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Einleitung
In der Punktmechanik stehen die Bahnkurven r(t) von Teilchen und ihre Bewe-
gungsgleichungen im Mittelpunkt. Im Gegensatz dazu sind in der Elektrodynamik
Felder die grundlegenden Größen. Der Feldbegriff dürfte bereits aus einfachen An-wendungen der Kontinuumsmechanik (etwa der Saitenschwingung) bekannt sein.
Die elektromagnetischen Felder E(r, t) und B(r, t) werden durch die Kraft F de-
finiert, die sie auf eine Ladung q ausüben:
F = q E(r, t)+ qv
c× B(r, t) (Definition der Felder)
Hier ist r der Ort und v die Geschwindigkeit der Ladung. Es wird das Gaußsche
Maßsystem verwendet; c ist die Lichtgeschwindigkeit.
Die Bewegungsgleichungen für die Felder heißen Feldgleichungen. Sie sind par-tielle Differenzialgleichungen, die das raumzeitliche Verhalten der Felder bestim-
men. Die Feldgleichungen des elektromagnetischen Felds sind die Maxwellglei-chungen:
divE = 4π�, rotE + 1
c
∂B
∂t= 0, divB = 0, rotB − 1
c
∂E
∂t= 4π
cj
Die Ladungsdichte �(r, t) und die Stromdichte j (r, t) sind Quellen des Felds. Die
Maxwellgleichungen sind die Grundgleichungen der Elektrodynamik. Ihre Begrün-
dung, ihre Eigenschaften, Implikationen und Lösungen werden im vorliegenden
Buch untersucht.
Ebenso wie andere Naturgesetze oder Grundgleichungen der Physik sind die
Maxwellgleichungen nicht ableitbar oder beweisbar. Sie können entweder als Pos-
tulat aufgestellt oder als Verallgemeinerung von Schlüsselexperimenten (etwa der
Messung der Coulombkraft) plausibel gemacht werden. Wir gehen im Folgenden
den zweiten Weg, der einer idealisierten historischen Entwicklung entspricht. Aus
den Maxwellgleichungen werden zahlreiche Folgerungen abgeleitet, die experi-
mentell überprüft werden können.
Für statische Phänomene verschwinden die Zeitableitungen in den Maxwell-
gleichungen. Dann zerfallen sie in zwei unabhängige Gleichungspaare, nämlich
einerseits divE = 4π� und rotE = 0, und andererseits rotB = (4π/c) j
und divB = 0. Dies sind jeweils die Feldgleichungen der getrennten Gebiete der
Elektrostatik (Teil II) und der Magnetostatik (Teil III).
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T. Fließbach, Elektrodynamik, DOI 10.1007/978-3-8274-3036-6_1© Springer-Verlag Berlin Heidelbcrg 2012
2 Einleitung
Für zeitabhängige Prozesse sind elektrische und magnetische Felder miteinan-
der gekoppelt; dies kommt im Faradayschen Induktionsgesetz und im Maxwell-
schen Verschiebungsstrom zum Ausdruck. Außerdem transformieren sich die Fel-
der E und B ineinander, wenn man von einem Inertialsystem zu einem anderen
übergeht. Die Aufspaltung in elektrische und magnetische Phänomene ist daher
vom Beobachter abhängig und insofern teilweise willkürlich. Wir werden zeigen,
dass die aus der Mechanik bekannte Lorentztransformation die Transformation deselektromagnetischen Felds bestimmt, und dass die Maxwellgleichungen ihre Form
bei diesen Transformationen nicht ändern. Die grundlegenden Eigenschaften der
Maxwellgleichungen werden in Teil IV untersucht. Dabei wird auch die allgemeine
Lösung für räumlich begrenzte Ladungs- und Stromverteilungen angegeben.
Der Teil V behandelt die wichtigsten Anwendungen der Maxwellgleichungen.
Dazu gehören insbesondere elektromagnetische Wellen, die Strahlungsfelder von
beschleunigten oder oszillierenden Ladungen, die Streuung von Licht an Atomen
und der Schwingkreis.
Die Maxwellgleichungen gelten auch in Materie (Teil VI). Die Felder und die
Quellen werden nach dem Gesichtspunkt der Unterscheidung zwischen der Stö-
rung und der Reaktion der betrachteten Materie aufgeteilt. Für die relevanten Felder
erhalten wir dann zunächst mikroskopische Maxwellgleichungen und Response-
funktionen. Erst danach erfolgt der Übergang zu makroskopischen Maxwellglei-
chungen und genäherten Responsebeziehungen. Die Responsefunktionen werden
in einfachen Modellen der Physik der kondensierten Materie berechnet. Die Eigen-
schaften von elektromagnetischen Wellen in Materie und die damit verbundenen
Phänomene Dispersion und Absorption werden eingehend untersucht.
Teil VII führt in die Anfangsgründe der Optik ein. Zunächst wird die Ableitung
des Huygensschen Prinzips diskutiert. Danach werden die Interferenz und Beugung,
sowie die Reflexion und Brechung untersucht. Zum Schluss gehen wir noch kurz auf
die geometrische Optik ein.