9
3 Distributionen Zu den skalaren Funktionen Φ, für die Φ auszuwerten ist, gehört in der Elektro- dynamik insbesondere Φ = 1/| r |. In Kugelkoordinaten erhalten wir 1 r = div grad 1 r (C.4,C.5) = 2 ∂r 2 + 2 r ∂r 1 r = 0 r = 0 ? r = 0 (3.1) Bei r = 0 ist das Ergebnis zunächst nicht definiert. Wir werden (1/r) als die so genannte δ -Funktion identifizieren. Die δ -Funktion und verwandte Größen werden im Folgenden eingeführt. Wir betrachten die Funktion d (x), die von einem Parameter abhängt: d (x) = 1/ /2 x /2 0 sonst (3.2) Für beliebige stetige Funktionen f(x) berechnen wir das Faltungsintegral mit d (x) und lassen danach gegen 0 gehen: lim 0 −∞ dx d (x x 0 )f(x) = lim 0 1 x 0 +/2 x 0 /2 dx f (x) = lim 0 f( x) = f (x 0 ) (3.3) Für das Integral wurde der Mittelwertsatz der Integralrechnung benutzt; danach ist f( x) an einer (unbekannten) Stelle x zwischen x 0 /2 und x 0 + /2 zu nehmen. Abbildung 3.1 illustriert diesen Schritt. Man kann auch andere Funktionen d (x) konstruieren, für die (3.3) gilt. Es ge- nügt, dass die Funktion d (x) positiv ist, in einem Bereich der Größe bei x = 0 lokalisiert und auf 1 normiert ist. Ein Beispiel ist d (x) = 1 2π exp x 2 2 2 (3.4) Für die Faltung (3.3) führen wir die abkürzende Schreibweise lim 0 −∞ dx d (x x 0 )f(x) = −∞ dx δ(x x 0 )f(x) (3.5) mit der δ -Funktion δ(x) = lim 0 d (x) (Limes erst nach Integration) (3.6) 21 T. Fließbach, Elektrodynamik, DOI 10.1007/978-3-8274-3036-6_4 © Springer-Verlag Berlin Heidelbcrg 2012

Elektrodynamik || Distributionen

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Page 1: Elektrodynamik || Distributionen

3 Distributionen

Zu den skalaren Funktionen Φ, für die �Φ auszuwerten ist, gehört in der Elektro-

dynamik insbesondere Φ = 1/|r|. In Kugelkoordinaten erhalten wir

�1

r= div grad

1

r

(C.4,C.5)=(∂2

∂r2+ 2

r

∂r

)1

r={0 r �= 0? r = 0 (3.1)

Bei r = 0 ist das Ergebnis zunächst nicht definiert. Wir werden �(1/r) als die so

genannte δ-Funktion identifizieren. Die δ-Funktion und verwandte Größen werden

im Folgenden eingeführt.

Wir betrachten die Funktion d�(x), die von einem Parameter � abhängt:

d�(x) ={1/� −�/2 ≤ x ≤ �/2

0 sonst(3.2)

Für beliebige stetige Funktionen f (x) berechnen wir das Faltungsintegral mit d�(x)

und lassen danach � gegen 0 gehen:

lim�→0

∫ ∞

−∞dx d�(x − x0) f (x) = lim

�→0

1

∫ x0+�/2

x0−�/2dx f (x) = lim

�→0f (x) = f (x0)

(3.3)

Für das Integral wurde der Mittelwertsatz der Integralrechnung benutzt; danach ist

f (x) an einer (unbekannten) Stelle x zwischen x0 − �/2 und x0 + �/2 zu nehmen.

Abbildung 3.1 illustriert diesen Schritt.

Man kann auch andere Funktionen d�(x) konstruieren, für die (3.3) gilt. Es ge-

nügt, dass die Funktion d�(x) positiv ist, in einem Bereich der Größe � bei x = 0

lokalisiert und auf 1 normiert ist. Ein Beispiel ist

d�(x) =1√2π �

exp

(− x2

2�2

)(3.4)

Für die Faltung (3.3) führen wir die abkürzende Schreibweise

lim�→0

∫ ∞

−∞dx d�(x − x0) f (x) =

∫ ∞

−∞dx δ(x − x0) f (x) (3.5)

mit der δ-Funktion

δ(x) = lim�→0

d�(x) (Limes erst nach Integration) (3.6)

21

T. Fließbach, Elektrodynamik, DOI 10.1007/978-3-8274-3036-6_4© Springer-Verlag Berlin Heidelbcrg 2012

Page 2: Elektrodynamik || Distributionen

22 Teil I Tensoranalysis

1/�

x0 x

f (x)d�(x)

Abbildung 3.1 Die Funktion

d�(x − x0) ist nur in einem In-

tervall der Größe � ungleich

null. Für � → 0 ergibt die

Faltung mit einer Testfunktion

f (x) den Wert f (x0).

ein. Dabei ist der Limes in (3.6) als Vorschrift im Sinn von (3.5) zu verstehen; er

ist also erst nach der Integration auszuführen. Würde man diese Bedingung weg-

lassen, ergäbe (3.6) null für x �= 0 und unendlich bei x = 0. Das Integral hierüber

wäre dann null (oder nicht definiert, je nach Integralbegriff) und nicht, wie verlangt,

gleich 1.

Der Zusatz in (3.6) bedeutet, dass δ(x) keine Funktion (im üblichen Sinn) ist. Inder Mathematik werden δ(x) und verwandte Objekte als Distributionen bezeichnet.Die Distribution δ(x) wird allgemein dadurch definiert, dass∫ ∞

−∞dx δ(x − x0) f (x) = f (x0) (3.7)

für beliebige (aber stetige und integrable) Testfunktionen f (x) gilt. Für unsere

Zwecke genügt die speziellere Definition durch (3.5). Für physikalische Anwen-

dungen würde es auch ausreichen, Funktionen d�(x) mit hinreichend kleinem �

zu verwenden. Wenn man zum Beispiel � = 10−20 cm in einem Ortsintegral∫dx d�(x − x0) f (x)verwendet, dann hängt der Integralwert für eine physikalische

Größe f (x) nicht von � ab. Die Unabhängigkeit von � ist eine Vereinfachung, die

durch Verwendung der δ-Funktion zum Ausdruck kommt. Es ist daher praktisch,

diese Distributionen zu verwenden. Sie wurden von dem Physiker Dirac eingeführt.

Aus (3.5) folgt, dass für δ(x) die üblichen Rechenregeln der Integration gelten.

Wir untersuchen die Faltung der Ableitung δ′(x) = d δ(x)/dx mit einer beliebigen

Testfunktion f (x), indem wir eine partielle Integration ausführen:∫ ∞

−∞dx δ′(x − x0) f (x) = −

∫ ∞

−∞dx δ(x − x0) f

′(x) = −f ′(x0) (3.8)

Analog zu (3.7) definiert dieses Ergebnis die Distribution δ′(x). Konkret kann mansich unter δ′(x) die Ableitung der Funktion (3.4) mit sehr kleinem � vorstellen.

Die Bedingung „bei x = 0 lokalisiert mit der Fläche 1“ genügt nicht, um δ(x)

festzulegen; denn sie würde zum Beispiel auch durch δ(x)+ a δ′(x) erfüllt (wegen∫dx δ′(x) = 0). Daher ist

∫d3r �(1/r) = −4π keine hinreichende Begründung

für die abzuleitende Beziehung �(1/r) = −4πδ(r). Vielmehr muss hierfür dieWirkung von �(1/r) auf beliebige Testfunktionen berechnet werden.

Page 3: Elektrodynamik || Distributionen

Kapitel 3 Distributionen 23

xx0

f (x)

x

f ′(x)

xx0

f ′′(x)

Funktion Erste Ableitung Zweite Ableitung

Abbildung 3.2 Wenn die erste Ableitung f ′(x) einer Funktion einen Sprung hat, dann istf (x) an dieser Stelle stetig und hat dort einen Knick. Die zweite Ableitung enthält eine

δ-Funktion an dieser Stelle. Für die schematische Darstellung wurde die δ(x)-Funktion als

d�(x) mit endlichem � skizziert.

Das Integral über die δ-Funktion ergibt die Stufen- oder Θ-Funktion:∫ x

−∞dx ′ δ(x ′ − x0) = Θ(x − x0) =

{0 für x < x0

1 für x > x0(3.9)

Damit kann δ(x) als Ableitung der Θ-Funktion geschrieben werden:

δ(x − x0) = Θ ′(x − x0) (3.10)

Die Stufenfunktion kann als gewöhnliche Funktion aufgefasst werden; für Θ ′ sinddagegen die im Anschluss an (3.6) gemachten Vorbehalte zu beachten. Das Integral

über dieΘ-Funktion ist stetig. Diese Aussagen sind in Abbildung 3.2 für eine etwas

allgemeinere Funktion illustriert.

In der Theorie der Fouriertransformation benutzt man die Relationen

f (x) = 1√2π

∫ ∞

−∞dk g(k) exp( ikx) (3.11)

g(k) = 1√2π

∫ ∞

−∞dx f (x) exp(− ikx) (3.12)

Dabei sei f (x) stetig und quadratintegrabel. Wir setzen g(k) in die erste Gleichung

ein, wobei wir die Integrationsvariable in (3.12) mit x0 bezeichnen:

f (x) = 1

∫ ∞

−∞dx0 f (x0)

∫ ∞

−∞dk exp

(ik(x − x0)

)(3.13)

Daraus erhalten wir eine Darstellung der δ-Funktion:

δ(x − x0) =1

∫ ∞

−∞dk exp

(ik(x − x0)

)(3.14)

Entsprechende Darstellungen der δ-Funktion erhält man für jedes vollständige

Funktionensystem (siehe (9.8)).

Page 4: Elektrodynamik || Distributionen

24 Teil I Tensoranalysis

Die dreidimensionale δ-Funktion

δ(r) = δ(x) δ(y) δ(z) (3.15)

ist durch ∫d3r f (r) δ(r − r0) = f (r0) (3.16)

für beliebige Funktionen f (r) definiert. Wir stellen noch einige nützliche Eigen-

schaften der δ-Funktion zusammen, die aus den Definitionen (3.5) – (3.7) und den

Rechenregeln der Integration folgen. Die δ-Funktion ist symmetrisch, also

δ(x) = δ(−x) , δ(r) = δ(−r) (3.17)

Ferner gilt

f (x) δ(x) = f (0) δ(x) , x δ(x) = 0 , r δ(r) = 0 (3.18)

Die Funktion h(x) habe eine Nullstelle bei x0. Bei x0 gilt dann

δ(h(x)) = δ(x − x0)

|h′(x0)|(3.19)

Jede Nullstelle von h(x) liefert einen solchen Beitrag. Zusammenfallende Null-

stellen lassen wir nicht zu, denn sie entsprächen dem nicht definierten Produkt zwei-

er δ-Funktionen an derselben Stelle. Aus (3.19) folgt zum Beispiel

δ(ax) = δ(x)

|a | , δ(x2 − a2) = δ(x − a)+ δ(x + a)

|2a | (3.20)

Dichteverteilung von Punktteilchen

Wir zeigen, dass

�m(r) = m δ(r − r0) (3.21)

die Massendichte einer Punktmassem bei r0 ist. Wegen∫d3r δ(r) = 1 hat δ(r) die

Dimension 1/Volumen; damit hat (3.21) die richtige Dimension Masse/Volumen.

Außerdem gilt ∫ΔV

d3r �m(r) ={m r0 ∈ ΔV0 sonst

(3.22)

Damit ist �m(r) eine Massendichte, die eine bei r0 lokalisierte Masse der Größe m

beschreibt. Analog dazu beschreibt

�(r) =N∑i=1

qi δ(r − r i) (3.23)

die Ladungsdichte von N Punktladungen der Größe qi bei r i .

Page 5: Elektrodynamik || Distributionen

Kapitel 3 Distributionen 25

Greensche Funktion des Laplace-Operators

Wir kommen nun zum Ausgangspunkt (3.1) zurück und beweisen

�1

|r − r0|= −4π δ(r − r0) (3.24)

Für eine etwas allgemeinere Begriffsbildung betrachten wir anstelle von � zu-

nächst einen Differenzialoperator Dop, der auf die Koordinate r wirkt. Die Lösung

G(r, r0) der Differenzialgleichung

DopG(r, r0) = δ(r − r0) (3.25)

wird als Greensche Funktion G des OperatorsDop bezeichnet. In dieser Sprechwei-se istG(r, r0) = −1/(4π |r−r0|) die Greensche Funktion des Laplace-Operators.Kennt man die Greensche Funktion, so kann man die Lösung der Differenzialglei-

chung mit beliebigem Quellterm (anstelle der δ-Funktion) leicht angeben.

Zum Beweis von (3.24) gehen wir vom zweiten Greenschen Satz (1.31) aus,

also von ∫V

dV(Φ�G−G�Φ) =

∮A

dA · (Φ∇G−G∇Φ)

(3.26)

Die Funktion Φ(r) sei weitgehend beliebig, genüge aber den Bedingungen

Φ(r) :{zweimal stetig differenzierbar

r2�Φr→∞−→ 0

(3.27)

Für die FunktionG(r) und das Volumen V betrachten wir speziell

G(r) = 1

r= 1

|r | und V = {r : r > ε} (3.28)

Das VolumenV ist der gesamte Raummit Ausnahme einer kleinen Kugel bei r = 0.Wir werten nun (3.26) für (3.27) und (3.28) aus. Nach (3.1) ist �(1/r) = 0 in V,

weil die Umgebung von r = 0 nicht zu V gehört. Die linke Seite von (3.26) ergibt

daher∫V

d3r(Φ�G−G�Φ

) = − ∫V

d3r�Φ(r)

r= −

∫d3r

�Φ(r)

r+O(ε2) (3.29)

Wegen der zweiten Bedingung in (3.27) ist das Integral für r →∞ definiert. Wegen

d3r/r = r dr dΩ (in Kugelkoordinaten) und der Stetigkeit von �Φ ergibt das

Integral über das Kugelvolumen r ≤ ε höchstens einen Term der Größe O(ε2).

Daher konnte die Integration im letzten Schritt auf den gesamten Raum ausgedehnt

werden.

Die Fläche A auf der rechten Seite von (3.26) ist die Kugeloberfläche r = ε.

Das Flächenelement zeigt vom Volumen V aus gesehen nach außen, also dA =−er r

2 dΩ . Mit er ·∇ = ∂/∂r und ∇(1/r) = −er/r2 erhalten wir∫

A

dA · (Φ∇G−G∇Φ) = − ∫ dΩ ε2

(−Φε2− 1

ε

∂Φ

∂ r

)= 4πΦ(r )+ O(ε)

(3.30)

Page 6: Elektrodynamik || Distributionen

26 Teil I Tensoranalysis

Im letzten Schritt haben wir den Mittelwertsatz der Integralrechnung verwendet; r

ist ein unbekannter Vektor mit |r | = ε. Wir setzen (3.30) und (3.29) in (3.26) ein

und lassen ε gegen null gehen:∫d3r

�Φ(r)

r= −4πΦ(0) (3.31)

Durch zweimalige partielle Integration wälzen wir den Laplace-Operator� = ∂ 2x +∂ 2y + ∂ 2z von Φ auf 1/r um:∫

d3r Φ(r)�1

r= −4πΦ(0) (3.32)

Die Randterme (bei r → ∞) verschwinden. Aus der weitgehenden Beliebigkeitvon Φ(r) folgt

�1

r= − 4π δ(r) (3.33)

Durch die Ersetzung r → r − r0 folgt hieraus (3.24), da �r−r0 = �r .

Verallgemeinerung

Wir zeigen noch, dass (3.33) zu

(�+ k2

) exp(± ikr)r

= −4π δ(r) (3.34)

verallgemeinert werden kann. Mit (C.4) überprüft man leicht, dass dies für r �= 0

richtig ist:(�+ k2

) exp(± ikr)r

=(1

r

∂2

∂r2r + k2

)exp(± ikr)

r

(r �=0)= 0 (3.35)

Wir multiplizieren nun die linke Seite von (3.34) mit einer beliebigen Testfunktion

f (r) und integrieren über den gesamten Raum:∫d3r f (r)

(�+ k2

) exp(± ikr)r

(3.35)=∫r ≤ε

d3r f (r)(�+ k2

) exp(± ikr)r

=∫r ≤ε

d3r f (r)(�+ k2

) ( 1r± ik − 1

2k2 r ± . . .

)=∫r ≤ε

d3r f (r) �1

r+ O(ε2) = −4πf (0)+ O(ε2) (3.36)

Aus der Beliebigkeit von f (r) und mit ε → 0 folgt hieraus (3.34). Mit der Erset-

zung r → |r − r ′| erhalten wir aus (3.34) die allgemeinere Form(�+ k2

) exp(± ik |r − r ′|)|r − r ′ | = −4π δ(r − r ′) (3.37)

Page 7: Elektrodynamik || Distributionen

Kapitel 3 Distributionen 27

Zerlegungssatz für Vektorfelder

In diesem Abschnitt zeigen wir, dass jedes Vektorfeld V (r), das für r →∞ hinrei-

chend stark abfällt, durch seine Quellen und Wirbel dargestellt werden kann. Dieser

Zerlegungssatz für Vektorfelder wird auch Helmholtzscher Hauptsatz der Vektor-

analysis genannt. Mit (3.24) können wir schreiben

V (r0) =∫d3r V (r) δ(r − r0) = −

1

∫d3r V (r) �

1

|r − r0 |(3.38)

= − 1

∫d3r

�V (r)

|r − r0 |= 1

∫d3r

rot rotV (r)− grad divV (r)

|r − r0 |

Dabei wurde zunächst durch zweimalige partielle Integration der Laplace-Operator

� = ∂ 2x + ∂ 2y + ∂ 2z auf V umgewälzt. Anschließend wurde (2.29) verwendet. Wir

wälzen nun durch einmalige partielle Integration den äußeren Nabla-Operator von

V auf 1/|r − r0| um. Für den ersten Term geben wir die nächsten Schritte an:∫d3r

rot rotV (r)

|r − r0 |=∫d3r

1

|r − r0 |∇ × rotV (r)

p.I.=∫d3r

(rotV (r)

)×∇1

|r − r0 |= −

∫d3r

(rotV (r)

)×∇01

|r − r0 |

=∫d3r ∇0 ×

rotV (r)

|r − r0 |= ∇0 ×

∫d3r

rotV (r)

|r − r0 |(3.39)

Bei der partiellen Integration (p.I.) treten zwei Minuszeichen auf, eines von der par-

tiellen Integration selbst und ein weiteres durch die Vertauschung der Reihenfolge

im Vektorprodukt. Bei der Anwendung auf 1/|r−r0| kann die Ersetzung∇ →−∇0

vorgenommen werden;∇ wirkt auf r und∇0 auf r0. Die Ableitung mit∇0 kann vor

das Integral geschrieben werden, weil r0 für die Integration lediglich ein Parameter

ist. Für den anderen Term in (3.38) verläuft die Rechnung analog hierzu. Nach einer

Umbenennung der Variablen lautet das Ergebnis

V (r) = 1

4πrot

∫d3r ′

rotV (r ′)|r − r ′| −

1

4πgrad

∫d3r ′

divV (r ′)|r − r ′| (3.40)

Dabei ist klar, dass der Operator rot im Integral auf r ′ wirkt, der Operator rot vordem Integral dagegen auf r .

Die Ableitung von (3.40) gilt unter der Einschränkung, dass Felder für r →∞hinreichend schnell abfallen; so müssen insbesondere die Integrale in (3.38) – (3.40)

definiert sein. Für lokalisierte Quellen und Wirbel folgt aus (3.40) |V | ≤ const./r2für r →∞. Wir setzen dies als hinreichende Bedingung voraus.

Page 8: Elektrodynamik || Distributionen

28 Teil I Tensoranalysis

Das wichtige Ergebnis (3.40) impliziert insbesondere:

1. Jedes Vektorfeld V (r) ist durch seine Quellen divV und Wirbel rotV fest-

gelegt.

Als Beispiel betrachten wir die Elektrostatik (Teil II) mit den Feldgleichungen

rotE = 0 und divE = 4π�. Aus (3.40) folgt dann, wie das elektrische FeldE durch die Ladungsverteilung �(r) bestimmt ist.

2. Jedes Vektorfeld V (r) kann als Summe eines Wirbel- und eines Gradienten-

felds geschrieben werden, also

V (r) = rotW (r)+ gradΦ(r) (3.41)

In (3.40) ist angegeben, wie sich die FelderW (r) undΦ(r) ausV (r) ergeben.

3. In

rotV (r) = 0 ←→ V (r) = grad Φ(r) (3.42)

bedeutet der Schluss von links nach rechts: Ein wirbelfreies Feld kann als

Gradientenfeld dargestellt werden. Dies folgt unmittelbar aus (3.40). Die um-

gekehrte Schlussrichtung folgt aus (2.27).

4. In

divV (r) = 0 ←→ V (r) = rotW (r) (3.43)

bedeutet der Schluss von links nach rechts: Ein quellfreies Feld kann als Wir-

belfeld dargestellt werden. Dies folgt unmittelbar aus (3.40). Die umgekehrte

Schlussrichtung folgt aus (2.25).

Page 9: Elektrodynamik || Distributionen

Kapitel 3 Distributionen 29

Aufgaben

3.1 δ-Funktion als Funktionenfolge

Zeigen Sie

lim�→0

∫ ∞

−∞dx d

(1)� (x − x0) f (x) = f (x0) mit d

(1)� (x) = 1√

2π�exp

(− x2

2�2

)Nehmen Sie dazu an, dass f (x) bei x0 in eine Taylorreihe entwickelt werden kann.

Zeigen Sie ebenfalls

lim�→0

∫ ∞

−∞dx d

(2)� (x − x0) f (x) = f (x0) mit d

(2)� (x) = sin(πx/�)

2 sin(πx/2)

Führen Sie hier eine geeignete Integrationsvariable ein.

3.2 Integraldarstellung der δ-Funktion

Vergleichen Sie die Funktion

g(x) =∫ ∞

−∞dk exp

(−�

2k2

2

)exp( ikx)

mit d(1)� (x) aus Aufgabe 3.1. Leiten Sie daraus eine Integraldarstellung für die δ-

Funktion her.

3.3 Darstellung der δ-Funktion als Summe

Begründen Sie, dass die δ-Funktion im Intervall [−1, 1] durch die Summe

δ(x) = 1

2lim

N→∞

N∑n=−N

exp ( iπnx) = 1

2

∞∑n=−∞

exp ( iπnx) (3.44)

dargestellt werden kann. Bringen Sie die endliche Summe auf die Form d(2)� (x) aus

Aufgabe 3.1 und führen Sie den Limes N →∞ aus.

3.4 δ-Funktion einer Funktion

Die Funktion h(x) habe eine einzige einfache Nullstelle bei x0. Begründen Sie die

Relation

δ(h(x)

) = 1

|h′(x0)|δ(x − x0)