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Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik Thomas Kopf 10. September 2013

Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

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Page 1: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Differentialformen und deren Anwendung in der

Elektrodynamik

Thomas Kopf

10. September 2013

Page 2: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort 1

2 Die Maxwellgleichungen in Integralform 22.1 Das Induktionsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Der Ampere-Maxwell-Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3 Der elektrische und der magnetische Hullenfluss . . . . . . . . . . . . . . . 3

3 Kurven- und Flachenintegrale 43.1 Vektor- und Skalarfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.2 Wegintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43.3 Flachenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

4 Begriffsbildung der Differenzialform 74.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74.2 Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

4.2.1 Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74.3 Tangentenvektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74.4 Das Differential im Zusammenhang mit Differentialformen . . . . . . . . . 84.5 Einsteinkonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

5 Tensoren 105.1 (r, s)-Tensoren und das Tensorprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105.2 Entwicklungskoeffizienten des Tensors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115.3 Symmetrie und Antisymmetrie von Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . 115.4 Tensorfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135.5 Das Keilprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

5.5.1 Darstellung von p-Vektoren und p-Formen mit Hilfe des Keilprodukts 145.5.2 Keilprodukt als Basisdarstellung von p-Formen . . . . . . . . . . . 15

6 Differentialformen und die Cartan-Ableitung 166.1 Alternierende Differentialformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166.2 Die Cartan-Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

6.2.1 Die Axiome der Cartan-Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176.2.2 Die Cartan-Ableitung im Zusammenhang mit Gradient, Rotation

und Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176.3 Der verallgemeinerte Satz von Stokes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196.4 Der Hodge-Stern-Operator ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

7 Maxwellgleichungen als Differentialformen 217.1 Die vier Gleichungen im Λp∗[R

3] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217.2 Die Maxwellgleichungen im vierdimensionalen Vakuum . . . . . . . . . . . 23

7.2.1 Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257.3 Poynting-Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

2

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8 Anhang 278.1 Wegintegrale - Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278.2 Flachenintegrale - Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

8.2.1 Feld einer Punktladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

9 Literaturverzeichnis 32

Page 4: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 1 VORWORT

1 Vorwort

Diese Arbeit beschaftigt sich mit Differentialformen und deren Anwendung in der Elek-trodynamik. Das Ziel ist das Vertrautmachen mit essentiellen Begriffen, wie zum Beispielder Cartan-Ableitung, dem Tensor und dem Keilprodukt.

Hat man diesen umfangreichen Apparat zur Hand, lassen sich die Maxwellgleichun-gen in einer neuen Form darstellen. Unter anderem ist dann auch eine 4-dimensionaleDarstellung moglich, mit welcher sich eine relativistische Behandlung ermoglicht. ImAllgemeinen soll also der Zugang zur hoheren Elektrodynamik erleichtert werden.

Es handelt sich hierbei um eine Bachelorarbeit aus der Fachvertiefung Mathematik furElektrotechnik der Technischen Universitat Wien.

1

Page 5: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 2 DIE MAXWELLGLEICHUNGEN IN INTEGRALFORM

2 Die Maxwellgleichungen in Integralform

Zum Einstieg in die Thematik sollen in diesem Kapitel (sehr knapp) die 4 grundlegendenGleichungen der Elektrodynamik in ihrer Integralform im leeren Raum angefuhrt werden.Diese Form der Darstellung zeigt das Zusammenspiel von globalen und lokalen Großen.

2.1 Das Induktionsgesetz

Das Induktionsgesetz beschreibt die Wechselwirkung zwischen elektrischer FeldstarkeE und magnetischer Flussdichte B. Ihre globalen Reprasentanten sind die elektrischeSpannung U und der magnetische Fluss Φ. Es besteht der Zusammenhang

U(C) =

∫C~E · d~s,

Φ(A) =

∫A~B · d ~A.

In globaler Form lautet das Induktiongesetz

U(∂A) = −Φ(A).

Durch die oben genannten Zusammenhange ergibt sich∫∂A

~E · d~s+

∫A∂t ~B · d ~A = 0.

Unter der Voraussetzung, dass die Flache raumfest ist, also sich nicht mit der Zeit andert.Dies werden wir auch im Nachfolgenden immer annehmen. Außerdem sind unter C,A undV hier und im nachfolgenden Kurven, Flachen beziehungsweise Volumen zu verstehen.

2.2 Der Ampere-Maxwell-Satz

Der Ampere-Maxwell-Satz verbindet die magnetische Spannung V mit dem elektrischenStrom I und der zeitlichen Anderungsrate des elektrischen Flusses Ψ. Diese lassen sichdurch die magnetische Feldstarke H, die elektrische Stromdichte J und die elektrischeFlussdichte D wie folgt darstellen

V (C) =

∫C~H · d~s,

I(A) =

∫A~J · d ~A,

Ψ(A) =

∫A~D · d ~A.

Mit dem Ampere-Maxwell-Satz

V (∂A) = I(A) + Ψ(A)

ergibt sich ∫∂A

~H · d~s =

∫A~J · d ~A+

∫A∂t ~D · d ~A.

2

Page 6: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 2 DIE MAXWELLGLEICHUNGEN IN INTEGRALFORM

2.3 Der elektrische und der magnetische Hullenfluss

Die beiden Hullenflusse geben jeweils die Quellen des magnetischen (Φ) und des elektri-schen Flusses (Ψ) an

Ψ(∂V) = Q(V),

Φ(∂V) = 0, 1

wobei Q die elektrische Ladung

Q(V) =

∫Vρ dV

ρ elektrische Ladungsdichte sind. Zusammenfassend ergibt sich die Integraldarstellung∫∂V

~D · d ~A =

∫Vρ dV

∫∂V

~B · d ~A = 0.

1Somit quellenfrei

3

Page 7: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 3 KURVEN- UND FLACHENINTEGRALE

3 Kurven- und Flachenintegrale

Wie wir im vorangehenden Kapitel gesehen haben, sind sowohl Kurven- und Flacheninte-grale als auch Vektor- und Skalarfelder von enormer Bedeutung fur die Elektrodynamik.Dieses Kapitel soll einen Uberblick und einige Definitionen liefern. Im Anhang findensich auch praktische Beispiele dazu.

3.1 Vektor- und Skalarfelder

Definition 3.1 Sei U ⊂ Rn, dann ist

~V : U → Rn

eine stetige Abbildung und wir nennen es ein Vektorfeld im Rn.Des Weiteren sei

f : U → R

eine stetige Abbildung, welche wir Skalarfeld nennen.[VEKANA, Kapitel 1]

Bei ersterem wird jedem Punkt in U einen Vektor im Rn zugeordnet, also eine Großemit Betrag und Richtung. Zweiteres verbindet jeden Punkt in U mit einem in R. Alsanschauliche Beispiele von Vektorfeldern lassen sich Kraftfelder anfuhren (zum Beispieldie elektrische Feldstarke). Hohenschichtlinien oder Potentialfelder sind nennenswerteAnwendungen von Skalarfeldern.Stetig differenzierbare Skalarfelder f : U → R geben Anlass zu Vektorfelder durch Gra-dientenbildung.

Definition 3.2 Der Ausdruck ~∇f = ~V wird als Gradient des Skalarfeldes f bezeichnet.Es gilt

~∇f = [∂x1f, ..., ∂xnf ]T ,

wobei ∂xi die partielle Ableitung nach der Variablen xi bedeutet.

Der Gradient eines Skalarfeldes ist also ein Vektorfeld, dessen Richtung immer dort-hin zeigt, wo die starkste Zunahme des Skalarfeldes erfolgt. Der Betrag ‖ ~∇f ‖ liefertein Maß der lokalen Zunahme. Offensichtlich verschwindet dieser an Extremwerten desSkalarfeldes f .

3.2 Wegintegrale

Als einfuhrendes Beispiel wollen wir die Spannung zwischen zwei Punkten P1 und P2

berechnen (in diesem Fall setzen wir keine Wegunabhangigkeit voraus). Hierfur wahlenwir ~E : M ⊆ R3 → R3 und die Elektrische Spannung U = ~E · ~s, wobei ~s der gerichteteAbstand von einem Pi nach Pi+1 ist. Um eine bestimmte Kurve C zu berucksichtigen,

4

Page 8: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 3 KURVEN- UND FLACHENINTEGRALE

bestimmt man nun eine sogenannte Parameterdarstellung ~γ(t) : [P1,P2] → R3. UmAllgemeinheit zu erlangen, unterteilt man die Kurve C, so dass

t0 < t1 < · · · < tN , ~γ(t0) = a,~γ(tN ) = b.

Summation uber alle Teilstrecken liefert

U(C) =N−1∑n=0

~E(~γ(tn)) · (~γ(tn+1)− ~γ(tn)),

welche sich als Riemannsumme des Integrals

U(C) =

P2∫P1

~E(~γ(t)) · ~γ(t)dt

deuten lasst.

Definition 3.3 Der Wert eines Wegintegrals fur ein Vektorfeld ~v erstreckt uber eineKurve C ergibt sich durch

∫C~v · d~s :=

P2∫P1

~v(~γ(t)) · ~γ(t)dt,

wobei ~γ(t) : [P1,P2]→ R3 eine Parameterdarstellung der Kurve C ist.Liegt ein Skalarfeld der Form f : U ⊂ R3 → R vor, ergibt sich der Wert des Integralsdurch ∫

Cfds :=

P2∫P1

f(~γ(t))‖~γ(t)‖dt

mit der Parameterdarstellung ~γ(t) : [P1,P2]→ R3. [M3, S 90]

3.3 Flachenintegrale

Um uber Flachen zu integrieren ist es notwendig, zu definieren, was man unter einerFlache versteht. [KAna, Anhang B]

Definition 3.4 Findet man eine stetige Abbildung F : P → B, x = (x1, x2) ∈ P ,P ⊆ R2 und B ⊆ R3, wobei F stetig differenzierbar ist - ausgenommen auf endlich vielenPunkten - und die partiellen Ableitungen ∂F

∂x1und ∂F

∂x2linear unabhangig sind, nennt man

F eine glatte Flache in B. Des Weiteren lasst sich die sogenannte Flachennormale ~n als

~n :=∂F

∂x1× ∂F

∂x2

definieren.

5

Page 9: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 3 KURVEN- UND FLACHENINTEGRALE

Definition 3.5 Fur S : B → R und S stetig, ergibt sich das Flachenintegral uber dieFlache F : P → B zu∫

FS dA =

∫PS(F (x))

∥∥∥∥∂F (x)

∂x1× ∂F (x)

∂x2

∥∥∥∥ dx.Fur v : B → R3 und v stetig, ergibt sich das Flachenintegral uber dieselbe Flache F zu∫

F~v · d ~A =

∫P~v(F (x)) ·

(∂F (x)

∂x1× ∂F (x)

∂x2

)dx.

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Page 10: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 4 BEGRIFFSBILDUNG DER DIFFERENZIALFORM

4 Begriffsbildung der Differenzialform

Um Differenzialformen zu verstehen, definieren wir zuerst einige Begriffe. Wichtig sind indiesem Zusammenhang vor allem Mannigfaltigkeiten und Tangentenvektoren. Mit Hilfedes Begriffs der Differenzialform lassen sich das Keilprodukt einfuhren und alternierendeDifferenzialformen bilden, und in Folge dessen auch die Cartan-Ableitung. [HE, Kapitel2]

4.1 Motivation

Was kann man damit machen? Vor allem bietet diese abstraktere Sichtweise Vorteile inder Verallgemeinerung von Integralen in hoheren Dimensionen (n > 1). So kann manden Satz von Stokes und den Satz von Gauß durch die Cartan-Ableitung - also auch mitDifferentialformen - zu einem Satz zusammenfassen und zwar fur beliebige Dimensionen.Dies ist der verallgemeinerte Satz von Stokes.

4.2 Mannigfaltigkeiten

Da man unter einer Mannigfaltigkeit etwas sehr abstraktes versteht, will ich nur ein Bilddavon vermitteln, was man sich darunter vorzustellen hat. Eine Mannigfaltigkeit hatman als eine Menge von Punkten die eine gewisse (glatte) Verbindung aufweisen undein

”Kontinuum bilden“. Vorerst distanziert man sich von jeglicher Gestalt und Große

(also”maßfrei“) und reduziert die Vorstellung auf die Dimension n ∈ N. Zum Beispiel

bilden die Punkte einer beliebig geformten, geschlossenen Flache eine zweidimensionaleMannigfaltigkeit. [HE, S 19]

4.2.1 Karten

Um Punkte auf einer Mannigfaltigkeit zu identifizieren, fuhrt man sogenannte Kartenein. Karten bilden dann einen Punkt P der Mannigfaltigkeit der Dimension n P ∈ Mn

auf eine n-fache Skala des Rn ab. Wir definieren, unter der Vorrausetzung, dass unsereMannigfaltigkeit ein topologischer Raum ist:

Definition 4.1 Eine Karte der Dimension n ist ein Homoomorphismus von einer offenenTeilmenge U ⊂M, welcher auf eine offene Teilmenge h[U ] ⊂ Rn abbildet. Die Abbildunglautet somit h : U → h[U ] und sowohl h als auch h−1 sind stetig.

Ich werde mich im Folgenden nur auf denRn beschranken, weil der Begriff der Mannigfal-tigkeit naher definiert werden musste. Da Homoomorphismen auch bijektiv sind, findetsich immer eine eindeutige Umkehrfunktion. Die wesentlichen Eigenschaften werden sichalso auch im Rn beschreiben lassen.

4.3 Tangentenvektoren

Findet man eine differenzierbare Kurve ϕ : λ→ ϕ(λ), und setzt diese in eine differenzier-bare, skalare Funktion f : ϕ→ f(ϕ) ein, so lasst sich die Anderungsrate dieser Funktion

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Thomas Kopf 4 BEGRIFFSBILDUNG DER DIFFERENZIALFORM

uber die Ableitung nach λ bestimmen.

Definition 4.2 Sei F (P) die Menge aller differenzierbarer und skalarer Funktionen inder Umgebung von Punkt P ∈ Rn und ϕ(λ) eine differenzierbare Kurve durch den PunktP. Die Abbildung v ist dann der Tangentenvektor, der jeder Funktion f ∈ F in jedemPunkt die Anderungsrate des Parameters λ in R zuweist.

vP : F (P)→ R

mit

v[f ]P =d

dλ[f(ϕ(P))]λ0 .

Wichtige Eigenschaften des Tangentenvektors sind:

v[af + bg] = av[f ] + bv[g],

v[fg] = v[f ]g + fv[g],

v[c] = 0

fur f, g ∈ F (P) und a, b, c = const. Die zweite Eigenschaft ist die Leibniz-Regel. Da auchLinearitat gilt, spricht man von einer Derivation auf F (P).Als nachstes fasst man alle in einem festen Punkt P im Rn definierten Tangenvekto-ren zusammen zu einem Tangentenraum T (P). (Randnotiz: physikalische Dimensionendurfen selbstverstandlich nicht vernachlassigt werden und sind einheitlich zu halten)

Definition 4.3 Der Tangentenraum ist ein Vektorraum und es gilt somit

(av + bw)[f ] = av[f ] + bw[f ],

wobei a, b ∈ R, v, w ∈ T (P), av[f ] + bw[f ] ∈ T (P). Man nennt den Vektorraum T (P)Tangentenraum im Punkt P.

4.4 Das Differential im Zusammenhang mit Differentialformen

Im vorigen Abschnitt haben wir die Tangentenvektoren kennengelernt. Die dualen Ab-bildung zu Tangentenvektoren bilden den Dualraum T ∗(P). Man spricht manchmal auchvon Kovektoren oder kovarianten Vektoren.

Definition 4.4 Ein Kovektor α ist also eine lineare Abbildung, die jedem Tangenten-vektor einen Skalar zuweist; und zwar uber

α : T (P)→ R, v 7→ 〈α, v〉.

Da sowohl der Tangentenraum T (P) als auch der dazu duale Raum T ∗(P) Vektorraumesind, gilt

〈α, av + bw〉 = a〈α, v〉+ b〈α,w〉〈aα+ bβ, v〉 = a〈α, v〉+ b〈β, v〉

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Page 12: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 4 BEGRIFFSBILDUNG DER DIFFERENZIALFORM

fur alle α, β ∈ T ∗(P), v, w ∈ T (P) und a, b = const. mit entsprechender physikalischerDimension. Die korrekte physikalische Dimension ergibt sich durch den Zusammenhangpd(v)pd(α) = pd(R), wobei pd(·) die physikalische Dimension liefert.

Definition 4.5 Differenziale. Fur jede differenzierbare Funktion f : Rn → R wird dasDifferenzial df ∈ T ∗(P), welches somit eine 1-Form ist, definiert

〈df, v〉 = v[f ], v ∈ T (P).

Dies scheint anfangs sehr aus der Luft gegriffen, jedoch erkennt man den Nutzen, nach-dem man die naturliche Vektorbasis (∂1, . . . , ∂n) fur v einsetzt und damit die Entwick-lungskoeffizienten fur df berechnet. Die Entwicklungskoeffizienten vi sind die Faktorender Basiselement der naturlichen Basis (dx1, . . . , dxn) fur 1-Formen2

α = df = vidxi.

Damit ergibt sich fur die Koeffizienten

vi = 〈df, ∂i〉 = ∂i[f ]

und somit fur die 1-Form df die wir als Differenzial definiert haben

df = ∂i[f ]dxi =∂f

∂xidxi.

Man sieht, dass df als 1-Form dem totalen Differenzial skalarer Funktionen entspricht.

4.5 Einsteinkonvention

In dieser Arbeit wird mit der Einsteinkonvention gearbeitet, das bedeutet, dass uberdoppelt vorkommende Indizes summiert wird. Das Summenzeichen Σ wird einfach weg-gelassen. Also gilt beispielsweise fur eine beliebige Funktion f die sich aus einer Summezusammensetzt

f =

n∑i=1

vixi = vixi.

2siehe Abschnitt Einsteinkonvention

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Page 13: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 5 TENSOREN

5 Tensoren

Tensoren sind multi-lineare Abbildungen, die es ermoglichen mehrere 1-Formen undTangentenvektoren3 zusammenzufassen. Zum Beispiel liefert die 1-Form α als lineareAbbildung T (P) → R in Verbindung mit einem Tangentenvektor v ein Skalar. Umge-kehrt funktioniert dies naturlich genauso. Somit lassen sich die lineare Objekte 〈·, v〉und 〈α, ·〉 mit offenen

”Eingangen“ einfuhren.

Da der Tangentenraum T (P) und der dazu duale Kotangentenraum T ∗(P) immer ineinem fixen Punkt P betrachtet wird, schreibt man oft abkurzend nur T und T ∗.

5.1 (r, s)-Tensoren und das Tensorprodukt

Die Abbildug eines Tensors sieht folgendermaßen aus4

T : T ∗ × · · · × T ∗︸ ︷︷ ︸r

×T × · · · × T︸ ︷︷ ︸s

→ R,

wobei r die Anzahl der einsetzbaren Kovektoren aus dem Raum T ∗ und s die Anzahlder Vektoren aus T ist.

Definition 5.1 Tensoren sind also multilineare Abbildungen. Einsetzen der Kovektorenund Vektoren liefert wiederum einen Skalar

T (α, · · · , β, v, · · · , w) ∈ R.

(r, s)-Tensoren sind Elemente eines nr+s-dimensionalen Vektorraums, welcher T rs ge-nannt wird. Der Vektorraum lasst sich als Tensorprodukt darstellen

T rs = T ⊗ · · · ⊗ T ⊗ T ∗ ⊗ · · · ⊗ T ∗

und man nennt ihn Tensorraum vom Typ (r, s). So sind zum Beispiel Tensoren vom Typ(0, 0), (0, 1) und (1, 0): Skalare, Kovektoren (〈α, ·〉 ∈ T 0

1 ) und Vektoren (〈·, v〉 ∈ T 10 ).

Die Multilinearitat bedeutet wie immer, dass Linearkombinationen erhalten bleiben -mit dem Zusatz, dass dies fur jeden Kovektor- und Vektor-“Eingang“ gilt.

Definition 5.2 Bildet man das Tensorprodukt zweier Tensoren, erhalt man einen neuenTensor. Sei R ein (r, s)-Tensor und S ein (k, l)-Tensor, so ist das Tensorprodukt ein(r + k, s+ l)-Tensor

R⊗S(α1, · · · , αr+k, v1, · · · , vs+l) = R(α1, · · · , αr, v1, · · · , vs)S(αr+1, · · · , αr+k, vs+1, · · · , vs+l)

Das Tensorprodukt ist assoziativ und distributiv, jedoch im Allgemeinen nicht kommu-tativ.

3manchmal auch kurz: Kovektoren und Vektoren4T ist n-dimensional

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Page 14: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 5 TENSOREN

5.2 Entwicklungskoeffizienten des Tensors

Ein (1, 1)-Tensor T lasst sich durch seine Entwicklungskoeffizienten darstellen. Wahltman als Basis im Tangentenraum ek und eine dazu duale Basis εi im Dualraum, kannman die Entwicklungskoeffizienten berechnen.

T (εi, ek) = T ik,

fur i, k = 1, ..., n. Es sind also n2 Entwicklungskoeffizienten. Setzt man einen Vektorv = vkek und einen Kovektor α = αiε

i in diesen Tensor ein, erhalt man folgendes

T (α, v) = T (αiεi, vkek) = αiv

kT (εi, ek) = αivkT ik

= T ik〈α, ei〉〈εk, v〉 = T ikei ⊗ εk(α, v)

und somit gilt

T = T ikei ⊗ εk

und fur n = 3

T = T 11 e1 ⊗ ε1 + T 1

2 e1 ⊗ ε2 + T 13 e1 ⊗ ε3+

T 21 e2 ⊗ ε1 + T 2

2 e2 ⊗ ε2 + T 23 e2 ⊗ ε3+

T 31 e3 ⊗ ε1 + T 3

2 e3 ⊗ ε2 + T 33 e3 ⊗ ε3.

Der Tensor lasst sich also mit Hilfe seiner Basiselemente aus dem Tensorraum ei⊗εk ∈ T rsfur i, k = 1, ..., n, und seinen Entwicklungskoeffizienten T ik angeben.

5.3 Symmetrie und Antisymmetrie von Tensoren

Es gibt bezuglich der Eingange fur Kovektoren und Vektoren Symmetrien und Anti-symmetrien. Unter einem vollstandig symmetrischen Tensor, versteht man einen (0, p)-oder (p, 0)-Tensor, dessen Eingange sich alle vertauschen5 lassen und der Tensor sichdabei nicht andert. Zum Beispiel gilt fur einen nicht-symmetrischen (0, 2)-Tensor imAllgemeinen

T (u, v) 6= T (v, u).

Fur einen symmetrischen (0, 2)-Tensor gilt

T (u, v) = T (v, u)

Tik = Tki.

Dieser ist somit auch vollstandig symmetrisch.Ahnlich wird der vollstandig Antisymmetrische Tensor definiert. Es handelt sich wieder

5Das Vertauschen von Eingangen wird auch Transposition genannt.

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Page 15: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 5 TENSOREN

um (0, p)- oder (p, 0)-Tensoren; jedoch folgt aus dem Vertauschen zweier Eingange einVorzeichenwechsel. Zum Beispiel gilt fur einen (2, 0)-Tensor

T (α, β) = −T (β, α)

und fur die Entwicklungskoeffizienten gilt

T ik = −T ki.6

Symmetrische und Antisymmetrische Tensoren lassen sich durch Linearkombinationenvon einem Tensor und seinen Transponierten erstellen; dies geschieht fur (0, 2) und (2, 0)Tensoren genauso wie bei Matrizen und Funktionen.

Tsym(u, v) =1

2(T (u, v) + T (v, u))

Tanti(u, v) =1

2(T (u, v)− T (v, u))

Dies lasst sich leicht nachrechnen, da ja fur symmetrische und antisymmetrische TensorenTsym(u, v) = Tsym(v, u) und Tanti(u, v) = −Tanti(v, u) gelten muss.

Tsym(u, v) =1

2(T (u, v) + T (v, u)) =Tsym(v, u) =

1

2(T (v, u) + T (u, v))

Tanti(u, v) =1

2(T (u, v)− T (v, u)) =− Tanti(v, u) = −1

2(T (v, u)− T (u, v)) =

1

2(T (u, v)− T (v, u))

Definition 5.3 p-Formen und p-Vektoren.Man nennt vollstandig antisymmetrische (0, p)-Tensoren p-Formen und vollstandig anti-symmetrische (p, 0)-Tensoren p-Vektoren. Ist der Vektorraum T ∗ bzw. T der Kovektorenund Vektoren, welche den Tensor bilden, n-dimensional, so entsteht bei p-Formen undp-Vektoren jeweils ein

(np

)-dimensionaler Vektorraum ΛpT ∗, beziehungsweise ΛpT .

Definition 5.4 Alternierung eines Tensors.Die Alternierung ist eine lineare Abbildung T 0

p → ΛpT ∗. So entsteht aus einem (0, p)-Tensor die p-Formen AltT - und zwar durch die Summation uber alle Permutationen

(AltT )(v1, . . . , vp) =1

p!

∑i1···ip

sgn(i1 · · · ip)T (vi1 , . . . , vip),

wobei v1, . . . , vp ∈ T . Genauso kann man durch die Alternierung einem (p, 0)-Tensoreinen p-Vektor zuordnen T p0 → ΛpT . Fur p = 2 wurde dies oben schon gezeigt.7

6Hat der Tensor p Eingange erfolgt der Vorzeichenwechsel nur bei ungeraden Permutationen.7Tanti ist eine 2-Form und durch Einsetzen erkennt man die Operation der Alternierung. Der Operator

wird auch Alternator genannt.

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Page 16: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 5 TENSOREN

5.4 Tensorfelder

Bis jetzt wurde immer, wenn von Tensoren, Formen und Vektoren die Rede war, nur einspezieller Punkt P betrachtet. Meistens reicht es aber nicht aus, sich auf einen Punktzu beschranken und es wird eine ganze Teilmenge des Rn berucksichtigt.

Definition 5.5 TensorfeldSei U ⊂ Rn eine nicht notwendig offene Teilmenge und T rs [Rn] ein (r, s)-Tensorbundel

T rs [Rn] =⋃P∈Rn

T rs (P).

Das Tensorfeld T vom Typ (r, s) uber U ist eine Abbildung

T : U → T rs [Rn] durch P 7→ T (P) ∈ T rs (P).

Damit kann man jedem Punkt einen Tensor vom Typen (r, s) zuweisen.

Diese Definition ist sehr allgemein und umfasst auch Skalarfelder (r, s) = (0, 0), Vek-torfelder (r, s) = (1, 0) und Felder von 1-Formen (r, s) = (0, 1). Eine Entwicklung siehtdann folgendermaßen aus

T = T i1···irj1···js∂i1 ⊗ · · · ⊗ ∂ir ⊗ dxj1 ⊗ · · · ⊗ dxjs

mit den Entwicklungskoeffizienten

T i1···irj1···js = T (dxi1 , · · · , dxir , ∂j1 , · · · , ∂js).

Die Entwicklungskoeffizienten sind dann skalarwertige Funktionen.

5.5 Das Keilprodukt

Definition 5.6 Sei F ein p-Vektor und G ein q-Vektor, so ist das Keilprodukt F ∧ Gdefiniert durch

F ∧G =(p+ q)!

(p!q!)Alt(F ⊗G)

und es entseht ein (p+ q)-Vektor. Dasselbe gilt auch fur p- und q-Formen. Das Keilpro-dukt ist sowohl assoziativ als auch distributiv. Außerdem besitzt es die Eigenschaft derAntikommutativitat.

(F ∧G) ∧H =F ∧ (G ∧H)

F ∧G =(−1)pqG ∧ FF ∧ (G+H) =F ∧G+ F ∧H

Die Distributivitat ergibt naturlich nur Sinn, wenn G und H vom gleichen Grad sind.Eine weitere interessante Eigenschaft des Keilprodukts ist, dass alle Formen und Vekto-ren, welche den Grad des zugrundeliegenden Vektorraums uberschreiten, verschwinden.Des Weiteren lasst sich fur p = 1 sofort die Eigenschaft F ∧ F = 0 zeigen, da F ∧ F =(−1)F ∧ F gilt.

13

Page 17: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 5 TENSOREN

5.5.1 Darstellung von p-Vektoren und p-Formen mit Hilfe des Keilprodukts

Sei F eine 2-Form, dann lasst sie sich, da sie ein Tensor ist, durch die Entwicklungs-koeffizienten und die Basiselemente darstellen. Die Basiselemente sind, wie zuvor schoneinmal erwahnt wurde, Tensorprodukte von zwei oder mehreren Basiselementen des zu-grundeliegendenden Tangentenraums. Fur die 2-Form gilt also

F = Fikεi ⊗ εk.

und infolge der Antisymmetrie(siehe Seite zuvor Tanti(u, v)) ergibt sich das Keilproduktzweier 1-Formen (T = εi ⊗ εk)

F =1

2Fikε

i ∧ εk

F =1

2Fik

(1 + 1)!

(1!1!)Alt(εi ⊗ εk)

F =1

2Fik

(1 + 1)!

(1!1!)

1

2!

∑i1,i2

sgn(i1, i2)T (ei, ek) =1

2Fik(ε

i ⊗ εk − εk ⊗ εi)

F =1

2(Fikε

i ⊗ εk + Fikεi ⊗ εk) = Fikε

i ⊗ εk

Dies zeigt, dass sich 2-Formen und genauso 2-Vektoren als Summe von Keilproduktenvon 1-Formen beziehungsweise 1-Vektoren darstellen lassen. Es ist sogar fur p-Formenund p-Vektoren gultig.8

Satz 5.1 p-Vektoren und p-Formen als Summe von Keilprodukten. Sei F ein p-Vektorso gilt

F =1

p!F i1...ipei1 ∧ . . . ∧ eip .

Wegen der Eigenschaft ei∧ei = 0 besteht F statt aus np Termen nur mehr aus(np

)linear

unabhangigen Termen. Dasselbe gilt naturlich auch fur p-Formen.

Mit dieser Entwicklung lasst sich nun zeigen, warum alle Formen und Vektoren, die denGrad des zugrundeliegenden Vektorraums uberschreiten, verschwinden. Seien G ein p-Vektor und F ein q-Vektor, wobei p + q > n ebenfalls der Fall sei. n sei die Dimensiondes zugrundeliegenden Vektorraums.

G =1

p!Gi1...ipei1 ∧ . . . ∧ eip

F =1

q!F i1...iqei1 ∧ . . . ∧ eiq

8Fur Naheres verweise ich auf das Literaturverzeichnis. Unter anderem: Hohere Elektrodynamik, 53

14

Page 18: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 5 TENSOREN

Das Keilprodukt der beiden Vektoren ergibt dann

F ∧G =1

p!q!F i1...iqGi1...ip(ei1 ∧ . . . ∧ eiq︸ ︷︷ ︸

q

) ∧ (ei1 ∧ . . . ∧ eip︸ ︷︷ ︸p

) = 0.

Das Produkt verschwindet also immer, da nur n verschiedene Basiselemente existieren,aber jedes mal mehr als n verschiedene - namlich p+ q - verknupft werden. Es ist somitdurch die Anwendung der Antikommutativitat und der Assoziativitat immer moglich,ei ∧ ei = 0 zu erzeugen.

5.5.2 Keilprodukt als Basisdarstellung von p-Formen

Außerdem lasst sich mittels Satz 5.1 eine Basis aus Keilprodukten bilden. Der zugrun-deliegende Vektorraum V habe die Dimension n mit den Basiselementen

dx1, · · · , dxn.

Fur eine p-Form gibt es nun(np

)Basiselemente. Zum Beispiel fur n = 3 sind es die

folgenden Basiselemente fur 1-, 2- beziehungsweise 3-Formen dx1, dx2, dx3, dx1 ∧ dx2,dx1 ∧ dx3, dx2 ∧ dx3, dx1 ∧ dx2 ∧ dx3.Die Eindeutigkeit und lineare Unabhangigkeit p-Form fur p < n zeigt man, indem sichdie Gleichung

1

p!bi1...ipdx

i1 ∧ . . . ∧ dxip = 0.

nur dadurch erfullen lasst, wenn alle Konstanten bi = 0 sind. Wendet man nun dasKeilprodukt einmal (oder auch ofter) an - also fugt jeweils ∧dxi hinzu, errechnen sichdie Koeffizienten alle zu 0. Zum Beispiel liefert ∧dx1 fur eine (n− 1)-Form

b1dx1 ∧ · · · ∧ dxn = 0.

Es muss also b1 = 0 gelten. Fur n = p gibt es nur ein Basiselement b1dx1∧ · · ·∧dxn = 0.

Alle anderen Kombinationen verschwinden - wie oben gerade - wegen ei ∧ ei = 0. DieEindeutigkeit und lineare Unabhangigkeit ist damit bewiesen.

15

Page 19: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 6 DIFFERENTIALFORMEN UND DIE CARTAN-ABLEITUNG

6 Differentialformen und die Cartan-Ableitung

Dieses Kapitel enthalt die Definition fur (alternierende) Differenzialformen p-ten Gradesund die der außeren Ableitung d. Außerdem wird auf den Zusammenhang zwischenDivergenz, Rotation und Gradient mit der Cartan-Ableitung eingegangen. Danach wirdder verallgemeinerte Satz von Stokes vorgestellt. Zuletzt wird noch der Hodge-Stern-Operator definiert, ein essentieller Operator fur Differentialformen.

6.1 Alternierende Differentialformen

Was sind nun alternierende Differentialformen? Generell sind es Objekte, uber die manintegrieren kann, deswegen ist der Ubergang zu Feldern auch so wichtig. Der Grad derDifferentialform gibt an, welche Dimension das Gebiet hat, uber das integriert werdenkann. So ist zum Beispiel die elektrische Feldstarke eine Differentialform vom Grad 1(Kurve) und die elektrische Flussdichte eine Differentialform vom Grad 2 (Flache)!Die Begriffe wie p-Form und Keilprodukt waren in den vorherigen Kapiteln meist punkt-weise erklart. Der Ubergang zu den Feldern ist unkompliziert. Vorerst sei gesagt, dassdie p-Formen schon die alternierenden Differentialformen bezeichnen, also vollstandigantisymmetrische (0, p)-Tensoren sind. Dass diese als Felder aufgefasst werden konnen,wurde ebenfalls schon gezeigt.Das Keilprodukt ist nun (punktweise) eine bi-lineare Abbildung von zwei Formen desGrades p und q auf eine (p+ q)-Form

∧ : Λp∗[Rn]× Λq∗[R

n]→ Λp+q∗ [Rn] durch (F,G) 7→ F ∧G.

Um mit dem Keilprodukt etwas vertrauter zu werden, beweisen wir kurz die Antikom-mutativitat

F ∧G = (−1)pqG ∧ F.

Es ist leicht ersichtlich, dass es pq Verschiebungen benotigt, um das Produkt G∧F dar-zustellen. Veranschaulichen lasst sich dies aber, indem man F und G in Basisdarstellungvon Keilprodukten anschreibt.

F =1

p!Fi1...ipdx

i1 ∧ . . . ∧ dxip

G =1

q!Gj1...jqdx

j1 ∧ . . . ∧ dxjq

F ∧G =1

p!Fi1...jq

1

q!Gj1...jqdx

i1 ∧ . . . ∧ dxip ∧ dxj1 ∧ . . . ∧ dxjq

Verschieben des Elements dxj1 liefert p Vorzeichenwechsel

(−1)pdxj1 ∧ dxi1 ∧ . . . ∧ dxip ∧ dxj2 ∧ . . . ∧ dxjq

Dies muss q-mal durchgefuhrt werden, um G ∧ F zu erhalten. Und somit gilt

F ∧G = (−1)pqG ∧ F.

16

Page 20: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 6 DIFFERENTIALFORMEN UND DIE CARTAN-ABLEITUNG

6.2 Die Cartan-Ableitung

Die sogenannte Außere Ableitung oder auch Cartan-Ableitung9 birgt nun einige inter-essante Anwendungen, die in diesem Abschnitt gezeigt werden. Diese Ableitung wirdganz einfach durch Axiome definiert und man kann beispielsweise Skalarfelder auf 1-Formen abbilden.10 Aber bevor weitere Beispiele aufgezeigt werden, schreiben wir kurzdie Axiome an.

6.2.1 Die Axiome der Cartan-Ableitung

Die Cartan-Ableitung ist die Abbildung

d : Λp∗[Rn]→ Λp+1

∗ [Rn] durch F 7→ dF.

Es gelten die Differenzialbedingung, Produktregel, Komplex-Eigenschaft und die Linea-ritat:

� Unter der Differenzialbedingung versteht man, dass 0-Formen f (skalare Funk-tionen) durch die Cartan-Ableitung, dem totalen Differential der Funktion f ent-sprechen.

� Die Produktregel erklart die Ableitung zwischen zwei Formen, welche mit ei-nem Keilprodukt verknupft sind. Also fur eine p-Form F und q-Form G gilt dannfolgendes11

d(F ∧G) = (dF ) ∧G+ (−1)pF ∧ (dG).

Es handelt sich somit um eine Anti-Derivation.

� Weiters gilt die Komplex-Eigenschaft

ddF = 0 fur F ∈ Λp∗[Rn].

� und die Linearitat:d(aF + bG) = a(dF ) + b(dG)

fur p-Formen F und G mit den Konstanten a und b ∈ R.

6.2.2 Die Cartan-Ableitung im Zusammenhang mit Gradient, Rotation undDivergenz

Man wahlt zuerst die Dimension des zugrundeliegenden Vektorraums als n = 3 undallgemeine differenzierbare Funktionen f , g und h. Diese Funktionen entsprechen also0-Formen.

9Elie Cartan (1869–1951), franzsischer Mathematiker10Siehe Abschnitt (4.4): Tatsachlich ist die Cartan-Ableitung eines Skalarfelds dasselbe wie das totale

Differenzial einer Funktion.11d(F ∧G) = d(F ∧Gc) + d(Fc ∧G) = dF ∧G+ d((−1)pqG ∧ Fc) = dF ∧G+ (−1)pq+pq+pF ∧ dG =

(dF ) ∧G+ (−1)pF ∧ (dG)

17

Page 21: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 6 DIFFERENTIALFORMEN UND DIE CARTAN-ABLEITUNG

Der Gradient einer Funktion ∇f wurde schon oben definiert. Berechnet man nun dfergibt sich folgendes:

df = ∂xifdxi.

Die Entwicklungskoeffizienten ∂xif der entstanden 1-Form, stimmen mit den Kompo-nenten des Vektors ∇f uberein.Auch die Rotation entsteht durch die Ableitung. Hier wahlt man eine 1-Form mit denFunktionen f , g und h als Entwicklungskoeffizienten der Differentialform.

ξ = fdx+ hdy + gdz

wird mit Hilfe von ddxi = 0 und dx ∧ dxi = 0, zu

dξ = d(fdx+ gdy + hdz)

dξ = df ∧ dx+ dg ∧ dy + dh ∧ dzdξ = (∂yfdy + ∂zfdz) ∧ dx+ (∂xgdx+ ∂zgdz) ∧ dy + (∂xhdx+ ∂yhdy) ∧ dzdξ = (∂yh− ∂zg)dy ∧ dz + (∂zf − ∂xh)dz ∧ dx+ (∂xg − ∂yf)dx ∧ dy.

Die Berechnung der Rotation eines Vektors [f, g, h]T zeigt wieder die Ubereinstimmungvon Koeffizienten der 2-Form mit den Komponenten des Vektors:

∇×

fgh

=

∂yh− ∂zg∂zf − ∂xh∂xg − ∂zf

.

Im Weiteren besteht dieser Zusammenhang auch fur die Divergenz. Meistens wird dieDivergenz als Skalar aufgefasst, jedoch zeigt sich hier, dass sie eine 3-Form ist - undkeine 0-Form.

∇ ·

fgh

=∂xf + ∂yg + ∂zh

ist die Divergenz eines Vektors mit den Komponenten f , g und h. Als 2-Form wahlt man

ω =fdy ∧ dz + gdz ∧ dx+ hdx ∧ dy.

Die Außere Ableitung ergibt dann die 3-Form

dω =df ∧ dy ∧ dz + dg ∧ dz ∧ dx+ dh ∧ dx ∧ dydω =(∂xf + ∂yg + ∂zh)dx ∧ dy ∧ dz.

Bekanntlich bestehen auch die Zusammenhange

∇× (∇f) = 0 und ∇ · (∇× ~v) = 0,

18

Page 22: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 6 DIFFERENTIALFORMEN UND DIE CARTAN-ABLEITUNG

welche bei Differentialformen ganz einfach durch die Komplex-Eigenschaft erfasst wer-den12

d(dω) = 0, wobei ω ∈ Λp∗[Rn].

Noch eine kurze Bemerkung zu jenen p-Formen, die den hochst moglichen Grad, so dassdiese nicht verschwinden, aufweisen. Sie werden oft als Volumsformen bezeichnet, da mandiese zum Integrieren uber ein Volumen verwendet. Fur 1-dimensionale, 2-dimensionaleund 3-dimensionale Vektorraume sind es eben Kurven, Flachen und Volumen. Es istleicht nachvollziehbar, dass durch eine Koordinatentransformation die Funktionaldeter-minante entsteht. Als kleines Beispiel soll in einer Ebene von kartesischen Koordinatenauf Polarkoordinaten transformiert werden

dA =dx ∧ dy, x = r cos(φ), y = r sin(φ)

dA =d(r cos(φ)) ∧ d(r sin(φ)) = (cos(φ)dr − r sin(φ)dφ) ∧ (sin(φ)dr + r cos(φ)dφ)

dA =(r sin2(φ) + r cos2(φ))dr ∧ dφ = rdr ∧ dφ = det∂(x, y)

∂(r, φ)dr ∧ dφ.

6.3 Der verallgemeinerte Satz von Stokes

Der verallgemeinerte Satz von Stokes gibt den Zusammenhang der Integrale von p-Formen ω und deren Cartan-Ableitung dω uber einfach zusammenhangende p-dimensionaleBereiche ∂B und einfach zusammenhangende (p + 1)-dimensionale Bereiche B. Jedochmussen diese Bereiche koharent orientierbar sein. Er lautet∫

∂Bω =

∫Bdω.

Der allgemeine Beweis soll hier nicht ausgefuhrt werden, findet sich aber in fast jedemLehrbuch uber Differentialgeometrie13. Was sich aber sehr schon zeigen lasst, sind dieSpezialfalle fur p = 1(Satz von Stokes) und p = 2(Satz von Gauß) fur n = 3, also be-kannte Satze aus der Vektoranalysis. Die Vorgehensweise ist jeweils dieselbe, indem manbeide Seiten direkt ausrechnet.

Satz von Stokes: ∫∂Aω1 =

∫Adω1

Satz von Gauß: ∫∂Vω2 =

∫Vdω2

12Diese Tatsache wird in der sogenannten De-Rham-Kohomologie erfasst. Naheres http:

//de.wikipedia.org/wiki/De-Rham-Kohomologie oder http://en.wikipedia.org/wiki/De_Rham_

cohomology.13Zum Beispiel: Analysis auf Mannigfaltigkeiten - Andreas Kriegl, http://www.mat.univie.ac.at/

~kriegl/LVA.html

19

Page 23: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 6 DIFFERENTIALFORMEN UND DIE CARTAN-ABLEITUNG

6.4 Der Hodge-Stern-Operator ?

Als nachstes wird der sogenannte Hodge-Stern-Operator ? definiert. Er bildet p-Formenauf (n−p)-Formen ab. Er findet unter Anderem Anwendung in den Materialgleichungen,da die Feldstarken E, H 1-Formen sind, die uber Kurven integriert werden und dieFlussdichten D, B 2-Formen (n − k = 3 − 1 = 2) sind, die uber Flachen integriertwerden.

D =ε ? E

B =µ ? H

Die Definition lautet also

Definition 6.1 Hodge-Stern-Operator ?ist eine Abbildung

? : Λp∗[Rn]→ Λn−p∗ [Rn] durch F 7→ ?F

mit der folgenden Bedingung

?(dxi1 ∧ · · · ∧ dxip) = dxip+1 ∧ · · · ∧ dxin ,

fur alle geraden Permutationen i von {1, · · · , n}. Des Weiteren gelten Linearitat undBijektivitat14

?(fα+ gβ) = f ? α+ g ? β

? ? α = (−1)p(n−p)α.

Die Operationen fur n = 3 mit den Basiselementen {dx, dy, dz} lauten dann:

?dx = dy ∧ dz , ? (dy ∧ dz) = dx

?dy = dz ∧ dx , ? (dz ∧ dx) = dy

?dz = dx ∧ dy , ? (dx ∧ dy) = dz

mit den 3 Permutationen

{1, 2, 3}, {2,3, 1}, {3, 1, 2},{dx, dy, dz}, {dy,dz, dx}, {dz, dx, dy}

und zuletzt auch noch

?1 =dx ∧ dy ∧ dz,1 = ? (dx ∧ dy ∧ dz).

Es gibt noch viele weitere wichtige Operationen, auf die hier aber nicht weiter einge-gangen wird. Wie zum Beispiel ein inneres Produkt, die Umkehrabbildung zur Cartan-Ableitung oder verschiedene Metriken - wie die Minkowski Metrik. Diesbezuglich ver-weise ich auf die von mir verwendete Literatur.

14p(n− p) = p(3− p) = 3p− p2 ist fur alle p ≤ 3 gerade und somit gilt bei n = 3 immer ? ? α = α.

20

Page 24: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 7 MAXWELLGLEICHUNGEN ALS DIFFERENTIALFORMEN

7 Maxwellgleichungen als Differentialformen

Nun schreiten wir fort zu der Anwendung der Differentialformen. Vorerst werden dievier Gleichungen - so wie in der Vektoranalysis - auf eine lokale Form gebracht. Danachwird eine kompaktere Darstellung gezeigt, so dass die vier Gleichungen in nur zweizusammengefasst werden. Diese eignet sich fur vierdimensionale Bereiche, wobei die Zeitals vierte Dimension gewahlt wird. Schlussendlich wird noch auf den Poynting Satzeingegangen, welcher bekanntlich die Energiebilanz beschreibt. [WA, S 133f]

7.1 Die vier Gleichungen im Λp∗[R

3]

Die Maxwellgleichungen, ausgehend von der Integralform, lassen sich ahnlich darstellen,wie in der Vektoranalysis. Die Integralform lautet, wie weiter oben schon gezeigt,∫

∂A~E · d~s = −

∫A∂t ~B · d ~A,∫

∂A~H · d~s =

∫A~J · d ~A+

∫A∂t ~D · d ~A,∫

∂V~D · d ~A =

∫Vρ dV ,∫

∂V~B · d ~A = 0.

Die vektoriellen Großen werden durch 1- und 2-Formen ersetzt15:

E =Exdx+ Eydy + Ezdz

H =Hxdx+Hydy +Hzdz

D =Dxdy ∧ dz +Dydz ∧ dx+Dzdx ∧ dyB =Bxdy ∧ dz +Bydz ∧ dx+Bzdx ∧ dyJ =Jxdy ∧ dz + Jydz ∧ dx+ Jzdx ∧ dyρ =ρxyzdx ∧ dy ∧ dz

15[WR, S 4]

21

Page 25: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 7 MAXWELLGLEICHUNGEN ALS DIFFERENTIALFORMEN

Hierbei wird der ganze Integrand ersetzt, nicht nur die einzelnen Feldgroßen. Es ergibtsich also ∫

∂AExdx+ Eydy + Ezdz =−

∫A∂t(Bxdy ∧ dz +Bydz ∧ dx+Bzdx ∧ dy),∫

∂AHxdx+Hydy +Hzdz =

∫AJxdy ∧ dz + Jydz ∧ dx+ Jzdx ∧ dy +∫

A∂t(Dxdy ∧ dz +Dydz ∧ dx+Dzdx ∧ dy),∫

∂VDxdy ∧ dz +Dydz ∧ dx+Dzdx ∧ dy =

∫Vρxyzdx ∧ dy ∧ dz,∫

∂VBxdy ∧ dz +Bydz ∧ dx+Bzdx ∧ dy =0.

Beziehungsweise in kompakterer Darstellung16∫∂AE1 = −

∫A∂tB

2,∫∂AH1 =

∫AJ2 + ∂tD

2,∫∂VD2 =

∫Vρ3,∫

∂VB2 = 0.

Zuletzt fuhrt die Anwendung des verallgemeinerten Satz von Stokes zu∫AdE1 = −

∫A∂tB

2,∫AdH1 =

∫AJ2 + ∂tD

2,∫VdD2 =

∫Vρ3,∫

VdB2 = 0.

Da dies fur allgemeine Flachen und Volumen gelten muss, kann man auf die vier lokalgultigen Maxwellgleichungen schließen

dE1 = −∂tB2 Induktionsgesetz

dH1 = J2 + ∂tD2 Ampere-Maxwell-Satz

dD2 = ρ3 Satz vom elektrischen Hullenfluss

dB2 = 0 Satz vom magnetischen Hullenfluss

16fp bedeutet im Folgenden, dass f eine p-Form ist.

22

Page 26: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 7 MAXWELLGLEICHUNGEN ALS DIFFERENTIALFORMEN

7.2 Die Maxwellgleichungen im vierdimensionalen Vakuum

Um auf zwei Gleichungen zu reduzieren, muss man drei neue Formen einfuhren, die dieelektrische Feldstarke und die magnetische Flussdichte, die elektrische Ladungsdichteund den elektrischen Strom beziehungsweise magnetische Feldstarke und die elektrischeFlussdichte zusammenfassen. Es ist zu beachten, dass man die Gleichungen auch erwei-tern muss, indem man sie uber ein Zeitintervall integriert. [WR, S 13]Fur das Induktionsgesetz ergibt sich folgendes∫ t2

t1

∫∂AE ∧ dt+

∫ t2

t1

∫A∂tB ∧ dt = 0∫

∆t×∂AE ∧ dt+

∫AB(t2)−B(t1) = 0

Es wird damit insgesamt uber ein zylindrisches Volumen integriert. Da ∂A×∆t die Man-telflache und A die 2 Grundflachen bilden. Somit fasst man B und E in einer gemeinsame2-Form F zusammen. Sie wird auch Faraday Form genannt und der zugrundeliegendeVektorraum ist jetzt 4-dimensional.

F = Exdx ∧ dt+ Eydy ∧ dt+ Ezdz ∧ dt+Bxdy ∧ dz +Bzdz ∧ dx+Bzdx ∧ dy

Damit ergibt sich fur die Oberflache ∂V = ∂A× t1 ∪ ∂A× t2 ∪ A× [t1, t2]∫∂VF = 0,

beziehungsweise lokal

dF = 0.

Integriert man F aber nun uber den Rand eines Volumens, das sich mit der Zeit nichtandert, erhalt man den Satz vom magnetischen Hullenfluss! Nun kann man mit ahnlicherVorgehensweise zu der 2-Form G, der Maxwell Form, gelangen

G = Dxdy ∧ dz +Dzdz ∧ dx+Dzdx ∧ dy−Hxdx ∧ dt−Hydy ∧ dt−Hzdz ∧ dt

Die Materialgleichungen werden zu einer Gleichung zusammengefasst, wobei die Max-wellbeziehung ε0µ0c

2 = 1 verwendet wird. c ist hier die Lichtgeschwindigkeit im leerenRaum.

G =

√ε0

µ0? F.

23

Page 27: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 7 MAXWELLGLEICHUNGEN ALS DIFFERENTIALFORMEN

Fur die relativitische Betrachtung benotigt man ebenfalls noch eine nicht positiv defi-nite Metrik, die Minkowski Metrik. In dieser erfullt der Hodge-Stern-Operator folgendeGleichungen

4- und 0-Formen:

? (dx ∧ dy ∧ dz ∧ c dt) = −1 ?1 = dx ∧ dy ∧ dz ∧ c dt

1-Formen und 3-Formen:

? (dx ∧ dy ∧ dz) = −c dt ?c dt = −dx ∧ dy ∧ dz? (dy ∧ dz ∧ c dt) = −dx ?dx = −c dt ∧ dy ∧ dz? (dz ∧ dx ∧ c dt) = −dy ?dy = −c dt ∧ dz ∧ dx? (dx ∧ dy ∧ c dt) = −dz ?dz = −c dt ∧ dx ∧ dy

2-Formen:

? (dy ∧ dz) = −dx ∧ c dt ?(dx ∧ c dt) = dy ∧ dz? (dz ∧ dx) = −dy ∧ c dt ?(dy ∧ c dt) = dz ∧ dx? (dx ∧ dy) = −dz ∧ c dt ?(dy ∧ c dt) = dx ∧ dy

Damit sind auch folgende Bedingungen erfullt:

? ? α = −α? ? ? ? α = α

Wir rechnen zur Probe der Materialgleichung die Dx-Komponente aus√ε0

µ0? Exdx ∧ dt =

√ε0

µ0

1

cExdy ∧ dz = ε0Exdy ∧ dz = Dxdy ∧ dz.

Zuruck zu den Gleichungen. Der Satz vom elektrischen Hullenfluss und den Ampere-Maxwell-Satz wird ebenfalls in einer Gleichung zusammengefasst.

dG = J

Mit der Strom Form J

J =− Jxdy ∧ dz ∧ dt− Jydz ∧ dx ∧ dt− Jzdx ∧ dy ∧ dt+ ρ dx ∧ dy ∧ dz.

Die Quelle der Maxwell Form G ist die Strom Form J und die Faraday Form F istquellenfrei (

”free of divergence“).

24

Page 28: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 7 MAXWELLGLEICHUNGEN ALS DIFFERENTIALFORMEN

7.2.1 Potentiale

Zum Abschluss dieses Kapitels noch ein paar Worte zu den Potentialen. Aufgrundder Struktur der Gleichung fur die Faraday Form, lasst sich fur diese in einfach zu-sammenhangenden Gebieten immer ein nicht eindeutiges Potential finden. Es ist dieKomplex-Eigenschaft dd = 0 , die zu dieser Schlussfolgerung fuhrt.

dF = 0

d(dP ) = 0

mit P als Zusammensetzung des Vektorpotentials A und des elektrostatischen Skalarpo-tentials ϕ

P = Axdx+Aydy +Azdz + cϕdt.

25

Page 29: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 7 MAXWELLGLEICHUNGEN ALS DIFFERENTIALFORMEN

7.3 Poynting-Satz

Um zur Energiebilanz in einem Volumen bei homogenen, isotropen und linearen Material,zu gelangen, definiert man vorerst den Poynting-Vektor S. Dieser gibt die sogenannteEnergieflussdichte an. Als Differentialform

S = E ∧H.

Da Energieerhaltung fur ein abgeschlossenes System gelten muss, lasst sich der Ener-giefluss Q durch die Hulle gleich der negativen Anderungsrate des Energieinhaltes ∂tWsetzen. [HE, S 47]

Q = −∂tW∫∂Vq dA = −

∫V∂tw dV

Die Energieflussdichte ist naturlich der vorher schon erwahnte Poynting-Vektor S. DerAusdruck fur den EnergieinhaltW beziehungsweise die Energiedichte w muss noch gefun-den werden. Daher wendet man auf die linke Seite der zweiten Gleichung den verallgemei-nerten Satz von Stokes an und setzt den Ampere-Maxwell-Satz und das Induktionsgesetzfur dH und dE ein. ∫

∂Vq dA =

∫∂VS,∫

∂VS =

∫VdS,

=

∫Vd(E ∧H),

=

∫V

(dE) ∧H − E ∧ (dH),

= −∫V∂tB ∧H + E ∧ (J + ∂tD),

= −∫V∂tw dV.

Oder lokal, so dass die linke Seite die sogenannten Joulschen Verluste aufzeigt

−E ∧ J = dS + (∂tB ∧H + E ∧ ∂tD)

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Page 30: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 8 ANHANG

8 Anhang

8.1 Wegintegrale - Beispiele

Folgende Problemstellung sei gegeben:

~v =y

a~ex −

x

a~ey

C = {(x− a)2 + y2 = a2 | x, y ∈ R ∧ y > 0}

Man berechne den Wert des Integrals∫C ~v · d~s, wobei die Kurve mit dem Uhrzeigersinn

zu durchlaufen ist.

Es handelt sich also um einen um a versetzten Halbkreis, welcher auf der x-Achse liegt.Mit der Parametrisierung

~ϕ(α) = [a cos(α) + a, a sin(α)]T , α ∈ [0, π]

lasst sich die Gleichung, welche den Weg beschreibt, erfullen. Da mit dieser Parametri-sierung, die Kurve gegen den Uhrzeigersinn orientiert ist, und da auch

P2∫P1

~v(~ϕ(α)) · ~ϕ(α)dα = −P1∫P2

~v(~ϕ(α)) · ~ϕ(α)dα

gilt, erhalt man durch Vorzeichenwechsel - oder Vertauschen der Grenzen - auch denOrientierungswechsel.Also: ∫

C~v · d~s = −

π∫0

~v(~ϕ(α)) · ~ϕ(α)dα = −π∫

0

(sin(α)

−a cos(α)+aa

)·(−a sin(α)a cos(α)

)dα =

= a

π∫0

sin(α)2 + cos(α)2 + cos(α)dα = aπ.

Als nachstes Beispiel soll berechnet werden:

I =

∫Cf(x, y)ds

C = {1− x

2− y = 0 | 0 < x < 2 ∧ 0 < y < 1 ∧ x, y ∈ R}

[P1,P2]→ [

(01

),

(20

)]

27

Page 31: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 8 ANHANG

Die Vorgangsweise ist ahnlich zum voherigen Beispiel. Zuerst wahlt man eine Parame-trisierung. Es bietet sich an die implizite Gleichung umzuformen und man erhalt

~ϕ(t) =

(t

− t2 + 1

), t ∈ [0, 2].

Nun substituiert man [M3, S 96, Def 111]

ds =√dx2 + dy2 =

√(∂x

∂tdt)2 + (

∂y

∂tdt)2 =

√(∂x

∂t)2 + (

∂y

∂t)2dt =

√1 +

1

4dt

und setzt in die Angabe ein:

I =

∫Cf(x, y)ds =

2∫0

f(~ϕ(t))

√1 +

1

4dt =

2∫0

f(~ϕ(t))‖ ~ϕ(t)‖dt

8.2 Flachenintegrale - Beispiele

Zum Einstieg berechnen wir jene Flache, die entsteht, wenn man eine Kugel mit einerzur x- und y-Achse parallelen Ebene schneidet, und den unteren oder den oberen Teilder Kugeloberflache weglasst.Unsere Ebene wird zum Beispiel (in diesem Fall oberer Teil ab z=0.5) durch die Gleichung

x2 + y2 + z2 = 1, z > 0.5 = cos(π

3)

beschrieben. Wir wahlen als Parametrisierung

S(θ, α) =

sin(θ) cos(α)sin(θ) sin(α)

cos(θ)

, θ ∈ [0,π

3], α ∈ [0, 2π]

mit z = cos(θ) > cos(π3 ). Und die Flachennormale ergibt sich somit zu

∂S(θ, α)

∂θ× ∂S(θ, α)

∂α=

cos(θ) cos(α)cos(θ) sin(α)− sin(θ)

×− sin(θ) sin(α)

sin(θ) cos(α)0

= sin(θ)

sin(θ) cos(α)sin(θ) sin(α)

cos(θ)

mit ∥∥∥∥∂S(θ, α)

∂θ× ∂S(θ, α)

∂α

∥∥∥∥ =

∥∥∥∥∥∥sin(θ)

sin(θ) cos(α)sin(θ) sin(α)

cos(θ)

∥∥∥∥∥∥ = sin(θ).

Die Betragsstriche konnen weggelassen werden, da sin(θ) ≥ 0 fur θ ∈ [0, π3 ]. Man erhaltfur die Oberflache Kz>0.5

Kz>0.5 =

2π∫0

π3∫

0

sin(θ)dθ = 2π1

2= π.

28

Page 32: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 8 ANHANG

Als Probe kann man den unteren Teil Kz<0.5 noch berechnen

Kz<0.5 =

2π∫0

π∫π3

sin(θ)dθ = 2π3

2= 3π.

Die Summe der beiden Ergebnisse ergibt die gesamte Kugeloberflache, namlich 4π!

Im nachsten Beispiel wollen wir uns mit dem magnetischen Fluss Φ beschaftigen. DieIntegraldarstellung, die wir fur das Beispiel benotigen werden, lautet

Φ(A) =

∫A~B · d ~A.

Folgende Angabe: Entlang der y-Achse verlauft ein unendlich ausgedehnter Linienleiterder mit dem Strom I1 durchflossen ist. Des Weitere befindet sich eine Kreisschleife mitdem Radius a und dem Mittelpunkt [b, 0, 0] im Raum und diese wird mit dem Strom I2

durchflossen. Es soll die gegenseitige Induktivitat berechnet werden. Hinweis:

1∫−1

√1− u2

p− udu = π(p−

√p2 − 1)

fur p > 1.Das Problem lasst sich mehr oder weniger auf das Integral - also auf die Berechnung desFlusses - reduzieren. Durch den Leiter 1 wird das Vektorfeld ~B1 = µ0I

2πr~eα erzeugt, wobeiα von der z-Achse in Richtung x-Achse gezahlt wird und r der Abstand vom Aufpunktzum Leiter 1 ist. In kartesischen Koordinaten

~B1 =

zµ0I

2π(x2+z2)

0

− xµ0I2π(x2+z2)

.

Die Gleichung fur die obere Halfte der Kreisflache lautet

A = {(x− b)2 + y2 < a2 | z = 0 ∧ y > 0}.

Aus Symmetriegrunden reicht es uber die obere Halfte zu integrieren und das Ergebnismit 2 zu multiplizieren.Wir wahlen als Flache S(r, θ), wobei θ ∈ [0, π] so orientiert ist, dass von der x-Achse im

Uhrzeigersinn gedreht wird und r ∈ [0, a] der Abstand vom Punkt

b00

zum Aufpunkt

ist.

S(r, θ) =

x(r, θ)y(r, θ)z(r, θ)

=

b+ r cos(θ)r sin(θ)

0

.

29

Page 33: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 8 ANHANG

Die Flachennormale ist somit

∂S(r, θ)

∂r× ∂S(r, θ)

∂θ=

00−r

.

Das Integral zur Flussberechnung lautet somit

Φ(A) = 2

∫[0,a]×[0,π]

~B1(r, θ) · (∂S(r, θ)

∂r× ∂S(r, θ)

∂θ)drdθ =

a∫0

π∫0

rµ0I1

π(b− r cos(θ))dθdr.

Eine andere Moglichkeit, die wesentlich einfacher ist, ware folgende Parametrisierung

S(x, y) =

xy0

, y ∈ [0,√a2 − (x− b)2], x ∈ [b− a, b+ a]

mit

−~n =∂S(x, y)

∂x× ∂S(x, y)

∂y=

001

.

Bemerkung am Rande: Wir wahlen −~n um den richtigen Durchtrittssinn zu erhalten.Wir wollen namlichen den Fluss positiv zahlen, da Induktivitaten in der Regel postivangegeben werden.Was uns auf den Fluss

Φ(A) = 2

b+a∫b−a

∫ √a2−(x−b)2

0

~B1(x, y, 0) · ~ndxdy =

b+a∫b−a

∫ √a2−(x−b)2

0

µ0I1

πxdxdy

=µ0I1

π

b+a∫b−a

√a2 − (x− b)2

xdx

fuhrt. Durch Substitution von x−ba = −u erhalt man

µ0I1a2

π

1∫−1

√1− u2

b− uadu =

µ0I1a

π

1∫−1

√1− u2

ba − u

du

und mit dem Hinweis, wobei p = ba

Φ(A) = µ0I1a

b

a−

√(b

a

)2

− 1

30

Page 34: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf 8 ANHANG

undΦ = LI

folgt

L = µ0(b−√b2 − a2).

Man merkt bei diesem Beispiel, dass die Parametrisierung starke Auswirkung auf das zulosende Integral hat.

8.2.1 Feld einer Punktladung

Buch Einfuhrung in Experimente und Theorie S.10-22.Durch Experimente, bei denen die Krafte zwischen zwei geladenen Kugeln gemessenwerden, lasst sich eine Abhangigkeit der elektrischen Feldstarke zu 1

r2feststellen. [EET,

S 10-22]

D = ε0E = ε0K1

r2

Der konstante Faktor K ergibt sich durch die obige Integraldarstellung und die globalenZusammenhange. Man integriert uber eine Kugeloberflache und setzt den durchtretendenFluss gleich der Ladung im Volumen.

Ψ(∂V) = Q =

∫∂V

~D · d ~A =

2π∫0

π∫0

ε0K1

r2r2 sin(θ) dα dθ = 4πε0K,

also

K =Q

4πε0

und damit ergibt sich die bekannte Form der elektrischen Feldstarke einer Punktladung

~E =Q

4πε0r2~er.

31

Page 35: Differentialformen und deren Anwendung in der Elektrodynamik

Thomas Kopf LITERATUR

9 Literaturverzeichnis

Literatur

[M3] W. Herfort,Mathematik 3 fur ET,Wien 2012

[HE] A. Prechtl,Vorlesung uber Hohere Elektrodynamik,Wien 2007

[VEKANA] F. Wille, H. Haf und K. Burg,Vektoranalysis, Hohere Mathematik f. Ingenieure, Naturwissenschaftler und Mathe-matiker,Teubner Verlag/ GWV Fachverlage GmbHWiesbaden 2006

[WA] Karl F. Warnick,A Differential Forms Approach to Electromagnetics in Anisotropic Media,2003

[WR] Karl F. Warnick, P. RusserTwo, Three and Four-Dimensional Electromagnetics Using Differential Forms,2006

[EET] S. Brandt, H. D. DahmenElektrodynamik, Eine Einfuhrung in Experiment und Theorie ,Springer VerlagBerlin Heidelberg 2005

[KAna] S. Krause, A. KornerVU Mathematik f. Elektrotechnik Bakkalaureatsvertiefung, 1. Teil: Komplexe Ana-lysisWien 2011

32