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Folie 1 Dr. Hannes Henzinger [email protected] LG Beratungspädagogik PHT 2012/2013 Lernen-Motivation-Leistung Folie 2 Einführung in die Bindungstheorie

Einführung in die Bindungstheorie - gewaltpraevention.tsn.at · • Sir John Bowlby • Mary Ainsworth ... 5 Postulate (Bowlby, 1979): 1. Für die seelische Gesundheit des sich entwickelnden

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Folie 1

Dr. Hannes [email protected]

LG BeratungspädagogikPHT 2012/2013

Lernen-Motivation-Leistung

Folie 2

Einführung in die Bindungstheorie

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Übersicht

� Einführung in die Bindungstheorie• Was ist Bindung?• Keine Bindung - Deprivation• Bindungstypen – Bindungsstörungen• Feinfühliges Fürsorgeverhalten• Parentifizierung

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Bindungstheorie zeigt,

� wie die frühen Erfahrungen mit den Eltern • den späteren Umgang mit Gefühlen und • den Umgang mit anderen Menschen prägen

z.B.: Zugang zu den eigenen Gefühlen, diese auch mitzuteilen und die Erwartung, Hilfe zu bekommen

Grossmann, 2005Grossmann, 2005

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Menschliche Grundbedürfnisse nach

� Bindung

� Orientierung� Selbstwerterhöhung / Selbstwertschutz

� Lustgewinn / Unlustvermeidung

Dauerhaft ausbleibende Befriedigung dieser Bedürfnisse führt zu seelischen Schäden. (Klaus GRAWE)

N

unsicherer Bindungsstil als der größte Risikofaktor für die Ausbildung psychischer

Störungen

kein anderes Merkmal hat eine derart hohe prognostische Bedeutung

8-9 von 10 Psychotherapiepatienten haben neben der vordergründigen Symptomatik

ein unsicheres Bindungsmuster

(GRAWE, S. 216-217)

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Was ist Bindung?

� Bindung wird als imaginäres Band zwischen zwei Personen gedacht, das in den Gefühlen verankert ist und das sie über Raum und Zeit hinweg miteinander verbindet (Ainsworth, 1979).

Wie die „Bindung“ erfüllt auch eine Schi-Bindung eine praktische Funktion: sie

verbindet Beine und Schi und zwar so, dass sie den nötigen Bewegungsspielraum

noch zulässt.

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Kindliche Bindung

� Bindung entsteht normalerweise in den ersten Lebensmonaten.

� Bindung gilt als etabliert, wenn Kinder ungefähr im 7. Monat auf Verlassenwerden mit Bindungsverhalten reagieren.

Neugeborene erkennen die Mutter oder den Vater aber schon viel früher anhand des

Geruches, der Stimme etc, später auch nach dem Aussehen, und reagieren spezifisch auf

sie. Da sie aber erst im ca. 7. Monat (wahrscheinlich weil sie zu der zeit Krabbeln lernen,

mobil werden, und somit ein Motivationssystem brauchen um sich selbst nicht zu weit von

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der Bezugsperson zu entfernen) auf Trennung mit Protest reagieren, macht hier das Kind

aktiv auf die Bindung aufmerksam. Deshalb wird/wurde die Bindung erst ab dieser Zeit als

ausgebildet angenommen.

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Entwicklungsphasen nach BOWLBY 1

I. Vorphase (bis 2/3 Mon.): Baby unterscheidet nicht zwischen Mutter und anderen Personen (z.B. Lächeln)

II. Personenunterscheidende Ansprechbarkeit (2/3 -6/7 Mon.)- Baby unterscheidet zwischen vertrauten und fremden Personen (häufigeres Anlächeln von Bezugspersonen) - Interaktive Synchronisierung: promptes Reagieren auf kindliche Äußerungen

Die genannten Phasen beziehen sich auf visuelle Unterscheidungsfähigkeit des

Säuglings (in anderen Sinnen sind wir schneller)

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Entwicklungsphasen nach BOWLBY 2

III. Eigentliche Bindung (ab 6-8 Mon.)an primäre Bezugsperson (bzw. einige wenige Bezugspersonen)Prädiktor für sichere Bindung: Fremdeln ("Achtmonatsangst") verstärkt sich bis ca. 12. MonatKind sucht aktiv Nähe der Mutter Trennungsreaktion (Trennungsangst)

IV. Zielkorrigierte Partnerschaft (ab ca. 3 J.) - Kind respektiert und berücksichtigt Gefühle und Motive der Mutter stärker- Rückgang der Trennungsangst, kaum noch Trennungsreaktion bei 5-Jährigen

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Bindung - Beziehung

� Bindung ist Merkmal bzw. eine Eigenschaft einer Beziehung (Beziehungsgeschichte genau genommen).

� Eine Person kann an mehr als eine Person gebunden sein, aber nicht an viele. Für die meisten Kinder gibt es aber eine eindeutige Hierarchie der Bindungspersonen.

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Bindungsverhalten

� Verhaltensweisen, die geeignet sind, die Nähe und den Kontakt zur umsorgenden Person herbeizuführen (Weinen, Rufen, Anklammern, etc. später nehmen sie eher symbolische und kulturell akzeptierte Formen an).

� Bindungsverhalten wird nur unter Belastung gezeigt.

Bindungsverhalten kann nur beobachtet werden, wenn das Kind in Stress kommt und

zur Regulation die Bezugsperson braucht. In diesen Situationen kann man

beobachten, welche Strategie das Kind verfolgt, um sich bei der Bezugsperson

Sicherheit und damit Beruhigung zu holen. Diese Strategie kann sicher, ambivalent

oder vermeidend sein. Solange es eine Strategie hat, ist das ok. Problematisch

wird’s, wenn das Kind keine organisierte Strategie hat, bzw. bei der Bezugsperson

Sicherheit sucht, diese aber gleichzeitig auch Angst im Kind auslöst. Aber hierzu

später mehr.

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Die Bindungstheorie

� Begründer: • Sir John Bowlby• Mary Ainsworth

� Bindung entwickelt sich „von der Wiege bis ins Grabe“ weiter.

� 5 Postulate (Bowlby, 1979):

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5 Postulate (Bowlby, 1979):

1. Für die seelische Gesundheit des sich entwickelnden Kindes ist kontinuierliche feinfühlige Fürsorge von herausragender Bedeutung.

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Feinfühliges Fürsorgeverhalten

� ist eine Voraussetzung für den Aufbau einer sicheren Bindung des Kindes, mit vier wesentlichen Aspekten (Ainsworth, 1969). Sie umfassen die Fähigkeiten:

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Feinfühliges Fürsorgeverhalten

1. kindliche Signale mit größter Aufmerksamkeit wahrzunehmen, ohne dass es durch innere Beschäftigung mit eigenen Bedürfnissen und Befindlichkeiten zu großen Verzögerungen kommt,

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Feinfühliges Fürsorgeverhalten

2. Signale des Kindes aus dessen Perspektive richtig zu deuten und die Gründe für ein bestimmtes Verhalten zu erkennen, ohne dass es zu Fehlinterpretationen aufgrund eigener Bedürfnisse und deren Projektion kommt,

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Feinfühliges Fürsorgeverhalten

3. den Bedürfnissen des Kindes angemessen auf die Signale des Kindes zu reagieren, dabei Über- bzw. Unterstimulierung zu vermeiden und

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Feinfühliges Fürsorgeverhalten

4. innerhalb der kindlichen Frustrationszeit zu reagieren. (altersabhängig)

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Feinfühliges Fürsorgeverhalten

� Bei feinfühligem Fürsorgeverhalten vermittelt die Bezugsperson dem Kind, dass ein Zusammenhang zwischen den Reaktionen der Bezugsperson und den Äußerungen von Bedürfnissen des Kindes besteht. Darüber lernt das Kind, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, sie als sinnvoll zu verstehen und, dass man durch eigenes Handeln (hier Äußerung des Bedürfnisses) eine Erfüllung der Bedürfnisse und damit Beruhigung erwirken kann. Dieses Gefühl von „Selbstwirksamkeit“, dass man selbst etwas für sich bewirken kann, ist enorm wichtig für die Bewältigung von Herausforderungen im Leben.

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durch Erfahrungen mit feinfühligen Interaktionen mit den Bindungspersonen

� lernt das Kind die Signale seines Körpers, seine Emotionen verstehen

� erfährt Selbstwirksamkeit� Affektregulation

� Konfliktbewältigung� etc.

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Das Kind bestimmt mit

� welches Bindungsmuster entsteht� Säuglinge, deren Fähigkeit zur Orientierung

gering ist und die gleichzeitig sehr erregbar sind, haben größere Schwierigkeiten, eine sichere Bindung einzugehen, aber es ist möglich.

� leicht behandelbare Kinder können auch eine unsicher vermeidende Bindung entwickeln.

Bindung ist eine Interaktion! Es ist nicht alles von den Eltern abhängig. Sie stellen ein

Bindungsangebot, das aber wiederum von den Eigenschaften und den

Herausforderungen, das das Kind an sie stellt beeinflusst ist.

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Säuglinge kommunizieren von Anfang an

� das Neugeborene ist nicht nur von der Mutter abhängig, es lernt auch, die Mutter über Interaktion zu regulieren

� dies läuft so schnell, dass dies nicht bewusst wird (feinfühlige Reaktionen –Bruchteile einer Sekunde)

� Depressive Mütter reagieren zu langsam, was zu einer Irritation führt

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- ohne Bindung...

� Rene Spitz (1945,46) Deprivationssyndrom

� Theodor Hellbrügge: Kinder aus Lebensborn-Heimen

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Beispiel

� Nur 5 % der Häftlinge einer Strafanstalt hatten als Kleinkind eine feste und dauerhafte Bezugsperson, 50 % hatten bis zum 14. Lebensjahr mehr als fünf (z.B. Kaiser 1978).

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5 Postulate:

2. Es besteht die biologische Notwendigkeit , mindestens eine Bindung aufzubauen, ...

Nach Adolf Portmann ist der Mensch eine "physiologische Frühgeburt"

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Harry Harlows Versuche mit Rhesusäffchen (1961)

� Film: Harry Harlow.mp4

� Bindung trotz aversiver Reize(Doris Bischof-Köhler, 2011)

Film mit Rhesusäffchen auf Stoff- und Drahtpuppe, auf Youtube nachzusehen.

Bindung ist nicht einfach nur mit Verstärkung gelernt, bzw. ankonditionierbar. Der

Hunger nach Bindung ist angeboren und so stark, dass Äffchen (Kinder übrigens

auch) sogar wenn sie jedesmal bestraft werden die Mutterpuppe aufsuchen. Die

Bestrafung löst Angst aus, was sie wiederum stärker zur Mutter treibt. Wer

aufgepasst hat erinnert sich vielleicht daran, dass so eine Konstellation in Richtung

desorganisiertes Bindungsverhalten weist. Stichwort Angstbindung.

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5 Postulate:

2. Es besteht die biologische Notwendigkeit, mindestens eine Bindung aufzubauen, deren Funktion es ist, Sicherheitzu geben und gegen Stress zu schützen. Eine Bindung wird zu einer erwachsenen Person aufgebaut, die als stärker und weiser empfunden wird, so dass sie Schutz und Versorgunggewährleisten kann...

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5 Postulate:

2. Es besteht die biologische Notwendigkeit, mindestens eine Bindung aufzubauen, deren Funktion es ist, Sicherheit zu geben und gegen Stress zu schützen. Eine Bindung wird zu einer erwachsenen Person aufgebaut, die als stärker und weiser empfunden wird, so dass sie Schutz und Versorgung gewährleisten kann. Das Verhaltenssystem , das der Bindung dient, existiert gleichrangig und nicht etwa nachgeordnet mit den Verhaltenssystemen, die der Ernährung, der Sexualität und der Aggression dienen.

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5 Postulate:

3. Eine Bindungsbeziehung unterscheidet sich von anderen Beziehungen besonders darin, dass bei Angst das Bindungsverhaltenssystem aktiviert und die Nähe der Bindungsperson aufgesucht wird, wobei Erkundungsverhalten aufhört (das Explorationsverhaltenssystem wird deaktiviert ). Andererseits hört bei Wohlbefinden die Aktivität des Bindungsverhaltenssystems auf und Erkundungen sowie Spiel setzen wieder ein.

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Bindung ermöglicht Exploration

Bowlbys Bindungsschaukel.

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Limited Circles of Security

© Marvin, Cooper, Hoffmann, Powell)

i miscue you = ich führe dich in die Irre

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5 Postulate:

4. Individuelle Unterschiede in Qualitäten von Bindungen kann man an dem Ausmaßunterscheiden, in dem sie Sicherheit vermitteln.

(Bindungshierarchie)

(Bindungsmuster – interne Arbeitsmodelle)

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5 Postulate:

5. Mit Hilfe der kognitiven Psychologie erklärt die Bindungstheorie, wie früh erlebte Bindungserfahrungen geistig verarbeitet und zu inneren Modellvorstellungen (Arbeitsmodellen ) von sich und anderen werden.

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Bindungsmuster – interne Arbeitsmodelle

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Interne Arbeitsmodelle

� entstehen aus den Erfahrungen mit Bindungspersonen

� sind Anpassungen an deren Verhalten� sind mehr oder weniger „kostspielig“

� beeinflussen, wie wir an andere, uns selbst, Herausforderungen etc. herangehen

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Kriterien für das bestehen einer Bindung eines Kleinkindes zu einer Person(Mary Ainsworth, 1967)

� Das Kleinkind nutzt eine Bindungsperson als „sicheren Hafen“, als Ort der Sicherheit und des Schutzes besonders in fremder Umgebung. Bei Angst flieht es zur Bindungsperson. Ohne sie sind unvertraute Situationen belastender als mit ihr.

� Eine Bindungsperson funktioniert als Sicherheitsbasis des Kleinkindes, von der aus es exploriert. Dabei vergewissert es sich stets, wo die Bindungsperson ist und ob sie auf es achtet, selbst wenn es nicht direkt mit ihr spielen will.

� Das Kleinkind protestiert in unvertrauter Umgebung gegen eine Trennung von der Bindungsperson. Es vermisst sie, wenn sie nicht da ist, und lässt sich gut von ihr beruhigen.

� Das Kleinkind wird eifersüchtig, wenn die Bindungsperson Zuneigung zu einem anderen Kind zeigt.

� KEINE Bindung besteht wahrscheinlich dann, wenn das Kind keine Bevorzugung dieser Person bei Belastung erkennen lässt, sich wenig um ihren Verbleib kümmert, kein Trennungsleid oder Vermissen zeigt und keine Erleichterung und keinen Sicherheitsgewinn aus ihrer Gegenwart zieht.

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Interne Arbeitsmodelle

� Kategorien für Bindungsqualitäten:• Sicher (B)• Unsicher vermeidend (A)• Unsicher ambivalent (C)• Desorganisiert (D)

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B - sichere Bindung

� Kind• reagieren in

Stresssituationen affektiv, suchen den Kontakt zur Bindungsperson und lassen sich von dieser schnell beruhigen. Sie haben die günstigsten Entwicklungsverläufe.

� Mutter• nehmen die

Bedürfnisse ihrer Kinder wahr. Sie reagieren feinfühlig und angemessen. Beide Partner können sich vorhersagbar dialogisch erreichen.

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Ainsworths „Fremde Situation“

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A – unsicher vermeidend

� Kind• vermeiden die Nähe zur

Mutter. Sie bevorzugen diese nicht gegenüber fremden Personen und zeigen äußerlich wenig Belastungsreaktionen, wenn sie in unbekannter Umgebung allein gelassen werden. Physiologische Stressparameter sind jedoch stark erhöht (Spangler und Grossmann, 1993).

� Mutter• lehnen die Bedürfnisse

ihrer Kinder nach Zuneigung und körperlicher Nähe auf vorhersagbare Weise ab. Die Kinder lernen so, ihre Affekte zurückzuhalten, um ablehnenden Reaktionen zu entgehen.

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C – unsicher ambivalent

� Kind• reagieren äußerst heftig.

Sie klammern sich an die Bindungsperson an und weisen sie im nächsten Augenblick aktiv oder passiv zurück. Sie lassen sich nur schwer beruhigen und bleiben interaktional verstrickt. Sie stehen offensichtlich unter starker (Angst-)Spannung.

� Mutter• zeigen ihren Kindern

gegenüber inkonsistentes Verhalten. Ihre Zuneigung ist nur bedingt vorhersagbar. Verhalten ist sowohl intrusiv anklammernd als auch aggressiv ablehnend insbesondere dann, wenn das Kind exploratives Verhalten zeigt.

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D – desorganisiertes Bindungsverhalten (kein klares Arbeitsmodell)

� Kind• zeigen ein konfuses,

desorientiertes Verhalten im Kontakt mit der Mutter: Bizarr anmutende antagonistische Bewegungsmuster kippen zwischen plötzlicher Bewegungslosigkeit, abwesendem Ausdrucksverhalten und heftiger Impulsivität. Sie kämpfen offensichtlich ständig mit Übererregung (Hyperarousal).

� Mutter• sind im Unterschied zu

Eltern mit A-, B- oder C-Kindern traumatisch belastet. Ihr Bindungssystem ist daueraktiviert. Sie werden von äußeren Reizen ebenso überflutet wie von traumatischen Erinnerungen. Dies führt zur ständigen Störung elterlicher Aufmerksamkeit verbunden mit Rollenumkehr. Verhalten und Interaktionen sind nicht vorhersagbar.

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Bindungsdesorganisation (D)

� tritt auch episodenweise vor allem bei unsicheren Bindungsmustern auf

� ist typisch für Hochrisikofamilien. Hohe Risiken sind z.B.: Vernachlässigung, körperliche Misshandlung, sexueller Missbrauch, traumatisierte Eltern (unverarbeitete Verluste, Depressionen, Drogenabusus, Scheidungsfolgen). Dieselben Faktoren werden auch als Hintergründe für das Auftreten von dissoziativen und Borderline-Störungen genannt.

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Repräsentanzen – Bilder vom Selbst, Beziehung...

� A-Kinder verinnerlichen kohärente Repräsentanzen, in denen das Selbst als wenig liebenswert und die Objekte als ablehnend generalisiert werden.

� B-Kinder verinnerlichen kohärente und einheitliche Beziehungsrepräsentanzen, in denen Selbst und Objekte liebenswert und wirkungsvoll aufeinander bezogen generalisiert werden.

� C-Kinder verinnerlichen grenzwertig kohärente Repräs entanzen.Ein Modell beschreibt die positiven Interaktionen, in denen das Selbst als liebenswert und die Objekte als erreichbar generalisiert sind. Das andere Modell repräsentiert die negativen verstrickten Interaktionen, in denen ein Kind von seiner Bindungsperson nicht begleitet, sondern alleingelassen wurde.

� D-Kinder entwickeln inkohärent multiple Repräsentanz en, die nebeneinander existieren. Im Falle einer Coaktivierung tritt keine Ambivalenzreaktion, sondern eine dissoziativeBewusstseinsveränderung ein. Sie verinnerlichen also ein Schema, in dem das Selbst hilflos ist und nichts bewirken kann und die Objekte eine unberechenbare, ängstigende Qualität haben.

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Interne Arbeitsmodelle

� entstehen aus den Erfahrungen mit Bindungspersonen

� sind Anpassungen an deren Verhalten� sind mehr oder weniger „kostspielig“

� beeinflussen, wie wir an andere, uns selbst, Herausforderungen etc. herangehen

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