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Elektronische Einstellung der Oberfadenspannung
an Industrienähmaschinen der Klasse 867 Premium
Fachhochschule Lippe und Höxter
Fachbereich Maschinentechnik und Mechatronik
Studiengang Mechatronik
Diplomarbeit Sommersemester 2004
Philipp Kaiser
Betreuung:
Prof. Dr.-Ing. Heinrich Uhe (FH Lippe)
Prof. Dr.-Ing. Alfred Schmitt (FH Lippe)
Dipl.-Ing. Andree Cramer (Dürkopp Adler AG)
Fadenspannung – Eidesstattliche Erklärung - 2 -
Eidesstattliche Erklärung
Schriftlicher Teil der Diplomprüfung im Studiengang Mechatronik
Diplomprüfungsordnung für den Studiengang Mechatronik an der Fachhochschule
Lippe und Höxter (DPO-Mechatronik)
Aufgrund des § 2 Abs. 4 und des § 1 des Gesetzes über die Fachhochschule im
Lande Nordrhein-Westfalen (Fachhochschulgesetz – FHG) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 03. August 1993 (GV. NW. S. 564), zuletzt geändert durch
das Gesetz vom 07. März 1995 (GV. NW. S.192), hat die Fachhochschule Lippe und
Höxter die folgende Diplomprüfungsordnung als Satzung erlassen:
Diplomprüfungsordnung für den Studiengang Mechatronik an der Fachhochschule
Lippe und Höxter (DPO-Mechatronik)
Vom 27. Juli 1998
Die Diplomarbeit umfasst 127 Seiten + Anhang
Ich erkläre, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig angefertigt habe und
nur die im Anhang aufgeführten Hilfsmittel benutzt wurden.
Bielefeld, den 30.06.2004
Philipp Kaiser
Fadenspannung – Angaben zur Diplomarbeit - 3 -
Angaben zur Diplomarbeit
Verfasser Philipp Kaiser
Oerlinghauser Str. 112
32758 Detmold
Matrikelnummer 16007021
Studienort Fachhochschule Lippe und Höxter
Liebigstr. 87
32657 Lemgo
Studiengang Mechatronik
Fachrichtung Mechanische Systeme
Betrieb Dürkopp Adler AG, Bielefeld
Potsdamer Str. 190
33719 Bielefeld
Betreuer im Betrieb Dipl.-Ing. Andree Cramer
Betreuer der Hochschule Prof. Dr.-Ing. Heinrich Uhe
Prof. Dr.-Ing. Alfred Schmitt
Bearbeitungszeitraum 30.03.2004 - 30.06.2004
Abgabedatum 30.06.2004
Fadenspannung – Danksagung - 4 -
Danksagung
Mein Dank gilt allen, die mich bei der Erstellung dieser Diplomarbeit unterstützt
haben:
• Andree Cramer für die Betreuung dieser Arbeit und vor allem für die
Hilfestellungen im Bereich Software und Elektrotechnik
• Jochen Heistermann für die Erstellung aller CAD-Darstellungen mit CATIA
• Den Mitarbeitern aus der Projektgruppe von Christoph Heckner
• Den Kollegen aus dem Bereich Steuerungstechnik
• Den Mitarbeitern aus der Versuchswerkstatt
Fadenspannung – Aufgabenstellung - 5 -
Aufgabenstellung
Elektronische Einstellung der Oberfadenspannung an Industrienähmaschinen
der Klasse 867 Premium
Zur maschinellen Vernähung von zwei Werkstücken werden zwei unterschiedliche
Fäden verwendet. Der Oberfaden wird von oben mit einer Nadel in das Werkstück
eingestochen und bildet beim Herausziehen an der Unterseite des Materials eine
Schlinge. Durch diese wird der Unterfaden mit Hilfe des Greifers geführt. Dadurch
entsteht eine Verknotung, die das obere und untere Werkstück zusammenhält. Die
Spannung des Oberfadens hat dabei großen Einfluss auf die Festigkeit des Knotens.
Im Idealfall ist sie so groß, dass der Knoten genau zwischen die beiden
Materiallagen gezogen wird.
Bei bisherigen Nähmaschinen wird zur Einstellung der Fadenspannung der
Oberfaden zwischen zwei Scheiben hindurch gezogen, die mit Federn vorgespannt
sind. Die für den aktuellen Arbeitsgang richtige Fadenspannung (abhängig u. a. von
der Fadendicke, den Materialeigenschaften des Nähgutes und der Kinematik der
Nähmaschine) muss die Näherin bei jedem Wechsel des auszuführenden
Arbeitsgangs empirisch neu ermitteln und durch Veränderung der Federvorspannung
neu einstellen.
Die Forderungen nach hoher Prozesssicherheit bei großen Stückzahlen macht auch
an den Nähmaschinen eine elektronische Verstellung möglichst aller Parameter
erforderlich, um Eingriffe der Näherin zu vermeiden. Mit Hilfe eines
elektromechanischen Stellgliedes soll die Fadenspannung durch Verstellung der
Kraft auf die beiden Scheiben, zwischen denen der Faden hindurch gezogen wird,
gesteuert werden. Es soll sowohl der mechanische Aufbau, als auch der zur
Ansteuerung erforderliche steuerungstechnische Teil im Rahmen dieser Diplomarbeit
erarbeitet werden. Der zeitliche Fadenspannungsverlauf in einem Stich soll mit
einem entsprechenden Sensor gemessen werden. Mit den gewonnenen Ergebnissen
ist die Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung zu prüfen und ggf. ein Ansatz für
eine technische Lösung abzuleiten.
Die Diplomarbeit wird bei Dürkopp Adler in Bielefeld durchgeführt, dort von Herrn
Dipl.-Ing. Andree Cramer betreut und ist in engem Kontakt mit dem betreuenden
Dozenten abzuwickeln.
Fadenspannung – Inhaltsverzeichnis - 6 -
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ...................................................................................... 11
1.1 Die Dürkopp Adler AG ................................................................................. 11
1.2 Der Prozess des Nähens ............................................................................. 13
1.2.1 Einteilung von Nähmaschinen ................................................................ 13
1.2.2 Aufbau einer Doppelsteppstichmaschine ................................................ 16
1.2.3 Entstehung eines Doppelsteppstichs ...................................................... 19
1.2.4 Einstellbare Nähparameter ..................................................................... 22
1.3 Maschinenklasse 867 .................................................................................. 22
1.3.1 Beschreibung des Entwicklungsprojektes ............................................... 22
1.3.2 Ansätze für die Automatisierung in Nähereien ........................................ 24
2. Grundlagen zur Fadenspannung ................................................. 25
2.1 Allgemeines .................................................................................................. 25
2.1.1 Entstehung der Fadenspannung............................................................. 25
2.1.2 Einstellung der Oberfadenspannung mit Druckfedern ............................ 26
2.1.3 Auswirkungen der Fadenspannung auf die Nahtqualität ........................ 27
2.1.4 Messung der Fadenspannung ................................................................ 29
2.1.5 Statische und dynamische Fadenspannung ........................................... 30
2.1.6 Verlauf der Fadenspannung während der Stichbildung .......................... 30
2.2 Nähgarn ........................................................................................................ 32
2.2.1 Einteilung von Fäden .............................................................................. 32
2.2.2 Verarbeitung von Fäden ......................................................................... 33
3. Elektronische Einstellung der Fadenspannung .......................... 36
3.1 Anforderungen und Ziele ............................................................................ 36
3.1.1 Reproduzierbare Einstellung der Fadenspannung.................................. 36
3.1.2 Anpassung an die Motordrehzahl ........................................................... 36
3.1.3 Weitere Gedanken und Ziele .................................................................. 36
3.2 Steuerungskonzept ...................................................................................... 37
3.2.1 Kurzportrait der Dürkopp Adler Control III ............................................... 37
3.2.2 Vorstellung der bestehenden Software (M-Type Premium) .................... 37
3.3 Lösungsansatz ............................................................................................. 38
3.3.1 Auswahl des elektromechanischen Wandlers ........................................ 38
3.3.2 Beschreibung des ausgewählten Hubmagneten .................................... 39
Fadenspannung – Inhaltsverzeichnis - 7 -
3.3.3 Zusammenhang zwischen Kraft, Luftspalt und Strom ............................. 40
3.3.4 Kennlinie mit Hysterese .......................................................................... 43
3.3.5 Steuerung des Hubmagneten über PWM ............................................... 45
3.3.6 Erwärmung des Magneten ...................................................................... 47
3.4 Aufbau eines Funktionsmusters ................................................................ 50
3.4.1 Anforderungen an die Mechanik ............................................................. 50
3.4.2 Umsetzung ............................................................................................. 51
3.4.3 Einstellung des Luftspaltes ..................................................................... 54
3.5 Entwurf einer Stromregelung ..................................................................... 55
3.5.1 Simulation der Regelstrecke ................................................................... 55
3.5.2 Erweiterung durch einen PI-Regler ......................................................... 59
3.5.3 Simulation der PWM-Erzeugung ............................................................. 63
3.5.4 Simulation des gesamten Systems ......................................................... 64
3.5.5 Ermittlung der Reglerparameter.............................................................. 68
3.6 Praktische Umsetzung der Stromregelung ............................................... 72
3.6.1 Messung des Stroms durch den Hubmagneten ...................................... 72
3.6.2 Verstärkung und Aufbereitung des Messsignals ..................................... 73
3.6.3 Zeitdiskrete Regelung des Stroms über PWM ........................................ 80
3.6.4 Ermittlung der Reglerparameter.............................................................. 88
3.6.5 Mögliche Unterschiede zwischen Simulation und Realität ...................... 93
4. Einsatz der elektronischen Fadenspannung .............................. 95
4.1 Auswahl des elektronischen Messverfahrens .......................................... 95
4.1.1 BTSR-Sensor.......................................................................................... 95
4.1.2 Verstärkung und Aufbereitung des Messsignals ..................................... 96
4.1.3 Kalibration des Sensors ........................................................................ 101
4.1.4 Hall-Sensor ........................................................................................... 102
4.2 Verwendung der elektronischen Fadenspannung .................................. 103
4.2.1 Einstellung des Luftspaltes ................................................................... 103
4.2.2 Kalibration der Fadenspannung ............................................................ 104
4.2.3 Bedienung der Fadenspannung............................................................ 105
4.3 Vergleich zwischen beiden Einstellungsmöglichkeiten ......................... 106
4.3.1 Einflussgrößen ...................................................................................... 106
4.3.2 Konstante Nähgeschwindigkeit ............................................................. 107
4.3.3 Variable Nähgeschwindigkeit ................................................................ 111
Fadenspannung – Inhaltsverzeichnis - 8 -
5. Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung .......................... 112
5.1 Ausgangsbasis .......................................................................................... 112
5.1.1 Handlungsspielraum ............................................................................. 112
5.1.2 Lösungskonzepte .................................................................................. 113
5.2 Schätzung der Fadenspannung................................................................ 114
5.2.1 Charakteristik und Erfassung des Fadenspannungsverlaufs ................ 114
5.2.2 Bewertung ............................................................................................ 116
5.3 Langfristige Regelung ............................................................................... 118
5.3.1 Charakteristik und Erfassung des Fadenspannungsverlaufs ................ 118
5.3.2 Bewertung ............................................................................................ 119
5.4 Geschwindigkeitskompensation .............................................................. 120
5.4.1 Abhängigkeit von der Geschwindigkeit ................................................. 120
5.4.2 Bewertung ............................................................................................ 120
5.4.3 Ansatz für die Realisierung ................................................................... 121
6. Zusammenfassung & Ausblick .................................................. 124
A. Anhang ........................................................................................ 128
A.1 Quellenangaben ......................................................................................... 128
A.2 Datenblätter ................................................................................................ 130
A.2.1 Hubmagnet ........................................................................................... 130
A.2.2 LEM ...................................................................................................... 132
A.2.3 Operationsverstärker ............................................................................ 134
A.2.4 BTSR-Sensor........................................................................................ 139
A.3 Beispielnähte ............................................................................................. 140
Fadenspannung – Abbildungsverzeichnis - 9 -
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Doppelstepp- und Doppelkettenstich ................................................... 13
Abbildung 2: Nähmaschine der Klasse 867 (Prototyp) ............................................. 16
Abbildung 3: Schematische Darstellung einer Nähmaschine ................................... 16
Abbildung 4: Greiferfunktionsmodell (Greifer der Klasse 271) .................................. 19
Abbildung 5: Erfassung der Schlinge ........................................................................ 20
Abbildung 6: Führung um den Unterfaden ................................................................ 20
Abbildung 7: Einziehen des Knotens in das „virtuelle“ Material ................................ 21
Abbildung 8: Prototyp ............................................................................................... 23
Abbildung 9: Spannungsplatte mit Druckfedern ........................................................ 26
Abbildung 10: Richtige Fadenspannung beim Doppelsteppstich .............................. 27
Abbildung 11: Falsche Fadenspannungen beim Doppelsteppstich .......................... 27
Abbildung 12: Fadenwaage mit automatischem Fadenabzug .................................. 29
Abbildung 13: Verlauf der Fadenspannung bei vier Stichen ..................................... 31
Abbildung 14: Verlauf der Fadenspannung bei einem Stich ..................................... 31
Abbildung 15: Querschnitt durch den Hubmagneten ................................................ 39
Abbildung 16: Kennlinie des Hubmagneten (Katalog der Firma indEAS) ................. 42
Abbildung 17: Hystereseschleife eines ferromagnetischen Materials ....................... 43
Abbildung 18: Kennlinien des Hubmagneten (Messungen der Firma indEAS) ......... 44
Abbildung 19: Jeweils drei Perioden T bei 50 % und 20 % PWM ............................. 45
Abbildung 20: Verlauf des Stromes über der Zeit (bei 100 % PWM) ........................ 48
Abbildung 21: Verlauf des Stromes über der Zeit (diverse Pulsweiten) .................... 49
Abbildung 22: Verlauf des Stromes über der Zeit (diverse Pulsweiten) .................... 49
Abbildung 23: Spannungsplatte mit Hubmagnet ....................................................... 51
Abbildung 24: Spannungsplatte mit Fadenführung ................................................... 52
Abbildung 25: Hubmagnet (im Gehäuse) mit Spannungsscheiben .......................... 53
Abbildung 26: Hubmagnet mit Spannungsscheiben ................................................. 54
Abbildung 27: Elektrisches Ersatzschaltbild des Hubmagneten ............................... 55
Abbildung 28: Sprungantwort des realen Systems ................................................... 56
Abbildung 29: Modell der Regelstrecke .................................................................... 57
Abbildung 30: Sprungantwort des simulierten Systems ............................................ 58
Abbildung 31: Modell des zeitdiskreten PI-Reglers .................................................. 59
Abbildung 32: Generierung des PWM-Signals mit einer Drei-Punkt-PWM ............... 63
Fadenspannung – Abbildungsverzeichnis - 10 -
Abbildung 33: Modell der PWM-Erzeugung .............................................................. 64
Abbildung 34: Regler, Stellglied und Regelstrecke ................................................... 64
Abbildung 35: Sollwertsprung von 100 mA auf 250 mA ............................................ 66
Abbildung 36: Vergrößerung des PWM-Signals ....................................................... 67
Abbildung 37: Strom und Spannung bei P = 50 (oben) und 55 (unten) .................... 69
Abbildung 38: Vergrößerung des Stromes bei P = 55 .............................................. 70
Abbildung 39: Strom und Spannung bei optimierten Parametern ............................. 71
Abbildung 40: Differenzverstärker ............................................................................ 73
Abbildung 41: Differenzverstärker mit Filterung ........................................................ 76
Abbildung 42: Differenzverstärker mit Filterung und Offseterzeugung ..................... 78
Abbildung 43: Aufbereitung des LEM-Signals .......................................................... 79
Abbildung 44: Ausgangsspannung über Strom ........................................................ 80
Abbildung 45: Strom und Spannung bei P = 9500 (oben) und 10000 (unten) .......... 89
Abbildung 46: Vergrößerung des Stromes ............................................................... 90
Abbildung 47: Stromsprünge bei I = 44 (oben) und 130 (unten) ............................... 91
Abbildung 48: Stromsprünge bei I = 250 .................................................................. 92
Abbildung 49: Vergleich zwischen Messschaltung und Stromzange ........................ 94
Abbildung 50: Überlagerung des Messsignals mit der Eigenschwingung ................. 96
Abbildung 51: Bessel-Tiefpass 2. Ordnung .............................................................. 97
Abbildung 52: Aufbereitung des BTSR-Signals ........................................................ 99
Abbildung 53: Vergleich des gefilterten und des ungefilterten Messsignals ........... 100
Abbildung 54: Ausgangsspannung über Fadenspannung ...................................... 101
Abbildung 55: Abschätzung der Fadenspannung ................................................... 103
Abbildung 56: Fadenspannung über eingestelltem Strom (zwei Messungen) ........ 104
Abbildung 57: Einstellung der Fadenspannung mit Druckfedern ............................ 107
Abbildung 58: Elektronische Einstellung der Fadenspannung ................................ 108
Abbildung 59: Einstellung mit Hubmagnet (oben) und Federn (unten) ................... 109
Abbildung 60: Fadenspannung über der Drehzahl ................................................. 111
Abbildung 61: Annäherung des Verlaufs durch eine Parabel ................................. 114
Abbildung 62: Fadenspannung und OT bei zwei Nähgeschwindigkeiten ............... 117
Abbildung 63: Verlauf der Fadenspannung bei voller Unterfadenspule .................. 118
Abbildung 64: Verlauf der Fadenspannung bei leerer Unterfadenspule ................. 119
Abbildung 65: Fadenspannung über der Drehzahl ................................................. 120
Abbildung 66: Gemessene Fadenspannung über Drehzahl und Strom .................. 121
Abbildung 67: Angenäherte Fadenspannung über Drehzahl und Strom ................ 123
Fadenspannung – Einleitung - 11 -
1. Einleitung
1.1 Die Dürkopp Adler AG
Bielefeld, Mitte des 19. Jahrhunderts: Die industrielle Revolution hat die Stadt in
einen bedeutenden Textilstandort verwandelt. Zur Weiterverarbeitung der Stoffe
werden vorwiegend aus den USA importierte Nähmaschinen eingesetzt. Ihre
Anschaffung ist teuer und ihre Wartung schwierig. Die beiden Schlosser Baer und
Koch erkennen die Gunst der Stunde und gründen 1860 die erste Bielefelder
Nähmaschinenfabrik.
Der Erfolg des Unternehmens verdeutlicht den Partnern das Potential des neu
erschlossenen Marktes, so dass Baer sich 1865 entschließt, einen eigenen Betrieb
zu gründen. Koch firmiert fortan unter dem Namen Koch & Co und beschäftigt jetzt
die beiden Nähmaschinenmechaniker Dürkopp und Schmidt. Dürkopp hatte bereits
1861 seine erste Nähmaschine konstruiert und macht sich 1867 mit Schmidt als
Dürkopp & Schmidt selbständig.
So entwickelt sich Bielefeld innerhalb von 20 Jahren zu einem der wichtigsten
Standorte der Nähmaschinenindustrie in Deutschland. 1880 sind 19 Bielefelder
Unternehmen in der Branche tätig. Ihre Produkte genießen internationale
Anerkennung und werden europaweit verkauft.
Durch die große nationale und internationale Konkurrenz kriselt es in den 80er
Jahren in der Branche. Dürkopp & Co - wie das Werk nach dem Ausscheiden
Schmidts heißt - ist das erste Unternehmen, das auf der Suche nach neuen
Absatzmärkten mit der Fertigung von Fahrrädern beginnt. Das neue Produkt verkauft
sich sehr gut, und das Unternehmen kann seinen Erfolgskurs fortsetzen. Wie andere
Betriebe folgt Koch & Co dem Beispiel Dürkopps, so dass sich die Fahrradproduktion
bald zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor der Stadt entwickelt.
Vom Erfolg beflügelt, beginnt Dürkopp gegen Ende des Jahrhunderts mit der
Produktion von Autos, Lkws und anderen motorisierten Fortbewegungsmitteln.
Während Dürkopp stetig bemüht ist, neue Geschäftsfelder für sein Unternehmen zu
erschließen, konzentrieren sich Koch & Co auf den Bereich der industriellen Näh-
und Bekleidungstechnik. Ihr Markenname Adler wird zum Synonym für international
gefragte Spezialnähmaschinen. So stellen die Kochs Adler Nähmaschinenwerke AG,
wie sich das Unternehmen nun nennt, 1920 die Fahrradproduktion ein.
Die Weltwirtschaftskrise zwingt die Dürkoppwerke AG - so heißt das Unternehmen
nach dem Tod des Gründungsvaters - Ende der zwanziger Jahre zur Aufgabe der
Fadenspannung – Einleitung - 12 -
ohnehin nicht so erfolgreichen Automobilproduktion. Gegen Ende der Weimarer
Republik wird mit der Entwicklung der ersten Förderanlage für die Textilindustrie ein
Absatzmarkt erschlossen, in dem das Unternehmen noch heute aktiv ist.
Nach dem zweiten Weltkrieg versuchen auch die Kochs Adler Nähmaschinenwerke
mit der Produktion von Schreibmaschinen und Verpackungsmaschinen, in neue
Geschäftsfelder vorzudringen. Beide Bereiche werden jedoch mittelfristig ebenso wie
die Produktion von Haushaltsnähmaschinen wieder aufgegeben. Auch die
Dürkoppwerke AG beschränkt sich seit Anfang der sechziger Jahre auf die
Produktbereiche Industrienähmaschinen und Förderanlagen.
1962 wird die Aktienmehrheit der Dürkoppwerke AG durch die FAG Kugelfischer
übernommen. Als rund 25 Jahre später der Kugelfischer Konzern auch die Mehrheit
der Aktien der Kochs Adler AG übernimmt, ist der Weg für die Fusion der beiden
konkurrierenden Nähmaschinenfabriken geebnet. Seit 1990 firmieren sie als Dürkopp
Adler AG in den neuen Firmengebäuden in Bielefeld-Oldentrup.
Heute bietet die Dürkopp Adler AG Problemlösungen in den Bereichen Näh- und
Fördertechnik an. Der Konzern operiert mit einer weltweiten Service- und
Vertriebsorganisation von 11 Tochtergesellschaften und über 80 Vertragshändlern.
Ziel des Unternehmens ist es, die Automatisierung von Fertigungsabläufen zu
perfektionieren und gleichzeitig ein Höchstmaß von flexiblen Anwendungs-
möglichkeiten zu gewährleisten.
Fadenspannung – Einleitung - 13 -
1.2 Der Prozess des Nähens
1.2.1 Einteilung von Nähmaschinen
Bereits in der Jungsteinzeit (ca. 4600 – 2000 v. Chr.) wurden Fäden mit
Handspindeln gesponnen und unter anderem zur Bearbeitung von Kleidungsstücken
eingesetzt. Die damaligen Techniken sind im Grunde bis heute erhalten geblieben
und lassen sich in allen manuellen und maschinellen Nähvorgängen wieder finden:
Eine Nadel durchsticht das Nähgut, durch das entstandene Stichloch wird ein Faden
geführt und nach einem definierten Muster verknotet. Meistens entsteht dabei eine
trennbare Verbindung zwischen zwei Materiallagen.
Mittlerweile wird der Faden durch eine Öse an der Nadelspitze gefädelt. Den dann
folgenden Vorgang haben alle Nähmaschinen gemeinsam:
Die Nadel durchsticht das Werkstück. Das geschieht bei einigen
Industrienähmaschinen bis zu 8000-mal pro Minute! Der Faden bildet beim
Herausziehen der Nadel an der Unterseite eine Schlinge, die von einem Greifer
aufgenommen wird. Was anschließend passiert, hängt vom jeweiligen Nähverfahren
ab. In der DIN 61400 wird beschrieben, welche Muster möglich sind und wie die
Nähmaschinen und Nähstichtypen eingeteilt werden. Die beiden wichtigsten
Stichtypen sind der Doppelsteppstich und der Doppelkettenstich [1]:
Nahtkonstruktion Aussehen Fadenverbrauch
Doppelsteppstich
„Typ 301“
Oberfaden: 1,40 m *
Unterfaden: 1,40 m *
Doppelkettenstich
„Typ 401“
Oberfaden: 1,70 m *
Unterfaden: 3,10 m *
* pro Meter Nahtstrecke (Materialdicke: 1 mm & Stichlänge: 2,5 mm)
Abbildung 1: Doppelstepp- und Doppelkettenstich
Fadenspannung – Einleitung - 14 -
Der Doppelsteppstich wird am häufigsten in Nähmaschinen eingesetzt und ist auch
die Basis dieser Arbeit. Außerdem gibt es noch weitere selbstständige Stichtypen,
zahlreiche Varianten und Kombinationen:
- Einfachblindstich
- Diverse „Zick-Zack“-Stiche
- Überwendlingstiche (mit bis zu sechs Fäden)
- Biesenstich
- Stiche mit zwei, drei oder vier Nadeln
- Sicherheitsnähte (Kombinationen aus mehreren Stichtypen nebeneinander)
- Überdeckstiche
- Flatlocknaht
- Mauserlocknaht
- Nähte für Wäsche- und Augenknopflöcher
- Nähte zum Annähen von Knöpfen
Aus diesen Stichtypen und aus weiteren technologischen Gesichtspunkten ergibt
sich die erste Einteilung von Nähmaschinen, nach Hauptklassen:
- Stichtyp (grundsätzliche Art der Stichbildung)
- Anzahl der Nadeln (bis zu vier)
- Transportarten (unterschiedliche Formen des Material- und auch
Nadeltransports)
- Greiferarten und Greiferanordnungen (abhängig von der Stichtype, z.B.
oszillierende oder rotierende Greifer in vertikaler oder horizontaler Anordnung)
- Bauformen (Form des Gussgehäuses, vor allem im Hinblick auf den
Arbeitsbereich der Maschine, z.B. für die Bearbeitung von Schuhen)
- Automatisierungsgrad
o Standardmaschine: Die Näherin näht (Näher gibt es nicht…).
o CNC-Nähautomat: Die Näherin legt Material ein und die Maschine näht
den Nahtabschnitt selbstständig (z.B. Augen- und Wäscheknopflöcher
oder Nahtverriegelungen).
o CNC-Nähanlage: Die Näherin legt Material ein und die Maschine führt
mehrere Arbeitsgänge (z.B. Nähen, Umschlagen, Schneiden)
selbstständig aus (z.B. Aufnähen von Taschen, Einnähen von
Bundfutter).
Fadenspannung – Einleitung - 15 -
In der industriellen Fertigung von Textilien werden die meisten Maschinen nur für
einen bestimmten Arbeitsgang eingesetzt. Um den Ablauf möglichst effektiv
gestalten zu können, wird die Maschine für die jeweilige Anwendung spezialisiert.
Die folgenden Aspekte führen zu einer zusätzlichen Einteilung nach Unterklassen:
- Näheinrichtung (Nadel, Transporteur, Transportfuß und Stichplatte)
- Maximale Stichlänge (in der Regel bis maximal 12 mm)
- Schneideinrichtungen (zum Abschneiden von Fäden, Schneiden von Kanten,
zugeführten Stoffen etc.)
- Bedienungshilfen (z.B. Zuführungen und Führungen von Stoffen,
Reißverschlüssen und Knöpfen; Restunterfadenwächter; Nahtverriegelung
(zur Sicherung von Nähten); zweite (umschaltbare) Stichlänge; zweiter
(umschaltbarer) Füßchenhub)
Außerdem kann die Einteilung von Nähmaschinen auch noch nach der Schwere der
zu nähenden Materialien (und damit der Maschinenbelastung) erfolgen:
- Leichte Baureihe (z.B. Bekleidung, Fahnen)
- Mittelschwere Baureihe (z.B. Jeans, Leder)
- Schwere Baureihe (z.B. Zelte, LKW-Planen)
Für das Marketing und den Vertrieb ist in erster Linie eine Zuordnung nach
Anwendungsbereichen und damit nach Kunden wichtig:
- Technische Textilien (z.B. Airbags, Lasten-Gurte, Planen)
- Damenoberbekleidung
- Hemden
- Hosen
- Schuhe
- Wohnpolster
- Innenausstattung von Fahrzeugen (z.B. Autositzbezüge, Innenverkleidung)
Fadenspannung – Einleitung - 16 -
1.2.2 Aufbau einer Doppelsteppstichmaschine
Abbildung 2: Nähmaschine der Klasse 867 (Prototyp)
Abbildung 3: Schematische Darstellung einer Nähmaschine
Oberwelle
Direktantrieb
Handrad
Unterwelle
Spannungsplatte
Fadenhebel
Fadenanzugsfeder
Greifer
Nadelstange
Transporteur
Stoffdrückerstange
Stichplatte
Fadenspannung – Einleitung - 17 -
Direktantrieb
Die Nähmaschine wird in der Regel von einem elektronisch kommutierten
Synchronmotor angetrieben. Über einen Zahnriemen wird das Drehmoment an Ober-
und Unterwelle weitergegeben und diese gleichzeitig synchronisiert.
Oberwelle
Die Oberwelle treibt die Komponenten im oberen Teil der Nähmaschine an. Dadurch
bewegen unter anderem sich die Nadelstange und der Nadeltransport.
Unterwelle
Die Unterwelle ist für die Bewegung im unteren Teil der Nähmaschine verantwortlich.
Sie treibt die Drehbewegung des Greifers und die intermittierende Bewegung des
Transporteurs an.
Handrad
Das Handrad wird benötigt, um die Nadel von Hand langsam in eine gewünschte
Position zu bewegen. Bei manchen Maschinenklassen dient das Handrad zusätzlich
als Schwungmasse, um höhere Durchstoßkräfte erzielen zu können.
Spannungsplatte
Die Spannungsplatte dient zur Einstellung der richtigen Oberfadenspannung.
Fadenanzugsfeder
Beim Einziehen der Fadenverschlingung ins Nähgut und Abziehen des Oberfadens
von der Fadenrolle gibt die Fadenanzugsfeder Faden frei. Der dann folgende
Fadenanzug soll bis zum erneuten Einstechen der Nadel beendet sein. Dadurch wird
ein Aufstechen der Nadelspitze auf den Oberfaden verhindert.
Fadenhebel
Er gibt der Greiferspitze die benötigte Fadenlänge (ca. 10 cm) und zieht nach der
größten Schleifenausdehnung den Oberfaden mit dem eingeschlossenen Unterfaden
ins Nähgut ein. Im letzten Teil der Aufwärtsbewegung zieht er neuen Faden für den
nächsten Stich von der Rolle.
Fadenspannung – Einleitung - 18 -
Greifer
Der Greifer ist das Herzstück der Nähmaschine. Stichbild und Beanspruchung des
Oberfadens beim Nähen sind von der Beschaffenheit und der Justierung des
Greifers abhängig. Im Greifer befindet sich auch die Spule mit dem Unterfaden.
Nadelstange
An der Nadelstange wird die Nadel befestigt. Sie bewegt sich in senkrechter
Richtung und führt den Hub beim Stich aus. Bei der dargestellten Maschine handelt
es sich um eine Maschine mit Nadeltransport. Daher wird der Vorschub während des
Stichs ausgeführt.
Stoffdrückerstange mit Nähfuß
Die Stoffdrückerstange hat die Aufgabe, das Nähgut auf den Transporteur zu
drücken und beim Fadeneinzug den Bereich um das Stichloch stramm zu halten.
Beim Rücklauf (Abtauchen) des Transporteurs drückt sie das Nähgut auf die
Stichplatte.
Transporteur
Der Transporteur ist für den Transport des Nähgutes verantwortlich. Bei dieser
Maschine findet der Transport während des Stiches statt. Somit befindet sich das
Stichloch im Transporteur und nicht in der Stichplatte.
Stichplatte
Die Stichplatte beinhaltet in diesem Fall eine Öffnung für den Transporteur und fixiert
zusammen mit der Stoffdrückerstange das Nähgut, wenn die Nadel nicht im Eingriff
ist.
Fadenspannung – Einleitung - 19 -
1.2.3 Entstehung eines Doppelsteppstichs
Die Stichbildung soll an einem Greiferfunktionsmodell erläutert werden. Der Greifer
stammt von einem Schnellnäher und ist vertikal angeordnet. Die Funktionsweise
lässt sich aber auf eine horizontale Anordnung und andere Bauformen übertragen.
Bei der maschinellen Vernähung von zwei Werkstücken mit einem Doppelsteppstich
werden zwei unterschiedliche Fäden verwendet. Der Oberfaden (auch Nadelfaden
genannt) kommt von einer Rolle, läuft durch die Fadenspannungsplatte, den
Fadenhebel und wird dann in das Nadelöhr eingefädelt. Der Unterfaden (oder auch
Greiferfaden) befindet sich auf einer Spule im Innern des Greifers und wird durch
eine Öffnung nachgezogen. Der Träger der Spule heißt Kapsel. Diese darf nicht fest
mit dem Greifer verbunden sein, da sie vom Oberfaden komplett umschlungen wird.
Der Vorgang ähnelt dem Seilchenspringen.
Abbildung 4: Greiferfunktionsmodell (Greifer der Klasse 271)
Nadel
Greifer
Oberfaden
Unterfaden
Greiferkapsel mit Unterfadenvorrat
Fadenspannung – Einleitung - 20 -
Die Nadel führt den Oberfaden bis zum unteren Umkehrpunkt (Totpunkt) durch das
zu vernähende Material. Bei der Aufwärtsbewegung der Nadelstange wird unter der
Stichplatte in Schleifenhubhöhe eine Fadenschleife gebildet. Dort befindet sich der
rotierende Greifer. Dessen Spitze erfasst die Schlinge:
Abbildung 5: Erfassung der Schlinge
Während die Nadel das Nähgut verlässt, führt die Greiferspitze die
Oberfadenschleife um den Unterfadenvorrat herum. Das lose dargestellte Ende des
Unterfadens ist in Wirklichkeit angenäht. Dabei muss die ganze Unterfadenspule
einmal umschlungen werden:
Abbildung 6: Führung um den Unterfaden
Greiferspitze
Schlinge
Fadenspannung – Einleitung - 21 -
Nach der größten Ausweitung der Fadenschleife zieht der Fadenhebel die
Fadenschleife mit dem eingeschlossenen Unterfaden nach oben in das Nähgut ein.
Dabei wird die Schlinge um den Unterfaden festgezogen:
Abbildung 7: Einziehen des Knotens in das „virtuelle“ Material
Dadurch entsteht eine Verknotung, die das obere und untere Werkstück
zusammenhält. Im letzten Teil der Aufwärtsbewegung zieht der Fadenhebel den
Oberfaden stramm und neuen Faden von der Rolle ab.
Dem eigentlichen Nähvorgang wird der Stofftransport überlagert. Um Zeit zu
gewinnen, führt die Nadel während des Einstichs gemeinsam mit dem Nähgut eine
Bewegung in Vorschubrichtung aus. Auf der Unterseite befindet sich der
Untertransport, der sich mitbewegt und den nötigen Gegendruck aufbaut.
Sobald die Nadel das Material verlassen hat, kann sie relativ zum Stoff zu der
nächsten Einstichstelle bewegt werden. Auf der Oberseite wechseln sich zwei
Füßchen ab, um das Nähgut zu fixieren bzw. zu transportieren.
Der Nähprozess ist im Grunde ein erzwungener Zufall, der von sehr vielen
Einflussgrößen abhängt und nur durch sehr feinfühlige mechanische Einstellungen
möglich gemacht wird.
Verknotung
Fadenspannung – Einleitung - 22 -
1.2.4 Einstellbare Nähparameter
Wenn der eigentliche Nähprozess durch die mechanischen Einstellungen gesichert
ist, kann die Nähmaschine betrieben werden. Dabei hat die Näherin dann
verschiedene Möglichkeiten die Gestalt der Naht zu beeinflussen.
Über einen Hebel kann sie die Länge eines Stichs einstellen (in der Regel zwischen
0 und 12 mm). Die Stichlänge hat einen großen Einfluss auf die Festigkeit der Naht,
da von ihr die Anzahl der Verknotungen zwischen den Werkstücken abhängt. Sie ist
entscheidend für die Optik und bestimmt (zusammen mit der Drehzahl) die
Vorschubgeschwindigkeit (der Stoff wird bei jedem Stich um die Stichlänge
fortbewegt), sowie den Fadenverbrauch (bei jedem Stich wird ungefähr die doppelte
Stichlänge und die doppelte Materialdicke verbraucht).
Mit Hilfe eines Stellrades wird der Füßchenhub festgelegt. Dieser ist maßgeblich für
den Stofftransport und muss an die jeweilige Materialdicke angepasst werden. Bei
einer Verdickung quer zur Nahtrichtung, z.B. einer zusätzlichen Lage Material, sollte
der Hub erhöht werden, um ein „Erklimmen“ der Kante zu ermöglichen.
Mit einer Stellschraube kann die Näherin den Druck auf das Füßchen variieren. Die
so genannte Stoffdrückerfeder ist ebenfalls für den Materialtransport wichtig.
Außerdem bestimmt sie, wie stark das Nähgut beim Einstich der Nadel fixiert wird.
Auch auf die Fadenspannung kann die Näherin Einfluss nehmen. Sie bestimmt unter
anderem die Festigkeit der Naht und wird später ausführlich erläutert.
1.3 Maschinenklasse 867
1.3.1 Beschreibung des Entwicklungsprojektes
Die Premium-Ausführung der Klasse 867 gehört zur mittelschweren Baureihe und ist
in erster Linie für das Nähen von Autositzbezügen gedacht. Dazu sollen Funktionen
in die Standardausführung der Maschine integriert werden, die die Herstellung von
qualitativ hochwertigen Nähten ermöglichen. Das bedeutet nicht nur ein verbessertes
Stichbild, sondern auch die Überwachung und Dokumentation der Nähte. Schließlich
ist eine aufgeplatzte Naht auf dem Fahrersitz einer Luxuskarosse für das Image des
Herstellers schädlich und ein Austausch auch kostspielig. Auf der anderen Seite ist
es natürlich auch zu teuer, jede Naht mit geringer Drehzahl herzustellen und von
Hand zu überprüfen.
Fadenspannung – Einleitung - 23 -
Zurzeit umfasst die Produktpalette für den mittelschweren Sektor die
Maschinenklassen 367, 467, 667 und 767. Diese Maschinen sind in den
unterschiedlichsten Ausführungen für zahlreiche Anwendungen verfügbar.
Charakteristisch ist in erster Linie die massive Bauweise, die das Durchstechen von
dicken Materialien bei hoher Drehzahl (bis 4000 U/min) ermöglicht.
Die Entwicklung der Klasse 867 (eine Überarbeitung der Vorgängerklassen) befindet
sich kurz vor der Vollendung. Sobald die Basismaschine fertig gestellt und die
Machbarkeit der Premium-Funktionen belegt ist, sollen diese in den neuen Guss
integriert werden. Bis zur Markteinführung der Premium-Maschine werden also noch
einige Jahre vergehen.
Die bisherigen Voruntersuchungen haben an einem Prototyp stattgefunden, der aus
einem Oberteil der Klasse 367 und einer Grundplatte der Klasse 667 besteht. Zur
Prüfung der Funktionen, wie z.B. der elektronischen Verstellung der Fadenspannung,
der Stichlänge und des Füßchenhubs, reicht diese Maschine aber vollkommen aus.
Abbildung 8: Prototyp
Fadenspannung – Einleitung - 24 -
1.3.2 Ansätze für die Automatisierung in Nähereien
In der Zulieferindustrie der Automobilbranche besteht das Bestreben,
Produktionsabläufe zu automatisieren, um eine hohe Prozesssicherheit bei großen
Stückzahlen zu gewährleisten. Dafür ist auch an einer Nähmaschine eine
elektronische Verstellung möglichst aller Parameter erforderlich, um Eingriffe der
Näherin zu vermeiden. So müssen an einer Nähmaschine die Oberfadenspannung,
die Stichlänge, die für den Arbeitsgang maximale Drehzahl, der Füßchenhub und die
Riegelparameter eingestellt werden. Durch den verstärkten Einsatz von
elektromechanischen Aktoren (in erster Linie Schrittmotoren) in Kombination mit
moderner Steuerungstechnik (insbesondere Software) wurden zahlreiche neue
Funktionen realisiert oder erst denkbar:
- Automatisierung und Flexibilisierung von Arbeitsgängen (z.B. Anpassung der
Parameter für Nahtabschnitte, ohne die Maschine anhalten zu müssen)
- Einlesen und automatisches Einstellen von Naht-Parametern z.B. mit Hilfe von
Barcodes oder Transpondern (RFID)
- Verbesserung der Reproduzierbarkeit von Ergebnissen durch Speicherung
von Erfahrungswerten
- Erkennung von Fehlstichen
- Differential-Stofftransport (z.B. zur Einarbeitung von Mehrweite)
- Dokumentation von Nähten (z.B. für sicherheitskritische Bauteile wie Airbags)
- Automatisierung von Fertigungsabläufen (Produktionsplanung und –steuerung
(PPS))
Fadenspannung – Grundlagen zur Fadenspannung - 25 -
2. Grundlagen zur Fadenspannung
2.1 Allgemeines
2.1.1 Entstehung der Fadenspannung
Der Faden ist über weite Strecken der Stichbildung nahezu spannungsfrei. Ein erster
Anstieg ist zu bemerken, wenn die Nadel das Material durchstochen hat und der
Oberfaden von der Greiferspitze erfasst wird. Von diesem Moment an muss Faden
von der Spule nachgezogen werden und wird dabei an der Spannungsplatte
gebremst. Dieses geschieht mit einer Art Backenbremse. Der Faden wird zwischen
zwei Scheiben hindurch gezogen, die durch eine Spiralfeder zusammengedrückt
werden. Meistens werden zwei dieser Backenbremsen nach einander eingesetzt. Die
Vorspannung der Federn wird von der Näherin mit Hilfe einer Stellschraube verstellt.
Wenn der Faden die dickste Stelle des Greifers passiert hat, beginnt der
Fadenhebel, den überschüssigen Faden aus dem System herauszuziehen. Das
letzte Stück bis zum oberen Totpunkt des Fadenhebels nennt man Fadenanzug. Der
Oberfaden ist nun im ganzen System gespannt und der Knoten wird festgezogen.
Gleichzeitig wird bereits Faden für den nächsten Stich nachgezogen. Dabei kommt
es darauf an, wie stark der Faden an der Spannungsplatte (und allen anderen
Umlenkungen, Ösen etc.) gebremst wird und nachgeben kann.
Eine große Bedeutung kommt dabei der Unterfadenspannung zu, die mit einer
Schraube eingestellt wird und der Fadenanzugskraft entgegen wirkt. Diese
Einstellung wird aber in der Regel nicht verändert.
Die für den aktuellen Arbeitsgang richtige Fadenspannung hängt u. a. von der Dicke
des Fadens, den Materialeigenschaften des Nähgutes und der Kinematik der
Nähmaschine ab. So muss die Näherin bei jedem Wechsel des auszuführenden
Arbeitsgangs die optimale Fadenspannung empirisch neu ermitteln.
Fadenspannung – Grundlagen zur Fadenspannung - 26 -
2.1.2 Einstellung der Oberfadenspannung mit Druckfedern
Abbildung 9: Spannungsplatte mit Druckfedern
Der Faden wird zunächst durch eine federbetätigte Klemmstelle geführt. Zusammen
mit allen anderen Fadenösen und Umlenkungen sorgt die Vorspannung für eine
Beruhigung des Fadens und eine Grundfadenspannung. Anschließend durchläuft der
Faden zwei weitere Klemmstellen und wird dabei stufenweise auf die volle
Fadenspannung gebracht.
Vorteile
- Sehr kostengünstige und einfache Lösung
- Bewährtes Prinzip, welches an fast allen Nähmaschinen und anderen
Textilmaschinen eingesetzt wird
- Schonende Erzeugung hoher Spannungen (bis 1400 cN)
Nachteil
- Manuelle Einstellung
- Die Fadenspannung ist nicht reproduzierbar einstellbar.
- Die Qualität der Naht hängt von der Tagesform der Näherin ab.
Fadenspannung – Grundlagen zur Fadenspannung - 27 -
2.1.3 Auswirkungen der Fadenspannung auf die Nahtqualität
Optimal eingestellte Fadenspannungen sind die Voraussetzung für eine richtige
Fadenverteilung und ausreichende Fadenmengen in der Naht. Ober- und
Unterfadenspannung werden bei Doppelsteppstichmaschinen so eingestellt, dass die
Verschlingung beider Fäden möglichst in der Mitte des Materials zu liegen kommt
bzw. innerhalb der Naht die gleiche Menge Ober- und Unterfaden verbraucht wird.
Dabei sollten beide Fäden möglichst lose eingestellt werden. Es darf aber auch keine
auseinanderklaffende Naht entstehen.
In der folgenden Abbildung sind die Fadenspannungen richtig eingestellt. Es ergibt
sich eine optimale Fadenverteilung, ein ausgewogenes Stichbild, maximale
Nahtelastizität und Nahtreißfestigkeit.
Abbildung 10: Richtige Fadenspannung beim Doppelsteppstich
Bei zu hoch bzw. zu niedrig eingestellten Fadenspannungen ist der Faden ungünstig
verteilt, die Nahtelastizität und die Nahtreißfestigkeit eher gering:
Abbildung 11: Falsche Fadenspannungen beim Doppelsteppstich
Ist die Fadenspannung zu hoch eingestellt, platzt die Naht bereits bei geringer
Belastung. Genau dieser Effekt kann aber auch gewünscht sein, z.B. bei Nähten, die
Fadenspannung – Grundlagen zur Fadenspannung - 28 -
sich beim Auslösen von Airbags öffnen sollen. In diesem Fall soll die
Nahtreißfestigkeit möglichst genau definiert sein. Auf das äußere Erscheinungsbild
kommt es besonders bei Sichtnähten an. Unter Belastung sind Ungleichmäßigkeiten
in der Fadenspannung deutlich sichtbar. Bei zu hoher Fadenspannung kann es
vorkommen, dass der Fadenhebel den Knoten nach oben aus dem Material
herauszieht.
Fadenspannung – Grundlagen zur Fadenspannung - 29 -
2.1.4 Messung der Fadenspannung
Die Fadenspannung wird in der Regel nach subjektiver Prüfung der Naht eingestellt
und selten gemessen. Im Labor oder der Versuchswerkstatt stehen jedoch zur
Erfassung der Fadenspannung so genannte Fadenwaagen zur Verfügung:
Abbildung 12: Fadenwaage mit automatischem Fadenabzug
Der Faden wird bei der Messung waagerecht aus der Öse des Fadenhebels
herausgezogen und über die Fadenwaage geführt. Die mittlere Umlenkrolle arbeitet
als Messrolle. Sie ist beweglich gelagert. Wenn der Faden gespannt ist, bewirkt ihre
Auslenkung einen Ausschlag des Zeigers.
Der Fadenhebel sollte sich dabei im oberen Totpunkt befinden. Somit werden alle
Reibstellen auf dem Weg vom Fadenhebel bis zur Nadel nicht erfasst.
Fadenspannung – Grundlagen zur Fadenspannung - 30 -
Die tatsächliche Fadenspannung ist also deutlich höher. Insgesamt ist die Messung
eher ungenau und eine exakte Vergleichbarkeit zwischen den Ergebnissen der
Hersteller und Nähereien kaum zu erreichen. Eine Angabe der Fadenspannung ist
daher stets mit Vorsicht zu genießen. Der Begriff Fadenspannung meint übrigens
immer eine Kraft. Eine Angabe als Kraft pro Fläche ist aufgrund der geringen und
schwer zu definierenden Fadenquerschnittsflächen nicht sinnvoll. Die Maßeinheit
lautet Centinewton (cN). Übliche Fadenspannungswerte im mittelschweren Bereich
liegen zwischen 150 und 800 cN (in Ausnahmefällen bis 1400 cN). Das entspricht in
etwa den Gewichtskräften von Massen zwischen 150 und 800 Gramm (bzw. bis 1400
Gramm). Auf elektronische Messmethoden wird später eingegangen.
2.1.5 Statische und dynamische Fadenspannung
Die eben beschriebene Messung der Fadenspannung dient der Erfassung der
statischen Fadenspannung. Der Faden wird möglichst kontinuierlich (manuell oder
mit einem Elektromotor) aus dem System herausgezogen. Dabei wird einmalig die
Haftreibung überwunden und lediglich die Gleitreibung gemessen. Im eigentlichen
Nähprozess sieht das aber ganz anders aus: Bei jedem Stich wird in etwa die
Stichlänge und die Materialdicke an Oberfaden verbraucht. Dieses Stück Faden wird
aber nur in einem kurzen Zeitraum des Stichs durch die Fadenspannung gezogen. In
der restlichen Zeit ist der Faden schlaff und wird zwischen den Spannungsscheiben
eingeklemmt. Der Übergang zwischen Haft- und Gleitreibung findet also in jedem
Stich statt und ist, je nach Drehzahl des Nähmotors, mehr oder weniger ruckartig.
Dadurch liegen natürlich auch die Spannungsspitzen bei der dynamischen
Fadenspannung deutlich höher, als beim statischen Abziehen.
2.1.6 Verlauf der Fadenspannung während der Stichbildung
Die folgenden Abbildungen zeigen typische Verläufe der Fadenspannung während
des Stiches. Sie wurden mit Hilfe von Dehnungsmessstreifen (DMS) zwischen
Fadenhebel und Nadel gemessen. Diese Messmethode liefert sehr detaillierte
Aufnahmen, kann aber aufgrund der aufwendigen und teuren Auswerteelektronik
lediglich im Labor Anwendung finden.
Fadenspannung – Grundlagen zur Fadenspannung - 31 -
Zeit
Fad
ensp
ann
un
g
Abbildung 13: Verlauf der Fadenspannung bei vier Stichen
Zeit
Fad
ensp
ann
un
g
Abbildung 14: Verlauf der Fadenspannung bei einem Stich
Fadenanzug
Verlassen des Greifers
Dickste Stelle des Greifers
Einziehen des Knotens zwischen die beiden
Materiallagen
Fadenspannung – Grundlagen zur Fadenspannung - 32 -
2.2 Nähgarn
2.2.1 Einteilung von Fäden
Der Nähprozess stellt extreme Anforderungen an ein Nähgarn. Ein Faden wird ca.
70- bis 80-mal durch das Nadelöhr gezogen, bis er vernäht ist. Dabei wird er beim
Anfahren und Abbremsen der Nähmaschine zusätzlich ruckartig belastet.
Anschließend muss er dann in der Naht beim Gebrauch noch zufrieden stellend
seinen Dienst leisten.
Zur Herstellung von Nähgarnen eignen sich deshalb nur einige ausgewählte
Naturfasern und synthetische Fasern:
- Baumwoll-Nähgarne sind problemlos zu vernähen, weich, geschmeidig und
von hinreichender Festigkeit und Elastizität. Sie werden ausschließlich aus
ägyptischen Sorten hergestellt und lassen sich mit hoher Farbechtheit
einfärben. Die fertigen Nähte verschleißen deutlich schneller als bei
synthetischen Garnen.
- Leinenzwirne (Lein = Flachs) werden heute kaum noch verwendet.
- Seidene Fäden wurden ebenfalls von Baumwoll- und Synthetikgarnen
verdrängt.
- Nähgarne aus Polyester oder Polyamid (Nylon) weisen gegenüber
Naturfasern eine ganze Reihe von Vorteilen auf: überragende Reißfestigkeit,
Scheuerbeständigkeit, Biegebeständigkeit, günstige Elastizität, gleichmäßiger
Fadencharakter, absolute Widerstandsfähigkeit gegenüber Schimmel, Fäulnis
und den meisten Chemikalien. Polyesterfasern trotzen zudem auch negativen
Einflüssen von Wetter und Sonnenlicht. Sie lassen sich sicher verarbeiten und
sind in allen textilen Bereichen zur meistverwendeten Faser geworden.
Ein Nähgarn ist immer ein Zwirn. Es entsteht durch das Zusammendrehen von
meistens drei Einzelfasern (Gespinsten). Der Zwirn ist fast immer rechts gedreht und
die Faserschräglage läuft von rechts oben nach links unten. Anschließend wird das
Garn gefärbt, veredelt (z.B. gesengt, gestreckt, poliert, beschichtet etc.) und auf
Spulen gewickelt.
Zur Nummerierung (Typisierung) von Nähgarnen stehen mehrere Systeme zur
Verfügung. In dieser Arbeit soll aber lediglich die metrische Nummerierung (Nm)
Fadenspannung – Grundlagen zur Fadenspannung - 33 -
Verwendung finden: Diese Bezeichnung gibt an, wie viel Meter einfachen Garnes ein
Gramm wiegen.
Beispiel
Nm 100 bedeutet: 100 Meter einfachen Garnes wiegen ein Gramm.
Bei Zwirnen aus mehreren Einzelfasern wird noch die Anzahl der Fasern
hinzugefügt.
Beispiel
Nm 100/3 bedeutet: 100 Meter einfachen Garnes wiegen immer noch ein Gramm,
vom gesamten Faden wiegen allerdings bereits 33,3 Meter ein Gramm.
Die im mittelschweren Bereich verwendeten Fäden bewegen sich zwischen Nm 10/3
und Nm 80/3.
Andere Nummerierungen sind:
- Die englische Baumwoll-Nummerierung (Schreibweise: NeB)
- Titer Denier (Schreibweise: Td)
- Die Tex-Nummerierung (Schreibweise: tex)
Die verschiedenen Systeme lassen sich beliebig in einander umrechnen.
2.2.2 Verarbeitung von Fäden
Auch die Verarbeitung von Garnen in Textilmaschinen ist eine Wissenschaft für sich:
Fadenführungs- oder Fadengleitflächen werden teilweise einem hohen Verschleiß
ausgesetzt. Hohe Fadenspannungen oder starke Umlenkungen können dazu führen,
dass diese Teile mit der Zeit regelrecht zersägt werden. Auf der anderen Seite
können schon kleinste Unebenheiten an den Reibstellen zu einem Fadenbruch
führen. An diesen Stellen werden Metalle, Kunststoffe und Keramiken als Werkstoffe
eingesetzt. Die entsprechenden Bauteile sollten möglichst hart und verschleißfest
sein und müssen einer speziellen Oberflächenbehandlung unterzogen werden. Diese
wird bei Dürkopp Adler mit dem Begriff „fadenglatt poliert“ (fgp) bezeichnet und ist in
einer eigenen Norm definiert. Darin wird der Mittenrauwert aR mit dem größten
Fadenspannung – Grundlagen zur Fadenspannung - 34 -
messbaren Rauheitswert der Messstrecke maxR und der Polierriefenrichtung
kombiniert. Dabei kommt es stark auf die jeweilige Anforderung an: Fadenspannung,
Stärke der Umlenkung und Geschwindigkeit des Fadens.
Die folgende Tabelle zeigt einige typische Anwendungen:
Bauteil aR -Wert Fertigungsverfahren
Fadenöse
fgp
R
Ra
1max
1,0 Polieren, Honen, Läppschleifen
Fadenspannungsscheibe
fgp
R
Ra
4,0max
05,0 Glanzpolieren, Trommeln, Schwabbeln
Oberfläche am Greifer
fgp
R
Ra
25,0max
025,0 Hochglanzpolieren
Abgesehen von der Aggressivität gegenüber Oberflächen gibt es noch einige weitere
unangenehme Eigenschaften von Garnen, die Einfluss auf die Fadenspannung
haben:
- Speziell Baumwollfäden weisen häufig Ungleichmäßigkeiten im Durchmesser
auf. Verdickungen sorgen beim Durchlaufen der Spannungsscheiben für eine
kurze Spannungsspitze und können auch am Nadelöhr ein Haken zur Folge
haben.
- Garne schlechter Qualität haben häufig einen Drall, wenn sie von der Spule
abgewickelt werden. Dadurch wickelt sich der Faden manchmal um sich
selbst und es entstehen Knoten. Diese verursachen dann noch größere
Probleme als Verdickungen.
- Ein weiterer Effekt in diese Richtung ist der so genannte Drallaufschub. Bei
starkem Quetschen des Fadens kann es passieren, dass die reguläre
Verdrillung aufgeschoben wird und dadurch ein Knoten entsteht. Die
Schädigung kann auch zu Problemen beim „Einfangen“ des Fadens durch den
Greifer führen, wenn sich dieser nur eine Faser aus dem beschädigten Garn
herausgreift.
Fadenspannung – Grundlagen zur Fadenspannung - 35 -
- Es können Schwankungen in der Fadenspannung entstehen, wenn die obere
Lage Faden auf einer Spule, beispielsweise über Nacht, feucht geworden ist
und das Garn darunter trocken ist (Änderung des Reibbeiwertes).
- An allen Reibstellen bilden sich nach kurzer Betriebsdauer Fuseln und
staubähnlicher Abrieb. Ablagerungen zwischen den Spannungsscheiben
können zu einer Verringerung der Fadenspannung führen.
- Bei der Führung durch Spannungsscheiben besteht die Gefahr des
Herauswanderns des Fadens. Wenn die Scheiben nicht parallel zu einander
liegen, ergibt sich ein V-förmiger Spalt, und der Faden wird bei Belastung der
Scheiben nach außen herausgedrückt.
- Der Faden hat federnde Eigenschaften. Die Elastizität ist bei jedem Faden
anders und wirkt sich unter Umständen auf den zeitlichen Ablauf des
Nähprozesses aus.
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 36 -
3. Elektronische Einstellung der Fadenspannung
3.1 Anforderungen und Ziele
3.1.1 Reproduzierbare Einstellung der Fadenspannung
Das Hauptziel ist eine reproduzierbare Einstellung der Fadenspannung bei
wiederkehrenden Arbeitsgängen. Im Idealfall kann die bei einer qualitativ
hochwertigen Musternaht ermittelte Fadenspannung immer wieder eingestellt
werden. Möglicherweise lassen sich auch allgemeingültige Einstellungen für
verschiedene Kombinationen von Stoffen und Garnen finden.
Grundsätzlich sollte die Qualität der Nähte bei elektronisch eingestellter Spannung
mindestens genau so gut sein, wie bei der herkömmlichen Methode. Eine
Verbesserung ist natürlich wünschenswert. Dabei stellt sich die Frage, welche
Schwankungen der Fadenspannung sich überhaupt im Nähergebnis niederschlagen.
3.1.2 Anpassung an die Motordrehzahl
Die Dynamik des Nähprozesses hat zur Folge, dass sich die Fadenspannung über
der Drehzahl verändert. Die Arbeitsdrehzahl der Maschine liegt zwischen 2000 U/min
und 4000 U/min. Bei der bisherigen Einstellung mit Federn ist es nicht möglich,
während des Prozesses einzugreifen und die Fadenspannung an die momentane
Motordrehzahl anzupassen. Die Einstellung wird daher in der Regel für die maximale
Drehzahl optimiert. In den Beschleunigungsphasen ist die Fadenspannung dann zu
niedrig. Mit Einführung der elektronischen Verstellung soll die Fadenspannung an die
Nähgeschwindigkeit angepasst werden.
3.1.3 Weitere Gedanken und Ziele
- Die einstellbare Fadenspannung sollte bis zu 800 cN betragen und später auf
den Bereich bis 1400 cN erweitert werden können.
- Das System muss zuverlässig funktionieren, sollte sich aber in einem
bezahlbaren Preisrahmen bewegen.
- Informationen über Nähparameter sollen gespeichert und zur Überwachung
und Automatisierung des Prozesses verwendet werden.
- Die Bedienung und Kalibration sollte möglichst einfach gehalten werden.
- Das Erfassen von neuen Parametern soll z.B. im Teach-In-Verfahren erfolgen.
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 37 -
3.2 Steuerungskonzept
3.2.1 Kurzportrait der Dürkopp Adler Control III
Die Premium-Maschine der Klasse 867 wird von einer Dürkopp Adler Control III
(DAC III) gesteuert. Dabei handelt es sich um eine Industriesteuerung, die speziell
für Nähanlagen und Nähautomaten konzipiert worden ist. Das Herzstück der DAC III
ist der 16-Bit-Mikrocontroller C 167. Zur Steuerung des Maschinenablaufes stehen
unter anderem folgende Funktionen zur Verfügung:
- 1 x (geregelter) Leistungsausgang für den Nähmotor (Synchronmotor)
- 3 x (geregelte) Leistungsausgänge für Schrittmotoren
- 4 x PWM (24 V) mit schaltbarer Schnellentregung
- 32 x Digitalausgänge
- 24 x Digitaleingänge
- 4 x Analogeingänge (mit 10-Bit-ADC)
- Kommunikation: u.a. RS422, RS232, RS485, synchrone und asynchrone
Schnittstelle, CAN-Bus
3.2.2 Vorstellung der bestehenden Software (M-Type Premium)
Die Programmierung des Nähablaufes geschieht in der Programmiersprache C oder
direkt in Assembler. Die Software ist bereits weitestgehend fertig gestellt. Die
Maschine näht mit einstellbaren Parametern, verfügt über ein Bedienfeld, einen
Testmodus und einen automatischen Fadenabschneider. Außerdem sind diverse
Nahtverriegelungen möglich. Nach dem Booten gelangt der Steuerungsablauf in eine
Endlosschleife. In diese Schleife ist ein Zustandsautomat eingebettet: Nacheinander
werden alle für den Funktionsablauf relevanten Komponenten (z.B. Fußpedal,
Bedienfeld) aufgerufen und nach Änderungen ihres Zustandes befragt (z.B.
Änderung der Pedalstellung auf Vollgas). Durch diese Tatsache wird eine
Zustandsvariable neu gesetzt, die spätestens beim nächsten Durchlauf der
Endlosschleife zu einer Reaktion führt (z.B. Erhöhung der Drehzahl des Nähmotors).
Durch diese Form der Programmierung sind immer nur gerade benötigte
Programmteile aktiv und das Programm ist sehr schnell. Auch für die elektronische
Einstellung der Fadenspannung ist bereits ein Zustandsautomat vorgesehen, der
noch mit Leben gefüllt werden muss. Es ist nahezu ein Echtzeitbetrieb möglich.
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 38 -
3.3 Lösungsansatz
3.3.1 Auswahl des elektromechanischen Wandlers
Grundsätzlich stellt sich zunächst die Frage, ob es Alternativen zur herkömmlichen
Erzeugung der Fadenspannung gibt.
Für geringe Fadenspannungen (bis ca. 20 cN) werden auch Rollenspannungen als
Fadenbremsen eingesetzt. Dabei wird der Faden mehrmals um eine sich mit
drehende Welle gewickelt, die mehr oder weniger stark gebremst wird und dadurch
die Fadenspannung beeinflusst. In der Vergangenheit sind jedoch sämtliche
Versuche gescheitert, Rollenspannungen zur Erzeugung von höheren
Fadenspannungen zu entwickeln.
Eine ebenfalls wohl nur theoretische Alternative stellt ein Fadengeber dar: Ein
elektronisch gesteuertes (geregeltes) System, das der Nähmaschine für jeden Stich
exakt die benötigte Menge Faden zur Verfügung stellt und dadurch gleichzeitig die
Fadenspannung definiert. Die genaue Bestimmung der benötigten Fadenmenge
würde jedoch den technischen Rahmen sprengen.
Damit wird es wohl auch in Zukunft beim bewährtem Bremsen des Fadens mit Hilfe
von Spannungsscheiben bleiben. Um die Fadenspannung jedoch elektronisch
einstellen zu können, wurde die Feder bereits in der Vergangenheit an einem
Knopflochautomaten durch einen Hubmagneten ersetzt. Die benötigte
Fadenspannung beträgt dort jedoch nur ca. 150 cN. Doch auch für höhere
Fadenspannungen erfüllt ein Hubmagnet alle technischen Auswahlkriterien und wird
aus folgenden Gründen firmenintern als einzige Lösung favorisiert:
- Erforderliche Kraft zwischen 20 und 30 N (Erfahrungswert aus der Federkraft)
- Maximaler Hub ca. 2 mm
- Einfache Ansteuerung über die DAC III (z.B. über einen PWM-Kanal)
- Geringer Platzbedarf (vor allem geringe Einbautiefe), große Kraftdichte
- Betriebssicherheit bei millionenfacher Betätigung
Sämtliche Alternativen haben mindestens einen großen technischen Nachteil und
sind außerdem preismäßig unterlegen:
- Pneumatische Aktoren eignen sich nur mit großem Zusatzaufwand für
stufenlose Verstellungen.
- Voice-Coil-Magneten verschlingen bei der erforderlichen Kraft zu viel
Bauraum, sind hoch präzise und damit zu teuer.
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 39 -
- Piezo-Aktoren benötigen eine sehr hohe Spannung, erzeugen aber nur bei
geringerem Hub kurzzeitig die benötigte Kraft von ca. 30 N.
- Schrittmotoren sind teurer als Hubmagnete, benötigen außerdem noch
mechanischen Zusatzaufwand (Getriebe).
Die Nachteile eines Hubmagneten werden im Folgenden ausführlich herausgestellt.
3.3.2 Beschreibung des ausgewählten Hubmagneten
Der bisherige Zulieferer für Hubmagnete, die Firma indEAS, hat für die geforderte
Kraft von ca. 30 N einen passenden Magneten im Angebot. Dieser wird von einer
Gleichspannung (24 V) gespeist, die einen Strom durch seine Wicklung treibt. Dieser
elektrische Strom ist eine magnetische Spannungsquelle und die Ursache für einen
Magnetfluss durch die magnetischen Widerstände Luftspalt und Eisen (nach der
„Rechten-Hand-Regel“). Der Magnetfluss verläuft dabei sowohl durch den Ständer,
als auch durch den beweglichen Anker. Zwischen diesen Bauteilen muss der Fluss
einen Luftspalt passieren. Dieser Abstand zwischen Anker und Ständer bestimmt im
Wesentlichen die Induktivität der Spule und somit die Kraft, mit der der Anker
angezogen wird (Herleitung folgt später).
Abbildung 15: Querschnitt durch den Hubmagneten
Luftspalt s
„Kreuzstrom“
Ständer
Hauptfluss
Eisen
„Punktstrom“
Kupferwicklungen
Kraftwirkung auf den Anker Anker
Hauptfluss
Eisen
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 40 -
Bezeichnung Hubmagnet 340.14
Hersteller Firma indEAS, Metzingen
Preis ca. 30 €
Technische Daten
Vorzugs-Nennspannung VDCU A 24=
Elektrische Leistung WP 5,720 =
Einschaltdauer %100=ED
3.3.3 Zusammenhang zwischen Kraft, Luftspalt und Strom
Zur Berechnung des magnetischen Kreises im Hubmagneten wird das
Durchflutungsgesetz herangezogen [2]. Der Anteil des Streuflusses beträgt ca. 1 %
des Hauptflusses und wird daher vernachlässigt:
sHlHsdHIN sEE ⋅+⋅==⋅=Θ ∫rr
( 1 )
Θ Durchflutung A Querschnittsfläche des Luftspaltes
N Windungszahl I Strom durch den Hubmagneten
H Magnetische Feldstärke Φ Magnetischer Fluss
EH Magnetische Feldstärke im Eisen sH Magnetische Feldstärke im Luftspalt
El Länge der Feldlinien im Eisen s Länge der Feldlinien im Luftspalt
EB Magnetische Flussdichte im Eisen sB Magnetische Flussdichte im Luftspalt
Eµ Permeabilitätszahl des Eisens
0µ Magnetische Feldkonstante
Für die magnetische Feldstärke im Luftspalt gilt:
0µs
s
BH = ( 2 )
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 41 -
Die magnetische Feldstärke im Eisen kann man ersetzen durch:
E
E
E
BH
µµ ⋅=
0
( 3 )
Zur Vereinfachung wird die Permeabilitätszahl des Eisens zu unendlich
angenommen. Daher kann man schreiben:
s
INBs
BIN s
s 0
0
µ
µ
⋅⋅=⇒⋅=⋅ ( 4 )
Für den magnetischen Fluss gilt:
s
INABA s
0µ⋅⋅⋅=⋅=Φ ( 5 )
Diese Beziehung kann man in die Definition der Induktivität einer Spule einsetzen
und erhält:
s
NA
I
NL 0
2 µ⋅⋅=
Φ⋅= ( 6 )
Damit kann man die, in der Spule gespeicherte, Energie bestimmen:
2
2
1ILW ⋅⋅= ( 7 )
Nur eine Änderung des Luftspaltes und damit der Induktivität kann eine Änderung
der gespeicherten Energie zur Folge haben, wenn der Strom konstant ist. Wegen der
Energieerhaltung muss die Spule in diesem Fall Arbeit verrichten. Arbeit ist das
Produkt aus Kraft in Wegrichtung und Weg. Der Weg ist infinitesimal klein (Prinzip
der virtuellen Verschiebung) und entspricht der Änderung des Luftspaltes (ds):
22
2
1
2
1I
ds
dLFdsFIdLdW ⋅⋅=⇒⋅=⋅⋅= ( 8 )
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 42 -
Die Induktivität ändert sich über dem Luftspalt nach folgendem Zusammenhang:
20
20
21)/1(
sNA
ds
sNAd
ds
dL⋅⋅⋅−=
⋅⋅⋅= µ
µ ( 9 )
Daher lautet die Beziehung zwischen Kraft, Luftspalt und Strom:
2
0
22
20
222
2
1
2
1
2
1
s
NAI
sNAII
ds
dLF
⋅
⋅⋅⋅−=⋅⋅⋅⋅⋅−=⋅⋅=
µµ ( 10 )
Bei konstanten geometrischen Verhältnissen bestimmt das Quadrat des Stromes die
Kraft. Diese ist immer negativ (anziehende Wirkung auf den Anker). In der Kennlinie
wird sie jedoch positiv dargestellt. Der Kennlinienverlauf der Standardmagneten kann
von der Firma indEAS in gewissen Grenzen auf Kundenwünsche abgestimmt
werden. Für die elektronische Fadenspannung steht ein Magnet mit angepasster
Charakteristik zur Verfügung (siehe nächstes Kapitel). Die Kennlinie der
Standardausführung sieht folgendermaßen aus:
0
10
20
30
40
50
60
70
0,2 0,25 0,3 0,35 0,4 0,45 0,5 0,55 0,6 0,65 0,7 0,75
Hub [mm]
Mag
net
kraf
t [N
]
Abbildung 16: Kennlinie des Hubmagneten (Katalog der Firma indEAS)
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 43 -
3.3.4 Kennlinie mit Hysterese
Die Herleitung der Kennlinie erfolgte unter der Annahme, dass die Permeabilitätszahl
des Eisens unendlich sei. In Wirklichkeit ist diese weder unendlich noch konstant.
Der Anker besteht aus einem ferromagnetischen Material. Bei Änderung des
äußeren Magnetfeldes verschieben sich die Trennwände der Weissschen Bezirke
(Ansammlung von gleich ausgerichteten Elementarmagneten) und das Material wird
auf- bzw. entmagnetisiert. Diese Abhängigkeit der Flussdichte B von der Feldstärke
H wird von einer Kurve beschrieben, die sich Hystereseschleife (Grenzschleife)
nennt. Letztendlich bestimmt also der Hub (der Luftspalt) die Feldstärke. Die
Bewegungsrichtung des Ankers entscheidet, ob das Material gerade auf- oder
entmagnetisiert wird. Die dargestellte Kurve zeigt zwar die Hysterese (ohne
Neukurve) eines magnetisch harten Werkstoffes (gemessen ohne Luftspalt),
verdeutlicht aber trotzdem den Zusammenhang [2]:
Flussdichte B
Feldstärke H
Luftspalt s
Abbildung 17: Hystereseschleife eines ferromagnetischen Materials
s max
s min
Ankerbewegung von s max auf s min
Ankerbewegung von s min auf s max
H max
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 44 -
Für den an dieser Stelle vorliegenden magnetisch weichen Werkstoff und einen
Luftspalt als zusätzlichen magnetischen Widerstand sieht die Hystereseschleife zwar
etwas anders aus, führt aber trotzdem zu einer zweigeteilten Kraftkennlinie des
Hubmagneten. Außerdem wird die magnetische Hysterese durch die, von der
Bewegungsrichtung abhängigen, mechanischen Reibungsverhältnisse an der
Ankerwelle noch verstärkt. Dargestellt ist die Hysterese bei einem Magneten mit
veränderter Kennlinie im Vergleich mit der Katalogkennlinie:
0
10
20
30
40
50
60
70
0,2 0,25 0,3 0,35 0,4 0,45 0,5 0,55 0,6 0,65 0,7 0,75
Hub [mm]
Mag
net
kraf
t [N
]
Abbildung 18: Kennlinien des Hubmagneten (Messungen der Firma indEAS)
Für diese Anwendung ist jedoch nur der untere Ast maßgeblich, da der Anker die
Spannungsscheiben immer von außen nach innen zieht.
Angepasste Kennlinie mit Hysterese
Katalogkennlinie
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 45 -
3.3.5 Steuerung des Hubmagneten über PWM
Die DAC III verfügt über vier getaktete Spannungsausgänge (PWM-Kanäle) mit einer
festen Ausgangsspannung von 24 V. Alle vier Kanäle können zusammen maximal
einen Strom von 10 A gleichzeitig zur Verfügung stellen.
Durch den Hubmagneten fließt bei der maximal zulässigen Versorgungsspannung
von 24 V ein Strom von ungefähr 300 mA.
Die Pulsfrequenz kann in der Software beliebig zwischen 10 Hz und 50 kHz gewählt
werden und eine Veränderung der prozentualen Einschaltdauer wird bereits mit der
nächsten Periode wirksam. Das Ein- und Ausschalten des Ausgangs übernimmt ein
Metal Oxide Semiconductor Field Effect Transistor (MOSFET). Dieser
Halbleiterschalter ist sehr schnell und für diese Anwendung hervorragend geeignet.
Bei einer hohen Pulsfrequenz (z.B. bei 20 kHz) kann der Stromfluss dem
Rechteckverlauf der Spannung nicht folgen. Das liegt an der, im Vergleich zur
Periodendauer, relativ langen Zeitkonstanten des Hubmagneten. Aus Sicht des
Stromes wird bei der Änderung der Einschaltdauer lediglich der zeitliche Mittelwert
der Spannung variiert:
0
5
10
15
20
25
30
0xT 1xT 2xT 3xT 4xT 5xT 6xT
Zeit [ms]
Sp
ann
un
g [
V]
Abbildung 19: Jeweils drei Perioden T bei 50 % und 20 % PWM
50 % ED
12 V
4,8 V
20 % ED
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 46 -
Für ein schnelles Abfließen des Stromes steht eine Schnellentregung zur Verfügung.
Da der Transistor im abgeschalteten Zustand nicht leitend ist, kann sich der Strom
lediglich über eine Freilaufdiode abbauen. Ist die Schnellentregung aktiv, sorgt ein
großer Widerstand auf einer Umleitung für eine geringere Zeitkonstante (τ = L/R) und
somit für ein schnelleres Abklingen des Stromes.
Für die Taktung des PWM-Kanals wurde eine Pulsfrequenz von 20 kHz ausgewählt:
- Schwingungen dieser Frequenz sind für den Menschen nicht mehr hörbar.
- Bei höheren Frequenzen nehmen die Verluste und somit auch die Probleme
mit der Elektro-Magnetischen Verträglichkeit (EMV) zu. Das betrifft vor allem
analoge Signale von Sensoren, die in der Nähe des Hubmagneten montiert
werden (z.B. den Fadenspannungssensor). Das „Übersprechen“ der
Schaltvorgänge muss aus den, für kapazitive und induktive Einkopplung
sensiblen, Analogsignalen wieder herausgefiltert werden.
- Bei einer Frequenz von 20 kHz tritt noch kein Stromverdrängungseffekt (Skin-
Effekt) auf. Laut Messung fließt der gleiche Strom, wie bei einer Pulsfrequenz
von 1 kHz.
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 47 -
3.3.6 Erwärmung des Magneten
Der Hubmagnet erwärmt sich im Betrieb. Eine wichtige Kenngröße dafür ist die
zulässige relative Einschaltdauer, kurz ED genannt. Sie ist das Verhältnis von
zulässiger Einschaltzeit zur gesamten Periodendauer. Eine ED von 5 % bedeutet
beispielsweise, dass der Magnet für 5 s eingeschaltet werden darf und danach für 95
s abkühlen muss. Der hier verwendete Magnet ist für eine Einschaltdauer von 100 %
ausgelegt und muss allen thermischen Belastungen standhalten. Im Extremfall wird
über die nahezu gesamte Betriebsdauer der Nähmaschine der maximale Strom zur
Krafterzeugung benötigt. Dieser Strom erzeugt Wärme, wenn er durch den
ohmschen Widerstand der Wicklungen fließt, und dabei Wirkleistung umsetzt [2]:
RIP ⋅= 2 ( 11 )
Die Temperatur steigt nach einer Exponentialfunktion bis zu einem Endwert an.
Dabei kommt es darauf an, wie der Magnet befestigt ist und seine Wärme an die
Umgebung abgeben kann. Optimal wären passive Kühlelemente, wie z.B.
Kühlrippen, oder sogar eine aktive Kühlung, z.B. durch einen Ventilator.
Durch die Wärme erhöht sich der Widerstand der Wicklungen und der Strom sinkt
ab. Wie bereits gezeigt, geht der Strom quadratisch in die Kraft ein. Deshalb wird die
maximale Kraft letztendlich durch die Temperatur begrenzt. Der von der Temperatur
abhängige Widerstand der Kupferwicklungen berechnet sich wie folgt [2]:
[ ])20(1)( 20 CRR °−⋅+⋅= ϑαϑ ( 12 )
)(ϑR Widerstand des Leiters bei der Temperatur ϑ
20R Widerstand des gleichen Leiters bei 20°C
α Temperaturkoeffizient des elektrischen Widerstandes für 20°C
(für Kupfer: K
1109,3
3 ⋅⋅= −α )
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 48 -
Die folgenden Diagramme zeigen das Verhalten des Stroms (in blau dargestellt) bei
unterschiedlichen Spannungen:
0
50
100
150
200
250
300
350
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60
Zeit [min]
Str
om
[m
A]
Abbildung 20: Verlauf des Stromes über der Zeit (bei 100 % PWM)
Der Hubmagnet wird bei Raumtemperatur eingeschaltet. Der Betrieb mit 100 %
PWM (ca. 26,5 V) führt zu einem Endwert des Stromes von ca. 260 mA. Die
Abnahme des Stroms von anfänglichen 327 mA beträgt ca. 20 %. Das entspricht
einer Änderung des Widerstandes von 81 Ω auf 102 Ω. Die folgende überschlägige
Rechnung zeigt die Erhöhung der Temperatur im Inneren des Magneten von ca.
20°C auf ca. 87°C:
[ ]
CCC
CRR
CRR
°=°+°⋅
−ΩΩ=⇒
°+−
=⇒°−⋅+⋅=
−5,8620
109,3
181/102
201/)(
)20(1)(
3
20
20
ϑ
α
ϑϑϑαϑ
( 13 )
Durch den quadratischen Zusammenhang zwischen Magnetkraft und Strom ergibt
sich rechnerisch eine Abnahme der Kraft um ca. 37 %.
100 % PWM
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 49 -
0
50
100
150
200
250
300
0 5 10 15 20 25 30
Zeit [min]
Str
om
[m
A]
Abbildung 21: Verlauf des Stromes über der Zeit (diverse Pulsweiten)
0
50
100
150
200
250
300
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60
Zeit [min]
Str
om
[m
A]
Abbildung 22: Verlauf des Stromes über der Zeit (diverse Pulsweiten)
80 % PWM
30 % PWM
90 %
60 % 30 %
40 % 40 % 10 %
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 50 -
Die gravierenden Änderungen des Stroms über der Temperatur machen die Chance
zunichte, eine reproduzierbare Fadenspannung erreichen zu können. Die
Ausgleichsvorgänge dauern relativ lange und finden bei jeder Änderung des
Sollwertes und der Umgebungstemperatur statt. Daher kann nur ein geregelter Strom
Abhilfe schaffen!
3.4 Aufbau eines Funktionsmusters
3.4.1 Anforderungen an die Mechanik
Aus den beschriebenen Eigenschaften und bisher gesammelten Erfahrungen mit
Hubmagneten ergeben sich nicht nur Konsequenzen für die Ansteuerung, sondern
auch für den Aufbau eines Funktionsmusters zur Erzeugung der Fadenspannung:
- Der Hubmagnet muss die Spannungsscheiben zusammenziehen, wenn die
Krafterzeugung durch die Druckfedern imitiert werden soll. Es ist eine
zusätzliche Federrückstellung der Ankerwelle nötig, da der Magnet nur die
ziehende Kraftwirkung selbst aufbringen kann.
- Der Luftspalt muss einstellbar sein, um die Magnetkraft festzulegen.
- Es muss eine gute Wärmeabfuhr gewährleistet sein, weil die Temperatur die
Kraft begrenzt.
- Die Ankerwelle muss sauber gelagert sein, um Querkräfte und Reibung zu
vermeiden.
- Der Nähprozess darf durch die Änderungen nicht beeinträchtigt werden.
- Es sollen mehrere alternative Fadenführungen zum Testen möglich sein.
Die an dem Funktionsmuster gewonnenen Erkenntnisse werden in die Konstruktion
einer eigenständigen Baugruppe einfließen.
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 51 -
3.4.2 Umsetzung
Vorläufig soll die mechanische Variante als Grundlage der neuen Fadenspannung
dienen und zu diesem Zweck umgebaut werden. Anstelle der federbelasteten
Spannungsscheiben wird der Hubmagnet eingebaut und eine vielseitige
Fadenführung ermöglicht:
Abbildung 23: Spannungsplatte mit Hubmagnet
Die Fadenspannung besteht aus zwei Komponenten, die getrennt von einander
montiert werden können:
- Spannungsplatte mit Fadenführung
- Hubmagnet (im Gehäuse) mit Spannungsscheiben
Die neuen Bauteile sind überdimensioniert. Die endgültige Lösung muss deutlich
kleiner (vor allem flacher) ausfallen, damit sie an der Maschine angebracht werden
kann.
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 52 -
Abbildung 24: Spannungsplatte mit Fadenführung
Bezeichnungen
Spannungsplatte (0667 110090 geändert)
Fadenanzugsfeder (Diverse DA-Teile)
Regulator (0667 110150)
Vorspannung (Diverse DA-Teile)
Fadenführung (0271 001392 geändert)
Normteile (teilweise geändert)
Änderungen
Befestigungsmöglichkeiten und Aussparungen an der Grundplatte; Kürzung der
Gewindebolzen an den Fadenführungen; Einsetzen eines Spannstiftes, um ein
Mitdrehen der Spannungsscheiben zu vermeiden.
Erläuterungen
- Die Fadenösen wurden versenkt, um die Führung des Fadens in einer Ebene zu
gewährleisten. Der Faden würde sonst im gespannten Zustand die Scheiben
nach vorne ziehen und damit gegen die Klemmkraft des Magneten arbeiten.
- Verzicht auf eine Vorspannung, um nicht reproduzierbare Einflüsse zu
vermeiden.
- Variable Fadenführung rund um die Klemmstelle, Beibehaltung von Regulator
und Fadenanzugsfeder aus nähtechnischen Gesichtspunkten
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 53 -
Abbildung 25: Hubmagnet (im Gehäuse) mit Spannungsscheiben
Bezeichnungen
Hubmagnet (Fa. indEAS)
Gehäuse (Neuteil)
Gehäusedeckel (Neuteil)
Rückstellfeder (Neuteil nicht eingezeichnet)
Anker (Fa. indEAS geändert)
Spannungsscheiben (0467 110220 geändert)
Druckhülse (Neuteil)
Normteile (teilweise geändert)
Änderungen
Einstich (Ringnut) am Anker für die Sicherungsscheibe; Kerbe für den Spannstift an
den Spannungsscheiben um ein Mitdrehen der Scheiben zu vermeiden
Erläuterungen
- Gehäuse aus Aluminium zur günstigen Wärmeableitung an die Spannungsplatte
und den Nähmaschinenguss
- Einstellung des Luftspaltes über Passscheiben
- Lagerung der Ankerwelle im Gehäuseboden
- Begrenzung des Hubes und zweite Lagerstelle für die Ankerwelle durch den
Gehäusedeckel
- Die Druckhülse drückt starr auf die Spannungsscheiben
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 54 -
- Die Ankerwelle wird durch die Hülse geschützt.
- Die Sicherungsscheibe sorgt für eine reproduzierbare Einstellung des Luftspaltes
nach Lösen der Spannungsscheiben (z.B. zu Reinigungszwecken)
- Federrückstellung der Ankerwelle mit einer Blattfeder (nicht eingezeichnet)
3.4.3 Einstellung des Luftspaltes
Die Einstellung des Luftspaltes wird an einem Schnitt durch den Hubmagneten und
das Gehäuse deutlich:
Abbildung 26: Hubmagnet mit Spannungsscheiben
Das Bild zeigt den Hubmagneten, wenn der Anker angezogen wird. Die
Passscheiben zwischen Korpus des Magneten und Gehäusewand legen den
minimalen Luftspalt fest. Nach diesem Luftspalt (und dem Strom) richtet sich die
Kraft auf den Faden (nicht eingezeichnet). Dickere Fäden vergrößern den Luftspalt.
Die Auswahl der Scheiben ergibt sich aus den geometrischen Verhältnissen (z.B.
durch Messung der Länge der herausstehenden Ankerwelle in verschiedenen
Situationen).
Luftspalt
Passscheiben
Grundplatte
Gehäusedeckel
Gehäuse
Korpus
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 55 -
3.5 Entwurf einer Stromregelung
3.5.1 Simulation der Regelstrecke
Die Auslegung eines Regelkreises wird durch die Verwendung geeigneter Software
deutlich erleichtert. Das gesamte System wird zunächst mit MATLAB-SIMULINK auf
einem PC nachgebildet, parametriert und anschließend auf die Realität übertragen.
Zur Simulation des Hubmagneten, also der Regelstrecke, wird das elektrische
Ersatzschaltbild herangezogen:
IR ⋅
dt
dIL ⋅
AU
I
Abbildung 27: Elektrisches Ersatzschaltbild des Hubmagneten
Die modulierte Spannung UA am PWM-Ausgang der DAC III treibt einen Strom
durch die Wicklungen mit dem ohmschen Widerstand R und der Induktivität L. Da
der Anker bei dieser Anwendung fast keinen Hub ausführt, wird die durch
Bewegungsinduktion erzeugte Spannung vernachlässigt. Die Maschengleichung
lautet also:
IRdt
dILU A ⋅−⋅−=0 ( 14 )
Diese Differentialgleichung 1. Ordnung kann man nach der höchsten Ableitung
auflösen:
( )IRULdt
dIIRU
dt
dIL AA ⋅−⋅=⇒⋅−=⋅⇒
1 ( 15 )
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 56 -
Diese Gleichung kann mit Funktionsblöcken nachgebildet werden, wenn der
ohmsche Widerstand und die Induktivität des Hubmagneten bekannt sind. Während
der Widerstand relativ leicht zu messen oder zu berechnen ist, muss die Induktivität
aus der Sprungantwort des realen Systems abgelesen werden.
Da sowohl die Induktivität (über dem Luftspalt), als auch der ohmsche Widerstand
(über der Temperatur) nicht konstant sind, wird zur Vereinfachung eine typische
Situation herausgegriffen. Bei einem Luftspalt von ungefähr 0,6 mm wird die
Sprungantwort des realen Systems aufgezeichnet und der Endwert des Stromes
gemessen. Daraus kann der ohmsche Widerstand berechnet werden. Die Induktivität
ist das Produkt aus der abgelesenen elektrischen Zeitkonstanten und dem
Widerstand.
Spannung, Strom
Zeit [10 ms / Einheit]
Abbildung 28: Sprungantwort des realen Systems
Laut Ausdruck springt die Spannung auf einen Endwert von ca. 26,5 V. Sie ist also
etwas höher als die von der DAC III erwartete Spannung von 24 V. Die Spannung
schwankt von Steuerung zu Steuerung ein wenig. Das liegt in erster Linie an den
63 % des Endwertes
8 ms
Strom [50 mA / Einheit]
Spannung [5 V / Einheit]
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 57 -
Toleranzen des Transformators. Zusammen mit dem Strom von 306 mA ergibt sich
zu diesem Zeitpunkt ein Widerstand von etwa 87 Ω.
Die Zeitkonstante kann aus dem Diagramm abgelesen werden. Sie markiert den
Zeitpunkt an dem der Strom 63 % seines Endwertes erreicht hat.
Widerstand Ω= 87R
Elektrische Zeitkonstante ms8=τ
Induktivität (bei s = 0,6 mm) HmsRL 7,0878 =Ω⋅=⋅= τ
Mit diesen Parametern ist die Gleichung komplett und der Hubmagnet kann in einem
Modell nachgebildet werden (die Normierung der Spannung dient der günstigeren
Darstellung im Diagramm):
UA
i
di/dt
R*i
u*R
Widerstand
i
Strom
Sprung
Sprung
Spannung
f(u)
Normierung
1/sIntegrator
u/L
Induktivität
Abbildung 29: Modell der Regelstrecke
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 58 -
Die Sprungantwort des Systems (bei einem Spannungssprung auf 26,5 V) sieht
folgendermaßen aus:
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100-0.05
0
0.05
0.1
0.15
0.2
0.25
0.3
0.35
0.4StromSpannungssprung
Abbildung 30: Sprungantwort des simulierten Systems
Die Simulation der Regelstrecke kann ohne Bedenken für den weiteren
Reglerentwurf verwendet werden, da sie die realen Verhältnisse sehr gut abbildet.
Str
om [
A]
Zeit [ms]
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 59 -
3.5.2 Erweiterung durch einen PI-Regler
Für die Regelung des Stroms wird ein Regler mit Proportional-Integral-Verhalten (PI-
Regler) verwendet [3]. Der darin enthaltene P-Anteil sorgt für schnelle Änderungen
des Stroms bei Sollwertsprüngen. Schleichende Abweichungen des Stroms vom
Sollwert, wie z.B. die Änderungen über der Temperatur, werden vom I-Anteil
ausgeglichen. Dieser sorgt außerdem dafür, dass keine bleibende Regelabweichung
auftritt.
e(k)
xI(k)
u(k)
e(k)*P
1/z
Verzögerung
PWM
Stellglied
Sollwert
u*PP-Anteil
Strom
Istwert
u*I I-Anteil
DAC
ADC
Abbildung 31: Modell des zeitdiskreten PI-Reglers
Da der PI-Regler auf dem Mikrocontroller C 167 implementiert werden soll, wird er
zeitdiskret aufgebaut. Alle hellblauen Funktionsblöcke sollen in Software formuliert
werden und spielen sich dann in der DAC III ab. Die Abtastzeit beträgt eine
Millisekunde, da später in der Realität auch in diesem Zeitraster gerechnet werden
soll. Die Berechnung der neuen Stellgröße erfolgt dann im Mikrocontroller und wird
per Timer-Interrupt ausgelöst. Dazu muss zunächst einmal die Gleichung für den
Regler aufgestellt werden. Der Reglerausgang ergibt sich folgendermaßen:
Pkekxku I ⋅+= )()()( ( 16 )
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 60 -
Der Wert )(kxI setzt sich zusammen aus:
Ikekxkx II ⋅−+−= )1()1()( ( 17 )
Der „alte“ I-Anteil lautet:
PkekukxI ⋅−−−=− )1()1()1( ( 18 )
Damit ergibt sich für den Reglerausgang:
PkeIPkekuku
PkeIkePkekuku
⋅+−⋅−−−=⇒
⋅+⋅−+⋅−−−=
)()()1()1()(
)()1()1()1()( ( 19 )
Diese Gleichung kann ohne großen Aufwand in einem Steuerungsprogramm
realisiert werden. Charakteristisch für einen PI-Regler sind normalerweise jedoch
nicht die Parameter I und P, sondern die Verstärkung kP und die Nachstellzeit TN.
Diese können mit Hilfe der Übertragungsfunktion ermittelt werden. Dazu werden
zunächst die Regelabweichungen auf die rechte und die Reglerausgänge auf die
linke Seite gebracht:
PkeIPkekuku
PkeIPkekuku
⋅+−⋅−−=−−⇒
⋅+−⋅−−−=
)()()1()1()(
)()()1()1()( ( 20 )
Anschließend wird die Gleichung in die z-Ebene übertragen und nach dem
Quotienten U(z) durch E(z) aufgelöst:
PzEzIPzEzzUzU ⋅+⋅−⋅−=⋅− −−)()()()()(
11
))(()()1()(11 PzIPzEzzU +⋅−−⋅=−⋅⇒ −−
1
)(
1
)(
)(
)(1
1
−
+−+⋅=
−
+⋅+−=⇒
−
−
z
IPzP
z
PzIP
zE
zU
( 21 )
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 61 -
Dieser Quotient ist die Übertragungsfunktion des PI-Reglers:
11
)1(
1
)(
)(
)()(
−+=
−
+−⋅=
−
+−+⋅==
z
IP
z
IzP
z
IPzP
zE
zUzH R ( 22 )
Der allgemeine Ansatz für einen zeitkontinuierlichen PI-Regler mit den Koeffizienten
kP und TN lautet [3]:
N
PRTs
ksH⋅
+=1
)( ( 23 )
Auch diese Gleichung kann in die z-Ebene gebracht werden. Dies geschieht mit Hilfe
der „Rechteckregel“ (Ts ist die Abtastzeit):
N
s
PR
s Tz
TkzH
T
zs
⋅−+=⇒
−=
−
−
)1()(
11
1
( 24 )
Diese Gleichung wird weiter umgeformt:
1
)/()(
1
/)(
1
/)(
1
/
1
)1()(
)1()(
1
1
11
1
1
−
−+⋅=⇒
−
⋅+−⋅=⇒
−
+⋅−=⇒
−+
−
−⋅=⇒
⋅−+=
−
−
−−
−
−
z
kTTkzzH
z
zTTkzkzH
z
TTzkkzH
z
TT
z
zkzH
Tz
TkzH
PNsP
R
NsPP
R
NsPP
R
NsP
R
N
s
PR
( 25 )
Jetzt kann man die beiden gewonnenen Übertragungsfunktionen gleichsetzen:
1
)(
1
)/()(
−
+−+⋅=
−
−+⋅=
z
IPzP
z
kTTkzzH PNsP
R ( 26 )
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 62 -
Ein Koeffizientenvergleich liefert:
IPkIPk PP −=⇒+−=− ( 27 )
und
I
T
kP
TTPTTk s
P
s
NNsP =−
=⇒=+ / ( 28 )
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 63 -
3.5.3 Simulation der PWM-Erzeugung
Der Regler soll die Pulsweite der mit 20 kHz getakteten Spannung UA am
Leistungsausgang der DAC III variieren. Der Mittelwert bewegt sich dabei zwischen 0
und 100 %, bzw. zwischen 0 und 26,5 V.
Die Änderung der Pulsweite erfolgt in der Realität mit einem Software-Befehl. In
dieser Simulation wird das PWM-Signal jedoch mit einer so genannten Drei-Punkt-
PWM erzeugt:
12000 12010 12020 12030 12040 12050 12060 12070 12080 12090 12100
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1ReglerausgangSägezahnPWM-Signal
Abbildung 32: Generierung des PWM-Signals mit einer Drei-Punkt-PWM
Der Reglerausgang wird permanent mit einem sich zwischen null und eins
bewegendem Sägezahnverlauf verglichen. Ist das Steuersignal größer, gibt der
Vergleichsoperator eine logische „1“ aus, ansonsten eine „0“. Somit erhält das
Ausgangssignal die Taktfrequenz des Sägezahns sowie eine Pulsweite zwischen 0
und 100 %. Dieser Wert wird noch mit dem Pegel multipliziert und als Spannung UA
an den Hubmagneten angeschlossen.
Zeit [us]
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 64 -
Sägezahn
Regler
Reglerausgang
Magnet
Regelstrecke
<=
Pulsweite
u*U_A
Pegel 26,5 V
Abbildung 33: Modell der PWM-Erzeugung
3.5.4 Simulation des gesamten Systems
Alle bisher vorgestellten Komponenten ergeben zusammen ein Simulationsmodell,
das im Folgenden parametriert werden soll:
e(k)
xI(k)u(k)
UA
i
di/dt
e(k)*P
R*i
u*R
Widerstand
1/z
Verzögerung
Taktung
SägezahnquelleSägezahn
i_Soll
Stromsollwert
i
Strom
Regler
Steuersignal
Sollwert
e
Regelabweichung
<=
Pulsweite
u*U_A
Pegel 26,5 V
u*PP-Anteil
PWM
Modulierte Spannung
1/sIntegrator
u/L
Induktivität
u*I I-Anteil
DAC
ADC
Abbildung 34: Regler, Stellglied und Regelstrecke
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 65 -
Das zugehörige MATLAB-File zeigt ein Beispiel für die Parametrierung des
Regelkreises:
% Diplomarbeit_Regelung_Hubmagnet.m
% Stromregelung
% PWM
% Frequenz [Hz]
f_PWM=20000;
% Spannungspegel [V]
U_A=26.5;
% Hubmagnet
% Parameter aus einer Sprungantwort des realen Systems
% bei einem Luftspalt von ca. 0.6 mm
% Widerstand [OHM]
R=87;
% Induktivität in [H]
L=0.7;
% Abtastrate [s]
Ts=0.001;
% PI-Regler
% Reglerverstärkung
P=25.34
% Nachstellzeit [s]
I=0.59
% Zeitpunkt für den Sollwertsprung
t_Sprung=0.050;
% Start-Sollwert für den Strom [A]
i_Anfangswert=0.100;
% End-Sollwert für den Strom [A]
i_Soll=0.250;
% Simulation
% Simulationsschrittweite [s]
% Faustregel für die Simulationsschrittweite: Sie sollte nicht größer sein
% als 1/10 der kleinsten Zeitkonstanten des Systems. Hier: PWM mit 20 kHz
% entspricht t = 0,00005 s; 1/10 davon: 0,000005 s
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 66 -
% Gewählte Schrittweite: 0,000001 s
Te=0.000001;
% Dauer der Simulation [s]
t_Sim=0.0999;
% Simulation
sim('Diplomarbeit_Regelung_Hubmagnet_BSB',[0 t_Sim]);
% Darstellung
figure(1),
% i_Soll und i_Ist
subplot(311),plot(i), hold on, grid on, plot(i_Soll,'g'), hold on, grid on
% Regelabweichung und Reglerausgang
subplot(312),plot(e,'r'), hold on, grid on, plot(Regler), hold on, grid on
% PWM-Ausgangssignal
subplot(313),plot(PWM), hold on, grid on
Die Ausführung des Programmcodes mit MATLAB ergibt folgendes Bild:
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 1000
0.1
0.2
0.3
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 1000
2
4
6
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 1000
10
20
30 PWM
RegelabweichungReglerausgang
Ist-StromSoll-Strom
Abbildung 35: Sollwertsprung von 100 mA auf 250 mA
Spa
nnu
ng [
V]
Str
om [
A]
Zeit [ms]
Zeit [ms]
Zeit [ms]
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 67 -
Der Strom erreicht den Sollwert, ohne dass eine Regelabweichung zurückbleibt. Um
die Sollwertsprünge auszugleichen, bewirkt der Regler für kurze Zeit eine Spannung
von 100 %. Anschließend gelangt er zu der prozentualen Einschaltdauer, die nach
dem ohmschen Gesetz zu erwarten ist. Das zeigt auch die folgende Vergrößerung
des PWM-Signals. Ein derartiges Verhalten ist für den realen Regler unbedingt
anzustreben. Lediglich leichte Variationen der Pulsweite sollen den Strom auf dem
Sollwert halten. Das Ergebnis ist dann ein stabiler Stromverlauf.
0 50 100 150 200 250 0 50 100 150 200
0
5
10
15
20
25
PWM
Abbildung 36: Vergrößerung des PWM-Signals
Spa
nnu
ng [
V]
Zeit [ms]
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 68 -
3.5.5 Ermittlung der Reglerparameter
Zur Ermittlung von optimalen Reglerparametern gibt es viele verschiedene
Verfahren. Eine sehr einfache und praktikable Methode ist das Verfahren nach
Ziegler und Nicols [4]. Es soll am Beispiel der Simulation erläutert werden (Die
zugehörigen Abbildungen befinden sich auf den folgenden Seiten):
1. Ermittlung der kritischen Verstärkung
Der I-Anteil wird gleich Null gesetzt und die Verstärkung so lange erhöht, bis das
System mit konstanter Amplitude schwingt.
In der Simulation wurde die Verstärkung schrittweise auf P = 50 erhöht. Bis zu dieser
Stelle schwingt der Strom noch nicht mit konstanter Amplitude, und das PWM-Signal
ist noch gleichmäßig. Erst bei P = 55 beginnt der Strom mit konstanter Amplitude zu
schwingen. Das PWM-Signal setzt teilweise aus. Dieser Zustand kann als instabil
bezeichnet werden und ist zu vermeiden.
2. Ablesen der Periodendauer
Zur Berechnung der Nachstellzeit wird die Periodendauer der Schwingung benötigt.
Diese beträgt ungefähr 2 ms, wie dem Bild zu entnehmen ist.
3. Berechnung der Verstärkung kP und der Nachstellzeit TN
Aus der kritischen Verstärkung wird die Verstärkung kP berechnet:
75,245545,045,0 =⋅=⋅=kritPP kk ( 29 )
Die abgelesene Periodendauer führt zur Nachstellzeit TN:
ssTT kritN 0017,0002,085,085,0 =⋅=⋅= ( 30 )
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 69 -
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 1000
0.05
0.1
0.15
0.2
0.25
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 1000
5
10
15
20
25
30
Ist-StromSoll-Strom
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 1000
0.05
0.1
0.15
0.2
0.25
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 1000
5
10
15
20
25
30PWM
Ist-StromSoll-Strom
Abbildung 37: Strom und Spannung bei P = 50 (oben) und 55 (unten)
Str
om [
A]
Spa
nnu
ng [
V]
Spa
nnu
ng [
V]
Str
om [
A]
Zeit [ms]
Zeit [ms]
Zeit [ms]
Zeit [ms]
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 70 -
40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50
0.23
0.235
0.24
0.245
0.25
0.255 Ist-StromSoll-Strom
Abbildung 38: Vergrößerung des Stromes bei P = 55
4. Umrechnung der Werte in einen P-Anteil und einen I-Anteil
Die gewonnenen Werte müssen anschließend noch umgerechnet werden, damit sie
in diesem Regelkreis verwendet werden können:
59,0002,085,0
001,0
85,0=
⋅=
⋅==
s
s
T
T
T
TI
krit
s
N
s ( 31 )
34,2559,075,24 =+=+= IkP P ( 32 )
5. Testen der Ziegler-Nicols-Parameter
Die ermittelten Parameter führen zu einem zufrieden stellenden Ergebnis:
Str
om [
A]
Zeit [ms]
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 71 -
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 1000
0.05
0.1
0.15
0.2
0.25
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 1000
5
10
15
20
25
30
Ist-StromSoll-Strom
PWM
Abbildung 39: Strom und Spannung bei optimierten Parametern
Str
om [
A]
Spa
nnu
ng [
V]
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 72 -
3.6 Praktische Umsetzung der Stromregelung
3.6.1 Messung des Stroms durch den Hubmagneten
Um den Strom durch den Hubmagneten regeln zu können, muss dieser zunächst
einmal gemessen werden. Für die Messung wird ein Modul der Firma LEM
ausgewählt. Das Messprinzip basiert auf dem Halleffekt. Der Strom verursacht,
aufgrund des ihn umgebenden Magnetfeldes, in einem Hall-Plättchen eine
Spannung. Diese analoge Spannung ist dem Strom proportional und vom
Hubmagneten galvanisch entkoppelt. Der Auswahl liegen eine Spannung von 24 V
(100 % PWM) und ein minimaler Widerstand von 76,2 Ω (kalter Hubmagnet)
zugrunde. Der daraus resultierende maximale Strom von 315 mA kann bis zu vier
Mal durch den LEM geführt werden (immer in der gleichen Richtung), um die
Ausgangsspannung zu vervierfachen.
Bezeichnung LTSR 6-NP
Hersteller Firma LEM, Schweiz
Preis ca. 3 €
Technische Daten
Nennstrom AI PN 6=
Messbereich AI P 2,19...0 ±=
Versorgungsspannung VUV 5=
Referenzspannung VU REF 5,2=
Ausgangsspannung PN
PREFOUT
I
IVUU ⋅±= 625,0
Der Sensor verfügt außerdem über einen Referenzspannungsausgang. Diese
Spannung kann zur Kompensation von Störeinflüssen (z.B. Temperaturdrift)
verwendet werden, indem man sie von der Ausgangsspannung abzieht.
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 73 -
3.6.2 Verstärkung und Aufbereitung des Messsignals
Die Aufbereitung des LEM-Ausgangssignals beinhaltet drei wichtige Aspekte, die in
einer analogen Schaltung zusammengefasst werden. Im Folgenden wird diese
Schaltung beschrieben und ausgelegt:
Verstärkung des Signals
Da die Ausgangsspannung des LEMs bei einem kleinen Strom von 315 mA (immer
positiv) ebenfalls sehr klein ist, muss das Signal deutlich verstärkt werden. Am
Analogeingang der DAC III können Spannungen von 0 bis 5 V abgetastet werden.
Deshalb sollte sich der Messspannungsbereich des theoretisch möglichen Stromes
auf maximal 4 V erstrecken, um einen gewissen Sicherheitsabstand von den
Grenzen einzuhalten.
Zur Subtraktion der Referenzspannung von der Ausgangsspannung und
gleichzeitigen Verstärkung dieser Differenz bietet sich die Beschaltung eines
Operationsverstärkers als Differenzverstärker an [5]:
Abbildung 40: Differenzverstärker
R1 = 2200 Ω
R4 = 68000 Ω
12 V Analogeingang
der DAC III Ua
GND
GND
Ausgangssignal des LEM
UOUT
-
+
R3 = 2200 Ω
R2 = 68000 Ω
GND
Referenzsignal des LEM
UREF = 2,5 V
U3 = R3 · I3
U1 = R1 · I1 U2 = R2 · I2
U4 = R4 · I4
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 74 -
Zur Berechnung der Verstärkung wird die Maschenregel angewendet (an den
Eingängen des OPs wird ein virtueller Kurzschluß angenommen). Die erste
Gleichung (Eingangsseite des OP) lautet:
13
13 0
UUUU
UUUU
REFOUT
OUTREF
−=−⇒
=−+− ( 33 )
Die zweite Gleichung beinhaltet die Ausgangsspannung des OP:
24
24 0
UUU
UUU
a
a
−=⇒
=+− ( 34 )
Die Verstärkung kennzeichnet das Verhältnis von Ausgangsspannung zu
Eingangsspannung:
13
24
UU
UU
UU
UA
OUTREF
a
−
−=
−= ( 35 )
Die Spannungen werden nun nach dem ohmschen Gesetz ersetzt:
1133
2244
IRIR
IRIR
UU
UA
OUTREF
a
⋅−⋅
⋅−⋅=
−= ( 36 )
Da aufgrund des hohen Eingangswiderstandes praktisch kein Strom durch den
Operationsverstärker fließt, gilt:
43
21
II
II
=
= ( 37 )
Unter der weiteren Voraussetzung, dass die Widerstände auf der rechten (R2 und R4)
und der linken Seite (R1 und R3) jeweils gleich sind, kann man schreiben:
3
4
1
2
1131
1232
1133
1234
1133
2244
R
R
R
R
IRIR
IRIR
IRIR
IRIR
IRIR
IRIRA ==
⋅−⋅
⋅−⋅=
⋅−⋅
⋅−⋅=
⋅−⋅
⋅−⋅= ( 38 )
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 75 -
Bevor nun die Dimensionierung der Widerstände erfolgen kann, muss zunächst der
benötigte Verstärkungsfaktor ermittelt werden:
PN
P
REF
PN
P
REFREFOUTI
IVU
I
IVUUU ⋅=−⋅+=− 625,0625,0 ( 39 )
Die eingesetzten Zahlenwerte liefern eine sehr kleine Spannung:
VA
AV
I
IUU
PN
P
REFOUT 0328125,06
315,0625,0625,0 =⋅=⋅=− ( 40 )
Die Verstärkung A auf 4 V kann noch etwas niedriger ausfallen, da der Strom vier
Mal durch das LEM-Modul geführt wird:
48,300328125,0
1
)(4
4==
−⋅=
V
V
UU
VA
REFOUT
( 41 )
Für das Verhältnis der Widerstände bedeutet dies:
3
4
1
248,30R
R
R
RA === ( 42 )
Die Widerstände R1 und R3 können frei gewählt werden:
Ω=Ω⋅=⋅==⇒
Ω==
67056220048,3048,30
2200
142
31
RRR
RR ( 43 )
Der nächste für R2 und R4 in Frage kommende Widerstand aus der Normreihe
beträgt 68000 Ω.
Filterung
Die Leistungsausgänge der DAC III, Umwelteinflüsse und insbesondere das
hochfrequente PWM-Signal zur Ansteuerung des Hubmagneten verursachen
Störungen auf dem Ausgangspegel. Diese müssen herausgefiltert werden. Zur
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 76 -
Filterung des Signals werden an beiden Eingängen des Operationsverstärkers
Tiefpässe 1. Ordnung in die bisherige Schaltung integriert. Durch eine
Parallelschaltung von Kondensatoren zu den größeren Widerständen (R2 = R4 =
68000 Ω) ergibt sich eine Filterwirkung für störende Wechselspannungen:
Abbildung 41: Differenzverstärker mit Filterung
Der Zusammenhang zwischen Grenzfrequenz, Widerstand und Kapazität bei einem
Tiefpass 1. Ordnung lautet [5]:
222
1
CRfG
⋅⋅⋅≈
π ( 44 )
Das Nutzsignal soll störungsfrei übertragen werden. Alle Strom-Anstiegszeiten, die
schneller als die Zeitkonstante des Hubmagneten sind, müssen Störströme sein und
deshalb herausgefiltert werden. Zur Auslegung wird deshalb aus der theoretisch
möglichen Anstiegszeit des Stromes die Grenzfrequenz berechnet.
C2 = 47 nF
C4 = 47 nF
R1 = 2200 Ω
R4 = 68000 Ω
12 V Analogeingang
der DAC III Ua
GND Ausgangssignal
des LEM UOUT
-
+
R3 = 2200 Ω
R2 = 68000 Ω
GND
Referenzsignal des LEM
UREF = 2,5 V
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 77 -
Als Zeitkonstante des Hubmagneten wird dabei ein τ von 8 ms angenommen:
Hzst
f
st
A
G
A
42008,03
1
3
1
008,0
=⋅
=⋅
≈
=
( 45 )
Damit gilt für die erforderliche Kapazität:
nFA
Vss
fRC
G
5610567,41680002
1
2
1 9
2
2 =⋅=⋅Ω⋅⋅
=⋅⋅⋅
= −
ππ ( 46 )
Es wird ein Kondensator der Kapazität 47 nF aus der Normreihe ausgewählt.
Erzeugung eines Spannungsoffsets
Um eine Nullpunktdrift in negative Richtung ausgleichen zu können, soll das Signal
einen definierten, positiven Ruhepegel bei null Strom besitzen. Dieser kann dann im
Mikrocontroller wieder abgezogen werden. Als Spannungsoffset wird ein Potential
von 0,5 V gewählt. Damit wird der angestrebte Messbereich von 0 bis 315 mA in eine
Spannung von 0,5 bis 4,5 V umgewandelt. Der Ausgang des Operationsverstärkers
soll also in seinem Spannungsniveau um 0,5 V angehoben werden. Der
Operationsverstärker ist bestrebt, die Spannung zwischen seinen beiden Eingängen
zu Null werden zu lassen (virtueller Kurzschluß) und ändert sein Potential am
Ausgang immer so, dass der dafür nötige Strom fließt. Das Potential kann also nur
auf 0,5 V ansteigen, wenn ein Strom abfließt, der über dem Widerstand R2 einen
Spannungsabfall von 0,5 V produziert:
AV
IOffset µ35,768000
5,0=
Ω= ( 47 )
Dieser Strom kann nur am Knoten zwischen R1 und R2 abfließen. Dort herrscht
aufgrund von UREF ein Spannungspotential von ca. 2,5 V. Daraus ergibt sich die
Größe des Widerstandes, der vom Knotenpunkt aus gegen Masse geschaltet wird:
Ω=== 34000035,7
5,25,2
A
V
I
VR
Offset
Offsetµ
( 48 )
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 78 -
Der nächste für ROffset in Frage kommende Widerstand aus der Normreihe beträgt
330000 Ω.
Abbildung 42: Differenzverstärker mit Filterung und Offseterzeugung
C2 = 47 nF
C4 = 47 nF
R1 = 2200 Ω
R4 = 68000 Ω
12 V Analogeingang
der DAC III Ua
GND Ausgangssignal
des LEM UOUT
-
+
R3 = 2200 Ω
R2 = 68000 Ω
GND
Referenzsignal des LEM
UREF = 2,5 V
ROffset = 330000 Ω
GND
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 79 -
Die Schaltung zur Aufbereitung des LEM-Signals ist nun komplett und kann aus
realen Bauelementen aufgebaut werden. Verwendung findet unter anderem der
Operationsverstärker MC33171 der Firma ON Semiconductor. Zur Bereitstellung der
benötigten Versorgungsspannungen wird die Schaltung noch erweitert:
- Ein Spannungsregler 7805 erzeugt 5 V für das LEM-Modul
- Ein Spannungsregler 7812 erzeugt 12 V für den Operationsverstärker
Abbildung 43: Aufbereitung des LEM-Signals
Die Schaltung wird in der Nähe der DAC III installiert, um die Leitung für das
Analogsignal möglichst kurz zu halten. Nach mehreren Versuchen hat sich diese
Lösung bewährt, das Signal vor den zahlreichen Störquellen (z.B. PWM-Signal,
Nähmotor, Schrittmotorendstufen etc.) zu schützen. Zusätzlich wird es in einer
getrennten geschirmten Leitung geführt. Es stellt sich heraus, dass die
Kabelkapazität zwischen Operationsverstärkerausgang und Analogeingang ein
Schwingen des OP-Ausgangs verursacht. Zur Stabilisierung wird deshalb ein
Widerstand von 470 Ω in Reihe dazwischen geschaltet. Dieser stellt zwar für den
Störstrom ein Hindernis dar, verfälscht das Messsignal aber nicht. Trotz dieser
ganzen Maßnahmen liefert die Schaltung einen annähernd linearen Verlauf der
Ausgangsspannung über dem eingestellten Strom:
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 80 -
0
1
2
3
4
5
6
0 50 100 150 200 250 300 350 400
Strom [mA]
Au
sgan
gss
pan
nu
ng
[V
]
Abbildung 44: Ausgangsspannung über Strom
Aufgrund der leicht von der Auslegung abweichenden Bauteile, Fertigungstoleranzen
und Temperaturabhängigkeiten liegt der Spannungsoffset nicht bei 0,5 V, sondern
bei 0,46 V. Das reicht aber vollkommen aus. Die Linearität der Kurve lässt im oberen
Messbereich etwas nach. Diese Ströme kommen jedoch nicht vor. Die Steigung des
unteren Bereichs stellt das Übersetzungsverhältnis zwischen Messstrom und
Spannung dar. Es beträgt 13,03 V/A. Dieser Wert wird in der Reglersoftware und für
die Messungen benötigt.
3.6.3 Zeitdiskrete Regelung des Stroms über PWM
Für die Stromregelung sind mehrere Funktionen nötig, die im Steuerungsablauf
aufgerufen werden:
- Initialisierung der Stromregelung (beim Booten der Maschine)
- Zyklische Funktion zur Regelung des Stromes (jede Millisekunde)
- Übergabe eines neuen Sollwertes (Eingabe über das Bedienfeld)
- Abschalten des Hubmagneten
- Ermittlung des Spannungsoffsets
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 81 -
Die durchschnittliche reguläre Durchlaufzeit des Steuerungsprogramms beträgt ca.
3,5 ms. Für die Regelung ist dieser Zeitraum deutlich zu lang. Schließlich hat der
Hubmagnet eine Zeitkonstante von ca. 8 ms. Deshalb wird der Mikrocontroller jede
Millisekunde einmal in seinem Programmablauf unterbrochen, um den Strom zu
kontrollieren. Die Schaltung zur Messung des Stromes liefert eine
Ausgangsspannung, die am Analogeingang abgetastet wird. Der momentane
Abtastwert steht in Digits von 0 bis 1023 zur Verfügung. Die Stromregelung ist direkt
auf diese Digits aufgebaut. Das bedeutet, dass der Strom-Sollwert nach der Eingabe
einmalig in Digits umgerechnet wird, anstatt den, bereits in Digits vorliegenden,
Strom-Istwert jede Millisekunde in einen realen Stromwert umzuwandeln. Das spart
Rechenzeit. Aus dem gleichen Grund wird auch mit großen ganzen Zahlen vom Typ
„long integer“ gerechnet. Fließkommazahlen vom Typ „float“ bedeuten einen deutlich
höheren Rechenaufwand. Eine Zeitmessung ergibt eine Rechendauer von 0,250 ms
statt 0,425 ms. Der Quellcode sieht im Einzelnen folgendermaßen aus:
//==================================================================
// M-Type
// Fadenspannungs-Strom-Regler
//==================================================================
Einbindung von benötigten Header-Files
#include "Global.h"
#include "GlobVars.h"
#include "Pwm_out.h"
#include "FadenSp.h"
#include "FadenReg.h"
#include "FSpg_Kali.h"
#include <ADC_TR.H>
#include <e_a_syst.h>
#include <testpins.h>
Definitionen
// Nummer des PWM-Kanals für den Hubmagneten
#define FadenspannungsPWMKanalNummer 0
// Nummer des Analogeinganges für die Strommessung
#define ANALOGEINGANG ANALOGFREI1
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 82 -
Variablendeklaration
// Grundfrequenz des PWM-Signals
STATIC unsigned int PWM_Grundfrequenz = 20000;
// Reglerparameter
// Faktor_I_Anteil
int Faktor_I_Anteil = 250;
// Faktor_P_Anteil
int Faktor_P_Anteil = 4544;
// Einschaltdauer des PWM-Kanals in Prozent
long PWM_ProzentWert;
// Messwert des Stroms als Rückgabe des AD-Wandlers
long StromMesswertInDigits;
// Offset bei null Strom als Rückgabe des AD-Wandlers
long LEM_SpannungsoffsetInDigits;
// Tatsächlicher Strom ohne Offset
long StromIstwertInDigits;
// Stromsollwert
long StromSollwertInDigits;
// I-Anteil der Reglergleichung
long I_Anteil;
// Neue Regeldifferenz
long Regeldifferenz_NEU;
// Alte Regeldifferenz
long Regeldifferenz_ALT;
// Neuer Reglerausgang
long ReglerAusgang_NEU;
// Alter Reglerausgang
long ReglerAusgang_ALT;
// Parameter für die Schnellentregung
// Wartezeit nach der Schnellentregung in Millisekunden
unsigned char Wartezeit = 50;
// Timer für die Wartezeit nach der Schnellentregung
TimerStruct Schnellentregung;
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 83 -
Initialisierungsfunktion
//==================================================================
// Diese Funktion wird einmal aufgerufen, wenn die DAC3
// initialisiert wird
//==================================================================
void Fadenspannung_Regler_Initialisieren(void)
Initialisierung des PWM-Kanals
// Kanal-Nr, Frequenz, Anfangspegel, Anfangsprozentwert
PWM_Out_Initialisieren( FadenspannungsPWMKanalNummer,
PWM_Grundfrequenz,1,0);
Variableninitialisierung
// Variablen initialisieren
PWM_ProzentWert = 0;
StromMesswertInDigits = 0;
LEM_SpannungsoffsetInDigits = 0;
StromIstwertInDigits = 0;
StromSollwertInDigits = 0;
I_Anteil = 0;
Regeldifferenz_NEU = 0;
Regeldifferenz_ALT = 0;
ReglerAusgang_ALT = 0;
ReglerAusgang_NEU = 0;
Ermittlung des Spannungsoffsets der Messschaltung
Fadenspannung_Regler_Lueften_ein();
// kurze Pause
MarkTime(&Schnellentregung);
while(ElapsedTime(&Schnellentregung, MILLISEKUNDEN)<Wartezeit);
Fadenspannung_Regler_Lueften_aus();
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 84 -
Stromregelung
//==================================================================
// Diese Funktion wird jede ms per Timer-Interrupt aufgerufen
//==================================================================
void Fadenspannung_Regler_Zyklische_Funktion(void)
Messung der Durchlaufzeit
// Signal zum Beginn der Messung der Durchlaufzeit dieser Funktion
TestPin_Setzen(8);
Abtasten des Analogeinganges
// Erfassung des Iststromes als Spannung zwischen 0 und 1023 Digits
StromMesswertInDigits = ADC_MesswertHolen(ANALOGEINGANG);
Subtraktion des Spannungsoffsets
// Berechnung des tatsächlichen Istwertes ohne Spannungsoffset
StromIstwertInDigits
= StromMesswertInDigits - LEM_SpannungsoffsetInDigits;
Begrenzung des Istwertes
// Begrenzung auf minimal null
if (StromIstwertInDigits < 0) StromIstwertInDigits = 0;
Speicherung der alten Werte (für den I-Anteil)
// Speicherung der alten Werte
ReglerAusgang_ALT = ReglerAusgang_NEU;
Regeldifferenz_ALT = Regeldifferenz_NEU;
Berechnung der Regeldifferenz
// Berechnung der neuen Regeldifferenz
Regeldifferenz_NEU = StromSollwertInDigits - StromIstwertInDigits;
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 85 -
Realisierung der Reglergleichung: PkeIPkekuku ⋅+−⋅−−−= )()()1()1()(
// I-Anteil
I_Anteil = ReglerAusgang_ALT
- (Regeldifferenz_ALT * (Faktor_P_Anteil - Faktor_I_Anteil));
// Berechnung des neuen Regelerausgangs
ReglerAusgang_NEU
= I_Anteil + (Faktor_P_Anteil * Regeldifferenz_NEU);
Berechnung der neuen Pulsweite
// PWM-Prozentwert berechnen
PWM_ProzentWert = ReglerAusgang_NEU / 10000;
Begrenzung der Pulsweite
// Begrenzung des PWM-Wertes
if (PWM_ProzentWert > 100) PWM_ProzentWert = 100;
if (PWM_ProzentWert < 0) PWM_ProzentWert = 0;
Übergabe der Änderung an den PWM-Kanal
// Setzen des neuen Prozentwertes
PWM_Out_ProzentWertSetzen( FadenspannungsPWMKanalNummer,
PWM_ProzentWert);
Messung der Durchlaufzeit
// Signal zum Ende der Messung der Durchlaufzeit dieser Funktion
TestPin_RueckSetzen(8);
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 86 -
Abschalten des Hubmagneten
//==================================================================
// Diese Funktion wird gerufen, wenn die Fadenspannung
// ganz geöffnet werden soll
//==================================================================
void Fadenspannung_Regler_Lueften_ein(void)
Abschalten des Magneten
// Strom-Sollwert für den Stromregler auf 0 setzen
Fadenspannung_Regler_NeuerSollwert(0);
// Abschalten des Hubmagneten
PWM_Out_ProzentWertSetzen(FadenspannungsPWMKanalNummer,0);
Beginn der Schnellentregungsphase
// Einschalten der Schnellentregung
PWM_Out_Schnellentregung_Ein(FadenspannungsPWMKanalNummer);
Ermittlung des Spannungsoffsets
//==================================================================
// Diese Funktion wird nach einer kurzen Phase
// der Schnellentregung gerufen
//==================================================================
void Fadenspannung_Regler_Lueften_aus(void)
Ende der Schnellentregungsphase
// Abschalten der Schnellentregung
PWM_Out_Schnellentregung_Aus(FadenspannungsPWMKanalNummer);
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 87 -
Ermittlung des Spannungsoffsets der Messschaltung
// Ermittlung des Spannungspegels bei null Strom
LEM_SpannungsoffsetInDigits = ADC_MesswertHolen(ANALOGEINGANG);
Übergabe eines neuen Sollwertes
//==================================================================
// Diese Funktion wird aufgerufen, wenn ein neuer Fadenspannungs-
// sollwert übergeben wird
//==================================================================
void Fadenspannung_Regler_NeuerSollwert(
unsigned int Fadenspannung_in_Gramm)
Übergabe des Wertes vom Bedienfeld in mA
// Der Sollwert wird als Strom in mA übergeben
StromSollwertInDigits = FadenspgStromSollwert;
Umrechnung in Digits
// Umrechnung in Digits passend zur gemessenen Spannung
// Umrechnung von mA in A
// Das LEM-Modul liefert (4,37 V - 0,46 V) / 0,3 A = 13,03 V/A
// ca. 0 bis 5 V am Analogeingang entsprechen 0 bis 1023 Digits
// Erweiterung mit 100, um Floating-Point-Zahlen zu vermeiden
StromSollwertInDigits
= ((StromSollwertInDigits * 1024 * 1303) / 500000);
Begrenzung
// Begrenzung auf minimal null
if (StromSollwertInDigits < 0) StromSollwertInDigits = 0;
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 88 -
3.6.4 Ermittlung der Reglerparameter
Ursprünglich wurde der Regler mit Fließkommazahlen programmiert und rechnete
mit dem tatsächlichen Strom. Diese Variante ist direkt mit der Simulation
vergleichbar. Die Umstellung auf ganze Zahlen und die Berechnung in Digits bringt
daher auch eine Umrechnung der Reglerparameter mit sich:
22103,131024
500000059,0
03,131024
5000000
949603,131024
500000034,25
03,131024
5000000
=⋅
⋅=⋅
⋅=
=⋅
⋅=⋅
⋅=
ALTNEU
ALTNEU
II
PP
( 49 )
Die Übertragung dieser mit der Simulation optimierten Reglerparameter auf das reale
System ergibt ein instabiles Verhalten. Der Strom schwingt mit konstanter Amplitude
und das PWM-Signal hat starke Aussetzer. Aus diesem Grund wird auch mit dem
realen System das Verfahren nach Ziegler und Nicols durchgeführt:
1. Ermittlung der kritischen Verstärkung
Die Verstärkung wird schrittweise auf P = 9500 erhöht. An dieser Stelle beginnt der
Strom leicht zu schwingen, das PWM-Signal ist aber noch gleichmäßig. Erst bei P =
10000 ergibt sich eine Schwingung mit konstanter Amplitude. Das PWM-Signal setzt
teilweise aus.
2. Ablesen der Periodendauer
Die Periodendauer beträgt ungefähr 10 ms.
3. Berechnung der Verstärkung kP und der Nachstellzeit TN
Aus der kritischen Verstärkung wird die Verstärkung kP berechnet:
45001000045,045,0 =⋅=⋅=kritPP kk ( 50 )
Die abgelesene Periodendauer führt zur Nachstellzeit TN:
ssTT kritN 0085,0010,085,085,0 =⋅=⋅= ( 51 )
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 89 -
Spannung, Strom
Zeit [25 us / Einheit]
Spannung, Strom
Zeit [25 us / Einheit]
Abbildung 45: Strom und Spannung bei P = 9500 (oben) und 10000 (unten)
Strom [50 mA / Einheit]
Spannung [10 V / Einheit]
Strom [50 mA / Einheit]
Spannung [10 V / Einheit]
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 90 -
Strom
Zeit [10 ms / Einheit]
Abbildung 46: Vergrößerung des Stromes
4. Umrechnung der Werte in einen P-Anteil und einen I-Anteil
Die gewonnenen Werte müssen anschließend noch umgerechnet werden, damit sie
in diesem Regelkreis verwendet werden können:
4403,131024
5000000
010,085,0
001,0
03,131024
5000000
85,0=
⋅⋅
⋅=
⋅⋅
⋅=
s
s
T
TI
krit
s ( 52 )
4544444500 =+=+= IkP P ( 53 )
5. Testen der Ziegler-Nicols-Parameter
Die ermittelten Parameter führen ebenfalls zu keinem zufrieden stellenden Ergebnis.
Der Anstieg auf den Endwert dauert deutlich zu lang. Da die Verstärkung im
Wesentlichen für die Stabilität des Regelkreises entscheidend ist, wird sie auf dem
Wert belassen und stattdessen der I-Anteil erhöht. Dabei ist anzumerken, dass die
gleichen Parameter bei unterschiedlichen Sollwertsprüngen nicht immer optimale
Ergebnisse bringen.
Strom [50 mA / Einheit]
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 91 -
Strom
Zeit [50 ms / Einheit]
Strom
Zeit [50 ms / Einheit]
Abbildung 47: Stromsprünge bei I = 44 (oben) und 130 (unten)
Strom [50 mA / Einheit]
Strom [50 mA / Einheit]
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 92 -
Strom
Zeit [50 ms / Einheit]
Strom
Zeit [10 ms / Einheit]
Abbildung 48: Stromsprünge bei I = 250
Strom [50 mA / Einheit]
Strom [50 mA / Einheit]
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 93 -
Die Dynamik des Regelvorganges ist entscheidend, wenn es darum geht, kurzfristige
Änderungen der Oberfadenspannung herbeizuführen. Für die reproduzierbare
Einstellung kommt es zunächst auf ein sicheres und stabiles Erreichen des
Endwertes an. Dies wird bei einer Verstärkung von P = 4544 und zwei verschiedenen
I-Anteilen überprüft:
Sollstrom [mA] 0 20 40 60 80 100 120
I = 44 0,81 20,20 40,05 60,30 80,10 99,90 120,10
I = 250 0,82 20,20 40,05 60,30 80,00 99,90 120,00
Sollstrom [mA] 140 160 180 200 220 240 260
I = 44 140,00 159,80 180,00 199,90 220,00 240,00 259,80
I = 250 139,90 159,70 180,00 199,80 220,00 240,00 259,80
Wie bereits angedeutet, setzt die Temperatur im Inneren des Hubmagneten die
Grenze für den Strom. Nach einer Stunde Dauerbetrieb mit 100 % PWM fließt noch
ein Strom von etwa 260 mA. Versuche zeigen, dass der Regler noch ausreichende
Reserven in der Pulsweite besitzt, um einen Strom von 250 mA über längere Zeit
konstant zu halten. Dieser Wert sollte also im späteren Betrieb nicht überschritten
werden.
3.6.5 Mögliche Unterschiede zwischen Simulation und Realität
Die Sprungantworten des Hubmagneten in der Simulation und im realen System
stimmen noch weitestgehend überein. Trotzdem lassen sich die Reglerparameter
aus der Simulation nicht auf das reale System übertragen. Für die Unterschiede gibt
es zahlreiche Erklärungsansätze, die wohl in der Summe entscheidend sind:
- Die Induktivität, der ohmsche Widerstand und somit auch die Zeitkonstante
ändern sich in der Realität ständig. Eine Momentaufnahme wird für die
Simulation verwendet und dabei als konstant angenommen.
- In der Simulation werden alle Vorgänge mathematisch idealisiert. Die
tatsächlichen Begebenheiten sind aber Zeitverzögerungen und
Ungenauigkeiten in der Datenverarbeitung, nichtideale Schalter, diverse
Induktivitäten, Kapazitäten und Widerstände.
Fadenspannung – Elektronische Einstellung der Fadenspannung - 94 -
- Die Spannung für den PWM-Kanal wird aus der Netzspannung gewonnen und
unterliegt den normalen Schwankungen von - 20 % bis + 10 %.
- Die Gleichrichtung der Netzspannung mit Hilfe eines Brückengleichrichters
hinterlässt Spannungsrippel auf der Gleichspannung. Die dadurch bedingten
Stromschwankungen müssen ebenfalls mit ausgeregelt werden.
- Dazu kommen zahlreiche Störquellen, z.B. das PWM-Signal, der Nähmotor
oder die Schrittmotorendstufen, die auf das analoge Messsignal einwirken.
- Die Signalaufbereitung verfälscht das Stromsignal leicht. Die Abbildung zeigt
die zusätzliche Messung der Sprungantwort des Hubmagneten mit einer
Stromzange:
Spannung, Strom
Zeit [10 ms / Einheit]
Abbildung 49: Vergleich zwischen Messschaltung und Stromzange
Strom [50 mA / Einheit]
Messschaltung
Stromzange
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 95 -
4. Einsatz der elektronischen Fadenspannung
4.1 Auswahl des elektronischen Messverfahrens
4.1.1 BTSR-Sensor
Ein häufig verwendetes Prinzip zur Messung der Fadenspannung greift auf
Dehnungsmessstreifen zurück, die aufgrund ihrer Empfindlichkeit ohnehin oftmals
zur mechanischen Spannungsmessung eingesetzt werden. Wie bei der Fadenwaage
wird der Faden unter Spannung umgelenkt und verursacht dabei eine mechanische
Biegewirkung. Die Sensorposition befindet sich zwischen Fadenhebel und Nadel. An
der Biegestelle ist ein Dehnungsmessstreifen appliziert, dessen ohmscher
Widerstand sich proportional zur Biegung verändert. Mittels Brückenschaltung und
Differenzverstärker wird somit die Fadenspannung in eine analoge elektrische
Spannung umgewandelt. Für präzise Messungen ist ein aufwendiger Laboraufbau
mit teuren Messgeräten nötig. Der italienische Hersteller BTSR hat jedoch einen
Sensor dieser Art entwickelt, der die Fadenspannung ausreichend genau abbildet
und kostengünstig auch serienmäßig eingebaut werden könnte. Schließlich ist die
Messung die Grundvoraussetzung für eine softwaremäßige Beeinflussung der
Fadenspannung nach der Auslieferung der Maschine.
Bezeichnung TS4/A1000B
Hersteller Firma BTSR, Italien
Preis 72 €
Technische Daten
Messbereich cN1000...0
Versorgungsspannung VUV 24...12=
Ausgangsspannung VU OUT 10...5,0=
Der Sensor verfügt über eine Temperaturkompensation. Wahrscheinlich wird das
Signal mit einer Wheatston’schen DMS-Halbbrücke ausgewertet. Die Integration der
Auswertungselektronik in das Gehäuse sorgt für ein etwas größeres Bauvolumen.
Der vorgeschriebene hochkante Einbau kann nicht eingehalten werden, da der
Sensor die Sicht der Näherin auf die Nadel behindern würde. Nach Auskunft von
BTSR kann der Sensor jedoch auch flach eingebaut werden. Zur Montage ist
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 96 -
allerdings ein etwas ungewöhnlicher Winkel nötig, um die für die
Befestigungsschraube vorgesehene Durchgangsbohrung nutzen zu können. Es
bleibt zu prüfen, ob unterschiedliche geometrische Befestigungspositionen das
Messergebnis verändern. Der Sensor ist mechanisch durch einen Anschlag vor
Zerstörung durch Überlastung, z.B. durch höhere dynamische Fadenspannungen,
geschützt. Grenzbelastungen äußern sich in Ungenauigkeiten.
4.1.2 Verstärkung und Aufbereitung des Messsignals
Prinzipiell könnte das analoge Ausgangssignal des Sensors direkt am
Analogeingang der DAC III weiterverarbeitet werden. Die Ausgangsspannung liegt
bei niedrigen Fadenspannungen noch deutlich unter 5 V. Leider ist aber auch dieses
Analogsignal von Störspannungen betroffen und muss gefiltert werden. In erster
Linie stört die durch Vibration angeregte mechanische Eigenschwingung des
Sensors:
Fadenspannung
Zeit [10 ms / Einheit]
Abbildung 50: Überlagerung des Messsignals mit der Eigenschwingung
Fadenspannung als Messspannung [1 V / Einheit]
Zeit [1 ms / Einheit]
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 97 -
Der Anstieg der Fadenspannung während eines Stichs bestimmt die Parameter für
das Nutzsignal. Bei einer Drehzahl von 4000 U/min beträgt die Anstiegszeit auf die
volle Fadenspannung ca. 1,5 ms. Daraus ergibt sich eine Grenzfrequenz für die
Auslegung eines Tiefpasses 1. Ordnung [5]:
Hzst
f
st
A
G
A
2220015,03
1
3
1
0015,0
=⋅
=⋅
≈
=
( 54 )
Für eine ausreichende Filterwirkung von -20 dB/Dekade sollte die Grenzfrequenz
jedoch höchstens ein Zehntel der Störfrequenz betragen. Das ist an dieser Stelle
nicht gegeben. Deshalb wird zur Filterung des Sensorsignals ein aktives Bessel-Filter
2. Ordnung eingesetzt. Ein Filter mit Bessel-Charakteristik sorgt für eine
gleichmäßige Bedämpfung aller Frequenzen und verzerrt das Signal nicht. Die
Eigenschwingung und auch alle anderen Störungen werden bei einer Grenzfrequenz
von über 200 Hz durch den steilflankigen Abfall von -40 dB/Dekade deutlich
unterdrückt. Die zugehörige Operationsverstärkerschaltung sieht folgendermaßen
aus [5]:
Abbildung 51: Bessel-Tiefpass 2. Ordnung
Die Auslegung der Filterschaltung, also die Berechnung der Widerstände und
Kondensatoren, erfolgt mit den so genannten Bessel-Koeffizienten, die aus Tabellen
R1 = 2000 Ω
R2 = 7500 Ω
C2 = 200 nF
C1 = 100 nF
12 V Analogeingang
der DAC III
GND
GND
Ausgangssignal des Sensors
+ -
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 98 -
entnommen werden. Für ein aktives Tiefpassfilter 2. Ordnung mit Bessel-
Charakteristik gelten folgende Koeffizienten [5]:
6180,0
3617,1
1
1
=
=
b
a ( 55 )
Die Grenzfrequenz richtet sich nach der Anstiegszeit:
Hzst
f
st
A
G
A
2290015,0
1344,0
1344,0
0015,0
=⋅=⋅≈
=
( 56 )
Einer der Kondensatoren kann beliebig gewählt werden. Folgendes Verhältnis der
beiden muss jedoch erfüllt sein:
333,13617,1
6180,04422
1
1
1
2 =⋅
=⋅
≥a
b
C
C ( 57 )
Für den Kondensator C1 wird eine Kapazität von 100 nF gewählt. Daraus ergibt sich
rein rechnerisch eine Kapazität C2 von 133 nF. Um das Mindestverhältnis jedoch
auch im ungünstigsten Fall (± 20 % Toleranz bei Kondensatoren) aufrechterhalten zu
können, wird eine Kapazität von 200 nF gewählt. Der Worst-Case wäre dann:
333,1120
160
2,1100
8,0200
%120
%80
1
2 ==⋅
⋅=
⋅
⋅
nF
nF
C
C ( 58 )
Für die Widerstände R1 und R2 gilt:
Ω=
⋅⋅⋅⋅
⋅⋅⋅−⋅−⋅=
⋅⋅⋅⋅
⋅⋅⋅−⋅⋅=
7,1996
2001003,2294
200100618,042003617,12003617,1
4
4
22
1
21
211
2
2
2
121
2/1
nFnFHz
nFnFnFnFR
CCf
CCbCaCaR
G
π
π
m
( 59 )
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 99 -
Ω=
⋅⋅⋅⋅
⋅⋅⋅−⋅+⋅=
4,7453
2001003,2294
200100618,042003617,12003617,122
2nFnFHz
nFnFnFnFR
π ( 60 )
Der nächste für R1 in Frage kommende Widerstand aus der Normreihe beträgt 2000
Ω und für R2 wird 7500 Ω gewählt. Der Operationsverstärker MC33171 der Firma ON
Semiconductor und ein Spannungsregler 7812 für dessen Versorgung komplettieren
die Schaltung:
Abbildung 52: Aufbereitung des BTSR-Signals
Der Ausgang des Spannungsreglers (konstante 12 V aus ggf. schwankenden 24 V)
wird auch zur Versorgung des Sensors verwendet. Die Schaltung wird, wie die LEM-
Schaltung, ebenfalls in der Nähe der DAC III installiert, um die Leitung für das
Analogsignal möglichst kurz zu halten. Auch dieses Signal wird getrennt in einer
eigenen geschirmten Leitung geführt und ein Widerstand von 470 Ω stabilisiert den
OP-Ausgang. Der direkte Vergleich zwischen dem gefilterten und dem ungefilterten
Signal liefert folgendes Bild:
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 100 -
Fadenspannung
Zeit [10 ms / Einheit]
Abbildung 53: Vergleich des gefilterten und des ungefilterten Messsignals
Fadenspannungen als Messspannungen [1 V / Einheit]
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 101 -
4.1.3 Kalibration des Sensors
Für den Einsatz muss zunächst eine Zuordnung zwischen der tatsächlichen
Fadenspannung in Gramm und dem zugehörigen Abtastwert der analogen
Ausgangsspannung des Sensors gefunden werden. Dazu wird ein Nylonfaden durch
den Fadenhebel und den Sensor geführt und mit Gewichten (hier: 100 g, 200 g und
500 g) vorgespannt. Anschließend werden mit jeder Vorspannung einige Stiche
genäht. Dabei wird der Faden nicht durch die Nadel geführt, sondern fest
angebunden. Die am Oszillographen sichtbaren Spannungsspitzen werden
ausgemessen und gemittelt. Es ergibt sich ein etwa linearer Zusammenhang mit
einer Steigung von 0,00712 V/g zwischen den Gewichten (Fadenspannung) und der
elektrischen Ausgangsspannung des Sensors:
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
0 100 200 300 400 500
Fadenspannung [g]
Au
sgan
gss
pan
nu
ng
[V
]
Abbildung 54: Ausgangsspannung über Fadenspannung
Diese Kalibrationsvorschrift und die verwendete Vorrichtung stammen von einem
schwedischen Hersteller vergleichbarer Fadenspannungssensoren (Firma ELTEX).
Der Spannungsoffset bei null Fadenspannung soll zur Auswertung nicht verwendet
werden, da schwierig festzustellen ist, wann der Sensor unbelastet ist.
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 102 -
4.1.4 Hall-Sensor
Eine Alternative zu dem Sensor der Firma BTSR stellt eine Eigenentwicklung von
Dürkopp Adler dar. Das Messprinzip basiert auf dem Hall-Effekt. Der Faden wird, an
gleicher Stelle wie der Sensor zuvor, durch einen einseitig eingespannten
Biegebalken geführt. An dessen Spitze befindet sich ein Dauermagnet. Die
Auslenkung des Balkens ist von der Fadenspannung abhängig. Diese variiert den
Abstand zwischen dem Magneten und einem darunter befestigten Hall-Geber. Die
Änderung der Stärke des einwirkenden Magnetfeldes hat unterschiedliche
Hallspannungen zur Folge, die dann ein Maß für die Fadenspannung darstellen. Das
Messsignal ist allerdings nicht linear und ändert sich quadratisch mit dem Abstand.
Leider ist der Sensor bisher weder ausgereift noch ausreichend über längere Zeit
getestet. Die Auswertung des Signals sowie die Kompensation von veränderlichen
Einflüssen (z.B. Temperatur, Alterung des Magneten) sind im Hinblick auf
Wiederholgenauigkeit noch nicht zufrieden stellend gelöst. Um die Verlässlichkeit der
Ergebnisse dieser Arbeit zu garantieren, soll zunächst nur der BTSR-Sensor zum
Einsatz kommen.
In Zukunft könnte ein Preisvergleich die Entscheidung für ein Messverfahren
beeinflussen:
Teil/Arbeitsgang Hall-Sensor BTSR-Sensor
Sensor mit Kabel und Stecker 3 Euro 72 Euro
Leiterplatte (inkl. kleiner Änderungen) 11 Euro
Signalaufbereitung 6 Euro 6 Euro
Fadenführung 12 Euro
Gehäuse 13 Euro
Befestigung 6 Euro 2 Euro
Montage des Sensors 5 Euro
Summe 56 Euro 80 Euro
Ein qualitativ gleichwertiges Signal sollte jedoch die Grundvoraussetzung für einen
Einsatz sein. Das ist bisher noch nicht gegeben.
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 103 -
4.2 Verwendung der elektronischen Fadenspannung
4.2.1 Einstellung des Luftspaltes
Der Arbeitsbereich sollte in einem möglichst flachen Bereich der Kennlinie liegen.
Eine große Steigung (z.B. bei einem kleinen Luftspalt) hat starke Kraftänderungen
bei einer geringen Variation der Ankerposition zur Folge. Verdickungen bzw. dickere
Fäden vergrößern den Luftspalt und verringern somit die Kraft. Ausgleichend wirkt
allerdings die höhere Umschlingungsreibung an den Umlenkungen. Für eine grobe
Abschätzung wird der Faden mit einer Federwaage aus dem Öhr oberhalb der Nadel
gezogen, wie es die Abbildung zeigt:
Abbildung 55: Abschätzung der Fadenspannung
Wenn die Klemmkraft nicht mehr ausreicht, den Faden im Stillstand zu halten, wird
die Fadenspannung (Zugkraft) abgelesen. Auf diese Art und Weise führt auch der
wichtigste Kunde der Firma Dürkopp Adler seine Stichproben durch. Der eingestellte
Luftspalt von ca. 0,6 mm liegt in einem flachen Teil der Kennlinie und reicht aus, bei
einem Strom von 250 mA eine Fadenspannung von weit über den geforderten 800
cN zu erzielen. Diese Werte sind teilweise dreimal höher als die Fadenspannungen
bei der Kalibration des BTSR-Sensors. Das hängt in erster Linie mit der zusätzlichen
rechtwinkligen Umlenkung an der Öse zusammen. Für den dauerhaften Betrieb ist
die genauere Kalibration des Systems während des Nähprozesses zu bevorzugen.
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 104 -
4.2.2 Kalibration der Fadenspannung
Der Strom durch den Hubmagneten bestimmt die Fadenspannung, falls der Luftspalt
annähernd konstant ist. Also muss auch zwischen diesen Größen eine Zuordnung
erfolgen. Wie bereits angedeutet, sollte die Kalibration während des Nähprozesses
stattfinden. Der Stromregler stellt einen konstanten Strom ein. Anschließend werden
bei gleichmäßiger Drehzahl (hier: 500 U/min) mehrere Fadenspannungsspitzen
gemessen. Die Suche der einzelnen Maxima wird vorerst an die Stromreglerroutine
gekoppelt. Jede Millisekunde wird ein Abtastwert genommen und mit dem Vorgänger
verglichen. Der größte Wert wird abgespeichert. Dieses „grobe“ Zeitraster reicht
allerdings nur für geringe Drehzahlen aus, da bei höheren Drehzahlen und damit
abnehmenden Anstiegszeiten der Fadenspannung (bis auf nur noch 1,5 ms) die
Treffsicherheit nicht gewährleistet ist. Die Messung von mehreren Spannungsspitzen
erfolgt bei verschiedenen Strömen. Die jeweiligen Mittelwerte werden abgespeichert
und ergeben die Kalibrationskennlinie. Die Messreihe wird in einer Tabelle in der
Steuerung hinterlegt. Die Zwischenwerte können dann durch lineare Interpolation
gewonnen werden. Die Kennlinie zeigt unter anderem auch den quadratischen
Zusammenhang zwischen Strom und Magnetkraft:
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
120 140 160 180 200 220 240
Strom [mA]
Fad
ensp
ann
un
g [
g]
Abbildung 56: Fadenspannung über eingestelltem Strom (zwei Messungen)
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 105 -
Die Ähnlichkeit der beiden Messungen weist die Reproduzierbarkeit der
elektronischen Einstellung nach! Die geringen Schwankungen sind tolerierbar und
hängen im Wesentlichen mit dem Füllungsgrad der Unterfadenspule zusammen. Die
Unterfadenspannung lässt sich nicht konstant halten, da die Kalibration während des
Nähprozesses stattfindet und somit Faden verbraucht wird. Dieser Zusammenhang
wird im Kapitel „Langfristige Regelung“ näher erläutert.
Trotzdem hat diese Methode der Kalibration einige Vorteile:
- Sie ist realistischer als ein ungenaues statisches Abziehen, weil beim Nähen
nur das ruckartige „Losreißen“ des Fadens entscheidend ist.
- Es ist eine schnelle Anpassung an unterschiedliche Kombinationen aus Fäden
und Nähgut möglich.
- Die gewonnenen Daten können abgespeichert und verglichen werden.
- Die Methode eignet sich für eine Automatisierung und könnte dann auf
Knopfdruck durchgeführt werden.
- Die Software-Einstellungen sind flexibel (z.B. bei einer Optimierung für eine
Drehzahl).
- Möglicherweise können die Daten an andere Maschinen übertragen werden.
Der Kunde kann also eine Fadenspannung in Gramm einstellen und die Steuerung
weist den benötigten Strom zu.
4.2.3 Bedienung der Fadenspannung
Die Fadenspannung ist bereits als Parameter vorgesehen. Die Näherin kann über
das Bedienfeld ein Menü aufrufen und alle Werte (Stichlänge, Füßchenhub, Anfangs-
und Endriegel etc.) einstellen, die für den Nähprozess interessant sind.
In Zukunft ist eine einfache Schnellverstellung über Drehregler, oder ein
automatisiertes Einlesen (PC-gesteuert, über Barcodes o.ä.) der Parameter denkbar.
Für ein optimales Nähergebnis ist weiterhin die Näherin zuständig, die sozusagen als
Regler fungiert und den richtigen Wert einstellt. Alle weiteren Maßnahmen zur
Verbesserung der Qualität, wie z.B. eine Geschwindigkeitskompensation oder
möglicherweise eine Regelung, können im Hintergrund ablaufen und wahlweise
parametriert werden.
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 106 -
4.3 Vergleich zwischen beiden Einstellungsmöglichkeiten
4.3.1 Einflussgrößen
Erfahrungsgemäß spielen das zu vernähende Material und der verwendete Faden
eine sehr große Rolle im Bezug auf die Fadenspannung. Auch die Stichlänge, der
Füßchenhub und andere mechanische Einstellungen tragen ihren Teil bei.
Offensichtlich sind der Einfluss der Geschwindigkeit und der Unterfadenspannung.
Außerdem kommen noch nähtechnische Effekte hinzu. Es kann beispielsweise
passieren, dass der Folgestich den vorherigen Stich noch fester anzieht. Für das
Nähergebnis ist letztendlich der Mix aus allen Parametern entscheidend. Eine
sichere Einschätzung setzt jedoch eine mehrdimensionale Untersuchung voraus.
Aus diesem Grund sollen in dieser Arbeit lediglich der Einfluss der Geschwindigkeit
und subjektive Kriterien etwas ausführlicher beleuchtet werden. Zu den anderen
Parametern gibt es aber ebenfalls einige Ansatzpunkte für Untersuchungen:
Nähgut
- Material (Echtes Leder, Kunstleder, Baumwollgewebe, Schaumstoff, J-Clips
aus Kunststoff)
- Oberflächenbeschaffenheit (rau oder glatt)
- Dicke des Materials (dick, dünn, Anzahl und Zusammensetzung der Lagen)
- Dichte des Materials (fest oder weich)
- Charakteristik des Einstichlochs (sofortiges Widerverschließen oder
dauerhafte Öffnung, Oberflächenbeschaffenheit, Art der Nadel)
Nähgarn
- Material (Baumwolle oder Synthetik)
- Oberflächenbeschaffenheit (rau oder glatt, Beschichtung, Farbe)
- Fadendicke (im Bezug auf Umschlingungsreibung)
- Verschiedene Qualitäten (Drall, Gleichmäßigkeit, Elastizität)
Stichlänge
- Die Stichlänge ist entscheidend für die Menge des Fadens, die aus der
Klemmung gezogen wird.
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 107 -
Füßchenhub
- Bisher ist kein Einfluss bekannt.
Unterfadenspannung
- Die Unterfadenspannung bestimmt zusammen mit der Oberfadenspannung
die Knotenlage und ist somit für die Qualität der Naht mit entscheidend.
- Sie ist über dem Füllungsgrad der Unterfadenspule nicht konstant.
4.3.2 Konstante Nähgeschwindigkeit
Der Vergleich der beiden unterschiedlichen Krafterzeugungen (Feder und Magnet)
sollte unter möglichst gleichen Bedingungen erfolgen, um sichere Aussagen über die
Qualität der Nähte treffen zu können. Deutlich erkennbar sind allerdings die
unterschiedlichen Fadenführungen:
Abbildung 57: Einstellung der Fadenspannung mit Druckfedern
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 108 -
Abbildung 58: Elektronische Einstellung der Fadenspannung
Beide Spannungsplatten werden zeitnah nacheinander montiert und getestet, ohne
dabei andere Einstellungen zu verändern. Die Wahl der richtigen Fadenspannung
wird nach subjektiver Prüfung der Knotenlage vollzogen.
Für die elektronisch eingestellte Fadenspannung reicht ein geregelter Strom von 150
mA aus, um die Knoten zwischen die beiden Materiallagen zu ziehen. Der
Durchschnitt der Spannungsspitzen (ohne die Beschleunigungsphasen) liegt bei 437
Digits.
Für den Vergleich werden die Federn so eingestellt, dass der BTSR-Sensor einen
Durchschnittswert der Spannungsspitzen von 425 Digits liefert. Die anderen
Parameter, die zu den folgenden Abbildungen führen, sind:
- Konstante Motordrehzahl von 400 U/min
- Perfekte mechanische Maschineneinstellungen
- Nähgut Kunstleder „Sky“ (doppellagig)
- Oberfaden Nm 40/3
- Unterfaden Nm 40/3
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 109 -
Fadenspannung
Zeit [500 ms / Einheit]
Fadenspannung
Zeit [500 ms / Einheit]
Abbildung 59: Einstellung mit Hubmagnet (oben) und Federn (unten)
Fadenspannung [140 g / Einheit]
Fadenspannung [140 g / Einheit]
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 110 -
Der Verlauf der Spannungsspitzen ist bei beiden Einstellungsmöglichkeiten nahezu
identisch. Es fällt aber auf, dass die Fadenspannungen bei der mechanischen
Einstellung vor und nach dem Fadenanzug (der Spitze) etwas höher und unruhiger
sind. Die Nähte weisen optisch keine Unterschiede auf. Es deutet sich an, dass die
elektronische Einstellung zumindest keine Verschlechterung der Qualität mit sich
bringt. Ein endgültiges Urteil kann aber erst nach einem wirklichen Praxistest
(Verhalten in Extremsituationen, Dauerlauf, Probelauf beim Kunden etc.) gefällt
werden.
Fadenspannung – Einsatz der elektronischen Fadenspannung - 111 -
4.3.3 Variable Nähgeschwindigkeit
Es ist schon lange bekannt, dass die niedrigeren Geschwindigkeiten in den
Beschleunigungsphasen auch geringere Fadenspannungen zur Folge haben. Daher
stellt sich die Frage, wie sich beide Einstellungsmöglichkeiten bei verschiedenen
Geschwindigkeiten verhalten. Um die Spitzen sauber abtasten zu können, wird der
Drehzahlbereich auf maximal 1000 U/min begrenzt. Die Stromstärke beträgt 150 mA.
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
Drehzahl [U/min]
Fad
ensp
ann
un
g [
g]
Abbildung 60: Fadenspannung über der Drehzahl
Auch dieser Vergleich offenbart keine gravierenden Unterschiede. Der Anstieg erfolgt
etwa linear und macht sich nicht nur in den Messergebnissen bemerkbar. Diese
Abweichungen lassen sich auch im Nahtbild wieder finden und sind ein Ärgernis für
den Kunden. Gerade Anfang und Ende einer Naht müssen besondere Belastungen
aushalten und werden deshalb zusätzlich mit Nahtverriegelungen gesichert.
Mechanische Einstellung
Elektronische Einstellung
Fadenspannung – Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung - 112 -
5. Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung
5.1 Ausgangsbasis
5.1.1 Handlungsspielraum
Die Frage der Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung hängt von vielen
Aspekten ab. Das Grundproblem einer Regelung ist, dass man erst auf eine Störung
reagieren kann, wenn diese bereits passiert ist. Für das Nähergebnis ist aber schon
ein Fehlstich zu viel. Zudem basieren manche erhöhte Fadenspannungen auf einem
kurzen Haken des Fadens und haben überhaupt keinen Einfluss auf den nächsten
Stich. Ein Regler dürfte darauf nicht reagieren. Ein Eingriff könnte sogar
kontraproduktiv sein. Deshalb stellt sich bei jedem Konzept die Frage, ob eine
Regelung überhaupt sinnvoll ist und in welcher Weise reagiert werden sollte. Es
gelten folgende Randbedingungen:
Nähprozess
Der Nähprozess gibt den Zeitrahmen und den Verlauf der Fadenspannung vor. Im
Extremfall, bei einer Drehzahl von 4000 U/min, dauert der Anstieg der
Fadenspannung vom Ausgangsniveau auf den Endwert nur etwa 1,5 ms.
Hubmagnet und Regler
Die Zeitkonstante des Hubmagneten beträgt je nach Luftspalt und ohmschen
Widerstand ca. 8 ms. Nach dem Einschalten hat der Strom in dieser Zeit ca. 63 %
seines Endwertes erreicht. Das entspricht einem Sprung von 0 auf ca. 200 mA. Im
Falle einer Regelung wären aber nur deutlich geringere Sprünge erforderlich, z.B.
von 150 auf 160 mA.
Datenverarbeitung
Der Durchlauf des Steuerungsprogramms beträgt derzeit ca. 3,6 ms. Eine Erhöhung
dieser Zeit ist jedoch bereits abzusehen, da der Funktionsumfang der Maschine noch
zunehmen und weitere Rechenzeit beanspruchen wird. Für die Ausführung von
Aktionen einer Regelung kommen daher lediglich erzwungene Unterbrechungen des
regulären Ablaufes in Frage. Die Interrupts können, wie bei der Regelung des
Stromes, in einem festen Zeitraster ausgelöst, oder aber an bestimmte
Winkelpositionen des Nähmotors gekoppelt werden. Trotzdem kostet jede
Berechnung wertvolle Zeit, die den anderen Programmkomponenten entzogen wird.
Fadenspannung – Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung - 113 -
Messung
Die Abtastwerte des Analogsignals stehen jederzeit aktuell zur Verfügung, da der
Analog-Digital-Konverter parallel zum Controller arbeitet. Die vorherige
Wandlungszeit hängt davon ab, wie viele der 16 möglichen Kanäle belegt sind und
abgetastet werden. Bei einem Kanal beträgt sie 7,8 µs. Momentan werden sechs
Kanäle abgetastet, die Wandlungszeit erhöht sich um den Faktor sechs. Der aktuelle
Abtastwert ist also höchstens 50 µs alt. Es ist allerdings sinnvoll, eine
Mittelwertbildung über mehrere Samples durchzuführen, um das Risiko einer
Fehlmessung zu vermeiden.
5.1.2 Lösungskonzepte
- Die Wunschvorstellung ist eine Einflussnahme von Stich zu Stich. Einen
einzelnen Fehlstich zu erkennen bevor er passiert und die Entwicklung evtl.
sogar noch zu beeinflussen, könnte vielleicht über eine Art Vorhersage oder
Schätzung gelingen. Allerdings ist der nutzbare Zeitraum von 1,5 ms sehr
kurz, wenn man bedenkt, was in dieser Zeit alles geschehen müsste:
1. Messung der Fadenspannung
2. Berechnung der erwarteten Fadenspannung
3. Änderung des Sollwertes für den Strom
4. Messung der Fadenspannung zur Kontrolle
- Denkbar ist außerdem eine zusätzliche Korrektur langfristiger minimaler
Änderungen der regulären Fadenspannungswerte mit einem klassischen
Regelverfahren.
- Etwas aussichtsreicher scheint eine Kompensation der Einflüsse durch
unterschiedliche Nähgeschwindigkeiten zu sein. Die aktuelle Motordrehzahl
steht jederzeit zur Verfügung und könnte für eine Anpassung des Sollstromes
verwendet werden. Der Regler sollte in der Lage sein, den Strom in gewissen
Grenzen mit der Geschwindigkeit zu variieren.
Fadenspannung – Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung - 114 -
5.2 Schätzung der Fadenspannung
5.2.1 Charakteristik und Erfassung des Fadenspannungsverlaufs
Die Grundlage für eine Vorausberechnung der Fadenspannung ist eine brauchbare
mathematische Beschreibung des Verlaufs. Charakteristisch ist das Maximum und
der je nach Geschwindigkeit mehr oder weniger steile Anstieg im Fadenanzug. Um
die Berechnung nicht zu kompliziert (und damit zu langsam) zu machen, soll der
Anstieg der Fadenspannung in Abhängigkeit von der Winkelposition des Nähmotors
durch eine Parabel angenähert werden:
Fadenspannung f(x)
Motorinkremente x
Abbildung 61: Annäherung des Verlaufs durch eine Parabel
Die allgemeine Funktionsgleichung einer Parabel lautet:
CBxAxf +−⋅= 2)()( ( 61 )
Um das Maximum der Fadenspannung berechnen zu können, müssen die
Koeffizienten A, B und C ermittelt werden.
f(a)
f(b)
f(c)
b a c
Fadenspannung – Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung - 115 -
Der Analogwert der Fadenspannung kann gezielt zu bestimmten Motorinkrementen
abgetastet werden. Damit stehen zwei Gleichungen zur Ermittlung der drei
unbekannten Größen (A, B, und C) fest:
CBbAbf
CBaAaf
+−⋅=
+−⋅=2
2
)()(
)()( ( 62 )
Zur Winkelposition c (OT) gehört das Maximum f(c). An dieser Stelle ist der
Funktionswert der 1. Ableitung null. Daraus resultiert die letzte benötigte Gleichung:
cBBcAcf
BxAxf
=⇒−⋅⋅==′⇒
−⋅⋅=′
)(20)(
)(2)( ( 63 )
Zur Bestimmung der Parameter A und C werden die ersten Gleichungen
ausmultipliziert:
CBABbAbAbf
CBbAbf
CBABaAaAaf
CBBaaACBaAaf
+⋅+⋅⋅⋅−⋅=⇒
+−⋅=
+⋅+⋅⋅⋅−⋅=⇒
++⋅⋅−⋅=+−⋅=
22
2
22
222
2)(
)()(
2)(
)2()()(
( 64 )
Durch die Subtraktion der beiden Gleichungen voneinander wird der Parameter C
eliminiert:
)22(
22
)2(
2)()(
22
22
22
22
BbbBaaA
BbAbABaAaA
CBABbAbA
CBABaAaAbfaf
⋅⋅+−⋅⋅−⋅=
⋅⋅⋅+⋅−⋅⋅⋅−⋅=
+⋅+⋅⋅⋅−⋅−
+⋅+⋅⋅⋅−⋅=−
( 65 )
Aus B = c folgt für A:
)(2
)()(22
bacba
bfafA
−⋅⋅−−
−= ( 66 )
Fadenspannung – Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung - 116 -
Damit kann dann abschließend der Parameter C berechnet werden:
)(2
)())()(()(
)()(
)()(
22
2
2
2
bacba
cabfafafC
caAafC
CBaAaf
−⋅⋅−−
−⋅−−=⇒
−⋅−=⇒
+−⋅=
( 67 )
Ein Blick auf die Parabelgleichung zeigt, dass dieser Ausdruck für C auch gleichzeitig
der Funktionswert an der Winkelposition c ist (wegen B = c):
)(2
)())()(()()()(
22
22
bacba
cabfafafCCBcAcf
−⋅⋅−−
−⋅−−==+−⋅= ( 68 )
5.2.2 Bewertung
Die Grundlage der Berechnung ist die Kenntnis, an welchen Motorinkrementen der
Anstieg der Fadenspannung stattfindet und schließlich das Maximum erreicht wird.
Das Verfahren kann leider nicht funktionieren, weil eben diese Voraussetzung nicht
erfüllt ist: Das Maximum befindet sich nicht immer im oberen Totpunkt des
Fadenhebels. Deshalb fehlt die definierte Motorposition, um die an dieser Stelle
„vermutete“ Fadenspannung berechnen zu können. Die folgenden Abbildungen
zeigen die Position Fadenhebel OT und den Fadenspannungsverlauf bei
unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die Ursache für dieses Verhalten ist die
Elastizität des Fadens, die sich geschwindigkeitsabhängig bemerkbar macht. Bei
höherer Nähgeschwindigkeit wird das Maximum der Fadenspannung sogar erst nach
dem oberen Totpunkt des Fadenhebels erreicht:
Fadenspannung – Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung - 117 -
Fadenspannung
Zeit [5 ms / Einheit]
Fadenspannung
Zeit [5 ms / Einheit]
Abbildung 62: Fadenspannung und OT bei zwei Nähgeschwindigkeiten
Fadenspannung [70 g / Einheit]
Fadenspannung [70 g / Einheit]
OT des Fadenhebels
OT des Fadenhebels
Fadenspannung – Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung - 118 -
5.3 Langfristige Regelung
5.3.1 Charakteristik und Erfassung des Fadenspannungsverlaufs
Es sind mehrere Ursachen denkbar, die auf lange Sicht einen Einfluss auf die
Fadenspannung haben könnten: Der Füllungsgrad der Unterfadenspule, Änderungen
der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit, der mechanischen Einstellungen oder
Verschleiß. Die Zuordnung und Messung der Faktoren ist schwierig. Ein
Zusammenhang ist jedoch sehr genau bekannt und von großem Gewicht: Der
Füllungsgrad der Unterfadenspule bestimmt die Unterfadenspannung, deren
Änderung sich wiederum an der Oberfadenspannung ablesen lässt. Der Hebelarm
beim Abzug des Fadens wird mit leerer werdender Spule kürzer und die
Unterfadenspannung somit höher. Der größere Widerstand beim Einzug des Knotens
in das Material äußert sich in einer erhöhten Oberfadenspannung. Je nach
Fadenverbrauch und Spulenkapazität dauert das Leeren einer Spule in der Regel
weniger als eine halbe Stunde. Die Erhöhung der Spannungsspitzen ist in jedem Fall
deutlich messbar, wie die folgenden Abbildungen zeigen:
Fadenspannung
Zeit [500 ms / Einheit]
Abbildung 63: Verlauf der Fadenspannung bei voller Unterfadenspule
Fadenspannung [140 g / Einheit]
Fadenspannung – Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung - 119 -
Fadenspannung
Zeit [500 ms / Einheit]
Abbildung 64: Verlauf der Fadenspannung bei leerer Unterfadenspule
5.3.2 Bewertung
Die Regelung der Fadenspannung ist sicherlich prinzipiell möglich. Allerdings handelt
es sich bei der Fadenspannung nicht um die Führungsgröße selbst, sondern nur um
eine Komponente einer sauberen Stichbildung. Entscheidend ist, ob die Verknotung
zwischen den beiden Materiallagen liegt. Im Falle der Abhängigkeit von der
Unterfadenspannung würde dies bedeuten, dass die ohnehin höhere
Oberfadenspannung noch weiter erhöht werden müsste, um ein Gleichgewicht
herzustellen und den Knoten in die Mitte zu ziehen. In welchem Maße dies
geschehen müsste ist völlig unklar, da die Knotenlage bisher nicht gemessen werden
kann.
Fadenspannung [140 g / Einheit]
Fadenspannung – Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung - 120 -
5.4 Geschwindigkeitskompensation
5.4.1 Abhängigkeit von der Geschwindigkeit
Die Abhängigkeit der Oberfadenspannung von der Geschwindigkeit wurde bereits
beim Vergleich der beiden Krafterzeugungen deutlich. Der Verlauf der elektronisch
eingestellten Fadenspannung wird in diesem Bild durch eine Ausgleichsgerade
angenähert. Der Strom beträgt in diesem Fall konstant geregelte 150 mA:
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
Drehzahl [U/min]
Fad
ensp
ann
un
g [
g]
Abbildung 65: Fadenspannung über der Drehzahl
5.4.2 Bewertung
Im Gegensatz zu den langfristigen Einflüssen, kann die Abhängigkeit der
Fadenspannung von der Geschwindigkeit kompensiert werden.
Durch den weniger ruckartigen Aufbau der Spannung bei niedrigen Drehzahlen wird
der Knoten nicht so fest und nicht so weit in das Material gezogen, wie bei höheren
Nähgeschwindigkeiten. Deshalb ist es sinnvoll, in den Beschleunigungsphasen mit
höheren Fadenspannungen nachzuhelfen und zu versuchen, die Spannungsspitzen
auf ein gemeinsames Niveau zu bringen.
Fadenspannung – Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung - 121 -
5.4.3 Ansatz für die Realisierung
Wenn die Fadenspannung über der Drehzahl zunimmt, kann die Kompensation nur
über die Verstellung des Stromes erfolgen. Welcher Strom eingestellt werden muss,
um den geforderten Fadenspannungssollwert zu erreichen, ergibt sich aus der
Strom-Fadenspannungs-Kennlinie für die jeweilige Drehzahl.
Die Grundlage einer Kompensation ist also ein dreidimensionales Kennlinienfeld: Ein
quadratischer Zusammenhang zwischen Strom und Fadenspannung auf der einen
Seite, sowie ein linearer Zusammenhang zwischen Drehzahl und Fadenspannung
auf der anderen Seite:
125
150
175
200
225
250
500
750
1000
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
Abbildung 66: Gemessene Fadenspannung über Drehzahl und Strom
In dieser Arbeit tauchten bisher jeweils die einzelnen Kennlinien auf (bei konstanter
dritter Größe), an denen sich die mathematischen Zusammenhänge durch die
Ausgleichskurven detaillierter betrachten lassen.
Für die Realisierung muss ein vereinfachtes Verfahren eingesetzt werden, da nicht
für jede Kombination aus Nähgut und Nähgarn ein derartiges Kennlinienfeld
aufgenommen und in der Steuerung hinterlegt werden kann. Aus diesem Grund soll
die Kennlinien-Fläche durch eine Ebene angenähert werden.
Fadenspannung [g]
Strom [mA] Drehzahl [U/min]
Fadenspannung – Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung - 122 -
Damit reichen drei Stützpunkte für die geometrische Bestimmung aus:
=
=
=
3
3
3
3
2
2
2
2
1
1
1
1
F
D
S
P
F
D
S
P
F
D
S
P ( 69 )
Die Ebene wird durch drei Ortsvektoren ( 1rr
, 2rr
und 3rr
) zu den drei Punkten ( 1P , 2P
und 3P ) aufgespannt. Der Vektor rr
erreicht bei Auswahl der Parameter µ und λ
jeden Punkt der Ebene. Die Drei-Punkte-Form lautet [6]:
−
−
−
⋅+
−
−
−
⋅+
=
−⋅+−⋅+=
13
13
13
12
12
12
1
1
1
13121 )()();(
FF
DD
SS
FF
DD
SS
F
D
S
rrrrrr
µλ
µλµλrrrrrr
( 70 )
Für die Darstellung der Ebene werden die Fadenspannungen gesucht, die zu einem
Paar aus Drehzahl und Strom gehören. Es muss also der Schnittpunkt zwischen der
Ebene und einem Punkt gefunden werden, von dem zwei Komponenten bekannt
sind. Es ergibt sich ein lineares Gleichungssystem mit den drei Unbekannten
Fadenspannung xF , µ und λ:
)()(
)()(
)()(
);(
13121
13121
13121
13
13
13
12
12
12
1
1
1
FFFFFF
DDDDDD
SSSSSS
FF
DD
SS
FF
DD
SS
F
D
S
F
D
S
r
x
x
x
x
x
x
−⋅+−⋅+=
−⋅+−⋅+=
−⋅+−⋅+=
−
−
−
⋅+
−
−
−
⋅+
=
=
µλ
µλ
µλ
µλµλr
( 71 )
In dieses Gleichungssystem werden drei weit auseinander liegende Stützpunkte aus
der Messung eingesetzt (ohne Einheiten):
=
=
=
365
1000
175
377
750
225
283
250
175
321 PPP ( 72 )
Fadenspannung – Machbarkeit einer Fadenspannungsregelung - 123 -
Die Lösung für die Fadenspannung in Abhängigkeit von Drehzahl und Strom lautet:
116375
41
75
59);( +⋅+⋅= xxxxx DSDSF ( 73 )
Die Darstellung zeigt die zugehörige Ebene. Die Fadenspannungen an den am
weitesten von den Stützstellen entfernten Punkten weichen lediglich um ± 18 g von
der Messung ab:
125
150
175
200
225
250
500
750
1000
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
Abbildung 67: Angenäherte Fadenspannung über Drehzahl und Strom
Dieser mathematische Ansatz könnte möglicherweise die zunächst beschriebene
Kalibration der Fadenspannung über dem Strom ersetzen. Der Vorteil liegt darin,
dass nur drei Kalibrationspunkte benötigt werden und die Fadenspannung dann
zusätzlich von der Geschwindigkeit unabhängig wäre. Für den Nähbetrieb muss das
Gleichungssystem entsprechend nach dem Strom aufgelöst werden, der dann
passend zur Drehzahl und zur geforderten Fadenspannung berechnet werden kann.
Fadenspannung [g]
Strom [mA] Drehzahl [U/min]
Fadenspannung – Zusammenfassung & Ausblick - 124 -
6. Zusammenfassung & Ausblick
Die reproduzierbare, elektronische Einstellung der Fadenspannung war das
Hauptziel dieser Diplomarbeit. Dieses Ziel ist erreicht worden, ohne dabei Abstriche
bei der Nahtqualität in Kauf nehmen zu müssen. Im Gegenteil: Eine Verbesserung
deutet sich bereits an und kann in Zukunft durch die Umsetzung der gewonnenen
Erkenntnisse weiter vorangetrieben werden. Die Investition in eine Nähmaschine mit
elektronisch einstellbarer Fadenspannung wird dem Kunden deutlich sichtbare
Vorteile bringen und sich schnell bezahlt machen. Im Vergleich zum Nutzen dürften
die Kosten von etwa 300 Euro eher gering ausfallen.
Das Wirkprinzip, der mechanische Aufbau und das Steuerungskonzept des
Funktionsmusters haben sich als richtig erwiesen, so dass folgende Gesichtspunkte
unbedingt in die weitere Entwicklung einfließen sollten:
- Ein Hubmagnet eignet sich als kostengünstige Lösung für die Krafterzeugung.
- Die physikalischen Erkenntnisse über den Hubmagneten (vor allem über Kraft,
Luftspalt, Strom und Temperatur) bestimmen die Einsatzbedingungen.
- Der Strom geht quadratisch in die Fadenspannung ein.
- Ein Luftspalt von ca. 0,6 mm und damit ca. 15 bis 20 N Magnetkraft reichen
vollkommen aus, um die geforderten Fadenspannungen zu erreichen.
- Hystereseerscheinungen spielen bei dieser Anwendung keine Rolle, weil der
Anker immer aus der gleichen Richtung angezogen wird.
- Es steht ein Magnet mit angepasster (flacherer) Kennlinie zur Verfügung,
wenn die Kraftunterschiede bei unterschiedlichen Fadendicken zu groß
ausfallen sollten.
- Eine saubere (reibungsarme) beidseitige Lagerung der Ankerwelle ist
unbedingt erforderlich.
- Die Ankerwelle muss mit einer Federrückstellung versehen werden.
- Es ist eine einfache reproduzierbare Montage und Demontage der
Spannungsscheiben vorzusehen (z.B. zu Reinigungszwecken).
- Ein Mitdrehen der Spannungsscheiben ist zu vermeiden, ein leichtes Kippen
zur Anpassung an den Faden sollte aber möglich sein.
- Eine günstige Wärmeabfuhr ist Voraussetzung zur vollen Ausnutzung der
Magnetkraft.
- Bei der Fadenführung sollte auf eine federbelastete Vorspannung verzichtet
und unnötige Umlenkungen vermieden werden.
Fadenspannung – Zusammenfassung & Ausblick - 125 -
- Der Fadenverlauf durch die Spannungsscheiben sollte nach dem bewährten
Prinzip (mit einer 75°-Umlenkung) stattfinden.
- Der Strom muss geregelt werden! Die Ansteuerung über einen PWM-Kanal
der DAC III und die Regelung der Pulsweite mit einem zeitdiskreten PI-Regler
haben sich bewährt. Die erstellte Software ist voll einsatzfähig.
- Für die Messung des Stromes und die Aufbereitung des Signals kann die
entwickelte Schaltung (mit einem LEM-Modul, Differenzverstärker, Filterung
und Offseterzeugung) verwendet werden.
- Die Regelung funktioniert sicher bis zu einer Stromstärke von mindestens 250
mA.
Sinnvoll ergänzt wird das elektronische Einstellen der Fadenspannung durch das
Messen der Fadenspannung direkt an der Maschine. Dabei sollten folgende
Hinweise in Betracht gezogen werden:
- Die Messung der Fadenspannung sollte mit dem Sensor TS4/A1000B der
Firma BTSR und nicht mit dem Hall-Sensor (DA-Eigenentwicklung) erfolgen,
damit sie reproduzierbar und sicher ist.
- Die Filterung des Signals mit einem Bessel-Filter 2. Ordnung ist unverzichtbar.
- Die Kalibration des Sensors kann nach dem Prinzip und mit der Vorrichtung
der Firma ELTEX durchgeführt werden.
- Die Ermittlung des Maximums der Fadenspannung in einem Stich sollte durch
den Vergleich von Abtastwerten per Software erfolgen.
- Zur Erfassung der Fadenspannung über einer definierten Nahtstrecke sollte
ein Mittelwert über mehrere Spannungsspitzen im laufenden Nähprozess bei
konstanter Drehzahl gebildet werden.
Mit Hilfe der elektronischen Messung konnten zahlreiche Erkenntnisse über die
Fadenspannung und die Möglichkeit einer Fadenspannungsregelung gewonnen
werden:
- Die Messung der Fadenspannung an der Maschine ermöglicht die Kalibration
der Fadenspannung und die flexible Anpassung der Einstellungen auf neue
Gegebenheiten.
- Wegen der Elastizität des Fadens ist es unmöglich, die Fadenspannung im
Stich vorherzusagen. Damit entfällt die Möglichkeit, auf den aktuellen Stich
Einfluss zu nehmen.
Fadenspannung – Zusammenfassung & Ausblick - 126 -
- Das Ziel einer Regelung muss die exakte Lage des Knotens zwischen den
Materiallagen sein. Die Regelung auf ein gleichmäßiges Niveau der
Spannungsspitzen ist vollkommen falsch. Ungleichmäßige Fadenspannungen
haben eine Ursache und die notwendige Reaktion darauf ist völlig unklar, so
lange die Knotenlage nicht gemessen werden kann.
- Ein einzelner Fehlstich hat nicht notwendiger Weise einen weiteren Fehlstich
zur Folge. Eine Regelung von Stich zu Stich ist also nicht sinnvoll.
- Die Unterfadenspannung wirkt sich auf die Oberfadenspannung aus, weil sie
sich mit dem Füllungsgrad der Unterfadenspule ändert. Um diesen Einfluss
ausregeln zu können, muss die Lage der Verknotung bekannt sein. Hier reicht
die Regelung auf ein gleichmäßiges Niveau der Spannungsspitzen ebenfalls
nicht aus.
- Die Nähgeschwindigkeit ist die wichtigste Einflussgröße. Sie ist aber keine
Störgröße, sondern eine Komponente, die zur Herstellung der richtigen
Knotenlage benötigt wird. Bei höheren Geschwindigkeiten reißt der
Fadenhebel stark am Faden und trägt damit zum Einzug des Knotens bei. Bei
niedrigeren Geschwindigkeiten fehlt dieser Ruck. Dieser könnte über eine
Erhöhung der Oberfadenspannung kompensiert werden. Zusammen mit dem
Strom, ergibt sich ein dreidimensionales Kennliniengebilde. Der
Zusammenhang zwischen Fadenspannung, Strom und Drehzahl wird für eine
gleichmäßige Einstellung der Fadenspannung benötigt. Diese Fläche kann
durch eine Ebene angenähert werden, die sich auf nur drei Kalibrationspunkte
stützt. Aus diesem Zusammenhang ergeben sich die Daten, die für eine
Geschwindigkeitskompensation und eine gleichzeitige Kalibration (Strom und
Fadenspannung) benötigt werden.
Folgende Aspekte sind verbesserungswürdig, erweitern die Funktion oder sollten in
Zukunft anders gelöst werden:
- Die Fadenspannung sollte schonend an mehreren Klemmstellen (Vor- und
Hauptspannung) erzeugt werden (z.B. durch einen zweiten Magneten).
- Diese Maßnahme würde grundsätzlich die Kraft erhöhen, so dass auch bei
glatten Fäden hohe Fadenspannungen erreicht werden könnten.
- Auf Dauer muss die Bauform auch für eine Zwei-Nadel-Maschine (und damit
für zwei Fäden) realisierbar sein.
Fadenspannung – Zusammenfassung & Ausblick - 127 -
- Der Bauraum (speziell die Bautiefe) muss reduziert werden, damit die
Spannungsplatte an der Maschine angebracht werden kann, ohne den Guss
ändern zu müssen.
- Die Schaltungen für den BTSR-Sensor und die Strommessung sollten auf
einer Platine zusammengefasst und mit einem Gehäuse versehen werden.
Dadurch würden Bauteile gespart (gemeinsame Spannungsversorgung, zwei
OPs in einem IC, einfache Montage etc.) und eine bessere Abschirmung der
Signale gewährleistet.
- Für die einfache und leicht handhabbare Einstellung der Fadenspannung
könnte ein Drehregler vorgesehen werden.
- Die Kalibration sollte mit Hilfe einer automatischen Softwareroutine erfolgen,
so dass nur noch das Material eingelegt werden muss.
- Das Zeitraster (derzeit eine Millisekunde) für die Maximumsuche der
Fadenspannung muss verfeinert werden, um auch bei höheren Drehzahlen
eine korrektes Ergebnis zu erhalten. Die Wandlung des Analogsignals eines
Kanals zu beliebigen Zeitpunkten kann bei dem Controller C 167 durch den
Channel-Injection-Mode [12] ausgelöst werden.
- Die Untersuchungen zu den Abhängigkeiten der Fadenspannung von der
Drehzahl müssen anschließend auch auf höhere Geschwindigkeiten
ausgedehnt werden.
- Möglicherweise können aus dem Signal des BTSR-Sensors weitere
Informationen gewonnen werden (Knotenlage, Erkennung von Fehlstichen
oder einer leeren Unterfadenspule).
- Der Sensor eignet sich hervorragend für weitere Aufgaben, z.B. an einer
Sollreißnahtmaschine.
Fadenspannung – Anhang - 128 -
A. Anhang
A.1 Quellenangaben
Literatur
[1] „Das kleine Buch des Nähgarns“
Firmenschrift
Ackermann-Göggingen AG, Augsburg
[2] „Grundgebiete der Elektrotechnik – Band 1: Stationäre Vorgänge“ (6. Auflage)
von Arnold Führer, Klaus Heidemann und Wolfgang Nerreter
Carl Hanser Verlag München Wien, 1997
[3] „Unterlagen Regelungstechnik“ (Skript TRT)
von Prof. Dr.-Ing. Türke
[4] „Tabellenbuch Mechatronik“
von Paul Arzberger, Linus Beilschmidt u. a.
Verlag Gehlen Bad Homburg vor der Höhe, 2000
[5] „Halbleiter-Schaltungstechnik“ (9. Auflage)
von Ulrich Tietze und Christoph Schenk
Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York London Paris Tokio, 1989
[6] „Mathematische Formelsammlung“ (6. Auflage)
von Lothar Papula
Verlag Vieweg Braunschweig Wiesbaden, 2000
[7] "Programmieren in C" (2. Auflage)
von Wolfgang Sommergut
Deutscher Taschenbuch Verlag, 1997
Fadenspannung – Anhang - 129 -
[8] "Programmieren in C" (2. Ausgabe, ANSI C)
von Brian W. Kernighan und Dennis M. Ritchie
Carl Hanser Verlag München Wien, 1990
[9] „Gerthsen Physik“ (18. Auflage)
von Helmut Vogel
Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 1995
[10] „Mechanische Antriebstechnik“ (Skript TAM)
& „Messtechnik und Sensoren“ (Skript TMT)
von Prof. Dr.-Ing. Schmitt
[11] „Testsysteme & Sensoren“ (Skript TES)
von Prof. Dr.-Ing. Gebhardt
Schaltpläne/Datenblätter der Bauteile
[12] Mikrocontroller C 167 CR
Analog Devices Inc., Norwood (USA)
[13] Steuerung DAC III
Barmag AG, Remscheid
[14] Hubmagnet 340.14
indEAS, Metzingen
[15] Current Transducer LTSR 6-NP
LEM, Plan-les-Ouates (Schweiz)
[16] Operationsverstärker MC33171P
ON Semiconductor, Denver (USA)
[17] Fadenspannungssensor TS4/A1000B
BTSR, Olgiate Olona (Italien)
Fadenspannung – Anhang - 130 -
A.2 Datenblätter
A.2.1 Hubmagnet
Fadenspannung – Anhang - 131 -
Fadenspannung – Anhang - 132 -
A.2.2 LEM
Fadenspannung – Anhang - 133 -
Fadenspannung – Anhang - 134 -
A.2.3 Operationsverstärker
Fadenspannung – Anhang - 135 -
Fadenspannung – Anhang - 136 -
Fadenspannung – Anhang - 137 -
Fadenspannung – Anhang - 138 -
Fadenspannung – Anhang - 139 -
A.2.4 BTSR-Sensor
Fadenspannung – Anhang - 140 -
A.3 Beispielnähte
Die Nähte wurden mit der elektronischen Einstellung bei einem geregelten Strom von
150 mA hergestellt. Die Lage der Verknotungen kann betrachtet werden, wenn man
die Materiallagen auseinander zieht. Dabei fällt auch die mangelnde Festigkeit der
Nähte in den Randbereichen auf.