Arbeitsmärkten, stiften kann. Dabei wird die bisher implizite Annahme

aufgegeben, die Alternative zur Wechselkursfixierung sei eine ideale Welt, in der Wechselkurse auf

asymmetrische Schocks rechtzeitig und in der gewünschten Weise reagieren. Stattdessen wird die

Realität als Alternative zur glaubwürdigen Fixierung der Wechselkurse berücksichtigt, in welcher der

tatsächliche Grad an kurzfristiger Wechselkursvariabilität nicht auf beobachtbare Schocks zurückge-

führt werden kann (Belke und Gros, 1999, 2001b).

Die Erwartung mikroökonomischer Effizienzgewinne durch die Reduktion der Wechselkursvariabilität

gründet sich im Allgemeinen auf die Idee, dass eine geringere Variabilität den Außenhandel weniger

riskant macht. Aus dieser Sicht sollte eine Stabilisierung der Wechselkurse das Niveau des Außenhan-

dels standardmäßig erhöhen. Diese Idee wird seit einiger Zeit in einer umfangreichen theoretischen

und empirischen Literatur verfolgt. Diese analysiert die Effekte der Wechselkursunsicherheit auf den

Außenhandel und (hierzu existieren weitaus weniger empirische Studien!) auf die Investitionen. Die

Hauptströmungen der auf den Außenhandel bezogenen Literatur werden von Belke (2001a) skizziert

und ihre wichtigsten empirischen Resultate zusammengefasst. Dies geschieht ausschließlich zur in-

haltlichen Vorbereitung einer bisher in der Literatur bis vor Kurzem nur selten durchgeführte Analyse

der Auswirkungen der Wechselkursvariabilität (also des zweiten statistischen Momentes der Zeitreihe

der Wechselkurse) auf Arbeitsmärkte und ergänzend - wegen des engen Zusammenhangs mit der Ar-

beitsmarktentwicklung- auch auf das Ausmaß der binnenländischen Investitionstätigkeit. Denn aus

einer Wohlfahrtsperspektive ist das Ausmaß des Handelsvolumens per se irrelevant.

Was für die Wohlfahrtsanalyse auf der Makroebene zählt, ist das Niveau der (unfreiwilligen) Arbeits-

losigkeit.11 Diesbezüglich findet sich bisher in der Literatur jedoch häufig nur die undifferenzierte

Annahme, dass eine Fixierung von Wechselkursen im Durchschnitt die Arbeitslosigkeit erhöhe und

die Beschäftigung senke, da die Anpassung an Schocks schwieriger werde. Darüber hinaus wird in der

Literatur aus den uneinheitlichen Ergebnissen der Außenhandelsstudien zum Teil ebenso undifferen-

ziert geschlossen, dass eine 'überschüssige' Volatilität der Wechselkurse zwischen den G-20-

Volkswirtschaften deren Arbeitsmärkte erst recht unbeeinflusst lasse.

11

Vgl. bereits Gros und Thygesen (1998), S. 281, und Belke (2001), Abschnitt 5.5.

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31

Theoretischer Hintergrund

Da bisher nur in geringerem Umfang theoretische und empirische Literatur zu den Auswirkungen der

Wechselkursunsicherheit auf Arbeitsmärkte existiert, muss man sich zwangsläufig an den verfügbaren

Studien zu den Effekten der Wechselkursunsicherheit auf den Außenhandel, die Investitionen und den

Output orientieren.

Dixit (1989b) führt ein vom Kurssicherungsaspekt unabhängiges Motiv an, warum Unsicherheit die

Höhe von Investitionen beeinträchtigen kann. Falls Investitionen einen 'sunk-cost'-Charakter tragen,

besteht ein starker Anreiz zu warten, bis die Unsicherheit aufgelöst ist. In dem Ausmaß, wie Produkti-

onsstrukturen nicht flexibel genug sind und hohe Entlassungskosten für Arbeitnehmer existieren, las-

sen sich dieselben Argumente auch auf die Produktionstätigkeit anwenden. In dem Umfang, wie Ex-

porteure aus G-20-Ländern bereits über ausgebaute Distributionsnetze in anderen G-20-Ländern ver-

fügen und kurzfristig tendenziell keine ‘sunk costs‘ bei der Exportentscheidung berücksichtigen,

schlägt sich die höhere Diskontrate kurzfristig vor allem in einer Verringerung der Investitionen und

nicht in einer Rückführung der Exporte nieder. Die längerfristigen Einflüsse der Wechselkursvariabili-

tät auf die Exportentwicklung werden jedoch von anderen Faktoren (technischer Fortschritt u.a.) über-

lagert. Sie sind, wie die wenig signifikanten Ergebnisse für den Zusammenhang zwischen Wechsel-

kursvariabilität und Außenhandel in Belke (2001a, Abschnitt 6.1.2.2.) deutlich zeigen, entsprechend

schwer empirisch zu identifizieren. Die erzielten Resultate legen nahe, dass vor allem der Investitions-

kanal und - allerdings nur mit Abstrichen - der Outputkanal für die Transmission der Wechselkursva-

riabilität potenziell relevant sind. Die identifizierten Effekte der Wechselkursvariabilität auf die Inves-

titionen, aber auch auf die Änderung des Wachstums der industriellen Produktion, entsprechen dem

Vorzeichen nach den Prognosen der vorstehend skizzierten Modelle.

Diese Überlegungen lassen sich prinzipiell auch auf den Zusammenhang zwischen der Wechselkur-

sunsicherheit und Arbeitsmärkten übertragen. In Bezug auf die Arbeitslosenrate und die Beschäftigung

im verarbeitenden Gewerbe liegt die einfache Erklärung nahe, dass im Falle hoher Entlassungskosten

von Arbeitnehmern (und anderer Varianten „institutioneller Sklerose“ auf Arbeitsmärkte) die Ent-

scheidung, eine Erwerbsperson einzustellen, für die Unternehmen einer Investitionsentscheidung mit

irreversiblen 'sunk-costs' gleichkommt. Müssen die Unternehmen zusätzlich das Auftreten von Wech-

selkursunsicherheit berücksichtigen, so können sie kein deterministisches Barwertkalkül über die Ren-

tabilität einer zusätzlichen Einstellung mehr durchführen (Bernanke, 1983, Kulatilaka und Kogut,

1996, Pindyck, 1991).

Von Belke und Gros (2001b, 2002a) wird entlang der zuvor skizzierten Linien ein einfaches Modell

von Investitionen (u.a. in die Beschäftigung) unter Unsicherheit abgeleitet. Belke und Kaas (2004a, b)

verfeinern es durch eine detaillierte Modellierung des Lohnverhandlungsspiels am Arbeitsmarkt. Die-

ses beinhaltet einen möglichen Transmissionskanal, welcher einer negativen (positiven) Beziehung

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32

zwischen der Unsicherheit und der Beschäftigung (Arbeitslosigkeit) Rechnung tragen könnte. Auf die

mikro- und die makroökonomische Gestalt der Effekte von Wechselkursunsicherheit auf die Arbeits-

marktdynamik wird von Belke und Göcke (1999, 2001a, 2001b, 2005) unter Rückgriff auf die Realop-

tionstheorie („Optionswert des Wartens bei Unsicherheit“) noch ausführlicher eingegangen. Sie zei-

gen, dass nominale Wechselkursunsicherheit die Beziehung zwischen der Beschäftigung und ihren

Determinanten lockerer macht. Beispielsweise erhöht sie die Schwellenwerte des Wechselkurses, zu

dem es sich lohnt, in den Auslandsmarkt einzutreten, senkt aber gleichzeitig den Schwellenwert für

den Austritt. Eliminiert man die Wechselkursunsicherheit, ist der Effekt in Bezug auf das Niveau der

Beschäftigung nicht eindeutig. Die Unternehmen mit Entlassungsbedarf kündigen (endlich) und die

Firmen mit Einstellungsbedarf stellen nun (endlich) ein. Der Nutzen einer Wechselkursfixierung liegt

somit in der Forcierung des Strukturwandels. Beide Modellvarianten können folglich als Grundlage

für die Beurteilung verschiedener Wechselkurs-Regimes dienen, da die nominale Wechselkursvolatili-

tät im Mittelpunkt steht.

Während es relativ einfach einzusehen sein dürfte, dass ‚Unsicherheit schlecht für Investitionen ist'

gilt, fällt es schon schwerer zu erklären, auf welche Weise die Wechselkursunsicherheit direkt und

sofort auf die gesamte heimische Ökonomie einwirken sollte. Wir argumentieren, dass die fehlende

Identifizierbarkeit eines starken und eindeutigen Einflusses der Wechselkursvariabilität auf das Au-

ßenhandelsvolumen keinesfalls die Abwesenheit einer inhaltlichen Verbindung zwischen der Wech-

selkursvariabilität und der Arbeitslosigkeit bzw. der Beschäftigung sowie der Investitionen impliziert.

Dies wird deutlich, sobald man fragt: Warum sollte ein Anstieg der Wechselkursvolatilität schnell zu

einem geringeren Außenhandelsvolumen (-strom) führen? Die in diesem Kontext verwendeten theore-

tischen Modelle gehen typischerweise von der Idee aus, dass erst versunkene Kosten getragen werden

müssen, um anschließend exportieren zu können.12 Der Charakter dieser Kosten resultiert dabei zum

einen aus der Notwendigkeit, ein Distributionssystem auf Auslandsmärkten installieren zu müssen,

und zum anderen darauf, dass es sich wie in dem im folgenden zu entwickelnden Basismodell wirklich

um 'versunkene', d.h. nicht revidierbare, Kosten handelt. Innerhalb der G-20 jedoch verfügen die meis-

ten Unternehmen der Industrieländer und eine steigende Zahl von Unternehmen aus aufstrebenden

Volkswirtschaften bereits über ein elaboriertes Vertriebsnetzwerk in allen Mitgliedsstaaten. Ein deut-

scher Automobilproduzent wird typischerweise kein neues Distributionsnetzwerk errichten müssen,

um Verkäufe in andere EU-Volkswirtschaften zu steigern. Daher stellen Marktzugangskosten im Hin-

blick auf den Intra-G-20-Handel sicherlich nicht den Hauptgrund dafür dar, dass sich die Volatilität

von Wechselkursen (negativ) auf den Außenhandel auswirkt.

12

Standardq uellen hierzu sind Baldwin und Krugman (1989), Krugman (1986) und Dixit (1989a, 1989b).

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Natürlich wird ein Anstieg der Volatilität der Wechselkurse die Unternehmen veranlassen, zukünftige

Gewinne aus Exporten stärker zu diskontieren. Aber dies impliziert lediglich, dass Unternehmen we-

niger in export- (oder allgemein in außenhandels-) orientierte Aktivitäten investieren werden. Dies

mag zwar zukünftige Export- (bzw. Außenhandels-) Volumina reduzieren. Jedoch werden Unterneh-

men nicht notwendigerweise in der kurzen Frist weniger exportieren, nur weil die Wechselkursvariabi-

lität angestiegen ist. Eine mögliche Reaktion in der langen Frist (vgl. auch Belke (2001a), Abschnitt

6.1.2.3.) jedoch lässt sich sehr viel schwieriger durch empirische Untersuchungen isolieren, da auf die

relevanten Größen gleichzeitig andere langfristige Trends (wie z.B. eine Verringerung von Transport-

kosten oder Änderungen von Präferenzen) einwirken und da sich die Variabilität über die Zeit so stark

ändert. Heutige Außenhandelsvolumina mögen zwar in der Tat eine Funktion eines Durchschnitts der

über eine Zahl an Jahren erfahrenen Wechselkursvariabilität sein. Dies dürfte jedoch selbst mit den in

der Literatur häufig benutzten Volatilitätsdaten auf Jahresbasis empirisch sehr schwierig zu zeigen

sein.

Gerade weil Trägheiten der Anpassung existieren (u.a. 'pricing-to-market' und Arbeitsmarktrigiditä-

ten), hat die Wechselkursvariabilität selbst bei nur temporären Schwankungen wegen der Relevanz

von 'turnover costs' möglicherweise permanente negative Beschäftigungseffekte. Dass die unterdrück-

te Variabilität der Wechselkurse nach Rose (1995) und Flood und Rose (1995) nicht im realwirtschaft-

lichen Sektor zusätzlich auftritt, ist somit im Gegenteil ein partielles, zusätzliches Argument für die

glaubwürdige Fixierung von Wechselkursen. Darüber hinaus verweist derartige Evidenz darauf, dass

die Exogenitätshypothese in Bezug auf den realwirtschaftlichen Sektor für einen bedeutenden Teil der

Wechselkursvariabilität realistisch ist.

Kritische Würdigung

Empirische Evidenz für den handelsbeschränkenden Effekt eines höheren Wechselkursrisikos - in der

Gestalt von 'überschüssiger' Volatilität' und von längerfristig von ihrem Gleichgewichtsniveau abwei-

chenden Wechselkursen - wird in der Literatur oft als Evidenz gegen die Vorteilhaftigkeit eines Sys-

tems flexibler Wechselkurse interpretiert. Die Befürworter flexibler Wechselkurse hingegen argumen-

tieren gemäß Belke (2001a), Kapitel 2, dass Wechselkurse mittel- bis langfristig hauptsächlich durch

Fundamentaldaten determiniert seien und Veränderungen der Fundamentaldaten ähnliche, aber abrup-

tere Änderungen fixierter Paritäten verlangten. Ein System fixierter Wechselkurse, solange es sich

nicht um eine Währungsunion handelt, reduziere somit nicht notwendigerweise die nicht antizipierte

Wechselkursvariabilität (vgl. die in Abschnitt 1.b.i geführte Diskussion um de facto- und de jure

Wechselkursflexibilität). Eine höhere Flexibilität der Wechselkurse erleichtere einen schnellen Zah-

lungsbilanzausgleich als Reaktion auf asymmetrische Schocks und reduziere die Notwendigkeit von

Maßnahmen zur Außenhandelsprotektion und von Kapitalverkehrskontrollen.

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Dabei werden einige Annahmen der einfachen Grundmodelle als kritisch für das Ergebnis eines nega-

tiven Einflusses der Wechselkursunsicherheit auf den Außenhandel angesehen und könnte für ein fle-

xibles Wechselkurssystem sprechen. Dies sind a) die Annahme der Unmöglichkeit und/oder Kosten-

trächtigkeit einer perfekten Strategie zur Absicherung des Wechselkursrisikos, b) die Annahme der

Risikoaversion des betrachteten Unternehmens, c) die Nichtberücksichtigung der sich aus Wechsel-

kursschwankungen ergebenden Gewinnchancen und d) die Annahme, dass die Wechselkursvariabilität

die einzige Quelle der Unsicherheit für das Unternehmen darstellt. Andere möglicherweise kompen-

sierend wirkende Risiken werden nicht berücksichtigt. Hieraus abgeleitete neuere Ansätze verdeutli-

chen die Existenz von Konstellationen, unter denen die Wechselkursunsicherheit keine oder sogar

positive Einflüsse auf den Außenhandel aufweist.

Der Mangel an empirisch orientierter Literatur zum Einfluss der Wechselkursvariabilität auf die Be-

schäftigung und andere realwirtschaftliche Variablen außer dem Außenhandel ist angesichts der hohen

Politikrelevanz dieser Frage (siehe bereits Dornbusch, 1987) erstaunlich. Darüber hinaus kann spätes-

tens seit den EWS-Krisen in der ersten Hälfte der neunziger Jahre kein Zweifel mehr daran bestehen,

dass eine ausgeprägte polit-ökonomisch begründete Verbindung zwischen protektionistischem Druck

und der Wechselkursvariabilität besteht. Es wurde aus diesem Grund sogar argumentiert, dass ein ein-

heitlicher europäischer Binnenmarkt aus politischen Gründen einer Fundierung durch eine Währungs-

union bedürfe. Gleichzeitig ist in gewissem Umfang Literatur zur Verbindung zwischen Investitionen

und Unsicherheit verfügbar. Unter Berücksichtigung der hohen Einstellungs- und Entlassungskosten,

die viele Arbeitsmärkte seit Langem charakterisieren, würde man annehmen, dass dieselben Argumen-

te, die dem angenommenen negativen Effekt allgemeiner Volatilität auf die Investitionen zugrunde

gelegt werden, auch auf den Zusammenhang von Wechselkursvolatilität und Arbeitsmarkt-

Performance zumindest in Europa Anwendung finden sollten. Schließlich überschreitet die beobacht-

bare Volatilität von Wechselkursen bei Weitem die Volatilität der Preise auf Güter- und Arbeitsmärk-

ten, sodass eine hohe Korrelation zwischen der nominalen Wechselkursunsicherheit und der Unsicher-

heit über wichtige realwirtschaftliche Determinanten des 'net present value' des Faktoreinsatzes und

damit der Faktornachfrage (z.B. reale Güterabsatzpreise, reale Kosten alternativ einsetzbarer Produk-

tionsfaktoren wie der Reallöhne) sehr wahrscheinlich ist.

Implikationen für die Debatte zur Optimalität von Wechselkursregimes

Eine Beurteilung der realwirtschaftlichen Kosten und Nutzen von einheitlichen Währungsräumen wie

der EWU erfolgt häufig - wenn auch teils nur implizit - auf Basis der Theorie optimaler Währungs-

räume begründet von Kenen (1969), McKinnon (1963) und Mundell (1961). Dies wurde bereits in

Abschnitt 1.b.iii. deutlich herausgestellt. Daher soll einleitend betrachtet werden, wie diese Autoren

etwa drei Jahrzehnte später die Relevanz ihrer Überlegungen für die Diskussion um die EWU beurteil-

ten. In der Lesart Kenens (1997) lässt sich der Zeitraum bis zum Status Quo ante der EWU - eine Peri-

ode, an der wohl die Kosten und Nutzen einer EWU zu messen sind - überwiegend als Phase von so-

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genannten 'currency areas' bezeichnen: "... a group of countries that undertake to contain the bilateral

rates within narrow bands, defined in respect of agreed central rates which they cannot change unilate-

rally" (Kenen, 1997, S. 211). Unter diese Definition von 'narrowly pegged rates' fallen nach Kenen

sowohl das Bretton Woods-System, das EWS bis zur Bandbreitenerweiterung 1993 und auch die Pha-

se nach 1993, in der die EWS-Mitglieder kaum Gebrauch von der erweiterten Bandbreite machten.

Kenen (1997) betont auch, dass die Theorie optimaler Währungsräume nicht herangezogen werden

kann, um diese bis zum Status Quo ante existierenden 'currency areas' mit einer Währungsunion zu

vergleichen. Denn die Theorie optimaler Währungsräume bezieht sich auf die (in Bezug auf die EWU

und auf die, in dieser Studie zu thematisierenden G-20 wahrscheinlich nicht der Realität entsprechen-

de) Wahl zwischen vollständig frei schwankenden und fixierten Wechselkursen, nicht aber auf die hier

eher relevanten Alternativen 'narrowly pegged rates' und einer Währungsunion. 'Narrowly pegged

rates' sind, wie oben schon erwähnt, historisch relevantere Währungsregimes als vollkommen flexible

Wechselkurse. Flexible Wechselkurse stellen aber in zahlreichen Publikationen den Bezugspunkt für

beschäftigungspolitische Nachteile einer „unwiderruflichen“ Fixierung der Wechselkurse durch z.B.

die EWU dar, da ihnen eine vorteilhafte Wirkung bei der Pufferung von Schocks, die einzelne Länder

in unterschiedlicher Weise (also asymmetrisch bzw. idiosynkratisch) treffen, zugeschrieben wird (Bel-

ke und Gros, 1999). Es wird argumentiert, in Ermangelung von Alternativen wie mobiler Arbeitskräfte

und flexibler Löhne und Preise verzichte man z.B. in einer EWU unnötigerweise auf ein 'Ersatzventil'

in Gestalt flexibler Wechselkurse zur Korrektur aufgelaufenen Anpassungsdrucks. Diese Vermutung

kontrastiert aber stark mit empirischen Untersuchungen, nach denen Währungsabwertungen in indust-

rialisierten Volkswirtschaften kurz- und erst recht längerfristig kontraktive statt - wie oft unterstellt -

expansive realwirtschaftliche Effekte erzeugen. Kenen (1997) kommentiert diese Literatur dann auch

wie folgt: "Rarely have so many good papers been written on the wrong question (Hervorh. d. Verf.) -

although they do say useful things about the problems facing Europe in the years ahead".

Denn die Alternative zu einer Währungsunion besteht, wie schon von Kenen angedeutet, nach Mun-

dell (1997) aus polit-ökonomischen Gründen in 'pseudo currency areas' -wie auch im Großteil des

Status Quo ante. Diese 'pseudo-currency areas' zeichneten sich in der Vergangenheit aber zum größe-

ren Teil dadurch aus, dass die teilnehmenden Länder den Wechselkursen eben nicht gestatteten, die

Rolle eines automatischen Anpassungsmechanismus wahrzunehmen. Auch konnten Paritäten von Zeit

zu Zeit durch einfache Ministerbeschlüsse geändert werden. Die Wechselkursfestlegung und folglich

auch ein Teil der Varianz von Wechselkursen geriet somit deutlich in den Einflussbereich polit-

ökonomischer Zusammenhänge. Das Ausmaß, in dem Wechselkurse ein Politikinstrument darstellten,

ist somit im Vergleich zu dem Ausmaß, in dem sie einen marktbezogenen Korrekturmechanismus

repräsentierten, bedeutend. Im Rahmen von 'pseudo currency areas' divergieren länderspezifische

Zinssätze im Ausmaß erwarteter Wechselkursänderung. Spekulation, die unter diesen Umständen auf

eine Einweg-Option bauen kann, wirkt dann destabilisierend. Die Folge ist neben einer Abwertungs-

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Lohnspirale oft eine im weiteren Verlauf nicht prognostizierbare Variabilität von Wechselkursen. Die-

se korrespondiert in einem 'fixed-but adjustable rate system' wie dem EWS (und der 'Währungs-

schlange') mit Realignment- und Spekulationsphasen.

Während dieses zutreffende Argument im Zusammenhang mit unserer Modellierung der Arbeits-

markteffekte von Wechselkursunsicherheit den Übergang zu einer Währungsunion noch vorteilhafter

erscheinen lässt, impliziert es für unsere Analyse der Vorteilhaftigkeit bestimmter Wechselkursre-

gimes für die G-20 möglicherweise das Gegenteil. Gelingt eine glaubwürdige Wechselkursfixierung

nicht, könnte es besser sein, die Wechselkurse freier als bisher schwanken zu lassen als die G-20 wei-

ter in Richtung einer ‚pseudo currency area‘ mutieren zu lassen, in der die Wechselkursfestlegung und

auch die Änderungen impliziter oder expliziter Paritäten durch die Politik erfolgen. Denn die Wech-

selkursunsicherheit wäre im letzten Fall höher und die Beschäftigungseffekte für die G-20-

Volkswirtschaften sogar negativ.

Die Auswirkung der Variabilität auf die Beschäftigung kann im Rahmen international ausgerichteter

Makromodelle durchaus konsistent theoretisch formuliert werden. Selbst wenn Wechselkurse auf der

einen Seite durch die Geldpolitik erfolgreich strategisch genutzt werden, um den Output eines durch

einen asymmetrischen bzw. idiosynkratischen Schock betroffenen Landes zu stabilisieren, ist auf der

anderen Seite die durch eine volatilere Geldpolitik verursachte Variabilität der Wechselkurse eine

wesentliche Quelle für zusätzliche Outputvariabilität. Dieser Kerngedanke einer Austauschbeziehung

hat mittlerweile auch in spieltheoretische Makromodelle optimaler Geldpolitiken in offenen Volks-

wirtschaften Eingang gefunden. In einer Spielart dieser Modelle nimmt die (optimale) Variabilität der

Wechselkurse mit zunehmender relativer Größe einer Volkswirtschaft ab. Denn der Nachteil einer mit

steigender Wechselkursvarianz höheren Outputvariabilität überwiegt mit zunehmender Größe des

Landes den Vorteil einer Stabilisierung externer Schocks durch Wechselkursbewegungen. Der Vorteil

einer Elimination des Wechselkursrisikos ist demnach umso höher, je weniger die betrachtete Volks-

wirtschaft (ab einer bestimmten optimalen Größe) 'klein und offen' ist. Der Wechselkurs spielt eine "

... double role ... both as a potential stabilizer ... and a potential destabilizer of output" (Martin, 1997,

S. 6). Man argumentiert demnach zu einseitig, wenn man an der entfallenden Wechselkursvariabilität

ausschließlich negative Beschäftigungswirkungen einer glaubwürdigen Fixierung von Wechselkursen

festmacht. Eine hierauf aufbauende beschäftigungspolitische Kosten-Nutzen-Analyse einer glaubwür-

digen Wechselkursfixierung wäre unvollständig. Es ist daher von großem Interesse, der bisher empi-

risch kaum behandelten Frage nachzugehen, inwieweit die Wechselkursvariabilität Arbeitsmärkte

beeinträchtigt.

Um die Perspektive, die wir einnehmen, nochmals zu verdeutlichen: nominale Rigiditäten mögen zwar

bei flexiblen Wechselkursen eine Flexibilität der Reallöhne herbeiführen, die bei fixen Wechselkursen

nicht erreichbar ist. Dies kann jedoch nur dann als beschäftigungspolitischer Vorteil interpretiert wer-

den, wenn die Wechselkursänderung im Rahmen vollständig flexibler Wechselkurse die Folge einer

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Störung am Arbeitsmarkt ist und diese als notwendiges Korrektiv abfedert. Falls nun aber Wechsel-

kursänderungen wie in einem erheblichen Teil der historischen Referenzperiode unabhängig vom Ar-

beitsmarkt eintreten oder sogar erst auf politischem Wege veranlasst werden, verursachen sie erfah-

rungsgemäß durch Abwertungs-Lohn-Spiralen und erhöhte Unsicherheit realwirtschaftliche Probleme

erst und tragen selten zu einer Lösung des Beschäftigungsproblems bei.

Die hierin implizite Hypothese einer (partiellen) negativen Beschäftigungswirkung variabler Wechsel-

kurse wurde für Deutschland (Belke, 2001b), für EU-Mitgliedsländer vor Beginn der EWU (Belke und

Gros, 2001b), für Deutschland und die USA (Belke und Gros, 2001a, 2002a, Belke und Kaas, 2004b),

für die mittel- und osteuropäischen Volkswirtschaften (Belke und Setzer, 2003a,b,c, 2005, Belke und

Kaas, 2004a) und schließlich auch für lateinamerikanische Volkswirtschaften (Belke und Gros, 2002b,

2003) empirisch getestet.

Implikationen für die Wahl eines aus beschäftigungspolitischer Sicht geeigneten Wechselkursregimes

Die wichtigste wirtschaftspolitische Schlussfolgerung aus den in diesem Abschnitt erzielten theoreti-

schen und empirischen Ergebnissen besteht darin, dass eine glaubwürdige Fixierung von Wechselkur-

sen (was auch immer sie 'kosten' wird) das Potenzial dazu besitzt, partielle realwirtschaftliche Nutzen

mit sich zu bringen, indem sie die autonome Wechselkursvariabilität zwischen den beteiligten Ländern

unterdrückt. In dem Ausmaß, wie eine glaubwürdige Wechselkursfixierung zwischen den G-20 die

kurzfristige nominale Intra-G-20-Wechselkursvariabilität verringert (und Letztere zu gewissen Teilen

exogen, also nicht durch asymmetrische Schocks verursacht ist), ist ceteris paribus ein Anstieg der

Investitionen, des Outputwachstums und schließlich auch der Beschäftigung zu erwarten. Weiterge-

hende Schlussfolgerungen bleiben aber zunächst spekulativ. Dies soll im Folgenden ausführlich be-

gründet werden.

Erstens ist es eine alte und bisher ungelöste Frage, wie groß der Anteil der Wechselkursvariabilität,

der Ausdruck eines Anpassungsbedarfs an realwirtschaftliche asymmetrische Schocks ist, im Ver-

gleich zu dem Anteil ausfällt, der sich am ehesten durch andere als realwirtschaftliche Faktoren oder

als statistische Zufallsgröße erklären lässt. Zweitens ist die Frage noch nicht endgültig beantwortet, ob

die erstaunlich robusten empirischen Ergebnisse auf der Grundlage des stilisierten Modells von Belke

und Gros (2001b) sowie des im Hinblick auf Arbeitsmarktinstitutionen elaborierteren Modells von

Belke und Kaas (2004a,b) einen endgültigen Verzicht auf das Abwertungsinstrument (also das erste

statistische Moment flexibler Wechselkurse) bei unvollkommener Nominallohn- und Preisflexibilität

rechtfertigen können. Denn in der Vergangenheit gab es sehr unterschiedliche stabilitätspolitische

Erfolge von Währungsabwertungen. Realignments können nämlich nach herrschender Meinung in

vereinzelten Fällen stabilitätspolitisch erfolgreich sein und zu einem kompetitiven realen Wechselkurs

verhelfen.

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Entscheidend für den Nettonutzen einer Unterdrückung nominaler Wechselkursvariabilität durch eine

glaubwürdige Fixierung der Wechselkurse wie beispielsweise innerhalb einer Währungsunion sind

mehrere noch nicht prognostizierbare Faktoren.

Erstens ist unsicher und schwer abschätzbar, ob auch die externe Wechselkursvariabilität nach dem

Übergang zur Fixierung reduziert wird. Hierfür spricht, dass der wesentlich geringere Offenheitsgrad

einer großen Zone fixierter Wechselkurse zu geringeren Anreizen führt, mit der Geld- bzw. Wechsel-

kurspolitik zu stabilisieren und damit für variable Wechselkurse zu sorgen. Dagegen spricht, dass die

Zone fixierter Wechselkurse im Vergleich zu den einzelnen Mitgliedsländern eine geschlossenere

Volkswirtschaft darstellt und die Leitzentralbank deshalb der Variabilität des gemeinsamen Außen-

wertes der Währungen weniger Bedeutung als vorher auf nationaler Ebene beimisst, sodass die Volati-

lität des der fixierten Währungen gegenüber Drittwährungen möglicherweise ansteigt.

Die Elimination der Wechselkursvariabilität zwischen einer Teilmenge der G-20-Länder kann also zu

mehr Varianz zwischen den drei verbleibenden Währungsräumen (Dollar, Yen und Euro) führen oder

die selektive glaubwürdige Wechselkursfixierung als solche kann ein stabileres internationales Wäh-

rungsgefüge bewirken. In Bezug auf die unwiderrufliche Fixierung der intra-europäischen Wechsel-

kurse formulieren Gros und Thygesen (1998), S. 117, dies wie folgt: "There is no a priori theoretical

reason why the reduction of intra-European exchange-rate variability should increase global exchange-

rate volatility". Aktuelle Forschungsergebnisse (vgl. z.B. Rose, 1995) zeigen jedoch deutlich auf, dass

'official action' die Wechselkursvariabilität sogar reduzieren kann, während die Variabilität von Fun-

damentaldaten wie der Zinssätze und/oder der Geldmenge weiter konstant gehalten wird. Eine geldpo-

litische Koordination der Fed und der EZB beispielsweise könnte somit die Dollar-Euro Volatilität

unter Kontrolle halten.

Zweitens ist nicht auszuschließen, dass sich die verringerte Variabilität nominaler Wechselkurse in

einer gestiegenen Variabilität realwirtschaftlicher Größen ausdrücken wird.

Drittens ist für eine Zone fixierter Wechselkurse nicht absehbar, wie sich die Wahrscheinlichkeit

asymmetrischer Schocks entwickeln wird. Sinkt diese beispielsweise bei zunehmender Handelsin-

tegration, so steigt der Nettonutzen und umgekehrt. Dieses Argument ist aus der Theorie endogener

optimaler Währungsräume bekannt, nach der Währungsräume gerade wegen der unwiderruflichen

Fixierung der Wechselkurse ex post optimal werden können. Die Hoffnung vieler Politiker ist, dass

auch die G-20 mittel- bis langfristig wichtige Quellen von Schocks -nationale Geldpolitiken oder Stö-

rungen auf nationalen Finanzmärkten- durch eine gemeinsame Geldpolitik und einen EU-weiten Fi-

nanzmarkt unterdrücken dürfte. Im Rahmen des größeren Finanzmarktes werden regionenspezifische

Schocks nämlich eher dazu tendieren, sich größtenteils gegenseitig zu kompensieren.

Viertens bestimmt der Umfang der Zone fixierter Wechselkurse die Intensität der beschäftigungspoli-

tischen Kosten- und Nutzenkomponenten der Fixierung. Beispielsweise hängt die Höhe der Wechsel-

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kursvariabilität des Euro im Verhältnis zum U.S.-Dollar von der im Vorfeld der EWU lange Zeit nicht

antizipierbaren Größe des Währungsraumes ab. Auch werden die beschäftigungspolitischen Nutzen

und Kosten aus der Sicht eines individuellen Beitrittskandidaten davon bestimmt, welche der anderen

G-20-Länder ebenfalls teilnehmen.

Einer Einschätzung des realwirtschaftlichen Nutzens einer Wechselkursfixierung könnte man sich

jedoch auch noch aus einer anderen Perspektive nähern. Für den Fall des fiktiven 'counterfactual', das

Nichtzustandekommen einer glaubwürdigen Wechselkursfixierung, ist nämlich zu berücksichtigen,

dass der hohe Grad an Reallohnrigidität, der wachsende Integrationsgrad zwischen vielen G-20-

Volkswirtschaften und die wachsende Bedeutung von Finanzmarktturbulenzen Wechselkursbewegun-

gen als Anpassungsinstrument in ökonomischer Hinsicht ohnehin immer weniger effektiv und in poli-

tischer Hinsicht immer schwerer durchsetzbar erscheinen lassen. Folglich besteht - innerhalb und au-

ßerhalb der EWU - der einzige Weg, erfolgreich auf bedeutende realwirtschaftliche symmetrische oder

asymmetrische Schocks zu reagieren und unerwünschte negative Beschäftigungseffekte zu vermeiden,

darin, den Grad relativer Preis- und Lohnflexibilität zu erhöhen. Hierzu ist eine Reform der Institutio-

nen vorzunehmen, die bisher ein adäquates Funktionieren nationaler Güter- und Arbeitsmärkte verhin-

derten. Die G-20 jedoch ist weder für den Reformstau verantwortlich, noch kann sie diesen allein be-

seitigen. Sie tangiert zwar mehr Aspekte als die Elimination von Wechselkursrisiken, kann aber bisher

nicht eindeutig als Beschleuniger für fundamentale Strukturreformen auf europäischen und anderen

Arbeitsmärkten herhalten.13 Der letzte Aspekt erscheint so wichtig, dass hieran auch die weiteren

Überlegungen anknüpfen.

Denn das Ergebnis eines negativen Einflusses der Intra-G-20-Wechselkursvariabilität auf die Beschäf-

tigung ist nämlich auch aus anderer - strenger arbeitsmarktbezogener - Sicht keinesfalls gleichbedeu-

tend mit der Aussage, dass eine fiktive glaubwürdige Fixierung der Wechselkurse die Beschäftigung

in den G-20 tatsächlich steigern wird. Erstens ist nicht sicher, ob Hysteresiseffekte, welche als eine

Begründung für den gefundenen Effekt der Wechselkursunsicherheit auf Arbeitsmärkte angeführt

werden, tatsächlich symmetrisch wirken.14 Zweitens wird in diesem Abschnitt implizit angenommen,

dass die glaubwürdige Wechselkursfixierung an sich als neue monetäre Institution keine Auswirkun-

gen auf die Wirkungsmechanismen (Lohnsetzungsverhalten, Regulierungsdichte) auf Arbeitsmärkten

hat. Die ausführlichen Analysen in Belke (2001a), Kapitel 2.5., 4 und 8, belegen detailliert, dass diese

13

Auch in historischer Perspektive zeigt sich, dass Länder nicht immer die Wechselkursregimes wählten, die

bestimmte Indikatoren der Wechselkursvariabilität minimieren. Andere wichtige Aspekte, wie z.B. die mittel-

fristig erwartete Entwicklung des realen Wechselkurses, spielten ebenfalls eine Rolle. 14

Hysteresis, aus dem Griechischen: Zurückbleiben der Wirkung hinter dem Impuls, impliziert, dass bereits

temporäre Schocks der Wechselkursunsicherheit (anstelle eines permanenten 'misalignment' des Wechselkur-

ses) permanente Beschäftigungseffekte nach sich ziehen. Vgl. Belke, Göcke und Günther (2009).

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Neutralitätshypothese keineswegs zwingend zutreffend ist. Drittens ist ein Hauptargument für die Vor-

teilhaftigkeit der G-20, dass sie durch den Abbau von Handels- und Investitionsschranken zu mehr

realwirtschaftlicher Integration und zu mehr Wettbewerb führe (Belke, 2001a, Kapitel 4). Ob beide

Effekte jedoch mehr Beschäftigung in den G-20 schaffen werden, ist jedoch - zumindest kurzfristig -

nicht eindeutig. Ein verstärkter Wettbewerb und weniger Wechselkursunsicherheit könnten darüber

hinaus einige Unternehmen dazu veranlassen, ihre Produktionsstätten innerhalb der G-20-Region zu

verlagern. Dies könnte zu Verschiebungen von Investitionen innerhalb der G-20 führen. Ob diese

Wirkungskette für ein gegebenes Land per saldo zu mehr Beschäftigung führen wird, ist nicht sicher.

Viertens lässt sich auf der Basis des Insider-Outsider-Mechanismus (als ein Erklärungsmechanismus

der Arbeitsmarkt-Hysteresis) für den Fall von trotz Wechselkursfixierung unveränderten Arbeits-

marktinstitutionen argumentieren, dass die beschäftigten Insider Verbesserungen der Arbeitsmarktlage

direkt in höhere Lohnabschlüsse ummünzen. Sie würden auf diese Weise die Beschäftigungslage eher

stabilisieren, statt sie im Fahrwasser des, in diesem Kapitel identifizierten, positiven Beschäftigungsef-

fekts entfallender Wechselkursunsicherheit zu verbessern. Um eine Realisierung dieses positiven Ef-

fektes sicherzustellen, ist jedoch eine Abkehr der Blickrichtung von den, in diesem Kapitel themati-

sierten, Wirkungsmechanismen auf andere oben schon angeführte und auch schon seit Langem von

internationalen Organisationen vorgeschlagene klassische Deregulierungsmaßnahmen erforderlich.

Werden in den betreffenden Ländern der G-20 trotz des hierfür zur Verfügung stehenden Spielraums

(realwirtschaftliche Renten aus dem Entfallen der Intra-G-20 -Wechselkursvolatilität) die längst über-

fälligen Reformen nicht durchgeführt, wird die fiktive Wechselkursfixierung auch nicht zu entschei-

denden Verbesserungen der Arbeitsmarktlage beitragen können (Belke, Herz und Vogel, 2006a,b,c,

Calmfors, 2001). Vor einer Auflösung des Reformstaus ist jedoch noch das in Belke (2001a), Kapitel

4, ausführlich analysierte strategische Problem der Implementierung geeigneter Reformen, dessen

Lösung selbst vom gewählten Wechselkursregime abhängig ist, zu lösen (Belke, Herz und Vogel,

2006a,b,c, Calmfors, 2001).

Trägt man der Vielzahl der gerade genannten Einschränkungen gedanklich Rechnung, erscheint es

jedoch durchaus vertretbar, aus den in diesem Kapitel erzielten Ergebnissen die Schlussfolgerung po-

tenzieller und partieller realwirtschaftlicher Nutzen einer glaubwürdig an Fundamentaldaten orientier-

ten Wechselkurspolitik zwischen G-20-Ländern und der hierdurch entfallenden Intra-G-20-

Wechselkursunsicherheit zu ziehen.

Entscheidend für diese (theoretisch) positive Einschätzung ist, dass durch den Übergang zu glaubwür-

dig fixierten Wechselkursen nicht mehr der übliche Vergleich zwischen den Systemen fester und fle-

xibler Wechselkursen einschlägig ist. Auf dieser realistischen Basis (unter Abstraktion vom für die G-

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20 wegen der Heterogenität der beteiligten Volkswirtschaften irrelevanten Fall „unwiderruflich“ fi-

xierter Wechselkurse in einer Währungsunion15) sind Entscheidungen über die relative Vorteilhaf-

tigkeit eines Systems natürlich schwieriger zu treffen. Denn flexible Wechselkurse können eine hohe

Wahrscheinlichkeit kleiner Wechselkursänderungen und ein System fester Wechselkurse eine geringe

Wahrscheinlichkeit großer Wechselkursänderungen (möglicherweise in Verbindung mit Restriktionen

der Handels- und Kapitalströme) implizieren. Falls die Investitions- bzw. Beschäftigungsentscheidun-

gen der Unternehmen (wie in diesem Abschnitt abgeleitet) vom zweiten Moment der Wechselkursbe-

wegungen abhängen, ist auf der Basis einer reinen Varianzbetrachtung die Zuordnung eines relativ

niedrigeren Risikos zu Systemen fester Wechselkurse für die G-20 nicht mehr ohne weiteres möglich.

Vielmehr müssen weitere statistische Maße höherer Ordnung wie die 'Skewness' und die 'Kurtosis' der

Verteilung hinzugezogen werden (Edison und Melvin, 1990, S. 16 ff.).

Die in diesem Kapitel erzielten Ergebnisse deuten an, dass eine glaubwürdige Fixierung der Wechsel-

kurse oder flexiblen, an Fundamentaldaten orientierte, Wechselkurse als andere Randlösung im Ver-

gleich zum Status Quo ante, also zumeist stufenflexiblen Kursen, dem gegenwärtig als Bretton Woods

II bezeichneten Weltwährungssystem (Dooley, Folkerts-Landau und Garber, 2009), aus beschäfti-

gungspolitischer Sicht nicht ausschließlich negativ zu beurteilen wäre. Eine ausgewogene beschäfti-

gungspolitische Bewertung einer Wechselkursfixierung, wenn man sie trotz ihres teils spekulativen

Charakters durchführen möchte, darf nicht einseitig bleiben. Zwar ist theoretisch trotz des erheblichen

Verifizierungsproblems (u.a. das zuvor erörterte Problem der empirischen Operationalisierung des

'misalignment') nicht auszuschließen, dass erhebliche Kosten entstehen, wenn man in einem System

glaubwürdig fixierter Wechselkurse auf selten auftretende, gravierende asymmetrische Schocks nicht

mehr mit Wechselkurs-Realignments reagieren kann. Jedoch ist dies keinesfalls ein Argument, das

eine Vernachlässigung der 'Kehrseite derselben Medaille', des Nutzens der Wechselkursfixierung aus

entfallender Wechselkursvariabilität, rechtfertigen könnte.

Wie die empirischen Untersuchungen zeigten, sind auch die Beschäftigungskosten des Wechselkurs-

regimes im Status Quo ante im Sinne einer hohen statistischen Signifikanz substanziell. Die Existenz

und Nutzung (stufen-) flexibler Wechselkurse als Anpassungsinstrumente birgt oft auch die Nachteile

höherer Wechselkursvariabilität in sich. Ein derartiges abwägendes Urteil ist angezeigt, da stufenfle-

xible Kurse sich in der Vergangenheit zumeist nicht als hinreichend flexibel erwiesen. Sie können

sogar in Gestalt hoher Wechselkursvariabilität selbst realwirtschaftlichen Verwerfungen zugrunde

liegen. Der Fortfall flexibler Wechselkurse durch glaubwürdige Fixierung, die in der Vergangenheit

eben nicht hinreichend zur Anpassung an asymmetrische und/oder idiosynkratische realwirtschaftliche

15

Und selbst für die Eurozone scheinen zwar die Intra-EWU-Wechselkurse, aber nicht mehr die Relationen

zwischen Kursen der Staatsanleihen unwiderruflich fixiert.

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

42

Schocks taugten, ist dann auch aus beschäftigungspolitischer Sicht wohl nicht ausschließlich negativ

zu bewerten (Belke und Gros, 1999).

In Bezug auf die G-20 darf aber bezweifelt werden, dass die Internalisierung der identifizierten Be-

schäftigungsgewinne durch Eliminierung von Wechselkursunsicherheit durch eine glaubwürdige Fi-

xierung der Wechselkurse z.B. durch eine Währungsunion wirklich gelingt. Hierfür sind die Mit-

gliedsländer viel zu heterogen im Hinblick auf ihre stabilitätspolitischen Vorstellungen sowie auf ihre

realwirtschaftlichen und finanzmarktbezogenen Strukturen. Frankreichs Präsident Sarkozy als G-20-

Vorsitzender dürfte an einem Wechselkursarrangement interessiert sein, das den Aufwertungsdruck

auf den Euro über die mit Hysterese-Modellen berechenbare Schmerzgrenze für die europäische Be-

schäftigung beispielsweise des Dollar-Euro-Wechselkurses hinaus lindert (Belke, Göcke und Günther,

2009). Zu befürchten ist, dass Versuche der Umsetzung dieses Ziels durch Devisenmarktinterventio-

nen und/oder expansive Geldpolitik in der Eurozone zu mehr Wechselkursvolatilität und weniger Be-

schäftigung innerhalb der G-20 führen wird.

iii. Wirkungen in der kurzen Frist: Übertragung konjunkt ureller Impulse und Preisent-

wicklungen

Als entscheidender Aspekt bei der Beurteilung von Währungsregimen steht neben den diskutierten

eher langfristigen Aspekten der Einfluss des Regimes auf die Stabilität der wirtschaftlichen Entwick-

lung regelmäßig im Vordergrund der Betrachtungen. In diesem Sinne sind Wechselkurssysteme und

ihre Implikationen seit langem Gegenstand der internationalen makroökonomischen Theorie. Im Fol-

genden soll ein knapper Überblick über die zentralen Aspekte bei der Beurteilung von Wechselkursre-

gimen aus konjunktureller Perspektive gegeben werden. Hierzu analysieren wir zunächst die Trans-

missionseigenschaften von konjunkturellen Schocks und Preisentwicklungen in Abhängigkeit vom

Währungssystem und ergänzen die im Rahmen der Simulationsergebnisse hergeleiteten Aspekte durch

zusätzliche Gesichtspunkte.

Dem Grunde nach ist unbestritten, dass Wechselkurse eine entscheidende Rolle bei der Übertragung

konjunktureller Schwankungen und inflationärer Entwicklungen spielen. Zentraler Aspekt in diesem

Zusammenhang ist der durch fixierte Wechselkurse bedingte Verlust einer autonomen Geld- und

Wechselkurspolitik als Stabilisierungsinstrument. Bei fixierten Wechselkursen muss die Zentralbank

jederzeit bereit sein, im Handel mit privaten Devisenmarktteilnehmern Währungen zum festgesetzten

Kurs zu kaufen. Unter diesen Umständen führt etwa eine durch Zinserhöhungen restriktive Geldpolitik

zu erhöhten Kapitalzuflüssen ins Inland, da die inländischen Zinsen relativ zum Ausland steigen. Bei

flexiblen Wechselkursen würde sich der stärkere Kapitalzufluss aufgrund steigender Nachfrage nach

der Inlandswährung in Aufwertungsdruck auf die lokale Währung äußern. Nicht so bei einem fixierten

Wechselkurs: Die Zentralbank tauscht in diesem Fall große Mengen ausländischer Devisen gegen die

inländische Währung. Die Devisenbestände der Zentralbank steigen also an, während gleichzeitig die

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

43

im Umlauf befindliche Menge inländischer Währung steigt. Diese Ausweitung der Geldmenge führt

zu sinkenden Zinsen, die schließlich die ursprüngliche restriktive Geldpolitik wirkungslos machen.16

Die Geldpolitik verliert demnach in einem System fester Wechselkurse ihre Wirksamkeit und kann

nicht zur Stabilisierung der konjunkturellen Situation eingesetzt werden.17

Nicht nur die Maßnahmen der Geldpolitik selbst entfalten unterschiedliche Wirkung in Abhängigkeit

vom Wechselkursregime. Generell führt der Verlust der autonomen Geldpolitik zu teilweise uner-

wünschten Übertragungseffekten von außenwirtschaftlichen Entwicklungen wie Produktions- oder

Preisschwankungen auf die Binnenwirtschaft. Dabei hängen die Übertragungseffekte entscheidend

von der tieferen Ursache der in den Daten zu beobachtenden Phänomene ab. So können Konjunktur-

ebenso wie Preisentwicklungen auf unterschiedliche Ursachen zurückgehen. Grundsätzlich zu unter-

scheiden sind etwa Angebots- oder Nachfrageschocks ebenso wie Impulse, die auf Veränderungen im

makropolitischen Umfeld zurückgehen (zum Beispiel eine veränderte geld- oder fiskalpolitische Posi-

tion). Abhängig von der spezifischen Ursache einer etwa im Wirtschaftswachstum oder den Konsum-

entenpreisen zu beobachtenden Veränderung ist demnach von unterschiedlichen internationalen

Transmissionseffekten auszugehen.

Da in der Realität eine klare Trennung zwischen den die wirtschaftliche Entwicklung beeinflussenden

Schocks kaum möglich ist und zudem die Dynamik durch endogene Politikreaktionen überlagert wird,

wird in der vorliegenden Analyse ein Strukturmodell herangezogen, um die Transmissionseigenschaf-

ten makroökonomischer Entwicklungen in einem kontrollierten Umfeld zu simulieren. Die hier vorge-

legte Analyse stützt sich auf das vom National Institute of Economic and Social Research (NIESR)

entwickelte NiGEM-Modell. NiGEM ist ein umfangreiches Simulations- und Prognosemodell für die

Weltwirtschaft mit typischen neu-keynesianischen Elementen wie rationaler Erwartungsbildung auf-

seiten der Wirtschaftssubjekte und Preis- sowie Lohnrigiditäten. Im Gegensatz zu prinzipiell nicht

unähnlichen DSGE-Modellen ist NiGEM nicht mikrofundiert, d.h., die das Modell charakterisierenden

Gleichungen werden ad-hoc formuliert und sind nicht zwingend an ein rationales Entscheidungskalkül

der Wirtschaftssubjekte gebunden. Während diese Eigenschaft im Lichte der Lucas-Kritik (Lucas,

1976) nicht unproblematisch ist, ermöglicht die hierdurch wesentlich vereinfachte Struktur des Mo-

dells eine breite und dennoch detaillierte Modellierung der Weltwirtschaft. So sind in NiGEM alle

OECD-Länder sowie zahlreiche Schwellenländer mit bis zu 130 Gleichungen abgebildet, um deren

Reaktion auf nationale und internationale exogene Schocks zu simulieren. Bei der folgenden Analyse

16

Unter der Annahme von Kapitalverkehrsbeschränkungen verzögert sich der Effekt. Zinsunterschiede sind

aber außer bei Vorliegen unterschiedlicher Risikoprämien bei festen Wechselkursen nicht haltbar. 17

Vgl. einführend auch Krugman und Obstfeld (2006), Kapitel 17.

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

44

reagieren alle modellierten Volkswirtschaften auf die betrachteten Schocks, obwohl die Ergebnisse nur

für einzelne (repräsentative) Länder berichtet werden.

Übertragung von konjunkturellen Impulsen

Wie im einleitenden Abschnitt zu diesem Kapitel skizziert hängen die Transmissionseigenschaften

konjunktureller Impulse davon ab, welche Schocks zu den beobachteten Konjunkturschwankungen

führen. Wir unterscheiden zwischen zwei idealtypischen Schocks:

1. Nachfrageschocks: Eine exogene Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage (etwa durch

steigende Staatsausgaben) führt in offenen Volkswirtschaften typischerweise sowohl zu einer

Steigerung der Nachfrage nach inländischen Produkten wie auch zu einer erhöhten Nachfrage

nach Importgütern. Entsprechend steigen durch den positiven Nachfrageschock die Exportmög-

lichkeiten und damit die Produktion der Handelspartner. Im Ergebnis lässt sich ein positiver Zu-

sammenhang zwischen inländischer und ausländischer Produktion feststellen. Dabei ist das Aus-

maß der Transmission vom Wechselkursregime abhängig: Bei flexiblen Wechselkursen sorgt die

steigende Nachfrage nach ausländischen Exportgütern kurzfristig zu einer Abwertung der einhei-

mischen Währung, die im Vergleich zum Festkurssystem den Importanstieg und damit das Aus-

maß der konjunkturellen Transmission dämpft.

2. Angebotsschocks: Eine exogene Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Angebots (etwa durch stei-

genden Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit) führt bei offenen Volkswirtschaften zu einer stei-

genden Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten und damit zu steigenden Exporten. Die Wir-

kung des Angebotsschocks auf die Produktion der Handelspartner ist à priori unbestimmt: Einer-

seits führt die steigende Wettbewerbsfähigkeit des Inlands zu Verdrängungseffekten auf dem

Weltmarkt, die in negativen Effekten des Schocks auf die Produktion der anderen Volkswirtschaf-

ten mündet. Andererseits führt das steigende Angebot billigerer Güter sowie steigende Importe des

Inlands (aufgrund steigender Löhne und Investitionen) zu einer positiven Übertragung des

Schocks in den Rest der Welt, sodass der Nettoeffekt eines Angebotsschocks auf die Konjunktur

der Handelspartner nicht ohne eine detaillierte Strukturanalyse zu ermitteln ist. Simulationen in

einem Makromodell, wie im Endbericht durchgeführt, können einen Einblick in die quantitative

Bedeutung der einzelnen Transmissionskanäle geben und so den Nettoeffekt des Schocks abschät-

zen lassen. Unabhängig hiervon ist jedoch auch im Fall des Angebotsschocks der Transmissions-

effekt durch das Wechselkursregime mitbestimmt. Allerdings ist auch hier der Nettoeffekt nicht à

priori bestimmbar. Einerseits sollte bei flexiblen Wechselkursen durch die steigende Nachfrage

nach inländischen Exportgütern der Wechselkurs aufwerten, sodass es zu einer Dämpfung der

Verdrängungseffekte im Vergleich zum Fixkursregime kommt. Andererseits führt die steigende

Nachfrage nach Importgütern (aufgrund steigender Löhne und Investitionen im Inland) zu einer

gegenläufigen Abwertung der inländischen Währung, sodass der Nettoeffekt erneut unklar ist.

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45

Für unsere Simulationen in NiGEM unterscheiden wir fünf internationale Währungssysteme:

1. Global flexible Wechselkurse (weltweit flexible Wechselkurse und vollständig autonome Geldpo-

litik, einschließlich flexibler Wechselkurse zwischen den Euroraum-Ländern)

2. Global flexible Wechselkurse mit Währungsunion im Euroraum (d.h. autonome Geldpolitik in

Schwellenländern, gemeinsame Geldpolitik im Euroraum)

3. Status Quo-Regime (globales Mischsystem mit Währungsunion im Euroraum, Dollar-Bindung der

Währung wichtiger Schwellenländer (insbes. China und Brasilien), Euro-Bindung der osteuropäi-

schen Volkswirtschaften, flexible Wechselkurse insbesondere zwischen Euro, britischem Pfund

und US-Dollar)

4. Fixer Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar (Status Quo-Regime mit Währungsunion zwi-

schen Euro- und US-Dollar-Raum)

5. Global fixe Wechselkurse (feste Wechselkurse zwischen allen Währungen weltweit)

Für alle Regime wird eine endogene Geldpolitik unterstellt, d.h. die Zentralbanken reagieren gemäß

einer geldpolitischen Regel (Taylor-Regel) auf die durch den simulierten Schock ausgelösten Fluktua-

tionen in Preisniveau, Produktion oder Beschäftigung. Bei den Systemen 4 und 5 wird eine supranati-

onale Zentralbank unterstellt, die ihre Geldpolitik an den konjunkturellen Entwicklungen in der

„Transatlantischen Union“ bzw. der konjunkturellen Entwicklungen der Weltwirtschaft orientiert.18

Abbildung 2 stellt die Entwicklung der Bruttoinlandsprodukte in China, Deutschland, Großbritannien

sowie den USA in Reaktion auf einen Staatsausgabenschock in den USA dar.19 Die Höhe der Schocks

ist dabei so gewählt, dass es im Status Quo-Regime in der Spitze zu einer Abweichung des US-

Bruttoinlandsproduktes von seinem ursprünglichen Expansionspfad in Höhe von einem Prozent käme.

Die Wirkungen des Schocks hängen dabei wie erwartet maßgeblich vom globalen Wechselkursregime

ab:

18

Es wird also in Regime 4 und 5 nicht unterstellt, dass eine nationale Geldpolitik (etwa der USA) sich an natio-

nalen Interessen orientiert, während die übrigen Mitglieder der Währungsunion zur Fixierung des Wechselkur-

ses vollständig auf eine autonome Geldpolitik verzichten. Dies steht im Gegensatz zu Regime 3, wo die US-

Notenbank einer national orientierten Geldpolitik folgt und die Schwellenländer ihre Geldpolitik zugunsten

fixer Wechselkurse aufgeben. 19

Die Darstellung weiterer Länder würde den Rahmen des vorliegenden Berichts sprengen. Die gewählten

Volkswirtschaften mögen daher stellvertretend betrachtet werden. Ergebnisse für andere Länder können auf

Anfrage bereit gestellt werden.

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Belke � B

ernoth � Fichtner

Die Z

ukunft des Internationalen Währungssystem

s

46

Abbildung 2: B

ruttoinlandsprodukte in Reaktion auf einen N

achfrageschock in den U

SA

in Abhän-

gigkeit vom

globalen Währungssystem

(Abw

eichung von B

asislinie in Prozent).

-0.2

-0.15

-0.1

-0.05

0

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

China (Y)

-0.1

-0.05

0

0.05

0.1

0.15

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

Deutschland (Y)

-0.35

-0.3

-0.25

-0.2

-0.15

-0.1

-0.05

0

0.05

0.1

0.15

0.2

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

Großbritannien

-0.4

-0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

Global flexibel

Schwellenländer flexibel

Status quo

Euro-Dollar fix

Global fix

USA

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47

- Im ‚Status Quo’-Regime kann China dank steigender Exporte einen deutlichen Zuwachs des Brut-

toinlandsproduktes verzeichnen. Allerdings sieht sich die chinesische Zentralbank gezwungen, zur

Stabilisierung des Wechselkurses die infolge des positiven output gap in den USA restriktivere

Geldpolitik nachzuvollziehen, sodass die Binnennachfrage sinkt und einen Teil der Exportzu-

wächse ausgleicht. Auch in den anderen Volkswirtschaften ergeben sich kurzfristig Produktions-

ausweitungen durch steigende Exportmöglichkeiten, die aber im Zuge der sich aus der stark stei-

genden relativen Nachfrage nach den jeweiligen Währungen auf den Devisenmärkten ergebenden

Aufwertung des Euro bzw. des Pfund etwas gedämpft werden.

- Ein anderes Bild ergibt sich, wenn ein flexibler Wechselkurs zwischen den Währungen der

Schwellenländer und dem US-Dollar angenommen wird. In dieser Situation muss China die rest-

riktive US-Geldpolitik nicht wie im Status Quo-Regime nachvollziehen, sodass kräftig anziehende

Exporte und gleichzeitig steigende Binnennachfrage zu erheblichen Produktionszuwächsen füh-

ren. In den übrigen Volkswirtschaften ist im Vergleich zum Status Quo-Regime keine signifikante

Änderung der Ergebnisse zu beobachten.

- Eine weitere Flexibilisierung der Wechselkurse einschließlich einer Wiedereinführung nationaler

Währungen im europäischen Wirtschaftsraum („Global flexibel“) führt ebenfalls nur zu geringen

Änderungen der Transmission des US-Nachfrageschocks in die übrigen betrachteten Volkswirt-

schaften. Dies liegt an der recht symmetrischen Wirkung des Schocks auf die europäischen

Volkswirtschaften, die sich darin niederschlägt, dass sich die gesamteuropäische Geldpolitik nur

wenig von der jeweiligen länderspezifischen Geldpolitik unterscheidet.

- Erhebliche Unterschiede im Vergleich zum währungspolitischen Status Quo ergeben sich aus ei-

ner Fixierung der Wechselkurse. So führt eine Fixierung des Euro-Dollar-Kurses nach einer kurz-

fristig positiven Wirkung zu einer mittelfristig negativen Übertragung des Nachfrageschocks nach

Deutschland. Zwar kann Deutschland dank des fixierten Wechselkurses (und der damit wegfallen-

den Aufwertung des Euro) kurzfristig erhebliche zusätzliche Exporte realisieren. Gleichzeitig rea-

giert die euro-amerikanische Zentralbank aber mit erheblichen Zinssteigerungen auf die steigende

Produktion in den USA, die die Investitionstätigkeit und den Output im Euroraum dämpft. Mittel-

fristig kommt es daher zu einer negativen Übertragung des Nachfrageschocks nach Deutschland.

Mittelfristig dämpfend wirkt sich die schwächere Konjunktur im Euroraum zudem auf Großbri-

tannien aus, das außerdem aufgrund seines in diesem Szenario flexiblen Wechselkurses den ge-

samten Aufwertungsdruck trägt, der sich aus der Abwertung des Dollar ergibt. Allerdings ist die

Zinssteigerung im USA-Euro-Raum in diesem Szenario nicht so ausgeprägt wie im Status Quo-

Regime, da sich das nun für die Zentralbank relevante Bruttoinlandsprodukt nicht so weit von sei-

nem Gleichgewichtspfad entfernt (da die europäischen Volkswirtschaften eine weniger starke Re-

aktion verzeichnen). Entsprechend sind die dämpfenden Wirkungen der über den fixierten Wech-

selkurs auch nach China importierten restriktiveren Geldpolitik in diesem Szenario etwas geringer.

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

48

- Unterstellt man schließlich global fixe Wechselkurse, so reduziert sich die dämpfende Wirkung

der restriktiveren Geldpolitik in Deutschland und China weiter, da sich die Weltzentralbank gerin-

geren Preis- und Outputwirkungen gegenübersieht (da die starken Wirkungen auf das US-BIP

bzw. die US-Inflation bei einer globalen Betrachtung relativ weniger Gewicht haben). Entspre-

chend sind die Auswirkungen des Schocks auf China und Deutschland in diesem Szenario positi-

ver (bzw. weniger negativ) als im Fall des Regimes mit lediglich fixem Wechselkurs zwischen Eu-

ro und Dollar. Erheblich negativere Auswirkungen im Vergleich zum vorigen Regime stellen sich

allerdings in Großbritannien ein, das sich nun im Unterschied zu vorher ebenfalls mir einer restrik-

tiveren Geldpolitik konfrontiert sieht.

Eine Gesamtwürdigung der Ergebnisse zur Übertragung eines Nachfrageschocks in den USA ergibt

ein differenziertes Bild. Für alle betrachteten Volkswirtschaften stellt sich der währungspolitische

Status Quo zwar insgesamt relativ günstig dar. Eine weitere Flexibilisierung im internationalen Wäh-

rungssystem durch eine Lösung der fixierten Wechselkurse zwischen den USA und den Schwellenlän-

dern reduziert die konjunkturelle Volatilität in Großbritannien und Deutschland jedoch leicht, während

die Auflösung der Eurozone durch innereuropäisch flexible Währungen die Volatilität der Bruttoin-

landsprodukte im Vergleich hierzu tendenziell leicht erhöht.20 Eine weitere Flexibilisierung der Wech-

selkurse zwischen den USA und den Schwellenländern wäre daher aus europäischer Perspektive zu

begrüßen. Dieses Ergebnis gilt jedoch nicht für China, dessen Bruttoinlandsprodukt bei flexiblem

Wechselkurs wesentlich stärker auf den Nachfrageschock aus den USA reagiert. Nur geringe zusätzli-

che Volatilität entstünde in den Schwellenländern durch eine engere Bindung zwischen Dollar und

Euro oder durch global fixe Wechselkurse. Dies stünde allerdings den Interessen der europäischen

Volkswirtschaften deutlich entgegen, die hierdurch erhebliche konjunkturelle Volatilität aus den USA

importieren würden.

In der Gesamtschau ist daher aus globaler Perspektive mit Blick auf Nachfrageschocks in den USA

der Status Quo die zweckmäßigste Lösung. Eine weitere Flexibilisierung der Wechselkurse hätte er-

heblich verstärkte Volatilität in den Schwellenländern zur Folge, während die Bildung größerer Wäh-

rungsräume durch fixe Wechselkurse die Volatilität in den Industrieländern im Vergleich zum Status

Quo verstärken würde.

20

Bei der Interpretation der Simulationsergebnisse ist zu beachten, dass der gewählte positive Schock freilich

nur einen Ausschnitt der Realität abbilden kann. Nimmt man an, dass sich negative Schocks analog symmet-

risch durch die Weltwirtschaft fortpflanzen, so ist beispielsweise für China die starke Reaktion des Bruttoin-

landsproduktes auf den Schock in den USA keinesfalls als positiv zu bewerten. Maßstab zur Beurteilung des

globalen Währungsregimes sollten daher die Auswirkungen auf die Volatilität makroökonomischer Variablen

sein, nicht das Vorzeichen der vorgestellten Ergebnisse.

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Belke � B

ernoth � Fichtner

Die Z

ukunft des Internationalen Währungssystem

s

49

Abbildung 3: B

ruttoinlandsprodukte in Reaktion auf einen A

ngebotsschock in den U

SA

in Abhän-

gigkeit vom

globalen Währungssystem

(Abw

eichung von B

asislinie in Prozent).

-0.02

0

0.02

0.04

0.06

0.08

0.1

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

China (Y)

0

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05

0.06

0.07

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

Deutschland (Y)

-0.04

-0.02

0

0.02

0.04

0.06

0.08

0.1

0.12

0.14

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

Großbritannien

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

Global flexibel

Schwellenländer flexibel

Status quo

Euro-Dollar fix

Global fix

USA

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50

Abbildung 3 stellt die globale Reaktion auf einen Angebotsschock in den USA dar. Simuliert wird

eine Ausweitung des Angebots des Faktors Arbeit durch eine Erhöhung der Arbeitszeit pro Arbeit-

nehmer. Erneut wird der Schock so gewählt, dass es im Status Quo-Regime zu einer Abweichung des

US-amerikanischen Bruttoinlandsprodukts von seiner Basislinie von in der Spitze einem Prozent

kommt. Wie im Vergleich zwischen Abbildungen 2 und 3 festzustellen ist, überträgt sich der Ange-

botsschock weniger stark auf die Handelspartner als der betrachtete Nachfrageschock. Insgesamt

kommt es zudem zu einer positiven Übertragung des Schocks: Die durch die steigende Wettbewerbs-

fähigkeit der US-Produktion ausgelösten Verdrängungseffekte auf dem Weltmarkt werden offensicht-

lich durch die positiven Effekte überkompensiert, die die außeramerikanischen Volkswirtschaften aus

den billiger werdenden US-Produkten generieren können. Erneut hängt die Übertragung des Schocks

auf die Weltkonjunktur aber vom Wechselkursregime ab:

- Im währungspolitischen Status Quo überträgt sich der positive US-Angebotsschock positiv auf die

mit flexiblen Wechselkursen mit dem Dollar verbundenen Industrieländer, hat aber mittelfristig

negative Wirkung auf die mit einem fixierten Wechselkurs angebundenen Schwellenländer wie

China. Der Angebotsschock verbilligt die US-amerikanischen Güter auf dem Weltmarkt und dem

heimischen Markt erheblich, sodass die europäischen Volkswirtschaften verstärkt amerikanische

Produkte importieren. Gleichzeitig dämpft die US-Notenbank den Preisverfall durch Zinssenkun-

gen, die kurzfristig zu einer leichten Abwertung des Dollar führen. Mittelfristig führt der Ange-

botsschock zu einer Steigerung der Nettoexporte der europäischen Volkswirtschaften, da die er-

höhte Produktivität in den USA in einer verstärkten Investitionstätigkeit mündet und daher zu

kräftigen Importen der US-Wirtschaft führt. Mittelfristig stellt die US-Notenbank jedoch ange-

sichts des positiven ‚output-gap’ auf eine restriktivere Geldpolitik um. Die chinesische Zentral-

bank muss mit Zinssteigerungen einem Abfluss von Kapital in die US-Wirtschaft begegnen, der

zu einer mittelfristig starken Dämpfung der positiven Übertragung führt.

- Die Situation stellt sich anders dar, wenn die Schwellenländer ihre fixen Wechselkurse aufgeben.

Die Übertragung auf China ist dann, nach einem kurzen aufwertungsbedingten Einbruch, dauer-

haft positiv, da die mittelfristig restriktivere Geldpolitik der USA nun nicht mehr nach China über-

tragen wird. Die positiveren Wirkungen des Schocks auf die chinesische Volkswirtschaft verstär-

ken im Euroraum und Großbritannien die positiven Wirkungen, die sich bereits aus der direkten

Übertragung aus den USA ergeben, sodass es insgesamt zu einer etwas stärkeren Reaktion des

deutschen und des britischen Bruttoinlandsprodukts auf den Schock in den USA kommt.

- Eine weitere Flexibilisierung im internationalen Währungssystem durch Wiedereinführung flexib-

ler Wechselkurse innerhalb des Euroraums führt zu einer etwas geringeren Reaktion Deutschlands

auf den Schock, da aufgrund des hohen deutschen Exportanteils in die USA die Abwertung der

deutschen Währung kräftiger ist als die Abwertung der europäischen Gemeinschaftswährung im

vorigen Szenario. Die Abwertung der deutschen Währung gegenüber den Währungen der anderen

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51

europäischen Volkswirtschaften dämpft die Kaufkraft erheblich, sodass es mittelfristig zu einer

schwächeren Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts als im vorigen Szenario kommt.

- Auch eine Fixierung der Wechselkurse führt zu einer veränderten Transmission des Schocks im

Vergleich zum Status Quo. So führt die Fixierung des Euro-Dollar-Wechselkurses jetzt zu einer

stärkeren positiven Übertragung des Schocks nach China, da die gemeinsame Geldpolitik in Euro-

raum und USA weniger restriktiv auf den Schock reagiert als die US-Zentralbank im Status Quo-

Regime. Die positive Übertragung des Schocks in die europäischen Industrieländer ist kurzfristig

stärker als im währungspolitischen Status Quo, da die Abwertung des Dollar, die im Status Quo-

Regime kurzfristig die US-Nachfrage nach europäischen Produkten dämpfte, nun nicht mehr auf-

tritt. Mittelfristig hingegen mündet die vergleichsweise restriktive Geldpolitik in der transatlanti-

schen Währungsunion in einer Dämpfung der positiven Übertragung. Großbritannien schließlich

kann kurzfristig nicht so stark von dem Schock profitieren, da die Abwertung des US-Dollar nun

vollständig in einer Aufwertung des britischen Pfunds resultiert. Erst mittelfristig steigen die briti-

schen Exporte kräftig an, wenn die US-Notenbank auf eine restriktivere Politik umstellt und so ei-

ne Aufwertung des Dollar (und damit eine Abwertung des Pfunds) unterstützt.

- Eine weitere Fixierung der Wechselkurse hin zu einem globalen System fixer Wechselkurse führt

sowohl im Vergleich zum letzten Szenario wie auch im Vergleich zum währungspolitischen Status

Quo zu einer weiteren Ausweitung der Reaktion des deutschen und des britischen Bruttoinlands-

produkts auf den US-Angebotsschock. Dies liegt erneut an der etwas weniger restriktiven Geldpo-

litik, die eine Weltzentralbank im Vergleich zu der transatlantischen Zentralbank des vorigen Re-

gimes verfolgt, da das Gewicht des großen US-‚output-gaps’ eine relativ geringere Bedeutung hat.

Zusammenfassend ergibt sich ein weniger klares Bild als im Fall des Nachfrageschocks. Tendenziell

erhöht sich durch die Flexibilisierung der Wechselkurse die Persistenz des US-Angebotsschocks auf

die übrigen betrachteten Volkswirtschaften. Das Ausmaß der Abweichung vom gleichgewichtigen

Wachstumspfad wird aber durch die Wahl des globalen Währungssystems im Allgemeinen nur wenig

beeinflusst. Für Schwellenländer wie China stellt sich das Status Quo-Regime als das insgesamt wohl

günstigste System heraus, während sowohl eine weitere Flexibilisierung wie auch eine weitere Fixie-

rung im Vergleich tendenziell höhere Variabilität des Bruttoinlandsprodukts induziert. Für Euro-

Mitgliedsländer wie Deutschland ist der unmittelbare Effekt des Schocks zwar stärker, wenn fixe

Wechselkurse angenommen werden, dafür bewegt sich die Wirtschaft schneller wieder zurück zu ih-

rem Ausgangsniveau, sodass insgesamt die Volatilität geringer ist, wenn fixe Wechselkurse unterstellt

werden. Als präferiertes System aus deutscher Perspektive ist daher das Regime mit einer transatlanti-

schen Währungsunion zu identifizieren. Dies steht allerdings den Interessen die Nicht-EWU-

Industrieländer wie Großbritannien oder den USA entgegen, die in einem solchen System mit ver-

gleichsweise hoher Volatilität konfrontiert sind und die mit einem flexibleren Weltwährungssystem

wie dem Status Quo-Regime insgesamt besser gestellt sind.

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52

Aus globaler Perspektive ist der währungspolitische Status Quo mit Blick auf exogene Angebots-

schocks nicht die schlechteste aller Lösungen. Hervorzuheben ist vor allem, dass eine Flexibilisierung

des Wechselkurses zwischen US-Dollar und Schwellenländern keine stabilisierende Wirkung bei der

Übertragung von US-Angebotsschocks hat. Die Auswirkungen des Währungsregimes auf die Volatili-

tät der Bruttoinlandsprodukte sind zwar nur gering, insgesamt ließe sich möglicherweise aber eine

leichte Stabilisierung der Konjunktur durch die Bildung einer Währungsunion zwischen USA und

Euroraum erreichen.

Übertragung von Preisschwankungen

Das klassische Experiment bei der Analyse der Wirkung von Wechselkursregimen auf das internatio-

nale Preisgefüge besteht in der Betrachtung von geldpolitischen Schocks, wie etwa einem Geldmen-

genschock (vgl. etwa Dornbusch, 1976). Eine expansive Geldpolitik führt bei flexiblen Wechselkursen

zu einer unmittelbaren Abwertung der inländischen Währung, da die steigende Geldmenge zu fallen-

den Zinsen und damit Kapitalabflüssen führt, die eine Abwertung der Währung verursachen. Die Ab-

wertung ermöglicht den inländischen Produzenten, Preissteigerungen auf den Weltmärkten durchzu-

setzen, die auch im Inland zu steigenden Preisen führen. Im internationalen Wettbewerb wird die Ab-

wertung allerdings nicht vollständig durch die Preissteigerung kompensiert werden. Während das In-

land also wettbewerbsfähiger auf den Weltmärkten wird und daher Exporte und Produktion ansteigen,

können die ausländischen Nachfrager mit sinkenden Preisen dank der billiger notierenden inländi-

schen Währung rechnen. Entsprechend sinkt im Ausland das Preisniveau. Ein positiver Geldmengen-

schock führt also bei flexiblen Wechselkursen im Inland zu steigenden und im Ausland zu sinkenden

Preisen. Das Bild ändert sich im Falle fixer Wechselkurse: Gemäß der ‚impossible trinity’ sind fixe

Wechselkurse bei unbeschränkter Kapitalmobilität nicht mit der oben angenommenen unabhängigen

Geldpolitik vereinbar. Bei unbeschränkter Kapitalmobilität müsste die inländische Zentralbank zur

Verhinderung der oben beschriebenen Abwertung Devisenverkäufe vornehmen, d.h. die ausländische

Währung gegen inländische Währung tauschen. Damit entzieht diese Politik der Wirtschaft die zusätz-

liche Geldmenge wieder, eine autonome Geldpolitik ist nicht möglich.

Neben Schocks im makropolitischen Umfeld (wie der eben beschriebene Geldmengenschock) kom-

men erneut Angebots- und Nachfrageschocks als Treiber der Preisschwankungen in Betracht. Im Sin-

ne der Übersichtlichkeit beschränken wir uns in unseren Simulationen wieder auf die oben beschrie-

benen Ursachen makroökonomischer Fluktuationen. Die den Schocks folgenden Preisreaktionen wer-

den im Folgenden ausführlich thematisiert.

Wir betrachten zunächst den US-Nachfrageschock. Abbildung 4 stellt die Wirkungen des Schocks in

den USA auf die globalen Inflationsraten dar, wobei der Schock nun so skaliert wird, dass die Abwei-

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

53

chung der Inflationsrate in den USA von ihrer Basislinie in der Spitze einen Prozentpunkt beträgt.21

Grundsätzlich zeigt sich, dass der US-Nachfrageschock wie erwartet zu steigenden Inflationsraten in

den USA führt, da sich die steigende Nachfrage bei nur mit Verzögerung reagierender Produktion in

Preissteigerungen niederschlägt. In Reaktion auf den Preisdruck und den positiven Output gap wird

die US-Zentralbank eine restriktivere Geldpolitik einschlagen. Da diese Politik über eine Aufwertung

des Dollar die Import- und Konsumentenpreise wieder dämpft, kommt es mittelfristig allerdings zu

einer expansiveren Politik der Federal Reserve Bank. Die Übertragung des Schocks auf die Preise in

anderen Volkswirtschaften ist erheblich durch das Wechselkursregime bestimmt:

- Im Status Quo-Regime führt die restriktive Geldpolitik in den USA zu einer deutlichen Aufwer-

tung des US-Dollar gegenüber den mit flexiblen Wechselkursen verbundenen europäischen

Volkswirtschaften. Entsprechend wird der Euro bzw. das britische Pfund abwerten, was sich in

steigenden Import- und Konsumentenpreisen niederschlägt. So kommt es zu einer kurzfristig stei-

genden Inflationsrate, erst mittelfristig kommt es aufgrund expansiverer Geldpolitik in den USA

zu einer Aufwertung und Preissenkungen. Für die mit fixem Wechselkurs an die USA angebunde-

nen Schwellenländer wie China gilt tendenziell das Gegenteil. Um einer Abwertung gegenzusteu-

ern, muss die chinesische Zentralbank zur Dämpfung der Kapitalabflüsse die inländischen Zinsen

erhöhen. Diese expansive Politik schlägt sich in Preissteigerungen und damit importierter Deflati-

on in China nieder.22 Erst mittelfristig, wenn die Fed-Politik wieder expansiv wird (und damit

auch die Politik der chinesischen Zentralbank), kommt es zu einer Ausweitung des Bruttoinlands-

produkts.

- Durch eine Flexibilisierung der Wechselkurse zwischen den Schwellenländern und den USA wird

der Deflationsimport verhindert. In Analogie zur Situation der europäischen Volkswirtschaften im

Status Quo kommt es nun auch in China zu einer Abwertung der Währung, teureren Importen und

damit einem stark steigenden Preisniveau. In den europäischen Volkswirtschaften reagiert das

Preisniveau nun nicht mehr so stark auf den Nachfrageschock in den USA, da die Abwertung der

Währung der Schwellenländer und die damit verbundenen sinkenden Importpreise für Güter aus

diesen Regionen, einen Teil der Importpreissteigerungen für Güter aus den USA kompensieren.

- Eine weitere Flexibilisierung im internationalen Währungssystem durch Wiedereinführung natio-

naler Währungen im Euroraum hat nur geringe Implikationen für die Preisentwicklungen in China

und Großbritannien nach einem Nachfrageschock in den USA. Für Deutschland ist eine geringere

21

Die Abbildungen in diesem Abschnitt beruhen damit letztlich auf anderen Schocks als die Abbildungen im

vorigen Abschnitt. Vergleichbarkeit der Ergebnisse ist daher nur begrenzt gegeben. 22

NiGEM gestattet keine Sterilisierung der Wechselkurspolitik.

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

54

Volatilität der Inflationsraten in diesem Szenario festzustellen, da die deutsche Zentralbank rest-

riktiver auf die anziehenden Preise reagiert als die Europäische Zentralbank des vorigen Szenarios.

- Umgekehrt führt eine Fixierung des Wechselkurses zwischen USA und Euroraum nach dem

Schock zu wesentlich geringeren Preissteigerungen im Euroraum, da die Abwertung des Euro und

damit auch der Anstieg der Importpreise weniger stark ausfällt. Zwar kommt es mittelfristig auf-

grund der Mehrnachfrage nach Gütern auf dem Weltmarkt zu Preissteigerungen, diese fallen aber

weniger stark aus als im Status Quo-Szenario. Die Wirkungen der restriktiven US-Geldpolitik auf

China wird durch die Euro-Dollar-Bindung allerdings etwas gemildert, da die transatlantische

Zentralbank weniger stark auf den Schock reagiert als bei nationaler Geldpolitik. Lediglich für

Nicht-Euro-Länder wie Großbritannien kommt es nun aufgrund abwertender Währungen zu Im-

port- und damit Konsumentenpreissteigerungen, die sich in einer positiven Abweichung der Infla-

tionsrate vom Status Quo-Regime niederschlagen. Allerdings führen die erheblichen Produktions-

steigerungen (vgl. auch Abbildung 2), die mit der Abwertung einhergehen, zu Preissenkungen der

im Inland produzierten Güter, sodass der Effekt der höher werdenden Importgüter zum Teil kom-

pensiert wird und die Abweichung der Inflationsrate von der Basislinie mittelfristig geringer als

im währungspolitischen Status Quo ausfällt.

- Eine vollständige globale Fixierung der Wechselkurse schließlich führt weltweit etwas stärkeren

Effekten in Reaktion auf den US-Nachfrageschock, da die Welt-Zentralbank eine weniger restrik-

tive Politik als eine autonome US- oder transatlantische Zentralbank verfolgt. Mittelfristig führt

die stark fallende Produktion (aufgrund der im Vergleich zum System flexibler Wechselkurse im-

mer noch recht restriktiven Politik) in Großbritannien allerdings zu fallenden Preisen und einer

negativen Übertragung des Schocks.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der währungspolitische Status Quo nicht das ideale Wäh-

rungssystem in Bezug auf die Übertragung nachfrageinduzierter Preisschwankungen darzustellen

scheint. Die Schwellenländer würden stabilere Inflationsraten insbesondere in einem Regime mit

transatlantischer Währungsunion erreichen. Für die europäischen Volkswirtschaften wie Deutschland

oder Großbritannien scheint hingegen eine weitere Flexibilisierung der Wechselkurse mit Blick auf die

Wirkung exogener Nachfrageschocks auf die inländischen Preise wünschenswert. Dies führt zwar

kurzfristig zu vergleichsweise starker Übertragung von Preisschwankungen, scheint aber mittelfristig

am ehesten mit geringer Volatilität der Inflationsraten vereinbar zu sein.

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Belke � B

ernoth � Fichtner

Die Z

ukunft des Internationalen Währungssystem

s

55

- A

bbildung 4: Inflationsraten in Reaktion auf einen N

achfrageschock in den U

SA

in Abhängigkeit

vom

globalen Währungssystem

(Abw

eichung von Basislinie in P

rozentpunkten).

-0.2

-0.1

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

China (Infl)

-0.1

-0.05

0

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

Deutschland (Infl)

-0.3

-0.2

-0.1

0

0.1

0.2

0.3

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

Großbritannien

-0.6

-0.4

-0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1.4

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

Global flexibel

Schwellenländer flexibel

Status quo

Euro-Dollar fix

Global fix

USA

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

56

Aus globaler Perspektive dürfte so das Regime mit einer transatlantischen Währungsunion zu präferie-

ren sein, während sowohl global flexible Wechselkurse als auch global fixe Wechselkurse nicht mit

Preisstabilisierung vereinbar sind.

Abbildung 5 stellt die Wirkungen des US-Angebotsschocks auf die globalen inflationären Entwick-

lungen dar. Wie erwartet führt der Angebotsschock zu sinkenden Preisen in den USA. Darauf reagiert

die US-Zentralbank mit einer expansiven Politik (d.h. Zinssenkungen). Mittelfristig stellt die Zentral-

bank angesichts des positiven output gaps sowie wieder steigender Preise auf eine restriktivere Politik

um. Die Übertragung des Schocks auf die Handelspartner hängt erneut maßgeblich vom Wechselkurs-

regime ab:

- Im währungspolitischen Status Quo führen das sinkende Preisniveau in den USA sowie die expan-

sive Geldpolitik zu einer erheblichen Abwertung des US-Dollar. Flexible Währungen wie Euro

oder Pfund werten entsprechend auf, es kommt zu fallenden Import- und damit Konsumentenprei-

sen. In den mit einem festen Wechselkurs mit dem Dollar verbundenen Schwellenländern kommt

es hingegen kurzfristig zu Preiserhöhungen (importierte Inflation), da die zur Verhinderung von

Kapitalimporten erforderlichen Zinssenkungen der Notenbanken expansiv wirken. Mittelfristig

fallen die Preise aufgrund der expansiv werdenden US-Geldpolitik erheblich, es kommt also zu

importierter Deflation.

- Starke Preisänderungen in den Schwellenländern können erneut durch eine Flexibilisierung des

Wechselkurses verhindert werden. Analog zu den übrigen Ländern kommt es dann auch in China

zu leichten Preissenkungen aufgrund der Abwertung des US-Dollar. Die Flexibilisierung des

Wechselkurses zwischen den Schwellenländern und den USA hat aber auch erhebliche Auswir-

kungen auf die Preisreaktion in den europäischen Volkswirtschaften. Der (negative) Preisdruck

fällt im Vergleich zum Status Quo-Regime erheblich geringer aus. Ursächlich hierfür ist in erster

Linie, dass sich ein Teil der Dollar-Abwertung nun gegenüber den Schwellenländern entlädt, so-

dass die deutschen und britischen Importpreise nicht in dem Maße fallen wie im Status Quo-

Regime.

- Eine weitere Flexibilisierung der Wechselkurse einschließlich der Einführung nationaler Währun-

gen innerhalb des Euroraums führt zu einer verstärkten negativen Übertragung der aus dem US-

Angebotsschock folgenden Preisreaktionen auf Deutschland, da die deutsche Währung aufgrund

der relativ hohen Exportquote in die USA deutlich stärker gegenüber dem Dollar aufwerten würde

als die europäische Gemeinschaftswährung. Im Ergebnis fallen die deutschen Importpreise deut-

lich stärker als im Umfeld der Europäischen Währungsunion und es kommt zu deutlicheren defla-

tionären Wirkungen des US-Angebotsschocks in Deutschland. In den Schwellenländern sowie in

Großbritannien ist keine wesentliche Änderung im Vergleich zum vorigen Szenario feststellbar.

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Belke � B

ernoth � Fichtner

Die Z

ukunft des Internationalen Währungssystem

s

57

- A

bbildung 5: Inflationsraten in Reaktion auf einen A

ngebotsschock in den U

SA

in Abhängigkeit

vom

globalen Währungssystem

(Abw

eichung von Basislinie in P

rozentpunkten).

-0.2

-0.15

-0.1

-0.05

0

0.05

0.1

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

China (Infl)

-0.05

-0.04

-0.03

-0.02

-0.01

0

0.01

0.02

0.03

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

Deutschland (Infl)

-0.08

-0.06

-0.04

-0.02

0

0.02

0.04

0.06

0.08

0.1

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

Großbritannien

-1.2

-1

-0.8

-0.6

-0.4

-0.2

0

0.2

0.4

Q0 Q4 Q8 Q12 Q16 Q20 Q24 Q28

Global flexibel

Schwellenländer flexibel

Status quo

Euro-Dollar fix

Global fix

USA

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

58

- Auch eine Fixierung des Wechselkurses zwischen Euro und Dollar führt in den Schwellenländern

im Vergleich zum Status Quo-Regime zu einer Stabilisierung der Preise, da der kurzfristige Auf-

wertungsdruck auf die lokalen Währungen, der aus dem US-Angebotsschock resultiert, nun auch

durch Zinssenkungen im Euroraum aufgefangen wird. Entsprechend ist das Ausmaß der importier-

ten Inflation in den Schwellenländern geringer als im Fall eines flexiblen Euro-Dollar-Kurses. Da-

gegen steigen nun auch im Euroraum kurzfristig die Preise in Reaktion auf den Angebotsschocks

in den USA, da der fixe Wechselkurs zu importierter Inflation führt. Mittelfristig überwiegt die

expansive Politik in der Währungsunion und treibt die Preise nach oben. In Großbritannien

schließlich fallen die Importpreise kräftig, da die Abwertung der US-Euro-Gemeinschaftswährung

nun vollständig auf der britischen Währung lastet. Daher kommt es in Großbritannien kurzfristig

zu erheblichen Preissenkungen. Erst mittelfristig dämpft der Aufwertungsdruck, der sich aus der

wieder restriktiveren Geldpolitik der transatlantischen Notenbank ergibt, die Preise in Großbritan-

nien.

- Eine globale Fixierung der Wechselkurse schließlich führt aufgrund der weniger expansiven

Geldpolitik der Weltzentralbank auch in den übrigen Volkswirtschaften zu weniger stark steigen-

den Preisen oder, im Euroraum, sogar zu einem Preisverfall (aufgrund der steigenden Menge an-

gebotener Güter). Mittelfristig steigen die Preise wieder, wenn die Zentralbank auf den Preisver-

fall mit einer expansiveren Politik reagiert.

Erneut erweist sich der währungspolitische Status Quo damit nicht als das ideale Währungssystem zur

Dämpfung der Übertragung inflationärer Entwicklungen, die auf Angebotsschocks zurückgehen. Für

die Schwellenländer würde eine erhebliche Stabilisierung aus einer globalen Flexibilisierung der

Wechselkurse erwachsen. Dieses Regime wäre auch aus britischer Perspektive mit der stärksten Stabi-

lisierungswirkung verbunden. Auch für Euroländer wie Deutschland wäre eine weitere Flexibilisie-

rung der Wechselkurse insbesondere zwischen Schwellenländern und den USA wohl das wünschens-

werte Regime, wobei eine Auflösung der Währungsunion im Euroraum tendenziell die Volatilität der

Preise erhöht.

Zusammenfassend ergibt sich so aus globaler Perspektive mit Blick auf die Preiswirkungen von US-

Angebotsschocks relativ klar das Ergebnis, dass eine Flexibilisierung des Wechselkurses zwischen

Schwellenländern und Dollarraum zu geringerer Volatilität der Inflationsraten führt.

Zusammenfassung und Ergänzungen

Tabelle 7 fasst die Ergebnisse der Simulationen noch einmal zusammen. In der Gesamtbewertung der

Simulationsergebnisse scheint der Status Quo des internationalen Währungssystems (Regime 3) tat-

sächlich die zweckmäßigste Lösung mit Blick auf dessen Stabilisierungseigenschaften darzustellen.

Während aus der Perspektive der Schwellenländer und der Euro-Mitgliedsländer tendenziell eine stär-

kere Stabilisierung der Wechselkurse anstrebenswert ist (insbesondere eine Fixierung des Wechselkur-

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

59

ses zwischen den USA und dem Euroraum, Regime 4), ist aus Sicht der Nicht-Euro-Industrieländer

tendenziell eine weitere Flexibilisierung der Wechselkurse, insbesondere zwischen den USA und den

Schwellenländern (Regime 2) oder sogar zwischen den Mitgliedsländern des Euroraums (Regime 1)

wünschenswert. Insbesondere die vollständige Flexibilisierung der Wechselkurse stünde allerdings

den Interessen der Schwellenländer relativ deutlich entgegen, sodass das Status Quo-Regime auch mit

Blick auf die politische Umsetzbarkeit die zweckmäßigste Lösung darstellen dürfte.

Neben den diskutierten Aspekten hat die Wahl des internationalen Währungssystems konjunkturelle

Implikationen, die sich im Rahmen einer rigiden Modellstruktur wie NiGEM nur begrenzt abbilden

lassen. Neben der offensichtlichen politischen Dimension, die jegliche Form monetärer Integration

und die damit verbundene Aufgabe nationaler Souveränität in geldpolitischer Hinsicht hat, werden in

der Literatur vielfach Aspekte thematisiert, die sich auf den Wegfall von Unsicherheiten durch die

Fixierung von Wechselkursen beziehen.23 Während der Verlust geldpolitischer Autonomie, der mit der

Fixierung von Wechselkursen einhergeht, wie auch aus den Simulationsergebnissen teilweise ersicht-

lich tendenziell mit höherer Volatilität von Preisen und Produktion einhergeht, führt der Wegfall fle-

xibler Wechselkurse auf den internationalen Güter- und Kapitalmärkten zu steigender internationaler

Integration. Ursächlich hierfür ist in erster Linie die Kostenersparnis durch die Reduktion von Trans-

aktionskosten, die für die Absicherung und Abwicklung von internationalen Geschäften anfallen. Zu-

dem führt die Fixierung von Wechselkursen zu steigender internationaler Preistransparenz, die auf-

grund wettbewerbsfördernder Effekte zu Wachstumssteigerungen führen dürfte. Aus konjunktureller

Perspektive von größerer Bedeutung ist allerdings die mit der Fixierung von Wechselkursen einherge-

hende Reduktion von Unsicherheit in Bezug auf zukünftige Wechselkursentwicklungen. Bei als risi-

23

Vgl. umfassend hierzu etwa Fichtner (2008).

China Deutschland Großbritannien USA

Nachfrage → BIP 3/4/5 3/1/2 2/1/3 3/1/2

Angebot → BIP 3 4 3/2/1 3/1/2

Nachfrage → Infl. 3/4 4 1/2/3 3/1/2

Angebot → Infl. 1/2 2/1/3 1/2/3 3/1/2

Gesamtbewertung 3/4 4/3 2/1 3/1/2

Tabelle 7: Ideales Währungssystem zur Stabilisierung gegenüber dem jeweiligen Schock in den

USA (zur Nummerierung vgl. S. 45).

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

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koavers anzunehmenden Wirtschaftssubjekten schlägt sich diese Reduktion von Unsicherheit in sin-

kenden Risikoprämien auf international gehandelte Güter und Kapitalströme nieder. Hieraus ergibt

sich eine verbesserte internationale Allokation von Ressourcen sowie eine intensivierte internationale

Risikostreuung von Kapitalanlagen, die eine Stabilisierung von Haushalteinkommen und daher – bei

risikoscheuen Wirtschaftssubjekten – höhere Wohlfahrtsniveaus ergeben. Auch die Stabilisierung von

Haushaltseinkommen durch den Wegfall des Wechselkurseffektes auf internationale Kapitaleinkom-

men dürfte sich in steigender Wohlfahrt der Wirtschaftssubjekte niederschlagen.

iv. Krisenfestigkeit: Wechselkursregimes und Übertragung monetärer Liquidität

“In a world where capital is increasingly mobile […], it is important to consider the extent to which

changes in monetary conditions in one major country may be associated with changes in monetary

and financial conditions elsewhere.” (Baks und Kramer, 1999, S. 3)

Motivation

Der starke Anstieg der internationalen Finanzmarktintegration zählt zu den bemerkenswertesten welt-

wirtschaftlichen Aspekten der letzten Jahrzehnte. In den letzten Jahren stiegen die Kapitalflüsse zwi-

schen den Volkswirtschaften besonders dramatisch an. Ein häufig verwendetes Maß der Finanzmarkt-

globalisierung ist die Summe der Bestände ausländischer Vermögensbestände und -verbindlichkeiten

in Prozent des nominalen BIP. Nach Lane und Milesi-Ferretti (2007, S. 234) belief sich dieses Ver-

hältnis für Industrieländer Anfang der 70er Jahre auf 45%. 1987 entsprachen die ‚cross-border hol-

dings’ etwa 100% des nominalen BIP. Seit Mitte der 90er Jahre beschleunigte sich der Prozess der

Finanzmarktglobalisierung deutlich und erreichte 1998 200% und im Jahr 2004 300%. Als Folge kön-

nen selbst moderate Änderungen der grenzüberschreitenden Portfolio-Allokation zu riesigen internati-

onalen Kapitalflüssen führen.24 Angesichts der von der ganzen Welt verfügbaren Kapital-Pools sind

die Volkswirtschaften längst nicht mehr alleine von nationalem Kapital abhängig wie vom ‚Feldstein-

Horioka’ Puzzle suggeriert (Feldstein und Horioka, 1980).

Paradoxerweise wurden trotz der dramatischen Vertiefung der internationalen Finanzmarktintegration

die Auswirkungen globaler monetärer Liquidität bei der Beurteilung der Krisenfestigkeit spezifischer

Wechselkursregime bis vor Kurzem vergleichsweise wenig von der Forschung behandelt.25 Einige

Studien betrachten die Auswirkungen der Wahl des Wechselkursregimes auf die Wahrscheinlichkeit

24

Die zentralen Treiber der Finanzmarktglobalisierung sind wohlbekannt. Siehe Rajan (2005), S. 5f. 25

Man könnte anführen, dass schon die Debatte um Währungssubstitution der 1970er und 1980er Jahre ein

frühes Beispiel für die Analyse globalen Geldes und dessen Auswirkungen auf nationale Größen darstellt. Aller-

dings wurde damals die allgemeine Frage der Abschirmung der eigenen Wirtschaft gegen externe monetäre

Effekte durch flexible Wechselkurse erörtert. Als klassisches Beispiel sei auf McKinnon (1982) verwiesen. Fi-

nanzmarktglobalisierung, stetiges Wachstum grenzüberschreitenden Kapitalströme und die Auswirkungen für

Zentralbanken spielten zu der Zeit jedoch noch keine Rolle und wurden nicht weiter behandelt..

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61

spekulativer Attacken in Abhängigkeit von dem Grad der Liberalisierung des Kapitalverkehrs (Cu-

kierman, 2004, und Esaka, 2010). Im Querschnittsbereich Globalisierung und Geldpolitik lag der

Schwerpunkt aber vor allem auf realwirtschaftlichen Zusammenhängen und Themen wie der Phillips-

kurve. Dabei zeigt die Mehrzahl der Untersuchungen, dass der positive Zusammenhang zwischen

Output und Inflation mit der Ausweitung des internationalen Handels und der damit einhergehenden

Spezialisierung der Länder schwächer geworden ist. Als Beispiele seien hier die Arbeiten von Galí

und Monacelli (2005), Batini, Jackson und Nickell (2005) und Benati (2007) genannt. Demgegenüber

stellt Rogoff (2006) heraus, dass der erhöhte Wettbewerb auf den Güter- und Faktormärkten die Posi-

tion nationaler Unternehmen und Gewerkschaften schwächt. Daraus ergeben sich eine höhere Flexibi-

lität von Preisen und Löhnen, eine geringere natürliche Arbeitslosenquote und eine steilere Phillips-

kurve. Borio und Filardo (2007) ergänzen die Spezifikation der Phillipskurve um verschiedene Indika-

toren für weltwirtschaftliche Wachstumshemmnisse (‚global slack’) und zeigen, dass nationale Inflati-

onsraten vom globalen Wirtschaftszyklus beeinflusst werden. Demzufolge sollten Zentralbanken ver-

stärkt die Entwicklung der weltwirtschaftlichen statt lediglich die der einheimischen Produktionslücke

beachten. Dies macht das „Gleiten“ auf der inländischen Phillipskurve natürlich schwieriger und wirft

aus der Sicht nationaler Regierungen die Frage auf, welches Wechselkursregime ihnen einen größeren

Spielraum hierfür erhält.

Ein Hauptgrund für die geringe Berücksichtigung globaler monetärer Liquidität bei der Beurteilung

verschiedener Wechselkursregimes könnte in der Sichtweise des klassischen Trilemmas liegen, nach

dem eine Volkswirtschaft nur zwei der folgenden drei Politikvariablen eigenständig setzen kann

(Bernanke, 2005b, S. 1f.): 1. freien internationalen Kapitalverkehr, 2. feste Wechselkurse und 3. auto-

nome Geldpolitik. Demzufolge haben die großen Industrienationen schon seit Längerem feste Wech-

selkurse zugunsten der anderen Ziele aufgegeben. Ein System flexibler Wechselkurse sollte dann ei-

gentlich ausreichend Abschirmung gegenüber nominalen Schocks in Form von monetären Übertra-

gungseffekten und unerwartetem Verhalten ausländischer Zentralbanken bieten und so zu weniger

externer Krisenanfälligkeit führen. Denn nicht zuletzt die vergangene Finanzkrise hat verdeutlicht,

dass global vagabundierende Liquidität ein bedeutender Krisenauslöser war und eine erfolgreiche Ab-

schottung dagegen somit ein wichtiges Kriterium zur Wahl eines geeigneten Wechselkursregimes

darstellt (Belke 2008, Belke und Schnabl 2010a).

In letzter Zeit wurde diese Lehrbuchsicht des Trilemmas jedoch durch empirische Studien infrage

gestellt. So zeigen Rüffer und Stracca (2006) beispielsweise, dass länderübergreifende gemeinsame

monetäre Störungen (in stochastischen Modellen ‚disturbances’ genannt) die Entwicklung makroöko-

nomischer Variablen in der EWU merklich beeinflussen. Belke, Orth und Setzer (2010) stellen die

Bedeutung globaler Liquiditätsschocks für die Weltwirtschaft heraus. Sowohl Konsumenten- als auch

Hauspreise in den Ländern der OECD werden von der Entwicklung des internationalen Geldes beein-

flusst. Globale monetäre Übertragungseffekte lassen sich empirisch ebenfalls für Rohstoffpreise bestä-

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tigen (Belke, Bordon und Hendricks 2010a,b). Dabei deuten lang anhaltende Abweichungen von fun-

damental gerechtfertigten Bewertungen darauf hin, dass Wechselkurse keinen vollständigen Schutz

vor der monetären Entwicklung im Ausland bieten. Überhaupt gelten die Ergebnisse keinesfalls nur

für feste Wechselkurse. Im Gegenteil: Sie wurden unter anderem für G7-Länder erzielt, die eher ein

System zumindest de jure flexibler Wechselkurse verfolgen. Ein weiterer Bereich der Literatur stellt

auf die Frage ab, ob sich globales Geld als Vorlaufindikator für Preiszyklen in den Märkten für Ver-

mögensgegenstände eignet. Nach Alessi and Detken (2009) sind sowohl die globale M1-Lücke, als

auch die globale Lücke bei Privatkrediten diesbezüglich aussagekräftig.

Im Folgenden sollen die Existenz eines globalen Geldmarktes und dessen Bedeutung für makroöko-

nomische und finanzielle Variablen auf nationaler sowie internationaler Ebene empirisch untersucht

werden. Dieser Ansatz impliziert nicht, dass eine nationale Betrachtungsweise von Transmissionsme-

chanismen irrelevant sei. Vielmehr soll der gewählte globale Ansatz zusätzliche Aspekte aufzeigen,

die einer auf die nationale Ebene beschränkten Analyse nicht zugänglich sind (Belke und Orth 2007,

S. 9). Wenn die Änderungen in den monetären Aggregaten länderübergreifend von einem gemeinsa-

men Faktor – z.B. der Finanzmarktglobalisierung – beeinflusst werden, dann verringert dies die Be-

deutung nationaler Besonderheiten für das Handeln der Zentralbanken. Unterschiede in den länderspe-

zifischen wirtschaftlichen Strukturen, Institutionen und Politikansätzen werden weniger relevant.

Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit der Bedeutung monetärer Übertragungseffekte in ver-

schiedenen makroökonomischen Modellen offener Volkswirtschaften in Abhängigkeit vom Wechsel-

kurs(regime). Die Darstellung knüpft an die Darstellung der Transmissionseigenschaften von konjunk-

turellen Schocks und Preisentwicklungen in Abhängigkeit vom Währungssystem in Abschnitt 1.b.iii

an. Sie konzentriert sich auf die in der währungspolitischen Debatte prominent verwendeten Konzepte

und dabei besonders auf den Zusammenhang mit internationalen Kapitalflüssen. Die Analyse erlaubt

eine Beurteilung verschiedener Wechselkursregime im Hinblick auf ihre Festigkeit gegenüber Krisen,

die durch globale Liquiditätsübertragungen getrieben werden. Um mit Frankel, Schmukler und Servén

(2004), S. 706, zu sprechen: “Exchange rate flexibility produces a decentralized world monetary sys-

tem where each country faces the consequences of its own monetary responsibility or irresponsibility

rather than having to live with each others’ mistakes.”

Monetaristischer Ansatz

Der Monetarismus trifft eine klare Unterscheidung zwischen monetären Übertragungseffekten unter

festen und flexiblen Wechselkursen.

In einem System fester Wechselkurse muss die Zentralbank den Außenwert der Währung stabil halten.

Eine unabhängige Geldpolitik auf nationaler Ebene ist somit unmöglich (Belke und Rees 2009). Zur

Verdeutlichung soll das Beispiel einer dauerhaften Erhöhung des Geldangebots durch die Zentralbank

in Land A dienen. Da das Geldangebot in A dann die einheimische Geldnachfrage überschreitet, ergibt

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

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sich ein Abfluss von Geld über die Zahlungsbilanz mit Land B. Dem entsprechenden Zahlungsbilanz-

defizit muss dort ein Überschuss gegenüberstehen, der Wert der Währung von A relativ zu der von B

sinkt. Ein Eingreifen der Zentralbank von B bedeutet nun, dass sie Währung von A gegen eigene Wäh-

rung tauschen muss und folglich deren Angebot ebenfalls erhöht. Durch die Übertragung des ur-

sprünglichen Schocks ergibt sich eine einheitliche Inflationsrate in den beiden Volkswirtschaften.

Die Fixierung der Wechselkurse durch die Zentralbanken bedeutet also, dass in- und ausländische

Währung als vollständige Substitute gesehen werden können. Das Gleichgewicht auf den Geldmärkten

ist länderübergreifend durch eine einzige Gleichung gekennzeichnet, nach der das globale Geldange-

bot gleich der globalen Geldnachfrage sein muss. Die internationale Verteilung des Geldangebots

ergibt sich endogen entsprechend der jeweiligen Geldnachfrage (Belke und Rees 2009).

Ein System flexibler Wechselkurse beseitigt diese Ursache monetärer Verflechtungen und schirmt das

nationale Geldangebot von der monetären Entwicklung im Ausland ab. Zentralbanken müssen nicht

mehr an den Devisenmärkten einschreiten, um den Wechselkurs ihrer Währung stabil zu halten. Folg-

lich sind Währungen angebotsseitig nicht als Substitute zu betrachten, was den Nettoabfluss von Geld

in andere Länder verhindert und für eine immer ausgeglichene Zahlungsbilanz sorgt. Nationales Geld

ist ein „nicht-handelbares“ Gut, dessen relativer Preis, also der Wechselkurs, sich frei auf den Devi-

senmärkten ergibt (Frenkel und Razin 1987, S. 34). Im Gegensatz zu einem System fester Wechsel-

kurse kann das Geldangebot in jedem Land exogen durch die jeweiligen Zentralbanken kontrolliert

werden. Unter der Annahme einer stabilen, von externen Faktoren unbeeinflussten Geldnachfrage

ergibt sich die Inflationsrate eines Landes allein aus der dort verfolgten Geldpolitik. Die Wechselkurse

bewegen sich frei entsprechend der Schwankungen des relativen Geldangebots der Länder, was wiede-

rum die Ausgeglichenheit der Zahlungsbilanzen gewährleistet.

Diesen „Mechanismus“ illustrieren folgende drei Gleichungen, die Grundbaustein des monetaristi-

schen Modells einer offenen Volkswirtschaft sind (Rees 2011a):

(1) A BP R P= ×

mit AP als inländischem Preisniveau (Land A),BP als ausländischem Preisniveau (Land B) und R als

Kassawechselkurs in Einheiten inländischer Währung pro Einheit ausländischer Währung,

(2) ( , )AA A A

A

ML i Y

P= und ( , )B

B B BB

ML i Y

P=

mit AM ( BM ) als inländischem (ausländischem) Geldangebot, AL ( BL ) als inländischer (ausländi-

scher) Geldnachfrage, Ai ( Bi ) als inländischem (ausländischem) Zinssatz und AY ( BY ) als inländi-

schem (ausländischem) BIP und

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(3) tA B

dRi i E

dt − =

und [ ]1f

t tE R R+ = ,

mit tR als Devisenkassakurs und ftR als Devisenterminkurs, jeweils zum Zeitpunkt t .

Gleichung (1) steht für das Gleichgewicht am Gütermarkt. Gemäß der Kaufkraftparitätstheorie (kurz

KKP) entspricht der Wechselkurs R den relativen Preisniveaus der Länder A und B. Der Wert der

Währung von A fällt relativ zum Wert der Währung von B, wenn das Preisniveau in A steigt. Glei-

chung (2) steht für das Gleichgewicht im in- und ausländischen Geldmarkt. Im Gegensatz zum System

fester Wechselkurse gibt es nun zwei nationale Gleichgewichte statt eines einzigen globalen Gleich-

gewichts. Gleichungen (1) und (2) ergeben zusammen den Gleichgewichtswechsel-

kurs( , )

( , )A B B B

B A A A

M L i YR

M L i Y

⋅=⋅

. Dieser bestimmt sich also aus relativem Angebot und relativer Nachfrage der

beiden Währungen. Unter der Annahme einer stabilen Geldnachfrage in den betrachteten Volkswirt-

schaften sind Verwerfungen an den Devisenmärkten typischerweise das Ergebnis sprunghafter Ände-

rungen im Geldangebot der Länder und somit des geldpolitischen Regimes. Gleichung (3) ist als inter-

nationaler Fisher-Effekt (Fisher Open) bekannt und zeigt das Kapitalmarktgleichgewicht unter der

Annahme ungedeckter Zinsparität. Die Zinsdifferenz A Bi i− entspricht der erwarteten Änderungsrate

des Wechselkurses. Überdies soll der aktuelle Terminkurs als unverzerrter Schätzer des zukünftigen

Kassakurses dienen (Rees 2011a).

Damit ergibt sich aus dem internationalen Fisher-Effekt eine direkte Verbindung zwischen erwarteten

Änderungen im geldpolitischen Regime und Fluktuationen der aktuellen Wechselkurse (McKinnon

1981, S. 548). Beispielsweise führt die Erhöhung des Geldangebots in A dort zu erhöhten Inflations-

erwartungen und steigenden Zinsen. Daraus folgt eine erwartete Abwertung der Währung A, die Aus-

weitung des Geldangebots in A wirkt sich also nicht auf die Inflation in B aus. Der reale Wechselkurs

bleibt wegen der geforderten Kaufkraftparität bei komplett flexiblen Preisen unverändert. Aus unter-

schiedlicher Geldpolitik resultierende monetäre Übertragungseffekte sind demzufolge nicht möglich.

Wichtiges Ergebnis dieser Betrachtung ist die Feststellung, dass nach monetaristischer Theorie die

Übertragung monetärer Ungleichgewichte zwischen Ländern nur „indirekt“ geschehen kann. Schocks

im Geldangebot lösen eine Anpassung der Zinsdifferenzen und der nominalen Wechselkurse aus. „Di-

rekte“ Übertragungseffekte zwischen den aus- und inländischen monetären Aggregaten sind ausge-

schlossen. Der sich frei bewegende nominale Wechselkurs dient als Puffer und schirmt ein Land voll-

ständig von nominalen Schocks im Ausland ab. Ein System flexibler Wechselkurse ist im Hinblick auf

die Krisenfestigkeit des Regimes die geeignete Wahl. Trotz internationalen Kapitalverkehrs ist die

nationale Geldpolitik unabhängig (wie im klassischen Trilemma). Zentralbanken müssen sich interna-

tional also nicht abstimmen, ihre Geldpolitik orientiert sich an nationalen Gegebenheiten. Die inländi-

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sche Geldmenge sollte im Sinne einer geringen Volatilität der Wechselkurse stabil gehalten werden

(Rees 2011a).

Hinsichtlich dieser Bewertung internationaler monetärer Übertragungseffekte und der uneingeschränkt

positiven Beurteilung flexibler Wechselkursregimes erscheinen jedoch insbesondere die folgenden

fünf Aspekte des monetaristischen Ansatzes aus theoretischen sowie empirischen Erwägungen heraus

als kritikwürdig.26 Erstens scheint das Geldangebot nicht vollständig exogen und durch die Zentral-

bank kontrollierbar zu sein. Zweitens könnte die Geldnachfrage nicht nur von inländischen, sondern

auch von ausländischen Faktoren beeinflusst werden (Währungssubstitution). Drittens deutet z.B. das

sogenannte ‚forward premium puzzle’ auf eine empirisch eingeschränkte Gültigkeit des internationalen

Fisher-Effekts hin. Viertens sind die Güterpreise nicht vollständig flexibel, da Firmen mit Anpas-

sungskosten konfrontiert sind und sich Löhne nur schwer senken lassen. Wenn sich die Preise jedoch

nur langsam ändern, führen monetäre Verwerfungen in Land A aber möglicherweise zu Änderungen

der realen Größen in Land B – selbst bei vollständig flexiblen Wechselkursen. Fünftens könnte die

genaue Art des Schocks eine wichtige Rolle für den internationalen Transmissionsprozess spielen,

wenn die Marktteilnehmer wegen unvollständiger Informationen nicht zwischen autonomen Änderun-

gen (‚Disturbances’) der Geldangebotsmengen und einer Anpassung des Geldmengenziels der Zent-

ralbank unterscheiden können (Rees, 2011a). Diese fünf Punkte bzw. Relativierungen werden in den

folgenden Abschnitten theoretisch ausführlicher diskutiert.

Währungssubstitution

Aus dem Ausbleiben von Zentralbankinterventionen an den Devisenmärkten und der daher nicht ge-

gebenen Substituierbarkeit des Angebots verschiedener Währungen leitet die monetaristische Theorie

eine vollständige monetäre Autonomie der Länder ab. Dabei wird jedoch implizit angenommen, dass

auch die Nachfrageseite die Währungen als nichtsubstituierbare Güter behandelt (Miles 1978, S. 428;

McKinnon 1982, S. 320). Wenn Inländer Fremdwährungen jedoch aus Transaktions- oder Spekulati-

onsmotiven halten,27 führen geldpolitische Änderungen auch zu einer Änderung der damit verbunde-

nen Kosten und zu Portfolioanpassungen. Monetäre Schocks übertragen sich somit auch unter flexib-

len Wechselkursen auf andere Volkswirtschaften (Belke und Gros, 2009b, de Santis, Favero und

Roffia, 2008). Auch ein System flexibler Wechselkurse erweist sich somit als nicht uneingeschränkt

krisenfest.

26

Allgemein können weitere Argumente gegen den monetaristischen Ansatz angeführt werden. So muss die

inländische Geldnachfrage auch ohne Berücksichtigung ausländischer Einflüsse nicht stabil sein. Die Kaufkraft-

parität gilt wegen nicht handelbarer Güter nur eingeschränkt usw. 27

Die aktuelle Literatur stellt die hohen inländischen Inflationsraten und Unsicherheit hinsichtlich der Inflation

als in Schwellenländern wichtige Gründe für das Halten von Auslandswährung dar. Siehe zum Beispiel Belke

und Rees (2009), Neanidis und Savva (2006) und Seater (2008).

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Zur Verdeutlichung sei beispielhaft eine einfache Erweiterung des im vorangegangenen Abschnitt

dargestellten monetaristischen Modells einer offenen Volkswirtschaft um die folgenden beiden stili-

sierten Gleichungen angeführt (Rees, 2011):

(4) / ( / )A B A Br L L=

(5) ( , , ) AA A A

A

ML i Y R

P= und ( , , ) B

B B BB

ML i Y R

P=

Es ergeben sich zwei Unterschiede zum monetaristischen Ansatz. Zum einen halten Investoren die

Währungen von A und B gleichzeitig im Verhältnis/A Br . Zum anderen hängt die Geldnachfrage nicht

nur von den Zinssätzen (Ai und Bi ) und vom BIP ( AY und BY ) sondern auch vom Wechselkurs (R )

ab. Wenn sich dann das Geldangebot in A (AM ) dauerhaft erhöht, bleibt das Geldangebot in B (BM )

zwar zunächst unverändert. Nach der Erhöhung des Preisniveaus in A ( AP ) und der Abwertung der

Währung gemäß Kaufkraftparitäten erhöhen sich für die Investoren aber die relativen Opportunitäts-

kosten von Währung A. Da sowohl in- als auch ausländische Investoren ihre Anlagen von A in B um-

schichten, verringert sich /A Br . Die steigende Nachfrage nach Währung B führt dort zu einem sinken-

den Preisniveau. Um diesem Effekt zu begegnen, müsste die Zentralbank in B ebenfalls das Geldan-

gebot ausweiten (Rees 2011a und Batten und Haffer 1984, S. 7).

Selbst wenn die Zentralbank in B nicht reagiert, könnte es trotzdem zu synchronen Bewegungen der

monetären Aggregate in beiden Ländern kommen, sobald die Annahme der vollständigen Kontrollier-

barkeit durch die Zentralbank fallen gelassen wird. Vielmehr ergibt sich die Höhe der Aggregate zu-

mindest kurzfristig endogen aus der Geldnachfrage. In obigem Beispiel gewichten Investoren Wäh-

rung B in ihrem Geldbestand höher, wobei die erforderliche zusätzliche Geldmenge dann nicht durch

die Zentralbank, sondern durch die Geldschöpfung des Bankensektors entsteht (endogener Geld- und

Kreditschöpfungsprozess). Im Ergebnis führt die steigende Nachfrage nach Währung B durch Inves-

toren zu einer Erhöhung der Geldaggregate des Landes.28 Inflation kann also zwischen Ländern über-

tragen werden, ohne dass Zentralbanken am Devisenmarkt aktiv werden. Der Übertragungsgrad mone-

tärer und inflationärer Effekte ist proportional zum Ausmaß der Substitution zwischen den Währun-

gen. Im Extremfall vollständiger Substituierbarkeit ist die inländische Geldnachfrage äußerst instabil.

Investoren reagieren unverzüglich auf (erwartete) Änderungen der Wechselkurse mit einer entspre-

28

Im Gegensatz dazu kö nnen bei komplett exogen bestimmter Geldmenge definitionsgemäß keine Ä nderungen

der Geldaggregate eintreten. Belke und P olleit (2009), S. 79f., illustrieren das am Beispiel einer Zahlung zwi-

schen den USA und der EWU. Es kommt einzig zu einem Tausch der Währungen bei gegebener Geldmenge.

Somit kö nnten nur Ä nderungen des Wechselkurses – ohne eine entsprechende statistische Korrektur – die

Geldaggregate in den USA und der EWU berühren.

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chenden Umschichtung ihrer Geldbestände. Effektiv besteht also eine Weltwährung, die die Unabhän-

gigkeit nationaler Geldpolitik zu Nichte macht (Rees 2011a).

Es kann kritisch eingewandt werden, dass Währungssubstitution keine notwendige Bedingung für

internationale monetäre Übertragungseffekte ist. Als Beispiel können die offenen Volkswirtschaften A

und B dienen, in denen erstens keine Währungssubstitution stattfindet und zweitens die Geldmenge

nicht vollständig exogen ist. Wenn es nun zu einer unerwarteten und dauerhaften Erhöhung des Geld-

angebots in A kommt und die überschüssige Liquidität dort nicht vollständig für den Kauf von Gütern

verwendet wird, fließt ein Teil des zusätzlichen Geldes nach B. Die gestiegene Nachfrage nach Wäh-

rung B resultiert dort in einem endogenen Geld- und Kreditschöpfungsprozess, die monetären Aggre-

gate erhöhen sich (Rees 2011a).

Ein weiterer kritischer Punkt der Währungssubstitution ist die Ambiguität des nach einem monetären

Schock einsetzenden Transmissionsprozesses. Arango und Nadiri (1981) zeigen, dass der Effekt einer

Abwertung auf die Geldnachfrage a priori unbestimmt bleibt. Grund ist die Gegenläufigkeit zweier

Anpassungsprozesse. Als erstes sei der Kapitalsubstitutionseffekt angeführt. Zieht ein Investor nach

Ausweitung des Geldangebots in A und der folgenden Abwertung der Währung Bilanz, so hat sich in

Währung A gerechnet der Wert seiner Investitionen in B erhöht. Um wertmäßig dieselbe Portfolioge-

wichtung wie zuvor zu erreichen, müsste er Investitionen von B nach A umschichten. Diese Portfolio-

anpassungen erhöhen nun die Nachfrage nach Währung A, die nach dem Geldangebotsschock noch zu

gering war. Der gegenläufige Anpassungsprozess ist der Erwartungs- oder Währungssubstitutionsef-

fekt. In Folge der Abwertung von Währung A erwarten Investoren zukünftig weitere Schwächungen,

woraufhin sie ihren Geldbestand AL reduzieren und BL erhöhen. Das Eintreten dieses Effekts hängt

von der genauen Art der Erwartungsbildung ab. Investoren mit sich anpassenden Erwartungen werden

bspw. AM durch BM ersetzen, da sich aus einer Abwertung die Erwartung weiterer Abwertungen

ergibt. Demgegenüber sollten Marktteilnehmer mit rationalen Erwartungen keinen solchen Automa-

tismus unterstellen - Wechselkursbewegungen können als Random-Walk oder weißes Rauschen auf-

gefasst werden (Rees 2011a).

Der Währungssubstitutions-Ansatz impliziert die Notwendigkeit internationaler Abstimmung der

Zentralbankpolitik. Diese sollten ihre Analyse nicht auf nationale Gegebenheiten beschränken, son-

dern auch globale Entwicklungen im Auge behalten.

Mundell-Fleming-Dornbusch Modell

Das Mundell-Fleming (MF) Modell stellt eine Übertragung des IS-LM Ansatzes auf offene Volkswirt-

schaften dar, wobei internationale Kapitalströme eine wichtige Rolle spielen. Der MF Ansatz dient der

wirtschaftspolitischen Analyse offener Volkswirtschaften und stellt schwerpunktmäßig auf kurzfristige

Effekte ab. Seit seiner Einführung in den 1960er Jahren fand er in Wissenschaft und Praxis weitrei-

chende Verwendung.

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Nehmen wir einen unerwarteten Anstieg des Geldangebots in A, der zu einer Verringerung des Zins-

satzes führt. Währung A wertet wegen der daraus resultierenden Kapitalabflüsse ab, wodurch die Pro-

duzenten in A ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Es werden also verstärkt deren Produkte nachge-

fragt, global ergibt sich eine Verschiebung der Ausgaben zugunsten von A. Dort erhöht sich folglich

der Output einhergehend mit einer Verbesserung der Handelsbilanz, die Effekte in B sind jedoch ent-

gegengesetzt (Politik des sog. ‚beggar-thy-neighbor’).

Da im MF Modell die nominalen Größen nicht flexibel reagieren, kommt es bei Löhnen und Preisen

nicht zu einem Anpassungsprozess im Sinne des im monetaristischen Modell postulierten Gleichge-

wichts. Stattdessen ergeben sich die Anpassungen aus der Änderung des realen Wechselkurses und

seiner Auswirkungen auf Output und Exporte der Volkswirtschaften. Die internationale Übertragung

monetärer Schocks geschieht also ausschließlich indirekt über die Handelsbilanzen und nicht über

monetäre Aggregate (Borondo 2000, S. 2). Das MF Modell kann allerdings um eine endogene Reakti-

on der ausländischen Geldpolitik in Land B ergänzt werden. Aus dem asymmetrischen Schock wird

dann ein symmetrischer, da die Zentralbank von B das Geldangebot ebenfalls erhöht, um der Ver-

schiebung von Ausgaben in Richtung des abwertenden Landes zu begegnen.29 Diese Gegenreaktion

erzeugt zwar eine gleichlaufende Entwicklung der monetären Aggregate in den einzelnen Ländern.

Aber auch in diesem Fall kommt es nicht zu direkten monetären Übertragungseffekten (Rees 2011a).

Das MF Modell ist auch Grundlage für den Ansatz von Dornbusch. Im MF Modell kommt es zu einer

äquivalenten Anpassung von Geldmenge und nominalem Wechselkurs, wohingegen Dornbusch eine

anfängliche Überreaktion der Wechselkurse analysiert, die erst nachträglich kompensiert wird (Dorn-

busch, 1976, S. 240f.). Grund für die zunächst zu starke Abwertung sind unterschiedliche Anpas-

sungsgeschwindigkeiten hin zum neuen Gleichgewicht. Auf den Finanzmärkten erfolgt die Anpassung

an den exogenen Schock unverzüglich, die Abwertung durch Kapitalabflüsse dominiert also temporär.

Die Anpassung der Preise an die gestiegene Geldmenge erfolgt demgegenüber nur langsam und die

Erreichung der Kaufkraftparität geschieht nur auf lange Sicht.

Kehren wir zur Verdeutlichung nochmals zurück zum unerwarteten Anstieg des Geldangebots in A.

Die Preise nicht handelbarer Güter bewegen sich nur langsam hin zum neuen Gleichgewicht, während

die Preise gehandelter Güter aufgrund der Währungsabwertung schnell der Erhöhung des Geldange-

bots folgen. Das allgemeine Preisniveau steigt somit aber trotzdem langsamer als das Geldangebot und

die inländische Nachfrage nach Geld bleibt hinter dem Angebot zurück. Der Überschuss an Geld führt

dann zu sinkenden Zinsen und zu der Überreaktion des nominalen Wechselkurses. Der temporäre

29

Genauer gesagt reagiert die Geldpolitik direkt auf die Aufwertung der Währung. Im vorangegangenen Ab-

schnitt begegnete die Zentralbank dem gefallenen P reisniveau, da Währungssubstitution zu einer erhö hten

Nachfrage nach Währung B und einem Sinken der P reise geführt hatte.

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‚beggar-thy-neighbor’-Effekt entwickelt sich durch die Handelsbilanz, monetäre Aggregate im Aus-

land sind jedoch nicht direkt betroffen. Schließlich führt das überschüssige Geld zu erhöhten Ausga-

ben in Land A, in dem sich dann auch die Preise nicht gehandelter Güter erhöhen. Das tatsächlich

verfügbare Geld nimmt ab und die Zinsen steigen wieder, wodurch sich die Wechselkurse zurück in

Richtung der langfristigen Kaufkraftparität bewegen (Rees 2011a).

Das Mundell-Fleming-Dornbusch (MFD) Modell stützt sich auf zwei kritische Annahmen. Erstens

wird ein komplett deterministisches System analysiert, wodurch monetäre Schocks nur in stark verein-

fachter Form und teils widersprüchlich abgebildet werden können. So wird die Ausweitung des Geld-

angebots ex ante nie antizipiert (statische Erwartungen), ex post aber immer als dauerhaft gesehen.

Investoren sind also vollständig informiert hinsichtlich der zukünftigen Absichten der Zentralbank. In

einer realistischeren Analyse unter Einbeziehung stochastischer Elemente wären die Marktteilnehmer

aber nicht ohne Weiteres in der Lage, vorübergehende von dauerhaften Änderungen zu unterscheiden

(Andersen und Beier, 2005, S. 493f.). Schwankungen des Geldangebots in einem Land ( *tM M− )

könnten aber durchaus beide Elemente beinhalten:

(6) Mttt uhMM +=− *

mit tM als tatsächlichem Geldangebot, *M als Gleichgewichtsgeldmenge, th als dauerhafter Ände-

rung und Mtu als vorübergehender Schwankung, die das Geldangebot nur in der aktuellen Periode

beeinflusst

(7) 1M

t t th hθ ε−= + mit 0 1θ< <

Die Störterme Mtu und M

tε sind unabhängige normalverteilte Schocks mit einem Erwartungswert von

Null und der Varianz 2Mt u

σ bzw. 2Mt εσ . Somit beinhaltet M

tu zwar keine Informationen hinsichtlich

der zukünftigen Zentralbankpolitik, Investoren können die Art des Schocks aber erst im Nachhinein

erkennen. Dieser Lernprozess impliziert systematische Verzerrungen der Erwartungsbildung. Eine

unverzerrte Vorhersage zukünftiger Änderungen im Geldangebot würde auf dessen persistenter Kom-

ponente basieren: *1 1( ) ( )t tE M M E h+ +− = . Wenn Investoren jedoch keine Unterscheidung zwischen

vorübergehenden Schocks und fundamentalen Änderungen der Zentralbankpolitik treffen können,

reagieren sie auf Erstere zu stark und auf Letztere zu wenig. Beispielsweise könnte eine nur vorüber-

gehende Erhöhung des Geldangebots zu einer noch stärkeren Überreaktion als in Dornbuschs Analyse

führen (Rees 2011).

Ein zweiter Kritikpunkt sind die Annahmen hinsichtlich der Umlenkung von Ausgaben. Im MFD Mo-

dell sind implizit nur gut substituierbare Konsumgüter in den internationalen Handel einbezogen.

Wenn aber zusätzlich komplementäre Zwischenprodukte oder Kapitalgüter gehandelt werden, führt

eine Abwertung der Währung zu erhöhten Produktionskosten im eigenen Land (Dellas 2006, S. 1472).

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Eine dem Prinzip des ‚beggar-thy-neighbor’ folgende Politik wäre damit in einer globalisierten, stark

vernetzten Wirtschaft deutlich weniger effektiv für die Anregung des inländischen Wachstums.

Auch unter Aufrechterhaltung der Annahme, dass nur Konsumgüter international gehandelt werden,

muss nach einem positiven monetären Schock die erwartete Umlenkung von Ausgaben in Richtung

der einheimischen Volkswirtschaft nicht einsetzen. Im Falle nur eingeschränkter Substituierbarkeit in-

und ausländischer Konsumgüter kommt es nicht zu einer wesentlichen Ausweitung der Produktion im

eigenen Land. Im Ergebnis senkt eine Schwächung der heimischen Währung dann lediglich die Kauf-

kraft in Auslandsmärkten.

Vollständige Substituierbarkeit wird nicht nur für Konsumgüter, sondern auch zwischen Geld und

Wertpapieren angenommen. Nur wenn es sich bei Geld und Anleihen tatsächlich um annähernd voll-

ständige Substitute handelt, sinken durch eine unerwartete Ausweitung der Geldmenge die (langfristi-

gen) Zinsen, was den für das MFD Modell beschriebenen Mechanismus in Gang setzt. Demgegenüber

unterstreichen Kapitalmarktmodelle wie der Portfolioansatz (‚portfolio balance approach’) die wegen

der Risikoeinschätzung der Investoren komplementäre Beziehung zwischen Geld und Wertpapieren.

Risikoaufschläge könnten die internationale Übertragung geldpolitischer Schocks zumindest teilweise

behindern (Rees 2011a).

Die Wirksamkeit des ‚beggar-thy-neighbor’ könnte auch durch die folgenden beiden Effekte abge-

schwächt werden. Zunächst sei der sogenannte Lokomotiveneffekt genannt: Die Nachfrage nach aus-

ländischen Gütern steigt im Einklang mit der inländischen Gesamtnachfrage in Land A (Corden und

Turnovsky 1983, S. 289). Diese Zweitrundeneffekte treten allerdings nur nach einer monetären Ex-

pansion in großen, nicht jedoch in kleinen Volkswirtschaften ein. Ein zweiter Kanal ist die Aufwer-

tung der ausländischen Währung B. Das sinkende Preisniveau führt zu einer realen Aufwertung aus-

ländischer Guthaben, was die Nachfrage nach in B hergestellten Gütern stimuliert.

Schließlich sei noch auf die implizite Annahme des MFD verwiesen, dass Exporte (Importe) in inlän-

discher (ausländischer) Währung abgerechnet werden. Die Festsetzung der Preise erfolgt also vor-

nehmlich in der Währung des Produzenten (‚producer currency pricing’, kurz PCP). Nach der Aus-

weitung der inländischen Geldmenge schlägt sich die damit einhergehende Abwertung der Währung

vollständig in den Importpreisen nieder. Die Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Produkte steigt, was

zu einer Umlenkung der Gesamtausgaben führt. Denkbar wäre aber auch, dass die Festsetzung der

Preise in lokaler Währung erfolgt (‚local currency pricing’, kurz LCP). Eine ausführlichere Erläute-

rung von PCP und LCP und deren Implikationen folgt in den nächsten Abschnitten, die auch eine kur-

ze Beschreibung der „New Open Economy Macroeconomics“ liefern (Rees 2011a).

Insgesamt gesehen scheint der Vorteil „flexibler“ Wechselkursregimes, den Versuch einer Erzeugung

temporärer ‚beggar-thy-neighbour’-Effekte zuzulassen, äußerst begrenzt (Belke und Polleit, 2005,

Belke und Rees, 2009).

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New Open Economy Macroeconomics

The New Open Economy Macroeconomics (NOEM) entstand in den 90er Jahren mit dem Anspruch,

einen neuen theoretischen Rahmen für die Analyse offener Volkswirtschaften anzubieten. Diese Mo-

delle lassen sich durch einen höheren Standard analytischer Durchschlagskraft als der MFD-Ansatz

charakterisieren, mit dem sich einige Schwächen der zuvor dargestellten Ansätze ausräumen lassen.

Eine Schlüsseleigenschaft der NOEM ist die explizite Mikrofundierung der Entscheidungen der Haus-

halte und Unternehmen durch die Spezifikation der zugrunde liegenden Präferenzen und der Einfüh-

rung von Budgetbeschränkungen. Deshalb gelten die Gleichungen nicht als ad hoc spezifiziert wie im

Fall der MFD-Modellumgebung, sondern sind das Ergebnis eines explizit modellierten Optimierungs-

verhaltens. Die NOEM bezieht auch stochastische Schocks und unvollständigen Wettbewerb auf Gü-

ter- und Arbeitsmärkten in die Analyse mit ein. Beispielsweise setzen monopolistische Unternehmen

die Preise für unvollständig substituierbare Güter. Als Ergebnis fällt die gleichgewichtige Produktion

unter das gesellschaftliche Optimum. Geringe Änderungen der Nachfrage lösen angesichts von Menü-

kosten oder anderer Friktionen im Preisanpassungsprozess keine Preisänderungen aus (Rees 2011a).

Ein weiterer wichtiger Unterschied zum traditionellen keynesianischen Ansatz wie dem MFD wird

offensichtlich, wenn die Transmission internationaler monetärer Übertragungseffekte analysiert wird.

Das MFD-Modell fußt auf intratemporalen Entscheidungen der Unternehmen und Haushalte. Die Ab-

wertung der inländischen Währung nach einer monetären Expansion im Inland führt zu einer Verlage-

rung der Nachfrage weg von ausländischen Gütern. Es handelt sich dabei um einen ausschließlich

statischen Effekt, denn die Substitution der Güter findet innerhalb einer Periode statt. Im Gegensatz

dazu beinhaltet die NOEM eine dynamische Analyse, die einen zweiten Transmissionskanal basierend

auf intertemporalem Optimierungsverhalten hinzufügt. Man betrachte wiederum eine plötzliche Ände-

rung des heimischen Geldangebots (Land A). Die Preise bleiben anfänglich noch konstant und steigen

erwartungsgemäß erst in der nächsten Periode. Gegenwartsgüter werden deshalb im Vergleich zu Zu-

kunftsgütern billiger, d.h. der Realzins als intertemporaler Relativpreis sinkt (Svensson und van Wijn-

bergen, 1989, S. 795). Da ein globaler Kapitalmarkt existiert, wird der ausländische Realzinssatz eben-

falls sinken. Als Konsequenz hieraus wird die Nachfrage im In- und Ausland in die Gegenwart verla-

gert. Im MF-Rahmen fehlen derartige intertemporale Betrachtungen, da Konsumausgaben und Spa-

rentscheidungen annahmegemäß unabhängig vom Realzins sind (Rees 2011a).

Ob der intertemporale oder der intratemporale Effekt dominiert, hängt von der Relation der intertem-

poralen Elastizität der Substitution des Konsums (er ) zur intratemporalen Elastizität der Substitution

( ra ) ab. er entspricht der Bereitschaft, Konsum über die Perioden hinweg zu subsituieren, wobei ra

den Grad der Substitution zwischen inländischen und ausländischen Gütern zu einem gegebenen Zeit-

punkt darstellt. Falls raer > gilt, wie es typischerweise in der NOEM unterstellt wird, wird das ‚beg-

gar-thy-neighbor’ Ergebnis in ein ‚prosper-thy-neighbor’ Resultat überführt. Eine inländische monetä-

re Expansion im Land A erhöht den Output im Inland und im Ausland und trägt hierdurch zu einer

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Synchronisierung der Konjunkturzyklen in den Ländern A und B bei. Unterstellt man, dass die Geld-

menge zumindest zum Teil endogen ist, dürfte der Aufschwung einen Anstieg des Geldmengenaggre-

gats ebenfalls in Land B bewirken. Folglich weisen die Geldmengenaggregate in beiden Ländern eine

positive gleichgerichtete Bewegung (‚co-movement’) auf. Wiederum wird die Synchronisierung nicht

durch direkte monetäre Übertragungseffekte über Kapitalflüsse verursacht, sondern nur indirekt durch

Verbindungen der Konjunkturzyklen. Anders als das MFD-Modell, das auf die Handelsbilanz abstellt,

beleuchtet die NOEM einen anderen Transmissionskanal internationaler monetärer Schocks: die Real-

zinsen und einen globalen Kapitalmarkt. Dieser wird nicht von Wechselkursen getrieben (Rees

2011a).

Die Ursache dafür, dass die Handelsbilanz in der NOEM keine entscheidende Rolle spielt, liegt auch

in der Annahme unvollständiger Gütermärkte. Unternehmen haben Marktmacht und sind in der Lage,

Märkte international durch die Forderung unterschiedlicher Preise im In- und Ausland für dasselbe

Gut zu segmentieren. Beispiele hierfür sind Automobile und einige Elektrogüter, für die international

Arbitrage schwierig oder sogar unmöglich ist. Als Ergebnis werden Preise in heimischer Währung zu

Niveaus fixiert, die nicht mit einem wettbewerblichen Weltpreis übereinstimmen (VanHoose, 2004, S.

199). Ein derartiges Verhalten der Preisdiskriminierung wird ‚local currency pricing’ (LCP) oder

gleichbedeutend ‚pricing to market’ (PTM) genannt.

In Verbindung mit ‚sticky prices’ bricht LCP die Verbindung zwischen inländischen und ausländi-

schen Preisen – wie sie von der KKP-Theorie unterstellt wird – und erlaubt endogene Anpassungen

des realen Wechselkurses. Nehmen wir beispielsweise zu Illustrationszwecken ein vollständiges LCP

und einen positiven Geldangebotsschock in Land A an. In diesem Fall kommt es nicht zu einem ‚pass-

through’ der Abwertung der Währung des Landes A (relative zu B) auf die Importpreise. Das Preisni-

veau in A bleibt von den Wechselkursbewegungen vollständig unberührt. Ein ‚expenditure switching’

Effekt findet nicht statt. In einer derartigen Modellumgebung kann der Wechselkurs keine stabilisie-

rende Rolle bei der Anpassung relativer Preise und der Angleichung der Nachfrage an das Gleichge-

wicht in Reaktion auf monetäre Störungen spielen (Bowman und Doyle 2003, S. 8). Die Wahl des

Wechselkursregimes hat wiederum keine entscheidenden Auswirkungen auf das Ausmaß der interna-

tionalen Transmission monetärer Impulse. Stattdessen wird eine erhebliche Volatilität des realen

Wechselkurses generiert, ohne dass dies irgendeinen allokativen Effekt auf die internationale Nachfra-

ge wie vom MFD-Modell postuliert hätte. Die Eliminierung von Ausgabeumlenkungseffekten erhöht

die Wahrscheinlichkeit von gleichgerichteten Outputbewegungen über Länder hinweg weiter (Rees,

2011a).

Allerdings bleibt fraglich, ob LCP wirklich persistente makroökonomische Fluktuationen und dauer-

hafte Schwankungen auf Finanzmärkten erklären kann. Üblicherweise findet die Fakturierung von

Kontrakten im Außenhandel von maximal 90 Tagen und oft weniger statt. Preis- und Lohnrigiditäten

sollten deshalb für das Entstehen anhaltender Variationen bedeutsamer sein (Sarno 2001, S. 31). Bei-

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spielsweise erhöhen rigide Reallöhne die Wahrscheinlichkeit einer Transmission negativer Schocks

von einem Land zum anderen. Die Analyse der Gegner der NOEM verweist zudem auf weitere

Schwächen dieses Ansatzes. Beispielsweise führen Änderungen des inländischen realen Zinssatzes nur

dann zu Änderungen dieser Variable im Ausland, wenn die heimische Volkswirtschaft hinreichend

groß ist. Anderenfalls ist es nur schwer vorstellbar, dass signifikante Übertragungseffekte auf globalen

Kapitalmärkten stattfinden.

Darüber hinaus wird das Zentralbankverhalten nur rudimentär analysiert. Auf der einen Seite wird im

Rahmen der NOEM ein hohes Gewicht auf die Mikrofundierung der Entscheidungen der privaten

Haushalte und Unternehmen gelegt. Auf der anderen Seite werden Zentralbanken häufig als „selbstlo-

se Institutionen“ modelliert, die sich ausschließlich um die Wohlfahrt des privaten Sektors kümmern.

Ein derartiger Ansatz vernachlässigt ‚principal agent’-Aspekte bei der diskretionären Durchführung

der Geldpolitik fast vollständig und das hiermit eng verbundene Problem der zeitlichen Inkonsistenz

optimaler Geldpolitik (Rees 2011a).

Schließlich können die abgeleiteten internationalen Transmissionseffekte nach monetären Schocks

sensitiv gegenüber den präzisen Spezifikationen sein (Lane 2001, S. 261f.). Selbst leichte Änderungen

zusätzlicher struktureller Parameter wie der Elastizität der Substitution zwischen Gütern in jedem

Land oder des Grades des ‚home bias’ des Konsums können die Ergebnisse stark verändern.

Alternative Ansätze

Neben den zuvor dargestellten – und wohl etablierten – Theorien gibt es andere, manchmal fragmenta-

rischen Erklärungen, die ebenfalls zur Erhellung der Hintergründe internationaler monetärer Übertra-

gungseffekte beitragen (Belke und Rees 2009, und Rees 2011a). Im Folgenden werden diese Ansätze

unter die Schlagwörter ‚common shocks’, ‚ fears of floating’ und ‚Common beliefs’ subsummiert.

Im ‚common shock’-Ansatz beeinträchtigen nicht-monetäre Störungen viele Volkswirtschaften gleich-

zeitig. Dies führt zu einer positiven gleichgerichteten Bewegung nationaler monetärer Aggregate über

Länder hinweg. Die Bedeutung von Technologieschocks als Treiber von Konjunktur- und Geldmen-

genschwankungen wird von der Real Business Cycle (RBC) Theorie betont. Technologische Innovati-

onen treten nicht nur in bestimmten Ländern auf, sondern auch auf globaler Ebene. Gründe hierfür

sind internationale Wissensübertragungseffekte wie der Import von Gütern, Import von in FDI enthal-

tenen Technologien, Joint Ventures und die Migration von Schlüsselpersonal (Klenow und Rodriguez-

Clare, 2004, S. 11). Besonders so genannte ‚trade-related new-goods externalities’ dürften für eine

schnelle Übertragung neuer Technologien von einem Land auf das andere zentral sein. Neue Güter

höherer Qualität werden eingeführt und später durch andere Unternehmen weltweit imitiert. Entspre-

chend lässt sich in der Tradition des RBC-Modells argumentieren, dass nationale Geldmengen nach

einem positiven globalen Technologieschock stark synchronisiert sind. Der nationale Output und in

der Folge auch die inländische Geldnachfrage steigen über alle Länder hinweg. Internationale Kapi-

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talflüsse sind daher nicht die Triebfeder der simultanen Änderung der monetären Aggregate. Vielmehr

wird Geld als endogen und als ausschließlich inländische Variable angesehen, die durch gemeinsame

technologische Innovationen getrieben wird (Rees, 2011a).

Weitere Beispiele derartiger globaler Störungen sind ‚cost-push’-Schocks und plötzliche nicht-

monetäre Änderungen auf internationalen Kapitalmärkten. Das klassische Beispiel einer ‚cost-push’-

Störung ist ein überraschender und schneller Anstieg des Ölpreises. Im Folgenden betonen wir die

Quelle, aber nicht die Übertragung des Schocks, da Übertragungseffekte aggregierter Nachfragekons-

tellationen gar nicht notwendig sind. Stattdessen beeinflusst der Ölpreis jede Volkswirtschaft direkt

durch eine Steigerung der marginalen Kosten der Unternehmen. Falls ein derartiger inländischer

Preisdruck durch die nationalen Zentralbanken akkommodiert wird, lässt sich eine gleichgerichtete

Entwicklung inländischer Geldangebote beobachten. Finanzkrisen stellen einen weiteren Typ einer

‚common disturbance’ dar. Ein starker Verfall der Vermögenspreise weltweit kann zu Zinssenkungen

und einer Bereitstellung zusätzlicher Liquidität durch Zentralbanken führen. Wiederum kommt es zu

einem stark synchronisierten Verhaltensmuster monetärer Aggregate – sogar in Abwesenheit direkter

Übertragungseffekte.30 Die Wahl des Wechselkursregimes per se ist hierbei wiederum weniger rele-

vant.

Der zweite Ansatz firmiert unter dem Begriff ‚fears of floating’ (Calvo und Reinhart, 2002). Diesem

Ansatz folgend, erlauben Länder mit eigentlich de jure flexiblen Wechselkursregimes ihrem Wechsel-

kurs nicht jederzeit, frei zu schwanken. Beispielsweise beabsichtigt die geldpolitische Instanz manch-

mal, den Wechselkurs zügiger als von Investoren erwartet an ein bestimmtes Zielniveau heranzubrin-

gen. Die Zentralbank könnte ebenfalls versuchen, Wechselkursschwankungen zu dämpfen. Beide Zie-

le können durch Interventionen auf Devisenmärkten erreicht werden. Da die Währungen wieder Sub-

stitute auf der Angebotsseite werden (siehe auch die zuvor diskutierte monetaristische Sicht), treten

direkte internationale geldpolitische Übertragungseffekte über Kapitalflüsse auf. Die Zentralbank op-

fert ihre geldpolitische Unabhängigkeit für die Einhaltung eines Wechselkursziels. In monetaristischer

Sicht ist die internationale Transmission monetärer Impulse untrennbar mit einer quasi-Fixierung der

Wechselkurse verbunden (Belke, Orth und Setzer, 2010, sowie Belke und Rees, 2009).

Die Gründe für dieses Verhalten sind vielfältig. Unerwünschte Wechselkurs-‚pass-throughs’ und

Fremdwährungs-Verbindlichkeiten können in aufstrebenden Volkswirtschaften eine Rolle spielen

(Frankel, Schmukler und Servén 2004, S. 703). Darüber hinaus könnte die mangelnde Glaubwürdig-

keit der geldpolitischen Instanz ‚fears of floating’ auslösen, da ungerechtfertigte Wechselkursschwan-

30

Natürlich können Finanzmarktturbulenzen auch substanzielle internationale Kapitalflüsse auslösen und

dadurch das positive „ Co-movement“ verstärken. Deshalb stellt eine Unterscheidung zwischen den beiden

Ü bertragungsmechanismen in Zeiten der Unruhe auf Finanzmärkten eine Herausforderung dar.

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kungen steigende Inflationserwartungen auslösen könnten. In derartigen Fällen tritt ein Dilemma offe-

ner Volkswirtschaften zutage – aber eben kein Trilemma, wie durch den Monetarismus eigentlich

nahegelegt (siehe auch Einführung zu unserem Kapitel 1): Die Wahlmöglichkeiten, denen sich Politi-

ker gegenüber sehen, bestehen in geldpolitischer Unabhängigkeit oder in offenen Kapitalmärkten

(Shambaugh 2004, S. 302).

Ein weiterer Grund für ‚fears of floating’ könnte die hohe Geschwindigkeit der Globalisierung sein.

Wegen geringerer Transportkosten und des Abbaus von Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen

ist der Außenhandel immer bedeutsamer für nationale Konjunkturzyklen geworden. Transaktionen

von Gütern und Dienstleistungen dienen als ein wichtiger Kanal für die Übertragung konjunktureller

Schwankungen von einem Land zum anderen. Nationale Politiker zeigen sich deshalb zunehmend

besorgt über den Wechselkurs und seinen Einfluss auf die nationale Wettbewerbsfähigkeit (Borio und

Filardo 2007, S. 7). Als ein Hauptergebnis bleibt eine signifikante monetäre Interdependenz sogar

unter einem de jure flexiblen Wechselkursregime bestehen.

‚Common beliefs’ beziehen sich auf die Idee, dass verschiedene geldpolitische Instanzen dieselben

oder zumindest ähnliche Politikziele verfolgen. Nicht nur strukturelle Beziehungen wie der Außen-

handel oder Kapitalflüsse binden deshalb die Volkswirtschaften, sondern auch eine ähnliche Ausle-

gung ökonomischer Ereignisse. Politiker in verschiedenen Zentralbanken beispielsweise folgen einer

konsensualen Sicht darüber, welche Entscheidungen in welcher Situation angemessen sind. Das Er-

gebnis ist eine ähnliche Reaktion auf Schocks über verschiedene Länder hinweg, was implizit einer

internationalen Politikkoordinierung gleichkommt (Kuszczak und Murray 1986, S. 117).

‚Common beliefs’ können durch den kontinuierlichen Informationsaustausch unter Zentralbanken bei

offiziellen Meetings, Konferenzen und Publikationen verstärkt werden. Selbst ein gewisser Gruppen-

druck mag hier wirksam sein. Die Verbreitung der Inflation Targeting-Strategie in den frühen 90er

Jahren könnte ein Beispiel hierfür darstellen. Ein zusätzlicher Kanal könnte relevant werden, falls

geldpolitische Instanzen in Richtung relativer statt absoluter Schwellenwerte des „Erfolgs‘“ konver-

gieren (Cicarelli und Mojon 2005, S. 10, sowie Cicarelli und Mojon 2010). Beispielsweise erscheint

eine schlechte Inflationsbilanz tolerabel, wenn auch andere Volkswirtschaften diesbezüglich eine

schlechte Performance aufweisen. Dies führt zu uniformeren ‚monetary conditions’ über Länder hin-

weg.

Obwohl das Phänomen der ‚common beliefs’ relevant erscheinen mag, erscheint eine vorsichtige An-

merkung angebracht. Eine ähnliche geldpolitische Reaktion ist nur im Fall symmetrischer Schocks

und vergleichsweise ähnlichen Übertragungsmechanismen optimal. Dann macht es aber nur einen

geringen Unterschied, ob ein System fester oder flexibler Wechselkurse vorliegt. Wenn hingegen ein-

zelne Volkswirtschaften grundsätzlich unterschiedlich betroffen sind, ist es schwer vorstellbar, dass

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Politiker in einer ähnlichen Weise reagieren (Papanyan, 2010, S. 67). Feste Wechselkurse dürften in

diesem Fall ohnehin keine Alternative darstellen.

Zwischenfazit

Die Wahl des Wechselkursregimes ist weniger entscheidend für die Übertragung und die Abwehr des

Zuflusses globaler monetärer Liquidität als gemeinhin von den volkswirtschaftlichen Standardansät-

zen für offene Volkswirtschaften unterstellt. Ein System flexibler Wechselkurse erweist sich aus die-

ser Sicht nicht als wesentlich krisenfester als ein System fester Wechselkurse. Unsere Argumentation

verallgemeinert die von Ahmed et al. (1993) erzielte empirische Evidenz. Die Verfasser entwickeln

ein multivariates strukturelles 2-Länder-Modell der Weltwirtschaft – primär motiviert durch Bestand-

teile theoretischer RBC-Modelle. Es ergibt sich keinerlei Evidenz für unterschiedliche Transmissions-

eigenschaften von Störungen in Abhängigkeit verschiedener Wechselkursregimes. Die Interaktion von

Variablen zwischen den USA und dem “Rest der Welt” ist in der prä-1973 Bretton Woods Periode und

der post-1973 Phase flexibler Wechselkurse dieselbe. Diese Evidenz steht in starkem Widerspruch zur

monetaristischen Sicht.

Belke und Orth (2007) und Belke, Orth und Setzer (2008a, 2008b, 2010) untersuchen den Einfluss

globaler Liquiditätsschocks auf eine Reihe makroökonomischer und finanzmarktbezogener Variablen

auf weltwirtschaftlichem Aggregationsniveau. Sie verwenden dabei sowohl KKP-adjustierte Wechsel-

kurse als auch Kassawechselkurse, um nationale Zeitreihen größerer OECD-Länder zu aggregieren.

Die Autoren schätzen rekursive VAR-Modelle und analysieren die Reaktionen auf einen unerwarteten

Anstieg globaler Liquidität – gemessen an weiten Geldmengenaggregaten. Ihre Ergebnisse variieren

kaum in Abhängigkeit von der exakten verwendeten Wechselkursdefinition – (fixe) Kaufkraftpari-

tätswerte oder (flexible) nominale Marktkurse.

Außer der vom jeweils vorliegenden Wechselkursregime unabhängig vorliegenden empirischen Evi-

denz für die Bedeutung globaler monetärer Liquidität gibt es weitere Gründe dafür, über die etablier-

ten Modelle wie den Monetarismus, den MFD-Ansatz und die NOEM hinauszugehen. Eine Kritik

setzt an der ungedeckten Zinsparität an, die ein Kernstück des monetaristischen Modells offener

Volkswirtschaften darstellt. Gemäß dieser Theorie sollte eine Währung, der Zinssatz hoch ist, zu einer

Abwertung neigen. Der gegenwärtige Terminwechselkurs ist dabei ein unverzerrter Prediktor des zu-

künftigen Kassakurses (Gleichung 3). Der frei schwankende nominale Wechselkurs wirkt wie ein Puf-

fer und schottet eine Volkswirtschaft vollständig von grenzüberschreitenden ausländischen Geldange-

botsschocks ab. Währenddessen führen offizielle Devisenmarktinterventionen bei festen Wechselkur-

sen zu einer Übertragung geldpolitischer Schocks von einem Land zum anderen (Belke und Gros,

2009b).

Jedoch wird die Hypothese der ungedeckten Zinsparität empirisch häufig verworfen, insofern als dass

Währungen mit höheren Zinssätzen kontinuierlich weiter aufwerten. Dieses häufig anzutreffende em-

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pirische Phänomen wird das ‚forward discount puzzle’ genannt (Bacchetta und van Wincoop 2006, S.

1) und wurde sowohl von Praktikern auf Finanzmärkten als auch von akademischen empirischen Stu-

dien bestätigt (Cavallo, 2006, S. 2f., Darvas, 2009). Es impliziert, dass Überschussrenditen von Inves-

titionen in ausländische Währung wie zum Beispiel Carry Trades vorhersehbar sind.

In den letzten Jahren hat besonders der sogenannte Yen-Carry Trade eine bedeutende Rolle auf den

internationalen Finanzmärkten gespielt. Da die japanische Zentralbank außergewöhnlich niedrige Zin-

sen gesetzt hatte, wurde der Yen zu einer wichtigen ‚funding currency’. Als Ergebnis wurden Geld-

mengenaggregate in Japan wie auch anderswo beeinflusst – und das unabhängig vom Wechselkursre-

gime (Belke, Orth und Setzer, 2010, S. 1934).

Selbst wenn die ungedeckte Zinsparität gilt, bleibt zweifelhaft, ob ein flexibler Wechselkurs wirklich

automatisch eine Schlüsselrolle beim Abwenden monetärer Übertragungseffekte von außerhalb spielt.

Der Grund für diese Einschätzung ist, dass in Standardmodellen offener Volkswirtschaften typischer-

weise die globale Perspektive fehlt. Da zumeist nur eine Interaktion von zwei Volkswirtschaften un-

terstellt wird, ist der Wechselkurs als ein relativer Preis ein “natürlicher” Kandidat zur Verhinderung

internationaler geldpolitischer Störungen. Wechselt man jedoch von der 2-Länder-Perspektive auf die

globale Ebene, sind zusätzliche Komplexitäten zu berücksichtigen.

Nehmen wir beispielsweise wie gegenwärtig im Rahmen der unkonventionellen Geldpolitik ein ähn-

lich expansives Verhalten wichtiger Zentralbanken an.31 Aus einer globalen Perspektive ist es nicht

möglich, dass jede Währung gegenüber den jeweils anderen abwertet. Die expansiven Geldpolitiken

neutralisieren sich gegenseitig, wobei keine der Währungen im Gleichgewicht abwertet. Keine

Volkswirtschaft erlangt die kurzfristigen Vorteile einer nach außen schwächeren Währung wie im

MFD-Modell angenommen. Vielmehr leiden alle Volkswirtschaften in der mittleren Frist gemeinsam

unter den übermäßig hohen Geldangeboten, die zu Vermögenspreis- und letztlich auch zu Güter-

preisinflation führen. Dieses Ergebnis stellt sich unabhängig davon ein, ob ein Regime fester oder

flexibler Wechselkurse vorliegt.

Geht man von diesen theoretischen Mängeln aus, lassen sich einige Hypothesen für die zukünftige

theoretische Forschung ableiten:

Trotz flexibler Wechselkurse existieren direkte grenzüberschreitende Übertragungseffekte zwischen

inländischen (überschüssigen) Geldmengen. Internationale Kapitalflüsse führen zu einem globalen

31

Warum reagieren Zentralbanken derart gleichgerichtet. Eine Erklärung könnte die inflationäre Verzerrung

wegen der Unsicherheit über ausländische Geldangebotsschocks darstellen. Vgl. Belke und Rees (2009). Eine

andere Erklärung wird durch den weiter oben beschriebenen ‚Common-beliefs’-Ansatz geliefert. Nach Borio

(2006), S. 6, versuchen Notenbanken gleichzeitig negative Inflationsraten zu vermeiden, die durch preisdämp-

fende Effekte der Globalisierung auf Gütermärkten hervorgerufen werden.

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‚(excess) money’ Faktor und zu einem positiven ‚co-movement’ nationaler monetärer Aggregate über

Länder hinweg. Die Ursache für dieses Muster ist die Globalisierung der Finanzmärkte. Es existiert

ein globaler Liquiditätsfaktor, obwohl es unterschiedliche Strategien von Zentralbanken und verschie-

dene institutionelle Setups in Ländern oder Regionen gibt.

Globale monetäre Liquidität ist nicht nur die entscheidende Triebfeder der heimischen Geldmenge,

sondern beeinflusst verschiedene makroökonomische und finanzmarktbezogene Variablen auf nationa-

ler und globaler Ebene. Als Hauptergebnis ist der Spielraum von Zentralbanken zur Durchführung

einer unabhängigen Geldpolitik begrenzt. Die Trilemma-Sichtweise lässt sich nicht aufrecht erhalten.

Flexible Wechselkursregimes können die Unabhängigkeit national Geldpolitiken nicht vollständig

gewährleisten. Dies trifft unabhängig davon zu, ob kleine offene oder große geschlossene Volkswirt-

schaften analysiert werden. Beispielsweise liegt für die US-Volkswirtschaft keine deutliche Evidenz

für eine höhere monetäre Unabhängigkeit vor als für Großbritannien oder Kanada. Die Ursache hierfür

ist, dass die US-Finanzmärkte tief und liquide sind und hierdurch internationales Kapital anzieht. Dies

erhöht die Wahrscheinlichkeit monetärer Übertragungseffekte aus anderen Ländern.

Gemeinsame monetäre Liquiditätsschocks dominieren nach Belke und Rees (2009) andere globale

Schocks (‚disturbances’) wie plötzliche Änderungen der globalen Nachfrage, der Technologie, der

Langfristzinsen (‚global savings glut’, Belke und Gros, 2009b) und der Rohstoffpreise. Letztere spie-

len offensichtlich nur eine relativ geringe Rolle, während die globale Liquidität eine zentrale Triebfe-

der der Weltwirtschaft und der internationalen Finanzmärkte darstellt. Deshalb sollte ein Wechselkurs-

Regime zu allererst gegenüber der globalen Liquidität krisenfest sein. Robustheit gegenüber anderen

Schocks ergibt sich dann nahezu automatisch.

Die Bedeutung des gemeinsamen Liquiditätsfaktors für globale und inländische Variable ist seit den

90er Jahren rapide gewachsen. Belke und Rees (2009) weisen empirisch Strukturbrüche sowohl in der

Schockkomponente der globalen Liquidität als auch in deren Übertragungsmechanismus nach. Die

Gründe für den Strukturwandel der 90er Jahre sind die wachsende Finanzmarktglobalisierung und die

stark zunehmenden grenzüberschreitenden Kapitalflüsse. Hieraus folgt, dass die sich in der Vergan-

genheit herauskristallisierten Kriterien für die Wechselkursregimewahl nicht automatisch auch auf die

Entscheidungen der Zukunft – wie die Wahl eines oder mehrerer Wechselkurssysteme für die G-20

anwendbar sind.

c. Zusammenfassung

Dieses Kapitel hat ausführlich zentrale Ergebnisse des Projektes diskutiert. Neben einem umfassenden

historischen Überblick über das Weltwährungssystem bis zur aktuellen Situation wurden die ökonomi-

schen Implikationen unterschiedlicher Weltwährungsregime dargestellt.

In der langen Frist skizziert das Kapitel die Bedeutung des Wechselkursregimes für die Entwicklung

von Leistungsbilanzsalden und hat aus der Theorie abgeleitete Mechanismen für den Zusammenhang

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zwischen globalen Ungleichgewichten und Währungssystemen hergeleitet. Die theoretischen Ergeb-

nisse werden zudem empirisch untermauert und quantitativ abgeschätzt. Umfangreiche Analysen prä-

sentieren wir zudem mit Blick auf die Wirkungen des Wechselkursregimes auf die gesamtwirtschaftli-

che Produktion und Arbeitsmarktsituation der untersuchten Volkswirtschaften. Ebenfalls eher langfris-

tiger Natur sind die Auswirkungen globaler Liquiditätsentwicklungen, deren Auswirkungen wir unter

Berücksichtigung des internationalen Währungssystems diskutieren.

In der kurzen Frist, d.h. aus konjunktureller Perspektive, stellt der vorliegende Bericht schwerpunkt-

mäßig auf internationale Konjunktur- und Preiszusammenhänge ab und stellt die Auswirkungen des

Wechselkursregimes auf die internationale Schocktransmission aus theoretischer Perspektive dar. Die

Ausführungen werden durch umfangreiche Simulationen im Rahmen des NiGEM-Modells ergänzt

und die quantitativen Implikationen eingeschätzt.

Auf Basis der erarbeiteten Ergebnisse können bereits konkrete Kriterien für die Beurteilung internati-

onaler Währungssysteme aus Sicht unterschiedlicher Länder abgeleitet werden. Mit Blick auf die

Entwicklung globaler Ungleichgewichte bestätigen unsere empirischen Ergebnisse die Friedman-

Hypothese, dass unflexible Wechselkurse den Aufbau von Leistungsbilanzungleichgewichten begüns-

tigen. Dies gilt insbesondere für Schwellenländer, während für die Industrieländer ein derartiger Zu-

sammenhang nicht signifikant gezeigt werden kann. Für Schwellenländer wäre unter diesem Gesichts-

punkt eine weitere Flexibilisierung im globalen Währungssystem anzustreben. Dies stünde allerdings

im Gegensatz zu den Interessen der Industrieländer, für die wir mit Bezug auf die Wachstumswirkun-

gen des Wechselkursregimes zu dem Ergebnis kommen, dass eine stärkere Wechselkursbindung posi-

tive Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Produktionsniveau haben dürfte. Unsere Diskussion

der Beschäftigungswirkungen unterschiedlicher Wechselkursregime ergänzt diese Ergebnisse insofern,

als dass eine stärkere monetäre Integration durch glaubwürdige Fixierung von Wechselkursen insbe-

sondere für Industrieländer mit starken institutionellen Verkrustungen eine erhebliche Verbesserung

der Arbeitsmarktsituation mit sich bringen kann. Insbesondere durch Wechselkursfixierung innerhalb

der Gruppe der Industrieländer ist daher tendenziell mit positiven Wachstums- und Beschäftigungsef-

fekten zu rechnen, während mit Blick auf die Dämpfung globaler Ungleichgewichte tendenziell flexib-

le Wechselkurse zwischen Schwellen- und Industrieländern anzustreben sind.

In der kurzen Frist sprechen unsere Ergebnisse tendenziell dafür, dass der Status Quo tatsächlich eine

recht zweckmäßige Lösung mit Blick auf die Stabilisierungseigenschaften des Weltwährungssystems

darstellt. Zwar wäre aus Sicht der Schwellenländer sowie der Euro-Mitgliedsländer tendenziell eine

stärkere weltweite Stabilisierung der Wechselkurse anstrebenswert. Dies stünde aber den anderen Inte-

ressen der übrigen Industrieländer entgegen, aus deren Sicht tendenziell eine weitere Flexibilisierung

im Weltwährungssystem anzustreben ist. Dies wiederum stünde allerdings (aus der Konjunktur-

Perspektive) den Interessen der Schwellenländer relativ deutlich entgegen, sodass das Status Quo-

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Regime auch mit Blick auf politische Realisierungsmöglichkeiten tatsächlich eine recht zweckmäßige

Lösung darstellen dürfte.

Die Ergebnisse unserer Analysen zu den Auswirkungen des Währungssystems auf die Übertragung

und die Abwehr des Zuflusses globaler monetärer Liquidität relativieren diese Ergebnisse zum Teil,

sprechen tendenziell aber ebenfalls für eine weitere Flexibilisierung im internationalen Währungssys-

tem. Allerdings erweist sich ein System flexibler Wechselkurse unter dieser Betrachtung nicht als

wesentlich krisenfester als ein System fixer Wechselkurse, da auch trotz flexibler Wechselkurse direk-

te grenzüberschreitende Übertragungswege zwischen den Geldmengen unterschiedlicher Länder exis-

tieren. Zudem kann dargestellt werden, dass auch flexible Wechselkurse die Unabhängigkeit nationa-

ler Geldpolitik nicht vollständig gewährleisten.

Auf Basis der hier erarbeiteten Ergebnisse werden im folgenden Kapitel 2 Alternativszenarien für die

zukünftige Gestaltung des Weltwährungssystems einer detaillierten Beurteilung unterworfen. Als spe-

zieller Aspekt des Weltwährungssystems wird zudem eine detaillierte Analyse des globalen Leitwäh-

rungssystems vorgenommen. Neben der normativen Bewertung wird strategisch eingeschätzt, welche

Szenarien sich im politischen Entscheidungsprozess durchsetzen könnten und damit als „realistisch“

betrachtet werden sollten.

Im Anschluss daran werden in Kapitel 3, die politischen Herausforderungen diskutiert, die sich aus der

veränderten währungspolitischen Situation und dem Übergang in das neue Regime ergeben. Im Mit-

telpunkt der Betrachtung steht neben einer geeigneten Politik zur Erleichterung des Übergangs vom

alten ins neue System vor allem die Beseitigung von Mängeln des derzeitigen Systems, die in einer

zukünftigen Weltwährungsordnung vermieden werden sollten. Zentrale Aspekte in diesem Zusam-

menhang sind etwa ein treffsicheres Management von Kapitalflüssen oder eine verbesserte Finanz-

marktaufsicht. Vorschläge für ein effektiveres Krisenmanagement im Falle von Finanzkrisen schließen

das Kapitel ab. Kapitel 4 fasst die Hauptergebnisse des Projekts noch einmal ausführlich zusammen.

Die Ausführungen sind dabei auf die europäische und deutsche Perspektive fokussiert; die Studie leitet

so konkrete Politikempfehlungen für die deutsche und europäische Wirtschaftspolitik ab.

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2. Eine Bewertung aus globaler Perspektive

Die jahrzehntelange Rolle des US-Dollars als globale Reservewährung wird in der derzeitigen Finanz-

krise in Frage gestellt. Die Probleme und Risiken, die mit der Verschuldung in Fremdwährung, dem

Halten hoher Devisenreserven einhergehen, wurden in der Krise offen gelegt und sind der Auslöser

einer Diskussion über das Weltwährungssystem und dessen zukünftige Gestaltung. Auch der zuneh-

mende Umfang (kurzfristiger) Kapitalströme im Vergleich zum Güter- und Dienstleistungsaustausch

wirft im Hinblick auf mögliche Wechselkurseinflüsse Fragen auf.

Als spezieller Aspekt des Weltwährungssystems wird in der Folge eine detaillierte Analyse des globa-

len Leitwährungssystems vorgenommen. Auch in Abhängigkeit von der Wechselkurskonfiguration

sind hierbei unterschiedliche mehr oder weniger zweckmäßige Lösungen denkbar, die erneut unter

Hinzuziehung obiger Kriterien beurteilt werden. Mögliche zu diskutierende Szenarien in diesem Zu-

sammenhang sind a) eine Rückkehr zum Dollar-dominierten Währungssystem der Vor-Euro-Zeit, b)

ausgehend von einer dezidiert bipolaren Struktur auf Basis des US-Dollar und des Euro über Wäh-

rungswettbewerb ein Übergang zu einem ‚multi-currency international monetary system’, c) der chi-

nesische Vorschlag einer supranationalen Währung, d) Sonderziehungsrechte des IWF als globale

Reservewährung, e) der Renminbi (RMB) als mittelfristig neue internationale Währung und f) radika-

lere Vorschläge wie etwa die stärkere Betonung des Goldes und anderer Rohstoffe als Reserve-Assets.

Einen Schwerpunkt der Analyse stellt die Auslotung der zunehmenden chinesischen strategischen

Optionen im Spannungsfeld zwischen trendmäßig etwas schwächer werdendem Dollar und bis zum

Ausbrechen der EU-Schuldenkrise gegenüber dem Dollar an Attraktivität für internationale Anleger

und Händler aufholendem Euro dar. Neben der normativen Bewertung der Systeme in Bezug auf die

Erfüllung der skizzierten Kriterien wird zudem strategisch eingeschätzt, welche Szenarien sich im

politischen Entscheidungsprozess durchsetzen könnten und damit als „realistisch“ betrachtet werden

sollten. Dabei spielt neben den langfristigen Implikationen für die Weltwirtschaft auch der Übergang

von einem währungspolitischen Regime zum anderen eine entscheidende Rolle.

a. Zukunftsszenarien: Das globale Wechselkurssystem

Wie ausführlich in Abschnitt 1.a. dargestellt, hat das Weltwährungssystem eine Vielzahl von Phasen

unterschiedlicher Bindungsintensität zwischen den unterschiedlichen Währungen durchlaufen. Neben

Phasen sehr enger Bindung zwischen den Hauptwährungen der Weltwirtschaft (etwa während des

Goldstandards oder des Bretton Woods Systems) gab es zumindest übergangsweise auch Regime rela-

tiv hoher Flexibilität der Wechselkurse (zumeist nach dem Zerfall relativ enger Regime), wie etwa

nach dem Ende des Goldstandards in den frühen 1920er-Jahren oder mit der Ausweitung der Band-

breiten der innereuropäischen Wechselkurse nach dem Zusammenbruch des EWS Anfang der 1990er-

Jahre. In den vergangenen Jahren ist eine Tendenz zu insgesamt relativ flexiblen Wechselkursen fest-

zustellen, wobei die Bildung der Europäischen Währungsunion diesem Trend offensichtlich entgegen

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läuft. Auch die relativ enge Bindung einiger Schwellenländer an den US-Dollar (insbesondere China,

Brasilien und einige Öl exportierende Länder) oder an den Euro (insbesondere im osteuropäischen

Raum) steht im Gegensatz zu einer fortschreitenden Flexibilisierung der Wechselkurse.

Angesichts der Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise, die zumindest von einigen Beobach-

tern und zum Teil auf durch das Weltwährungssystem induzierte Fehlentwicklungen zurückgeführt

wird, wird das globale Wechselkurssystem zunehmend in Frage gestellt. So hat die französische G-20-

Präsidentschaft als zentralen Punkt eine Neuordnung des internationalen Währungssystems auf die

weltpolitische Agenda gesetzt. Dabei strebt Frankreich (in Union mit einigen Schwellenländern) eine

Dämpfung der Schwankung von Wechselkursen im Weltwährungssystem an. Dem entgegen stehen

Vorschläge insbesondere von akademischer Seite, das Weltwährungssystem weiter zu flexibilisieren,

um den Aufbau globaler Ungleichgewichte und die Übertragung konjunktureller Schwankungen zu

dämpfen. Die jeweiligen Argumente wurden in Teil 1 des vorliegenden Berichts gewürdigt. Im Fol-

genden sollen die unterschiedlichen Positionen in Anwendung auf die mögliche Entwicklung des glo-

balen Währungssystems dargestellt werden. Die Ergebnisse aus Teil 1 fließen dabei in die Bewertung

ein. Wir unterscheiden zunächst zwischen den zwei möglichen Extremlösungen global flexibler und

global fixer Wechselkurse. Aus den Vor- und Nachteilen dieser Extremlösungen lassen sich Mischsys-

teme ableiten, die einen zweckmäßigen und politisch realistischen Kompromiss darstellen könnten.

i. Global flexible Wechselkurse

Eine konsequente globale Flexibilisierung der Wechselkurse hätte potenziell erhebliche positive Wir-

kungen auf internationale Ungleichgewichte. Wie in Teil 1.b.i des vorliegenden Berichts empirisch

gezeigt und unter Bezugnahme auf die Literatur eingeordnet, kann eine Flexibilisierung der Wechsel-

kurse insbesondere bei weniger entwickelten Volkswirtschaften zu geringeren Leistungsbilanzun-

gleichgewichten beitragen. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass Leistungsbilanzungleichgewichte von

Nicht-Industrieländern weniger persistent sind, d.h. bestehende Ungleichgewichte schneller abgetra-

gen werden, wenn flexible Wechselkurse vorliegen.

Die Ursache für einen entsprechenden Zusammenhang dürfte in der sogenannten Friedman (1953)-

Hypothese liegen, die darauf hinweist, dass der Wechselkurs als relativ schnell anpassungsfähiger

Preis Änderungen in weniger flexiblen ökonomischen Größen wie Güterströmen induzieren kann und

auf diese Weise größere Ungleichgewichte verhindert. Konkret: Anhaltende Leistungsbilanzüber-

schüsse eines Landes führen aufgrund der Mehrnachfrage nach inländischen Devisen zu einer Aufwer-

tung der lokalen Währung. Hierdurch verteuern sich die Exporte auf dem Weltmarkt, während der

Preis für Importgüter aus inländischer Perspektive sinkt. Als Konsequenz aus den veränderten Terms

of Trade reduziert sich der Außenhandelsüberschuss, der Leistungsbilanzsaldo geht also zurück. Glei-

ches gilt umgekehrt analog für Länder mit hohen Leistungsbilanzdefiziten.

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Der geschilderte Zusammenhang gilt insbesondere für im ökonomischen Aufholprozess befindliche

Schwellenländer. Hier führen hohes Wachstum der Binnennachfrage und kräftige Importe aufgrund

starker Ausweitung des Konsums typischerweise zu hohen Leistungsbilanzdefiziten.32 Diese könnten

durch eine Abwertung wie beschrieben gedämpft werden.

Neben dem Einfluss auf globale Ungleichgewichte hätte eine globale Flexibilisierung wie in Kapitel 1

festgestellt noch weitere eher längerfristige Implikationen. So könnte man grundsätzlich positive Ef-

fekte auf das Wirtschaftswachstum erwarten, die ebenfalls mit der in der Friedman-Hypothese formu-

lierten Absorption externer Schocks (etwa steigender Flexibilität in Krisenzeiten) in Verbindung zu

bringen sind. Insgesamt dürften flexible Wechselkurse aufgrund ihrer schnellen Anpassungsfähigkeit

zu einer effizienteren Ressourcenallokation beitragen, da sie als automatische Stabilisatoren die inter-

nationale Übertragung von Preis- und Konjunkturschwankungen dämpfen und damit zu sinkender

Unsicherheit und insbesondere erhöhter Investitionstätigkeit beitragen könnten.33 Dank höheren

Wachstums dürften flexible Wechselkurse zudem positive Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt entfalten

und insbesondere zu sinkender Arbeitslosigkeit beitragen.

Dabei ist freilich nicht unumstritten, ob die Flexibilisierung von Wechselkursen tatsächlich die ge-

samtwirtschaftliche Volatilität senken kann. Aus der Theorie ableitbar ist, dass Wechselkurse insbe-

sondere bei nur begrenzt flexiblen Löhnen und Preisen entstehende Ungleichgewichte auch kurzfristig

ausgleichen können. So können etwa flexible Wechselkurse als Anpassungsmechanismus temporäre

Verschiebungen im internationalen Lohngefüge zum Ausgleich bringen und so realwirtschaftliche

Umlenkungseffekte (etwa durch veränderte Wettbewerbsfähigkeit bedingte Verschiebungen der inter-

nationalen Handelsströme) dämpfen. Diese Sichtweise setzt allerdings voraus, dass die Wechselkurse

in diesem Sinne endogen auf derartige Verschiebungen reagieren. Werden Wechselkurse hingegen als

etwa durch die Kapitalmärkte getriebene Variable begriffen (die in der kurzen Frist wohl eher realisti-

sche Perspektive), so können umgekehrt sich ändernde Wechselkurse zu erheblichen Verschiebungen

der Wettbewerbsfähigkeit und damit auch zu eher destabilisierenden Einflüssen auf die Realwirtschaft

führen.34 Möglicherweise kompensierend könnte unter solchen Umständen allerdings eine stabilisie-

32

Beispiele für entsprechende Schwellenländer mit hohen Leistungsbilanzdefiziten sind etwa Indien oder Brasi-

lien. China ist mit seinem exportgetriebenen Wachstum und damit Leistungsbilanzüberschüssen in diesem

Sinne eher atypisch. Freilich dokumentiert der Fall China ebenfalls, dass durch eine Fixierung von Wechselkur-

sen exzessive Leistungsbilanzungleichgewichte befördert werden. 33

Empirisch ließ sich ein positiver Zusammenhang zwischen flexiblen Wechselkursen und Wirtschaftswachstum

in Kapitel 1.b.i. allerdings nicht belegen. Die empirischen Ergebnisse deuten im Gegenteil eher darauf hin, dass

eine Fixierung von Wechselkursen insbesondere bei entwickelten Volkswirtschaften positive Wachstumseffekte

mit sich bringt. Hierauf wird in Kapitel 2.a.ii. einzugehen sein. 34

So machen Meese und Rogoff (1983) darauf aufmerksam, dass Wechselkurse häufig stärker schwanken als

durch Fundamentaldaten (d.h. etwa Handelsströme) gerechtfertigt.

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Belke � Bernoth � Fichtner Die Zukunft des Internationalen Währungssystems

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rende autonome Geldpolitik wirken, die allzu heftige Konjunkturschwankungen durch eine an den

jeweiligen nationalen Interessen orientierte Politik dämpfen könnte.

Angesichts der schon in der Theorie widersprüchlichen Ergebnisse ist es nicht überraschend, dass auch

unsere Ergebnisse mit Blick auf die Wirkungen des Wechselkursregimes in der kurzen Frist in Kapitel

1.b.iii. nicht eindeutig waren. Mit Blick auf die Übertragung konjunktureller Schwankungen haben

unsere Simulationsergebnisse zwar gezeigt, dass eine weitere Flexibilisierung im internationalen Wäh-

rungssystem insbesondere in den Industrieländern zu einer geringeren Volatilität führen dürfte. Hier

macht sich offensichtlich bemerkbar, dass flexible Wechselkurse zwischen den Industrie- und Schwel-

lenländern eine Übertragung der typischerweise starken Konjunkturschwankungen in den Schwellen-

ländern in die Industrieländer dämpfen. Positive Wirkungen dürften sich insbesondere auch deshalb

ergeben, da die Wirtschaftsstrukturen zwischen Industrie- und Schwellenländern sich stark unterschei-

den, sodass es häufiger zu asymmetrischen Einflüssen auf die Konjunktur kommt, die eine asymmetri-

sche Reaktion der Geldpolitik oder, alternativ, eine Anpassung der relativen Preise und Löhne zwi-

schen den Wirtschaftsräumen erforderlich machen, die wie beschrieben kurzfristig am schnellsten über

eine Anpassung des nominalen Wechselkurses erreichbar ist. Im Falle der Schwellenländer allerdings

werden die grundsätzlich positiven Effekte einer Wechselkursflexibilisierung tendenziell überkompen-

siert durch die steigende Volatilität, die mit kapitalmarktbedingten Einflüssen auf die Wechselkurse

verbunden sind.35

Ähnlich wurde in Kapitel 1.b.iii. auch für die Übertragung von Preisschwankungen gezeigt, dass eine

stärkere internationale Flexibilisierung der Wechselkurse tendenziell zu geringerer Volatilität der

Preisniveaus insbesondere in den Industrieländern führt. Auch in diesem Zusammenhang zeigt sich

allerdings für Schwellenländer das gegenteilige Ergebnis. Erneut dürfte dies zumindest zum Teil mit

der kapitalmarktinduzierten Instabilität von Wechselkursen zusammen hängen, die eine Anpassung

der inländischen Preise erforderlich machen. Insbesondere für Schwellenländer gilt zudem, dass durch

fixe Wechselkurse die typischerweise stabilitätsorientiertere Geldpolitik der Industrieländer importiert

werden kann, sodass auf diese Weise eine verbesserte Preisniveaustabilität erreicht wird.

Angesichts dieser eher durchwachsenen Ergebnisse lässt sich keine Politikempfehlung für eine globale

Flexibilisierung der Wechselkurse ableiten. Zwar könnten sowohl Industrieländer von flexibleren

Wechselkursen profitieren, da insbesondere die Übertragung von konjunkturellen Schwankungen und

Preisentwicklungen hierdurch gedämpft würde. Auch Schwellenländer dürften insbesondere mit Blick

auf ihr außenwirtschaftliches Gleichgewicht tendenziell von einer stärkeren Flexibilisierung profitie-

35

Im Falle insbesondere von Schwellen- und Entwicklungsländern kommt als Nachteil hinzu, dass internationale

Schulden typischer Weise in US-Dollar oder Euro akkumuliert werden, sodass Änderungen des Wechselkurses

erhebliche Änderungen im Schuldenstand relativ zum nationalen Produktionsniveau mit sich bringen können.

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ren. Eindeutige und allseitige Effekte gehen von einer weiteren Flexibilisierung der Wechselkurse

indes nicht aus, sodass insbesondere die Extremlösung global flexibler Wechselkurse (möglicherweise

sogar mit flexiblen Wechselkursen zwischen den Mitgliedsländern derzeit bestehender Währungsuni-

onen) als weder realistisch noch zweckmäßig verworfen werden sollte. Dies gilt umso mehr, als ein

System flexibler Wechselkurse nicht unbedingt krisenfester etwa in Bezug auf die Abwehr des Zuflus-

ses globaler monetärer Liquidität sein muss, wie unsere Ergebnisse in Kapitel 1.iv. gezeigt haben.

ii. Global fixe Wechselkurse

Auch eine intensivierte globale monetäre Integration hat potenziell erhebliche positive Wohlfahrtsef-

fekte. Insbesondere die Einführung einer Weltwährung hat, auch unter Ökonomen, zahlreiche Anhä-

nger. So spricht sich der Wirtschaftsnobelpreisträger und Begründer der Theorie optimaler Währungs-

räume regelmäßig für die Einführung einer Weltwährung aus (vgl. etwa Mundells Website

http://robertmundell.net/economic-policies/world-currency/ für eine Vielzahl von Verweisen auf aka-

demische Publikationen). Auch im politischen Bereich findet die Idee Zustimmung. So wird dem

ehemaligen Vorsitzenden der amerikanischen Notenbank Paul Volcker vielfach das Zitat „A global

economy needs a global currency“ zugeschrieben (etwa Starr, 2004). Bereits im Keynes-Plan zur

Währungsordnung der Nachkriegszeit war eine Weltwährung angedacht, wurde aber aufgrund gegen-

läufiger politischer Interessen nicht umgesetzt.

Wesentliches Argument für die Einführung einer Weltwährung ist der Effizienzgedanke. So ist im

Zuge der Einführung einer gemeinsamen Währung mit einer möglicherweise erheblichen Steigerung

der Transparenz auf internationalen Güter- und Kapitalmärkten zu rechnen. In der Konsequenz dürften

die Handelsströme zunehmen und damit eine intensivere Nutzung der Vorteile der internationalen

Arbeitsteilung einsetzen. Zudem dürfte die realwirtschaftliche Investitionstätigkeit gesteigert werden,

da nationale und internationale Investitionen durch sinkende Risikoprämien (aufgrund des wegfallen-

den Wechselkursrisikos) attraktiver werden. Beide Zusammenhänge wirken tendenziell wachstums-

fördernd und dürften damit indirekt auch für eine Verbesserung der Arbeitsmarktsituation förderlich

sein.

Auch empirisch ließ sich ein entsprechender Zusammenhang zwischen einer stärkeren Fixierung der

Wechselkurse und höherem Wirtschaftswachstum in Kapitel 1.b.i. zeigen. Im Gegensatz zu unseren

Ergebnissen in Bezug auf die Wirkung des Wechselkursregimes auf das außenwirtschaftliche Gleich-

gewicht ließ sich ein entsprechender Zusammenhang allerdings nur für Industrieländer signifikant

darstellen, während bei weniger entwickelten Volkswirtschaften kein signifikanter Zusammenhang

zwischen Wirtschaftswachstum und dem Grad der Wechselkursflexibilität festzustellen war. Dieses

Ergebnis überrascht zunächst, zumal bei Schwellenländern ein weiteres Argument für die Fixierung

von Wechselkursen typischerweise relevanter ist als bei höher entwickelten Volkswirtschaften: Durch

die Fixierung des Wechselkurses wird die möglicherweise stärker stabilitätsorientierte Geldpolitik des

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Leitwährungslandes importiert, sodass mit niedrigeren Inflationsraten und höherer Glaubwürdigkeit

einer an Preisstabilität orientierten Geldpolitik zu rechnen ist. Dies dürfte ebenfalls positive Wachs-

tumseffekte freisetzen.

Freilich ist der Verlust einer autonomen Geldpolitik, wie er mit der Fixierung von Wechselkursen

verbunden ist, auch mit potenziell negativen Effekten verbunden. Zunächst sind in diesem Zusam-

menhang offensichtlich die im vorigen Abschnitt 2.a.i. diskutierten Konsequenzen für außenwirt-

schaftliche Ungleichgewichte zu thematisieren. Wie gezeigt können flexible Wechselkurse insbeson-

dere in Schwellenländern den Abbau großer Leistungsbilanzüberschüsse oder –defizite unterstützen.

Der Verlust flexibler Wechselkurse hat im Umkehrschluss potenziell erhebliche negative Konsequen-

zen für globale Ungleichgewichte. Zusätzlich ist zumindest grundsätzlich eine den nationalen Bedin-

gungen verpflichtete Geldpolitik geeignet, konjunkturelle Schwankungen und inflationäre Entwick-

lungen zu dämpfen. Der mit der Fixierung der Wechselkurse einhergehende Verlust einer autonomen

Geldpolitik kann daher durchaus auch mit einer höheren Volatilität der gesamtwirtschaftlichen Aktivi-

tät einhergehen und daher möglicherweise reduzierter Investitionstätigkeit einhergehen.

Unsere Simulationen in Kapitel 1.b.iii. des vorliegenden Berichts stützen diese These. Insbesondere

für die Industrieländer kommen wir zu dem Ergebnis, dass eine weitere Fixierung von Wechselkursen

(etwa zwischen dem Euroraum und den USA) tendenziell zu einer höheren Volatilität der gesamtwirt-

schaftlichen Produktion führt als im währungspolitischen Status Quo. Eindeutig ist das Ergebnis aller-

dings nicht. Tatsächlich finden wir für Schwellenländer wie China tendenziell eine geringere Volatili-

tät des Bruttoinlandsprodukts unter der Annahme einer intensivierten globalen monetären Integration

durch weitere Fixierung von Wechselkursen.36 Selbst für Euro-Mitgliedsländer wie Deutschland führte

eine weitere Stabilisierung des Wechselkurses (insbesondere gegenüber den USA) zu geringerer Vola-

tilität des Preisniveaus und der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Offenbar überwiegen für diese

Länder die negativen Auswirkungen von durch Wechselkursfluktuationen bedingten Umlenkungsef-

fekten, die zu einer verstärkten Schwankung der gesamtwirtschaftlichen Produktion führen und den

Verlust der autonomen Geldpolitik als konjunkturellem Stabilisierungsinstrument überwiegen.37

Trotz der unbestreitbaren positiven Wirkungen einer stärkeren Wechselkursbindung lassen sich ange-

sichts der vorgelegten Ergebnisse keine eindeutigen Politikempfehlungen zugunsten einer Weltwäh-

rung oder gar einer globalen Währungsunion ableiten. Deutlich wurde in den vorangehenden Ausfüh-

rungen, dass schon die unmittelbaren ökonomischen Implikationen eines solchen Regimes nicht zwin-

36

Dies ist auch bedingt durch Kapitalverkehrskontrollen, die China weiterhin eine gewisse Eigenständigkeit der

Geldpolitik gestatten. 37

Insbesondere im Fall der Euro-Mitgliedsländer mag dies auch damit zusammenhängen dass die Europäische

Zentralbank kein Mandat zur Stabilisierung der Konjunktur hat und daher der Verlust einer autonomen Geldpo-

litik aus dieser Perspektive nicht allzu schwer wiegt.

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gend positiv aus Sicht der beteiligten Volkswirtschaften wären. Hinzu kommen erhebliche politische

Bedenken gegen ein so weitreichendes währungspolitisches Regime. So erscheint es sowohl unrealis-

tisch als auch demokratietheoretisch zumindest problematisch, so weitreichenden ökonomischen Ge-

staltungsspielraum einer nur sehr indirekt legitimierten Institution wie einer Weltzentralbank zu über-

lassen.

Auch die von der französischen G-20-Präsidentschaft in die Diskussion eingebrachte Neuordnung des

Weltwährungssystems versucht unter dem Etikett ‚Bretton Woods II’ in Anlehnung an das 1944 ver-

einbarte Abkommen zur Nachkriegswährungsordnung eine stärkere Bindung der Wechselkurse zwi-

schen den großen Industrie- und Schwellenländern.38 Zumindest die G-20-Mitglieder sollten sich da-

nach auf durch staatliche Intervention stabilisierte Wechselkurse einigen. (Veröffentlichter) Stand der

Diskussion ist derzeit die Einrichtung von Wechselkurszielzonen, allerdings im Gegensatz zur Kon-

zeption des ursprünglichen Bretton Woods Systems wohl nicht in Verbindung mit einer Golddeckung

der Leitwährung.

Nach unseren obigen Ausführungen ist dieser Plan kritisch zu beurteilen. Wechselkurszielzonen (im

Gegensatz zu echten fixen Wechselkursen oder gar der Bildung einer Währungsunion) erfüllen nicht

den erwünschten Zweck, kurzfristige Schwankungen der Wechselkurse und damit plötzliche Umlen-

kungseffekte aufgrund veränderter relativer Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zum Ausland zu ver-

hindern. Die mit flexiblen Wechselkursen verbundene Unsicherheit wird damit nur wenig gedämpft.

Gleichzeitig verhindert der Zwang zur Einhaltung eines Wechselkursbandes, dass entstehende Leis-

tungsbilanzungleichgewichte durch notwendige kräftige Wechselkursanpassungen abgebaut werden

können. Zudem wird die nationale Geldpolitik in ihrem Gestaltungsspielraum erheblich eingeschränkt,

da (sofern der internationale Kapitalverkehr nicht eingeschränkt werden soll) freie Zinssetzung ange-

sichts sich hieraus ergebender Kapitalflüsse nicht mehr möglich ist.

Im Ergebnis dürfte ein derartiges Regime also sowohl die Nachteile flexibler Wechselkurse als auch

die Nachteile fixer Wechselkurse aufweisen und wäre daher abzulehnen. Gerade in einer Welt mit

mehreren und sich sehr unterschiedlich entwickelnden ökonomischen Kraftzentren (USA, Euroraum,

China, Südamerika, etc.) dürfte ein derart rigides System zum Scheitern verurteilt sein.

38

Der Begriff ‚Bretton Woods II’ ist nicht eindeutig besetzt. In der ökonomischen Literatur kursiert diese Be-

zeichnung auch für das Vorkrisenwährungssystem, das mit dem US-Dollar als Leitwährung und fixen Wechsel-

kursen zu großen Schwellenländern einzelne Charakteristika des Nachkriegswährungssystems aufwies (vgl.

etwa Dooley et al., 2004). Wir verwenden den Begriff im Folgenden zur Bezeichnung des aktuellen französi-

schen Vorschlags für das Weltwährungssystem.

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iii. Regionale Integrationsräume bei globaler Flexibilität

Angesichts der aufgezeigten widersprüchlichen Effekte bei einer weiteren Flexibilisierung oder Fixie-

rung von Wechselkursen lassen sich eindeutige Politikempfehlungen zugunsten eines der beiden ext-

remen Systeme (global flexible oder global fixe Wechselkurse) nicht aussprechen. Das Status Quo-

Regime als Mischsystem mit dem US-Dollar als zentraler Ankerwährung im internationalen Handel

und Kapitalverkehr dürfte damit bei allen Fehlern im Detail und den ohne Zweifel auch damit zusam-

menhängenden Fehlentwicklungen der Vergangenheit nicht die schlechteste aller Lösungen darstellen.

Dabei bieten sich allerdings aus den Ergebnissen der vorigen Kapitel Ansatzpunkte für Verbesse-

rungsmöglichkeiten an, die im Folgenden diskutiert werden sollen.

Mit Blick auf globale Ungleichgewichte ist aus den Entwicklungen insbesondere des letzten Jahr-

zehnts der Schluss zu ziehen, dass zwischen Volkswirtschaften, die sich in einem unterschiedlichen

Entwicklungsstadium befinden, nach Möglichkeit flexible Wechselkurse zur Verhinderung exzessiver

globaler Ungleichgewichte beitragen sollten. So wäre aus einer globalen Perspektive eine (möglicher-

weise gebremste) Flexibilisierung des chinesischen Renminbi gegenüber dem US-Dollar anzustreben,

um den exzessiven chinesischen Leistungsbilanzüberschuss (sowie das spiegelbildliche exzessive US-

Defizit) durch Aufwertung der chinesischen Währung zu dämpfen.

Gleichzeitig sind aber die Vorteile fixer Wechselkurse im globalen Handel so weit als möglich zu

nutzen. In Kapitel 1.b.i. wurde empirisch gezeigt dass fixe Wechselkurse insbesondere für Industrie-

länder einen signifikanten positiven Wachstumseffekt haben können. Ursächlich hierfür dürfte deren

relativ starke Einbindung in internationale Kapital- und Handelsströme sein, die durch einen Wegfall

des mit flexiblen Wechselkursen verbundenen Investitions- und Transaktionsrisikos intensiviert wer-

den und eine effizientere (internationale) Allokation von Ressourcen durch bestärkte internationale

Arbeitsteilung und Investitionstätigkeit mit sich bringen.

Auch für Schwellenländer dürfte die Einbindung in fixe Wechselkursregime oder regionale Wäh-

rungsunionen erhebliche Vorteile mit sich bringen. Hauptargument in diesem Zusammenhang dürfte

die steigende Attraktivität für internationale Investitionen sein, deren Zufluss durch die mit einer Ge-

meinschaftswährung einhergehende größere Stabilität verstärkt werden dürfte.39 Zudem dürfte es für

eine gemeinsame supranationale Geldpolitik einfacher sein, sich Reputation aufzubauen und insbe-

sondere die Unabhängigkeit gegenüber den nationalen Regierungen zu gewährleisten, als dies den

jeweiligen nationalen Geldpolitiken insbesondere in Schwellenländern möglich sein dürfte.

39

Da das im Umlauf befindliche Transaktionsvolumen der Gemeinschaftswährung größer als das Transaktions-

volumen der Einzelwährungen ist, dürfte die Volatilität des Wechselkurses der Gemeinschaftswährung gegen-

über anderen Währungen im internationalen System geringer sein als vor der Integration.

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89

Aus der Theorie Optimaler Währungsräume (Mundell, 1961, sowie ausführlich Fichtner, 2008, Kapi-

tel 2) und unseren Ergebnissen insbesondere in Kapitel 1 der vorliegenden Arbeit ergeben sich relativ

klare Kriterien für die Erfolgsbedingungen der regionalen Gemeinschaftswährungen. Aus einer eher

kurzfristigen (konjunkturorientierten) Perspektive fallen darunter insbesondere starke wirtschaftliche

Verflechtungen sowie die Mobilität der Produktionsfaktoren (Arbeit oder Kapital) zwischen den po-

tenziellen Mitgliedsländern der Union ins Gewicht.40 Eher langfristig orientierte Kriterien für die Be-

urteilung der Zweckmäßigkeit und Funktionsfähigkeit von Währungsunionen sollten gemäß den vori-

gen Ausführungen den Entwicklungsstand der Mitgliedsländer berücksichtigen, um auf diese Weise

die Herausbildung exzessiver Leistungsbilanzungleichgewichte zu verhindern. Die Europäische Wäh-

rungsunion liefert zudem derzeit ein mahnendes Beispiel, dass die Einhaltung fiskalischer Regeln und

insbesondere die Verhinderung von übermäßiger öffentlicher Verschuldung existenziell für den Fort-

bestand der Währungsunion sein können.

Neben den ökonomischen Aspekten, die für die Zweckmäßigkeit einer Währungsunion relevant sind,

dürften die politischen Aspekte einer so weitreichenden ökonomischen Integration in der Realität im

Vordergrund stehen. Während sich diese Aspekte einer streng ökonomischen Beurteilung wie im vor-

liegenden Bericht angestrebt entziehen, ist der politische Wille zur Integration für die Funktionsfähig-

keit einer Währungsunion von entscheidender Bedeutung (Ingram, 1969; empirisch Cohen, 1994).

Theurl (1992) stellt sogar fest, dass monetäre Integration ohne eine vollständige politische Integration

historisch gesehen regelmäßig zum Scheitern verurteilt war.41

Vor dem Hintergrund der diskutierten Aspekte lässt sich regionale monetäre Integration mit zwischen

den Blöcken flexiblen Wechselkursen als ein langfristiges Ziel rationaler Weltwährungspolitik vertre-

ten. Zu beachten ist dabei aber, dass für die langfristige Tragfähigkeit dieses Regimes wie argumen-

tiert die Wechselkurse zwischen Ländern auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen flexibel bleiben

sollten, sich im Umkehrschluss die zu bildenden Währungsunionen also auf Volkswirtschaften mit

einem ähnlichen Entwicklungsstand sowie, zusätzlich, einem politischen Willen zur Integration bezie-

hen sollten, wie er am ehesten bei regional und kulturell verbundenen Volkswirtschaften zu finden

sein dürfte. Balassa (1962) skizziert Entwicklungsstufen regionaler Integration, die mit Blick gerade

40

Dabei ist allerdings nicht zwingend, dass ein entsprechendes Kriterium (etwa die Intensität der wirtschaftli-

chen Verflechtungen) bereits vor Bildung der Währungsunion besonders stark ausgeprägt ist. Denkbar und

empirisch belegt ist, dass die Optimalitätskriterien erst nach (und in Folge) der Bildung der Währungsunion

erfüllt werden. Vgl. zu dieser sog. Endogenitätshypothese Frankel und Rose (1998) sowie für einen ausführli-

chen Ü berblick Mongelli und Vega (2006). 41

Die Frage ob politische Integration Voraussetzung oder im Sinne der „ Krö nungstheorie“ ein Ziel monetärer

Integration sein sollte, ist im Vorfeld der Bildung der Europäischen Währungsunion kontrovers zwischen Ö ko-

nomen und P olitik diskutiert worden. Vgl. etwa Issing (1996) und Theurl (1995) für widerstreitende P ositionen.

Vgl. in diesem Zusammenhang auch Salin (1965), der zu einem frühen Zeitpunkt Argumente für eine Europäi-

sche Währungsunion präsentierte.

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auch auf die politischen Voraussetzungen einer funktionsfähigen Währungsunion durchaus auch als

Entwicklungspfad verstanden werden können. Danach ist als erste Stufe ökonomischer Integration

eine Freihandelszone (ohne Handelsbeschränkungen innerhalb des Integrationsraums) sowie, darauf

aufbauend, eine Zollunion mit gemeinsamen Außenzöllen zu schaffen. Als zweite Stufe ist dann ein

gemeinsamer Markt (mit Freizügigkeit der Produktionsfaktoren) zu bilden. Werden in einer dritten

Stufe geld- und fiskalpolitische Entscheidungen bis zu einem gewissen Grade harmonisiert, kann von

einer Wirtschaftsgemeinschaft gesprochen werden, die schließlich in einer vollständigen ökonomi-

schen Integration unter Übertragung nationaler wirtschaftspolitischer Kompetenz an eine supranatio-

nale Instanz münden kann.

Nimmt man diese Überlegungen als Ausgangspunkt, so ergeben sich als Integrationsräume einige

Regionen, die freilich einen sehr unterschiedlichen Grad der Integration erreicht haben. Den nach der

Europäischen Währungsunion (und ihren osteuropäischen Beitrittskandidaten) wohl fortgeschrittens-

ten Stand ökonomischer Integration findet man in den regionalen Währungsunionen Afrikas (Westaf-

rikanische und Zentralafrikanische Währungsunion mit acht bzw. sechs autonomen Mitgliedsländern),

der Karibischen Gemeinschaft (gemeinsamer Markt mit 15 autonomen Mitgliedsstaaten), dem Golf-

Kooperationsrat (Wirtschaftsunion mit 6 Mitgliedsstaaten), sowie im Bereich der Südafrikanischen

Zollunion (Botsuana, Lesotho, Namibia, Südafrika, Swasiland), wo zudem fixe Wechselkurse gegen-

über dem südafrikanischen Rand (mit Ausnahme Botsuanas) bestehen. Im Bereich des Mercosur sind

neben dem rein-ökonomischen Aspekt einer Freihandelszone auch Ansätze politischer Integration

sowie das formulierte Ziel der Bildung eines gemeinsamen Markts kennzeichnend für ein ebenfalls

recht fortgeschrittenes Stadium ökonomischer Integration, das allerdings ebenso wie bei der ASEAN-

Freihandelszone noch weit entfernt ist von einem gemeinsamen Markt oder gar einer Wirtschaftsge-

meinschaft. Insbesondere in den ASEAN-Ländern, aber auch im Bereich des Mercosur, dürfte zudem

der wirtschaftliche Entwicklungsstand zu heterogen sein, um mittelfristig eine tragfähige Währungs-

union bilden zu können.42 Offizielle Pläne für die Bildung von Währungsunionen existieren zwar in

mehreren Regionen (darunter in der ASEAN-Zone sowie in der Union Südamerikanischer Nationen,

UNASUR), diese sind aber regelmäßig sehr langfristig angelegt und wären nach derzeitigem Sach-

stand auch nicht mit den ökonomischen Fundamentaldaten der potenziellen Mitgliedsländer vereinbar.

Konkretere Pläne mit Umsetzungsdaten in der mittleren Frist existieren allerdings für die Ostafrikani-

sche Gemeinschaft (5 Mitglieder), die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (15 Mitglieder), die

Karibische Gemeinschaft (15 Mitglieder) sowie insbesondere im Golf-Kooperationsrat (6 Mitglieder).

42 Vgl. ausführlich zu den Aussichten für monetäre Integration in den ASEAN-, Mercosur- und NAFTA-Staaten Kenen und Meade (2008) und spezifisch für den Mercosur Belke und Gros (2002b,c) und Belke, Gros und Geis-slreither (2003).

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Als langfristiges Entwicklungsziel für das Weltwährungssystem sollte dennoch die Entwicklung regi-

onaler Integrationsräume angestrebt werden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass

sich einzelne wichtige Volkswirtschaften bisher nicht auf eine ökonomische Integrationsstrategie ein-

gelassen haben. So gehören weder die Volksrepublik China noch Indien einem regionalen Integrati-

onsraum an.43 Für eine zielgerichtete Entwicklung des Weltwährungssystems wären hier erste Schritte

anzustreben. Vor allem aber ist darauf hinzuwirken, dass Fehlentwicklungen, wie sie unter anderem

aus trotz fundamentalwirtschaftlichen Differenzen bestehenden Wechselkursbindungen zwischen

Schwellen- und Industrieländern entstehen, abgebaut werden. Mittel hierzu kann auch, perspektivisch,

eine Aufwertung der betroffenen Währungen in einem neuen Leitwährungsgefüge sein. Hierauf ist im

nächsten Abschnitt speziell einzugehen.

b. Die spezielle Frage der Leitwährung

In letzter Zeit wird die Debatte um den US-Dollar als Leitwährung immer öfter und immer heftiger

geführt (vgl. beispielsweise Cohen, 2009). Grundsätzlich lässt sich das aktuelle Weltwährungssystem

durch drei Beobachtungen kennzeichnen. Erstens wird es durch die exorbitanten Ersparnisse der Ent-

wicklungs- und Schwellenländer, insbesondere Chinas bestimmt. Insofern kommt es zu einer Verlage-

rung des Risikos. Zweitens ist der europäische Finanzmarkt weitaus weniger integriert als der US-

amerikanische, was nach wie vor zu einer Dominanz des US-Dollars im Weltfinanzsystem führt. Der

Euro spielt lediglich die „zweite Geige“. Und drittens deutet sich im bilateralen Verhältnis des Dollars

zum Euro auch weniger Änderung an als im Verhältnis beider zum RMB (Belke und Verheyen 2011,

Gros 2009).

Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob dieses momentan vorherrschende monopolare Weltwährungsmo-

dell auch in Zukunft bestehen bleiben wird. Schätzungen der Leistungsbilanz, IWF-Projektionen so-

wie die in Belke und Gros (2010) sowie Belke und Verheyen (2011) skizzierten Überlegungen lassen

einen weiteren Anstieg der chinesischen Währungsreserven vermuten. Allerdings bieten die USA

momentan mehr als genug sichere und liquide Vermögenstitel in Form von Staatsanleihen („Treasury

Bills“) an, sodass die Finanzierung des hohen amerikanischen Leistungsbilanzdefizits weiterhin mög-

lich erscheint (Belke und Verheyen, 2011, Gros, 2009).

Im Zuge der Forderung nach einem stabileren Währungssystem sind verschiedene Vorschläge unter-

breitet worden. Dabei spielt die Einsicht eine zentrale Rolle, dass die externe Stabilität des internatio-

nalen Währungssystems die Eigenschaften eines öffentlichen Gutes erfüllt: Nicht-Rivalität im Konsum

und Nicht-Exkludierbarkeit (Eichengreen, 1987, und Camdessus, 1999).

43

Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, der die Volksrepublik China angehö rt, hat noch nicht den

Charakter einer Wirtschaftsorganisation.

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92

i. Der Dollar als globale Reservewährung – ‚Exorbitant Privilege’ und Triffin-Dilemma

Die laufende Debatte wird aus unterschiedlichen Perspektiven bezüglich der Rolle des US-Dollars in

der aktuellen Finanzkrise und seiner Rolle im gegenwärtigen Weltwährungssystem geführt.44 Einer

ersten Interpretation folgend wurde die jüngste Finanzkrise allein durch mikroökonomische Störungen

und Friktionen im Finanzsystem getrieben; die internationale Rolle und der Status des US-Dollar war

unangefochten und wird unbestritten bleiben. Dieser Sicht folgend stellen globale Ungleichgewicht

nichts anderes als eine natürliche und unausweichliche Begleiterscheinung der zurück gebliebenen

Finanzmarktentwicklung in Emerging Markets dar (Obstfeld und Rogoff, 2009). Andere Analysten

argumentieren, der Ausbruch der Finanzkrise und ihre Ausbreitung auf die gesamte Weltwirtschaft

reflektiere die inhärente Anfälligkeit und die systemischen Risiken des existierenden Dollar-basierten

internationalen Währungssystems. Die Welt habe deshalb ein substanzielles Interesse daran, den seit

dem zweiten Weltkrieg als Weltreservewährung fungierenden Dollar in dieser Funktion zu ersetzen

(Zhou, 2009).

Eine dritte vermittelnde Sichtweise, wie sie beispielsweise von Dorrucci und McKay (2011) formuliert

wird, betont den Mangel an Politik disziplinierenden und auf externe Stabilität45 abzielenden Einrich-

tungen wie beispielsweise effizienter Anpassungsmechanismen für globale Ungleichgewichte. Die

Bereitstellung der internationalen Leitwährung durch die USA als solche sei nicht das Problem gewe-

sen (für eine postkeynesianische Perspektive siehe Kregel 2010). Vertreter dieser Denkrichtung setzen

sich dementsprechend im G20-Rahmen für eine symmetrische Überwachung und Sanktionierung von

globalen Leistungsbilanzungleichgewichten nach einem Scoreboard-Modell ein. Diese drei unter-

schiedlichen Sichtweisen werden im Folgenden detaillierter analysiert – vor allem im Hinblick auf die

Krisenfestigkeit eines vom US-Dollar dominierten internationalen Währungssystems.

Mikroökonomische Krisenursachen: unangefochtener Dollar in unangefochtenem internationalem

Währungssystem

Für die Vertreter einer ersten Sichtweise ist es schwer, empirische Evidenz für die Sichtweise zu fin-

den, dass die Finanzkrise auf makroökonomische Determinanten zurückzuführen ist. Dies gelte insbe-

sondere für den Aufbau der Anfälligkeiten im Vorfeld der Krise. Ihr Einfluss sei komplex und mehr-

deutig. Die Ausgestaltung des gegenwärtigen Währungssystems habe bestenfalls einen indirekten Bei-

trag zum Aufbau systemischer Risiken geleistet. Der Hauptgrund liege vielmehr in einer unzureichen-

44

Vgl. beispielsweise Dorrucci und McKay, 2011, S. 18, Raschen (2011) und vor allem Obstfeld und Rogoff,

2009. Einen guten und zeitnahen Überblick über die Debatte bieten die Papiere auf

http://www.imsreform.org/reserve/docs.html. 45

Wir definieren externe Stabilität als eine globale Konstellation internationaler realwirtschaftlicher und Fi-

nanzmarkt-Verflechtungen, die keine gravierenden und schmerzhaften Anpassungen von Wechselkursen, an-

deren Vermögenspreisen, Output und Beschäftigung erwarten lässt. Vgl. Dorrucci und McKay (2011), S. 5.

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den Finanzmarktregulierung (IMF 2009a,b). Vertreter dieser Sicht argumentieren, dass die Nettokapi-

talflüsse in die USA selbst auf dem Höhepunkt der Krise ein stabilisierender und kein destabilisieren-

der Faktor waren (Belke und Gros 2009). Sie führen als empirischen Beleg hierfür an, dass die Verei-

nigten Staaten vor und nach der Krise bisher keine externen Finanzierungsprobleme hatten. Zudem

diene der Aufbau erheblicher Währungsreserven in Emerging Markets als wichtiger Puffer gegen Fi-

nanzmarktschocks, wobei sie als Teil einer exportbasierten Wachstumsstrategie erhebliche Terms-of-

Trade-Gewinne beziehen. Die US-Bürger zahlen einen relativen geringen Zinssatz auf ihre Auslands-

verbindlichkeiten, während sie relativ hohe Erträge auf ihre ausländischen Vermögensbestände ver-

zeichnen. Dieser positive ‚Überschussertrag’ auf ausländisches Nettovermögen – auch bekannt als das

‚Exorbitant Privilege’ der Emission einer internationalen Währung – erleichtert die Nachhaltigkeit

eines großen negativen Leistungsbilanzsaldos. Im Allgemeinen kann man dieses Privileg als eine

Kompensation für die Rolle der USA als das wichtigste Finanzzentrum der Welt interpretieren, sichere

niedrigverzinsliche Verbindlichkeiten zu emittieren, um risikoreiche Investitionen im Ausland zu fi-

nanzieren. Die USA sind dabei mit einem komparativen Vorteil für die Bereitstellung von Versiche-

rung, Liquidität und Innovation ausgestattet (Gourinchas und Rey 2005).

Ist das Privileg der USA aber wirklich exorbitant, wenn man es mit anderen – vor allem international

Währung emittierenden - Ländern vergleicht? Ökonomen verwiesen kürzlich auf Ungenauigkeiten der

internationalen Statistik, um überschüssige Renditen auf US-Nettovermögen zu rechtfertigen. Einige

argumentieren, dass diese Statistiken den wahren Wert der US-Auslandsinvestitionen tatsächlich un-

terschätzen (die vielfach beschworene ‚dark matter’-Theorie)46; andere führen jedoch an, dass die

Inkonsistenz zwischen der Messung von Bestands- und Stromgrößen die gemessenen Überschussren-

diten der USA künstlich erhöht (Hausmann, Sturzenegger 2006, Curcuru et al. 2008, Lane und Milesi-

Ferretti, 2008).

Die Vertreter der in diesem Abschnitt beschriebenen Sichtweise eines „unangefochtenen Dollars im

unangefochtenen internationalen Währungssystem“ betonen in ihrer Argumentation die Phase der

Aufwertung des US-Dollars nach der Lehman-Pleite. Sie stellen als Stärke des Dollars heraus, dass der

US-Dollar gegenüber einer außergewöhnlich starken und zudem auf den heimischen Finanzmärkten

entstandenen Finanzkrise immun blieb und nach wie vor einmal mehr seine traditionelle Bedeutung

als ‚safe haven’ ausspielte – ein Phänomen, das auch die ECB (2009), S. 12, und Raschen (2011), S. 8)

herausstreichen. Als die Riskoaversion im Zuge der Lehman-Pleite stark anstieg und ein breit angeleg-

ter Prozess des Deleveraging begann, ließ die Flucht in Sicherheiten und in die Liquidität den Dollar

46 Dass die US-Exporte von ‚dark matter’ groß genug scheinen, um die Nettovermögensposition der der USA stabil zu halte, zieht den Bedarf an einer größeren Anpassung des Dollars oder eines umfangreichen „Rebalan-cing“ der Weltwirtschaft in Zweifel.

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kräftig aufwerten. Das US-amerikanische Leistungsbilanzdefizit begann zu schrumpfen. Es handelte

sich dabei nicht um das Ergebnis sinkender Kapitalflüsse, sondern um eine Kontraktion der aggregier-

ten Nachfrage infolge binnenwirtschaftlicher Finanzmarktprobleme in Kombination mit einem Zu-

sammenbruch des Welthandels und einem Verfall der Ölpreise (Belke und Gros, 2010). Diese Sicht-

weise knüpft eng an die teils schon vor Ausbruch der Finanzkrise geäußerten Ansichten und publizier-

ten Modelle von Cooper (2007), Dooley, Folkerts-Landau und Garber (2005), Caballero, Farhi und

Gourinchas (2008) und Mendoza, Quadrini und Rios-Rull (2007) an. Im Rahmen elaborierter Modelle

interpretieren sie alle globale Ungleichgewichte als eine „Win-Win“-Konstellation, in der die Bewoh-

ner und Regierungen von Emerging Markets und Entwicklungsländern von der Sicherheit und Liquidi-

tät ihrer Ersparnisse profitieren, während die reichen Länder, einschließlich der USA, aus günstigeren

Kreditkonditionen Nutzen ziehen.

Der Befund lautet demnach, dass die internationale Dominanz des Dollars mittelfristig noch unange-

fochten bleiben wird. Denn der US-Dollar wird in den Wechselkursregimes anderer Länder die wich-

tigste Ankerwährung oder zumindest eine zentrale Währung bleiben. Auf einer breiten Grundlage

basierende und konsistente empirische Belege für diese These liefern Ilzetzki, Reinhart and Rogoff

(2008) in ihrer umfassenden Studie. Der Dollar macht zudem immer noch den größten Anteil der aus-

ländischen an den IWF berichteten Währungsreserven aus, obwohl dieser von fast 73% Mitte 2001 auf

61,5% im ersten Quartal 2010 gefallen ist,47 Es kommt hinzu, dass der US-Dollar zwar seinen gerin-

gen, aber stetigen Rückgang seit seinem 2001 nach Einführung des Euro (!) erreichten 90%-

Spitzenanteil an sämtlichen Devisenmarkt-Transaktionen fortsetzt. Der US-Dollar ist aber immer noch

bei Weitem die wichtigste Währung bei den Devisenmarktumsätzen (BIS, 2007 und 2010, Raschen

2011). Vor allem hat er auf den internationalen Finanzmärkten als die Denominierungswährung von

internationalen Schuldpapieren außerhalb der Landesgrenzen nur wenig an Bedeutung verloren. Er

bleibt die primäre Finanzierungswährung für Schuldner in der asiatisch-pazifischen Region, Latein-

amerika und dem Mittleren Osten (ECB 2009, Table 2: „Currencies’ shares in the stock of outstanding

international debt securities in selected regions“). Darüber hinaus findet der US-Dollar im internatio-

nalen Handel, besonders in der ostasiatisch-pazifischen Region und im Rohstoffhandel, in einem höhe-

ren Ausmaß Verwendung, als es der Struktur und dem Niveau des Außenhandels mit den Vereinigten

Staaten entsprechen würde. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass eine Abkehr der Emerging Markets

von ihrer Dollarbindung in Richtung flexibler Wechselkurse die Verwendung des Dollars als einer

47

Diese Verringerung ist jedoch größtenteils auf eine Dollarabwertung zurückzuführen, die den Wert anderer

Währungen in Reserveportfolios erhöhte. Vgl. Goldberg (2009). Nach einer Korrektur um Wechselkursänderun-

gen lässt sich der Rückgang erst nach 2007 feststellen und stellt sich als weniger prononciert heraus. Vgl. Dor-

rucci und McKay (2011), Tabelle 2, und Raschen (2011).

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allgemeinen Verrechnungswährung als auch bei Umsätzen spezifischer Rohstoffe auf globalen Märk-

ten verringern dürfte (Goldberg und Tille 2009).

Um die anhaltende internationale Dominanz des US-Dollars zu erklären, werden vor allem Trägheits-

effekte, Netzwerkexternalitäten, sowie die mittelfristig noch konkurrenzlose Größe und Liquidität der

US-Finanzmärkte angeführt (siehe beispielsweise aus pointiert statistischer Sicht Lim, 2006).

Es existiert eine starke Status-Quo-Verzerrung (“Trägheit”), eine bereits am Markt etablierte Währung

als Vehikelwährung zu verwenden, selbst wenn eine andere Währung bereit steht, die diese Funktion

ebenso gut erfüllen könnte. “Geschichte” spielt eine Rolle. Die Währung, die zuerst da ist, wird auch

künftig den Markt dominieren. Greenspan (2001) betont demnach die fortwährende Tendenz einer

internationalen Währung, zu einem natürlichen Monopol zu werden. Während McKinnon (1998) sie

grundsätzlich bereits als ein natürliches Monopol ansieht. Netzwerkexternalitäten werden üblicher-

weise Vehikelwährungen auf Devisenmärkten zugeschrieben. Sie sind jedoch auch auf Wertpapier-

märkten geläufig, wo ein stark gehandeltes kurzfristiges Wertpapier als ein temporäres Wertaufbewah-

rungsmittel durchaus von Netzwerkexternalitäten profitieren kann (Cooper 1997).

Neuerdings immer stärker beachtet wird als mögliche Ursache, dass die meisten aufholenden Volks-

wirtschaften, die zu Schlüsselspielern in Welthandel und zu den wichtigsten Beitragenden zum globa-

len Outputwachstum aufgestiegen sind, immer noch viel weniger entwickelte Finanzsektoren aufwei-

sen (vgl. Belke 2008, und Dorrucci und McKay 2011, Abschnitt 1.2.5, sowie Bénassy-Quéré und

Pisani-Ferry 2011a, S. 2). Als die Zentralbanken und Staatsfonds aufholender Volkswirtschaften vor

zehn Jahren ihre Investitionen in ausländische Anlagen beschleunigten, verfügten sie unter anderem

wegen der starken Fragmentierung der Anleihemärkte über wenig Alternativen zu Investitionen in

sichere Vermögenswerte reifer Volkswirtschaften wie vorwiegend den USA (Belke und Verheyen,

2011).

Verwundbarkeiten im Status quo: das Triffin-Dilemma

Alternativ wird von einigen argumentiert, dass die jüngste Finanzkrise als Ausfluss der immanenten

Anfälligkeit des gegenwärtig existierenden internationalen Währungssystems interpretiert werden

müsse 48 Der bedeutendste Emittent internationaler Währung, die Vereinigten Staaten, könne nur dann

die globale Nachfrage nach Liquidität befriedigen, wenn er seine inländische Nachfrage überstimulie-

re. Dies erhöhe tendenziell die inländische Verschuldung und stelle die Glaubwürdigkeit der internati-

onalen Währung und in der Folge auch deren Status als Reservewährung in Frage (Dorruci und

McKay 2011, S. 20). Schließlich schaffe der Emittent der Welt-Reservewährung überschüssige Liqui-

48

Siehe beispielsweise Zhou (2009). Für die internationalen Reaktionen auf die Äußerungen von Zhou vgl. Dyer

(2009).

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dität in globalen Märkten, was in der längeren Frist zu einer Abwertung dieser Währung führe. Dieser

Zusammenhang wird gemeinhin als das ‚Triffin-Dilemma’ bezeichnet (vgl. Triffin 1947 und 1961,

sowie für eine zusammenfassende Beschreibung Eichengreen 2011, S. 49ff.). Zhou argumentierte,

dass eine Mitursache des Zusammenbruchs des ursprünglichen Bretton Woods-Systems in der Weige-

rung bestand, den Keynes'schen Bancor als Ersatz für den US-Dollar zu verwenden (siehe zustimmend

auch Bergsten 2009).

Wir stimmen deshalb Dorruci und McKay (2011), S. 20, zu, dass der Schwerpunkt der Argumentation

hier eher auf der unterstellten längerfristigen Tendenz des US-Dollars abzuwerten als auf einer genau-

eren Analyse der Spezifika der kürzeren Periode nach Lehman liegt. Während die seit dem Zusam-

menbruch des Bretton Woods Systems auftretenden Leistungsbilanzdefizite der USA als die Haupt-

quelle der Schaffung internationaler Liquidität identifiziert werden, wird argumentiert, dass derartige

Defizite das Vertrauen in den US-Dollar als eine Leitwährung zunehmend erodieren (siehe Abschnitt

1.b.iv). Die Schlussfolgerung lautet deshalb, dass das Währungsgefüge der Weltwirtschaft nicht länger

auf einer von einer einzelnen Volkswirtschaft ausgegebenen Währung beruhen kann und deshalb auch

nicht soll. Stattdessen werde als Substitut eine supranationale Währung benötigt (siehe ausführlicher

Abschnitt 2.b.iii).

Eine dritte Perspektive als Kompromiss

Ein in letzter Zeit häufiger formulierter Kompromiss besteht in der Formulierung der Hypothese, dass

das gegenwärtige internationale Währungssystem nicht strukturell fehlerhaft ist und dass es so lange

beibehalten werden kann, wie Reservewährungs-Emittenten und –halter solide und mittelfristig orien-

tierte Politiken für ein ausgeglichenes Wachstum verfolgen (Dorruci und McKay 2011, S. 20).

Erstens wird anders als unter dem traditionellen Triffin-Dilemma argumentiert, dass globale Finanz-

märkte es den Reservewährung emittierenden Ländern grundsätzlich gleichzeitig ermöglichen, dem

Rest der Welt sichere und liquide Vermögensbestände zu Verfügung zu stellen und in ähnlichem Um-

fang in ausländische Vermögenswerte zu investieren. Hierdurch können sie durchaus eine nachhaltige

Leitungsbilanzposition beibehalten. Deshalb sei der Aufbau globaler Ungleichgewichte in den vergan-

gen Jahren nicht notwendig für das Funktionieren des gegenwärtigen internationalen Währungssys-

tems. Er stelle für sich genommen keinen Grund für die Suche nach einem Ersatz für den US-Dollar

als der dominierenden Reservewährung dar (Dorruci und McKay 2011, S. 20).Einige Autoren wie

beispielsweise Hausmann und Sturzenegger (2006) und daran anschließend später auch Habib

(2010) liefern in der Tat Evidenz dafür, dass die internationale Investitionsposition der Vereinigten

Staaten wegen hoher Erträge auf ausländisches Nettovermögen und vorteilhafter Bewertungseffekte

nachhaltiger ist, als man anhand der in der Vergangenheit angehäuften Leistungsbilanzdefizite ge-

meinhin vermuten würde (vgl. weiter oben die Ausführungen zum ‚exorbitant privilege’ und Dorruci

und McKay 2011, S. 20f., sowie Higgins, Klitgaard, und Tille 2005, und ECB 2006).

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Inhaltlich wird dieses Phänomen begründet mit einer “seniority”- bzw. “maturity”-Prämie von US-

Direktinvestitionen im Ausland gegenüber ausländischen Investitionen in den USA (Mataloni 2000),

einer Kompensation für das relative höhere Risiko von Auslandsinvestitionen der USA (Hung und

Mascaro 2004), einer steuerinduzierten Einkommensverschiebung multinationaler Unternehmen

(Bosworth, Collins und Chodorow-Reich 2007) sowie Asymmetrien verzeichneter reinvestierter Ein-

kommen (Gros, 2006).Im Rahmen unserer Studie wird an anderer Stelle gezeigt, dass die Bedeutung

der USA als Bereitsteller internationaler Liquidität und sicherer finanzieller Wertpapiere einen weite-

ren Grund für die Existenz des “exorbitant privilege” darstellt. Die erste Funktion – die Liquiditätsver-

sorgung der übrigen Welt – stellt die traditionelle Sicht dar, die auf den Beitrag von Triffin (1960)

zurück geht. Die Bereitstellung sicherer Assets stellt in gewisser Weise die moderne Version des Trif-

fin-Dilemmas dar (Habib 2010, Caballero, Farhi und Gourinchas 2008, sowie Caballero und

Krishnamurthy 2009). Gourinchas and Rey (2005) versuchen die Bedeutung der USA als solch ein

Investor mit großem Hebel, der sichere geringverzinsliche Wertpapiere in risikoreiche hochverzinsli-

che Anlagen transformiert, zu quantifizieren. Sie finden dass dieser „Kompositions”- oder “Levera-

ge”-Effekt, der aus der asymmetrischen Struktur der US-Forderungen und Verbindlichkeiten herrührt,

im Zeitablauf immer größer wurde. Dies erklärt ungefähr ein Viertel des ”exorbitant privilege”, das sie

auf etwas mehr als 3 Prozent pro Jahr in der Nach-Bretton Woods-Periode ansetzen.

Trotzdem können unter dem vorherrschenden internationalen Währungssystem Probleme aus der un-

zureichenden Verfügbarkeit internationaler Währung erwachsen. Vor allem größere externe Schocks

wie der Kollaps von Lehman Brothers haben besonders für aufholende Volkswirtschaften das Potenzi-

al, zu einer nicht nachhaltigen Volatilität der Kapitalflüsse zu führen. Diese können das reibungslose

Funktionieren des internationalen Währungssystems gefährden oder ganz zum Erliegen bringen (Dor-

rucci und McKay 2011, S. 20f.). Um dieses Problem zu beseitigen, müssen die inländischen Finanz-

systeme in aufholenden Volkswirtschaften ausgebaut werden und ein globales ‚financial safety net’ –

hier definiert als ein System multilateraler, regionaler und bilateraler Fazilitäten -, errichtet werden.

Dieses ist dazu gedacht, die Ansteckung in der Folge größerer externer Schocks abzumildern soll (vgl.

ausführlich Belke 2008, Landau 2009, und Abschnitt 3 dieser Studie). Diese Maßnahmen verlangen

keine Komplettüberholung des internationalen Währungssystems, sondern könnten ohne Weiteres

auch innerhalb des gegenwärtigen Systems durchgeführt werden (Dorrucci und McKay 2011, S. 36ff.

und Abschnitt 3 der vorliegenden Studie). Die Unzulänglichkeit der politikdisziplinierenden institutio-

nellen Vorrichtungen des internationalen Währungssystems schafft diesem Ansatz zufolge eine kausa-

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le Verbindung zwischen dem Funktionieren des internationalen Währungssystems und der Finanzkrise 49

ii. Währungswettbewerb: Ein Weltwährungssystem mit mehreren Leitwährungen

Befinden wir uns auf dem Weg zu einem wahrhaft multipolaren, internationalen Währungssystem?

Um 2020 herum dürfte das ökonomische Machtgleichgewicht – auch wegen der Finanzkrise und ihrer

asymmetrischen Effekte auf Schwellen- und Industrieländer viel ausbalancierter sein als jemals zuvor

in den letzten beiden Jahrhunderten. Die Tendenz einer Entwicklung in Richtung eines multipolaren

Währungssystems wird hierdurch deutlich verstärkt (Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry 2011a, und

Landau 2009). Ein zunehmend populärer Literaturstrang argumentiert jedenfalls, dass der US-Dollar

mittelfristig weniger dominierend sein wird, obwohl er auch zukünftig die wichtigste Währung bleiben

wird. Er könnte sich zu einem „Primus inter pares“ (Eichengreen 2009) entwickeln, beispielsweise, da

der Euro weitere Marktanteile hinzugewinnen und vor allem die relative Bedeutung des chinesischen

Renminbi sehr wahrscheinlich im Zeitablauf weiter zunehmen wird (Belke und Verheyen 2011, Bé-

nassy-Quéré, Landau 2009, Pisany-Ferry 2011 und Raschen 2011).

Ein derartiger Prozess würde das internationale Währungssystem letztlich insoweit stärken, als sich

internationale Investitionen gleichmäßiger verteilen und hierdurch Verzerrungen von Zinssätzen ver-

ringert würden. Er könnte den Emittenten von Reservewährungen auch eine größere Politikdisziplin

aufbürden. Denn das ‚exorbitant privilege’ der USA würde auf mehrere Länder und Währungsräume

verteilt. Es würde deshalb für einzelne Emittenten von Reservewährung weniger bedeutsam (Internati-

onal Relations Committee, 2010). Die wahrgenommene ‚Finanzierbarkeit’ globaler Ungleichgewichte

würde hierdurch verringert. Diese Bewegung hin zu einem multipolaren Währungssystem würde

gleichsam schon per Definition zu einem gleichmäßigeren Prozess der Finanzmarkt-Globalisierung

führen und die Folgen einer ‚uneven financial globalisation’ wie zum Beispiel „bergauf“, d.h. von

aufholenden in entwickelte Volkswirtschaften fließende Kapitalströme (Dorrucci und McKay 2011, S.

28ff., Obstfeld und Rogoff 2009 und Warnock und Warnock 2009) vermeiden helfen.

Zu fragen bleibt, ob internationale Liquidität wirklich die Eigenschaft eines natürlichen Monopols

aufweist und es somit effizient ist, über mehr als eine globale Währung zu verfügen. Oder wäre ledig-

lich eine hegemoniale Währung vorzugswürdig (Eichengreen, 1987)? Und lässt sich historisch bele-

gen, dass der laufende Anpassungsprozess wirklich in ein multipolares Währungssystem mündet?

Eichengreen und Flandreau (2009) führen mit Blick auf die Geschichte aus, dass auch Anpassungs-

trägheiten und Netzwerkexternalitäten den US-Dollar nicht davon abhielten, das Pfund Sterling inner-

49

Zu diesem Governance-Problem vgl. Dorrucci, McKay (2011), S. 16f. und S. 28ff. zu ‚uneven financial globali-

sation’ sowie Belke und Gros (2009), die detailliert erläutern, wie aus einem ‚saving glut’ ein ‚liquidity glut’

wurde.

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halb von nur einem Jahrzehnt während der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts an Bedeutung zu

überflügeln (Dorrucci und McKay 2011, S. 33f.).

Zur Zukunft eines bipolaren Euro-Dollar-Systems: Das zukünftige Weltwährungssystem – zum Nach-

teil der Eurozone?

Grundsätzlich besteht die Chance, dass der Euro den US-Dollar herausfordern könnte, schließlich ist

der europäische Währungsraum wirtschaftlich ähnlich groß wie die Vereinigten Staaten.50 Allerdings

hängt das Eintreten dieser Option von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen von der zukünftigen

Ausgestaltung europäischen Wirtschaftspolitik, und zum anderen vom Verhalten der Geldpolitik im

Euroraum und der USA.

Ein Manko der Eurozone im Vergleich zum US-Dollar ist die Tatsache, dass es an einer gemeinsamen

europäischen Initiative fehlt. Meistens sprechen die Länder mit nationalen Stimmen, statt sich zu einer

europäischen zu vereinigen. Gemessen an den IWF-Quoten, also den Beitragszahlungen der einzelnen

Länder an den Internationalen Währungsfonds, nach denen sich unter anderem das Stimmrecht richtet,

könnte der Einfluss Europas viel höher sein. Das Fehlen einer gemeinsamen Initiative verwässert diese

auf dem Papier vorliegende Macht allerdings (Belke und Verheyen 2011).

Auch die schwach integrierten Finanzmärkte im Euroraum verhindern gegenwärtig, dass der Euro in

nächster Zukunft ein ernsthafter Herausforderer für den US-Dollar als Leitwährung wird. Der europäi-

sche Markt ist zu stark fragmentiert und der größte nationale Markt – Deutschland – besitzt lediglich

ein Viertel des Volumens des amerikanischen Marktes. Um eine ernsthafte Konkurrenz für den US-

Dollar zu sein, bedürfte es gemeinsam herausgegebener europäischer Pfandbriefe oder gar Euro-

Anleihen (Alcidi, Brender, Gros und Pisani 2009, Gros 2009).

Wie viel Sinn macht die Einführung von Euro-Anleihen? Vertreter europäischer Anleihen argumentie-

ren in der Regel, dass diese einen viel größeren und liquideren Markt als den bisher für nationale

Bonds existierenden schaffen. Da Zinsen auf nationale Staatsanleihen von ähnlich hoher Qualität

(deutsche und österreichische) nur um einige Zehntel Basispunkte höher liegen, dürften die Vorteile

abgesehen von ordnungspolitischen Bedenken relativ gering sein (Belke 2011a).

Ein anderer Vorteil von Eurobonds liegt vorgeblich in dem Pooling von Risiken. Eine gemeinsame

Ausgabe von Staatsanleihen sollte im Prinzip das Kreditrisiko für Europäische Anleihen im Vergleich

zum durchschnittlichen Risiko der nationalen Anleihen verringern. Entscheidende Voraussetzung hier-

für ist aber, dass die Risiken der notleidenden Mitgliedsländer der Eurozone einerseits nicht allzu un-

terschiedlich ausfallen, aber andererseits auch nicht zu stark korreliert sind. Aber dies kann gerade

50

Vgl. anders aber Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry (2011a), S. 2, die die Schwächen des Euro und des RMB für

so groß halten ,dass sie auf absehbare Zeit keine Wettbewerber des US-Dollars werden können.

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gegenwärtig nicht unterstellt werden – in einer Phase, in der die Risiken der Eurozone so “schief”

verteilt sind (Null im Kern und beträchtlich in der Peripherie) und unter den Peripherieländern so hoch

korreliert sind (sie sind denselben Schocks ausgesetzt, höheren Zinsen und/oder niedriges Wachstum)

(Gros 2011).

Viel gewichtiger aber: die Vorschläge für Euro-Anleihen gehen davon aus, dass Eurobonds privaten

Gläubigern gegenüber im Insolvenzfall bevorrechtigt sind. Der Wert der privaten Ansprüche würde

fallen. Dabei verändert die Ausgabe von Eurobonds nicht die Höhe, sondern nur die Struktur der

Staatsverschuldung eines Landes – hin zu einem höheren Gewicht der Eurobonds. Dies aber würde

aufgrund der gestiegenen Kosten der Schuldenfinanzierung durch den nunmehr im Insolvenzfall als

nachrangig behandelten privaten Sektor eben nicht zu einer Verringerung der durchschnittlichen Kos-

ten der Verschuldung führen. Im Extremfall verhindert ein hohes Maß an öffentlicher Finanzierung,

die hauptsächlich zur Rückzahlung fällig werdender Schuld genutzt wird, den Zugang des betreffen-

den Staates zu privaten Kreditmärkten. Das Problem verstärkt sich, da mit zunehmender Ausgabe von

Euroanleihen der Überhang der Schulden beim privaten Sektor immer risikobehafteter wird. Die Su-

che nach billigerem Geld durch Euro-Anleihen erweist sich somit als vergeblich (Gros 2011).

Europäische Anleihen zu fordern könnte folglich nur dann Sinn machen, wenn die Staatsverschuldung

vorher auf ein nachhaltiges Niveau zurück gefahren worden ist. Genau diese Schrittfolge aber ist bis-

her kein Bestandteil der offiziellen Verlautbarungen und deshalb bis auf Weiteres nicht in Sicht.

Schließlich wäre es für viele Mitgliedsländer der Eurozone nicht rational, allenfalls geringe Zinsge-

winne durch eine Europäisierung der gesamten Wirtschaftspolitik - Steuersystem und Alterssicherung

- zu erkaufen. Dies hat die jüngste Verwässerung von Merkels „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ durch

das jüngste van Rompuy/Barroso-Papier einmal mehr eindrucksvoll belegt. Diese Europäisierung ist

aber langfristig eine wichtige Voraussetzung für das Zusammenlegen der Staatsverschuldung in der

Eurozone.

Außerdem bleibt festzuhalten, dass sich der europäische Wirtschafts- und Währungsraum von seinen

Eigenschaften her zwar zunehmend den USA annähert, er aber immer noch in zahlreichen Eigenschaf-

ten nicht die Voraussetzungen erfüllt, die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten anzugreifen. Das

Fehlen einer gemeinsamen europäischen Stimme, die bei der Neuordnung des Weltfinanzsystems ein-

gebracht werden könnte, stellt ein Hauptproblem dar. Nationale Vorschläge, selbst wenn sich einige

Länder zusammentun, sind kein adäquater Ersatz für eine wirklich europäische Einrichtung in der

Weltfinanzarchitektur (Belke und Verheyen 2011, Gros 2009).

Eine Situation, in der die chinesischen Währungsreserven (vornehmlich in US-Dollar) weiterhin in

dem geschilderten Ausmaß zunehmen oder das Anwachsen sich sogar noch beschleunigt, und gleich-

zeitig das Zwillingsdefizit der USA zurückgeht und die Eurozone bereit ist, ein nennenswertes Defizit

aufzuweisen, scheint schwer vorstellbar. Das Fehlen eines gemeinsamen europäischen Marktes, auf

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dem Investitionen getätigt werden können, erschwert die Entwicklung weg vom US-Dollar. Die Lö-

sung dieser Problematik stellt eine Hauptaufgabe für die internationale Wirtschaftspolitik der nächsten

zehn Jahre dar (Belke und Verheyen 2011, Gros 2009).

Die Frage nach der künftigen Leitwährung könnte auch durch ein Kräftemessen zwischen der Federal

Reserve und der EZB entschieden werden. Im Folgenden entwickeln wir hierzu ein Szenario. Die

Zweifel an der Rolle des Dollar als Leitwährung mehren sich. Die Dollar-Peripherie, vor allem China

und Russland, sind unzufrieden mit dem expansiven Kurs der USA. Die amerikanische Staatsver-

schuldung steigt rasant. Und aufgrund des gewaltigen Ausmaßes und der Vielzahl ihrer Liquiditäts-

programme verzögert sich der Ausstieg der US-Notenbank Fed aus der quantitativen Lockerung (für

die folgenden Abschnitte vgl. Belke und Schnabl 2009, 2010b).

Die Europäische Zentralbank zeigt sich hingegen entschlossen, ihre Geldpolitik zeitig zu straffen.

Sollten sich diese Erwartungen verfestigen, könnten die Halter der immensen globalen Dollar-

Reserven trotz Netzwerkeffekten zugunsten des Dollar schrittweise Reserven von Dollar in Euro tau-

schen. Das Potenzial ist groß, da sich die Hälfte der US-Staatsanleihen in ausländischer Hand befindet.

Die resultierende Aufwertung des Euro wäre aber mit hohen Anpassungslasten für Europas Exporte

verbunden. Bereits jetzt liegt der Euro-Kurs von etwa 1,40$/€ für die deutsche Exportindustrie nur

knapp unter der Schmerzgrenze (Belke und Göcke 2009). Für viele Partnerstaaten in der Europäischen

Währungsunion (EWU) dürfte die Grenze des Verkraftbaren sogar schon lange überschritten sein.

Diese Situation führt zu Konfliktpotenzial in der Währungsunion, das sich in den innereuropäischen

Ungleichgewichten der Leistungsbilanzen widerspiegelt. Deutschlands Industrie, die immer noch hohe

Handelsüberschüsse erwirtschaftet, ist es seit Langem gewohnt, einer starken Währung mit Kostenein-

sparungen, zurückhaltenden Lohnabschlüssen und hochwertigen Produkten zu begegnen. Obwohl

auch Deutschland angesichts drastischer Produktionseinbrüche mit einer weiteren Aufwertung zu

kämpfen hätte, könnten viele EWU-Partner ihr noch deutlich weniger entgegensetzen. Als Therapie

gegen Leistungsbilanzdefizite waren in den südeuropäischen Staaten früher Expansionen der Geld-

menge und Abwertungen üblich. Da beides in der EWU aufgrund der gemeinsamen Geldpolitik nicht

geht, mit der Krise aber Kapitalzuflüsse ausbleiben, die bisher hohe Lohnabschlüsse und steigende

Leistungsbilanzdefizite finanzierten, drohen im Süden der EWU harte Einschnitte in der Lohnpolitik

und steigende Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Wenn Deutschland, wie oft gefordert, den Konsum

steigert und weniger spart, ebben die Kapitalzuflüsse nach Südeuropa noch stärker ab – und der An-

passungsdruck steigt weiter.

Aus dieser Asymmetrie dürfte eine Zerreißprobe in der Geld- und Finanzpolitik folgen, die durch eine

Flucht in den Euro nochmals verstärkt würde. Zum einen wird der Druck auf den Stabilitäts- und

Wachstumspakt und seine Schuldengrenze steigen, wenn schwachen Exporten mit steigenden Staats-

ausgaben begegnet wird. Zum anderen könnte die Gruppe der lateinisch-hellenischen Staaten, die seit

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dem Beitritt Maltas und Zyperns zum EZB-Zentralbankrat deutlich an Gewicht gewonnen hat, für

Zinssenkungen in Reaktion auf Aufwertungen votieren. Hingegen muss aus deutscher Sicht die Lö-

sung des Wettbewerbsproblems durch expansive Geldpolitik ausgeschlossen bleiben, um Inflation zu

vermeiden. Abwertungen können erfahrungsgemäß Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit allenfalls

verzögern, nicht lösen. Die künftige Rolle des Euro könnte sich daher im Stresstest um die Geldpolitik

entscheiden, für den drei Szenarien möglich sind.

Im ersten Szenario führen die Spannungen durch unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit zur geldpoli-

tischen Expansion und zur Abwertung des Euro. Der politische Friede würde durch höhere Inflation

erkauft. China und andere Staaten mit hohen Devisenreserven blieben an den Dollar gebunden, weil

Alternativen fehlen.

Im zweiten Szenario hält die EZB die geldpolitischen Zügel straff; die US-Makropolitik bleibt hinge-

gen expansiv. Kurzfristig würde der europäische Export durch die Aufwertung des Euro leiden.

Schmerzhafte Lohneinschnitte würden insbesondere im Süden der Eurozone erzwungen. Mittelfristig

würden die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der gesamten europäischen Industrie steigen. Die

internationale Rolle des Euro würde gefördert, und die Euro-Staaten würden von beträchtlichen Seig-

niorage-Gewinnen profitieren, da weltweit mehr Euro im Umlauf sind. In Europa und den an den Euro

gebundenen Staaten würden Stabilität und Wachstum langfristig gestärkt. Je größer der Euro-Raum

und je größer die Anzahl der an den Euro gebundenen Währungen, desto geringer wären die Kosten

für den Euro-Block.

Ob es so weit kommen wird, ist fraglich. Denn im dritten Szenario – an das vor der Finanzkrise kaum

zu denken war – zwingt der Stabilitätskurs der EZB die Fed zum Einlenken, da die USA die Rolle des

Dollar als Leitwährung nicht aufgeben wollen. Die geldpolitische Kehrtwende würde Druck vom eu-

ropäischen Export und den Löhnen nehmen. Dies entspräche einer Rückkehr der Welt zu mehr geld-

politischer Stabilität und Wachstum. Der Greenback bliebe weiter Leitwährung.

Die wichtigste Schlussfolgerung aus diesen Entwicklungen lautet: Unter der Vorraussetzung, dass der

Euroraum seine wirtschafts- und finanzmarktpolitische Verflechtung weiter vorantreibt, könnte die

Frage nach der künftigen Leitwährung angesichts des angekratzten Image des Dollar durch ein geldpo-

litisches Kräftemessen zwischen Fed und EZB entschieden werden. Eine stabilitätsorientierte Politik

(Szenarien zwei und drei) ist die dominante Strategie für die EZB – unabhängig davon, ob sich die

USA für eine zu expansive oder eine stabilitätsorientierte Nachkrisenpolitik entscheiden. Mit dieser

Strategie dient die EZB Europa, der Euro- und Dollar-Peripherie sowie der Weltwährungsordnung.

Voraussetzung wäre Einigkeit der Europäer über den stabilitätsorientierten Rahmen der Geld- und

Finanzpolitik, wie er in den Gesetzen zur EU verankert ist.

Ein von der von uns befürworteten Vorstellung einer gemäß den Abschnitten 2.b.i und 2.b.ii organisch

stattfindenden Systementwicklung abweichendes Szenario würde darin bestehen, das internationale

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103

Währungssystem in Richtung eines Systems basierend auf “a currency disconnected from individual

nations and able to remain stable in the long run” (Zhou 2009) zu steuern. Ein derartiges System wäre

die logische Schlussfolgerung aus der in Abschnitt 2.b.i diskutierten Sichtweise („Triffin-Dilemma“)

ist. Man könnte es auf eine supranationale Währung (‚ fiat currency’) oder einen Währungskorb grün-

den. Beide Optionen werfen einige Fragen auf und werden in den folgenden Abschnitten 2.iii. und

2.iv. näher analysiert.

iii. Chinesischer Vorschlag I: eine supranationale Währung

Eine erste und recht radikale Option einer aktiven Steuerung der Systemwahl strebt an, eine neue sup-

ranationale Währung einzuführen, die durch eine supranationale Zentralbank ausgegeben wird und

deren Außenwert gegenüber anderen nationalen Währungen frei schwankt (Dorrucci und McKay

2011, S. 35). Sie würde als ‚outside fiat money’ dienen und insofern dem wohlbekannten Bancor äh-

neln, der von John Maynard Keynes während der Bretton Woods-Verhandlungen vorgeschlagen wur-

de.51

Von den vielen Fragen, die sich aus diesem Vorschlag ergeben, sticht besonders diejenige seiner Rea-

lisierbarkeit heraus (Dorrucci und McKay 2011, S. 35). Wären die Länder wirklich bereit, einen Teil

ihrer währungspolitischen Souveränität an eine supranationale Zentralbank auf globaler Ebene abzu-

geben? Variiert der Anreiz zur Aufgabe währungspolitischer Autonomie je nach Größe einer Volks-

wirtschaft? Was wäre ein realistischer Zeithorizont für die Einführung eines derartigen anspruchsvol-

len Vorschlags? Welche Zwischenschritte müssten unternommen werden und welche weiteren Maß-

nahmen würden langfristig benötigt werden?

Abgesehen von diesen Realisierungsproblemen verbleibt die Frage, ob eine solche Währung das Trif-

fin-Dilemma ein für alle Mal löst, oder ob sie einfach zu einer neuen Version des Dilemmas führt.

Folgt man Landau (2009), so muss die supranationale Währung so stark gehalten werden, dass sie

nicht gegenüber anderen wichtigen Währungen abwertet – was eine Beschränkung ihres Angebots

implizieren würde. Lässt sich Letzteres nicht verwirklichen, wird sie abwerten. Dies wiederum würde

ihre Attraktivität und somit auch ihre Funktion als Reserve-Asset in Frage stellen. Gleichzeitig aber

wäre es, falls ihr Angebot restringiert würde, unmöglich, mit der supranationalen Währung die Nach-

frage nach Reserven zu befriedigen und ihrer Funktion zu entsprechen (Dorruccci und McKay 2011,

S. 35).

Landau (2009) fasst diese Debatte treffend wie folgt zusammen: “A choice would have to be made as

to the true nature of the "super reserve currency”. Would it be a basket of existing monies or a new

51

Vgl. Keynes (1944). Für eine kurze Übersicht vgl. Eichengreen (2011), S. 45-47, und befürwortend DeLong

(2000).

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104

"fiat" currency? If the "super reserve" is a basket of existing currencies (such as the SDR today) it

would basically serve as an instrument for diversification of foreign exchange reserves (or private

portfolios), and such a diversification can easily be achieved by using existing currencies. On the other

hand, the "super sovereign" could be issued as such as a fiat currency. Then, the international commu-

nity would have a basic choice. Either the new currency could be made “strong” and never depreciate

against any other major existing currencies, which probably means that its supply would be severely

restricted. Or, the "super sovereign" would be issued according to pre-specified rules, and depreciation

against existing currencies could not be excluded. It would ensure regular supply of international li-

quidity, but could only provide partial protection against exchange rate volatility and valuation losses.

There is an important trade off, there , which is the essence of a new "Triffin dilemma" and which

cannot be avoided when looking at the public supply of international liquidity, whether by one nation

or within a multilateral framework” (Landau 2009, S. 10).

Der Entwurf einer Weltwährung, die von einer globalen Zentralbank ausgegeben und verwaltet wird,

mag vielleicht auf den ersten Blick überzeugend erscheinen. Eine Reihe ambitionierter Managing Di-

rectors des IWF hat vorgeschlagen, diesen Weg zu gehen. Aber solange es keine Weltregierung gibt,

der gegenüber eine globale Zentralbank rechenschaftspflichtig wäre, wird es keine Weltzentralbank

und keine Weltwährung geben.

iv. Chinesischer Vorschlag II: Sonderziehungsrechte des IWF als globale Reservewäh-

rung

Eine zweite Option einer gesteuerten Wahl des Währungssystems besteht darin, die Verwendung der

Sonderziehungsrechte (SZR) zwar weiter in Gestalt eines Währungskorbes zu betreiben, das SZR aber

als ein zentrales Reserve-Asset im internationalen Währungssystem zu fördern. SZR repräsentieren

Kreditlinien auf Währungen der Mitgliedsstaaten des IWF.52 Möglicherweise könnten diese sogar den

Dollar als Leitwährung ablösen. Gegenwärtig spielen Sonderziehungsrechte allerdings nur eine gerin-

ge Rolle. Ihr Anteil an den globalen Devisenreserven beläuft sich auf weniger als 4% (US-Dollar: rund

61%). Um ihre Bedeutung zu erhöhen, könnte der IWF auf SZR lautende Anleihen begeben. Diese

könnten dann sowohl von staatlichen als auch privaten Investoren gezeichnet werden. Sonderzie-

hungsrechte ließen sich auch bei der Fakturierung von Rohstoffen und Warenströmen einsetzen. Zu-

dem eröffnete sich die Möglichkeit, Währungen von Schwellenländern nicht mehr an den US-Dollar,

52

Volkswirtschaften, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten, können durch die SZR schnell an Devisen gelan-

gen. Das SZR oder auch Sonderziehungsrecht wird vom öffentlichen Sektor als ein Reserve-Asset und vom IWF

und einigen internationalen Organisationen als eine Rechnungseinheit verwendet. Der Wert des SZR basiert auf

einem Korb der vier wichtigsten Währungen (US-Dollar, Euro, Yen und Pfund Sterling). Es ist keine Währung im

Sinne eines Tauschmediums, da es keine privaten Märkte für den An- oder Verkauf von SZR gibt.

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105

sondern an die SZR zu koppeln (Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry 2011a, S. 4f., Rees 2011b und Ra-

schen 2011).

Auch wenn dies von offizieller chinesischer Seite nicht direkt ausgesprochen wird, ist die Absicht des

chinesischen Vorschlags deutlich: die Bedeutung des US-Dollars als Weltreservewährung soll schritt-

weise beschnitten werden. Das internationale Währungssystem wäre multipolarer und deshalb in ge-

ringerem Umfang abhängig von der Entwicklung in den USA. Zudem würde auf diese Weise die Ge-

fahr einer unkontrollierten Dollarabwertung reduziert werden. Im derzeitigen Währungssystem könn-

ten ausländische Investoren angesichts der exorbitanten Verschuldung in den USA in der Zukunft das

Vertrauen in den Dollar verlieren. Zudem erhielten Schwellenländer wie China mehr Anreize, ihr

Wechselkurs- und Finanzsystem zu flexibilisieren. Wir argumentieren, dass eine Aufnahme des RMB

in den SZR-Währungskorb nur dann Sinn stiftet, wenn die chinesische Währung weitgehend freigege-

ben und konvertibel ist.53 Bei der praktischen Umsetzung des Sonderziehungsrechte-Vorschlags exis-

tieren allerdings erhebliche praktische und vor allem strategische Hindernisse. So können die USA die

Ausweitung von SZR jederzeit blockieren (Rees 2011b und Raschen 2011). All dies soll im Folgenden

genauer ausgeführt werden.

Der gerade skizzierte Vorschlag ist nicht neu und hat in den letzten vier Jahrzehnten immer wieder für

eine rege Debatte gesorgt. De facto bezog sich auch Zhou (2009) explizit auf das Triffin-Dilemma, das

die analytische Rechtfertigung für die Einführung der Sonderziehungsrechte war (Eichengreen 2011,

S. 49-50 und 137). Der Vorschlag wurde kurzzeitig populärer, als etwa China, Russland und Brasilien

ihre Bereitschaft erklärten, die IWF-Ressourcen aufzustocken und zu diesem Zweck SZR-

denominierte Anleihen im Wert von 70 Mrd. US-Dollar zu kaufen. Auch empfahl eine UN-

Kommission unter dem Vorsitz von Joseph Stiglitz eine erweiterte Rolle für eine internationale Wäh-

rungseinheit, die dem SZR ähnelt. Deren Ausgabe sollte jedoch nicht durch den IWF, sondern durch

eine „global reserve bank“ erfolgen. Der dabei anzuwendende Mechanismus wurde von der Kommis-

sion jedoch nicht weiter konkretisiert (United Nations 2009, S. 98).

Die Idee, die diesem Vorschlag zugrunde liegt, ist unmittelbar nachvollziehbar. Mit der Ausgabe von

SZRs als buchhalterische Ansprüche in der Höhe, wie sie die Expansion des internationalen Handels

und Zahlungsverkehrs erfordert, durch den IWF oder eine ähnliche Institution, soll dem Bedarf nach

einer Zahlungsbilanz-Versicherung entsprochen werden (Landau 2009, S. 8). Statt dem Zwang zur

Akkumulierung von Dollars zu unterliegen, um damit im Notfall Auslandskredite abzulösen und aus-

53

Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry (2011a), S. 5, betonen wie wir auch in Abschnitt 2.b.v, dass die Aufnahme

des RMB in das SZR noch nicht einmal notwendig ist, um es China zu ermöglichen, zum ‚financial safety net’

beizutragen. Denn zusätzlich zur Chiang Mai-Initiative hat China ‚swap lines’ in RMB an diverse Notenbanken

gegeben.

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ländische Güter zu kaufen, könnten Regierungen einfach SZRs verwenden, da andere Regierungen

gezwungen wären, diese zu akzeptieren. Dies würde dem ‚exorbitant privilege’ der USA ein Ende

bereiten und das Weltwährungssystem stabiler machen. Indem eine Alternative zu bestehenden natio-

nalen Währungen geschaffen wird, würde die Nutzung der Sonderziehungsrechte als globale Reser-

vewährung das Dilemma großer Reservehalter wie China lösen (Eichengreen 2011, S. 137f., und

Landau 2009, S. 7f.).

Überblicke über die wichtigsten Argumente für und gegen eine erweiterte Rolle der SZR finden sich

zum Beispiel in Eichengreen (2011), S. 137-143, International Relations Committee (2010), Carney

(2010) und IMF (2011). Zusammengefasst argumentieren ihre Befürworter, dass das SZR als ein Korb

wichtiger Währungen (i) ein stabileres Wertaufbewahrungsmittel und Rechnungseinheit sei als seine

konstituierenden Währungen individuell, (ii) dazu beiträgt, dass das internationale Währungssystem

besser mit der Wechselkursvolatilität in einer stärker multipolaren Währungswelt zurechtkommt, (iii)

die Wahrscheinlichkeit von Wechselkursanpassungen für Währungen die anders als Pegs an nationale

Währungen an das SZR gekoppelt sind, reduziert; und (iv) ermöglicht, dass die Bepreisung risikobe-

hafteter Assets auf der Grundlage “globaler” geldpolitischer Bedingungen basiert statt auf der geldpo-

litischen Ausrichtung in einer individuellen Volkswirtschaft (siehe Corrucci und McKay 2011, S. 34,

und Abschnitt 1.b.iv dieser Studie).

Schon früher, im Jahr 1981, ist man an der Schaffung privater Märkte für SZRs gescheitert. Die Grün-

de für den mangelnden Fortschritt liegen auf der Hand. Zum einen mussten die ersten privaten Institu-

tionen, die Anleihen oder Einlagen in SZRs ausgeben, wegen der Illiquidität dieses Finanzierungsin-

struments zusätzliche Kosten eingehen. Denn die Käufer verlangen eine zusätzliche Kompensation

dafür, dass die SZRs nicht auf breiten und tiefen Märkten gehandelt werden (können). Zum anderen

wurden die SZRs nur mit einem Abschlag gehandelt, da liquide Märkte für in nationaler Währung

denominierte Vermögensposten schon existierten (Federal Reserve Bank of New York, 1981-1982, S.

41).

Gläubiger wie auch Schuldner ziehen zudem einen speziell auf sie zugeschnittenen Währungskorb

vor. Dieses Portefeuille entspricht ihren finanziellen Bedürfnissen besser und seine Komponenten

werden in liquideren Märkten gehandelt. Die Gewichte der damals fünf im SZR-Korb enthaltenen

Währungen entsprachen nicht zwingend genau den Verhältnissen, in denen ein Investor Anleihen, die

in ebendiesen fünf im SZR enthaltenen Währungen denominiert waren, zu halten wünschte. Darüber

hinaus waren Käufe und Verkäufe privater SZRs kostenträchtig. Deshalb lohnte es sich für einen In-

vestor, sein eigenes Portfolio zusammenzustellen (Eichengreen, 2011, S. 139f.).

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107

Damit die SZR wirklich eine globale Rolle übernehmen können, müsste ihre Liquidität aber noch er-

heblich erhöht werden, und zwar nicht nur durch eine vermehrte Ausgabe durch den IWF54, sondern

auch durch die Entwicklung eines privaten SZR-Marktes. Reserve-Assets sind nämlich nur bei breiter

Verwendbarkeit attraktiv, die bei SZRs gegenwärtig nicht gegeben ist. Denn diese werden momentan

lediglich verwendet, um Schulden gegenüber anderen Staaten oder dem IWF selbst zu begleichen.

Eine Intervention auf privaten Märkten ist mit ihnen unmöglich, da bis jetzt keine privaten Märkte

bestehen, auf denen SZRs gehandelt werden. Da kein Handel in SZR fakturiert und abgewickelt wird,

lassen sie sich im internationalen Handel mit Gütern und Dienstleistungen ebenfalls nicht verwen-

den.55 Beides wären aber Voraussetzungen für die Attraktivität der SZR-Haltung für Zentralbanken.

Zentralbanken müssen ihre SZRs mit allen hiermit verbundenen Kosten und Unannehmlichkeiten in

Dollars oder Euros umtauschen, solange diese Bedingungen nicht erfüllt sind. Insbesondere dauert der

Tauschvorgang im Rahmen gegenwärtiger Regelungen mindestens fünf Tage und damit in einer Fi-

nanzkrise viel zu lange. Um SZRs attraktiv zu machen, müssten tiefe und liquide Märkte für SZRs

geschaffen werden (Eichengreen, 2011, S. 138).

Die Errichtung privater Märkte für Wertpapiere, die SZR-denominiert sind, verlangt nachhaltige In-

vestitionen der Regierungen als „Stakeholder“. Nur wenn China Schritte zur Schaffung eines liquiden

SZR-Marktes ergreift, dürfte es dieses Land wirklich ernst meinen, den SZR Reservewährungsstatus

zu verleihen. Es könnte SZR-denominierte Anleihen in Hongkong ausgeben. Dies wäre viel bedeut-

samer und aussagekräftiger, als dem IWF, wie tatsächlich geschehen, SZR-Anleihen abzukaufen, die

nicht gehandelt werden und aus diesem Grund keinen Beitrag zur Erhöhung der Liquidität leisten.

Eine ganz andere Bedeutung käme einer chinesischen in SZR denominierten Staatsanleihe zu, die wie

US Treasury Bonds aktiv gehandelt würde. Wenn China einmal eingestiegen ist, könnten zu fallenden

Kosten auch Brasilien und Russland folgen. Die hohen Einstiegskosten Chinas wären dann ökono-

misch als eine Investition in ein stabileres Weltwährungssystem zu interpretieren. Ob Länder wie Chi-

na diesen Preis zu zahlen bereit sind, wird die weitere Entwicklung zeigen (Eichengreen 2011, S. 140).

Nun lässt sich fragen, wer denn die Käufer der SZR-Anleihen sein würden. Die SZR-Anleihen wären

nicht in derselben Währung denominiert wie die Obligationen der inländischen Pensionsfonds und der

Versicherungen. Falls der Dollar gegenüber dem Euro abwertet, würde sich ein europäisches Versi-

54

Selbst nach der 2009 getroffenen Entscheidung, zusätzlich 250 Mrd. SZRs an die IWF-Mitglieder auszugeben,

repräsentieren die SZRs weniger als 5 Prozent der globalen Währungsreserven. Vgl. Eichengreen, (2011), S.

138. 55

Natürlich steht es Volkswirtschaften frei, ihre Güter und Dienstleistungen in SZR zu bepreisen. Hierdurch

würde aber im Gegensatz zur Bepreisung in Dollar ein zusätzliches Element der Komplexität eingeführt. Dies ist

wohl auch der Grund, warum die OPEC-Länder auch weiterhin ihr Öl in Dollar fakturieren – trotz der absehba-

ren Vorteile von SZRs im Hinblick auf die Verringerung des Risikos und deren politische Attraktivität. Vgl. Essay-

yad und Algahtani (2007).

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cherungsunternehmen, das in SZR-denominierte Anlagen investiert ist, aber Verbindlichkeiten in Euro

hält, in einer misslichen Lage befinden. Das Wechselkursrisiko könnte nur unter Eingehen zusätzlicher

Kosten abgesichert werden. Zudem stehen Kurssicherungs-Instrumente nur für kürzere Fristen, als sie

für Obligationen für Pensionsfonds und Versicherungsunternehmen typisch sind, überhaupt zur Ver-

fügung. Weit in der Zukunft könnten auch Versicherungsnehmer und Pensionäre bereit sein, sich in

Währungskörben auszahlen zu lassen. Tiefe und liquide Märkte für SZRs mit adäquat ausgestalteter

Angebots- und Nachfrageseite sind jedoch bis auf Weiteres noch unrealistisch (Eichengreen 2011, S.

140f.).

Hat man sich auf die Ausgabe großer Mengen an SZRs zur Befriedigung der globalen Reservenach-

frage festgelegt, muss bestimmt werden, wer diese in welchem Umfang erhält (Landau 2009, S. 8, und

Raschen 2010, S. 10f.). Einigen sich die IWF-Mitglieder auf eine Aufstockung der Zahl der SZRs,

sind diese nach einem vereinbarten Schlüssel zu verteilen. Nach diesem Schlüssel könnten die SZRs

zum einen proportional zur gegenwärtigen Reservehaltung allokiert werden. Zum anderen könnten sie

vorwiegend an die ärmsten Länder, die sie am Dringendsten benötigen, verteilt werden. Eine Selbst-

verpflichtung auf eine fortwährende Ausgabe von SZRs auf einem Niveau, das für den vollständigen

Ersatz bestehender Reservewährungen nötig ist, ist in Abwesenheit einer Einigung hierüber nicht rea-

lisierbar (Eichengreen, 2011, S. 141).

Wären die SZRs die dominierende Weltreservewährung, könnte sich dies für den IWF als in Krisen-

zeiten als Vorteil erweisen. Er könnte dann schnell reagieren und zusätzliche SZRs ausgeben können,

um die Liquidität sicherzustellen.56 Bevor zusätzliche SZRs ausgegeben werden können, müsste unter

den gegenwärtigen Regelungen zunächst eine Mehrheit von 85 Prozent der IWF-Stimmrechte sicher-

gestellt werden (Eichengreen, 2011, S. 57). Genauso wie die Fed über ein Angebot zusätzlicher Dol-

lar-Swaps entscheiden kann, müsste das Management des IWF zudem ermächtigt werden, über die

SZR-Ausgabe zu befinden. Der IWF müsste dann zu einer Art globaler Zentralbank und einem Bereit-

steller von Notfall-Liquidität mutieren, damit die SZRs als Weltwährung fungieren können. Beides

schließt aber eine schnelle Reaktion aus (Eichengreen, 2011, S. 141).

Genau deshalb ist eher eine begrenzte Rolle der SZR als Ergänzung der bestehenden Reservehaltung

vorstellbar. Die Ansammlung von SZR-Ansprüchen stellt einfach ausgedrückt einen anderen Weg für

Zentralbanken dar, ihr Reserveportfolio in Richtung eines geringeren Dollar-Anteils umzuschichten.

Denn das SZR ist als Währungskorb definiert (Eichengreen, 2011, S. 141). Die Ausgabe von SZRs ist

zudem real gesehen recht preiswert, denn sie stellen rein buchhalterische Forderungen dar. Somit wird

von Volkswirtschaften kein Konsumverzicht und das Erzielen eines Exportüberschusses verlangt.

56

Dies wäre eine Parallele zur Fed und der EZB, die 2008 Dollar- und Euro-Swaps bereitstellten, um eine ange-

messene Liquidität des Dollars sicherzustellen.

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Zudem ist sie ein möglicher Weg, das ‚exorbitant privilege’ zukünftiger Reservewährungs-Länder zu

begrenzen, nicht aber ganz zu beseitigen. Zentralbanken werden auch zukünftig nur einen Bruchteil

ihrer Reserven als SZRs halten, da diese nicht liquide genug oder nur in unzureichendem Maße für

Markttransaktionen geeignet sind. Eichengreen (2011, S. 142) drückt dies treffend wie folgt aus: „The

SDR will not replace national currencies in central bank reserves because it will not replace national

currencies in other functions”.

Es wäre naiv zu glauben, dass der international erfahrene und intellektuell versierte Zhou sich der

vorstehend benannten Schwierigkeiten nicht bewusst wäre. Wahrscheinlicher ist es, dass er mit seinem

SZR-Vorschlag zwei strategische Ziele verfolgt. Erstens könnte der Vorschlag nur ein Vorwand gewe-

sen sein, um einen bereits in den späten 70er Jahren diskutierten ‚substitution account’ einzuführen.

Durch diesen könnte die internationale Gemeinschaft China die angehäuften US-Dollars abnehmen

(Eichengreen 2011, S. 142).

Zweitens könnte es sich angesichts der Terminierung seiner auf den Vorabend eines G-20-Gipfels um

pure Symbolpolitik handeln. Indem Zhou den SZR eine größere Rolle zuwies, konnte er China als

Vertreter eines regelbasierten multilateralen Währungssystems positionieren. Schließlich musste Zhou

gleichzeitig auch die zu Hause aufkommenden Zweifel an der Fähigkeit der chinesischen Autoritäten,

die internationalen Reserven Chinas effizient zu managen, im Keim ersticken (Eichengreen 2011, S.

142). Im Folgenden wird vertiefend weiter auf das erste mögliche Motiv eingegangen.

Sollte eine größere Rolle der SZR als Ziel verfolgt werden, könnten Länder gemäß einem der Vor-

schläge ermutigt werden, Teile ihrer Reserven einem Fonds, der in SZR denominiert und vom IWF

verwaltet wird, anzuvertrauen. Ein solcher Fonds könnte außermarktliche Umwandlungen von in Dol-

lar oder anderen internationalen Währungen denominierten Assets in SZRs erleichtern – ein Arrange-

ment, das den bereits in den 1970er Jahren gemachten Vorschlag eines IWF ‚substitution account’

wieder aufgreift (siehe beispielsweise Bergsten 2009a, Cooper 2009, Eichengreen 2011, S. 65-66,

Kenen 2010, Williamson 2009 und Zhou 2009).57 Ein durch den IWF verwalteter Fonds für SZR-

Reserven der Mitgliedsländer wirft jedoch einige Fragen auf (zu den folgenden Abschnitten vgl. Dor-

rucci und McKay 2011, S. 34f.):

Zunächst ist zu prüfen, ob das SZR zu einem glaubwürdigen Asset für die Reserven-Diversifikation

werden kann, wenn sich nicht gleichzeitig ein privater SZR-Markt entwickelt, welche konkreten

Schritte zur Förderung eines privaten SZR-Markts unternommen werden könnten. Und ob sich aus den

57

Yongding Yu, ein ehemaliger Berater der People’s Bank of China (PBC) bezieht sich in Yu (2010) zur Rechtfer-

tigung des Zhou-Vorschlags auf die Möglichkeit eines ‚substitution accounts’, durch den die US-Dollars der PBC

in SZRs umgetauscht würden.

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Erfahrungen mit dem Markt für private European Currency Units (dem ECU) in den 80ern und frühen

1990ern Lehren ableiten lassen.

Ein zweiter Themenkomplex betrifft die Frage, ob ein SZR-Fonds oder ein ‚substitution account’ zu

einer planmäßigen und geordneten Diversifikation von Devisenreserven weg vom US-Dollar beitragen

würden. oder ob ein Risiko besteht, dass die bloße Ankündigung seiner Schaffung einen signifikanten

Verlust des Vertrauens in den US-Dollar auslösen würde. Zu prüfen wäre hier, ob die Implementie-

rung des Vorschlags den Anreiz für Länder, in nationaler Währung denominierte Reserven aufzubau-

en, reduzieren oder, im Gegenteil, die Halter von Reserven zu einem weiteren Aufbau nationaler Re-

serven animieren würde (‚moral hazard’).

Der dritte und wahrscheinlich wichtigste Fragenkomplex betrifft eine Aussage dazu, wer die potenzi-

ellen Wechselkursverluste in einem ‚substitution account’ tragen sollte (Dorrucci und McKay 2011, S.

35). An genau dieser Frage scheiterte die Idee eines ‚substitution account’ schon in den späten siebzi-

ger Jahren und wird auch die wiederbelebte Initiative scheitern. Denn die USA waren und sind nicht

willens, dieses Risiko zu tragen (Harris, 2009). Hätte man es hingegen dem IWF aufgebürdet, hätte

man genau diejenigen getroffen, die die US-Dollars ohnehin loswerden wollten – die Länder nämlich,

die fast 85 Prozent der IWF-Anteile halten. Zudem wäre es zu einer Verschiebung der Risiken hin zu

den Ländern, die weniger Dollar halten, gekommen. Zwar wären bei der IWF-Lösung Kompensatio-

nen der USA theoretisch denkbar. In der Praxis könnte dies aus Sicht der USA jedoch zu übergroßen

finanziellen Verbindlichkeiten führen, sodass die Kompensationsidee nicht realistisch erscheint (Ei-

chengreen 2011, S. 65f. und 142). Verschiedene Vorschläge wurden im Zeitablauf in Bezug auf die

letzte Frage vorgebracht (Kenen 2010). Jeder von ihnen war für mindestens eine der involvierten Par-

teien inakzeptabel – dies verweist zurück auf die Kernfrage der politischen Realisierbarkeit des ‚ac-

counts’.58

Während die vollständige Beantwortung dieser Fragen nicht von der vorliegenden Studie zu leisten ist,

lassen sich in erster Annäherung dennoch zwei allgemeine Argumente gegen eine Weiterverfolgung

der SZR-Option anführen. Die Lösung ist – wie die vorstehenden Fragen zeigen – hoch komplex (Ra-

schen 2011, S. 10). Darüber hinaus besteht das Risiko unbeabsichtigter und unabsehbarer Folgen eines

Ersatzes internationaler Währungen, die sich als Ergebnis autonomer Entscheidungen privater und

offizieller Akteure etabliert haben, durch eine synthetische, durch die Politik auferlegte internationale

SZR-Währung (Dorrucci und McKay 2011, S. 35). Eine dieser nicht intendierten Konsequenzen könn-

te, wie zuvor schon angedeutet, darin bestehen, dass Halter von Reserven einen ‚substitution account’

58

Hierfür lassen sich historische Beispiele anführen. Eichengreen (2011), S. 139, verweist auf das erste Quartal

1981, in dem das SZR als Folge der Volcker-Deflationierung um sieben Prozent gegenüber dem Dollar abwerte-

te. Hierdurch erlosch das private Interesse der Sparer und sonstiger Gläubiger an den SZRs.

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als einen Weg betrachten, Devisenreserven aufzustocken und dabei das Wechselkursrisiko abzustoßen.

Dies stellt ein Beispiel dafür da, wie eine solche Initiative ‚moral hazard’ Verhalten in bestimmten

Ländern hervorrufen kann und die Stabilität des internationalen Währungssystems beeinträchtigt, statt

sie zu stärken (Dorrucci und McKay 2011, S. 35). Darüber hinaus wird die Besorgnis geäußert, dass

im Falle einer nur vage formulierten Emissionsregel die Bestände an SZRs stark ansteigen könnten

(Cooper 2011). Dies wiederum könnte ernste Konsequenzen für die ordnungsgemäße Durchführung

der Geldpolitik und die Souveränität von Zentralbanken haben, die die internationalen im SZR-Korb

enthaltenen Währungen emittieren (Dorrucci und McKay 2011, S. 35). Sollten sich die SZR schließ-

lich als ein weithin akzeptiertes Tauschmittel durchsetzen, könnte ein starker Anstieg des Angebots an

SZR direkt globalen inflationären Druck erzeugen.59 Kritisch an der Implementierung von Sonderzie-

hungsrechten als internationale Währung ist also zusammengefasst, dass sie sich kein Marktvertrauen

schrittweise verdient haben. Eine Währung, die nachhaltig stabil sein soll, sollte sich am Markt etab-

liert haben (Belke und Polleit 2010).

Eine weitere Frage ist auch die Umsetzbarkeit einer stärkeren Bedeutung von SZRs im derzeitigen

Weltwährungssystem. Angesichts der Tatsache, dass es laut den Statuten des IWF einer Zustimmung

von 85 Prozent des stimmberechtigten Kapitals bedarf und die USA über einen Anteil von rund 17

Prozent verfügt, wird diese Entscheidung nicht ohne die Zustimmung der USA getroffen werden kön-

nen. Die USA wird aber kaum Interesse an einer Stärkung der Bedeutung von SZRs haben, würde dies

ja eine Beschneidung des ‚exorbitant privilege’ der USA bedeuten.

Wir stimmen diesbezüglich Jürgen Stark und Dennis Snower zu, die im Gefolge der im Frühjahr 2009

erfolgten Beschlüsse des Londoner G-20-Gipfels zur Verdreifachung der finanziellen Ressourcen des

Internationalen Währungsfonds (IWF) stark kritisierten (Engelen und Kurm-Engels, 2009). Denn

durch die Zuteilung der SZR erhöht sich letztlich die globale Geldmenge. Dies führt tendenziell zu

höherer Inflation, sobald die Krise zu Ende ist. Zudem könnte risikoreiches Verhalten von Staaten

belohnt werden und dadurch die Grundlage für künftige Krisen geschaffen werden. Die Zuteilung der

neu geschaffenen SZR kann in bestimmten Szenarien durchaus im Sinne Milton Friedmans als „Heli-

kopter-Geld“ für den Globus, also eine Vermehrung der Geldmenge am Bankensystem vorbei, inter-

pretiert werden.60 Zudem gefährdet der Vorschlag in ebendiesen Szenarien die Unabhängigkeit der

Notenbanken, denn diese garantieren letztlich die Ansprüche aus der Haltung von SZRs.

59

Vgl. Dorrucci, McKay (2011), S. 35. Für die Bedingungen und Szenarien, unter denen die Schaffung von SZRs

inflationär wirken könnte, siehe Cooper (2011). 60

Vgl. positiver aber Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry (2011a) und Cooper (2011).

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v. Leitwährung - Renminbi als Alternative?

Da China wohl die Etablierung des RMB als internationale Währung anstrebt und allen Anreiz dazu

hat, dürfte der der SZR-Vorschlag nicht realisiert werden. Würde der RMB in internationalen Transak-

tionen umfassend genutzt, wäre China nicht mehr gezwungen, Devisen zu halten, um seine Zahlungs-

bilanz zu glätten oder inländische Unternehmen bei der Begleichung grenzüberschreitender Zahlungs-

verpflichtungen zu unterstützen. Das Land würde so in den Genuss sämtlicher Vorteile eines Leitwäh-

rungslandes kommen (Eichengreen 2011, S. 143, Ito 2010).

Verschiedentlich machten in der Vergangenheit chinesische Offizielle ausdrücklich klar, dass sie die-

sem Denkmuster folgen. Beispielsweise legte Zhang Guangping, Stellvertretender Vorsitzender der

„Shanghai Branch of the China Banking Regulatory Commission“ Journalisten nahe, dass der RMB

bereits im Jahr 2020 eine internationale Währung werden könne. 2009 folgten zahlreiche Hinweise

chinesischer Offizieller darauf, dass man Shanghais internationales Finanzzentrum ausbauen wolle

(Eichengreen, 2011, S. 143 und 193). "Die Stunde des Yuan kommt", "China greift den Dollar an",

"China attackiert" - unter diesen Überschriften war in den vergangenen Tagen zu lesen, was sich Chi-

na zum Ziel gesetzt und auf dem Volkskongress Anfang März 2011 auch als Strategie bekräftigt hat:

Peking will den Dollar als internationale Leitwährung entmachten und die eigene Währung als Alter-

native etablieren. Soweit die Perspektive - wie aber will China diesen Plan konkret in die Tat umset-

zen?

Im Groben verfolgt Peking einen Stufenplan. In Stufe Eins soll Chinas Handel mit Schwellenländern

in Yuan - und nicht mehr in Dollar - abgewickelt werden. Peking schließt entsprechende Abkommen

mit den jeweiligen Zentralbanken. Allerdings sind Chinas Currency Swap Agreements mit Argentini-

en, Weißrussland, Hongkong, Indonesien, Südkorea und Malaysia keine Instrumente von wirklich

praktischem Nutzen. Sie stellen eher Maßnahmen dar, die Chinas Ambitionen signalisieren sollen.

Andere Zentralbanken können den RMB nicht für Interventionen am Devisenmarkt, für die Finanzie-

rung von Importen aus Drittländern und zur Auszahlung ausländischer Geschäftsbanken und Anleihe-

besitzern nutzen. Bislang erfüllten nur Dollar-Swaps wie zum Beispiel der 30 Mrd. Swap der Fed an

Südkorea Ende 2008 diese Funktion. China wäre konsequenter und überzeugender als Anbieter von

Notfallkrediten, wenn es anderen Ländern Währungsswaps in US-Dollar anbieten würde. Dann aber

wären die Swaps kein Mittel mehr zur Forcierung der internationalen Rolle des RMB (Eichengreen

2011, S. 144f. Ito 2010, S. 274, und Murphy und Yuan 2009, S. 11ff.).

Dann folgen weitere Schritte, mit Ziel vor Augen, den Yuan zu einer Dollar-Alternative aufzubauen -

nicht nur als Handelswährung, sondern auch als Weltreservewährung: Wenn es zu internationalen

Krisen kommt, sollen Anleger ihre Werte in einen vermeintlich sicheren Yuan umschichten können,

und nicht mehr wie bisher in Dollar.

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113

Wie lässt sich dieser Plan umsetzen?

Bis 2009 zirkulierte der RMB (legal) ausschließlich innerhalb Chinas. Seit zwei Jahren jedoch betreibt

die Volksrepublik China in der Währungspolitik eine Politik der schrittweisen Ausweitung der RMB-

Zone. Auf diese Weise schafft sie die Voraussetzungen für eine spätere vollständige Freigabe der

Währung.

Zunächst wurde das „Pilot Program of Renminbi Settlement of Cross-Border Trade Transactions“61

gestartet, das es Unternehmen aus fünf Städten (Shanghai, Guangzhou, Shenzhen, Zhuhai und Dong-

guan) erlaubte, den RMB erstmals als Zahlungsmittel im internationalen Warenhandel mit den beson-

deren Verwaltungszonen Hongkong, Macao sowie unmittelbaren Nachbarstaaten wie zum Beispiel der

Mongolei, Vietnam, Kambodscha, Nepal und Nordkorea (‚cross-border’-Handel) zu verwenden –

allerdings nur für besonders „vertrauenswürdige“ Unternehmen aus zwei Provinzen, um eine Umge-

hung der Kapitalverkehrskontrollen durch verdeckte Finanztransfers und eine damit einhergehende

Volatilität der Kapitalflüsse zu vermeiden (Eichengreen 2011, S. 143f.).

Im Jahr 2010 wurde das Pilotprojekt erweitert und alle Unternehmen in 20 zusätzlichen chinesischen

Provinzen erhielten die Erlaubnis, solche Importe auf RMB-Basis abzuwickeln.62 Außerdem wurde

der Handel nicht mehr nur auf ASEAN beschränkt, sondern ist jetzt weltweit möglich. Die in RMB

getätigten internationalen Handelsgeschäfte haben sich in Folge dieser Politik im dritten Quartal 2010

verdoppelt. Ihr Gesamtwert betrug Ende 2010 rund 500 Milliarden RMB.63

Als jüngster Schritt wurde im März 2011 allen chinesischen Unternehmen erlaubt, Exporte und Impor-

te in eigener Währung RMB abzurechnen; der RMB ist allerdings immer noch nicht frei konvertier-

bar.64 Durch Umgehung des Dollars sinken die Transaktionskosten und Wechselkursrisiken. Bisher

wurden chinesische Exporteure in ausländischer Währung bezahlt, Mitarbeiter mussten aber in eigener

Währung entlohnt werden. Die Maßnahme lohnt sich also auch für deutsche Unternehmen: Ein deut-

sches Unternehmen, das nach China liefert, kann den erhaltenen Yuan-Betrag künftig in China ausge-

ben, für andere Geschäfte in der Währung nutzen oder auf dem Konto lassen, wo es von der Aufwer-

tung profitieren könnte. Außerdem sind Festpreisangebote durch RMB-Konten möglich (Geinitz und

Welter 2011).

61 Siehe den Text der Verordnung unter http://www.pbc.gov.cn/publish/english/964/2009/20091229135722061684633/20091229135722061684633_.html. 62 Vgl. „Handel in Renminbi für deutsche Exporteure“, in: http://exportmanager-online.de, 08.12.2010; im März 2011 erklärte die die chinesische Zentralbank, das Projekt im Laufe des Jahres auf ganz China ausweiten zu wollen. vgl. Shanghai Daily, GDP Growth Target set at 7%, 6.3.2011. 63 Vgl. „Produkt der Vergangenheit“ , in: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-76551122.html, 24.01.2011; Global Times, 4.3.2011.

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Ein weiteres Pilotprojekt erlaubte Privatpersonen aus der ostchinesischen Stadt Wenzhou, dem Zent-

rum der chinesischen Konsumgüterproduktion, im Ausland bis zu 200 Millionen Yuan zu investieren

– mit Ausnahme von Immobilien und Aktien.

Jüngst – bezeichnenderweise kurz vor dem Besuch von Ministerpräsident Hu in den USA – hat in

New York die dortige Filiale der Bank of China ihren amerikanischen Kunden Geldgeschäfte in RMB

ermöglicht. Kontoinhaber können RMB im Wert von bis zu 4.000 US-Dollar pro Tag und maximal

20.000 US-Dollar pro Jahr, tauschen. In Russland wurde Ende letzten Jahres der erste Rubel-RMB -

Handel an der Moskauer Interbanken-Devisenbörse aufgenommen. Das Handelsvolumen betrug bis-

lang insgesamt fünf Millionen Yuan (23 Millionen Rubel).65 Zuvor konnte der Handel zwischen Russ-

land und China ausschließlich in frei konvertierbarer Währung abgewickelt werden; nun ist dies auch

in den jeweiligen Landeswährungen ohne Einschränkung möglich.

Der eigentliche finanzpolitische Experimentierplatz Chinas bleibt jedoch die Sonderverwaltungszone

(SAR) Hongkong. Seit Anfang 2011 ist der Handel mit RMB-Anleihen auch dort möglich. Schätzun-

gen zufolge sollen 2011 Yuan- Anleihen (sog. Dim-Sum-Anleihen) im Wert von über 100 Milliarden

Yuan gezeichnet werden.66 Chinesische Unternehmen können nunmehr grenzüberschreitende Handels-

und Finanzierungsgeschäfte in der eigenen Währung abwickeln; sie umgehen damit den Dollar als

bisherige Fakturierungswährung, senken ihre Transaktionskosten und vermeiden Währungsrisiken.

Auch immer mehr große internationale Unternehmen, unter anderem Nokia, MacDonalds und Ikea,

haben Interesse daran, den RMB als Handelswährung und für Anleihen einzusetzen, nicht zuletzt, um

ihre Expansion auf dem chinesischen Festland zu finanzieren. Mit dieser begrenzten Freigabe möchte

die VR China herausfinden, welchen Wert die eigene Währung unter Marktbedingungen einnehmen

würde, und wie internationale Anleger reagieren. Hongkong eignet sich sehr gut dafür, da sich der

RMB neben der eigentlichen Währung, dem Hongkong- Dollar, bereits seit Längerem als Zweitwäh-

rung etabliert hat.

Beabsichtigt ist auch, mehr Kanäle für den Rückfluss von RMB nach China zu schaffen. Geprüft wird,

ob es bald gestattet sein soll, im Ausland gehaltene RMB für Direktinvestitionen in China zu nutzen.

Bisher gab es nur eine „Mini-Öffnung“, die von der Chinesischen Zentralbank nicht quantifiziert wird.

Denn sonst würden sich möglicherweise massive Kapitalströme auf China richten – eine Volkswirt-

schaft, die höhere langfristige Zinsen als Bundesanleihen bietet, unter Aufwertungsverdacht steht und

nachhaltig gute Wachstumsaussichten aufweist.

65 Vgl. „Yuan-Rubel-Handel an Moskauer Börse aufgenommen – Umfang weit über Prognose“, in: http://de.rian.ru/trade_and_finance/20101215/257896036.html, 15.12.2010. 66 Chinesische Anleihespezialitäten für den Westen, in http://www.handelsblatt.com/finanzen/boerse-maerkte/anleihen/chinesische-anleihespezialitaeten-fuer-den-westen/3756262.html, 6.1.2011.

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Weiterhin soll aktiv auf Anfragen anderer Zentralbanken eingegangen werden, den RMB als Reser-

vewährung zu nutzen. Der RMB stellt angesichts der Schuldenkrisen in den USA (und ihrer Bundes-

staaten) und in der Eurozone eine attraktive Ergänzung ihrer Portfolios dar. Diese Strategie ist auch für

China selbst sinnvoll, denn Notenbanken legen ihre Gelder generell konservativer an als andere Inves-

toren und Vermögenspreisblasen können künftig vermieden werden.

Ab April 2011 sollen auch Optionsgeschäfte auf den RMB zugelassen werden – als Absicherung chi-

nesischer Banken und Unternehmen gegen Wechselkursschwankungen. Auch dies kann als ein indi-

rektes Signal für eine stärkere Wechselkursflexibilisierung interpretiert werden. Allerdings sind wohl

nur Kaufoptionen gegen steigende Kurse erlaubt. Hiermit sollen Wetten auf eine Abwertung des RMB

verhindert werden.67

Ein weiteres Mittel zur schrittweisen Verwirklichung des Leitwährungs-Plans sind die weiter oben

erwähnten Währungsswaps mit acht anderen Zentralbanken: Unternehmen dieser Länder können mit

RMB versorgt werden.

Wie realistisch ist der Plan? Langsamer, aber stetiger Fortschritt

Über die Zeit wird China die Bedeutung des RMB für Finanz- und Gütertransaktionen durch die

Schaffung liquider Wertpapiermärkte und die Liberalisierung des Zugangs zu diesen stärken können.

Die Frage ist nur: Wie lange dauert das? China scheint schon fast eine Dekade derartige Bestrebungen

zu hegen, ist aber bislang nur einen kleineren Teil des Weges gegangen. Aus gutem Grund: Die Ver-

einbarung von Finanzmarktstabilität mit vollständiger Kapitalverkehrsfreiheit ist an anspruchsvolle

Voraussetzungen gekoppelt (Dobson und Masson 2009, Eichengreen 2011, S. 145, Raschen 2011, und

Wu, Pan, und Di 2010): 1) Transparenz der Märkte, 2) Rein kaufmännische Ausrich-

tung/Entstaatlichung der Banken, 3) Stärkung der Finanzmarktaufsicht und Regulierung, 4) solide und

stabilitätsorientierte Geld- und Fiskalpolitiken, 5) Flexibilisierung des Wechselkurses, um ein größeres

Volumen an Kapital zu- und Abflüssen absorbieren zu können (wird die „Bestrafungsfunktion“ des

Wechselkurses toleriert?).68

China muss folglich nach Alternativen zu seinem bisherigen Wachstumsmodell mit staatlicher Steue-

rung von Bankkrediten und einem Wechselkurs-Anker an den Dollar suchen. Wie die Reaktion der

67

Vgl. Financial Times Deutschland http: / / www.ftd.de/ finanzen/ maerkte/ anleihen-devisen/ : unterwegs-zur-

weltwaehrung-china-treibt-renminbi-reform-voran/ 60013147.html. 68

Dobson und Masson (2009) diskutieren weitere Faktoren, die zur internationalen Verwendung von Währun-

gen beitragen. Sie befassen sich schwerpunktmäßig mit den Aspekten von Chinas Finanzsystem, die sich ändern

müssen, bevor der Renminbi zur Weltwährung aufsteigen kann. Selbst mit signifikanten Reformen verbleiben

die beiden wichtigen Fragen: wollen die Autoritäten seine internationale Verwendung wirklich forcieren? Und:

kann eine Volkswirtschaft mit substanzieller P arteikontrolle wirklich nachhaltige internationale Akzeptanz für

seine Währung schaffen?

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Chinesen auf die Krise 2008 zeigt, kann dies durchaus noch ein steiniger Weg sein. Denn die Reaktion

der chinesischen Behörden ging 2008 genau in die entgegengesetzte Richtung. Eine höhere Kredit-

vergabe wurde verordnet und der Dollaranker des RMB wurde gehärtet. Letzteres kann man auch als

eine künstliche Abwertung des RMB zur Aufrechterhaltung der Exporte interpretieren. Dass Chinas

Bewegung in Richtung offener Finanzmärkte graduell, aber stetig bleiben wird deckt sich mit der Em-

pirie. Ein Big Bang ist hingegen unwahrscheinlich (Dobson und Masson 2009, Eichengreen 2011, S.

145, und Raschen 2011).

Die Bindung des RMB wurde im Juni 2010 zwar etwas gelockert, was als ein erster kleiner Schritt in

Richtung einer nachhaltigen Flexibilisierung und als Indikation dafür, dass es den Chinesischen Offi-

ziellen mit der Internationalisierung des RMB ernst ist, interpretiert werden kann (Eichengreen, 2011,

S. 193f.). Die chinesische Zentralbank kontrolliert den Wechselkurs aber nach wie vor streng. Jeden

Tag wird ein Referenzwert festgelegt, von dem der tatsächliche Kurs maximal um 0,5 % abweichen

darf. Dies ist aus chinesischer Perspektive unmittelbar einsichtig, denn freier Yuan bringt Kontroll-

probleme für Chinas Autoritäten mit sich. Sie wollen den Wohlstand steuern und haben Angst vor

„nordafrikanischen Verhältnissen“. Eine Flexibilisierung des RMB kann prinzipiell mit einer politi-

schen Liberalisierung einhergehen. Dies ist offensichtlich aber weniger gewollt (Raschen 2011, S. 9).

Außerdem könnten, wenn die Währung zu schnell zu stark wird, Spekulanten auf den Plan gerufen

werden.

Ein entscheidender Punkt wird die Entwicklung der Anleihemärkte in China sein. Bis vor Kurzem

wurden in RMB denominierte Bonds nur von chinesischen Banken und multilateralen Banken wie der

Weltbank und der Asian Development Bank verkauft – und dies ausschließlich in China. Die Chinesi-

schen Offiziellen zögerten damit, ausländischen Unternehmen die Ausgabe von RMB-denominierten

Bonds zu gestatten, da dies die Fähigkeit der Regierung einschränken könnte, Ersparnisse kanalisiert

und direkt in den chinesischen Industriesektor zu lenken.69 Denn falls die ausländischen Unternehmen

chinesischen Investoren ohne ein Wechselkursrisiko attraktivere Bedingungen böten, flössen ihre Er-

sparnisse nicht mehr notwendigerweise an die chinesischen Banken, nur damit diese die Ersparnisse

an die von der Regierung bestimmten Unternehmen weiterleiten (Eichengreen 2011, S. 145f.).

Ab Sommer 2009 wurde die Entwicklung eines Marktes für RMB-dominierten Bonds in Hong Kong

zugelassen (u.a. HSCB Holdings, Hopewell Highway Infrastructure). Weiter geht man zunächst noch

nicht, denn sonst wäre das chinesische Entwicklungsmodell in seinen Grundfesten bedroht. Ein Markt

für RMB-denominierte Anleihen in Shanghai beispielsweise wäre definitiv etwas Anderes und rich-

tungsweisend. Dementsprechend soll Shanghai auch erst 2020 in ein internationales Finanzzentrum

69

Die Analogie zu Japan in den 1970er Jahren wird offensichtlich.

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transformiert werden – vorausgesetzt die oben genannten fünf Bedingungen sind vorher erfüllt.70 Aber

auch die USA erlangten, ausgehend von einem Status, in dem er keinerlei internationale Rolle spielte,

in weniger als zehn Jahren die Position einer führenden internationalen Währung (Eichengreen 2011,

S. 146). In dieser Hinsicht scheint der Zeitplan der Chinesen noch nicht einmal unrealistisch. Trotz-

dem scheint das Ziel 2020 aus anderen Gründen doch etwas zu ambitioniert.

Eichengreen (2011), S. 147, verweist aber zum einen zu Recht darauf, dass die für eine Konvertibilität

des RMB notwendige Änderung der chinesischen Volkswirtschaft sogar noch weitreichender ist, als es

für die USA die Schaffung der Fed und eines Marktes für Dollarpapiere war. Zum anderen dürfte das

BIP Chinas 2020 trotz einer unterstellten Jahreswachstumsrate von sieben Prozent immer noch zu

tatsächlichen Wechselkursen (denn diese sind für internationale Transaktionen bedeutsam) nur unge-

fähr die Hälfte des US-Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Folglich wird die Liquidität der Märkte in

RMB längst nicht so hoch sein wie diejenige der Dollarmärkte (Eichengreen 2011, S. 147).

Eine Leitwährung kann sich aber nur auf freiem Markt durchsetzen. Wäre China eine Demokratie,

wäre das kein Problem. So aber garantiert der liquide und liberale Finanzmarkt in den USA, dass der

Dollar die Leitwährung bleibt (Dobson und Masson 2009, Raschen 2011, S. 9).

Was für eine mittelfristige Verwirklichung des Leitwährungs-Ziels Chinas spricht

Wird die Währung eines Landes außerhalb seiner Grenzen in großem Umfang zu Wertaufbewahrungs-

und Transaktionszwecken genutzt, so stellt dies insbesondere unter dem Aspekt steigender Seigniora-

ge-Einnahmen, aber auch aufgrund wegfallender Wechselkursunsicherheit und verminderter Transak-

tionskosten einen enormen Vorteil für das Land dar. Darüber hinaus gewinnt ein Land in den relevan-

ten internationalen Organisationen (G-20, IWF etc.) tendenziell an Einfluss, sofern seine Währung

internationale Bedeutung hat. Internationale Leitwährung bringt somit politischen Einfluss mit sich.

Schließlich ist eine Auslands-Verschuldung in eigener Währung möglich.

Die Kosten eines „festen“ Wechselkurses zum US-Dollar sind für China eigentlich (zu) hoch. Um den

Wechselkurs stabil zu halten, muss Chinas Zentralbank die aus dem hohen Handelsüberschuss zuflie-

ßenden Devisen umtauschen. Dadurch flutet sie die Inlandsmärkte mit Yuan, was die Geldentwertung

antreibt (siehe Abschnitt 1.b.iv zur Entwicklung der Überschussliquidität in den BRICs). Den gleichen

Effekt weisen die überteuerten Importe auf (Geinitz und Welter 2011). Die Inflationsgefahr steigt -

wie Anfang März 2011 von Wen Jiabao thematisiert (Raschen 2011). Der Dollar-Peg Chinas ermög-

licht gleichzeitig eine immer höhere Verschuldung der USA (bislang schon 1,16 Billionen Dollar).

70 Vgl. http://www.sina.com.cn, 27.10.2010 (Vorschlag des ZK der KP China zum 12. Fünf-Jahres-Programm vollständig veröffentlicht).

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Diese wiederum erhöht das Risiko eines Dollarabsturzes, der für die Volksrepublik mit ihren hohen

Dollarreserven fatal wäre.

Was haben Schwellenländer davon, wenn sie ihre Geschäfte mit China nicht in Dollar, sondern in

Yuan abwickeln?

Brasilien und China sorgten im Jahr 2009 für viel Aufruhr, als sie bekannt machten, dass sie ihre eige-

nen Währungen im bilateralen Handel verwendeten. Malaysia kündigte kurze Zeit später an, diesem

Beispiel folgen zu wollen. Solche „Versuchsbojen“ sind aber vor allem dazu geeignet, die Existenz

eines solchen Handels publik zu machen und zu bewerben. Denn was nützt dem typischen brasiliani-

schen Unternehmen der RMB, wenn die chinesische Währung nicht umgewandelt werden kann? Es

wird RMB nur in dem Umfang akzeptieren, wie es beabsichtigt, diese wieder in China zu investieren.

Dies stellt aber nicht den üblichen Fall dar.71

Eine Diversifikation der Transaktionswährungen in Richtung einer breiteren Basis ist aus Risikoge-

sichtspunkten vorzugswürdig. Vor allem dürfte der Wert der Devisenreserven nicht so stark schrump-

fen, wie das bei einer einseitigen Dollarbetonung der Fall wäre. Darüber hinaus könnte der RMB mit-

telfristig für wertstabiler als der US-Dollar gehalten werden. Schließlich können Schwellenländer ei-

nen indirekten Nutzen aus der weiter zu erwartenden Aufwertung des RMB ziehen. Neben einer ge-

ringeren Abhängigkeit von der „zweifelhaften“ makroökonomischen Politik der USA könnte die Lo-

ckerung des RMB-Wechselkurses zu höheren Dollarpreisen ihrer Exporte führen.

Insgesamt gesehen ist die Erfüllung der zentralen Voraussetzungen für die erfolgreiche Entwicklung

Chinas als einem globalen Finanzakteur, eine vollständige Freigabe und die Konvertierbarkeit des

RMB, allenfalls mittelfristig zu erwarten (Dobson und Masson 2009 und Raschen 2011). Aber vorerst

wird der Anteil in RMB gehaltener Währungsreserven begrenzt bleiben. Diese dürften sich vornehm-

lich für Länder als attraktiv erweisen, die intensiv mit China Außenhandel betreiben und dort auch ihre

finanziellen Geschäfte abwickeln. Die Schwankungen des RMB auf den Devisenmärkten sind deshalb

für diese Ländergruppe auch am bedeutendsten Die RMB-Reservehaltung wird ganz analog zu Euro-

pa, wo die Haltung von Euro-Reserven um die Eurozone herum konzentriert ist, überproportional stark

auf Asien beschränkt bleiben (Eichengreen 2011, S. 147, Murphy und Yuan 2009).

Der RMB mag sich auch jetzt schon direkt und erfolgreich in Richtung einer regionalen und subsidiä-

ren Reservewährung sein und könnte eines Tages durchaus zum Rivalen des US-Dollars aufsteigen

(Murphy und Yuan 2009). Kurzfristig jedoch wird er nur schwerlich mit der Währung einer bis auf

71

Brasilien und Argentinien trafen im September 2008 ein ähnliches Abkommen, ihren bilateralen Handel in

ihren eigenen Währungen abzuwickeln. Bezeichnenderweise nutzen sie in der P raxis dennoch nach wie vor US-

Dollar. Vgl. Eichengreen (2011), S. 145.

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Weiteres noch deutlich größeren Volkswirtschaft, den USA, konkurrieren und zur dominierenden Re-

servewährung werden können (Dobson und Masson 2009, Eichengreen 2011, S. 147, und Ito 2010).

vi. Andere Vorschläge: Aufwertung des Goldes und anderer Rohstoffe als Reserve-

Assets

Schließlich kam vor Kurzem auch wieder die Rolle des Goldes im internationalen Währungssystem

auf die Agenda. Gerade im Falle eines drohenden Vertrauensverlusts des Dollars – oder selbst ohne

diesen – sei Gold für international Investoren, darunter Zentralbanken, ein naheliegendes Wertaufbe-

wahrungsmittel. Zoellick (2010) beispielsweise argumentiert, dass das internationale Währungssystem

“should also consider employing gold as an international reference point of market expectations about

inflation, deflation and future currency values”. Während dieser Vorschlag natürlich keine irgendwie

geartete Rolle des Goldes als ein wiederbelebter Anker des internationalen Währungssystems impli-

ziert, sieht Zoellick Gold als ein alternatives Wertaufbewahrungsmittel, besonders wenn Unsicherheit

über die zukünftige Rolle verschiedener Währungen während des Übergangs zu einem im Kern multi-

polaren Währungssystem vorliegen.

In der Praxis hingegen haben die Notenbanken weltweit ihren Anteil an Goldreserven seit einem Jahr-

hundert drastisch verringert. Während das Gold 1913 noch knapp 70 Prozent der internationalen Re-

serven der Zentralbanken ausmachte, sind es heute nur noch knapp 10 Prozent. Die Gründe hierfür

liegen auf der Hand. Gold eignet sich deutlich weniger für die Abwicklung von Notfall-

Finanztransaktionen, zum Beispiel Käufe einer unter Abwertungsdruck stehenden Währung gegen

US-Dollar oder die Schnürung von ‚emergency financial packages’ des IWF72, als die üblichen Finan-

zierungsinstrumente („inconvenience of use“). Analoges gilt für die Bezahlung von Importen oder

Zinsen auf Auslandsverschuldung (Eichengreen 2011, S. 147f.).

Ausnahmen wie die 2009 getätigten Goldkäufe Indiens vom IWF bestätigen die Regel. Indien, eine

Volkswirtschaft mit flexiblen Wechselkursen, Beschränkungen von internationalen Kapitalflüssen und

einem relativ gesunden Bankensystem benötigt gegenwärtig seine internationalen Reserven kaum für

Markttransaktionen. Es machte deshalb aus seiner Sicht durchaus Sinn, angesichts steigender Zweifel

an der Wertstabilität des US-Dollars den Goldanteil an seinen Reserven etwas zu erhöhen. Jedoch

änderten auch diese Goldkäufe nichts am langfristig sinkenden Trend des Goldanteils an den internati-

onalen Reserven der indischen Zentralbank (InWent 2010). Die Goldverkäufe des IWF lassen sich in

seine seit Jahren verfolgte Strategie der schrittweisen Verflüssigung seines Portfolios in Richtung ge-

bräuchlicherer Finanzvermögen einordnen (Eichengreen 2011, S. 148). Im Anschluss waren weitere

72

Siehe die Bereitstellung von ‚ Cash’ in Dollars und Euros durch den IWF für Ungarn, Island, Lettland und die

Ukraine im Jahr 2008.

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Goldkäufe in geringerem Umfang auf lokalen Märkten zu beobachten. Andere Zentralbanken folgten

nicht in großem Stil. Der IWF hatte Anfang 2010 sogar erfolglos versucht, die letzten 200 Tonnen

seiner geplanten Goldverkäufe an den Markt zu bringen.

Auch in Bezug auf Gold verdient China wieder das Hauptaugenmerk. Seit 2008 hat die chinesische

Zentralbank den Anteil der Goldreserven langsam erhöht. Setzt sie diese Politik fort, könnte dies für

die Rolle von Gold für die internationale Reservehaltung von Notenbanken bedeutsam werden. Aber

wiederum kommt Chinas Dilemma zum Tragen, dass der Anteil des US-Dollars an seinen Reserven

und die absolute Höhe dieser Reserven so hoch sind, dass weitere Käufe von Gold gegen Dollar den

Wert des US-Dollar weiter drücken würden. Chinesische Exporte würden teurer und es würden Ver-

luste auf die noch gehaltenen Dollarbestände zu verzeichnen sein. Schließlich würde auch der Preis

des Goldes selbst nach oben getrieben, was die Kosten zukünftiger Goldkäufe erhöhen würde (Ei-

chengreen 2011, S. 148f.).

Eine andere häufig diskutierte Option ist eine Umwandlung internationaler Reserven in „real assets“,

d.h. Rohstoffe wie Holz und Öl (Murphy und Yuan 2009, S. 7). Der Hintergrund ist, dass die USA die

Erträge der Auslandsanlagen in US-amerikanische T-Bills hinweg inflationieren könnte (Belke und

Gros 2010). Diese Strategie dürfte aber nur für Volkswirtschaften und deren Notenbanken und Staats-

fonds geeignet sein, die über deutlich mehr internationale Reserven verfügen, als sie für Markttransak-

tionen benötigen. Weniger naheliegend ist sie für Länder, die eine baldige Verwendung ihrer Reserven

absehen können. Der Verkauf in Notsituationen von Nutzwald beispielsweise dürfte sich für sie noch

schwieriger als derjenige von Gold erweisen (Eichengreen 2011, S. 149f.). Wegen der mangelnden

Realisierungschance und der offensichtlichen Nachteile bei einer weiter stetig wachsenden Weltwirt-

schaft – u.a. deflationäre Effekte - setzt sich diese Studie nicht mit der Sinnhaftigkeit der (Wieder-)

Einführung des Goldstandards in seiner reinen ursprünglichen Form auseinander (vgl. hierfür bei-

spielsweise Eichengreen 2011, S. 51-54).

c. Durchsetzbarkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit en

Die vorstehenden Überlegungen zeigen, dass in Zukunft mit einem multipolaren internationalen Wäh-

rungssystem zu rechnen ist. Um Wohlfahrtsverluste zu vermeiden, macht es viel Sinn, auf dem Weg

dorthin Wechselkursflexibilität zwischen den Währungsblöcken einzuführen. Um eine nicht funda-

mental gerechtfertigte Wechselkursvolatilität und damit einhergehende Wohlfahrtsverluste (Abschnitt

1.b.iii) zu vermeiden, ist eine kontinuierliche Entwicklung ohne Brüche eine Conditio sine-qua-non.

Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung hängt von der Wahrscheinlichkeit der Auflösung der Verzer-

rung zugunsten des Status Quo ab. Netzwerkeffekte, hohe Wechselkosten und der daraus resultierende

„lock-in“-Effekt wirken tendenziell in Richtung einer weiteren Nutzung des Dollars als Transaktions-

und Reservewährung. Im Sinne der Hysterese-Theorie (Belke, Göcke und Gunther 2009) dürfte dies

trotz des Vertrauensverlustes in den Greenback innerhalb eines bestimmten Intervalls auch noch län-

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ger so bleiben. Der US-Dollar hat den Vorteil der ‚incumbency’, der wie in einem natürlichen Mono-

pol den Status einer internationalen Währung bestimmt.

Dieser Mechanismus wird jedoch zukünftig nicht mehr denselben Stellenwert wie zuvor aufweisen.

Denn Änderungen der Informationstechnologie dürften sich auch auf den Bereich der ‚International

Finance’ niederschlagen. Darüber hinaus lässt die schiere Größe der Weltwirtschaft im 21. Jahrhundert

mittlerweile mehr als einen Markt mit einer Liquidität zu, die zu geringen Transaktionskosten führt.

Wenn die Märkte größer werden und die Kosten des Austausches von Währungen fallen, entsteht

Raum für mehrere Alternativen. Beide Argumente sprechen also dafür, dass das Argument des natürli-

chen Monopols ähnlich wie im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung, der Elektrizität und des

Fernmeldewesens künftig eine geringere Rolle für den Status einer Weltreservewährung spielen wird

(Eichengreen 2011, S. 150f. und 194). Ohnehin scheint das Argument des natürlichen Monopols selbst

währungsgeschichtlich übertrieben. Im späten 19. Jahrhundert wurden neben dem damals führenden

Pfund Sterling auch der französische Franc und die Deutsche Mark bei internationalen Transaktionen

genutzt (de Cecco 2009).

Die führenden Spieler im neuen multipolaren internationalen Währungssystem lassen sich mit hinrei-

chender Sicherheit benennen. Der US-Dollar, die Währung des größten nationalen Wirtschaftsraumes

mit den liquidesten Märkten wird mittelfristig der Primus inter pares bleiben. Der Euro mit einem

Wirtschaftsraum im Rücken, der ökonomisch ähnlich bedeutsam wie die USA ist, hat gerade an seiner

Peripherie das Potenzial, noch attraktiver zu werden. Dies dürfte spätestens dann eingelöst werden,

wenn die Eurozone seine Schuldenkrise institutionell überzeugend gelöst haben wird. China hat be-

reits damit begonnen, Ausländer schrittweise, aber stetig zur Nutzung des RMB bei Güter- und Fi-

nanztransaktionen zu animieren. Mittelfristig, d.h. in etwa einer Dekade, dürfte der RMB deshalb zu

einer für internationale Investoren und Zentralbanken attraktiven Währung aufgestiegen sein (Eichen-

green 2011, S. 151).

Der vorstehende Befund und die dabei verwendeten Argumente lassen vermuten, dass es global sogar

Spielraum für mehr als drei internationale Währungen gibt. Yen und Rubel werden aufgrund ihrer

negativen demografischen Entwicklung nicht dazu zählen. Denn die Bevölkerungszahl dient als Nähe-

rungsgröße für (potenzielle) wirtschaftliche Größe, die wiederum für die Liquidität der Märkte bedeut-

sam ist. Kandidaten sind hingegen die indische Rupie und der brasilianische Real. Beide Volkswirt-

schaften, die beide eine vorteilhafte demografische Struktur aufweisen, haben noch ähnliche gewichti-

ge Umstrukturierungsaufgaben wie China zu erledigen, bevor ihre Währungen international Verwen-

dung finden können. Sie müssen eine internationale Teilnahme auf inländischen Finanzmärkten zulas-

sen. Zudem sind ihre Finanzsysteme noch stark bankbasiert. Sie müssen in signifikantem Umfang

liquide Märkte für kurz- und langfristige Staatsanleihen, die Zentralbanken und andere internationale

Investoren attraktiv finden, schaffen. Beide Volkswirtschaften sind allerdings weniger intensiv im

Außenhandel und ausländischen Direktinvestitionen engagiert als China und zudem ökonomisch klei-

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ner. Dies lässt vermuten, dass das Ausmaß der internationalen Verwendung der Rupie und des Real

geringer sein wird als diejenige des RMB (Eichengreen, 2011, S. 151f.).

Zwischenfazit

Unsere Analyse lässt nicht den Schluss zu, dass der US-Dollar seinen Status als Leitwährung notwen-

digerweise verlieren wird. Da China zu viel in den Greenback investiert hat, hat China gar kein Inte-

resse daran, den US-Dollar zu entthronen. Dass China erst einmal in den Dollar investiert bleibt, ist

nach unseren Ausführungen mit der Schaffung einer konsequenteren internationalen Rolle des RMB

vollständig kompatibel (Eichengreen, 2011, S. 8). Unsere Analyse impliziert lediglich, dass der US-

Dollar in zunehmendem Maße Wettbewerber haben wird, die seinen Marktvorteil bestreiten werden.

Exporteure und internationale Investoren werden über eine wachsende Anzahl an alternativen Wäh-

rungen verfügen. Der US-Dollar kann den Wettstreit gewinnen, wenn die USA nicht selber eine haus-

gemachte Krise erster Ordnung verursachen (Belke, 2010a, 2010b). Die Chinesen jedenfalls werden

im ureigenen Interesse keinen Dollar-Crash provozieren (Eichengreen, 2011, S. 8).

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3. Politik im Übergang und im neuen System: Vermeid ung von Fehlentwicklungen und Entschärfung von Krisen

Wie in den vorangehenden Kapiteln erarbeitet, ist ein multipolares Währungssystem sowohl aus deut-

scher und europäischer Sicht, aber auch aus globaler Perspektive das wahrscheinlichste und auch zu

bevorzugende Weltwährungssystem. Unsere Ausführungen in Abschnitt 2.b.iii und 2.b.iv berechtigen

zu Skepsis bezüglich der Nutzen der Schaffung einer neuen supranationalen Reservewährung bezie-

hungsweise der Realisierungswahrscheinlichkeit einer stärkeren Nutzung des SZR durch den Markt.

Die Herausforderung der Politik in den kommenden Monaten und Jahren wird zum einen sein, das

wirtschaftspolitische Umfeld so umzugestalten, dass sich das Weltwährungssystem von einem bisher

monopolaren hin zu einem marktbestimmten multipolaren System transformiert, und zum anderen

darin bestehen, die institutionellen Mängel, die das derzeitige System besonders in der jüngsten Fi-

nanz- und Wirtschaftskrise offenbarte, zu beseitigen, um die langfristige Stabilität dieses Systems zu

garantieren. Die Flexibilität der Wechselkurse zwischen einheitlichen Währungsräumen ist weiter zu

erhöhen, sodass Änderungen der Wechselkurse im Idealfall Änderungen der zugrunde liegenden Fun-

damentaldaten widerspiegeln können. Von kompetitiven Währungsabwertungen, die ausgelöst von

Wechselkurs-Misalignments in ‚currency wars’ ausarten können, ist schon allein wegen der dabei

entstehenden nicht fundamental gerechtfertigten Wechselkursvolatilität und den damit verbundenen

realwirtschaftlichen Kosten (Abschnitt 1.b.ii) sowie der Provokation protektionistischer Reaktionen

dringend abzuraten.

a. Der Übergang von einem monopolaren zu einem mult ipolaren Weltwäh-rungssystem

Damit sich ein multipolares Weltwährungssystem entwickeln kann, ist es zunächst entscheidend, dass

mehrere Währungen als internationales Zahlungsmittel an den Devisenmärkten etabliert sind oder sich

zukünftig etablieren können. Eine internationale Währung definiert sich als eine Zahlungseinheit, die

weltweit akzeptiert ist als Kontrahierungswährung im Güterhandel, als frei konvertierbare Rechenein-

heit und als liquide Anlagewährung eines gut entwickelten Finanzmarktes (vgl. Stier et al., 2010). Wie

in Kapitel 2.c erläutert, bieten sich mehrere Währungen in der mittleren bis längeren Frist an, um ne-

ben dem US Dollar als internationales Zahlungsmittel gehandelt zu werden. Dies sind der Euro, der

Chinesische Renminbi, die Indische Rupie und der Brasilianische Real. Jede dieser Währungen jedoch

hat unterschiedliche Herausforderungen und Entwicklungsschritte zu bewältigen, um sich an den Fi-

nanzmärkten als vertrauenswürdiges Zahlungsmittel in Zukunft zu etablieren (vgl. Dorrucci und

McKay, 2011, S. 33):

• Der Euro hat sich seit seiner Einführung 1999 bereits mit großen Schritten in Richtung einer

internationalen Währung entwickelt. Dies zeigt sich zum einen daran, dass der Euro von vie-

len Ländern – hauptsächlich Mittel- und Osteuropäische Staaten – als Referenzwährung ge-

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führt wird. Außerdem ist der Anteil der Währungsreserven, welche von Nicht-Euroländern in

Euro gehalten werden, gegenüber dem US Dollar erheblich gestiegen. Während 1999 nur 18

Prozent der internationalen Währungsreserven in Euro gehalten wurden, waren es im dritten

Quartal 2010 schon rund 27 Prozent. Im selben Zeitraum sank der Anteil an Währungsreser-

ven in US Dollar von 71 Prozent auf 61 Prozent. Für die weitere Entwicklung des Euro in

Richtung einer internationalen Zahlungseinheit wird entscheidend sein, wie beständig und

konsequent die Wirtschaftspolitik in der Eurozone im Nachlauf der Eurokrise ist – was sich in

einem gestärkten Rahmen einer EU Governance Rahmen widerspiegeln sollte (Belke, 2010c).

Abzuwarten ist, ob es gelingt, einen glaubwürdigen und wirksamen Krisenmechanismus zu

etablieren, sodass zukünftige fiskalische Krisen in einzelnen Mitgliedsländern nicht mehr die

Stabilität der gesamten Eurozone und des Euros in Frage stellen. Außerdem sollte ein weiterer

Abbau von Kapitalmarktfriktionen angestrebt werden, um die Liquidität europäischer Kapi-

talmärkte zu verbessern.

• Bis sich der Renminbi als internationales Zahlungsmittel etabliert hat, wird sicherlich noch ei-

nige Zeit vergehen. Die chinesische Regierung hat schon einige Schritte in die richtige Rich-

tung unternommen, um seine Währung am Finanzmarkt zu positionieren (siehe Abschnitt

2.b.v.), dieser Prozess ist jedoch noch lange nicht abgeschlossen (vgl. Stier et al., 2010). Ent-

scheidend für die Etablierung des chinesischen Renminbi am internationalen Devisenmarkt

wird sein, dass dieser frei konvertierbar wird und als grenzübergreifendes Zahlungsmittel

verwendet werden kann. Eine zunehmende Flexibilisierung des Währungssystems könnte da-

bei entscheidend helfen, welche dann langfristig auch die Kontrolle von Kapitalströmen über-

flüssig machen würde. Entscheidend wird außerdem der Aufbau der heimischen Finanzmärkte

sein. Wenn dies gelingt, so wird sich der RMB auch für den Binnenhandel als Hauptzah-

lungsmittel etablieren und seine Attraktivität für ausländische Investoren steigen. Bis sich der

RMB als internationales Zahlungsmittel etabliert hat, könnte darüber nachgedacht werden, die

chinesische Währung in den SZR-Währungskorb aufzunehmen, was dem gewachsenen Ge-

wicht Chinas im Welthandel Rechnung tragen würde (Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry,

2011a). Derzeit erfüllt der RMB aber das entscheidende Kriterium der freien Verwendbarkeit

(noch) nicht und eine Aufnahme des RMB in den SZR-Währungskorb in sehr kurzer Zeit ist

daher noch nicht realisierbar.73

73

Er wird weder in bedeutendem Umfang für internationale Transaktionen genutzt, noch wird er in hohem

Volumen an Devisenmärkten gehandelt. Darüber hinaus bildet sich der Zins für den Renminbi nicht am Markt,

sondern wird von der Zentralbank festgelegt. Es gibt aber klare Anzeichen für eine Zunahme der Verwendung

des Renminbi als Währung für internationale Transaktionen (Fakturierung von Warengeschäften; Begebung

von Bonds).

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• Für die indische Rupie gelten ähnliche Anforderungen wie für den chinesischen Renminbi, um

als internationale Währung akzeptiert werden zu können. Aufgrund des kräftigen Wirt-

schaftswachstums Indiens gewinnt die Währung immer mehr an Bedeutung. Schwierigkeiten,

die auf dem Weg zu einer internationalen Währung zu bewältigen sind, ist die Tatsache, dass

Indien im Gegensatz zu China Zahlungsbilanzdefizite aufweist und die Währung stark von

Kapitalzu- und -abflüssen ausländischer Investoren beeinflusst werden könnte. Auch hier gilt,

dass die indische Regierung erst eine freie Konvertibilität der Rupie sicherstellen und diese als

offizielles Zahlungsmittel bei internationalen Transaktionen zulassen muss, bevor diese Wäh-

rung sich am internationalen Devisenmarkt etablieren kann.

• Analoge Voraussetzungen führen wir in Abschnitt 2.c für eine internationale Verwendung des

brasilianischen Real an. Brasilien muss vor allem in signifikantem Umfang liquide Märkte für

Vermögensbestände, die Zentralbanken und andere internationale Investoren attraktiv finden,

schaffen.

Für einen erfolgreichen Wechsel von einem monopolaren, US Dollar fokussierten Wechselkurssys-

tems hin zu einem multipolaren System sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. So besteht das

ureigenes Risiko, dass der Übergang zu einem wahrhaft multipolaren Währungssystem länger anhal-

tende Perioden höherer Wechselkurs- und Vermögenspreisvolatilität hervorrufen könnte, da sich die

Währungszusammensetzung beispielsweise der Devisenreserven, der Portfolios des privaten Sektors

sowie internationaler Zahlungsvorgänge anpasst. Dies könnte zu den bereits in Abschnitt 1.b.ii. be-

schriebenen Auswirkungen erhöhter Wechselkursvolatilität auf den realwirtschaftlichen Sektor führen.

Von daher ist es sehr wichtig, dass der Übergang von dem derzeitig monopolaren hin zu einem multi-

polaren Währungssystem graduell und nicht abrupt verläuft, um Verwerfungen und Schwankungen

auf Kapitalmärkten gering zu halten. Anstatt diesen Wechsel in Form von politischen Beschlüssen

aufzuerlegen, ist es daher ratsam, von politischer Seite nur die notwendigen Voraussetzungen zu

schaffen, damit sich die oben genannten Währungen internationalisieren können, um anschließend die

Umstellung den privaten und öffentlichen Marktteilnehmern selber zu überlassen. Die Tatsache, dass

nicht alle oben diskutierten Devisen zum gleichen Zeitpunkt reif sind, um als internationale Zahlungs-

einheit zu dienen, ist in dieser Hinsicht für eine graduelle Umstellung des Währungssystems somit

förderlich. Aufschlussreiche und nützliche Vorschläge, wie ein Übergang zu einem System multipola-

rer Währungen geschmeidig bewerkstelligt werden kann, werden beispielsweise von Eichengreen

(2011) entwickelt.

b. Die Mängel des derzeitigen Währungssystems beheb en

Neben der Dominanz des US Dollar im derzeitigen Weltwährungssystem haben noch mehrere andere

Faktoren dazu beigetragen, dass sich das derzeitige Weltwährungssystem in der jüngsten Finanzkrise

als nicht besonders robust gegenüber Finanzmarktverwerfungen und der Entstehung von massiven

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Ungleichgewichten gezeigt hat. Für die zukünftige Stabilität des Weltwährungssystems ist es wichtig,

diese Mängel zu identifizieren und zu beheben. Im Folgenden soll auf einige – und unserer Einschät-

zung nach wichtigsten - Mängel genauer eingegangen werden.

i. Koordinierung der Geld- und Währungspolitik bei globaler Überschussliquidität

Insbesondere der Abschnitt 1.b.iv. dieser Studie zur Transmission globaler Überschussliquidität leitet

zur Analyse der Frage der globalen Leitwährung aus der Perspektive europäischer und deutscher Inte-

ressen über. Besondere Aufmerksamkeit wurde im bisherigen Verlauf der Studie einer Analyse dar-

über hinaus der strategischen Position des Euro im Hinblick auf langsame Machtverschiebungen im

Währungsverhältnis zwischen den USA und China geschenkt (Stier et al., 2010). Unser Ausgangs-

punkt dabei ist der sich verstärkende Eindruck, dass die gegenwärtige Dollarbindung des RMB bei

gleichzeitig flexiblen Wechselkursen des Euro und des Yen mit einer zunehmenden Dominanz der G-

2 (USA und China) in währungspolitischen Fragen einhergeht, während es gleichzeitig zu einer zu-

nehmenden Abkoppelung der Eurozone von geld- und währungspolitisch bedeutsamen Entscheidun-

gen kommt. So trägt die Eurozone beispielsweise in Gestalt zunehmend zuströmender globaler Über-

schussliquidität die Last eines impliziten Agreements der USA und Chinas, den Dollar nicht zu stark

abwerten oder gar abstürzen zu lassen. Diese entsteht durch den ultra-expansiven geldpolitischen Kurs

in den USA i.V.m. mit dem Dollar-Peg (Belke und Gros, 2010, sowie Belke und Rees, 2009). Dass

sich China anders als die Eurozone durch Kapitalverkehrskontrollen erfolgreich gegen den Zustrom

international vagabundierender Liquidität wehrt, bringt die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Kapital-

verkehrskontrollen einmal mehr zurück auf die Agenda (Belke und Schnabl, 2010a,b).74 Wir behan-

deln diese wichtige Frage separat in Abschnitt 3.b.ii.

Unsere Überlegungen zum globalen Liquiditätsmanagement stützen sich unter anderem auf unsere

analytischen Vorarbeiten in Abschnitt 1.b.iv. Globale Liquidität vermittelt zusätzliche Information

über die geldpolitische Ausrichtung, die durch nationale Geldmengen und Zinssätze nicht vermittelt

wird. Der gemeinsame Liquiditätsfaktor verdient die Aufmerksamkeit der Politiker in demselben Ma-

ße wie ‚global slack’ in erweiterten Phillipskurvenspezifikationen und weltweit Zinssätzen (‚global

savings glut hypothesis’, Belke und Gros, 2009b). Darüber hinaus sinkt der Einfluss von Zentralban-

ken auf das heimische Geldangebot stetig. In einigen Ländern oder Regionen beschränkt die globale

Liquidität die Geldpolitik in ihrer Fähigkeit, nominale und reale Variable zu beeinflussen. Beispiele

74

Nur kleine Volkswirtschaften wie Kroatien können den Zuflüssen an globaler Liquidität verantwortlich und

effektiv durch Sterilisierung begegnen. Wollten große Volkswirtschaften die hierdurch verursachten Inflations-

gefahren durch eine Verknappung der heimischen Währung bekämpfen, brächte erhöhte dies die Gefahr eines

Dollarabsturzes.

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sind die Effekte des gemeinsamen monetären Faktors auf die nationale ökonomische Aktivität, Inflati-

on, Immobilienpreise und den Kurzfristzins.

Selbst frei schwankende Wechselkurse verleihen somit den Notenbanken keine nationale geldpoliti-

sche Autonomie mehr. Ein auf der Grundlage monetaristischer Modelle häufig vorgebrachter Vorteil

flexibler Wechselkurse wird also in Zukunft deutlich zu relativieren sein. Die Globalisierung hat also

nicht nur Vorteile für Politiker in Gestalt von inflationsverringernden Effekten. Internationale Kapi-

talflüsse bergen auch zusätzliche Herausforderungen und Nachteile für Zentralbanken, die bei der

Wahl eines Wechselkursregimes wohl bedacht sein wollen (Belke, Orth und Setzer 2010, S. 1943).

Zum Beispiel kann eine Verzerrung des traditionellen Zinskanals der Geldpolitik zu substanziellen

Problemen führen – nicht nur in operationeller Hinsicht, sondern auch, weil bei der Wahl eines geeig-

neten Wechselkursregimes das eingeschliffene „wording“ früher regelmäßig angewendeten Modelle

offener Volkwirtschaften (u.a. Mundell-Fleming) wie zum Beispiel „Die nationale Geldpolitik ist bei

flexiblen Wechselkursen besonders wirksam“ oder „Flexible Wechselkurse machen immun gegen

monetäre Schocks von außerhalb“ nicht mehr verwendet werden kann.

Statt sich primär auf inländische Variable und den Wechselkurs bzw. das geeignete Wechselkursre-

gime zu konzentrieren, sollten Zentralbanken und Währungspolitiker zusätzlich die internationale

Transmission monetärer Schocks in ihren Analysen berücksichtigen. Eine optimale Geld- und Wäh-

rungspolitikpolitik sollte ihre ‚outward looking’ Komponente stärken, nicht zuletzt dann, wenn das

Wechselkursregime festgelegt werden soll. Ein ‚benign neglect’ ausländischen Zentralbankverhaltens

und internationaler Portfolioverlagerungen erscheint unangemessen. Unabhängig davon, für welches

Wechselkurssystem man sich entscheidet, müssen die geld- und währungspolitischen Akteure das

Monitoring der Liquiditätsflüsse zwischen den Volkswirtschaften lernen. Hierfür ist ein strukturelles

Verständnis globaler monetärer Liquiditätsschocks und von Friktionen auf Finanzmärkten unabding-

bar.

Ein anderes interessantes Thema im Lichte der nachgewiesenen Bedeutung globaler Liquidität ist die

Koordinierung makroökonomischer Politiken. Das optimale Design der Geldpolitiken im Spannungs-

verhältnis interdependenter offener Volkswirtschaften ist in diesem Kontext die wichtigste Frage. Die

Chicago-Schule sah in flexiblen Wechselkursen einen Weg zur Abschottung heimischer makroöko-

nomischer Entwicklungen von Störungen aus dem Ausland, einschließlich der ausländischen Geldpo-

litik. Eine Koordinierung der Geldpolitiken zwischen nationalen Zentralbanken wurde daher nicht als

nötig angesehen. Nun suggeriert die wachsende Bedeutung globaler Liquidität, dass eine internationa-

le Koordinierung der Geld- und Währungspolitik doch nötig ist. Dies gilt umso mehr, da nur ein

Bruchteil der Wechselkurse weltweit de facto vollständig flexibel ist (Freitag und Schnabl 2010) und

auch bei flexiblen Wechselkursen Übertragungen von Liquidität über Währungssubstitution stattfin-

den. Kompetitive Abwertungen werden im Bretton Woods-II-System durch kompetitive Zinssenkun-

gen substituiert (Belke und Schnabl, 2010b, McKinnon 2010).

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Diese Einsicht gründet sich auf Übertragungseffekte, die die inländische Geldpolitik auf andere Län-

der haben kann. Beispielsweise führten die extrem niedrigen Kurzfristzinsen in Japan während der

letzten Jahre zu ‚carry trades’. Finanzinvestoren nahmen Kredite in Japanischem Yen auf, investierten

die Summen in Währungen mit höheren Zinserträgen und exportierten hierdurch monetäre Liquidität

von Japan in andere Länder. Da ausländische Zentralbanken einen Teil der ‚excess money burden’

tragen mussten, lassen sich wohl ein Trittbrettfahrerproblem und negative externe Effekte konstatie-

ren. Zum Beispiel erhöht zusätzliche monetäre Liquidität das Risiko von Vermögenspreisblasen und

inflationärem Druck außerhalb Japans.

Eine derartige Konstellation gleicht einem nicht-kooperativen Spiel, in dem nationale Entscheidungs-

träger wie die Bank of Japan ausschließlich die Maximierung der Wohlfahrtsfunktion des eigenen

Landes anstrebt (Bordo und Schwartz 1988, S. 460). Im Gegensatz hierzu existiert in einem koopera-

tiven Gleichgewicht kein geldpolitischer Wettbewerb zwischen nationalen Instanzen. Zentralbanken

sind zur Implementierung von Politiken verpflichtet, die die gemeinsame Wohlfahrt der betreffenden

Länder maximieren. Da Strukturbrüche im Verhältnis von globaler und nationaler Liquidität in Form

(ökonometrisch ausgedrückt) steigender Faktorladungen von der Geldpolitik nicht verhindert werden

können, sollte eine internationale Koordinierung globale Liquiditätsschocks so klein wie möglich hal-

ten. Wie verallgemeinernd von Canzoneri, Cumby und Diba (2005, S. 365ff.) argumentiert, steigen die

Erträge kooperativen Verhaltens mit der Größe der Politik-Tradeoffs, die durch Schocks generiert

werden. Falls der Export monetärer Liquidität durch ‚carry trades’ eine signifikante Bedrohung für die

Finanzmarktstabilität im Ausland darstellt, ist eine internationale Kooperation unabhängigen Ent-

scheidungen von Zentralbanken überlegen.

Ein Bedarf an Koordinierung mag auch aus anderen Gründen auftreten. Geldpolitische Instanzen ha-

ben möglicherweise Schwierigkeiten, die Maßnahmen der Geldpolitiker in anderen Ländern vollstän-

dig zu antizipieren.75 Moutot und Vitale (2009, S. 34) propagieren deshalb den systematischen Infor-

mationsaustausch zwischen Zentralbankern und den Austausch von Sichtweisen über internationale

Themen.

Schließlich kann ein weiteres Argument für die Sinnhaftigkeit eines international kooperativen Ver-

haltens aus der jüngsten Finanzkrise abgeleitet werden. Weltweit haben Zentralbanken “nicht-

standardmäßige” unorthodoxe Maßnahmen ergriffen, um das Kreditangebot wieder zu erhöhen. Da

sowohl die Finanzmärkte als auch die Volkswirtschaften selber deutliche Zeichen der Stabilisierung

aufweisen, könnte die internationale Koordinierung monetärer Exit-Strategien notwendig sein. An-

dernfalls sehen sich die Länder der Zentralbanken, die als erste ihre geldpolitischen Zügel straffen,

75

Dies knüpft an die altbekannte ‚ secrecy’ -Debatte in der Geldtheorie an.

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einem steigenden Außenwert ihrer Währung gegenüber, wodurch Kapital aus den Volkswirtschaften

abgezogen wird, deren Volkswirtschaften sich noch nicht so stark von der Finanz- und Wirtschaftskri-

se erholt haben (Belke 2009, S. 21). Ein gleichzeitiges „Phasing-out” unorthodoxer Maßnahmen bein-

haltet auch Risiken. Besonders in Zeiten hoher Unsicherheit über die Aussichten der Weltwirtschaft

könnte Politikkoordination dazu führen, dass eine Gruppe von Ländern gleichzeitig das falsche Maß-

nahmenpaket wählt. Internationale Politikkoordinierung würde in diesem Fall einfach die Mängel, die

auf nationaler Ebene auftreten, auf die nächsthöhere Ebene heben. Im Gegensatz hierzu würden unab-

hängige und nicht korrelierte Geldpolitiken zu einer Diversifizierung von Risiken führen. Die Varianz

einer Summe von Schocks fällt, wenn die Kovarianz der individuellen Komponenten sinkt (Belke

2009, S. 23; Belke und Gros 2009a, S. 101).

Ein weiteres praktisches Problem bei der Implementierung effektiver internationaler Koordinierung

stellt die wachsende zukünftige Komplexität dar. Innerhalb der G-20 sind mit den Aufholenden

Volkswirtschaften zusätzliche Akteure auf die globale ökonomische Bühne getreten. Die Kooperation

wie bisher nur innerhalb der G7 voranzutreiben, war wohl auch deshalb nicht mehr hinreichend, da die

Überschussliquidität in den BRIC-Ländern in letzter Zeit immer mehr angestiegen ist (Belke und Gros

2010, S. 12ff.). Obwohl der RMB als eine BRIC-Währung bislang noch nicht vollständig konvertibel

ist, wird diese Entwicklung in den kommenden Jahren wachsende Aufmerksamkeit erfahren (siehe

ausführlich Abschnitt 2.b.v).

Abstimmungsrahmen für Wechselkursfragen

Zur Frage der Wechselkurssysteme und -volatilität finden sich die wesentlichen Aussagen der vorlie-

genden Studie in der Zusammenfassung zu Teil 1 in Abschnitt 1.c. Die Flexibilität der Wechselkurse

zwischen einheitlichen Währungsräumen ist weiter zu erhöhen, sodass Änderungen der Wechselkurse

im Idealfall Änderungen der zugrunde liegenden Fundamentaldaten widerspiegeln können. Dem ‚fear

of floating’ der Schwellenländer (Abschnitt 1.b.iv.) solle durch einen Abbau unerwünschter Wechsel-

kurs-‚pass-throughs’ und Fremdwährungs-Verbindlichkeiten und Erhöhung der Glaubwürdigkeit in-

ländischer geldpolitischer Instanzen begegnet werden, damit Flexkurse realisiert werden können.

Etwas „Wasser in den Wein“ gießen wir in unsere (fast) uneingeschränkte Empfehlung flexibler

Wechselkurse durch den in Abschnitt 1.b.iv. theoretisch und empirisch abgeleiteten Sachverhalt, dass

trotz flexibler Wechselkurse direkte grenzüberschreitende Übertragungseffekte zwischen inländischen

(überschüssigen) Geldmengen weiter existieren. Insofern verringert sich in Bezug auf die Krisenfes-

tigkeit des Systems der Vorteil flexibler gegenüber festen Wechselkursen. Internationale Kapitalflüsse

führen zu einem globalen ‚(excess) money’ Faktor und zu einem positiven gleichgerichteten Bewe-

gung nationaler monetärer Aggregate über Länder hinweg. Die Ursache für dieses Muster ist die Glo-

balisierung der Finanzmärkte. Es existiert ein globaler Liquiditätsfaktor, obwohl es unterschiedliche

Strategien von Zentralbanken und verschiedene institutionelle Setups in Ländern oder Regionen gibt.

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Die Bedeutung des gemeinsamen Liquiditätsfaktors für globale und inländische Variable ist seit den

90er Jahren rapide gewachsen. Belke und Rees (2009) weisen empirisch Strukturbrüche sowohl in der

Schockkomponente der globalen Liquidität als auch in deren Übertragungsmechanismus nach. Die

Gründe für den Strukturwandel der 90er Jahre sind die wachsende Finanzmarktglobalisierung und die

stark zunehmenden grenzüberschreitenden Kapitalflüsse. Hieraus folgt, dass die sich in der Vergan-

genheit herauskristallisierten Kriterien für die Wechselkursregimewahl nicht automatisch auch auf die

Entscheidungen der Zukunft – wie die Wahl eines oder mehrerer Wechselkurssysteme für die G-20

anwendbar sind.

Folglich ist in der Wechselkursfrage die geld- und währungspolitische Kooperation innerhalb der G-20

entscheidend. Ein Rückfall in nicht-kooperatives oder sogar protektionistisches Verhaltensweisen, mit

dem sich alle Beteiligten kollektiv selbst schädigen, ist zu vermeiden. Falls dies nicht gelingt, sollte

die Eurozone den einseitigen Ausstieg betreiben und auf die Sicherung der Reputation der EZB durch

eine Stabilitätsorientierung der Geldpolitik sowie die Unterlassung von Wechselkursmanipulation

durch geldpolitische Maßnahmen und/oder Devisenmarktinterventionen setzen. Dies wäre dann immer

noch die dominante Strategie, zumal - wie in der vorliegenden Studie gezeigt – der Euro an Attraktivi-

tät weiter gewinnen würde und die Chinesen langfristig mit im selben „Strategie-Boot“ sitzen werden

(Belke 2009, Belke, Dreger und Erber 2010). Hierdurch könnte auch vermieden werden, dass die ak-

tuelle Währungsdiskussion zwischen China und den USA negative Auswirkungen auf andere Wäh-

rungen und Regionen, darunter vor allem die Eurozone, entfaltet.

Schließlich spricht gegen einen aktiven Eingriff in die langfristige Wechselkursbildung am Markt,

dass die notwendigen Realignments des realen Wechselkurses zwischen Schwellen- und Industrielän-

dern ohnehin stattfinden werden – wenn nicht über nominale Wechselkursbewegungen, dann über

Preissteigerungen (Belke und Verheyen 2011, und Belke und Gros 2009b). Der stetig steigende Druck

auf die Verbraucherpreise in den Schwellenländern wird den durch Reserven-Anhäufung und/oder

Kapitalverkehrskontrollen betriebenen Widerstand der Regierungen und Zentralbanken in den Schwel-

lenländern gegen eine Aufwertung ihrer Währungen ohnehin allmählich auflösen (Bénassy-Quéré und

Pisani-Ferry 2011a, S. 3). Die Aufgabe der Politik ist es, diesen Prozess „der Einsicht“ zu ermöglichen

und zu fördern.

ii. Management der Kapitalflüsse

Maßnahmen zum Umgang mit der Volatilität von Kapitalflüssen

Kann man vor dem Hintergrund der vorab erzielten Ergebnisse zu ‚guiding principles’ im Umgang mit

Umgang mit der Volatilität von Kapitalflüssen kommen?

Ein destabilisierender Faktor für das internationale Währungssystem war und ist die hohe zu beobach-

tende Volatilität internationaler Kapitalflüsse. Problematisch in diesem Kontext sind weniger die ten-

denziell langfristigen Kapitalflüsse in Form von Auslandsdirektinvestitionen als vielmehr die kurzfris-

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tigen Kapitalströme, die eine größere Mobilität und daher auch Volatilität aufweisen.76 Wie Eichen-

green (2004) argumentiert, belegen die Erfahrungen aus den jüngsten und vergangenen Finanzkrisen

einen signifikanten Zusammenhang zwischen Kapitalmobilität und der Krisenwahrscheinlichkeit. Dies

gilt besonders, wenn die Institutionen in einem Land gemessen an üblichen Indikatoren wie dem Word

Bank-Governance-Indikator schwach und die Harmonisierung von Kapitalmarktliberalisierung und

anderen wirtschaftspolitischen Reformen nicht angemessen sind. Dabei gilt, dass sowohl massive Ka-

pitalzuflüsse als auch -abflüsse destabilisierend auf Volkswirtschaften wirken können. So beobachtet

man häufig, dass im Vorfeld von Finanzkrisen gerade Schwellenländern große Mengen an Kapital

zuströmen. Gründe sind häufig beachtliche Zinsdifferenzen zwischen Industrieländern und Schwellen-

ländern in Kombination reichlich vorhandener globaler Liquidität bei gleichzeitig hohen Sparquoten.

Im Falle wirtschaftlicher Abschwünge kommt es in den Schwellenländern dann häufig zu massiven

Kapitalabflüssen (‚sudden stops‘) im Rahmen spekulativer Attacken, welche die betroffenen Länder in

erhebliche Liquiditäts- und Insolvenzkrisen stürzen können. Des Weiteren können massive Kapitalzu-

ströme die Wechselkurse der Empfängerländer mit entsprechenden Wirkungen auf die heimische

Wirtschaft massiv unter Aufwertungsdruck setzen und zum Aufbau von Vermögenspreisblasen beitra-

gen (Dorrucci und McKay 2011, S. 38).77 Schließlich können kurzfristige und spekulative Kapitalflüs-

se Länder anfällig gegenüber Änderungen des ‚investor sentiment’ auch in Partnerländern machen –

vor allem durch ‚currency and maturity mismatches’ (Belke, Beckmann und Kühl 2011).

Anzumerken ist es, dass grenzüberschreitender Kapitalverkehr nicht per se zu verurteilen ist. Er ist

Ausdruck finanzieller Liberalisierung und globalem Handel und ermöglicht eine effizientere Risikoa-

llokation und mehr Wettbewerb zwischen Finanzmärkten. Kapitalflüsse in aufholende Volkswirtschaf-

ten erlauben die Finanzierung produktiver Investitionsprojekte in Ländern mit beschränkten privaten

Ersparnissen, sie beschleunigen die Vertiefung und die Reform der Finanzmärkte in hinsichtlich der

Finanzmarktstruktur unterentwickelten Ländern und sie befördern die Diversifikation des Investitions-

risikos und des intertemporalen Finanzhandels in den Empfängerländern (Ostry et al. 2010).

Ziel sollte es also sein, zukünftig vornehmlich exzessiven Kapitalverkehr, der das Gleichgewicht gan-

zer Volkswirtschaften gefährdet, zu identifizieren und gegebenenfalls zu kontrollieren. Dabei besteht

die Herausforderung darin, den Nutzen der Volatilität der Kapitalströme zu bewahren, aber gleichzei-

tig die mit ihnen assoziierten Risiken zu minimieren (Dorrucci und McKay 2011, S. 38).

76

Vgl. IMF (2010b) für eine ausführliche Ü bersicht über die Ursachen von kräftig wachsendem grenzüberschrei-

tenden Kapitalverkehr. 77

Vor diesem Hintergrund ist erklärbar, dass vor allem die asiatischen Schwellenländer einen neuen Krisenme-

chanismus anstreben.

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Leidet das Gleichgewicht eines Landes entweder unter massiven Zu- und Abflüssen von Kapital, ist

zum einen zu beurteilen, welchen Einfluss die Geld- und Wechselkurspolitik auf diese Entwicklung

hat, und inwiefern in dieser Richtung korrektive Maßnahmen eingeleitet werden können. Eine weitere

wichtige Maßnahme ist es, gerade in Schwellenländern die Entwicklung von heimischen Finanz- und

Kapitalmärkten zu fördern. So ist nämlich gerade in diesen Ländern die Unterentwicklung der Kapi-

talmärkte ein wichtiger Motivator für Kapitalverkehr zu und aus diesen Ländern. Aus Mangel an In-

vestitionsmöglichkeiten im eigenen Land transferieren die Volkswirtschaften mit exzessivem Spar-

vermögen teilweise große Mengen an Kapital zu Anlagezwecken ins Ausland und tragen damit

gleichzeitig zur globalen Knappheit an Anlagemöglichkeiten bei. Umgekehrt zwingt ein unterentwi-

ckelter Kapitalmarkt ärmere Volkswirtschaften, Gelder in Form von Krediten aus dem Ausland zu

leihen, welches diese wiederum anfällig macht für ‚sudden stops‘ in Kapitalzuflüssen. Die Entwick-

lung von liquiden Bondmärkten, die Bereitstellung eines stabilen Finanzsektors und eines gesunden

Geschäftsklimas ist demnach ein wichtiges Instrument für Schwellenländer, um exzessive Kapital-

ströme einzudämmen (vgl. Dell’Ariccia et al. 2008, und Kose et al. 2006). Während diese institutio-

nellen Maßnahmen hilfreich sind, um Länder weniger abhängig von internationalen Kapitalströmen zu

machen, sind sie nicht immer ausreichend, um sie vor hoher Kapitalvolatilität zu schützen.

Viele Länder haben in der Vergangenheit zu ‚Symptom bekämpfenden’ Maßnahmen gegen hohe Ka-

pitalvolatilität gegriffen. Diese beinhalten etwa das Anhäufen von großen Währungsreserven aus dem

Vorsichtsmotiv heraus, das Einführen von Kapitalverkehrskontrollen oder Devisenmarktinterventio-

nen. Diese Maßnahmen sind nicht von vornherein als ungeeignet zu beurteilen, um das Problem ex-

zessiver Kapitalströme anzugehen. Wichtig ist jedoch zu betonen, dass sie nicht als alleiniges Instru-

ment zur Eingrenzung von exzessiven Kapitalströmen eingesetzt werden sollten, sondern entweder

begleitend zu den oben beschriebenen institutionellen Maßnahmen oder im Nachhinein, wenn diese

sich als nicht ausreichend erwiesen haben. Bedenkt man, dass großflächige, unnötige und schlecht

umgesetzte Kapitalverkehrskontrollen negative Effekte auf die globale Wirtschaftsentwicklung hat,

indem sie zu Wechselkursverzerrungen, dem Aufbau von globalen Ungleichgewichten und Rück-

schlägen in der Finanzmarktintegration führt, ist es notwendig, dass Länder, die über die Einführung

von Kapitalverkehrskontrollen nachdenken, gut beraten werden und dass Kapitalverkehrskontrollen

lediglich als temporäres Instrument angesehen werden, um Kapitalzu- und -abflüsse zu reduzieren und

um in dieser Zeit nötige strukturelle Probleme anzupacken.

Angesichts der bedeutenden Rolle, die exzessive Kapitalflüsse bei der Entstehung globaler Ungleich-

gewichte spielen, die entscheidend mitverantwortlich für die Entstehung der jüngsten Finanzkrise wa-

ren, ist dem IWF vom IMFC und den G-20 Staaten die Aufgabe zugetragen worden, internationale

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Kapitalströme besser zu überwachen und zu regulieren.78 Im Gegensatz zum Güter- oder Dienstleis-

tungshandel fehlt dem derzeitigen Währungssystem ein allgemein anerkanntes Regelwerk für interna-

tionale Kapitalströme. Nach Artikel VIII, Abschnitt 2(a) gilt, dass Mitgliedsstaaten keinerlei Be-

schränkung auf Zahlungs- und Güterverkehr resultierend aus internationalem Handel auferlegen dür-

fen, wenn diese nicht vom IWF autorisiert wurden. Im Gegensatz dazu ist nach Artikel VI, Abschnitt 3

der Satzung des IWFs den Mitgliedsstaaten ausdrücklich das Recht gewährt worden, Kapitalverkehrs-

kontrollen einzuführen, falls diese notwendig sind, um internationalen Kapitalverkehr zu regulieren

(„to exercise such controls as are necessary to regulate international capital movements“). Genauere

Richtlinien für deren Handhabung und Ausgestaltung gibt es jedoch nicht. Dies belegt einmal mehr

die Notwendigkeit der aktiven Entwicklung eines ‚institutional view’ hinsichtlich globaler Kapitalflüs-

se (IMF 2010).

Bei Entscheidungen zum Umgang mit einem starken Anstieg der Kapitalzuflüsse beispielsweise wären

die Länder gut beraten, eine Checkliste, die sowohl makroökonomische als auch makroprudenzielle

Betrachtungen einschließt, zugrunde zu legen. Geeignet erscheint uns hierzu die von Ostry et al.

(2010) entwickelte Prüfliste zur Klärung der Bedingungen, unter denen Kapitalverkehrskontrollen

angemessen sind. Dies liegt besonders auch aus deutschem Interesse, denn im Rahmen der vorliegen-

den Studie verweisen wir mehrfach auf den Konflikt, in dem sich die Eurozone befindet. Einerseits

ergeben sich ordnungspolitische Bedenken gegen die Implementierung von Kapitalverkehrskontrollen.

Andererseits nutzt China Kapitalverkehrskontrollen zur Abwehr globaler Liquiditätszuflüsse und der

IWF beurteilt sie seit einigen Monaten deutlich positiver als früher (Bénassy-Quéré und Pisany-Ferry

2011, S. 3, und Ostry 2010). Deren Anwendung könnte als Fortentwicklung des ‚institutional view’

interpretiert werden, denn man würde sich hiermit konkreten Prinzipien für geeignete Politiken im

Umgang mit internationalen Kapitalflüssen nähern. Auch ließe sich hiermit das Risiko von „currency

wars“ verringern (Bénassy-Quéré und Pisani-Ferry 2011a). Aus makroökonomischer Perspektive

empfehlen die Autoren, nacheinander vier inhaltliche Prüfungen vorzunehmen: (1) Wäre eine Aufwer-

tung des Wechselkurses ein geeignetes Mittel? (2) Wäre eine weitere Aufstockung der Vorsichts-

Reservehaltung vertretbar und, gegeben dies ist der Fall, kann das Ausmaß der Sterilisierung des

Geldmengeneinflusses der Zuflüsse erhöht werden? (3) Ist eine Lockerung der Geldpolitik vertretbar?

(4) Gestatten die makroökonomischen Rahmenbedingungen eine Optimierung der Ausrichtung der

Fiskalpolitik? Aus makroprudenzieller Perspektive könnte mit einem fünften komplementären Politik-

Check überprüft werden, ob prudenzielle Regulierungen bereits angemessen ausgestaltet sind oder

78

October 2010 IMFC communiqué erhältlich unter http://www.imf.org/external/np/cm/2010/100910.htm,

October 2010 G-20 communiqué erhältlich unter http://www.g20.org/pub_communiques.aspx .

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angepasst werden müssen, um eine exzessive Kreditnahme im Ausland und/oder einen inländischen

Kreditboom zu vermeiden.

Nur wenn diese fünf Politikmaßnahmen als unangemessen für das betreffende Land betrachtet werden

oder schon versuchsweise implementiert wurden, aber sich als inadäquat herausstellt haben, sollte ein

Land die Implementierung sorgfältig spezifizierter und zeitlich beschränkter Kapitalverkehrskontrol-

len in Erwägung ziehen. Ihre tatsächliche Implementierung sollte aber erst dann erfolgen, wenn ge-

klärt ist, welches die effektivste Ausgestaltung dieser Maßnahmen ist.

Das Mandat und die bisher vorgelegten Arbeiten des IWF fokussieren sich bisher vor allem auf Leis-

tungsbilanzanalysen, während Kapitalbilanzanalysen noch ausbaufähig sind. IMF (2010b) und Dor-

rucci und McKay (2011) schlagen vor diesem Hintergrund folgende Aufgabengebiete vor, in denen

der IWF und die G-20 hinsichtlich ihres Regulierungsmandats Fortschritte machen sollten:

• Assistenz für Schwellenländer bei der Überwachung von Kapitalflüssen.

• Entwicklung eines Verhaltenscodes für die mögliche Einführung von zeitlich begrenzten Ka-

pitalverkehrskontrollen und deren Ausgestaltung. Bei Bedarf kann auch über eine technische

Assistenz bei der Einführung dieser Kontrollen angeboten werden.

• Ermutigung der Länder eine mittelfristige Perspektive einzunehmen, indem sie über die nega-

tiven Konsequenzen von permanenten oder längerfristigen Kapitalkontrollen aufgeklärt wer-

den.79

• Aufklärung über Politikalternativen zu Kapitalverkehrskontrollen, wie z.B. eine größere Fle-

xibilisierung von Wechselkursen verbunden mit einer größeren Autonomie in der Geldpolitik

und der Setzung makroprudenzieller Rahmenbedingungen.

• Kontinuierliche Analyse der Effektivität von Kapitalverkehrskontrollen und eine Veröffentli-

chung deren Ergebnisse verbunden mit einem Hinweis auf die fehlende empirische Eindeutig-

keit der Wirkung dieses Politikinstruments.

• Stärkere Fokussierung auf die Analyse, welche Wirkungen globale (Überschuss-) Liquidität,

sowie die Makro- und Finanzmarktpolitik auf Kapitalflüsse haben.

• Verbesserung der Finanzsektoraufsicht von Seiten des IWF; Verstärkte Aufklärung, wie Fi-

nanzsektoraufsicht und -regulierung verbessert werden kann.

79

Denn bislang finden sich in der Praxis eher ad hoc implementierte, kurzfristig ausgerichtete Kapitalverkehrs-

kontrollen (Beispiel Brasilien), die zwar tendenziell inhaltlich nachvollziehbar, aber nicht nach allgemein aner-

kannten Regeln erfolgen.

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• Erarbeitung einer Richtlinie für die Aufsicht von Kapitalbilanzen.

• Analyse und Verbreitung von Erfahrungen einzelner Länder im Umgang mit Kapitalflüssen.

• Förderung von Dialog und politischer Koordinierung im Umgang mit grenzüberschreitendem

Kapitalverkehr.

Alle diese Maßnahmen zielen auf ein tieferes Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge in

Bezug auf Kapitalverkehr, eine bessere Regulierung und eine effektivere Beratung von Mitgliedslän-

dern ab. Aus Abschnitt 3.b.i in Verbindung mit diesem Abschnitt wird deutlich, dass der IWF aus

deutscher Sicht durchaus auf multilateraler Ebene wegen seiner komparativen Vorteile eine größere

Rolle bei der Beurteilung der globalen Liquiditätslage spielen könnte. Ein Ausbau der Untersuchungen

der Auswirkungen makro- und finanzmarktpolitischer Maßnahmen in wichtigen Finanzzentren auf die

Änderung globaler Kapitalbewegungen durch den IWF macht ebenfalls viel Sinn. Darüber hinaus

wäre es angezeigt, im Rahmen von Spillover-Berichten auch die Auswirkungen von Kapitalbilanz-

und geldpolitischer Aktivitäten (deren Zusammenhänge ebenfalls noch genauer beforscht werden

müssten) auf andere Länder und/oder Regionen zu untersuchen. Der Kompetenzzuwachs für den IWF

sollte sich also auf die Bereiche der Informationsgewinnung und Förderung der geld- und währungs-

politischen Koordinierung beschränken.

Unsere Analysen decken jedoch keine etwaige Mandatsänderung des IWF als politischer und manch-

mal auch politisierter Institution in Richtung einer Ausstattung mit konkreten Eingriffsrechten – wie

etwa der Anordnung einer Streichung oder Einführung von Kapitalverkehrskontrollen. Unsere Aus-

führungen zeigen beispielsweise, dass es in einigen Fällen und für einige Volkswirtschaften zeitweise

durchaus Sinn macht, sich gegen die Spillovers globaler Liquidität aus den USA, die im IWF mit ei-

nem Veto-Recht ausgestattet sind, mit Kapitalverkehrskontrollen zu wehren. Zudem gilt wieder, dass

der stetig steigende Druck auf die Verbraucherpreise in den Schwellenländern den durch Kapitalver-

kehrskontrollen betriebenen Widerstand der Regierungen und Zentralbanken in den Schwellenländern

gegen eine Aufwertung ihrer Währungen ohnehin allmählich auflösen wird. Somit erledigt sich der

Bedarf an Kapitalverkehrskontrollen tendenziell „von selbst“ über marktliche Prozesse (Bénassy-

Quéré und Pisani-Ferry 2011a).

Entwicklung und Ausbau lokaler Kapitalmärkte

Der 2007 von der G-8 verabschiedete „Action Plan for Developing Local Bond Markets in Emerging

Market Economies and Developing Countries“ enthält Empfehlungen zur lokaler Anleihemärkte in

Schwellen- und Entwicklungsländern (vgl. auch Belke 2008). Hierunter fallen die Stärkung der

Marktinfrastruktur und des öffentlichen Schuldenmanagements, die Verbreiterung der Investorenbasis,

die Entwicklung von Derivate- und Swapmärkten, die Verbreiterung der Datenbasis, die Unterstüt-

zung regionaler Initiativen, der Aufbau von Anleihemärkten und technische Assistenz.

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Die in dieser Studie gezogenen Schlussfolgerungen aus der Finanzkrise zeigen, dass die im G8 Akti-

onsplan dargelegten Empfehlungen weiter sehr einschlägig sind. Trotz signifikanter Fortschritte haben

Schwellenländer nach wie vor erhebliches Entwicklungspotential, gerade bei den Märkten für Unter-

nehmensanleihen. Erste Arbeiten des IWF zeigen, dass Länder mit entwickelten lokalen Anleihemärk-

ten auch geringere Volatilität der Kapitalströme aufweisen.

Diese marktorientierten Maßnahmen ändern die Anreize für Politiker und tragen so zu externer Stabi-

lität bei. Ein weiterer Fortschritt bei der inländischen Kapitalmarktentwicklung in aufholenden Volks-

wirtschaften – als Ergebnissen von Marktkräften und angemessenen Politikmaßnahmen – würde nicht

nur deren Absorptionsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Änderungen der Kapitalflüsse

erhöhen, sondern auch Anreize für eine höhere Politikdisziplin der Emittenten von Reservewährung:

die Verfügbarkeit von glaubwürdigen Investitionsalternativen beschränkt den Aufbau von Exzessen,

die die Vorkrisenjahre auszeichneten (Dorrucci und McKay, 2011, S. 7).

Ökonometrische Analysen von Chinn und Ito (2005, 2008) sowie Dorrucci et al. (2009) liefern dem-

entsprechend empirische Evidenz für die Hypothese, dass die Unterentwicklung der Kapitalmärkte in

aufholenden Volkswirtschaften eine wichtiger struktureller Faktor für das Entstehen anhaltend hoher

globaler Ungleichgewichte war.80

iii. Verbesserung der Finanzmarktaufsicht

Die jüngste Finanzkrise hat institutionelle aber auch konzeptionelle Mängel in der Finanzaufsicht von

regionalen, nationalen und internationalen Institutionen offengelegt. Warnungen über mögliche Risi-

ken wurden häufig zu vage und ungenau ausgesprochen und es mangelte an Einfluss, dass Politikemp-

fehlungen von nationalen Regierungen auch umgesetzt wurden. Des Weiteren gab es eine erhebliche

Diskrepanz zwischen hauptsächlich national fokussierten Aufsichtsbehörden und immer internationa-

ler ausgerichteten Finanzmärkten. Durch die Zunahme der globalen Finanzmarktinteraktion haben sich

systemische Risiken erheblich vergrößert, ein Risiko, welches oft unterschätzt wurde. Aber nicht nur

die Verflechtung zwischen nationalen Finanz- und Kapitalmärkten hat im letzten Jahrzehnt stark zu-

genommen, auch die Verflechtung zwischen unterschiedlichen Finanzmarktsektoren, wie etwa zwi-

schen Banken und Versicherungen, ist in den letzten Jahren viel enger geworden (vgl. hierzu Bernoth

und Pick, 2011). Aber nichtsdestotrotz findet in den meisten Ländern wenig Kooperation zwischen

Banken- und Versicherungsaufsichtsbehörden statt. Diese Schwachstellen gilt es in Zukunft auszubes-

sern. Die Finanzaufsicht sollte neu darauf ausgerichtet werden, neben der Überwachung einzelner

80

Ein ausgezeichneter Literaturüberblick zum Phänomen der „uneven financial globalisation“, einschließlich

des Kriteriums Verschuldungsfähigkeit in eigener Währung findet sich bei Dorruci und McKay (2011), S. 28ff.

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Volkswirtschaften auch die Implikationen von Ansteckungs-, Synergie- und Rückkopplungseffekten

zu untersuchen.

Mehrere Schritte in diese Richtung wurden schon unternommen. So ist von Seiten der G-20 eine Ko-

ordinationsgruppe, die sogenannte ‚Mutual Assessment Group’ (MAP), ins Leben gerufen worden,

welche das Potenzial hat, zu einer entscheidenden Verbesserung der multilateralen Aufsicht beizutra-

gen. Die Aufgabe dieser Gruppe ist es, ein gemeinsames Ziel herauszuarbeiten, die gegenseitige Kom-

patibilität von nationalen Politikprogrammen zu überprüfen und gegebenenfalls Änderungsvorschläge

auszuarbeiten. Der Erfolg dieses Programms bleibt abzuwarten. Eine Schwachstelle dieses Programms

ist, dass es keine Verpflichtung für nationale Regierungen gibt, sich an Politikempfehlungen zu halten.

Des Weiteren ist es notwendig, dass man in der Finanzmarktaufsicht dazu übergeht, nicht Länder und

einzelne Marktsegmente separat zu betrachten, sondern vielmehr einen allumfassenderen Blickwinkel

einzunehmen. Die G-20 haben auf diese Herausforderung bereits reagiert, indem sie dem ‚Financial

Stability Board’ (FSB) mit der Aufgabe betraut haben, die Koordination von Finanzstabilitätsangele-

genheiten zwischen relevanten Institutionen zu übernehmen und für die Ausarbeitung von global gel-

tenden Regelungen im Bereich Finanzstabilität verantwortlich zu sein. In Zusammenarbeit mit dem

IWF veröffentlicht das FSB in Zukunft halbjährlich eine ‚Systemrisikoanalyse’, um besonders auf

Risiken in Bezug auf grenz- und sektorüberschreitende Risiken hinzuweisen. Das IWF/Weltbank Pro-

jekt ‚Financial Sector Assessment Program’ (FSAP) geht in Zukunft der Notwendigkeit nach, dass für

die Förderung der Stabilität des Weltwährungssystems Finanzmarktentwicklungen stärker berücksich-

tigt werden müssen.

Multilaterale Überwachung hat jedoch nicht nur eine globale, sondern auch eine regionale Dimension.

Betrachtet man beispielsweise die EU, so sind die Länder in diesem Wirtschaftsverbund stark wirt-

schaftlich miteinander verflechtet, während die Finanzaufsicht noch immer national fragmentiert ge-

staltet ist. Und auch der IWF und die EU fokussieren sich in ihren Risikoanalysen vielmehr auf die

wirtschaftspolitische Lage in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, anstatt diese Region ganzheitlich zu

betrachten. Die Errichtung der Van-Rompuy Task Force im Mai 2010 als Antwort auf die vielen Ver-

säumnisse in diesem Bereich ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ziel dieser Arbeitsgrup-

pe ist es, die EU in Zukunft krisenfester zu gestalten, indem man unter anderem an einer früheren Er-

kennung von wirtschaftlichen Fehlentwicklungen in einzelnen Mitgliedsstaaten arbeitet und dement-

sprechend rechtzeitig Frühwarnungen und spezifische Korrekturempfehlungen der Europäischen

Kommission ausspricht kann.

Die Finanzkrise hat auch offengelegt, dass es erhebliche Informationslücken gerade in Hinblick auf

Finanz- und Kapitalmarktaktivitäten gibt. Es zeigte sich, dass eine höher frequentierte, detailliertere

und rechtzeitigere Veröffentlichung wichtiger Finanzindikatoren essenziell ist, um frühzeitig vor Fehl-

entwicklungen warnen zu können. Dies gilt insbesondere für systemisch relevante Länder und Finan-

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zinstitutionen. Um Fehlentwicklungen und Ungleichgewichte zeitig erkennen zu können, ist es etwa

eine robuste und rechtzeitige Information über die Entwicklung von Kapitalströmen wichtig ist. In den

letzten Jahren gab es entscheidend Fortschritte in dieser Hinsicht, jedoch besteht noch immer Verbes-

serungsbedarf. Die meisten relevanten Statistiken, wie etwa Information über Zahlungsbilanzen, wer-

den beispielsweise gewöhnlich nur in Quartalsfrequenz mit einiger Zeitverzögerung veröffentlicht,

was angesichts der Geschwindigkeit, mit der an Finanzmärkten agiert wird, nicht ausreichend für eine

zeitnahe Überwachung ist. Es gibt erhebliche Lücken in den Statistiken über Derivatehandel‚ Devi-

senmarktabhängigkeiten sowie grenzüberschreitende Bankaktivitäten, also die Finanzmarktaktivitäten,

welche erheblich zur jüngsten Finanzmarktkrise beigetragen haben. Diese gilt es in Zukunft auszubau-

en. Der IWF angekündigt, dieser Informationslücke zu schließen. Bemühungen sollten auch in Rich-

tung größerer Transparenz von Reservehaltung gehen, z.B. Information über de facto Währungsregime

oder Zusammensetzung von Währungsreserven. Letzteres ist bisher freiwillig, aber hinsichtlich der

Tatsache, dass berichtete Währungsreserven den Wert der SZR bestimmen, elementar.

Neben einer verbesserten Identifizierung von Risiken im Weltwährungs- und Finanzsystem ist es je-

doch auch wichtig, dass Korrekturmaßnahmen auch durchgesetzt werden. Dies stellte sich in der Ver-

gangenheit als eine Schwachstelle heraus und war auch das Problem des IWFs, der zwar Empfehlun-

gen aussprach und Politikkorrekturen anforderte, diese aber von den entsprechenden Regierungen oder

Finanzaufsichten nicht umgesetzt wurden. Dafür können mehrere Gründe verantwortlich für gemacht

werden. Wird politischer Handlungsbedarf identifiziert, so bedarf es einer regionalen, bzw. globalen

Koordination zwischen verschiedenen Regierungen, was sich in der Vergangenheit nicht immer als

leicht herausgestellt hat, da Meinungen divergierten, oder weil man eine aus Trittbrettfahrermotiven

handelte. Weitere Gründe sind, dass nationale Aufsichten noch immer verstärkt in nationalem und

nicht im globalen Interesse handeln, oder die nationalen Behörden die identifizierte Problemschilde-

rung zwar teilen, ihnen es aber an Kapazitäten mangelt, diese Probleme zu beheben. Ein weiterer

Hemmschuh bei der Umsetzung von korrektiven Maßnahmen ist, dass viele diese Korrekturen sich

zwar global rechnen, sei es in Form von verbesserter Finanzmarktstabilität oder auch höherem globa-

lem Wirtschaftswachstum, die Vorteile für einzelne Länder aber die Kosten deren Umsetzung nicht

ausreichend überwiegen. Der IWF und die G-20 müssen also entscheidend an einer besseren Umset-

zung ihrer politischen Handlungsempfehlung im Sinne der Staatengemeinschaft arbeiten. Dies kann

entweder in Form einer höheren Unabhängigkeit des IWFs geschehen, durch verbesserte Assistenz der

Länder bei der Umsetzung korrektiver Maßnahmen, oder auch durch erhöhten politischen Druck von

Seiten der G-20.

iv. Effektives Krisenmanagement

Trotz verbesserter Finanzaufsicht, kontrollierterem internationalem Kapitalverkehr oder einer ver-

stärkten geldpolitischen Koordinierung wird man Finanzkrisen auch in der Zukunft nicht gänzlich

vermeiden können. Die Erfahrung der jüngsten Finanzkrise hat einmal mehr unterstrichen, dass es es

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daher trotz aller Vorsichtsmaßnahmen auch ein effektives, geregeltes Krisenmanagements für den

Ausbruch etwaiger Finanzkrisen bedarf.

Financial Safety Net

In Abschnitt 2.b.i wurde herausgearbeitet, dass die Erreichung des Ziels eines stabileren internationa-

len Währungssystems auch ein „global financial safety net“ (FSN) benötigen könnte, um adäquat mit

Episoden internationaler Ansteckung umgehen zu können (ähnlich wie diejenigen im Lehman-

Fahrwasser).81 Dieses sollte so gestaltet sein, dass es ‚moral hazard” nicht verstärkt (Dorruci und

McKay, 2011, S. 32ff., Obstfeld et al., 2009). Aus unserer Sicht gehören „multilateral schemes“ des

FSN wie die Schaffung neuer IWF-Fazilitäten und eine aktivere Politik der SZR-Allokation durch

häufigere antizyklische Allokation nicht dazu.82

Ein FSN kann aufholenden Volkswirtschaften und insbesondere auch Entwicklungsländern prinzipiell

dabei helfen, externe Schocks zu kompensieren. Diese führen ansonsten zu ‚sudden stops’ der Kapi-

talzuflüsse und der Austrocknung von Liquidität aus ausländischen Währungsräumen. Ein FSN ist

effizienter als die unilaterale Akkumulierung von Währungsreserven bei der Bereitstellung einer Ver-

sicherung gegen ‚contagion’ (Mateos y Lago, Duttagupta und Goyal, 2009, Bénassy-Quéré und Pisa-

ni-Ferry, 2011a). Als ein Nebenprodukt könnte ein weiter ausgebautes globales ‚financial safety net’

mit zunehmender Erfahrung im Zeitablauf möglicherweise auch einen Anreiz bieten, die unilaterale

Akkumulierung offizieller Reserven für Versicherungs- und Vorsorgezwecke (‚precautionary motive’)

zu verringern.83 Dies wäre wertvoll, denn auch die im folgenden Abschnitt angesprochene IWF-

Unterstützung bei der Absorption exzessiver Volatilität von Kapitalflüssen würde in dieselbe Richtung

wirken (Dorruci und McKay, 2011, S. 38ff.). Darüber hinaus könnten Maßnahmen diskutiert werden,

die die ‚non-precautionary’ Nachfrage nach Devisenreserven mildern (Dorrucci und McKay, 2011, S.

48-50).

IMF Toolkit

Eine Koordinierung von Ressourcen auf globaler Ebene für den effizienteren Umgang mit systemi-

schen Ereignissen hat sicherlich ihren Reiz, wobei die praktische Implementierung eine größere Her-

81

Im Jahr 2010 wurden mit der Erweiterung der „Flexible Credit Line“ (FCL) und der Schaffung der „Precautio-

nary Credit Line“ (PCL) bereits signifikante Erweiterungen des FSN-Instrumentariums implementiert. In diesem

Zusammenhang ist auch die steigende Bedeutung, die die Schwellenländer regionalen und bilateralen Wäh-

rungskooperationen beimessen (vgl. insbesondere das Chiang Mai-Abkommen und Währungsswaps), zu regist-

rieren. 82

Vgl. anders aber Bénassy-Quéré und Pisany-Ferry (2011), S. 4. 83

Währungsreserven, deren Haltung beispielsweise durch die Bewahrung einer unterbewerteten Währung

(‚non-precautionary motive’) motiviert werden, werden hingegen nicht durch ein ‚financial safety net’ addres-

siert. Vgl. Dorrucci und McKay (2011), S. 38.

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ausforderung darstellt. Insbesondere der vom IWF entwickelte Vorschlag eines IWF-geführten ‚Glo-

bal Stabilisation Mechanism’ (IMF, 2010) (GSM) für Länder, die angesteckt von außergewöhnlichen

externen Schocks (wie Lehman) unter Störungen der Finanzmärkte wie Liquiditätsknappheit oder

‚sudden stops’ von Kapitalzuflüssen leiden, bietet aus unserer Sicht einige inhaltliche Angriffsflächen.

Aus den bisherigen Ausführungen unserer Studie lässt sich ableiten, dass IWF und G-20 dabei die

folgenden leitenden Prinzipien verfolgen sollten.

1. Erstens sollte jeglicher GSM-ähnlicher Ansatz nur Anwendung finden, um Länder zu unter-

stützen, die gleichzeitig gesunde Fundamentaldaten aufweisen. Zweitens wird jeglicher Me-

chanismus zur Kanalisierung grenzüberschreitender Liquidität auf globaler Ebene nicht ohne

eine direkte oder indirekte Kooperation von Zentralbanken funktionieren (vgl. Abschnitt

1.b.iv dieser Studie). Der Grund hierfür ist, dass nur Zentralbanken befähigt sind, unbegrenzte

Liquidität bereitzustellen – eine spezifische Funktion, die von anderen Parteien nicht umgan-

gen oder substituiert werden kann. Drittens können sollten Zentralbanken sich nicht ex ante

auf die Bereitstellung internationaler Liquidität in einer Krise selbstverpflichten (beispielswei-

se durch die Vorankündigung bilateraler Swap/ rep-Arrangements im Fall systemischer Ereig-

nisse). Der von Xavier Freixas so bezeichnete und von den liquiditätsbereitstellenden Noten-

banken bisher verfolgte ‚constructive ambiguity’-Ansatz, d.h. die künstliche Erzeugung von

Unsicherheit durch Randomisierung über die Hilfeleistung, ist in der Tat notwendig, um ihre

geldpolitische Unabhängigkeit zu bewahren, die Solidität ihrer Bilanz sicherzustellen und ihr

Mandat zu respektieren. Ein übermäßig pro-aktiver Ansatz der wichtigen Zentralbanken wür-

de wieder ‚moral hazard’-Verhalten auf globaler Ebene befeuern (siehe Abschnitt 1.b.iv.).

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4. Zusammenfassende Betrachtung aus deutscher und e uropäi-scher Perspektive

Die vorliegende Untersuchung hat ausführlich zentrale Aspekte von Weltwährungssystemen analy-

siert. Nach einem umfassenden historischen Überblick bis zur aktuellen Situation wurden in Kapitel 1

die ökonomischen Implikationen unterschiedlicher Weltwährungsregime ausführlich aus theoretisch-

empirischer Sicht diskutiert. Mit Blick auf die Entwicklung globaler Ungleichgewichte wird die These

bestätigt, dass unflexible Wechselkurse den Aufbau globaler Leistungsbilanzungleichgewichte be-

günstigen. Dies gilt insbesondere für Schwellenländer, während für die Industrieländer ein derartiger

Zusammenhang nicht signifikant gezeigt werden kann. Für diese Ländergruppe finden wir hingegen

einen signifikanten positiven Einfluss fixer Wechselkurse auf Wirtschaftswachstum und Beschäfti-

gung. Wir schließen daher, dass aus Sicht der Industrieländer - und damit aus deutscher und europäi-

scher Perspektive - eine weitere Stabilisierung der Wechselkurse zwischen in ihrem Entwicklungssta-

dium vergleichbaren Volkswirtschaften anstrebenswert erscheint, wobei zur Vermeidung globaler

Ungleichgewichte tendenziell flexible Wechselkurse etwa zwischen Schwellen- und Industrieländern

vorzugswürdig sind.

Als konkretes wirtschaftspolitisches Ziel haben wir daher in Kapitel 2.a. eine weitergehende regionale

monetäre Integration (etwa im europäischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Raum) mit zwi-

schen den Blöcken flexiblen Wechselkursen herausgearbeitet. Für die deutsche und europäische Wirt-

schaftspolitik ist insbesondere eine Erweiterung des Euroraums als Ziel zu formulieren. Dabei sollte

aber das Entwicklungsstadium der Beitrittskandidaten verstärkt in die Beurteilung der Eignung mit

einbezogen werden. Eine entsprechende zumindest implizite Ergänzung der Konvergenzkriterien (et-

wa mit Blick auf die Pro-Kopf-Wirtschaftskraft, jahresdurchschnittliche Wachstumsraten, Investiti-

onsquoten oder andere realwirtschaftliche Konvergenzindikatoren) dürfte für die künftige Stabilität

der Währungsunion entscheidender sein als eine (zusätzlich dennoch erforderliche) Verschärfung der

fiskalischen Konvergenz- und Stabilitätskriterien.

Gleichzeitig sollte die deutsche Politik auch die makroökonomische Integration in anderen Wirt-

schaftsräumen unterstützen. Abschnitt 2.a.i. hat Regionen identifiziert, in denen der Weg der ökono-

mischen Integration (in unterschiedlichem Stadium) eingeschlagen wurde. Die langfristige Förderung

auch der monetären Integration in diesen Regionen ist (gegeben ein vergleichbares ökonomisches

Entwicklungsstadium) mit Blick auf eine effizientere Allokation von Ressourcen auch für die europäi-

sche und deutsche Politik erstrebenswert. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich

einzelne wichtige Volkswirtschaften bisher nicht auf eine ökonomische Integrationsstrategie eingelas-

sen haben. So gehören weder die Volksrepublik China noch Indien einem regionalen Integrationsraum

an. Für eine zielgerichtete Entwicklung des Weltwährungssystems sollte die deutsche und europäische

Politik eine verstärkte regionale Einbindung dieser Länder, die auch zu den wichtigsten so genannten

Ankerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gehören, unterstützen.

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Neben der Förderung weiterer regionaler monetärer Integration sollte die deutsche Politik darüber

hinaus aber auf eine globale Flexibilisierung der Wechselkurse hinwirken, um dem Aufbau von exzes-

siven Leistungsbilanzungleichgewichten entgegenzuwirken. Kurzfristig ist insbesondere darauf hin-

zuwirken, dass die trotz fundamentalwirtschaftlicher Differenzen bestehende Wechselkursbindung

zwischen bestimmten Schwellen- und Industrieländern abgebaut wird. Insbesondere eine (möglicher-

weise gebremste) Flexibilisierung des Renminbi gegenüber dem US-Dollar sollte von der deutschen

Politik im Interesse eines stabileren Weltfinanzsystems gefördert werden.

Wie in Kapitel 2.b. gezeigt wurde, dürfte ein Übergang zu einem multipolaren Währungssystem, das

neben dem US-Dollar als voraussichtlich weiterhin dominanter Leitwährung den Euro und den Ren-

minbi als weitere Reservewährungen in relevantem Ausmaß vorsieht, erhebliche Vorteile für die Euro-

Länder mit sich bringen. Vor allem kann durch die Herausbildung eines multipolaren Währungssys-

tems die einseitige Abhängigkeit der Weltfinanzmärkte vom US-Dollar etwas zurückgeführt werden.

Die negativen Wirkungen eines Vertrauensverlusts in den Dollar (insbesondere in Folge der massiv

gestiegenen US-Staatsverschuldung und der exzessiven Liquiditätsbereitstellung durch die Federal

Reserve Bank) dürften daher bei einem multipolaren Währungssystem gedämpfter ausfallen. Polit-

strategisch könnte es in diesem Zusammenhang sinnvoll sein, eine zunehmende Bedeutung des Ren-

minbi im internationalen Leitwährungsgefüge zu unterstützen. Dies stünde zudem im Einklang mit

deutschen und europäischen Interessen: Aus europäischer Sicht ist es zudem erstrebenswert, die über

die letzten Jahre herausgebildete währungspolitische Dominanz der G2 (China und USA) aufzubre-

chen. Diese hat sich aus dem Fixkursverhältnis zwischen Dollar und Renminbi entwickelt und wirkt

sich in letzter Zeit wegen der viel expansiveren Geldpolitik in den USA tendenziell in Richtung einer

Aufwertung des Euro aus. Diese schwächt die relative Außenhandelsposition der deutschen Euro-

partner und, wegen der geringeren Preiselastizität der Exporte, mit Abstrichen auch der Bundesrepub-

lik Deutschland.

Zwar hat sich der Euro im letzten Jahrzehnt bereits in beeindruckendem Tempo in Richtung einer in-

ternationalen Zahlungseinheit entwickelt. Um den Euro jedoch dauerhaft an den Kapitalmärkten als

Leitwährung neben dem US-Dollar zu platzieren, sind von deutscher sowie europäischer Seite noch

Nachbesserungen im Regelwerk und in der Konzeption der Europäischen Währungsunion notwendig.

So hat die jüngste Eurokrise einige Schwachstellen in beiden offengelegt. Wie in Kapitel 2.a.iii erläu-

tert, hängt die langfristige Funktionsfähigkeit und Stabilität einer Währungsunion davon ab, dass sich

möglichst hinsichtlich ihres Entwicklungsstandes homogene Länder zusammenschließen, um den

Aufbau von massiven Leistungsbilanzungleichgewichten zu verhindern. Die derzeitige Eurokrise hat

offengelegt, dass dies im Falle des Euroraums nicht der Fall ist. Zwar war man sich dessen bei der

Einführung des Euros bewusst. Doch nahm man der Theorie endogener optimaler Währungsräume

folgend an, dass die Einheitswährung und der freie Güter- und Handelsverkehr mit der Zeit zu einer

weiteren Konvergenz der Konjunkturzyklen und der wirtschaftlichen Entwicklung die einzelnen Län-

der führen würde. Diese Hoffnungen wurden jedoch nicht erfüllt und große dauerhafte intra-

europäische Leistungsbilanzungleichgewichte haben sich in den letzten Jahren zum Teil wegen der

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Aufholprozesse der Peripherieländer, aber vor allem aufgrund mangelnder Wettbewerbsfähigkeit der

Defizitländer aufgebaut (Belke und Dreger 2011). Auch die Staats- und Haushaltsverschuldung hat in

einigen Ländern bedenkliche Ausmaße angenommen, was letztlich zu der derzeitigen Eurokrise ge-

führt hat. Für die weitere Entwicklung des Euro in Richtung einer internationalen Zahlungseinheit

wird entscheidend sein, wie beständig und konsequent die Wirtschaftspolitik in der Eurozone im

Nachlauf der Eurokrise ist – was sich in einem gestärkten Rahmen einer EU Governance widerspie-

geln sollte (Belke 2010c und Belke 2011). Dieser gestärkte EU Governance-Rahmen sollte zum einen

klare Regelungen für den Umgang mit fiskalischen Krisen aufweisen, sowie auch präventive Maß-

nahmen beinhalten, die die Konvergenz der wirtschaftlichen Entwicklungen der einzelnen Mitglieds-

länder fördert und somit die Krisenwahrscheinlichkeit minimiert.

Zum einen ist es wichtig, dass ein glaubwürdiger und wirksamer Krisenmechanismus etabliert wird,

sodass zukünftige fiskalische Krisen in einzelnen Mitgliedsländern nicht mehr die Stabilität der ge-

samten Eurozone und des Euros in Frage stellen. Des Weiteren ist es wichtig, dass ein Krisenmecha-

nismus auch eine Beteiligung privater Gläubiger vorsieht. Zum einen garantiert dies, dass sich Fi-

nanzmärkte wieder kritischer einer Risikoevaluierung widmen84, und zum anderen wird ‚moral ha-

zard‘ Verhalten vermieden, welches sich dadurch kennzeichnet, dass sich private Gläubiger, wie z.B.

Geschäftsbanken, durch riskante Anlagestrategien hohe Renditen garantieren und gleichzeitig das

damit verbundene Kredit- oder Ausfallrisiko auf die Regierungen abwälzen. Die derzeitige diskutierte

Ausgestaltung des zukünftigen Krisenmechanismus ESM (‚European Stability Mechanism‘), welcher

den heutigen EFSF-Vertrag (‚European Financial Stability Fund‘) ab Mitte 2013 ablöst, sieht eine

Haftung privater Gläubiger vor. Alle ab 2013 in der Euro-Zone ausgegebenen Staatsanleihen mit einer

Laufzeit von mehr als einem Jahr werden eine Klausel enthalten, dass private Investoren an einer Kri-

senlösung beteiligt werden (sogenannte ‚collective action clauses‘ (CAC)). Bis zum Krisen-Gipfel

vom 21.07.2011 konnte jedoch zwischen den Regierungen der Eurozone keine Einigung darüber er-

zielt werden, ob und in welchem Ausmaß private Gläubiger bis zum Inkrafttreten des ESM an mögli-

chen Kosten eines Staatsbankrotts beteiligt werden. Die deutsche Regierung sollte hier eine klare Posi-

tion und vermittelnde Rolle bei der innereuropäischen Diskussion einnehmen. Im Folgenden analysie-

ren wir diesbezüglich die jüngsten Gipfelbeschlüsse und versuchen, weiteren Handlungsbedarf bei der

Schaffung eines glaubwürdigen und wirksamen Krisenmechanismus für eine Stärkung des Euro im

internationalen Währungssystem zu identifizieren.

84

Bernoth und Erdogan (2010) zeigen, dass Finanzmärkte zwischen 2002 und 2006 eine zu optimistische Beur-

teilung des Kreditrisikos auf europäische Staatsanleihen hatten und kaum noch zwischen den einzelnen euro-

päischen Emittenten unterschieden. Belke und Burghof (2010) verweisen als eine Ursache dafür auf das Fehlen

von Stand-Alone-Ratings. Demnach haben die Rating-Agenturen die Krisenstaaten in der Eurozone wegen der

manifesten Bailout-Phantasie viel zu lange zu gut bewertet.

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Während des EU-Gipfels am 21.07.2011 wurde wie erwartet das neue Rettungspaket in Höhe von

insgesamt 109 Mrd. Euro für Griechenland abgesegnet. Im Herbst soll es, einem Vorschlag des

Washingtoner Institute of International Finance (IIF) unter Chairman Josef Ackermann folgend, zu

einer Umschuldung privat gehaltener Anleihen im Umfang von ungefähr 135 Mrd. Euro kommen.

Dies befreit Griechenland zwar für zehn Jahre vom Druck der Finanzmärkte, lässt aber zum ersten Mal

ein Land der Eurozone als zahlungsunfähig einstufen. Das Programm wird von den Ratingagenturen

höchstwahrscheinlich als teilweiser Zahlungsausfall gewertet werden.

Der EFSF - und damit der Steuerzahler - muss der EZB die Risiken in Höhe von 20 Mrd. Euro ab-

nehmen; die Euro-Länder müssen Garantien bei der EZB für diesen Zeitraum hinterlegen. Zudem sind

eine Reihe von Erleichterungen für den Schuldendienst Griechenlands beschlossen worden. Danach

werden die Laufzeiten der Kredite bei günstigeren Zinsen verlängert. Für die Kredite aus dem Notfall-

fonds EFSF steigt die Laufzeit von 7,5 Jahren auf 15 bis 30 Jahre, und der Zinssatz wird von 4,5 auf

3,5 Prozent sinken. Auch die Kredite aus dem ersten Rettungsprogramm von 2010 sollen deutlich

prolongiert werden. Darüber hinaus wird der Privatsektor mit einer Reihe von Optionen beteiligt,

wenn auch wohl nur auf freiwilliger Basis. Banken und Versicherungen können sich je nach Präferenz

eines Anleihen-Tausches, einer Verlängerung auslaufender Engagements in Anleihen und eines Rück-

kaufs von Altschulden bedienen.85 Wenig überraschend für einen Vorschlag des IIF sollen die Banken

und Versicherungen „Anreize“ zur Teilnahme erhalten. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass

der Anleihetausch öffentlich, möglicherweise auch durch den EFSF, gefördert werden soll.

Generell wird die Rolle des EFSF gestärkt, wobei die Änderungen auch für den ESM Anwendung

finden werden. Der Fonds kann künftig im Rahmen einer flexiblen Kreditlinie unter strikten Auflagen

eines internationalen Spar- und Reformprogramms präventiv tätig werden; dies ist ein wichtiges Ele-

ment für das künftige makroökonomische Management in der Währungsunion. Der EFSF soll im Not-

fall auf dem Sekundärmarkt tätig werden, also Anleihen aufkaufen können. Voraussetzung hierfür

sollen die Feststellung besonderer Umstände durch die EZB und ein einstimmiger Beschluss der Fi-

nanzminister der Euro-Zone sein. 86 Die gefundene Lösung beinhaltet als Option auch die angemesse-

nen Maßnahmenpakete wie die Möglichkeit eines Rückkaufs von Anleihen kriselnder Staaten durch

den EFSF ganz ohne oder nur mit zeitlich stark begrenztem Zahlungsausfall. Die entscheidenden Be-

dingungen hierfür, wie zum Beispiel ein vorab festgelegter Abschlag beim Anleiherückkauf müssen

aber noch festgelegt werden. In diesem Falle würden die Maßnahmen in Richtung eines Schulden-

schnitts im Rahmen eines Europäischen Währungsfonds, d.h. eines geordneten Insolvenzverfahrens,

85

90 Prozent der privaten Gläubiger sollen für das rein auf Griechenland bezogene Programm gewonnen wer-

den. Unter dem Strich sind das 37 Mrd. Euro. Dies entspricht einem Schuldenschnitt von knapp 21 Prozent,

wenn man den Finanzierungsbedarf für Griechenland bis zum Jahr 2014 zugrunde legt. 86

Im Falle Griechenlands soll der EFSF nunmehr griechische Staatsanleihen unter ihrem Nennwert von privaten

Gläubigern zurückkaufen dürfen. Der Erlös hieraus wird auf 12,6 Milliarden Euro taxiert.

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gehen. Schließlich soll der EFSF den Bankensektor eines betroffenen Landes indirekt durch spezifi-

sche Kredite an die jeweilige Regierung stützen können.

Positiv ist anzumerken, dass es zu keiner Bankenabgabe gekommen ist und der Rettungsfonds EFSF

nicht aufgestockt wird. Zudem ist tendenziell zu begrüßen, dass der Einfluss der US-amerikanischen

Rating-Agenturen eingedämmt werden soll. Die EZB orientiert sich ja bereits an einer kleinen kanadi-

schen Rating-Agentur DBRS, die keinerlei Beurteilung Griechenlands erstellt und insofern Griechen-

land im Fall eines Schuldenschnitts gar nicht auf „Zahlungsausfall“ stellen kann (Wall Street Journal

2011).

Wenngleich also die Beschlüsse in Teilen Schritte in die richtige Richtung weisen, ist das Ausmaß der

konkret beschlossenen Maßnahmen eher enttäuschend. Damit wird die griechische Schuldenkrise

nicht beendet, vielmehr dürfte das Risiko einer Ansteckung anderer Länder noch zunehmen. Das ge-

genwärtige Rettungspaket belässt Griechenland immer noch bei einem Schuldenstand von ungefähr

125 Prozent des BIP. Die griechische Volkswirtschaft wird hierdurch immer noch nicht auf einen

nachhaltigen Pfad gesetzt, zumal von der Zinsseite her nunmehr weniger Anreize für eine rasche

Wettbewerbsorientierung der Volkswirtschaft kommen. Außerdem scheinen die den Eurozonen- und

IWF-Programmen zugrunde liegenden Annahmen zu Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen zu

optimistisch gewählt. Der viel zu geringe Schuldenschnitt bedeutet damit, dass in der Zukunft eine

zusätzliche noch substanziellere Umschuldung notwendig wird, wenn es nicht noch einen noch gigan-

tischeren Transfer anderer Eurozonenländer an Griechenland geben wird. Vermutlich sollte es eine

noch substanziellere Umschuldung nach 2013 geben, wenn der EFSF durch den ESM ersetzt wird.

Denn diese Terminierung macht die Umstrukturierung privat gehaltener Staatspapiere erheblich einfa-

cher.

Besser wäre es gewesen, wenn man sich auf dem Gipfel für einen drastischeren Schuldenschnitt

durchgerungen und die Beteiligung des privaten Sektors verpflichtend gestalten hätte. Auch Hedge

Funds, die den Großteil der griechischer Anleihen halten, sind voraussichtlich nicht dabei. Ihr Anlage-

kalkül ist es, schlechte Papiere zu erwerben, und zum Nennwert erstattet zu bekommen. Beide Maß-

nahmen wären ein Äquivalent zu der überraschend hohen und generösen staatlichen Unterstützung

Griechenlands und noch überzeugendere Maßnahmen gewesen, um die Schuldenkrise zu entschärfen

und die Staatsfinanzen Griechenlands wieder auf eine tragfähige Grundlage zu stellen. Denn die künst-

liche Angleichung der Zinsunterschiede zwischen den Peripherieländern und Kernländern wie

Deutschland konterkariert geradezu die Unterschiede in den Ausfallrisiken und hebelt die Disziplinie-

rung durch die Märkte aus. Entsprechend wirkten sich die Beschlüsse positiv an den Märkten für Ban-

kenpapiere und PIIGS-Anleihen aus, während die Kurse für Bundesanleihen zunächst fielen. Und dies

trotz der neuen Konjunkturdaten, die auf eine strukturelle Rezession in der Euro-Peripherie deuten.

Die griechische Wirtschaft schrumpft derzeit auch wegen der Konsolidierung um vier bis fünf Prozent

pro Jahr. Konkrete Wachstumsimpulse sind erforderlich, um dem Land gegen Auflagen wieder auf die

Beine zu helfen. Das Bekenntnis zu einem Wachstums- und Investitionsprogramm für Griechenland in

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Zusammenarbeit mit der EU-Kommission und der Verweis auf eine möglichst schnelle Verausgabung

der schon bis 2013 budgetierten, aber noch nicht abgerufenen Mittel aus EU-Fonds in Höhe von etwa

15 Milliarden Euro sind korrekt, aber noch nicht spezifisch genug.

Um den Euro als eine vertrauenswürdige Alternative als Reservewährung neben dem US-Dollar zu

positionieren, sollte sich die deutsche Politik außerdem für eine verstärkte wirtschaftspolitische Koor-

dinierung einsetzen, um langfristige Stabilisierung des Euroraums zu gewährleisten und die Krisen-

wahrscheinlichkeit in der Zukunft zu minimieren. Erste Schritte in diese Richtung wurden bereits un-

ternommen, sollten von deutscher Seite aber noch weiter forciert werden. So müssen die EU-

Mitgliedsländer im Rahmen des im September 2010 beschlossenen und 2011 erstmals angewandten

‚Europäischen Semesters‘ ab sofort bereits ein halbes Jahr vor Verabschiedung ihrer Haushaltspläne

diese der Europäischen Kommission vorlegen. Die Kommission erhält dadurch mehr Kontrolle über

mögliche Verletzungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts und kann bei Bedarf früher korrektiv

eingreifen, in dem sie wirtschaftspolitische Empfehlungen ausspricht, die die EU-Staaten in ihren

Haushaltsplänen berücksichtigen müssen. Ein bisheriger Schwachpunkt des derzeitigen Stabilitäts-

und Wachstumspakts war zudem die mangelnde Sanktionsbereitschaft im Falle eines Verstoßes gegen

den Stabilitäts- und Wachstumspakts. Zwar sind im September 2010 Verschärfungen der Sanktions-

maßnahmen beschlossen worden, jedoch fehlt es derzeit noch immer an Detailarbeit und einem end-

gültigen Beschluss. Hier wäre ein wichtiger Ansatzpunkt für die deutsche Politik, um den Stabilitäts-

und Wachstumspakt in Zukunft effektiver zu gestalten.

Die Eurokrise hat außerdem demonstriert, dass die bisherige fiskalpolitische Überwachung der einzel-

nen Länder von Seiten der EU Kommission nicht ausreichend war, um zukünftige Spannungsfelder

innerhalb der EU zu vermeiden. Auch der Aufbau von erheblichen makroökonomischen Ungleichge-

wichten innerhalb der EU, wie sie sich in etwa Leistungsbilanzungleichgewichte oder Wettbewerbs-

differenzen auf den Arbeitsmärkten widerspiegeln, hat sich im Laufe des letzten Jahrzehnts als ein

wichtiger destabilisierender Faktor herausgearbeitet. Dementsprechend ist geplant, den EU-Vertrag

um eine ‚Verordnung zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte‘

(‚excessive imbalance procedure‘ (EIP)) zu ergänzen, um somit nominalen und realen Konvergenz

innerhalb des Euroraums zu erzielen. Damit soll der Überwachung makroökonomischer Ungleichge-

wichte und der Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft mehr Nachdruck verliehen werden. Vorgesehen ist,

dass die EU-Kommission gegebenenfalls Frühwarnungen an einzelne Länder ausspricht und bei Be-

darf korrektive Maßnahmen vorschlägt und bei unzureichender Korrektur Sanktionen verhängt. Die

Identifizierung von makroökonomischen Ungleichgewichten ist jedoch keine einfache Aufgabe und

kann sich in einer Reihe von verschiedenen makroökonomischen Kenngrößen widerspiegeln. Entspre-

chend wird sich auch die Ausgestaltung eines sogenannten ‚Scoreboards‘, welche eine Reihe von In-

dikatoren und Schwellenwerte bestimmt, um frühzeitig aufkommende makroökonomische Ungleich-

gewichte zu erkennen, als eine große Herausforderung in den kommenden Monaten herausstellen. Die

Gefahr besteht, dass diese Indikatoren so vage und ungenau definiert werden, dass das EIP nicht sehr

durchsetzungsstark ist. Die deutsche Regierung hat hier die Möglichkeit, noch gestalterisch mitzuwir-

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ken, um diesem neuen Verfahren zur Effektivität zu verhelfen. Auch eine klare Aufgabenverteilung

und enge Koordination zwischen der EU-Kommission hinsichtlich des EIP und dem neu errichteten

Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (‚European Systemic Risk Board‘ (ESRB)) ist anzustre-

ben, um mögliche Konflikte zu vermeiden und die größtmöglichen Synergieeffekte zu erzielen (Wolff

2011).

Die Bedeutung des Euros im internationalen Währungssystem könnte noch weiter gestärkt werden,

wenn wie in Kapitel 3 argumentiert, der Abbau von Kapitalmarktfriktionen innerhalb des europäi-

schen Währungsraums vorangetrieben wird. Die deutsche Regierung könnte sich in dieser Hinsicht für

eine weitere Harmonisierung rechtlicher und institutioneller Voraussetzungen an den einzelnen euro-

päischen Kapitalmärkten einsetzen. Sehr kritisch ist jedoch der Vorschlag der Einführung gemein-

schaftlicher europäischer Staatsanleihen (sogenannte ‚Eurobonds‘) zu beurteilen, um die Kapital-

marktintegration in Europa weiter voranzutreiben. Zwar würde man damit einen sehr liquiden europäi-

schen Markt für Staatsanleihen schaffen, der hinsichtlich des Volumens vergleichbar mit dem US-

Bondmarkt wäre, jedoch dürfte die damit verbundenen Risiken diese positiven Liquiditätseffekte

überwiegen. Denn mit der Einführung von gesamteuropäischer Staatsanleihen wäre Finanzmärkten die

Möglichkeit genommen, zwischen den einzelnen Emittenten von Staatsanleihen zu unterscheiden,

indem sie unterschiedliche Risikoprämien auf die Bonds verschiedener Euro-Mitgliedsländer verlan-

gen. Dies stellte in der Vergangenheit jedoch ein wichtiges Instrument dar, um die einzelnen Mit-

gliedsstaaten zu fiskalischer Disziplin zu bewegen (vgl. Bernoth et al. 2006; Bernoth und Erdogan

2010).

Positiv ist daher anzumerken, dass es beim jüngsten EU-Gipfel am 21.07.2011 zu keiner unmittelbaren

Einführung von Euro-Anleihen gekommen ist. Die neuen EFSF-Anleihen können zwar als ein Schritt

in Richtung Euro-Anleihen gedeutet werden, allerdings sind sie nur für einen bestimmten Zweck be-

stimmt, nämlich für den Aufkauf griechischer, irischer oder auch portugiesischer Anleihen, was an-

gemessen ist. Auch ihre Handelbarkeit und Liquidität ist im Vergleich zu den gängigen nationalen

Anleihen aus Frankreich oder Deutschland oder gar einem Euro-Bond geringer. Der Ankauf von An-

leihen von Ländern, die gegenwärtig nicht in EFSF-Programmen stecken und wesentlich größer sind,

vor allem Italien und Spanien im Rahmen der jüngst beschlossenen vorausschauenden Komponente

der EFSF-Aufkäufe, käme dagegen einem direktem Auflegen von Eurobonds gleich. Dies würde den

Einstieg in eine Haftungsunion über eine Transferunion hinaus bedeutet, die faktisch spätestens seit

Mai 2010 über die Bilanzen der EZB und möglicherweise schon seit Einführung der Struktur- und

Kohäsionsfonds als etabliert gelten kann. Die fiskalische Kapazität und Toleranz der Geberländer

würde überstrapaziert, was dann über die Reaktionen der Bevölkerung möglicherweise das Ende der

Eurozone bedeuten würde.

Eine weitere polit-ökonomische Schwachstelle in der derzeitigen Ausgestaltung der EU, die die deut-

sche Regierung im innereuropäischen Dialog zur Diskussion stellen sollte, ist das Fehlen einer ge-

meinsamen europäischen Initiative. Noch immer sprechen die einzelnen europäischen Länder mit na-

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tionalen Stimmen, statt sich zu einer europäischen zu vereinigen. Gemessen an den IWF-Quoten, also

den Beitragszahlungen der einzelnen Länder an den Internationalen Währungsfonds, nach denen sich

unter anderem das Stimmrecht richtet, könnte der Einfluss Europas viel höher sein, was dem Euro im

internationalen Währungsgefüge eine bedeutendere Ausgangsposition verschaffen würde (Belke und

Verheyen 2011).

Gelingt es, den Euro in den nächsten Jahren als Leitwährung in einem multipolaren internationalen

Währungssystem neben dem US-Dollar zu positionieren, dürfte neben den aus einer stärkeren globa-

len Nachfrage nach Euro erwachsenden zusätzlichen Seigniorage-Gewinnen das Wachstum im Euro-

raum von einer stabilitätsorientierten Geldpolitik im Euroraum, die für den Erhalt des Leitwährungs-

status erforderlich sein wird, profitieren.87 Um eine nicht fundamental gerechtfertigte Wechselkurs-

volatilität und damit einhergehende Wohlfahrtsverluste (Abschnitt 1.b.iii) zu vermeiden, macht es für

Deutschland viel Sinn, auf dem Weg dorthin auf Wechselkursflexibilität zwischen den Währungsblö-

cken und eine kontinuierliche Entwicklung ohne Brüche hinzuwirken (Abschnitt 2.c).

Schon im Übergang zu dem multipolaren Weltwährungssystem sollten weitere Unzulänglichkeiten des

derzeitigen Systems beseitigt werden. Insbesondere im Bereich des Kapitalmarktmanagements sind

wesentliche Korrekturen in diesem Bericht (Abschnitt 3.b.ii.) thematisiert worden. Vorderstes Ziel

entsprechender Maßnahmen ist eine Eindämmung destabilisierender Kapitalflüsse, die beispielsweise

über die Wechselkurse auch auf die realwirtschaftlichen Verhältnisse Einfluss haben können. In erster

Linie dürften von derartigen Schwankungen Schwellenländer betroffen sein. Wir haben gezeigt, dass

hier durch den Aufbau nationaler Finanzmärkte exzessive spekulative Kapitalbewegungen reduziert

werden können.

Für die deutsche und europäische Wirtschaftspolitik ergibt sich in diesem Zusammenhang primär eine

beratende Rolle. Dennoch ist auch die Politik in den entwickelten Volkswirtschaften gefordert, eine

Stabilisierung der Weltkapitalmärkte zu unterstützen. Hierzu sollten insbesondere auch der IWF und

die G-20 in ihrer Rolle als Stabilitätswächter gestärkt und mit klaren Aufgaben versehen werden.

Zentrale von uns genannte Aspekte sind in diesem Zusammenhang die Verbesserung der Finanzsekto-

raufsicht und –regulierung sowie die Erarbeitung einer Richtlinie für die Aufsicht von Kapitalbilan-

zen. Hierzu gehören auch eine Verbesserung bei der Veröffentlichung wichtiger Finanzmarktindikato-

ren sowie, vor allem, eine verbesserte Durchsetzbarkeit von Vorschlägen zur Korrektur von Fehlent-

wicklungen. Generell sollten Deutschland und der Euroraum den politische Dialog und die politische

Koordinierung im Umgang mit grenzüberschreitendem Kapitalverkehr fördern.

87

Die Spielräume für eine Abwertung des Euro halten sich unter diesen Umständen allerdings in engen Gren-

zen; für die Mitgliedsländer der Währungsunion, die unter strukturellen Problemen leiden, könnte die Etablie-

rung des Euro als Leitwährung daher eine zusätzliche Belastung darstellen.

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